Oberlandesgericht München Beschluss, 02. Feb. 2018 - 19 U 3422/17

bei uns veröffentlicht am02.02.2018

Tenor

1. Die Klägerin ist ihres Rechtsmittels der Berufung verlustig, soweit sie die Berufung im Hinblick auf ihren Antrag „Die Beklagte stellt die Klägerin von der Zahlung außergerichtlicher Rechtsanwaltskosten an ihre Prozessbevollmächtigten Rechtsanwälte … (Hersbruck) in Höhe eines Betrages von 1.219,04 € frei.“ zurückgenommen hat.

2. Im Übrigen wird die Berufung der Klägerin gegen das Endurteil des Landgerichts Traunstein vom 08.09.2017, Aktenzeichen 5 O 547/17, zurückgewiesen.

3. Die Klägerin hat die Kosten des Berufungsverfahrens zu tragen.

4. Das in Ziffer 1 genannte Urteil des Landgerichts Traunstein ist ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar. Die Klägerin kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110% des vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die Beklagte vor 19 u 3422/17 - Seite 2 der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110% des zu vollstreckenden Betrages leistet.

5. Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird auf 216.542,60 € festgesetzt.

Gründe

I.

Die Parteien streiten um Ansprüche aus einem widerrufenen Darlehensvertrag. Hinsichtlich der Darstellung des Sach- und Streitstandes wird auf den Tatbestand des angefochtenen Urteils des Landgerichts Traunstein vom 08.09.2017 Bezug genommen (§ 522 Abs. 2 S. 4 ZPO).

Das Landgericht wies die Klage ab, da die Klägerin im Zeitpunkt der Ausübung ihres Widerrufsrechts dieses bereits verwirkt hatte.

Gegen dieses Urteil richtet sich die Berufung der Klägerin, die im Berufungsverfahren zunächst beantragt,

  • 1.Das Endurteil des Landgerichts Traunstein vom 08.09.2017 (Az.: 5 O 547/17) wird abgeändert.

  • 2.Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin einen Betrag in Höhe von 9.813,13 € nebst Zinsen in Höhe von 5%-Punkten über dem Basiszins seit 21.06.2016 zu zahlen.

  • 3.Die Beklagte stellt die Klägerin von der Zahlung außergerichtlicher Rechtsanwaltskosten an ihre Prozessbevollmächtigten Rechtsanwälte . (Hersbruck) in Höhe eines Betrages von 1.219,04 € frei.

  • 4.Die Beklagte zahlt die Kosten beider Rechtszüge.

  • 5.Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung kostenpflichtig zu verwerfen.

Mit Verfügung des Vorsitzenden vom 21.11.2017 (Bl. 85/88 d. A.), auf die Bezug genommen wird, wurde die Klägerin darauf hingewiesen, dass und warum der Senat beabsichtige, ihre Berufung gemäß § 522 Abs. 2 ZPO als unbegründet zurückzuweisen.

Mit Schriftsatz vom 29.01.2018 erweitert die Klägerin ihre Klage und fasst Ziffer 2 ihrer bisherigen Anträge wie folgt neu:

2. Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin einen Betrag in Höhe von 29.859,90 € nebst Zinsen in Höhe von 5%-Punkten über dem Basiszins aus einem Betrag in Höhe von 19 u 3422/17 - Seite 3 9.813,13 € seit 21.06.2016 und aus einem weiteren Betrag in Höhe von 20.046,77 € seit 30.01.2018 zu zahlen.

Zugleich nimmt die Klägerin ihren bisherigen Antrag in Ziffer 3. zurück.

Ergänzend wird auf die im Berufungsverfahren eingegangenen Schriftsätze der Parteien Bezug genommen.

II.

Die Berufung gegen das Endurteil des Landgerichts Traunstein vom 08.09.2017, Aktenzeichen 5 O 547/17, ist - soweit sie nicht zurückgenommen wurde - gemäß § 522 Abs. 2 ZPO zurückzuweisen, weil nach einstimmiger Auffassung des Senats das Rechtsmittel offensichtlich keine Aussicht auf Erfolg hat, der Rechtssache auch keine grundsätzliche Bedeutung zukommt, weder die Fortbildung des Rechts noch die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Berufungsgerichts erfordert und die Durchführung einer mündlichen Verhandlung über die Berufung nicht geboten ist.

Auch die weiteren Schriftsätze der Klägerin vom 08.01.2018 (Bl. 94/97 d. A.), 22.01.2018 (Bl. 102/104 d. A.), 23.01.2018 (Bl. 105 d. A.) und 29.01.2018 (Bl. 106/107 d. A.) geben keinen Anlass für eine abweichende Beurteilung. Ergänzend ist folgendes zu bemerken:

1. Entgegen der Auffassung der Klägerin durfte der Senat berücksichtigen, dass der Wunsch zur vorzeitigen Ablösung des Darlehens von der Klägerin ausging, denn dies ergibt sich - auch ohne ausdrückliche Bezugnahme auf die Schriftsätze der Parteien samt Anlagen durch das Erstgericht - dennoch aus dem erstinstanzlichen Urteil. (LGU S. 8 unter Ziffer 2.2.2). Dort wurde explizit ausgeführt „…Der Darlehensvertrag wurde 2012 auf Wunsch der Klägerin vollständig aufgelöst und das Darlehen zurückgeführt.

Auch wenn sich diese Feststellung in den Entscheidungsgründen und nicht im eigentlichen Tatbestand des Ersturteils befindet, handelt es sich um vom Erstgericht festgestellte Tatsachen im Sinne von §§ 529 Abs. 1 Nr. 1, 314 ZPO, denn als Tatbestand im Sinne von § 314 BGB ist nicht nur die äußerlich von den übrigen Bestandteilen des Urteils gesonderte und als „Tatbestand“ bezeichnete Darstellung im Urteil zu begreifen, sondern dazu gehören nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes auch Tatbestandsfeststellungen, die sich in den Entscheidungsgründen finden (BGH, Urteil vom 02.10.1992 - V ZR 185/91, Rn. 6; BGH, Urteil vom 19.05.1998 - XI ZR 216/97, Rn. 14; BGH, Urteil vom 12.03.2003 - XII ZR 18/00, Rn. 28; BGH, Urteil vom 17.05.2000 - VIII ZR 216/99, Rn. 24). Diese Feststellung in den Entscheidungsgründen steht auch nicht im Widerspruch zu den tatbestandlichen Ausführungen, da - wie bereits in der Hinweisverfügung dargelegt (dort S. 2, Bl. 86 d. A.) - sich im Tatbestand nur die neutrale Feststellung „Der Vertrag wurde gegen Zahlung einer Vorfälligkeitsentschädigung…vorzeitig zurückgeführt.“

Damit liegen aber - wie vom Erstgericht zutreffend begründet - bei einer konkreten Einzelfallbetrachtung besondere auf dem Verhalten der Klägerin beruhende Umstände vor, die das Vertrauen der Beklagten rechtfertigen, die Klägerin werde ihr Recht nicht mehr geltend machen (BGH, Urteil vom 11.10.2016 - XI ZR 482/15, Rz. 30).

2. Soweit die Klägerin nunmehr im Schriftsatz vom 29.01.2018 ihren Berufungsantrag in Ziffer 2 dahingehend erweitert, dass sie im Rahmen der Rückabwicklung nunmehr Nutzungsersatz nicht mehr nur in Höhe von 0,5%-Punkten über dem Basiszinssatz, sondern in Höhe von 2,5%-Punkten über Basiszinssatz ansetzt, verliert diese im Berufungsverfahren verfolgte Klageerweiterung entsprechend § 524 Abs. 4 ZPO ihre Wirkung (BGH, Beschluss vom 06.11.2014 - IX ZR 204/13, Rn. 2 m. w. N.) und hindert den Senat nicht daran, im Wege eines Beschlusses nach § 522 Abs. 2 ZPO zu entscheiden.

III.

Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 97 Abs. 1, 516 Abs. 3 ZPO. Die Feststellung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit des angefochtenen Urteils erfolgt gemäß §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO.

IV.

Der Streitwert für das Berufungsverfahren wurde in Anwendung von § 3 ZPO, §§ 40, 43, 47 GKG bestimmt.

Der Senat schließt sich dabei der Auffassung des Bundesgerichtshofs (BGH, Urteil vom 12.01.2016 - XI ZR 366/15) an, wonach das wirtschaftliche Interesse des Klägers unter Berücksichtigung der gegeneinander abzuwägenden Vor- und Nachteile bei Wirksamkeit bzw. Unwirksamkeit des Widerrufs nach § 3 ZPO zu schätzen sei. Liegt dem Verbraucherdarlehensvertrag wie hier kein verbundener Vertrag zugrunde (§ 358 BGB), kann der Wert der Beschwer nicht mit dem Nettodarlehensbetrag gleichgesetzt werden. Vielmehr sind in solchen Fällen, wenn das Schuldverhältnis gemäß § 357 Abs. 1 Satz 1 BGB in der bis zum 12. Juni 2014 geltenden Fassung (künftig: aF) nach den §§ 346 ff. BGB rückabzuwickeln ist, die Leistungen maßgeblich, die die Klägerin gemäß §§ 346 ff. BGB beanspruchen zu können meint. Das sind nach § 346 Abs. 1 Halbsatz 1 BGB bereits erbrachte Zins- und Tilgungsleistungen (BGH, Beschluss vom 22.09.2015 - XI ZR 116/15, NJW 2015, 3441 Rn. 7 mwN). Diese Zins- und Tilgungsleistungen beziffert die Klägerin hier selbst bis zur vorzeitigen Rückführung am 31.05.2012 mit 216.542,60 Euro (Bl. 9 d. A.).

Ein Anspruch auf Nutzungsersatz gemäß § 346 Abs. 1 Halbsatz 2 BGB bleibt als Nebenforderung nach § 4 Abs. 1 Halbsatz 2 ZPO außer Betracht. Auch die geltend gemachten außergerichtlichen Rechtsanwaltskosten stellen Nebenforderungen im Sinne von § 4 Abs. 1 Halbsatz 2 ZPO dar und erhöhen den Streitwert nicht.

Urteilsbesprechung zu Oberlandesgericht München Beschluss, 02. Feb. 2018 - 19 U 3422/17

Urteilsbesprechungen zu Oberlandesgericht München Beschluss, 02. Feb. 2018 - 19 U 3422/17

Referenzen - Gesetze

Zivilprozessordnung - ZPO | § 708 Vorläufige Vollstreckbarkeit ohne Sicherheitsleistung


Für vorläufig vollstreckbar ohne Sicherheitsleistung sind zu erklären:1.Urteile, die auf Grund eines Anerkenntnisses oder eines Verzichts ergehen;2.Versäumnisurteile und Urteile nach Lage der Akten gegen die säumige Partei gemäß § 331a;3.Urteile, dur

Zivilprozessordnung - ZPO | § 97 Rechtsmittelkosten


(1) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen der Partei zur Last, die es eingelegt hat. (2) Die Kosten des Rechtsmittelverfahrens sind der obsiegenden Partei ganz oder teilweise aufzuerlegen, wenn sie auf Grund eines neuen Vo

Gerichtskostengesetz - GKG 2004 | § 47 Rechtsmittelverfahren


(1) Im Rechtsmittelverfahren bestimmt sich der Streitwert nach den Anträgen des Rechtsmittelführers. Endet das Verfahren, ohne dass solche Anträge eingereicht werden, oder werden, wenn eine Frist für die Rechtsmittelbegründung vorgeschrieben ist, inn
Oberlandesgericht München Beschluss, 02. Feb. 2018 - 19 U 3422/17 zitiert 14 §§.

Zivilprozessordnung - ZPO | § 708 Vorläufige Vollstreckbarkeit ohne Sicherheitsleistung


Für vorläufig vollstreckbar ohne Sicherheitsleistung sind zu erklären:1.Urteile, die auf Grund eines Anerkenntnisses oder eines Verzichts ergehen;2.Versäumnisurteile und Urteile nach Lage der Akten gegen die säumige Partei gemäß § 331a;3.Urteile, dur

Zivilprozessordnung - ZPO | § 97 Rechtsmittelkosten


(1) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen der Partei zur Last, die es eingelegt hat. (2) Die Kosten des Rechtsmittelverfahrens sind der obsiegenden Partei ganz oder teilweise aufzuerlegen, wenn sie auf Grund eines neuen Vo

Gerichtskostengesetz - GKG 2004 | § 47 Rechtsmittelverfahren


(1) Im Rechtsmittelverfahren bestimmt sich der Streitwert nach den Anträgen des Rechtsmittelführers. Endet das Verfahren, ohne dass solche Anträge eingereicht werden, oder werden, wenn eine Frist für die Rechtsmittelbegründung vorgeschrieben ist, inn

Zivilprozessordnung - ZPO | § 522 Zulässigkeitsprüfung; Zurückweisungsbeschluss


(1) Das Berufungsgericht hat von Amts wegen zu prüfen, ob die Berufung an sich statthaft und ob sie in der gesetzlichen Form und Frist eingelegt und begründet ist. Mangelt es an einem dieser Erfordernisse, so ist die Berufung als unzulässig zu verwer

Zivilprozessordnung - ZPO | § 3 Wertfestsetzung nach freiem Ermessen


Der Wert wird von dem Gericht nach freiem Ermessen festgesetzt; es kann eine beantragte Beweisaufnahme sowie von Amts wegen die Einnahme des Augenscheins und die Begutachtung durch Sachverständige anordnen.

Zivilprozessordnung - ZPO | § 529 Prüfungsumfang des Berufungsgerichts


(1) Das Berufungsgericht hat seiner Verhandlung und Entscheidung zugrunde zu legen:1.die vom Gericht des ersten Rechtszuges festgestellten Tatsachen, soweit nicht konkrete Anhaltspunkte Zweifel an der Richtigkeit oder Vollständigkeit der entscheidung

Gerichtskostengesetz - GKG 2004 | § 40 Zeitpunkt der Wertberechnung


Für die Wertberechnung ist der Zeitpunkt der den jeweiligen Streitgegenstand betreffenden Antragstellung maßgebend, die den Rechtszug einleitet.

Bürgerliches Gesetzbuch - BGB | § 357 Rechtsfolgen des Widerrufs von außerhalb von Geschäftsräumen geschlossenen Verträgen und Fernabsatzverträgen mit Ausnahme von Verträgen über Finanzdienstleistungen


(1) Die empfangenen Leistungen sind spätestens nach 14 Tagen zurückzugewähren. (2) Der Unternehmer muss auch etwaige Zahlungen des Verbrauchers für die Lieferung zurückgewähren. Dies gilt nicht, soweit dem Verbraucher zusätzliche Kosten entstande

Bürgerliches Gesetzbuch - BGB | § 314 Kündigung von Dauerschuldverhältnissen aus wichtigem Grund


(1) Dauerschuldverhältnisse kann jeder Vertragsteil aus wichtigem Grund ohne Einhaltung einer Kündigungsfrist kündigen. Ein wichtiger Grund liegt vor, wenn dem kündigenden Teil unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls und unter Abwägung

Bürgerliches Gesetzbuch - BGB | § 358 Mit dem widerrufenen Vertrag verbundener Vertrag


(1) Hat der Verbraucher seine auf den Abschluss eines Vertrags über die Lieferung einer Ware oder die Erbringung einer anderen Leistung durch einen Unternehmer gerichtete Willenserklärung wirksam widerrufen, so ist er auch an seine auf den Abschluss

Zivilprozessordnung - ZPO | § 524 Anschlussberufung


(1) Der Berufungsbeklagte kann sich der Berufung anschließen. Die Anschließung erfolgt durch Einreichung der Berufungsanschlussschrift bei dem Berufungsgericht. (2) Die Anschließung ist auch statthaft, wenn der Berufungsbeklagte auf die Berufung

Gerichtskostengesetz - GKG 2004 | § 43 Nebenforderungen


(1) Sind außer dem Hauptanspruch auch Früchte, Nutzungen, Zinsen oder Kosten als Nebenforderungen betroffen, wird der Wert der Nebenforderungen nicht berücksichtigt. (2) Sind Früchte, Nutzungen, Zinsen oder Kosten als Nebenforderungen ohne den Ha

Referenzen - Urteile

Oberlandesgericht München Beschluss, 02. Feb. 2018 - 19 U 3422/17 zitiert oder wird zitiert von 5 Urteil(en).

Oberlandesgericht München Beschluss, 02. Feb. 2018 - 19 U 3422/17 zitiert 5 Urteil(e) aus unserer Datenbank.

Bundesgerichtshof Urteil, 12. März 2003 - XII ZR 18/00

bei uns veröffentlicht am 12.03.2003

BUNDESGERICHTSHOF IM NAMEN DES VOLKES VERSÄUMNISURTEIL XII ZR 18/00 Verkündet am: 12. März 2003 Küpferle, Justizamtsinspektorin als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle in dem Rechtsstreit Nachschlagewerk: ja BGHZ: ja Z

Landgericht Traunstein Endurteil, 08. Sept. 2017 - 5 O 547/17

bei uns veröffentlicht am 08.09.2017

Tenor 1. Die Klage wird abgewiesen. 2. Die Klägerin hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen. 3. Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrags vorläufig vollstreckbar.

Bundesgerichtshof Urteil, 11. Okt. 2016 - XI ZR 482/15

bei uns veröffentlicht am 11.10.2016

BUNDESGERICHTSHOF IM NAMEN DES VOLKES URTEIL XI ZR 482/15 Verkündet am: 11. Oktober 2016 Herrwerth, Justizangestellte als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle in dem Rechtsstreit Nachschlagewerk: ja BGHZ: ja BGHR: ja BGB § 495 Abs.

Bundesgerichtshof Beschluss, 22. Sept. 2015 - XI ZR 116/15

bei uns veröffentlicht am 22.09.2015

BUNDESGERICHTSHOF BESCHLUSS XI ZR116/15 vom 22. September 2015 in dem Rechtsstreit Der XI. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat am 22. September 2015 durch den Vorsitzenden Richter Dr. Ellenberger, den Richter Dr. Grüneberg sowie die Richterinnen D

Bundesgerichtshof Beschluss, 06. Nov. 2014 - IX ZR 204/13

bei uns veröffentlicht am 06.11.2014

BUNDESGERICHTSHOF BESCHLUSS IX ZR204/13 vom 6. November 2014 in dem Rechtsstreit Nachschlagewerk: ja BGHZ: nein BGHR: ja ZPO § 522 Abs. 2, § 533 Wird die den erstinstanzlichen Streitgegenstand betreffende Berufung durch einstimmig

Referenzen

Tenor

1. Die Klage wird abgewiesen.

2. Die Klägerin hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.

3. Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrags vorläufig vollstreckbar.

Tatbestand

Die Parteien streiten über Ansprüche aus einem widerrufenen Darlehensvertrag.

Die Parteien schlossen am 15./25.11.2005 einen grundpfandrechtlich gesicherten Verbraucherdarlehensvertrag über einen Nennbetrag von 170.000,00 € mit einer Laufzeit bis 30.11.2015 (Anlage K1).

Der Vertrag war mit folgender Widerrufsbelehrung versehen:

Der Vertrag wurde gegen Zahlung einer Vorfälligkeitsentschädigung in Höhe von 7.735,19 € zum 30.05.2012 vorzeitig zurückgeführt.

Mit Schreiben vom 16.12.2014 wandte sich die Klägerin an die Beklagte und forderte sie auf unzulässigerweise erhobene Bearbeitungsgebühren „in Höhe von Disagio 8.500 € + jährliche Gebühren 108 € + sonstige Gebühren 150 € + Vorfälligkeitsentschädigung 7.735,19 € = Summe 16.493,19 €“ bis 30.12.2014 an sie zurückzuzahlen, ansonsten behalte sie sich rechtliche Schritte vor (Anlage K3).

Mit Schreiben vom 30.12.2014 (Anlage K4) forderte die Klägerin die Beklagte auf zu viel gezahlte Zinsen zurückzuerstatten und fügte handschriftlich hinzu:

„Hinsichtlich der Höhe des damals festgelegten Vertragszinses und dessen Vertretbarkeit behalte ich mir das Widerspruchsrecht vor und bitte um Aussetzung der Verjährung bis zum Eingang eines entsprechenden BGH-Urteils!“

Mit Schreiben vom 17.06.2016 (Anlage B1), welches der Beklagten am gleichen Tag zuging, widerrief die Klägerin den streitgegenständlichen Darlehensvertrag.

Die Klägerin trägt vor, die Beklagte habe aus den seitens der Klägerin bis zum 31.05.2012 gezahlten Zins- und Tilgungsleistungen in Höhe von 216.542,60 € Nutzungen von 0,5 % über dem Basiszins, mithin 1.796,22 €, gezogen. Durch die Mandatierung ihres Prozessbevollmächtigten seien außergerichtliche Rechtsanwaltskosten in Höhe von 1.219,04 € entstanden, von denen sie durch die Beklagte freizustellen sei. Das Widerrufsrecht sei nicht verwirkt, da die Beklagte im Jahre 2014 ihr Widerrufsrecht noch nicht gekannt habe und sich im Schreiben vom 30.12.2014 den Widerruf ausdrücklich vorbehalten habe.

Die Klägerin ist der Meinung, die Widerrufsbelehrung der Beklagten sei fehlerhaft. Der Beginn der Widerrufsfrist sei durch die Formulierung „frühestens mit Erhalt dieser Belehrung“ nicht klar genug dargestellt. Die Verwendung der Fußnote Nr. 2 sei für den Verbraucher völlig irreführend. Zudem sei der Vermerk, der Widerruf durch E-Mail sei nicht möglich, unzulässig. Die Beklagte könne sich nicht auf § 14 Abs. 3 BGB-Info-VO berufen, da die verwendete Widerrufsbelehrung nicht dem amtlichen Muster entsprechen würde.

Die Klägerin beantragt, zu erkennen:

  • 1.Die Beklagte zahlt, an die Klägerin einen Betrag in Höhe von 9.813,13 € nebst Zinsen in Höhe von 5 %-Punkten über dem Basiszinssatz sei 21.06.2016.

  • 2.Die Beklagte stellt die Klägerin von der Zahlung außergerichtlicher Rechtsanwaltsgebühren an ihre Prozessbevollmächtigten ... in Höhe eines Betrages von 1.219,04 € frei.

Die Beklagte beantragt

Klageabweisung.

Die Beklagte trägt vor, sie habe lediglich eine Nettomarge von 0,16 % erzielt. Auch habe die Klägerin einen höheren Nutzungsersatz als 38.525,68 € erzielt, nämlich bis zum Beendigungszeitpunkt 38.858,95 € und bis zum Widerruf 63.284,10 €. Die Beklagte befinde sich nicht in Verzug und eine 1,8 Geschäftsgebühr, wie sie bei den außergerichtlichen Rechtsanwaltskosten geltend gemacht wird, sei überhöht.

Die Beklagte ist der Meinung, die streitgegenständliche Widerrufsbelehrung entspreche der Rechtslage zum Zeitpunkt des Abschlusses des Darlehensvertrages. Ein wirksamer Widerruf liege daher nicht vor. Zudem sei die Ausübung des Widerrufsrechts rechtsmißbräuchlich und verwirkt, da der Darlehensvertrag bereits 2012 vollständig zurückgeführt worden sei. Die Schreiben aus dem Jahre 2014 würden daran nichts ändern, da sie nichts mit dem Widerruf des Darlehensvertrages zu tun hätten. Die Klägerin fordere darin die Erstattung von Bearbeitungsentgelten. Zwischen Vertragsschluss und Widerruf läge eine Zeitspanne von 10 1/2 Jahren und zwischen Ablösung des Darlehens und Widerruf mehr als vier Jahre. Zudem habe die Beklagte sämtliche Sicherheiten bei der Darlehensbeendigung aufgegeben, darin sei ein unzumutbarer Nachteil für die Beklagte zu sehen.

Mit Beschluss vom 12.05.2017 wurde das Verfahren der Einzelrichterin zur Entscheidung übertragen.

Auf das Sitzungsprotokoll vom 03.08.2017 wird Bezug genommen.

Gründe

Die zulässige Klage ist unbegründet.

I.

Die Klägerin hat keinen Anspruch gegen die Beklagte auf Rückzahlung der Vorfälligkeitsentschädigungen und Zahlung einer Nutzungsentschädigung, da sie den streitgegenständlichen Darlehensvertrag nicht mehr wirksam widerrufen konnte.

1. Die von der Beklagten erteilte Widerrufsbelehrung entsprach nicht dem inhaltlichen Deutlichkeitsgebot des § 355 Abs. 2 Satz 1 BGB a.F. (in der am 15./25.11.2005 geltenden Fassung, Art. 229 § 22 Abs. 2 EGBGB).

1.1. Zum einen informierte die Widerrufsbelehrung mittels des Einschubs des Worts „frühestens“ unzureichend deutlich über den Beginn der Widerrufsfrist (BGH, Urt. v. 12.07.2016 - XI ZR 564/15, juris).

1.2. Zum anderen unterrichtete die Widerrufsbelehrung in ihrer konkreten Gestalt undeutlich über die Länge der Widerrufsfrist. Zwar gab sie die Widerrufsfrist gemäß § 355 Abs. 2 Satz 1, Abs. 1 Satz 2 BGB a.F. (in der am 15./25.11.2005 geltenden Fassung, Art. 229 § 22 Abs. 2 EGBGB) grundsätzlich richtig mit „zwei Wochen“ an. Durch den Zusatz einer Fußnote mit dem Fußnotentext „Bitte Frist im Einzelfall prüfen“ vermittelte die Belehrung indessen hier den Eindruck, die Länge der Frist könne je nach den nicht mitgeteilten Umständen des Einzelfalls variieren und es sei Aufgabe des Verbrauchers, die in seinem Fall geltende Frist selbst festzustellen (BGH, Urt. v. 12.07.2016 - XI ZR 564/15, juris).

1.3. Auch ist die Widerrufsbelehrung dahingehend fehlerhaft, dass sie einen Widerruf per E-Mail ausschließt. Insoweit schränkt sie die Rechte des Verbrauchers in unzulässiger Weise ein. Zudem ist die Widerrufsbelehrung dadurch in sich widersprüchlich, da ausdrücklich erwähnt ist, dass ein Widerruf durch E-Mail erfolgen kann.

1.4. Der Beklagten kommt die Gesetzlichkeitsfiktion des Musters für die Widerrufsbelehrung gemäß Anlage 2 zu § 14 BGB-InfoV a.F. (in der am 15./25.11.2005 geltenden Fassung, Art. 229 § 22 Abs. 2 EGBGB) nicht zugute, da die Beklagte erheblich vom Text des Musters abgewichen ist.

§ 14 Abs. 1 BGB-InfoV a.F. (in der am 15./25.11.2005 geltenden Fassung, Art. 229 § 22 Abs. 2 EGBGB) knüpft die Gesetzlichkeitsfiktion an die Bedingung, dass „das Muster der Anlage 2 in Textform verwandt wird“.

Danach sind Abweichungen unschädlich die ihrer Qualität nach dem Muster entsprechen, ohne die Deutlichkeit der Belehrung zu schmälern. Die Beklagte hat das Muster für die Widerrufsbelehrung jedoch einer inhaltlichen Bearbeitung unterzogen, die über das nach § 14 Abs. 3 BGB-InfoV a.F. (in der am 15./25.11.2005 geltenden Fassung, Art. 229 § 22 Abs. 2 EGBGB) für den Erhalt der Gesetzlichkeitsfiktion Erlaubte hinausgeht. Sie hat zwei Fußnoten eingefügt, die das Muster für die Widerrufsbelehrung nicht vorsah.

Auf die Kausalität der aufgeführten Belehrungsfehler für das Unterbleiben des Widerrufs kommt es nicht an. Entscheidend ist nur, ob die Belehrung durch ihre missverständliche Fassung objektiv geeignet ist, den Verbraucher von der Ausübung seines Widerrufsrechts abzuhalten (BGH, Urt. v. 12.07.2016 - XI ZR 564/15, juris).

2. Das Widerrufsrecht für die streitgegenständlichen Darlehensverträge hatte die Klägerin jedoch bereits verwirkt. Zwar war die Widerrufsfrist zum Zeitpunkt der Erklärung des Widerrufs aufgrund nicht ordnungsgemäßer Widerrufsbelehrung noch nicht abgelaufen, § 355 Abs. 3 BGB a.F. (in der am 15./25.11.2005 geltenden Fassung, Art. 229 § 22 Abs. 2 EGBGB). Das Widerrufsrecht kann jedoch verwirkt werden (BGH, Urt. v. 12.07.2016 - XI ZR 564/15, juris; OLG München, Urt. v. 16.11.2016 - 20 U 3077/16).

2.1. Die Verwirkung als Unterfall der unzulässigen Rechtsausübung wegen der illoyal verspäteten Geltendmachung von Rechten (BGH, Urt. v. 12.07.2016 - XI ZR 564/15, juris; OLG München, Urt. v. 16.11.2016 - 20 U 3077/16) setzt neben einem Zeitmoment, für das die maßgebliche Frist mit dem Zustandekommen des Verbrauchervertrags zu laufen beginnt, ein Umstandsmoment voraus.

Ein Recht ist verwirkt, wenn sich der Schuldner wegen der Untätigkeit seines Gläubigers über einen gewissen Zeitraum hin bei objektiver Beurteilung darauf einrichten darf und eingerichtet hat, dieser werde sein Recht nicht mehr geltend machen, so dass die verspätete Geltendmachung gegen Treu und Glauben verstößt. Zu dem Zeitablauf müssen besondere, auf dem Verhalten des Berechtigten beruhende Umstände hinzutreten, die das Vertrauen des Verpflichteten rechtfertigen, der Berechtigte werde sein Recht nicht mehr geltend machen (BGH, Urt. v. 12.07.2016 - XI ZR 564/15, juris; OLG München, Urt. v. 16.11.2016 - 20 U 3077/16). Das gilt in besonderem Maße, wenn die Beendigung des Darlehensvertrags auf einen Wunsch des Verbrauchers zurückgeht (BGH, Urt. v. 11.10.2016, XI ZR 482/15, NJW 2017, 243, 246).

Ob eine Verwirkung vorliegt, richtet sich nach den Umständen des Einzelfalles (BGH, Urt. v. 11.10.2016, XI ZR 482/15, NJW 2017, 243, 246; BGH, Urt. v. 12.07.2016 - XI ZR 564/15, juris; OLG München, Urt. v. 16.11.2016 - 20 U 3077/16). Zwar kann der Unternehmer allein aufgrund eines laufend vertragstreuen Verhaltens des Verbrauchers ein schutzwürdiges Vertrauen darauf, der Verbraucher werde seine auf Abschluss des Verbraucherdarlehensvertrags gerichtete Willenserklärung nicht widerrufen, nicht bilden (BGH, Urt. v. 12.07.2016 - XI ZR 564/15, juris).

Es kommt für das Umstandsmoment auch nicht darauf an, wie gewichtig der Fehler ist, der zur Wirkungslosigkeit der Widerrufsbelehrung führt. Der Verbraucher ist entweder ordnungsgemäß belehrt oder nicht (EuGH, Urt. v. 10.04.2008 - C-412/06, NJW 2008, 1865, 1866). Das Risiko, dass ein Fehler der Widerrufsbelehrung erst nachträglich aufgedeckt wird, trägt nicht der Verbraucher, sondern die Bank. Im Gegenteil wird es dem Verbraucher aus der maßgeblichen Sicht der Bank schwerer fallen, das Fortbestehen des Widerrufsrechts zu erkennen, wenn die Widerrufsbelehrung den Anschein der Richtigkeit und Vollständigkeit erweckt (BGH, Urt. v. 12.07.2016 - XI ZR 564/15, juris). Die Bank wird dadurch nicht unbillig belastet. Es ist ihr während der Schwebezeit bei laufenden Vertragsbeziehungen jederzeit möglich und zumutbar, durch eine Nachbelehrung des Verbrauchers hier: gemäß § 355 Abs. 2 Satz 2 BGB a.F. (in der am 15./25.11.2005 geltenden Fassung, Art. 229 § 22 Abs. 2 EGBGB) in Verbindung mit Art. 229 § 9 Abs. 2 EGBGB die Widerrufsfrist in Gang zu setzen (BGH, Urt. v. 12.07.2016 - XI ZR 564/15, juris). Die Entscheidung des Gesetzgebers, gegen das unbefristete Widerrufsrecht die Nachbelehrung zu setzen, ist auch bei der Prüfung der Voraussetzungen der Verwirkung eines vor Beendigung des Verbraucherdarlehensvertrags ausgeübten Widerrufsrechts beachtlich (BGH, Urt. v. 12.07.2016 - XI ZR 564/15, juris).

Gerade bei beendeten Verbraucherdarlehensverträgen kann jedoch das Vertrauen des Unternehmers auf ein Unterbleiben des Widerrufs auch bei unterlassener Nachbelehrung schützwürdig sein, insbesondere dann wenn die zu widerrufende Willenserklärung des Verbrauchers keine in die Zukunft gerichteten belastenden Rechtsfolgen mehr zeitigt (OLG München, Urt. v. 16.11.2016 - 20 U 3077/16).

Zudem kann das Vertrauen des Unternehmers auf ein Unterbleiben eines Widerrufs schutzwürdig sein, wenn der Darlehensvertrag auf Wunsch des Verbrauchers durch einen einvernehmlichen Aufhebungsvertrag unter Zahlung einer Vorfälligkeitsentschädigung beendet wurde (BGH, Urt. v. 14.03.2017, XI ZR 442/16, Rn. 28, juris).

Auch ist die Bank schutzwürdig, wenn sie nach einvernehmlicher Beendigung des Darlehensverhältnisses alle Sicherheiten freigegeben hat, da sie sich somit jeglicher Absicherung des Rückzahlungsanspruches begibt (OLG München, Beschl. v. 16.09.2015, 19 U 969/15, Rn. 12, juris).

2.2. Es ist daher im vorliegenden Fall nach diesen Grundsätzen sowohl das Zeit- als auch das Umstandsmoment der Verwirkung gegeben.

2.2.1. Das Zeitelement ist gegeben, da der Darlehensvertrag 2005 geschlossen und am 17.06.2016 widerrufen wurden (vgl. OLG München, Urt. v. 16.09.2015 - 19 U 969/15). Es liegen somit zwischen Abschluss des Verbrauchervertrages und dessen Widerruf am 17.06.2016 ca. 10 1/2 Jahre.

2.2.2. Auch das Umstandsmoment ist gegeben. Der Darlehensvertrag wurde 2012 auf Wunsch der Klägerin vollständig aufgelöst und das Darlehen zurückgeführt. Mit Rückzahlung des Darlehens und Zahlung der Vorfälligkeitsentschädigung 2012 hatte die Klägerin keine finanziellen Belastungen aus dem Darlehensvertrag mehr. Aus dem Widerruf des Darlehensvertrages kann die Klägerin bezüglich ihrer dort eingegangenen vertraglichen Verpflichtungen keinerlei Vorteil mehr herleiten. Das Darlehen und die Vorfälligkeitsentschädigung wurden vorbehaltlos zurückbezahlt bzw. bezahlt und die Sicherheiten freigegeben. Insbesondere die Freigabe der Sicherheiten ist ein Indiz für das Vertrauen der Bank auf eine endgültige Beendigung der Darlehensverhältnisse ohne Widerruf durch die Klägerin. Zudem wurde der durch die Parteien durch die einvernehmliche Beendigung der Darlehensverträge geschaffene Zustand als endgültig angesehen (vgl. OLG Düsseldorf, Urt. v. 01.02.2017 - I-3 U 26/16). Aus all dem ergibt sich, dass die Beklagte darauf vertrauen durfte, dass ca. 4 Jahre nach übereinstimmender Auflösung der Darlehensverträge ein Widerruf durch die Klägerin nicht mehr erfolgen würde.

2.2.3. Daran ändern auch die seitens der Klägerin im Jahre 2014 an die Beklagte gerichteten Schreiben hinsichtlich zu Unrecht erhobener Bearbeitungsgebühren und Zinsen nichts. Aus beiden Schreiben ergibt sich gerade nicht der Wunsch der Klägerin das Darlehen zu widerrufen oder rückabzuwickeln. Vielmehr macht die Klägerin geltend, dass überhöhte Nebenforderungen seitens der Beklagten erhoben worden seien. Auch der Vorbehalt eines Widerspruchsrechtes bezieht sich nach der eindeutigen Formulierung durch die Klägerin allein auf die Vertragszinsen. Zwar konnte die Beklagte aus diesen Schreiben ersehen, dass die Klägerin mit der Abwicklung des Darlehens nicht vollumfänglich einverstanden war, musste jedoch nicht mit einem Widerruf bzw. einer Rückabwicklung des Darlehens rechnen.

Darüber hinaus hat die Klägerin auch nach ihrem Schreiben vom 31.12.2014 ihre Forderungen nicht mehr weiterverfolgt, sondern erst fast eineinhalb Jahre später den Widerruf des Darlehensvertrages erklärt, ohne auf ihre Forderungen aus dem Jahre 2014 nochmals einzugehen.

II.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 ZPO, die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit auf § 709 ZPO.

(1) Das Berufungsgericht hat von Amts wegen zu prüfen, ob die Berufung an sich statthaft und ob sie in der gesetzlichen Form und Frist eingelegt und begründet ist. Mangelt es an einem dieser Erfordernisse, so ist die Berufung als unzulässig zu verwerfen. Die Entscheidung kann durch Beschluss ergehen. Gegen den Beschluss findet die Rechtsbeschwerde statt.

(2) Das Berufungsgericht soll die Berufung durch Beschluss unverzüglich zurückweisen, wenn es einstimmig davon überzeugt ist, dass

1.
die Berufung offensichtlich keine Aussicht auf Erfolg hat,
2.
die Rechtssache keine grundsätzliche Bedeutung hat,
3.
die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Berufungsgerichts nicht erfordert und
4.
eine mündliche Verhandlung nicht geboten ist.
Das Berufungsgericht oder der Vorsitzende hat zuvor die Parteien auf die beabsichtigte Zurückweisung der Berufung und die Gründe hierfür hinzuweisen und dem Berufungsführer binnen einer zu bestimmenden Frist Gelegenheit zur Stellungnahme zu geben. Der Beschluss nach Satz 1 ist zu begründen, soweit die Gründe für die Zurückweisung nicht bereits in dem Hinweis nach Satz 2 enthalten sind. Ein anfechtbarer Beschluss hat darüber hinaus eine Bezugnahme auf die tatsächlichen Feststellungen im angefochtenen Urteil mit Darstellung etwaiger Änderungen oder Ergänzungen zu enthalten.

(3) Gegen den Beschluss nach Absatz 2 Satz 1 steht dem Berufungsführer das Rechtsmittel zu, das bei einer Entscheidung durch Urteil zulässig wäre.

Tenor

1. Die Klage wird abgewiesen.

2. Die Klägerin hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.

3. Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrags vorläufig vollstreckbar.

Tatbestand

Die Parteien streiten über Ansprüche aus einem widerrufenen Darlehensvertrag.

Die Parteien schlossen am 15./25.11.2005 einen grundpfandrechtlich gesicherten Verbraucherdarlehensvertrag über einen Nennbetrag von 170.000,00 € mit einer Laufzeit bis 30.11.2015 (Anlage K1).

Der Vertrag war mit folgender Widerrufsbelehrung versehen:

Der Vertrag wurde gegen Zahlung einer Vorfälligkeitsentschädigung in Höhe von 7.735,19 € zum 30.05.2012 vorzeitig zurückgeführt.

Mit Schreiben vom 16.12.2014 wandte sich die Klägerin an die Beklagte und forderte sie auf unzulässigerweise erhobene Bearbeitungsgebühren „in Höhe von Disagio 8.500 € + jährliche Gebühren 108 € + sonstige Gebühren 150 € + Vorfälligkeitsentschädigung 7.735,19 € = Summe 16.493,19 €“ bis 30.12.2014 an sie zurückzuzahlen, ansonsten behalte sie sich rechtliche Schritte vor (Anlage K3).

Mit Schreiben vom 30.12.2014 (Anlage K4) forderte die Klägerin die Beklagte auf zu viel gezahlte Zinsen zurückzuerstatten und fügte handschriftlich hinzu:

„Hinsichtlich der Höhe des damals festgelegten Vertragszinses und dessen Vertretbarkeit behalte ich mir das Widerspruchsrecht vor und bitte um Aussetzung der Verjährung bis zum Eingang eines entsprechenden BGH-Urteils!“

Mit Schreiben vom 17.06.2016 (Anlage B1), welches der Beklagten am gleichen Tag zuging, widerrief die Klägerin den streitgegenständlichen Darlehensvertrag.

Die Klägerin trägt vor, die Beklagte habe aus den seitens der Klägerin bis zum 31.05.2012 gezahlten Zins- und Tilgungsleistungen in Höhe von 216.542,60 € Nutzungen von 0,5 % über dem Basiszins, mithin 1.796,22 €, gezogen. Durch die Mandatierung ihres Prozessbevollmächtigten seien außergerichtliche Rechtsanwaltskosten in Höhe von 1.219,04 € entstanden, von denen sie durch die Beklagte freizustellen sei. Das Widerrufsrecht sei nicht verwirkt, da die Beklagte im Jahre 2014 ihr Widerrufsrecht noch nicht gekannt habe und sich im Schreiben vom 30.12.2014 den Widerruf ausdrücklich vorbehalten habe.

Die Klägerin ist der Meinung, die Widerrufsbelehrung der Beklagten sei fehlerhaft. Der Beginn der Widerrufsfrist sei durch die Formulierung „frühestens mit Erhalt dieser Belehrung“ nicht klar genug dargestellt. Die Verwendung der Fußnote Nr. 2 sei für den Verbraucher völlig irreführend. Zudem sei der Vermerk, der Widerruf durch E-Mail sei nicht möglich, unzulässig. Die Beklagte könne sich nicht auf § 14 Abs. 3 BGB-Info-VO berufen, da die verwendete Widerrufsbelehrung nicht dem amtlichen Muster entsprechen würde.

Die Klägerin beantragt, zu erkennen:

  • 1.Die Beklagte zahlt, an die Klägerin einen Betrag in Höhe von 9.813,13 € nebst Zinsen in Höhe von 5 %-Punkten über dem Basiszinssatz sei 21.06.2016.

  • 2.Die Beklagte stellt die Klägerin von der Zahlung außergerichtlicher Rechtsanwaltsgebühren an ihre Prozessbevollmächtigten ... in Höhe eines Betrages von 1.219,04 € frei.

Die Beklagte beantragt

Klageabweisung.

Die Beklagte trägt vor, sie habe lediglich eine Nettomarge von 0,16 % erzielt. Auch habe die Klägerin einen höheren Nutzungsersatz als 38.525,68 € erzielt, nämlich bis zum Beendigungszeitpunkt 38.858,95 € und bis zum Widerruf 63.284,10 €. Die Beklagte befinde sich nicht in Verzug und eine 1,8 Geschäftsgebühr, wie sie bei den außergerichtlichen Rechtsanwaltskosten geltend gemacht wird, sei überhöht.

Die Beklagte ist der Meinung, die streitgegenständliche Widerrufsbelehrung entspreche der Rechtslage zum Zeitpunkt des Abschlusses des Darlehensvertrages. Ein wirksamer Widerruf liege daher nicht vor. Zudem sei die Ausübung des Widerrufsrechts rechtsmißbräuchlich und verwirkt, da der Darlehensvertrag bereits 2012 vollständig zurückgeführt worden sei. Die Schreiben aus dem Jahre 2014 würden daran nichts ändern, da sie nichts mit dem Widerruf des Darlehensvertrages zu tun hätten. Die Klägerin fordere darin die Erstattung von Bearbeitungsentgelten. Zwischen Vertragsschluss und Widerruf läge eine Zeitspanne von 10 1/2 Jahren und zwischen Ablösung des Darlehens und Widerruf mehr als vier Jahre. Zudem habe die Beklagte sämtliche Sicherheiten bei der Darlehensbeendigung aufgegeben, darin sei ein unzumutbarer Nachteil für die Beklagte zu sehen.

Mit Beschluss vom 12.05.2017 wurde das Verfahren der Einzelrichterin zur Entscheidung übertragen.

Auf das Sitzungsprotokoll vom 03.08.2017 wird Bezug genommen.

Gründe

Die zulässige Klage ist unbegründet.

I.

Die Klägerin hat keinen Anspruch gegen die Beklagte auf Rückzahlung der Vorfälligkeitsentschädigungen und Zahlung einer Nutzungsentschädigung, da sie den streitgegenständlichen Darlehensvertrag nicht mehr wirksam widerrufen konnte.

1. Die von der Beklagten erteilte Widerrufsbelehrung entsprach nicht dem inhaltlichen Deutlichkeitsgebot des § 355 Abs. 2 Satz 1 BGB a.F. (in der am 15./25.11.2005 geltenden Fassung, Art. 229 § 22 Abs. 2 EGBGB).

1.1. Zum einen informierte die Widerrufsbelehrung mittels des Einschubs des Worts „frühestens“ unzureichend deutlich über den Beginn der Widerrufsfrist (BGH, Urt. v. 12.07.2016 - XI ZR 564/15, juris).

1.2. Zum anderen unterrichtete die Widerrufsbelehrung in ihrer konkreten Gestalt undeutlich über die Länge der Widerrufsfrist. Zwar gab sie die Widerrufsfrist gemäß § 355 Abs. 2 Satz 1, Abs. 1 Satz 2 BGB a.F. (in der am 15./25.11.2005 geltenden Fassung, Art. 229 § 22 Abs. 2 EGBGB) grundsätzlich richtig mit „zwei Wochen“ an. Durch den Zusatz einer Fußnote mit dem Fußnotentext „Bitte Frist im Einzelfall prüfen“ vermittelte die Belehrung indessen hier den Eindruck, die Länge der Frist könne je nach den nicht mitgeteilten Umständen des Einzelfalls variieren und es sei Aufgabe des Verbrauchers, die in seinem Fall geltende Frist selbst festzustellen (BGH, Urt. v. 12.07.2016 - XI ZR 564/15, juris).

1.3. Auch ist die Widerrufsbelehrung dahingehend fehlerhaft, dass sie einen Widerruf per E-Mail ausschließt. Insoweit schränkt sie die Rechte des Verbrauchers in unzulässiger Weise ein. Zudem ist die Widerrufsbelehrung dadurch in sich widersprüchlich, da ausdrücklich erwähnt ist, dass ein Widerruf durch E-Mail erfolgen kann.

1.4. Der Beklagten kommt die Gesetzlichkeitsfiktion des Musters für die Widerrufsbelehrung gemäß Anlage 2 zu § 14 BGB-InfoV a.F. (in der am 15./25.11.2005 geltenden Fassung, Art. 229 § 22 Abs. 2 EGBGB) nicht zugute, da die Beklagte erheblich vom Text des Musters abgewichen ist.

§ 14 Abs. 1 BGB-InfoV a.F. (in der am 15./25.11.2005 geltenden Fassung, Art. 229 § 22 Abs. 2 EGBGB) knüpft die Gesetzlichkeitsfiktion an die Bedingung, dass „das Muster der Anlage 2 in Textform verwandt wird“.

Danach sind Abweichungen unschädlich die ihrer Qualität nach dem Muster entsprechen, ohne die Deutlichkeit der Belehrung zu schmälern. Die Beklagte hat das Muster für die Widerrufsbelehrung jedoch einer inhaltlichen Bearbeitung unterzogen, die über das nach § 14 Abs. 3 BGB-InfoV a.F. (in der am 15./25.11.2005 geltenden Fassung, Art. 229 § 22 Abs. 2 EGBGB) für den Erhalt der Gesetzlichkeitsfiktion Erlaubte hinausgeht. Sie hat zwei Fußnoten eingefügt, die das Muster für die Widerrufsbelehrung nicht vorsah.

Auf die Kausalität der aufgeführten Belehrungsfehler für das Unterbleiben des Widerrufs kommt es nicht an. Entscheidend ist nur, ob die Belehrung durch ihre missverständliche Fassung objektiv geeignet ist, den Verbraucher von der Ausübung seines Widerrufsrechts abzuhalten (BGH, Urt. v. 12.07.2016 - XI ZR 564/15, juris).

2. Das Widerrufsrecht für die streitgegenständlichen Darlehensverträge hatte die Klägerin jedoch bereits verwirkt. Zwar war die Widerrufsfrist zum Zeitpunkt der Erklärung des Widerrufs aufgrund nicht ordnungsgemäßer Widerrufsbelehrung noch nicht abgelaufen, § 355 Abs. 3 BGB a.F. (in der am 15./25.11.2005 geltenden Fassung, Art. 229 § 22 Abs. 2 EGBGB). Das Widerrufsrecht kann jedoch verwirkt werden (BGH, Urt. v. 12.07.2016 - XI ZR 564/15, juris; OLG München, Urt. v. 16.11.2016 - 20 U 3077/16).

2.1. Die Verwirkung als Unterfall der unzulässigen Rechtsausübung wegen der illoyal verspäteten Geltendmachung von Rechten (BGH, Urt. v. 12.07.2016 - XI ZR 564/15, juris; OLG München, Urt. v. 16.11.2016 - 20 U 3077/16) setzt neben einem Zeitmoment, für das die maßgebliche Frist mit dem Zustandekommen des Verbrauchervertrags zu laufen beginnt, ein Umstandsmoment voraus.

Ein Recht ist verwirkt, wenn sich der Schuldner wegen der Untätigkeit seines Gläubigers über einen gewissen Zeitraum hin bei objektiver Beurteilung darauf einrichten darf und eingerichtet hat, dieser werde sein Recht nicht mehr geltend machen, so dass die verspätete Geltendmachung gegen Treu und Glauben verstößt. Zu dem Zeitablauf müssen besondere, auf dem Verhalten des Berechtigten beruhende Umstände hinzutreten, die das Vertrauen des Verpflichteten rechtfertigen, der Berechtigte werde sein Recht nicht mehr geltend machen (BGH, Urt. v. 12.07.2016 - XI ZR 564/15, juris; OLG München, Urt. v. 16.11.2016 - 20 U 3077/16). Das gilt in besonderem Maße, wenn die Beendigung des Darlehensvertrags auf einen Wunsch des Verbrauchers zurückgeht (BGH, Urt. v. 11.10.2016, XI ZR 482/15, NJW 2017, 243, 246).

Ob eine Verwirkung vorliegt, richtet sich nach den Umständen des Einzelfalles (BGH, Urt. v. 11.10.2016, XI ZR 482/15, NJW 2017, 243, 246; BGH, Urt. v. 12.07.2016 - XI ZR 564/15, juris; OLG München, Urt. v. 16.11.2016 - 20 U 3077/16). Zwar kann der Unternehmer allein aufgrund eines laufend vertragstreuen Verhaltens des Verbrauchers ein schutzwürdiges Vertrauen darauf, der Verbraucher werde seine auf Abschluss des Verbraucherdarlehensvertrags gerichtete Willenserklärung nicht widerrufen, nicht bilden (BGH, Urt. v. 12.07.2016 - XI ZR 564/15, juris).

Es kommt für das Umstandsmoment auch nicht darauf an, wie gewichtig der Fehler ist, der zur Wirkungslosigkeit der Widerrufsbelehrung führt. Der Verbraucher ist entweder ordnungsgemäß belehrt oder nicht (EuGH, Urt. v. 10.04.2008 - C-412/06, NJW 2008, 1865, 1866). Das Risiko, dass ein Fehler der Widerrufsbelehrung erst nachträglich aufgedeckt wird, trägt nicht der Verbraucher, sondern die Bank. Im Gegenteil wird es dem Verbraucher aus der maßgeblichen Sicht der Bank schwerer fallen, das Fortbestehen des Widerrufsrechts zu erkennen, wenn die Widerrufsbelehrung den Anschein der Richtigkeit und Vollständigkeit erweckt (BGH, Urt. v. 12.07.2016 - XI ZR 564/15, juris). Die Bank wird dadurch nicht unbillig belastet. Es ist ihr während der Schwebezeit bei laufenden Vertragsbeziehungen jederzeit möglich und zumutbar, durch eine Nachbelehrung des Verbrauchers hier: gemäß § 355 Abs. 2 Satz 2 BGB a.F. (in der am 15./25.11.2005 geltenden Fassung, Art. 229 § 22 Abs. 2 EGBGB) in Verbindung mit Art. 229 § 9 Abs. 2 EGBGB die Widerrufsfrist in Gang zu setzen (BGH, Urt. v. 12.07.2016 - XI ZR 564/15, juris). Die Entscheidung des Gesetzgebers, gegen das unbefristete Widerrufsrecht die Nachbelehrung zu setzen, ist auch bei der Prüfung der Voraussetzungen der Verwirkung eines vor Beendigung des Verbraucherdarlehensvertrags ausgeübten Widerrufsrechts beachtlich (BGH, Urt. v. 12.07.2016 - XI ZR 564/15, juris).

Gerade bei beendeten Verbraucherdarlehensverträgen kann jedoch das Vertrauen des Unternehmers auf ein Unterbleiben des Widerrufs auch bei unterlassener Nachbelehrung schützwürdig sein, insbesondere dann wenn die zu widerrufende Willenserklärung des Verbrauchers keine in die Zukunft gerichteten belastenden Rechtsfolgen mehr zeitigt (OLG München, Urt. v. 16.11.2016 - 20 U 3077/16).

Zudem kann das Vertrauen des Unternehmers auf ein Unterbleiben eines Widerrufs schutzwürdig sein, wenn der Darlehensvertrag auf Wunsch des Verbrauchers durch einen einvernehmlichen Aufhebungsvertrag unter Zahlung einer Vorfälligkeitsentschädigung beendet wurde (BGH, Urt. v. 14.03.2017, XI ZR 442/16, Rn. 28, juris).

Auch ist die Bank schutzwürdig, wenn sie nach einvernehmlicher Beendigung des Darlehensverhältnisses alle Sicherheiten freigegeben hat, da sie sich somit jeglicher Absicherung des Rückzahlungsanspruches begibt (OLG München, Beschl. v. 16.09.2015, 19 U 969/15, Rn. 12, juris).

2.2. Es ist daher im vorliegenden Fall nach diesen Grundsätzen sowohl das Zeit- als auch das Umstandsmoment der Verwirkung gegeben.

2.2.1. Das Zeitelement ist gegeben, da der Darlehensvertrag 2005 geschlossen und am 17.06.2016 widerrufen wurden (vgl. OLG München, Urt. v. 16.09.2015 - 19 U 969/15). Es liegen somit zwischen Abschluss des Verbrauchervertrages und dessen Widerruf am 17.06.2016 ca. 10 1/2 Jahre.

2.2.2. Auch das Umstandsmoment ist gegeben. Der Darlehensvertrag wurde 2012 auf Wunsch der Klägerin vollständig aufgelöst und das Darlehen zurückgeführt. Mit Rückzahlung des Darlehens und Zahlung der Vorfälligkeitsentschädigung 2012 hatte die Klägerin keine finanziellen Belastungen aus dem Darlehensvertrag mehr. Aus dem Widerruf des Darlehensvertrages kann die Klägerin bezüglich ihrer dort eingegangenen vertraglichen Verpflichtungen keinerlei Vorteil mehr herleiten. Das Darlehen und die Vorfälligkeitsentschädigung wurden vorbehaltlos zurückbezahlt bzw. bezahlt und die Sicherheiten freigegeben. Insbesondere die Freigabe der Sicherheiten ist ein Indiz für das Vertrauen der Bank auf eine endgültige Beendigung der Darlehensverhältnisse ohne Widerruf durch die Klägerin. Zudem wurde der durch die Parteien durch die einvernehmliche Beendigung der Darlehensverträge geschaffene Zustand als endgültig angesehen (vgl. OLG Düsseldorf, Urt. v. 01.02.2017 - I-3 U 26/16). Aus all dem ergibt sich, dass die Beklagte darauf vertrauen durfte, dass ca. 4 Jahre nach übereinstimmender Auflösung der Darlehensverträge ein Widerruf durch die Klägerin nicht mehr erfolgen würde.

2.2.3. Daran ändern auch die seitens der Klägerin im Jahre 2014 an die Beklagte gerichteten Schreiben hinsichtlich zu Unrecht erhobener Bearbeitungsgebühren und Zinsen nichts. Aus beiden Schreiben ergibt sich gerade nicht der Wunsch der Klägerin das Darlehen zu widerrufen oder rückabzuwickeln. Vielmehr macht die Klägerin geltend, dass überhöhte Nebenforderungen seitens der Beklagten erhoben worden seien. Auch der Vorbehalt eines Widerspruchsrechtes bezieht sich nach der eindeutigen Formulierung durch die Klägerin allein auf die Vertragszinsen. Zwar konnte die Beklagte aus diesen Schreiben ersehen, dass die Klägerin mit der Abwicklung des Darlehens nicht vollumfänglich einverstanden war, musste jedoch nicht mit einem Widerruf bzw. einer Rückabwicklung des Darlehens rechnen.

Darüber hinaus hat die Klägerin auch nach ihrem Schreiben vom 31.12.2014 ihre Forderungen nicht mehr weiterverfolgt, sondern erst fast eineinhalb Jahre später den Widerruf des Darlehensvertrages erklärt, ohne auf ihre Forderungen aus dem Jahre 2014 nochmals einzugehen.

II.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 ZPO, die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit auf § 709 ZPO.

(1) Das Berufungsgericht hat von Amts wegen zu prüfen, ob die Berufung an sich statthaft und ob sie in der gesetzlichen Form und Frist eingelegt und begründet ist. Mangelt es an einem dieser Erfordernisse, so ist die Berufung als unzulässig zu verwerfen. Die Entscheidung kann durch Beschluss ergehen. Gegen den Beschluss findet die Rechtsbeschwerde statt.

(2) Das Berufungsgericht soll die Berufung durch Beschluss unverzüglich zurückweisen, wenn es einstimmig davon überzeugt ist, dass

1.
die Berufung offensichtlich keine Aussicht auf Erfolg hat,
2.
die Rechtssache keine grundsätzliche Bedeutung hat,
3.
die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Berufungsgerichts nicht erfordert und
4.
eine mündliche Verhandlung nicht geboten ist.
Das Berufungsgericht oder der Vorsitzende hat zuvor die Parteien auf die beabsichtigte Zurückweisung der Berufung und die Gründe hierfür hinzuweisen und dem Berufungsführer binnen einer zu bestimmenden Frist Gelegenheit zur Stellungnahme zu geben. Der Beschluss nach Satz 1 ist zu begründen, soweit die Gründe für die Zurückweisung nicht bereits in dem Hinweis nach Satz 2 enthalten sind. Ein anfechtbarer Beschluss hat darüber hinaus eine Bezugnahme auf die tatsächlichen Feststellungen im angefochtenen Urteil mit Darstellung etwaiger Änderungen oder Ergänzungen zu enthalten.

(3) Gegen den Beschluss nach Absatz 2 Satz 1 steht dem Berufungsführer das Rechtsmittel zu, das bei einer Entscheidung durch Urteil zulässig wäre.

Tenor

1. Die Klage wird abgewiesen.

2. Die Klägerin hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.

3. Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrags vorläufig vollstreckbar.

Tatbestand

Die Parteien streiten über Ansprüche aus einem widerrufenen Darlehensvertrag.

Die Parteien schlossen am 15./25.11.2005 einen grundpfandrechtlich gesicherten Verbraucherdarlehensvertrag über einen Nennbetrag von 170.000,00 € mit einer Laufzeit bis 30.11.2015 (Anlage K1).

Der Vertrag war mit folgender Widerrufsbelehrung versehen:

Der Vertrag wurde gegen Zahlung einer Vorfälligkeitsentschädigung in Höhe von 7.735,19 € zum 30.05.2012 vorzeitig zurückgeführt.

Mit Schreiben vom 16.12.2014 wandte sich die Klägerin an die Beklagte und forderte sie auf unzulässigerweise erhobene Bearbeitungsgebühren „in Höhe von Disagio 8.500 € + jährliche Gebühren 108 € + sonstige Gebühren 150 € + Vorfälligkeitsentschädigung 7.735,19 € = Summe 16.493,19 €“ bis 30.12.2014 an sie zurückzuzahlen, ansonsten behalte sie sich rechtliche Schritte vor (Anlage K3).

Mit Schreiben vom 30.12.2014 (Anlage K4) forderte die Klägerin die Beklagte auf zu viel gezahlte Zinsen zurückzuerstatten und fügte handschriftlich hinzu:

„Hinsichtlich der Höhe des damals festgelegten Vertragszinses und dessen Vertretbarkeit behalte ich mir das Widerspruchsrecht vor und bitte um Aussetzung der Verjährung bis zum Eingang eines entsprechenden BGH-Urteils!“

Mit Schreiben vom 17.06.2016 (Anlage B1), welches der Beklagten am gleichen Tag zuging, widerrief die Klägerin den streitgegenständlichen Darlehensvertrag.

Die Klägerin trägt vor, die Beklagte habe aus den seitens der Klägerin bis zum 31.05.2012 gezahlten Zins- und Tilgungsleistungen in Höhe von 216.542,60 € Nutzungen von 0,5 % über dem Basiszins, mithin 1.796,22 €, gezogen. Durch die Mandatierung ihres Prozessbevollmächtigten seien außergerichtliche Rechtsanwaltskosten in Höhe von 1.219,04 € entstanden, von denen sie durch die Beklagte freizustellen sei. Das Widerrufsrecht sei nicht verwirkt, da die Beklagte im Jahre 2014 ihr Widerrufsrecht noch nicht gekannt habe und sich im Schreiben vom 30.12.2014 den Widerruf ausdrücklich vorbehalten habe.

Die Klägerin ist der Meinung, die Widerrufsbelehrung der Beklagten sei fehlerhaft. Der Beginn der Widerrufsfrist sei durch die Formulierung „frühestens mit Erhalt dieser Belehrung“ nicht klar genug dargestellt. Die Verwendung der Fußnote Nr. 2 sei für den Verbraucher völlig irreführend. Zudem sei der Vermerk, der Widerruf durch E-Mail sei nicht möglich, unzulässig. Die Beklagte könne sich nicht auf § 14 Abs. 3 BGB-Info-VO berufen, da die verwendete Widerrufsbelehrung nicht dem amtlichen Muster entsprechen würde.

Die Klägerin beantragt, zu erkennen:

  • 1.Die Beklagte zahlt, an die Klägerin einen Betrag in Höhe von 9.813,13 € nebst Zinsen in Höhe von 5 %-Punkten über dem Basiszinssatz sei 21.06.2016.

  • 2.Die Beklagte stellt die Klägerin von der Zahlung außergerichtlicher Rechtsanwaltsgebühren an ihre Prozessbevollmächtigten ... in Höhe eines Betrages von 1.219,04 € frei.

Die Beklagte beantragt

Klageabweisung.

Die Beklagte trägt vor, sie habe lediglich eine Nettomarge von 0,16 % erzielt. Auch habe die Klägerin einen höheren Nutzungsersatz als 38.525,68 € erzielt, nämlich bis zum Beendigungszeitpunkt 38.858,95 € und bis zum Widerruf 63.284,10 €. Die Beklagte befinde sich nicht in Verzug und eine 1,8 Geschäftsgebühr, wie sie bei den außergerichtlichen Rechtsanwaltskosten geltend gemacht wird, sei überhöht.

Die Beklagte ist der Meinung, die streitgegenständliche Widerrufsbelehrung entspreche der Rechtslage zum Zeitpunkt des Abschlusses des Darlehensvertrages. Ein wirksamer Widerruf liege daher nicht vor. Zudem sei die Ausübung des Widerrufsrechts rechtsmißbräuchlich und verwirkt, da der Darlehensvertrag bereits 2012 vollständig zurückgeführt worden sei. Die Schreiben aus dem Jahre 2014 würden daran nichts ändern, da sie nichts mit dem Widerruf des Darlehensvertrages zu tun hätten. Die Klägerin fordere darin die Erstattung von Bearbeitungsentgelten. Zwischen Vertragsschluss und Widerruf läge eine Zeitspanne von 10 1/2 Jahren und zwischen Ablösung des Darlehens und Widerruf mehr als vier Jahre. Zudem habe die Beklagte sämtliche Sicherheiten bei der Darlehensbeendigung aufgegeben, darin sei ein unzumutbarer Nachteil für die Beklagte zu sehen.

Mit Beschluss vom 12.05.2017 wurde das Verfahren der Einzelrichterin zur Entscheidung übertragen.

Auf das Sitzungsprotokoll vom 03.08.2017 wird Bezug genommen.

Gründe

Die zulässige Klage ist unbegründet.

I.

Die Klägerin hat keinen Anspruch gegen die Beklagte auf Rückzahlung der Vorfälligkeitsentschädigungen und Zahlung einer Nutzungsentschädigung, da sie den streitgegenständlichen Darlehensvertrag nicht mehr wirksam widerrufen konnte.

1. Die von der Beklagten erteilte Widerrufsbelehrung entsprach nicht dem inhaltlichen Deutlichkeitsgebot des § 355 Abs. 2 Satz 1 BGB a.F. (in der am 15./25.11.2005 geltenden Fassung, Art. 229 § 22 Abs. 2 EGBGB).

1.1. Zum einen informierte die Widerrufsbelehrung mittels des Einschubs des Worts „frühestens“ unzureichend deutlich über den Beginn der Widerrufsfrist (BGH, Urt. v. 12.07.2016 - XI ZR 564/15, juris).

1.2. Zum anderen unterrichtete die Widerrufsbelehrung in ihrer konkreten Gestalt undeutlich über die Länge der Widerrufsfrist. Zwar gab sie die Widerrufsfrist gemäß § 355 Abs. 2 Satz 1, Abs. 1 Satz 2 BGB a.F. (in der am 15./25.11.2005 geltenden Fassung, Art. 229 § 22 Abs. 2 EGBGB) grundsätzlich richtig mit „zwei Wochen“ an. Durch den Zusatz einer Fußnote mit dem Fußnotentext „Bitte Frist im Einzelfall prüfen“ vermittelte die Belehrung indessen hier den Eindruck, die Länge der Frist könne je nach den nicht mitgeteilten Umständen des Einzelfalls variieren und es sei Aufgabe des Verbrauchers, die in seinem Fall geltende Frist selbst festzustellen (BGH, Urt. v. 12.07.2016 - XI ZR 564/15, juris).

1.3. Auch ist die Widerrufsbelehrung dahingehend fehlerhaft, dass sie einen Widerruf per E-Mail ausschließt. Insoweit schränkt sie die Rechte des Verbrauchers in unzulässiger Weise ein. Zudem ist die Widerrufsbelehrung dadurch in sich widersprüchlich, da ausdrücklich erwähnt ist, dass ein Widerruf durch E-Mail erfolgen kann.

1.4. Der Beklagten kommt die Gesetzlichkeitsfiktion des Musters für die Widerrufsbelehrung gemäß Anlage 2 zu § 14 BGB-InfoV a.F. (in der am 15./25.11.2005 geltenden Fassung, Art. 229 § 22 Abs. 2 EGBGB) nicht zugute, da die Beklagte erheblich vom Text des Musters abgewichen ist.

§ 14 Abs. 1 BGB-InfoV a.F. (in der am 15./25.11.2005 geltenden Fassung, Art. 229 § 22 Abs. 2 EGBGB) knüpft die Gesetzlichkeitsfiktion an die Bedingung, dass „das Muster der Anlage 2 in Textform verwandt wird“.

Danach sind Abweichungen unschädlich die ihrer Qualität nach dem Muster entsprechen, ohne die Deutlichkeit der Belehrung zu schmälern. Die Beklagte hat das Muster für die Widerrufsbelehrung jedoch einer inhaltlichen Bearbeitung unterzogen, die über das nach § 14 Abs. 3 BGB-InfoV a.F. (in der am 15./25.11.2005 geltenden Fassung, Art. 229 § 22 Abs. 2 EGBGB) für den Erhalt der Gesetzlichkeitsfiktion Erlaubte hinausgeht. Sie hat zwei Fußnoten eingefügt, die das Muster für die Widerrufsbelehrung nicht vorsah.

Auf die Kausalität der aufgeführten Belehrungsfehler für das Unterbleiben des Widerrufs kommt es nicht an. Entscheidend ist nur, ob die Belehrung durch ihre missverständliche Fassung objektiv geeignet ist, den Verbraucher von der Ausübung seines Widerrufsrechts abzuhalten (BGH, Urt. v. 12.07.2016 - XI ZR 564/15, juris).

2. Das Widerrufsrecht für die streitgegenständlichen Darlehensverträge hatte die Klägerin jedoch bereits verwirkt. Zwar war die Widerrufsfrist zum Zeitpunkt der Erklärung des Widerrufs aufgrund nicht ordnungsgemäßer Widerrufsbelehrung noch nicht abgelaufen, § 355 Abs. 3 BGB a.F. (in der am 15./25.11.2005 geltenden Fassung, Art. 229 § 22 Abs. 2 EGBGB). Das Widerrufsrecht kann jedoch verwirkt werden (BGH, Urt. v. 12.07.2016 - XI ZR 564/15, juris; OLG München, Urt. v. 16.11.2016 - 20 U 3077/16).

2.1. Die Verwirkung als Unterfall der unzulässigen Rechtsausübung wegen der illoyal verspäteten Geltendmachung von Rechten (BGH, Urt. v. 12.07.2016 - XI ZR 564/15, juris; OLG München, Urt. v. 16.11.2016 - 20 U 3077/16) setzt neben einem Zeitmoment, für das die maßgebliche Frist mit dem Zustandekommen des Verbrauchervertrags zu laufen beginnt, ein Umstandsmoment voraus.

Ein Recht ist verwirkt, wenn sich der Schuldner wegen der Untätigkeit seines Gläubigers über einen gewissen Zeitraum hin bei objektiver Beurteilung darauf einrichten darf und eingerichtet hat, dieser werde sein Recht nicht mehr geltend machen, so dass die verspätete Geltendmachung gegen Treu und Glauben verstößt. Zu dem Zeitablauf müssen besondere, auf dem Verhalten des Berechtigten beruhende Umstände hinzutreten, die das Vertrauen des Verpflichteten rechtfertigen, der Berechtigte werde sein Recht nicht mehr geltend machen (BGH, Urt. v. 12.07.2016 - XI ZR 564/15, juris; OLG München, Urt. v. 16.11.2016 - 20 U 3077/16). Das gilt in besonderem Maße, wenn die Beendigung des Darlehensvertrags auf einen Wunsch des Verbrauchers zurückgeht (BGH, Urt. v. 11.10.2016, XI ZR 482/15, NJW 2017, 243, 246).

Ob eine Verwirkung vorliegt, richtet sich nach den Umständen des Einzelfalles (BGH, Urt. v. 11.10.2016, XI ZR 482/15, NJW 2017, 243, 246; BGH, Urt. v. 12.07.2016 - XI ZR 564/15, juris; OLG München, Urt. v. 16.11.2016 - 20 U 3077/16). Zwar kann der Unternehmer allein aufgrund eines laufend vertragstreuen Verhaltens des Verbrauchers ein schutzwürdiges Vertrauen darauf, der Verbraucher werde seine auf Abschluss des Verbraucherdarlehensvertrags gerichtete Willenserklärung nicht widerrufen, nicht bilden (BGH, Urt. v. 12.07.2016 - XI ZR 564/15, juris).

Es kommt für das Umstandsmoment auch nicht darauf an, wie gewichtig der Fehler ist, der zur Wirkungslosigkeit der Widerrufsbelehrung führt. Der Verbraucher ist entweder ordnungsgemäß belehrt oder nicht (EuGH, Urt. v. 10.04.2008 - C-412/06, NJW 2008, 1865, 1866). Das Risiko, dass ein Fehler der Widerrufsbelehrung erst nachträglich aufgedeckt wird, trägt nicht der Verbraucher, sondern die Bank. Im Gegenteil wird es dem Verbraucher aus der maßgeblichen Sicht der Bank schwerer fallen, das Fortbestehen des Widerrufsrechts zu erkennen, wenn die Widerrufsbelehrung den Anschein der Richtigkeit und Vollständigkeit erweckt (BGH, Urt. v. 12.07.2016 - XI ZR 564/15, juris). Die Bank wird dadurch nicht unbillig belastet. Es ist ihr während der Schwebezeit bei laufenden Vertragsbeziehungen jederzeit möglich und zumutbar, durch eine Nachbelehrung des Verbrauchers hier: gemäß § 355 Abs. 2 Satz 2 BGB a.F. (in der am 15./25.11.2005 geltenden Fassung, Art. 229 § 22 Abs. 2 EGBGB) in Verbindung mit Art. 229 § 9 Abs. 2 EGBGB die Widerrufsfrist in Gang zu setzen (BGH, Urt. v. 12.07.2016 - XI ZR 564/15, juris). Die Entscheidung des Gesetzgebers, gegen das unbefristete Widerrufsrecht die Nachbelehrung zu setzen, ist auch bei der Prüfung der Voraussetzungen der Verwirkung eines vor Beendigung des Verbraucherdarlehensvertrags ausgeübten Widerrufsrechts beachtlich (BGH, Urt. v. 12.07.2016 - XI ZR 564/15, juris).

Gerade bei beendeten Verbraucherdarlehensverträgen kann jedoch das Vertrauen des Unternehmers auf ein Unterbleiben des Widerrufs auch bei unterlassener Nachbelehrung schützwürdig sein, insbesondere dann wenn die zu widerrufende Willenserklärung des Verbrauchers keine in die Zukunft gerichteten belastenden Rechtsfolgen mehr zeitigt (OLG München, Urt. v. 16.11.2016 - 20 U 3077/16).

Zudem kann das Vertrauen des Unternehmers auf ein Unterbleiben eines Widerrufs schutzwürdig sein, wenn der Darlehensvertrag auf Wunsch des Verbrauchers durch einen einvernehmlichen Aufhebungsvertrag unter Zahlung einer Vorfälligkeitsentschädigung beendet wurde (BGH, Urt. v. 14.03.2017, XI ZR 442/16, Rn. 28, juris).

Auch ist die Bank schutzwürdig, wenn sie nach einvernehmlicher Beendigung des Darlehensverhältnisses alle Sicherheiten freigegeben hat, da sie sich somit jeglicher Absicherung des Rückzahlungsanspruches begibt (OLG München, Beschl. v. 16.09.2015, 19 U 969/15, Rn. 12, juris).

2.2. Es ist daher im vorliegenden Fall nach diesen Grundsätzen sowohl das Zeit- als auch das Umstandsmoment der Verwirkung gegeben.

2.2.1. Das Zeitelement ist gegeben, da der Darlehensvertrag 2005 geschlossen und am 17.06.2016 widerrufen wurden (vgl. OLG München, Urt. v. 16.09.2015 - 19 U 969/15). Es liegen somit zwischen Abschluss des Verbrauchervertrages und dessen Widerruf am 17.06.2016 ca. 10 1/2 Jahre.

2.2.2. Auch das Umstandsmoment ist gegeben. Der Darlehensvertrag wurde 2012 auf Wunsch der Klägerin vollständig aufgelöst und das Darlehen zurückgeführt. Mit Rückzahlung des Darlehens und Zahlung der Vorfälligkeitsentschädigung 2012 hatte die Klägerin keine finanziellen Belastungen aus dem Darlehensvertrag mehr. Aus dem Widerruf des Darlehensvertrages kann die Klägerin bezüglich ihrer dort eingegangenen vertraglichen Verpflichtungen keinerlei Vorteil mehr herleiten. Das Darlehen und die Vorfälligkeitsentschädigung wurden vorbehaltlos zurückbezahlt bzw. bezahlt und die Sicherheiten freigegeben. Insbesondere die Freigabe der Sicherheiten ist ein Indiz für das Vertrauen der Bank auf eine endgültige Beendigung der Darlehensverhältnisse ohne Widerruf durch die Klägerin. Zudem wurde der durch die Parteien durch die einvernehmliche Beendigung der Darlehensverträge geschaffene Zustand als endgültig angesehen (vgl. OLG Düsseldorf, Urt. v. 01.02.2017 - I-3 U 26/16). Aus all dem ergibt sich, dass die Beklagte darauf vertrauen durfte, dass ca. 4 Jahre nach übereinstimmender Auflösung der Darlehensverträge ein Widerruf durch die Klägerin nicht mehr erfolgen würde.

2.2.3. Daran ändern auch die seitens der Klägerin im Jahre 2014 an die Beklagte gerichteten Schreiben hinsichtlich zu Unrecht erhobener Bearbeitungsgebühren und Zinsen nichts. Aus beiden Schreiben ergibt sich gerade nicht der Wunsch der Klägerin das Darlehen zu widerrufen oder rückabzuwickeln. Vielmehr macht die Klägerin geltend, dass überhöhte Nebenforderungen seitens der Beklagten erhoben worden seien. Auch der Vorbehalt eines Widerspruchsrechtes bezieht sich nach der eindeutigen Formulierung durch die Klägerin allein auf die Vertragszinsen. Zwar konnte die Beklagte aus diesen Schreiben ersehen, dass die Klägerin mit der Abwicklung des Darlehens nicht vollumfänglich einverstanden war, musste jedoch nicht mit einem Widerruf bzw. einer Rückabwicklung des Darlehens rechnen.

Darüber hinaus hat die Klägerin auch nach ihrem Schreiben vom 31.12.2014 ihre Forderungen nicht mehr weiterverfolgt, sondern erst fast eineinhalb Jahre später den Widerruf des Darlehensvertrages erklärt, ohne auf ihre Forderungen aus dem Jahre 2014 nochmals einzugehen.

II.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 ZPO, die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit auf § 709 ZPO.

(1) Das Berufungsgericht hat von Amts wegen zu prüfen, ob die Berufung an sich statthaft und ob sie in der gesetzlichen Form und Frist eingelegt und begründet ist. Mangelt es an einem dieser Erfordernisse, so ist die Berufung als unzulässig zu verwerfen. Die Entscheidung kann durch Beschluss ergehen. Gegen den Beschluss findet die Rechtsbeschwerde statt.

(2) Das Berufungsgericht soll die Berufung durch Beschluss unverzüglich zurückweisen, wenn es einstimmig davon überzeugt ist, dass

1.
die Berufung offensichtlich keine Aussicht auf Erfolg hat,
2.
die Rechtssache keine grundsätzliche Bedeutung hat,
3.
die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Berufungsgerichts nicht erfordert und
4.
eine mündliche Verhandlung nicht geboten ist.
Das Berufungsgericht oder der Vorsitzende hat zuvor die Parteien auf die beabsichtigte Zurückweisung der Berufung und die Gründe hierfür hinzuweisen und dem Berufungsführer binnen einer zu bestimmenden Frist Gelegenheit zur Stellungnahme zu geben. Der Beschluss nach Satz 1 ist zu begründen, soweit die Gründe für die Zurückweisung nicht bereits in dem Hinweis nach Satz 2 enthalten sind. Ein anfechtbarer Beschluss hat darüber hinaus eine Bezugnahme auf die tatsächlichen Feststellungen im angefochtenen Urteil mit Darstellung etwaiger Änderungen oder Ergänzungen zu enthalten.

(3) Gegen den Beschluss nach Absatz 2 Satz 1 steht dem Berufungsführer das Rechtsmittel zu, das bei einer Entscheidung durch Urteil zulässig wäre.

(1) Das Berufungsgericht hat seiner Verhandlung und Entscheidung zugrunde zu legen:

1.
die vom Gericht des ersten Rechtszuges festgestellten Tatsachen, soweit nicht konkrete Anhaltspunkte Zweifel an der Richtigkeit oder Vollständigkeit der entscheidungserheblichen Feststellungen begründen und deshalb eine erneute Feststellung gebieten;
2.
neue Tatsachen, soweit deren Berücksichtigung zulässig ist.

(2) Auf einen Mangel des Verfahrens, der nicht von Amts wegen zu berücksichtigen ist, wird das angefochtene Urteil nur geprüft, wenn dieser nach § 520 Abs. 3 geltend gemacht worden ist. Im Übrigen ist das Berufungsgericht an die geltend gemachten Berufungsgründe nicht gebunden.

(1) Dauerschuldverhältnisse kann jeder Vertragsteil aus wichtigem Grund ohne Einhaltung einer Kündigungsfrist kündigen. Ein wichtiger Grund liegt vor, wenn dem kündigenden Teil unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls und unter Abwägung der beiderseitigen Interessen die Fortsetzung des Vertragsverhältnisses bis zur vereinbarten Beendigung oder bis zum Ablauf einer Kündigungsfrist nicht zugemutet werden kann.

(2) Besteht der wichtige Grund in der Verletzung einer Pflicht aus dem Vertrag, ist die Kündigung erst nach erfolglosem Ablauf einer zur Abhilfe bestimmten Frist oder nach erfolgloser Abmahnung zulässig. Für die Entbehrlichkeit der Bestimmung einer Frist zur Abhilfe und für die Entbehrlichkeit einer Abmahnung findet § 323 Absatz 2 Nummer 1 und 2 entsprechende Anwendung. Die Bestimmung einer Frist zur Abhilfe und eine Abmahnung sind auch entbehrlich, wenn besondere Umstände vorliegen, die unter Abwägung der beiderseitigen Interessen die sofortige Kündigung rechtfertigen.

(3) Der Berechtigte kann nur innerhalb einer angemessenen Frist kündigen, nachdem er vom Kündigungsgrund Kenntnis erlangt hat.

(4) Die Berechtigung, Schadensersatz zu verlangen, wird durch die Kündigung nicht ausgeschlossen.

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
VERSÄUMNISURTEIL
XII ZR 18/00 Verkündet am:
12. März 2003
Küpferle,
Justizamtsinspektorin
als Urkundsbeamtin
der Geschäftsstelle
in dem Rechtsstreit
Nachschlagewerk: ja
BGHZ: ja
ZPO a.F. §§ 561 Abs. 1 Satz 1, 543 Abs. 2, 313 Abs. 2 Satz 2
Die revisionsgerichtliche Prüfung der Wahrung der Schriftform einer bei den Akten
befindlichen Urkunde beschränkt sich auf die getroffenen Feststellungen zu deren
Beschaffenheit, wenn das Berufungsurteil nur auf den Tatbestand des erstinstanzlichen
Urteils verweist und dieser keine Bezugnahme auf die Urkunde enthält.
BGB §§ 566 a.F., 182 Abs. 2
Zur Formfreiheit der Zustimmung des Mieters zu einem Vermieterwechsel, den der
alte und der neue Vermieter in einem der Schriftform des § 566 BGB a.F. genügenden
Nachtrag zu einem langfristigen Mietvertrag vereinbart haben.
BGB a.F. §§ 535 Abs. 1, 306, 275 Abs. 2
Zum Fortbestand der Besitzeinräumungspflicht des Vermieters, der sich zur Herstellung
des Mietobjekts verpflichtet hat, das Grundstück aber nachträglich an einen
Dritten verkauft, der es bebaut und anderweitig vermietet.
AGBG § 9 Abs. 1 Bb, Ch
Zur Angemessenheit einer in einem Gewerbemietvertrag über ein noch zu errichtendes
Gebäude ohne zeitliche Begrenzung vereinbarten Vertragsstrafe für jeden Tag
der Überschreitung des vereinbarten Mietbeginns.
BGH, Urteil vom 12. März 2003 - XII ZR 18/00 - KG Berlin
LG Berlin
Der XII. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat auf die mündliche Verhandlung
vom 12. März 2003 durch die Vorsitzende Richterin Dr. Hahne
und die Richter Gerber, Sprick, Prof. Dr. Wagenitz und Fuchs

für Recht erkannt:
Auf die Revision der Klägerin wird das Urteil des 20. Zivilsenats des Kammergerichts in Berlin vom 6. Dezember 1999 aufgehoben. Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil der Kammer für Handelssachen 94 des Landgerichts Berlin vom 23. Mai 1997 wird zurückgewiesen. Die Beklagten tragen die weiteren Kosten des Rechtsstreits. Von Rechts wegen

Tatbestand:

Die Klägerin nimmt als Mieterin die Beklagten auf Feststellung des Fortbestehens eines Gewerbemietvertrages, Einräumung des Mietbesitzes und Zahlung einer Vertragsstrafe in Anspruch. Die Klägerin schloß am 9. Februar / 2. März 1994 mit der H. GmbH (H. GmbH) einen Mietvertrag über noch zu erstellende Räumlichkeiten und PKW-Parkflächen in Berlin, M. 121, um dort einen Lebensmittelsupermarkt zu betreiben. Als spätester Mietbe-
ginn war der 1. Juni 1995 vereinbart. Für den Fall, daß das Mietobjekt der Mieterin nicht spätestens an diesem Tage zur Verfügung stand, war der Vermieter gemäß § 2 Abs. 5 des Mietvertrages verpflichtet, für jeden Tag des Verzuges eine Vertragsstrafe von 500 DM zu zahlen. Das Mietverhältnis war auf unbestimmte Zeit abgeschlossen und sollte von der Vermieterin frühestens zum 31. Mai 2015, von der Mieterin frühestens zum 31. Mai 2007 gekündigt werden können. Als Mietzins waren monatlich 21.600 DM netto vereinbart. Die H. GmbH verpflichtete sich in § 1 Abs. 3 dieses Vertrages, die Räumlichkeiten und Flächen auf der Basis der vereinbarten Pläne und der Baubeschreibung zeitnah zu erstellen und die Baugenehmigung einzuholen. Für den Fall, daß das beabsichtigte Bauvorhaben nicht genehmigt werden würde, sollte zunächst versucht werden, eine Baugenehmigung auch in veränderter Form zu erreichen. Mit Rechtskraft eines negativen Baubescheides - nach vom Vermieter erfolglos durchgeführtem Widerspruchsverfahren - sollte der Vermieter berechtigt sein, vom Vertrag zurückzutreten.
Der von den Vertretern beider Vertragsparteien unterzeichnete Mietvertrag ist nicht zusammengeheftet. Die numerierten Seiten enthalten jeweils die Paraphen zeichnungsberechtigter Vertreter beider Vertragsparteien. Gleiches gilt für die Baubeschreibung. Sämtliche in § 14 Abs. 3 des Mietvertrages genannten Anlagen zum Mietvertrag sind ebenfalls von den Vertretern der Vertragsparteien unterschrieben. Lediglich je eine Anlage zu Seite 4 und 20 sowie zwei Anlagen zu Seite 9 der Baubeschreibung sind nicht mit Seitenzahlen versehen , aber paraphiert. Die H. GmbH veräußerte die Grundstücksfläche, auf der das Mietobjekt errichtet werden sollte und als deren Eigentümerin sie zu keinem Zeit-
punkt im Grundbuch eingetragen war, mit notariellem Vertrag vom 3. Mai 1994 an die Beklagten, die ebenfalls zu keinem Zeitpunkt als Eigentümer im Grundbuch eingetragen wurden. In diesem Vertrag heißt es, daß der zwischen der Klägerin und der H. GmbH geschlossene Mietvertrag den Käufern vollinhaltlich bekannt sei und von ihnen übernommen werde. Im Juli 1994 veräußerten die Beklagten das Objekt an die Ma. Baubetreuungsgesellschaft mbH weiter, die ohne Voreintragung der Zwischenerwerber als neue Eigentümerin im Grundbuch eingetragen wurde und das im Bau befindliche Objekt im Februar 1996 an eine Konkurrentin der Klägerin vermietete. Nach Juli 1994 verhandelten die Parteien über eine Modifizierung der Planungen, ohne daß eine Einigung erzielt wurde. Ein förmliches Baugenehmigungsverfahren auf der Grundlage der ursprünglichen Pläne wurde nicht eingeleitet. Am 28. Juni 1995 erklärten die Beklagten gegenüber der Klägerin den Rücktritt vom Vertrag. Die Klägerin, die dem widersprach, mahnte am 19. Februar 1996 die Vertragseinhaltung an und forderte die Beklagten auf, ihr entsprechend dem Mietvertrag den Besitz einzuräumen. In Erwiderung auf die Klageschrift erklärten die Beklagten am 17. Juli 1996 vorsorglich sowohl die ordentliche als auch die fristlose Kündigung des Mietvertrages. Das Landgericht hat antragsgemäß festgestellt, daß der Mietvertrag der Parteien durch die Rücktrittserklärung der Beklagten vom 28. Juni 1995 nicht beendet wurde, sondern fortbesteht, und die Beklagten als Gesamtschuldner zur Einräumung des Besitzes an den im Mietvertrag genannten Räumlichkeiten und Flächen sowie zur Zahlung einer Vertragsstrafe von 239.000 DM nebst gestaffelten Zinsen verurteilt.
Auf die Berufung der Beklagten hat das Kammergericht die erstinstanzli- che Entscheidung abgeändert und die Klage abgewiesen. Dagegen richtet sich die Revision der Klägerin, mit der sie die Wiederherstellung des landgerichtlichen Urteils begehrt.

Entscheidungsgründe:


I.

Aufgrund der Säumnis der Beklagten ist durch Versäumnisurteil zu erkennen , obwohl die Entscheidung inhaltlich nicht auf einer Säumnisfolge beruht (vgl. BGHZ 37, 79, 82). Die Revision hat Erfolg.

II.

Das Berufungsgericht hat den Antrag auf Feststellung, daß der Gewerbemietvertrag der Parteien durch den von den Beklagten am 28. Juni 1995 erklärten Rücktritt nicht beendet wurde, sondern fortbesteht, mit der Begründung abgewiesen, der Vertrag sei jedenfalls durch eine weitere Kündigung der Beklagten vom 17. Juli 1996 wirksam zum 31. März 1997 beendet worden, da die Schriftform des Vertrages nach der nicht formwahrenden Vereinbarung eines Vermieterwechsels nicht mehr gewahrt gewesen sei und die Beklagten ihn deshalb nach § 566 Abs. 2 BGB a.F. habe kündigen können. Für die Feststel-
lung, daß das Mietverhältnis nicht bereits durch die Rücktrittserklärung vom 28. Juni 1995 beendet worden sei, fehle ein Rechtsschutzinteresse der Klägerin. Dem kann nicht gefolgt werden. Der Feststellungsantrag ist begründet. 1. Die begehrte Feststellung setzt zunächst voraus, daß die Beklagten (in Gesellschaft bürgerlichen Rechts) überhaupt an die Stelle der H. GmbH als der ursprünglichen Vermieterin getreten sind. Das ist der Fall.
a) Zutreffend verneint das Berufungsgericht einen gesetzlichen Eintritt der Beklagten in das Mietverhältnis gemäß §§ 578, 571 Abs. 1 BGB a.F., da es an der erforderlichen Identität zwischen der Vermieterin (H. GmbH) und dem Grundstückseigentümer fehlt, denn die H. GmbH war nie als Eigentümerin des Grundstücks im Grundbuch eingetragen. Auch im Rahmen des hier (vor Überlassung des vermieteten Grundstücks an die Mieterin) anzuwendenden § 578 BGB a.F. setzt der Eintritt des Erwerbers in den Mietvertrag nämlich voraus, daß der veräußernde Eigentümer zugleich der Vermieter ist (vgl. Emmerich in Emmerich/Sonnenschein, Miete 7. Aufl. § 578 Rdn. 2). Eine bloße Auflassungsvormerkung zugunsten des Vermieters, die hier möglicherweise vorgelegen haben könnte, reicht jedenfalls nicht aus (vgl. Emmerich aaO § 571 aaO Rdn. 9).
b) Zumindest im Ergebnis zutreffend (und von der Revision als ihr günstig nicht angegriffen) geht das Berufungsgericht aber davon aus, daß die Beklagten kraft rechtsgeschäftlicher Vereinbarung mit der bisherigen Vermieterin H. GmbH an deren Stelle in den Mietvertrag eingetreten sind, und zwar wirksam, weil die Klägerin als Mieterin dem - zumindest konkludent im Nachhinein - zugestimmt hat.
In § 6 Abs. 5 des notariellen Kaufvertrages vom 3. Mai 1994 zwischen der H. GmbH und den Beklagten ist deren Eintritt in den Mietvertrag ausdrücklich vereinbart. Es bedarf auch keiner Entscheidung, ob der Auffassung des Berufungsgerichts zu folgen ist, daß sich die für den Vertragsübergang erforderliche Zustimmung der Klägerin bereits aus § 12 des Mietvertrages ergebe, demzufolge "dieser Vertrag auch für und gegen etwaige Rechtsnachfolger gelten" solle. Jedenfalls hat die Klägerin dem Vermieterwechsel spätestens dadurch konkludent zugestimmt, daß sie von den Beklagten als neuen Vermietern Erfüllung des Vertrages verlangte. 2. Weitere Voraussetzung für die begehrte Feststellung ist, daß das Mietverhältnis im Zeitpunkt der letzten Tatsachenverhandlung noch bestand. Das ist der Fall.
a) Die Rücktrittserklärung der Beklagten vom 28. Juni 1995 hat das Mietverhältnis nicht beendet. Das Berufungsgericht hat dies letztlich offen gelassen mit der Begründung , das Mietverhältnis sei jedenfalls durch Kündigung zum 31. März 1997 beendet worden. Das ist rechtsfehlerhaft, da diese Begründung nicht die vollständige Abweisung des Begehrens der Klägerin trägt, in dem als minus das Feststellungsbegehren enthalten ist, daß das Mietverhältnis jedenfalls bis zu diesem Zeitpunkt fortbestanden hat. Auch für diese eingeschränkte Feststellung ist ein Feststellungsinteresse der Klägerin - entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts - gegeben, zumal das Berufungsgericht selbst davon ausgeht , daß der Klägerin dem Grunde nach Schadensersatzansprüche für diese Zeit zustehen können. Vor allem aber hätte das Berufungsgericht die Feststel-
lungsklage nicht zunächst als insgesamt zulässig behandeln und sodann die Frage ihrer Begründetheit hinsichtlich eines Teilzeitraumes mit einer Begründung dahinstehen lassen dürfen, die nichts anderes besagt, als daß die Klage hinsichtlich dieses Teilzeitraumes jedenfalls mangels Feststellungsinteresses doch unzulässig sei. Eine Rücktrittserklärung der Beklagten konnte das Mietverhältnis aber nicht beenden, da nach den Feststellungen des Berufungsgerichts der Vermieterin ein Rücktrittsrecht nur für den Fall eines rechtskräftigen ablehnenden Baubescheids eingeräumt war und ein solcher nicht ergangen ist.
b) Durch einen Wegfall der Geschäftsgrundlage wegen angeblicher baurechtlicher Hindernisse bei der Verwirklichung des Bauvorhabens ist das Mietverhältnis ebenfalls nicht beendet worden, zumal der Wegfall der Geschäftsgrundlage regelmäßig nur eine Vertragsanpassung rechtfertigt. Denn ein problemloses Baugenehmigungsverfahren kann schon deshalb nicht Geschäftsgrundlage des Mietvertrages gewesen sein, weil die Parteien den Fall verzögerter , mit Auflagen versehener oder gar verweigerter Genehmigungen bedacht und hierfür in § 1 Abs. 3 MV detaillierte Regelungen vereinbart haben.
c) Auch die fristlose, hilfsweise ordentliche Kündigung der Beklagten vom 17. Juli 1996 hat das Mietverhältnis nicht beendet, und zwar - entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts - auch nicht als ordentliche Kündigung zum 31. März 1997. Soweit die Beklagten ihre fristlose Kündigung darauf stützen, die Klägerin hätte seit dem vereinbarten Mietbeginn keinen Mietzins gezahlt, rechtfertigt dies die Kündigung nicht, weil die Beklagten ihr den Mietbesitz nicht eingeräumt hatten und die Klägerin die Mietzinszahlung daher verweigern durfte.
Auch eine ordentliche Kündigung scheitert an der fest vereinbarten Mindestlaufzeit , die sich aus dem befristeten Kündigungsausschluß ergibt. Der Vertrag ist auch nicht nach § 566 BGB a.F. vorzeitig kündbar, da die Schriftform - entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts - gewahrt ist. Das Berufungsgericht hat hinsichtlich des Parteivorbringens und der Anträge erster Instanz auf den Tatbestand des landgerichtlichen Urteils verwiesen und wegen der Einzelheiten des Parteivorbringens in der Berufungsinstanz ergänzend auf die dort gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen. Der Tatbestand des landgerichtlichen Urteils enthält keine Bezugnahme auf die erstinstanzlich gewechselten Schriftsätze, denen allein der hier zu beurteilende Mietvertrag und die vorher und nachher geschlossenen Grundstückskaufverträge beigefügt waren. Der Senat kann die zu den Akten gereichten Verträge seiner Beurteilung daher nur in dem Umfang zugrunde legen, in dem die Vorinstanzen Feststellungen zu ihrem Inhalt und - hinsichtlich der Schriftform des Mietvertrages - zu dessen Beschaffenheit getroffen haben. aa) Der Ursprungsvertrag entspricht den Anforderungen an die Schriftform , die der Senat in seiner Entscheidung BGHZ 136, 357 ff. dargelegt hat. Das ergibt sich aus den Feststellungen zur Beschaffenheit der Urkunde, die zwar teilweise nicht im Tatbestand des landgerichtlichen Urteils, sondern in dessen Entscheidungsgründen enthalten sind; die im Berufungsurteil enthaltene Bezugnahme auf den "Tatbestand" des erstinstanzlichen Urteils umfaßt jedoch auch die tatsächlichen Feststellungen in dessen Entscheidungsgründen (vgl. BGH, Urteile vom 7. Dezember 1993 - VI ZR 74/93 - BGHR ZPO § 314 Unrichtigkeit 5 und vom 19. Juni 1990 - XI ZR 280/89 - BGHR ZPO § 314 Feststellungen

1).


Danach bedurfte es keiner körperlichen Verbindung der einzelnen Seiten des Mietvertrages und der zugehörigen Anlagen, weil sich deren Einheit aus fortlaufender Paginierung, fortlaufender Numerierung der einzelnen Bestimmungen und Paraphierung aller Seiten der Anlagen (vgl. Senatsurteil vom 29. September 1999 - XII ZR 313/98 - NJW 2000, 354, 357) ergibt. Soweit einzelne Anlagen nicht foliiert sind, steht dies der Wahrung der Schriftform schon deshalb nicht entgegen, weil diese Anlagen nach den getroffenen Feststellungen nur weitere Einzelheiten und Erläuterungen zu einzelnen Positionen der Baubeschreibung enthalten, die in der Baubeschreibung selbst aufgeführt und näher bezeichnet sind. bb) Soweit das Berufungsgericht die Auffassung vertritt, die Schriftform sei spätestens mit der Vereinbarung des Vermieterwechsels nicht mehr gewahrt , weil der diese Vereinbarung enthaltende notarielle Kaufvertrag vom 3. Mai 1994 mit dem ursprünglichen Mietvertrag nicht körperlich verbunden worden sei, vermag der Senat auch dem nicht zu folgen. Diese Vereinbarung wahrt die Schriftform, weil der neue Vermieter seine Vermieterstellung durch eine (notarielle) Urkunde nachweisen kann, die nach den getroffenen Feststellungen ausdrücklich auf den Ursprungsmietvertrag Bezug nimmt, indem sie die ursprünglichen Mietvertragsparteien aufführt und durch die Bezeichnung des veräußerten Grundstücks zugleich die Lage des Mietobjekts kennzeichnet (vgl. zum Mieterwechsel Senatsbeschluß vom 17. September 1997 - XII ZR 296/95 - NJW 1998, 62). cc) Allerdings ist der Vermieterwechsel hier nicht durch dreiseitigen Vertrag, sondern durch zweiseitigen Vertrag zwischen altem und neuem Vermieter mit (notwendiger) Zustimmung der Mieterin zustande gekommen (zu diesen beiden Möglichkeiten vgl. BGHZ 95, 88, 95). Folgt man der Ansicht des
Berufungsgerichts, daß die Zustimmung der Mieterin bereits in § 12 des Mietvertrages vorweggenommen war, ergeben sich für die Schriftform keine Probleme , da sich die Zustimmung der Mieterin dann aus dem Mietvertrag ergibt, der in der notariellen Vereinbarung zwischen altem und neuem Vermieter hinreichend in Bezug genommen worden ist. Aber auch dann, wenn nur eine nachträgliche, konkludente Zustimmung des Mieters die Wirksamkeit des Vermieterwechsels herbeigeführt hat, was aus den beiden Urkunden selbst nicht zu ersehen ist, ist die Schriftform gewahrt. Ob die spätere Zustimmung eines Vertragspartners zu einem Parteiwechsel auf der Gegenseite schon nach dem Grundgedanken des § 182 Abs. 2 BGB keinem Formzwang unterliegt (ausdrücklich offen gelassen in BGHZ 72, 394, 398), bedarf auch hier keiner Entscheidung. Soweit Heile (in Bub/Treier, Handbuch der Geschäfts- und Wohnraummiete 3. Aufl. Kap. II Rdn. 771) im Rahmen des § 566 BGB a.F. eine solche Zustimmung für formbedürftig hält, weil diese Vorschrift Interessen (u.a. eines späteren Grundstückserwerbers) schütze, die nicht der Disposition der beteiligten Vertragsparteien unterlägen, hält der Senat dies nicht für zwingend. Es wäre nämlich wenig plausibel, wenn eine Zustimmung (hier: im Interesse eines möglichen künftigen Grundstückserwerbers) einer besonderen Form bedürfte, obwohl es gemäß § 182 Abs. 1 BGB zu ihrer Wirksamkeit genügt , wenn sie nur einer der beiden Parteien des Übernahmevertrages gegenüber erklärt wird, das Gesetz es also bewußt hinnimmt, daß die andere Vertragspartei zunächst gar nicht erfährt, ob der von ihr vereinbarte Vertragseintritt noch schwebend unwirksam oder schon endgültig wirksam ist. Deren Interesse, über das Zustandekommen des Vertrages Klarheit zu gewinnen, ist jedenfalls nicht geringer als dasjenige eines späteren Erwerbers.
Im vergleichbaren Fall eines langfristigen Mietvertrages, der vorsieht, daß er nur bei Eintritt einer künftigen Bedingung wirksam wird, steht der Umstand , daß deren Eintritt aus der Vertragsurkunde selbst nicht ersichtlich ist, der Wahrung der Schriftform ebenfalls nicht entgegen. Hier ist ein späterer Grundstückserwerber jedenfalls durch die zweiseitige Vereinbarung eines Vermieterwechsels hinreichend gewarnt und gehalten, sich gegebenenfalls bei dem Mieter zu erkundigen, ob dieser die hierzu notwendige Zustimmung erteilt hat, so wie er auch bei der Vereinbarung einer Bedingung darauf angewiesen ist, sich die Kenntnis von deren Eintritt oder Nichteintritt anhand außerhalb der Vertragsurkunde liegender Umstände zu verschaffen. Auf die Frage, ob und von wem ihm die Urkunde vorgelegt wird, die die entsprechende Vereinbarung enthält, kommt es ohnehin nicht an (vgl. BGHZ 72, 394, 399). § 566 BGB a.F. soll den künftigen Grundstückserwerber ohnehin nur insoweit schützen, als er nach § 571 BGB in ein bestehendes langfristiges Mietverhältnis eintritt. Mit anderen Worten: das Interesse des Erwerbers, Klarheit zu erlangen, ob sein Veräußerer oder aber ein Dritter Vermieter des im Hause wohnenden Mieters ist, ob er also im ersten Fall in das Mietverhältnis eintritt oder im zweiten Fall nicht, wird als solches nicht geschützt. Denn der Grundstückserwerber tritt nach § 571 BGB a.F. auch in einen mündlichen Vertrag ein, von dem er nichts weiß. § 566 BGB a.F. soll ihn nur davor schützen, beim Eintritt in einen ihm nicht bekannten Vertrag an dessen Bedingungen länger als ein Jahr gebunden zu sein. Hier ist seine mögliche Kenntnisnahme vom Vertrag und seiner Laufzeit durch die Schriftform gewahrt; er kann aus den Urkunden nur nicht ersehen, ob er in diesen Vertrag eintritt oder nicht. Diese Ungewißheit besteht für ihn aber auch, wenn er nicht weiß, ob ein ihm vorliegender Mietvertrag zwischenzeitlich einverständlich (auch mündlich) aufgehoben wor-
den ist. Hätte das Gesetz ihn auch vor dieser Ungewißheit schützen wollen, hätte es die Schriftform auch für die Vertragsaufhebung vorschreiben müssen. Aus diesen Gründen ist jedenfalls die Zustimmung des Mieters zu einem zwischen früherem und neuem Vermieter vereinbarten Vermieterwechsel formfrei. Es bedarf keiner Entscheidung, ob für den Mieterwechsel etwas anderes gilt, weil der Erwerber wissen muß, wem gegenüber er einen langfristigen Mietvertrag als Vermieter erfüllen muß. In der vorliegenden Fallkonstellation weiß ein künftiger Erwerber jedenfalls, daß er entweder dem ursprünglichen Mieter gegenüber verpflichtet ist oder aber gar niemandem.
d) Schließlich hat auch der Eigentumswechsel vom ursprünglichen Grundstückseigentümer auf die Ma. GmbH & Co. KG nicht zum Ausscheiden der Beklagten aus dem Mietvertrag geführt. Denn die Erwerberin ist nicht gemäß §§ 578, 571 BGB a.F. als neue Vermieterin an die Stelle der Beklagten getreten. Diese waren zwar zugleich Vermieter und Veräußerer des Grundstücks, wenn man als Veräußerung den notariellen Kaufvertrag ansieht. Im Rahmen des § 571 BGB a.F. ist aber unter Veräußerung der Eigentumsübergang zu verstehen (vgl. Emmerich aaO § 571 Rdn. 9); das Eigentum am Grundstück ist hier aber nach dem unstreitigen Vorbringen zweiter Instanz (Berufungsbegründung S. 5, 6) unmittelbar - ohne Zwischenerwerb durch die Beklagten - vom ursprünglichen Eigentümer, der nicht Vermieter war, auf die Ma. KG übergegangen. Auch eine rechtsgeschäftliche "Übernahme" des Mietvertrages durch diese KG, die zum Ausscheiden der Beklagten aus dem Mietvertrag geführt haben könnte, ist den getroffenen Feststellungen nicht zu entnehmen. Die Beklagten sind mithin nach wie vor Vermieter; der Feststellungsantrag ist begründet.

III.

Daraus folgt zugleich, daß die Klägerin von den Beklagten nach wie vor Einräumung des Mietbesitzes verlangen kann. Dieser Antrag ist auch nicht etwa auf eine objektiv unmögliche Leistung gerichtet, was das Berufungsgericht offenbar für naheliegend hält, aber letztlich dahinstehen läßt. Im Mietrecht findet § 306 BGB a.F. nämlich weder vor noch nach Übergabe Anwendung (vgl. Wolf/Eckert/Ball, Handbuch des gewerblichen Miet-, Pacht- und Leasingrechts 8. Aufl. Rdn. 334 m.N.; Gerber/Eckert, Gewerbliches Miet- und Pachtrecht 4. Aufl. Rdn. 132, 137, 236). Die Beklagten sind zwar nicht Eigentümer des Grundstücks und zu dessen Nutzung nicht (mehr) berechtigt, zumal die neue Eigentümerin den inzwischen von ihr errichteten Supermarkt an ein Konkurrenzunternehmen der Klägerin vermietet hat. Die Vorinstanzen haben jedoch keine Feststellungen zu der Frage getroffen, ob es den Beklagten möglich ist, das Leistungshindernis durch Vereinbarungen mit der neuen Eigentümerin und deren Mieterin zu beheben. Jedenfalls solange dies nicht auszuschließen ist, folgt daraus, daß der Mieter die Einräumung des Besitzes nach wie vor verlangen kann und sich nicht darauf verweisen lassen muß, Schadensersatz wegen Nichterfüllung zu verlangen (vgl. Kraemer in Bub/Treier, Handbuch der Geschäfts- und Wohnraummiete 3. Aufl. Kap III Rdn. 1185, 1196 m.N.; Emmerich aaO vor § 537 Rdn. 3). Wie auch im Falle der Doppelvermietung erlangt ein möglicherweise gegebenes Unvermögen des Vermieters dann erst in der Zwangsvollstreckung Bedeutung (vgl. Wolf/Eckert/Ball aaO Rdn. 202).

IV.

Auch der Anspruch auf Zahlung der Vertragsstrafe ist begründet. 1. Zu Recht greift die Revision die einschränkende Auslegung des Berufungsgerichts an, derzufolge die Vertragsstrafe nur für Verzögerungen des Baufortschritts ausbedungen sei und nicht auch für den Fall, daß sich bereits der Baubeginn verzögert. An diese Auslegung ist das Revisionsgericht nicht gebunden, da das Berufungsgericht anerkannte Auslegungsregeln verletzt hat: Weder der Vertragswortlaut noch die systematische Stellung dieser Klausel bieten einen Anhaltspunkt für diese einschränkende Auslegung, denn sämtliche baurechtlichen Bedenken, die die Bauausführung beeinträchtigen könnten, sind in § 1 Abs. 3 des Mietvertrages abgehandelt, während die Vertragsstrafe in § 2 geregelt ist, der die Mietdauer und insbesondere die Bezugsfertigkeit und den Mietbeginn regelt. Vor allem wird diese Auslegung, wie die Revision zutreffend rügt, der Interessenlage der Parteien nicht gerecht. Erkennbar wollte die Klägerin ein Druckmittel in der Hand haben, um die pünktliche Aufnahme ihres Geschäftsbetriebes sicherzustellen. Insofern macht es für sie keinen Unterschied, ob der Vermieter die Bauarbeiten nach dem ersten Spatenstich einstellt (was auch nach Auffassung des Berufungsgerichts die Vertragsstrafe auslösen würde), oder mit den Bauarbeiten gar nicht erst beginnt. Die Nichtaufnahme der Bauar-
beiten stellt den denkbar gröbsten Fall der Bauverzögerung dar, so daß es nicht verständlich wäre, wenn die vereinbarte Sanktion ausgerechnet den gravierendsten Vertragsverstoß nicht erfassen sollte. Da nach dem Tatsachenvortrag der Parteien weitere für die Auslegung erhebliche Feststellungen, als die Vorinstanzen sie getroffen haben, nicht mehr in Betracht kommen, kann der Senat die Vertragsbestimmung selbst auslegen (vgl. BGHZ 65, 107, 112 m.N.) und versteht sie - ihrem von den Vorinstanzen festgestellten Wortlaut entsprechend - dahin, daß die Vertragsstrafe für jeden Fall des Vermieterverzuges zu zahlen ist, unabhängig davon, ob die verspätete Fertigstellung auf verzögertem Baufortschritt oder verzögertem Baubeginn beruht. 2. Das Berufungsgericht läßt offen, ob diese Klausel individuell ausgehandelt wurde oder als Allgemeine Geschäftsbedingung an § 9 AGBG zu messen ist. Auch der Senat kann dies dahinstehen lassen, da die Klausel auch dann, wenn es sich um allgemeine Geschäftsbedingungen handelt, wirksam ist. § 11 Nr. 6 AGBG ist auf den Schutz von Verbrauchern zugeschnitten und daher bei Verträgen zwischen Unternehmern nicht anwendbar (vgl. Palandt /Heinrichs, BGB 61. Aufl. § 11 AGBG Rdn. 32); zu prüfen ist daher nur, ob die Klausel den Schuldner unangemessen benachteiligt, § 9 AGBG. Das ist hier nicht der Fall. Bei Bauverträgen gilt eine Vertragsstrafe für Terminüberschreitungen zwar als unangemessen, wenn sie 0,5 % der Auftragssumme pro Tag überschreitet oder aber die Vereinbarung einer angemessenen Höchstgrenze (nicht mehr als etwa 10 % oder gar nunmehr nur 5 % der Auftragssumme - vgl. hierzu BGH, Urteil vom 23. Januar 2003 - VII ZR 210/01 -, zur Veröffentlichung bestimmt -) fehlt (vgl. Palandt/Heinrichs aaO 62. Aufl. § 343 BGB Rdn. 4 m.N.).
Bei 500 DM pro Tag wäre die 0,5 %-Grenze schon bei einem Bauvolumen von nur 100.000 DM eingehalten, so daß sich hier mit Rücksicht auf das ersichtlich weit höhere Bauvolumen insoweit keine Bedenken ergeben. Richtig ist allerdings , daß sich aus der Vertragsstrafenvereinbarung eine Höchstgrenze letztlich nur insoweit ergibt, als die Vertragsstrafe äußerstenfalls bis zum Jahre 2025 (erstmalige Kündigungsmöglichkeit für Vermieter 2015, aber Verlängerungsoption des Mieters um weitere 2 x 5 Jahre) anfallen kann. Die Rechtsprechung zu allgemeinen Geschäftsbedingungen in Bauverträgen ist aber auf Dauerschuldverhältnisse wie gewerbliche Mietverträge nicht zu übertragen. Denn beim Bauvertrag verfällt eine typischerweise zeitabhängige Vertragsstrafe beim Verzug mit einer einmalig zu erbringenden Leistung. Umgekehrt kann auch nicht die Rechtsprechung (insbesondere zu Bierlieferungs - und Automatenaufstellverträgen) herangezogen werden, die sich mit festen, einmaligen Vertragsstrafensummen befaßt, die für Verstöße im Rahmen eines Dauerschuldverhältnisses vereinbart wurden. Im vorliegenden Fall ist nämlich eine Vertragsstrafe vereinbart, deren Höhe von der Zeitspanne abhängig ist, innerhalb derer der Vertragspartner seine Verpflichtung zu fortlaufender Gebrauchsgewährung nicht erfüllt. In einem solchen Fall muß die Vertragsstrafe lediglich in einem angemessenen Verhältnis zur Schwere des mit ihr geahndeten Verstoßes stehen (vgl. Bub in Bub/Treier aaO Kap. II Rdn. 530 a.E. m.N.). Angesichts der verschuldensunabhängigen Garantiehaftung des Vermieters bei einer Vermietung vom Reißbrett ist kaum ein gröberer Vertragsverstoß denkbar als die Nichtfertigstellung des Mietobjekts. Es bedarf keiner Entscheidung , ob dies im Extremfall eine tägliche Vertragsstrafe von 500 DM bis zum Jahre 2025 rechtfertigen könnte, oder ob irgendwann eine zeitliche Gren-
ze erreicht ist, jenseits derer sich das Verlangen nach Fortzahlung der Ver- tragsstrafe als treuwidrig erweisen würde. Bei der hier verlangten Vertragsstrafe für 478 Tage = 239.000 DM ist diese Grenze jedenfalls noch nicht erreicht. Bei der Prüfung der Angemessenheit der Vertragsstrafe im Rahmen des § 9 AGBG ist jedenfalls nicht auf den theoretisch denkbaren Extremfall abzustellen , sondern darauf, in welchem Verhältnis der täglich anfallende Betrag von 500 DM zu dem steht, was eine Überschreitung um einen Tag für einen Mieter bedeutet, der seinem Vertragspartner durch diese Klausel von Anfang an deutlich gemacht hat, daß er allergrößten Wert auf pünktliche Fertigstellung legt. Bei einer Monatsmiete von 24.840 DM brutto erscheint eine Vertragsstrafe von 15.000 DM pro Monat keinesfalls überhöht. Zutreffend weist das Landgericht in diesem Zusammenhang darauf hin, daß der Klägerin durch das Nichtbetreiben des Supermarktes - entgegen der Auffassung der Beklagten - durchaus ein Schaden in dieser Höhe entstehen könne, da kaum anzunehmen sei, sie würde einen Supermarkt eröffnen, der eine geringere Gewinnerwartung verspricht. Die Beklagten, die für die Unangemessenheit gemäß § 9 Abs. 1 AGBG darlegungspflichtig sind (vgl. Palandt/Heinrichs aaO § 9 AGBG Rdn. 5), haben jedenfalls nicht dargelegt, daß die Vertragsstrafe den Verzögerungsschaden , der der Klägerin entstehen kann, bei weitem übersteigt. Da es für die Wertung der Angemessenheit im Rahmen des § 9 AGBG allein darauf ankommt, ob die Vertragsstrafenklausel als allgemeine Lösung angesichts des anhaltenden Interesses des Mieters an der Einräumung der Nutzungsmöglichkeit im Zeitpunkt des Vertragsschlusses (vgl. Palandt/Heinrichs aaO § 9 AGBG Rdn. 2) angemessen ist (vgl. OLG Celle NJW-RR 1988, 946, 947), ist ferner zu berücksichtigen, daß die anfängliche Nichteinräumung
des Mietbesitzes den Mieter kaum weniger beeinträchtigt als eine spätere Besitzentziehung , für die eine Vertragsstrafe von 500 DM pro Tag hier ebenfalls nicht unangemessen erscheinen würde. Eine von vornherein vereinbarte Begrenzung der Vertragsstrafe auf einen Höchstbetrag, etwa durch zeitliche Beschränkung auf wenige Monate, hätte zudem das Druckmittel, als das die Vertragsstrafe legitimerweise dienen sollte, entscheidend entwertet. Denn je länger der Vertragsverstoß des Vermieters schon andauert, desto geringer würde in einem solchen Fall der Restbetrag der Vertragsstrafe, der ihm für den Fall endgültiger Erfüllungsverweigerung noch droht. Da der Vermieter es aber in der Hand hat, wann er zur Vertragstreue zurückkehrt, erscheint es im Beurteilungszeitpunkt des Vertragsschlusses nicht unbillig, den Druck, den der Mieter auf ihn ausüben kann, so lange unvermindert anhalten zu lassen, bis der Vermieter seiner Kardinalpflicht nachkommt.
Hahne Gerber Sprick Wagenitz Fuchs

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
XI ZR 482/15
Verkündet am:
11. Oktober 2016
Herrwerth,
Justizangestellte
als Urkundsbeamtin
der Geschäftsstelle
in dem Rechtsstreit
Nachschlagewerk: ja
BGHZ: ja
BGHR: ja
BGB § 495 Abs. 1 (Fassung bis zum 10. Juni 2010)
BGB § 357 Abs. 1 Satz 1 (Fassung bis zum 12. Juni 2014), § 351 Satz 1, § 139
BGB-InfoV § 14 Abs. 1 und 3 (Fassung bis zum 10. Juni 2010)
BGB-InfoV Anlage 2 (zu § 14 Abs. 1 und 3) (Fassung bis zum 7. Dezember 2004)

a) Schließen mehrere Verbraucher als Darlehensnehmer mit einem Unternehmer
als Darlehensgeber einen Verbraucherdarlehensvertrag, kann jeder von
ihnen seine auf Abschluss des Darlehensvertrags gerichtete Willenserklärung
selbständig widerrufen. Die Rechtswirkungen des Widerrufs im Verhältnis
zwischen dem Darlehensgeber und den übrigen Darlehensnehmern richten
sich nach § 139 BGB.

b) Zur Gesetzlichkeitsfiktion einer Widerrufsbelehrung, die das Muster für die
Widerrufsbelehrung um den Zusatz ergänzt, bei mehreren Darlehensnehmern
könne jeder Darlehensnehmer seine Willenserklärung gesondert widerrufen.
ECLI:DE:BGH:2016:111016UXIZR482.15.0


c) Der Ausübung eines mangels ordnungsgemäßer Widerrufsbelehrung nicht befristeten Widerrufsrechts steht grundsätzlich nicht entgegen, dass die Parteien den Verbraucherdarlehensvertrag zuvor gegen Leistung eines Aufhebungsentgelts einverständlich beendet haben.
d) Zur Verwirkung des Widerrufsrechts bei vorzeitig einvernehmlich beendeten Verbraucherdarlehensverträgen. BGH, Urteil vom 11. Oktober 2016 - XI ZR 482/15 - OLG Stuttgart LG Stuttgart
Der XI. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat auf die mündliche Verhandlung vom 11. Oktober 2016 durch den Vorsitzenden Richter Prof. Dr. Ellenberger, die Richter Dr. Grüneberg und Maihold sowie die Richterinnen Dr. Menges und Dr. Derstadt
für Recht erkannt:
Auf die Revision der Beklagten wird unter Zurückweisung der Anschlussrevision der Kläger das Urteil des 6. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Stuttgart vom 13. Oktober 2015 im Kostenpunkt und insoweit aufgehoben, als zum Nachteil der Beklagten erkannt worden ist. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Revisionsverfahrens, an das Berufungsgericht zurückverwiesen. Von Rechts wegen

Tatbestand:

1
Die Kläger, zwei Piloten, nehmen die beklagte Bank auf Erstattung geleisteter Aufhebungsentgelte nach Widerruf von Darlehensverträgen in Anspruch.
2
Zum Zwecke der Umschuldung eines Immobiliarkredits bei einer dritten Bank schlossen die Parteien im März und April 2004 Verbraucherdarlehensverträge über insgesamt 997.000 €. Den Darlehensverträgen war mit einer hier nicht abgedruckten Ergänzung um ein Datum folgende Widerrufsbelehrung beigefügt : ECLI:DE:BGH:2016:111016UXIZR482.15.0
3
Im Jahr 2012 nahmen die Kläger die Veräußerung der Immobilie in Aussicht. Die Beklagte bot ihnen daraufhin unter dem 13. April 2012 die Aufhebung der Darlehensverträge gegen Zahlung von Aufhebungsentgelten an. Die Kläger nahmen das Angebot am 17. April 2012 an und zahlten an die Beklagte 64.670,64 €. Unter dem 9. Oktober 2013 widerriefen sie ihre auf Abschluss der Darlehensverträge gerichteten Willenserklärungen.
4
Ihrer auf Erstattung der geleisteten Aufhebungsentgelte nebst Zinsen und Herausgabe gezogener Nutzungen gerichteten Klage hat das Landgericht stattgegeben. Auf die Berufung der Beklagten hat das Berufungsgericht die Verurteilung hinsichtlich der beanspruchten Nutzungen reduziert und die Berufung im Übrigen zurückgewiesen. Dagegen richtet sich die vom Senat zugelassene Revision der Beklagten, mit der sie ihr Begehren auf vollständige Abweisung der Klage weiterverfolgt. Die Kläger begehren mit der Anschlussrevision die vollständige Wiederherstellung des landgerichtlichen Urteils.

Entscheidungsgründe:


A.

5
Die Revision der Beklagten hat Erfolg. Sie führt, soweit das Berufungsgericht zum Nachteil der Beklagten erkannt hat, zur Aufhebung des Berufungsurteils und zur Zurückverweisung der Sache an das Berufungsgericht.

I.

6
Das Berufungsgericht hat zur Begründung seiner Entscheidung - soweit für die Revision von Bedeutung - im Wesentlichen ausgeführt:
7
Zwischen den Parteien seien Verbraucherdarlehensverträge zustande gekommen, so dass den Klägern das Recht zugestanden habe, ihre auf Abschluss der Verträge gerichteten Willenserklärungen zu widerrufen.
8
Durch die Verwendung des Wortes "frühestens" bei der Beschreibung der Voraussetzungen für das Anlaufen der Widerrufsfrist habe die Beklagte die Kläger über die Bedingungen des Widerrufs undeutlich unterrichtet. Auf die Gesetzlichkeitsfiktion des Musters für die Widerrufsbelehrung nach der maßgeblichen Fassung der BGB-Informationspflichten-Verordnung könne sich die Beklagte nicht berufen, weil sie die Deutlichkeit der Belehrung mindernd vom Muster abgewichen sei. Mangels ordnungsgemäßer Belehrung sei die Widerrufsfrist nicht angelaufen, so dass die Kläger den Widerruf noch Ende 2013 hätten erklären können. Dass die Parteien vor Ausübung des Widerrufsrechts einen Aufhebungsvertrag geschlossen hätten, stehe weder dem Widerruf der auf Abschluss der Darlehensverträge gerichteten Willenserklärungen noch einem Anspruch auf Erstattung der Aufhebungsentgelte entgegen. Durch diese Vereinbarung hätten die Parteien die Darlehensverträge nicht beseitigt, sondern lediglich die Bedingungen für deren Beendigung modifiziert. Einen selbständigen Rechtsgrund für das Behaltendürfen der Aufhebungsentgelte habe der Aufhebungsvertrag nicht geschaffen. Die Kläger hätten ihr Widerrufsrecht weder rechtsmissbräuchlich ausgeübt noch verwirkt.

II.

9
Diese Ausführungen halten revisionsrechtlicher Überprüfung nicht in allen Punkten stand.
10
1. Richtig hat das Berufungsgericht allerdings erkannt, dass das Widerrufsrecht der Kläger nach § 495 Abs. 1 BGB in der hier nach Art. 229 § 9 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2, § 22 Abs. 2, §§ 32, 38 Abs. 1 Satz 1 EGBGB maßgeblichen, zwischen dem 1. August 2002 und dem 10. Juni 2010 geltenden Fassung (künftig: a.F.) im Oktober 2013 fortbestanden hat.
11
a) Die tatrichterliche Feststellung des Berufungsgerichts, die Kläger hätten - weil lediglich mit der Verwaltung eigenen Vermögens befasst - als Verbraucher gehandelt, greift die Revision nicht erheblich an. Sie lässt Rechtsfehler nicht erkennen (vgl. Senatsurteile vom 23. Oktober 2001 - XI ZR 63/01, BGHZ 149, 80, 86 f. und vom 17. Mai 2011 - XI ZR 280/09, juris Rn. 23 mwN).
12
b) Die den Darlehensverträgen beigegebene Widerrufsbelehrung entsprach , was der Senat nach den Grundsätzen der objektiven Auslegung selbst bestimmen kann (Senatsurteil vom 12. Juli 2016 - XI ZR 564/15, WM 2016, 1930 Rn. 15 mwN, zur Veröffentlichung bestimmt in BGHZ), nicht den gesetzlichen Vorgaben, so dass die zweiwöchige Widerrufsfrist im März und April 2004 nicht anlief.
13
aa) Entgegen den Einwänden der Revisionserwiderung informierte die Widerrufsbelehrung allerdings, ohne dass dafür freilich eine Notwendigkeit bestand , inhaltlich richtig darüber, jeder Darlehensnehmer könne seine auf Abschluss des Darlehensvertrags gerichtete Willenserklärung ohne Rücksicht auf das Schicksal der Vertragserklärung des anderen Darlehensnehmers widerrufen.
14
(1) Das Verbraucherwiderrufsrecht soll vor vertraglichen Bindungen schützen, die der Verbraucher möglicherweise übereilt und ohne gründliche Abwägung des Für und Wider eingegangen ist (vgl. nur Palandt/Grüneberg, BGB, 75. Aufl., § 355 Rn. 2). Dieses Bedürfnis besteht ohne Rücksicht darauf, ob der Verbraucher allein oder mit anderen Verbrauchern einen Verbrauchervertrag schließt (Knops/Martens, WM 2015, 2025, 2026 f.; Martens, FS Derleder, 2015, S. 333, 338 f.). Dass sich der Widerruf eines Verbrauchers auf den Bestand des Verbrauchervertrags auch im Verhältnis zu anderen auf seiner Seite kontrahierenden Verbrauchern auswirken kann, steht dem nicht entgegen (anders Staudinger/Kaiser, BGB, Neubearb. 2004, § 355 Rn. 30; Staudinger/Kaiser, BGB, Neubearb. 2012, § 355 Rn. 43). Denn der Übereilungsschutz jedes einzelnen Verbrauchers überwiegt das Interesse aller anderen am Fortbestand des Verbrauchervertrags (vgl. Knops/Martens, WM 2015, 2025, 2026 mit Fn. 21).
15
Dass Gegenstand eines Verbraucherdarlehensvertrags eine unteilbare Leistung ist, führt in Fällen, in denen Vertragspartner eines Unternehmers als Darlehensgebers neben einem Verbraucher ein weiterer Unternehmer als Darlehensnehmer ist, nicht dazu, dass das Widerrufsrecht des Verbrauchers ausgeschlossen ist (Knops/Martens WM 2015, 2025; MünchKommBGB/ Schürnbrand, 6. Aufl., § 491 Rn. 14; Samhat/Zeelen, EWiR 2016, 193, 194; zur Anwendung des Verbraucherkreditgesetzes auf nur einen der Darlehensnehmer Senatsurteil vom 25. Februar 1997 - XI ZR 49/96, WM 1997, 710; zum Finanzierungsleasing BGH, Urteil vom 28. Juni 2000 - VIII ZR 240/99, BGHZ 144, 370, 380 ff.). In solchen Fällen kann der Verbraucher seine auf Abschluss des Darlehensvertrags gerichtete Willenserklärung widerrufen, obwohl seinem Mitdarlehensnehmer ein Widerrufsrecht nicht zusteht. Aus der Natur des Rechtsverhältnisses ergibt sich nichts anderes, wenn Mitdarlehensnehmer nicht ein Unternehmer, sondern ein zweiter Verbraucher ist. Das mit der Einheitlichkeit des Darlehensvertrags begründete Urteil des Senats vom 9. Juli 2002 (XI ZR 323/01, WM 2002, 1764) betraf dessen Kündigung, nicht den Widerruf der auf Abschluss des Darlehensvertrags gerichteten Willenserklärung. Auf das Widerrufsrecht, dessen Schutzzweck Vorrang genießt, sind die dort angewandten Grundsätze nicht übertragbar.
16
(2) Für eine Widerrufsbefugnis jedes einzelnen Verbrauchers spricht auch die Gesetzgebungsgeschichte und der aus den Materialien erkennbare Wille des Gesetzgebers.
17
Vor Schaffung des § 361a Abs. 2 Satz 1 BGB mit dem Gesetz über Fernabsatzverträge und andere Fragen des Verbraucherrechts sowie zur Umstellung von Vorschriften auf Euro vom 27. Juni 2000 (BGBl. I S. 897) entsprach es herrschender Meinung, dass der Verbraucher das nach dem Verbraucherkreditgesetz eingeräumte Widerrufsrecht isoliert - allein bezogen auf seine Willenserklärung - und ohne Rücksicht darauf ausüben könne, ob noch ein anderer Verbraucher neben ihm Vertragspartner des Unternehmers sei (Bruchner/ Ott/Wagner-Wieduwilt, VerbrKrG, 2. Aufl., § 7 Rn. 13; Erman/I. Saenger, BGB, 10. Aufl., § 7 VerbrKrG Rn. 10; Metz, VerbrKrG, 1999, § 7 Rn. 6; Pickert, Das Widerrufsrecht nach dem Verbraucherkreditgesetz, 1995, S. 71; Staudinger/ Kaiser, BGB, Neubearb. 2004, § 355 Rn. 30; Staudinger/Kaiser, BGB, Neubearb. 2012, § 355 Rn. 42; Soergel/Häuser, BGB, 12. Aufl., § 7 VerbrKrG Rn. 18; Steppeler, VerbrKrG, 2. Aufl., S. 169; MünchKommBGB/Ulmer, 3. Aufl., § 7 VerbrKrG Rn. 20; Ulmer/Habersack, VerbrKrG, 2. Aufl., § 7 Rn. 20; Ulmer/ Timmann, FS Rowedder, 1994, S. 503, 525; Graf von Westphalen/ Emmerich/von Rottenburg, VerbrKrG, 2. Aufl., § 7 Rn. 6; zum Abzahlungsgesetz OLG Düsseldorf, WM 1984, 1220, 1221; OLG Koblenz, OLGR 1998, 437 f.).
18
Mit der Einführung des - später in § 357 Abs. 1 Satz 1 BGB in der hier maßgeblichen, bis zum 12. Juni 2014 geltenden Fassung (künftig: a.F.) übernommenen (BT-Drucks. 14/6040, S. 199) - § 361a Abs. 2 Satz 1 BGB änderte sich am Grundsatz der Einzelbefugnis nichts (vgl. Bülow, WM 2000, 2361, 2364 mit Fn. 21; ders., VerbrKrG, 4. Aufl., § 7 Rn. 98, § 19 Rn. 23; Grundstein, FAArbR 2003, 41, 44; Staudinger/Kessal-Wulf, BGB, Neubearb. 2001, § 1 VerbrKrG Rn. 20, § 7 VerbrKrG Rn. 16, § 1 HWiG Rn. 30; Staudinger/Kessal-Wulf, BGB, Neubearb. 2012, § 491 Rn. 20; MünchKommBGB/Schürnbrand, 6. Aufl., § 491 Rn. 14; anders - für die Anwendung des § 356 BGB in der bis zum 31. Dezember 2001 geltenden Fassung [künftig: a.F.] und jetzt des § 351 BGB auf den Verbraucherwiderruf - Löhnig, FamRZ 2001, 135, 137; SchmidtKessel /Gläser, WM 2014, 965, 977; MünchKommBGB/Ulmer, 4. Aufl., § 361a Rn. 25; Staudinger/Kaiser, BGB, Neubearb. 2001, § 361a Rn. 26; Staudinger/ Kaiser, BGB, Neubearb. 2004, § 355 Rn. 30; Staudinger/Kaiser, BGB, Neubearb. 2012, § 355 Rn. 42; OLG Frankfurt/Main, Beschluss vom 11. Mai 2016 - 19 U 222/15, juris Rn. 20; OLG Karlsruhe, WM 2016, 1036, 1038 f.). Nach der Vorstellung des Gesetzgebers entsprach die Anwendung der "Vorschriften des Rücktritts […] der bisherigen Rechtslage" (BT-Drucks. 14/2658, S. 47).
19
Insbesondere beseitigte die Neukonzeption des Widerrufsrechts als eines Gestaltungsrechts anstelle einer rechtshindernden Einwendung ("besonders ausgestaltetes Rücktrittsrecht", BGH, Urteil vom 17. März 2004 - VIII ZR 265/03, WM 2004, 2451, 2452; vgl. dagegen zum früheren Recht BGH, Urteil vom 16. Oktober 1995 - II ZR 298/94, BGHZ 131, 82, 85 f.) die Einzelbefugnis nicht (Wallner, BKR 2016, 177, 180; anders Staudinger/Kaiser, BGB, Neubearb. 2004, § 355 Rn. 30; Staudinger/Kaiser, BGB, Neubearb. 2012, § 355 Rn. 43). Die einheitliche Ausübung mehrerer Berechtigter auf einer Vertragsseite wird zwar für bestimmte Gestaltungsrechte gesetzlich angeordnet (so in § 351 Satz 1, § 441 Abs. 2, §§ 472, 638 Abs. 2 BGB; vgl. Martens, FS Derleder, 2015, S. 333, 340). Es besteht aber - was §§ 425, 429 Abs. 3 BGB zeigen - kein allgemeiner Grundsatz, der die Ausübung von Gestaltungsrechten durch nur einen der auf einer Seite kontrahierenden Vertragspartner generell ausschließt (Knops/Martens, WM 2015, 2025, 2026 mit Fn. 18; Martens, aaO; MünchKommBGB/Gaier, BGB, 6. Aufl., § 351 Rn. 7; Erman/ Röthel, BGB, 14. Aufl., § 351 Rn. 5; Wallner, aaO; zur Anfechtung RGZ 65, 399, 405; Palandt/Ellenberger, BGB, 75. Aufl., § 143 Rn. 4; gegen eine Erstreckung des § 351 Satz 1 BGB auf alle Gestaltungsrechte auch Staudinger/ Kaiser, BGB, Neubearb. 2012, § 351 Rn. 3).
20
(3) Die Einzelbefugnis zur Ausübung des Widerrufsrechts wird auch nicht durch § 351 Satz 1 BGB ausgeschlossen. Zwar fanden nach § 357 Abs. 1 Satz 1 BGB a.F. (wie zuvor nach § 361a Abs. 2 Satz 1 BGB) auf das Widerrufsrecht die Vorschriften des Titels über den Rücktritt entsprechende Anwendung, soweit anderes nicht bestimmt war. Ein anderes konnte sich aber nicht nur aus einer ausdrücklichen gesetzlichen Anordnung, sondern auch aus der Natur des Verbraucherwiderrufsrechts ergeben (a.A. Staudinger/Kaiser, BGB, Neubearb. 2004, § 355 Rn. 30; Staudinger/Kaiser, BGB, Neubearb. 2012, § 355 Rn. 43; wohl auch Schirmbacher, BB 2009, 1088, 1090). Dies ist hier mit Blick auf § 351 BGB nach Sinn und Zweck des Widerrufsrechts - wie oben dargelegt - der Fall:
21
Die entsprechende Geltung des § 351 BGB und damit auch seines Satzes 2 (zuvor: § 356 Satz 2 BGB a.F.) hätte dazu geführt, dass mit dem Wegfall des Widerrufsrechts für einen Verbraucher - dem Schutzzweck des Widerrufsrechts widersprechend - das Widerrufsrecht für sämtliche anderen entfallen wäre (dagegen noch unter Geltung des Verbraucherkreditgesetzes BGH, Urteil vom 10. Juli 1996 - VIII ZR 213/95, BGHZ 133, 220, 226). Dies wiederum hätte zur Konsequenz gehabt, dass nicht nur - eine ordnungsgemäße, aber zeitlich gestaffelte Belehrung der auf einer Seite kontrahierenden Verbraucher unterstellt - der zuletzt belehrte Verbraucher die zweiwöchige Widerrufsfrist des § 355 Abs. 1 Satz 2 BGB in der hier maßgeblichen, zwischen dem 1. August 2002 und dem 10. Juni 2010 geltenden Fassung (künftig: a.F.) nicht mehr voll hätte ausschöpfen können (so in der Tat Staudinger/Kaiser, BGB, Neubearb. 2004, § 355 Rn. 32; Staudinger/Kaiser, BGB, Neubearb. 2012, § 355 Rn. 45). Überdies hätte der Unternehmer - erst über § 242 BGB korrigierbar - auch gegenüber einem unzureichend belehrten Verbraucher einwenden können , er habe (wenigstens) einen seiner Vertragspartner ordnungsgemäß belehrt , so dass der Verbraucher - obwohl weder ordnungsgemäß belehrt noch nachbelehrt - aus dem Belehrungsmangel nach Ablauf der Widerrufsfrist für den weiteren Vertragspartner keine Folgerungen mehr hätte ziehen können (vgl. im Einzelnen Knops/Martens, WM 2015, 2025, 2026; Martens, FS Derleder, 2015, S. 333, 339; für eine Einschränkung der Geltung des § 356 BGB a.F. in diesen Fällen auch MünchKommBGB/Ulmer, 4. Aufl., § 361a Rn. 26; für eine Anwendung des § 351 Satz 2 BGB dagegen Staudinger/Kaiser, BGB, Neubearb. 2001, § 361a Rn. 26). In beiden Konstellationen wäre das Widerrufsrecht des Verbrauchers gegen den Gesetzeszweck verkürzt worden, ohne dass sich § 357 Abs. 1 Satz 1 BGB a.F. dafür etwas entnehmen ließ. In gleicher Weise stand der individuell gewährte Übereilungsschutz einer entsprechenden Anwendung des die Einzelbefugnis einschränkenden § 351 Satz 1 BGB entgegen.
22
bb) Die Widerrufsbelehrung klärte entgegen der Ansicht der Revisionserwiderung auch richtig über die Rechtsfolgen des Widerrufs auf, wobei es einer Differenzierung zwischen den Folgen des Widerrufs nur eines Verbrauchers oder sämtlicher Darlehensnehmer - deren Verbrauchereigenschaft unterstellt - nicht bedurfte. Zwar wirkt der Widerruf nur eines Verbrauchers nicht zugleich für und gegen die anderen, weil der Widerruf nicht unter die Sondervorschriften der §§ 422 ff. BGB fällt (Knops/Martens, WM 2015, 2025, 2027). Nach § 139 BGB führt er aber regelmäßig dazu, dass sich der Verbraucherdarlehensvertrag im Verhältnis zu sämtlichen Darlehensnehmern in ein Rückgewährschuldverhältnis umwandelt (vgl. Bülow, WM 2000, 2361, 2364; ders., VerbrKrG, 4. Aufl., § 19 Rn. 23; Bülow/Artz, ZIP 1998, 629, 632; Cebulla/Pützhoven, FamRZ 1996, 1124, 1128 f.; Erman/I. Saenger, BGB, 10. Aufl., § 7 VerbrKrG Rn. 10; Knops/Martens, aaO; Martens, FS Derleder, 2015, S. 333, 341; Staudinger/ Kessal-Wulf, BGB, Neubearb. 2001, § 1 VerbrKrG Rn. 20, § 7 VerbrKrG Rn. 19, § 1 HWiG Rn. 30; Soergel/Häuser, BGB, 12. Aufl., § 7 VerbrKrG Rn. 18; Graf von Westphalen/Emmerich/von Rottenburg, VerbrKrG, 2. Aufl., § 7 Rn. 118; MünchKommBGB/Ulmer, 3. Aufl., § 7 VerbrKrG Rn. 20; Ulmer/ Habersack, VerbrKrG, 2. Aufl., § 7 Rn. 20; Ulmer/Timmann, FS Rowedder, 1994, S. 503, 525). Gibt die Widerrufsbelehrung dies wie hier der Sache nach wieder, ist sie ordnungsgemäß und wirksam.
23
cc) Gleichwohl bestand das Widerrufsrecht der Kläger im Jahr 2013 fort. Denn die Widerrufsbelehrung informierte entgegen dem inhaltlichen Deutlichkeitsgebot des § 355 Abs. 2 Satz 1 BGB a.F. mittels des Einschubs des Worts "frühestens" unzureichend über den Beginn der Widerrufsfrist (vgl. Senatsurteil vom 12. Juli 2016 - XI ZR 564/15, WM 2016, 1930 Rn. 18 mwN). Auf die Kausalität des Belehrungsfehlers für das Unterbleiben des Widerrufs kommt es nicht an. Entscheidend ist nur, ob die Belehrung durch ihre missverständliche Fassung objektiv geeignet ist, den Verbraucher von der Ausübung seines Widerrufsrechts abzuhalten (Senatsurteil vom 12. Juli 2016 aaO Rn. 26 mwN).
24
dd) Der Beklagten kommt, was das Berufungsgericht gesehen hat, die Gesetzlichkeitsfiktion des Musters für die Widerrufsbelehrung gemäß Anlage 2 zu § 14 Abs. 1 und 3 BGB-InfoV in der hier maßgeblichen ursprünglichen, zwischen dem 1. September 2002 und dem 7. Dezember 2004 geltenden Fassung nicht zugute.
25
(1) § 14 Abs. 1 BGB-InfoV in der zwischen dem 1. September 2002 und dem 10. Juni 2010 geltenden Fassung (künftig: a.F.) knüpft die Gesetzlichkeitsfiktion an die Bedingung, dass "das Muster der Anlage 2 in Textform verwandt wird". Nach § 14 Abs. 3 BGB-InfoV a.F. darf der Unternehmer allerdings, sofern er das vom Verordnungsgeber geschaffene Muster für die Widerrufsbelehrung verwendet, "in Format und Schriftgröße von dem Muster abweichen und Zusätze wie die Firma oder ein Kennzeichen des Unternehmers anbringen". Damit definiert § 14 Abs. 3 BGB-InfoV a.F. in den Grenzen der Verordnungsermächtigung die Grenze der für den Erhalt der Gesetzlichkeitsfiktion unschädlichen Abweichungen. Entsprechend der durch § 14 Abs. 3 BGB-InfoV a.F. gesetzten Grenze lassen Anpassungen, die den vom Gesetzgeber selbst nach Art. 245 EGBGB, § 14 Abs. 3 BGB-InfoV a.F. als unschädlich anerkannten Abweichungen ihrer Qualität nach entsprechen, ohne die Deutlichkeit der Belehrung zu schmälern, die Gesetzlichkeitsfiktion unberührt. Greift der Unternehmer dagegen in das Muster in einem Umfang ein, der den beispielhaft in § 14 Abs. 3 BGB-InfoV a.F. aufgelisteten Abweichungen nicht mehr entspricht, geht die Gesetzlichkeitsfiktion des § 14 Abs. 1 BGB-InfoV a.F. verloren (im Einzelnen Senatsurteil vom 12. Juli 2016 - XI ZR 564/15, WM 2016, 1930 Rn. 22 ff. mwN).
26
(2) Nach diesen Maßgaben hat die Beklagte das Muster für die Widerrufsbelehrung , was der Senat durch einen Vergleich selbst feststellen kann (Senatsurteil vom 12. Juli 2016 - XI ZR 564/15, WM 2016, 1930 Rn. 25 mwN), einer inhaltlichen Bearbeitung unterzogen, die über das nach § 14 Abs. 3 BGBInfoV a.F. für den Erhalt der Gesetzlichkeitsfiktion Unschädliche hinausgeht.
27
Zwar führt allein der Zusatz, "[b]ei mehreren Darlehensnehmern" könne "jeder Darlehensnehmer seine Willenserklärung gesondert widerrufen", nicht zum Verlust der Gesetzlichkeitsfiktion. Insoweit handelt es sich um eine inhaltlich zutreffende Vervollständigung (vgl. BGH, Beschluss vom 20. November 2012 - II ZR 264/10, GuT 2013, 133; dazu Senatsurteil vom 12. Juli 2016 - XI ZR 564/15, WM 2016, 1930 Rn. 24), die über die vom Muster für die Widerrufsbelehrung behandelten Themen hinaus lediglich ergänzende und rechtlich richtige Informationen vermittelt, ohne in den Text des Musters einzugreifen oder auf ihn bezogene Angaben zu machen. Ein solcher Eingriff liegt aber vor, soweit die Beklagte sowohl die Zwischenüberschrift "Widerrufsrecht" des Musters für die Widerrufsbelehrung ausgelassen als auch unter der Überschrift "Finanzierte Geschäfte" die Mustertexte für Darlehensverträge und den finanzierten Erwerb eines Grundstücks oder eines grundstücksgleichen Rechts entgegen den Vorgaben des Gestaltungshinweises kombiniert hat. Dabei ist für den Verlust der Gesetzlichkeitsfiktion ohne Belang, dass es sich bei den von den Klägern aufgenommenen Darlehen nicht um verbundene Geschäfte handelte, so dass Gestaltungshinweis (8) der Musterbelehrung in ihrer hier maßgeblichen ursprünglichen Fassung dem Unternehmer anheim gab, auf Hinweise für finanzierte Geschäfte zu verzichten (Senatsurteil vom 28. Juni 2011 - XI ZR 349/10, WM 2011, 1799 Rn. 39).
28
c) Das Berufungsgericht hat entgegen den Angriffen der Revision schließlich zutreffend gesehen, dass die auf Abschluss der Darlehensverträge gerichteten Willenserklärungen der Kläger auch noch nach "Aufhebung" dieser Verträge - streng genommen: nach deren vorzeitiger Beendigung - widerrufen werden konnten. Zweck des Widerrufsrechts ist, dem Verbraucher die Möglichkeit zu geben, sich von dem geschlossenen Vertrag auf einfache Weise durch Widerruf zu lösen, ohne die mit sonstigen Nichtigkeits- oder Beendigungsgründen verbundenen, gegebenenfalls weniger günstigen Rechtswirkungen in Kauf nehmen zu müssen (vgl. BGH, Urteil vom 25. November 2009 - VIII ZR 318/08, BGHZ 183, 235 Rn. 17). Deshalb kann der Verbraucher seine auf Abschluss eines Verbrauchervertrags gerichtete Willenserklärung widerrufen, auch wenn der Vertrag zuvor gekündigt wurde (Senatsbeschluss vom 15. Februar 2011 - XI ZR 148/10, WM 2011, 655 f.; BGH, Urteile vom 7. Mai 2014 - IV ZR 76/11, BGHZ 201, 101 Rn. 36, vom 16. Oktober 2013 - IV ZR 52/12, ZIP 2014, 732 Rn. 24 und vom 29. Juli 2015 - IV ZR 384/14, WM 2015, 1614 Rn. 30). Gleiches gilt, wenn die Parteien den Vertrag vor Ausübung des Widerrufsrechts einvernehmlich beendet haben, ohne sich zugleich über das Widerrufsrecht zu vergleichen (vgl. dazu MünchKommBGB/Habersack, 6. Aufl., § 779 Rn. 11).
29
2. Revisionsrechtlicher Überprüfung nicht stand halten aber die Erwägungen , mit denen das Berufungsgericht eine Verwirkung des Widerrufsrechts verneint hat.
30
a) Die Verwirkung als Unterfall der unzulässigen Rechtsausübung wegen der illoyal verspäteten Geltendmachung von Rechten setzt, was der Senat nach Erlass des Berufungsurteils für die Verwirkung des Verbraucherwiderrufsrechts verdeutlicht und präzisiert hat (Senatsurteile vom 12. Juli 2016 - XI ZR 501/15, WM 2016, 1835 Rn. 40 und - XI ZR 564/15, WM 2016, 1930 Rn. 37, jeweils mwN), neben einem Zeitmoment, für das die maßgebliche Frist mit dem Zustandekommen des Verbrauchervertrags zu laufen beginnt, ein Umstandsmoment voraus. Ein Recht ist verwirkt, wenn sich der Schuldner wegen der Untä- tigkeit seines Gläubigers über einen gewissen Zeitraum hin bei objektiver Beurteilung darauf einrichten darf und eingerichtet hat, dieser werde sein Recht nicht mehr geltend machen, so dass die verspätete Geltendmachung gegen Treu und Glauben verstößt. Zu dem Zeitablauf müssen besondere, auf dem Verhalten des Berechtigten beruhende Umstände hinzutreten, die das Vertrauen des Verpflichteten rechtfertigen, der Berechtigte werde sein Recht nicht mehr geltend machen. Ob eine Verwirkung vorliegt, richtet sich letztlich nach den vom Tatrichter festzustellenden und zu würdigenden Umständen des Einzelfalls (Senatsurteile vom 12. Juli 2016 aaO), ohne dass insofern auf Vermutungen zurückgegriffen werden kann. Gerade bei wie hier beendeten Verbraucherdarlehensverträgen kann, was der Senat in seinem Urteil vom 12. Juli 2016 (XI ZR 501/15, aaO Rn. 41) näher dargelegt hat, das Vertrauen des Unternehmers auf ein Unterbleiben des Widerrufs nach diesen Maßgaben schutzwürdig sein, auch wenn die von ihm erteilte Widerrufsbelehrung ursprünglich den gesetzlichen Vorschriften nicht entsprach und er es in der Folgezeit versäumt hat, den Verbraucher nachzubelehren. Das gilt in besonderem Maße, wenn die Beendigung des Darlehensvertrags auf einen Wunsch des Verbrauchers zurückgeht.
31
b) Nach diesen Maßgaben erweist sich das Berufungsurteil als rechtsfehlerhaft. Nicht nur hat das Berufungsgericht bei der Bemessung des Zeitmoments den maßgeblichen Zeitpunkt - Zustandekommen des Verbrauchervertrags - nicht in den Blick genommen. Es hat auch gegen eine Verwirkung das Fehlen einer Nachbelehrung ins Feld geführt, die von der Beklagten nach Beendigung der Verträge nicht mehr erwartet werden konnte. Außerdem hat es dem Umstand selbst, dass die Parteien die Darlehensverträge einverständlich beendet haben, unzutreffend kein Gewicht beigemessen.
32
3. Dagegen wiederum zu Recht hat das Berufungsgericht angenommen, dass die Kläger die Aufhebungsentgelte in Erfüllung einer sich aus den Darlehensverträgen ergebenden Verpflichtung erbracht haben, so dass sie im Falle eines wirksamen Widerrufs der Darlehensverträge als empfangene Leistungen nach § 357 Abs. 1 Satz 1 BGB a.F. in Verbindung mit § 346 Abs. 1 BGB zurückzugewähren sind.
33
a) Maßgeblich dafür, ob die Parteien im April 2012 für die Aufhebungsentgelte einen neuen Schuldgrund geschaffen haben, ist ihr aus den gesamten Fallumständen zu ermittelnder Wille, der seinen Niederschlag in den Vertragsverhandlungen und Vertragserklärungen gefunden haben muss. Die Feststellung des Parteiwillens ist Auslegungsfrage, die grundsätzlich dem Tatrichter obliegt (Senatsurteile vom 26. Oktober 2010 - XI ZR 367/07, WM 2011, 23 Rn. 28 und vom 27. November 2012 - XI ZR 144/11, WM 2013, 261 Rn. 13). Dabei ist davon auszugehen, dass der von einer Vertragspartei an die andere herangetragene Wunsch nach einer vorzeitigen Abwicklung gegen Zahlung eines angemessenen Aufhebungsentgelts nicht eine Beseitigung der vertraglichen Bindung, sondern letztlich nur eine vorzeitige Erbringung der geschuldeten Leistung zum Ziel hat. Der Darlehensgeber soll durch die vorzeitige Rückzahlung des Darlehenskapitals und die Zahlung des Aufhebungsentgelts im wirtschaftlichen Ergebnis so gestellt werden, wie er stünde, wenn das Darlehen für den ursprünglich vereinbarten Festschreibungszeitraum fortgeführt und mit Zinsen bedient worden wäre. Die angestrebte Änderung des Darlehensvertrags erschöpft sich somit letztlich in der Beseitigung der vertraglichen - zeitlich begrenzten - Erfüllungssperre, d.h. in einer Vorverlegung des Erfüllungszeitpunkts (Senatsurteil vom 1. Juli 1997 - XI ZR 267/96, BGHZ 136, 161, 166).
34
b) Damit in Übereinstimmung ist das Berufungsgericht zu dem Ergebnis gelangt, die Kläger hätten die Aufhebungsentgelte in Erfüllung von sich aus den modifizierten Darlehensverträgen ergebenden Forderungen geleistet. Auf das von der Revision als übergangen gerügte Vorbringen der Beklagten, die Aufhebungsentgelte hätten "nicht lediglich die rechtlich geschützten Zinserwartungen und einen etwaigen Verwaltungsaufwand der Bank, sondern auch die Möglichkeit der einvernehmlichen sofortigen Vertragsbeendigung ohne dreimonatige Kündigungsfrist vergütet", kommt es für diese Einschätzung nicht an. Denn auch dann, wenn sich die Parteien, um die Darlehensverträge zu beenden, wechselseitig mehr zugestanden haben sollten, als sie im Zeitpunkt des Abschlusses des Aufhebungsvertrags nach dem Gesetz hätten verlangen können, bleibt es dabei, dass die Bedingungen einer vorzeitigen Erfüllung des Anspruchs aus § 488 Abs. 1 Satz 2 BGB Gegenstand der Vereinbarung waren und die Kläger die Aufhebungsentgelte auf eine aus den Darlehensverträgen resultierende Verpflichtung erbracht haben.

III.

35
Das Berufungsurteil unterliegt wegen der rechtsfehlerhaften Ausführungen des Berufungsgerichts zur Verwirkung der Aufhebung (§ 562 Abs. 1 ZPO). Da die Sache insoweit nicht zur Endentscheidung reif ist, ist sie zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das Berufungsgericht zurückzuverweisen (§ 563 Abs. 1 Satz 1 ZPO).

B.

36
Die Anschlussrevision der Kläger hat dagegen keinen Erfolg.

I.

37
Das Berufungsgericht hat die Anschlussrevision betreffend ausgeführt:
38
Aufgrund des Widerrufs hätten sich die Schuldverhältnisse der Parteien in Rückgewährschuldverhältnisse umgewandelt. Die Beklagte schulde Erstattung der Aufhebungsentgelte. Außerdem sei sie zur Leistung von Nutzungser- satz verpflichtet. Mangels Vortrags der Beklagten zur Verwendung der von den Klägern erlangten Zahlungen sei davon auszugehen, dass die Beklagte tatsächlich Nutzungen gezogen habe, deren Wert einer Verzinsung des Aufhebungsentgelts mit einem Zinssatz von zweieinhalb Prozentpunkten über dem Basiszinssatz entspreche.

II.

39
Dies hält revisionsrechtlicher Überprüfung stand.
40
Das Berufungsgericht ist von der Anschlussrevision unangegriffen davon ausgegangen, zwischen den Parteien sei ein Immobiliardarlehensvertrag im Sinne des gemäß Art. 229 § 22 Abs. 2, § 32 Abs. 1, § 38 Abs. 1 EGBGB im ausschlaggebenden Zeitpunkt des Vertragsschlusses maßgeblichen § 492 Abs. 1a Satz 2 Halbsatz 1 BGB in der zwischen dem 1. August 2002 und dem 10. Juni 2010 geltenden Fassung zustande gekommen. Bei Immobiliardarlehensverträgen ist in Anlehnung an § 497 Abs. 1 Satz 2 BGB in der hier maßgeblichen , zwischen dem 1. August 2002 und dem 10. Juni 2010 geltenden Fassung widerleglich zu vermuten, dass die beklagte Bank aus ihr von den Klägern überlassenen Zins- und Tilgungsraten Nutzungen lediglich in Höhe von zweieinhalb Prozentpunkten über dem Basiszinssatz gezogen hat (im Einzelnen Senatsurteil vom 12. Juli 2016 - XI ZR 564/15, WM 2016, 1930 Rn. 58). Dass die Kläger in den Vorinstanzen Vortrag gehalten hätten, der umfangreichere Nutzungen der Beklagten ergab, zeigt die Anschlussrevision nicht auf.
Ellenberger Grüneberg Maihold Menges Derstadt

Vorinstanzen:
LG Stuttgart, Entscheidung vom 17.10.2014 - 12 O 262/14 -
OLG Stuttgart, Entscheidung vom 13.10.2015 - 6 U 174/14 -

(1) Der Berufungsbeklagte kann sich der Berufung anschließen. Die Anschließung erfolgt durch Einreichung der Berufungsanschlussschrift bei dem Berufungsgericht.

(2) Die Anschließung ist auch statthaft, wenn der Berufungsbeklagte auf die Berufung verzichtet hat oder die Berufungsfrist verstrichen ist. Sie ist zulässig bis zum Ablauf der dem Berufungsbeklagten gesetzten Frist zur Berufungserwiderung. Diese Frist gilt nicht, wenn die Anschließung eine Verurteilung zu künftig fällig werdenden wiederkehrenden Leistungen (§ 323) zum Gegenstand hat.

(3) Die Anschlussberufung muss in der Anschlussschrift begründet werden. Die Vorschriften des § 519 Abs. 2, 4 und des § 520 Abs. 3 sowie des § 521 gelten entsprechend.

(4) Die Anschließung verliert ihre Wirkung, wenn die Berufung zurückgenommen, verworfen oder durch Beschluss zurückgewiesen wird.

2
Die Erhebung einer Widerklage im Berufungsrechtszug hindert einen Beschluss nach § 522 Abs. 2 ZPO nicht; sie verliert ihre Wirkung, wenn die Berufung durch einstimmigen Beschluss zurückgewiesen wird (BGH, Urteil vom 24. Oktober 2013 - III ZR 403/12, BGHZ 198, 315 Rn. 27, 33). Für die gleichge- lagerte Fallgestaltung einer Klageerweiterung im Berufungsverfahren kann nichts anderes gelten (vgl. OLG Nürnberg, MDR 2003, 770; MDR 2007, 171 f; OLG Rostock, MDR 2003, 1195; OLG Frankfurt a.M., NJW 2004, 165, 167 f; KG, NJW 2006, 3505; Zöller/Heßler, ZPO, 30. Aufl., § 522 Rn. 37; Musielak/ Ball, ZPO, 11. Aufl., § 522 Rn. 28a; Thomas/Putzo/Reichhold, ZPO, 35. Aufl., § 522 Rn. 14).

(1) Das Berufungsgericht hat von Amts wegen zu prüfen, ob die Berufung an sich statthaft und ob sie in der gesetzlichen Form und Frist eingelegt und begründet ist. Mangelt es an einem dieser Erfordernisse, so ist die Berufung als unzulässig zu verwerfen. Die Entscheidung kann durch Beschluss ergehen. Gegen den Beschluss findet die Rechtsbeschwerde statt.

(2) Das Berufungsgericht soll die Berufung durch Beschluss unverzüglich zurückweisen, wenn es einstimmig davon überzeugt ist, dass

1.
die Berufung offensichtlich keine Aussicht auf Erfolg hat,
2.
die Rechtssache keine grundsätzliche Bedeutung hat,
3.
die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Berufungsgerichts nicht erfordert und
4.
eine mündliche Verhandlung nicht geboten ist.
Das Berufungsgericht oder der Vorsitzende hat zuvor die Parteien auf die beabsichtigte Zurückweisung der Berufung und die Gründe hierfür hinzuweisen und dem Berufungsführer binnen einer zu bestimmenden Frist Gelegenheit zur Stellungnahme zu geben. Der Beschluss nach Satz 1 ist zu begründen, soweit die Gründe für die Zurückweisung nicht bereits in dem Hinweis nach Satz 2 enthalten sind. Ein anfechtbarer Beschluss hat darüber hinaus eine Bezugnahme auf die tatsächlichen Feststellungen im angefochtenen Urteil mit Darstellung etwaiger Änderungen oder Ergänzungen zu enthalten.

(3) Gegen den Beschluss nach Absatz 2 Satz 1 steht dem Berufungsführer das Rechtsmittel zu, das bei einer Entscheidung durch Urteil zulässig wäre.

(1) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen der Partei zur Last, die es eingelegt hat.

(2) Die Kosten des Rechtsmittelverfahrens sind der obsiegenden Partei ganz oder teilweise aufzuerlegen, wenn sie auf Grund eines neuen Vorbringens obsiegt, das sie in einem früheren Rechtszug geltend zu machen imstande war.

(3) (weggefallen)

Für vorläufig vollstreckbar ohne Sicherheitsleistung sind zu erklären:

1.
Urteile, die auf Grund eines Anerkenntnisses oder eines Verzichts ergehen;
2.
Versäumnisurteile und Urteile nach Lage der Akten gegen die säumige Partei gemäß § 331a;
3.
Urteile, durch die gemäß § 341 der Einspruch als unzulässig verworfen wird;
4.
Urteile, die im Urkunden-, Wechsel- oder Scheckprozess erlassen werden;
5.
Urteile, die ein Vorbehaltsurteil, das im Urkunden-, Wechsel- oder Scheckprozess erlassen wurde, für vorbehaltlos erklären;
6.
Urteile, durch die Arreste oder einstweilige Verfügungen abgelehnt oder aufgehoben werden;
7.
Urteile in Streitigkeiten zwischen dem Vermieter und dem Mieter oder Untermieter von Wohnräumen oder anderen Räumen oder zwischen dem Mieter und dem Untermieter solcher Räume wegen Überlassung, Benutzung oder Räumung, wegen Fortsetzung des Mietverhältnisses über Wohnraum auf Grund der §§ 574 bis 574b des Bürgerlichen Gesetzbuchs sowie wegen Zurückhaltung der von dem Mieter oder dem Untermieter in die Mieträume eingebrachten Sachen;
8.
Urteile, die die Verpflichtung aussprechen, Unterhalt, Renten wegen Entziehung einer Unterhaltsforderung oder Renten wegen einer Verletzung des Körpers oder der Gesundheit zu entrichten, soweit sich die Verpflichtung auf die Zeit nach der Klageerhebung und auf das ihr vorausgehende letzte Vierteljahr bezieht;
9.
Urteile nach §§ 861, 862 des Bürgerlichen Gesetzbuchs auf Wiedereinräumung des Besitzes oder auf Beseitigung oder Unterlassung einer Besitzstörung;
10.
Berufungsurteile in vermögensrechtlichen Streitigkeiten. Wird die Berufung durch Urteil oder Beschluss gemäß § 522 Absatz 2 zurückgewiesen, ist auszusprechen, dass das angefochtene Urteil ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar ist;
11.
andere Urteile in vermögensrechtlichen Streitigkeiten, wenn der Gegenstand der Verurteilung in der Hauptsache 1.250 Euro nicht übersteigt oder wenn nur die Entscheidung über die Kosten vollstreckbar ist und eine Vollstreckung im Wert von nicht mehr als 1.500 Euro ermöglicht.

Der Wert wird von dem Gericht nach freiem Ermessen festgesetzt; es kann eine beantragte Beweisaufnahme sowie von Amts wegen die Einnahme des Augenscheins und die Begutachtung durch Sachverständige anordnen.

Für die Wertberechnung ist der Zeitpunkt der den jeweiligen Streitgegenstand betreffenden Antragstellung maßgebend, die den Rechtszug einleitet.

(1) Sind außer dem Hauptanspruch auch Früchte, Nutzungen, Zinsen oder Kosten als Nebenforderungen betroffen, wird der Wert der Nebenforderungen nicht berücksichtigt.

(2) Sind Früchte, Nutzungen, Zinsen oder Kosten als Nebenforderungen ohne den Hauptanspruch betroffen, ist der Wert der Nebenforderungen maßgebend, soweit er den Wert des Hauptanspruchs nicht übersteigt.

(3) Sind die Kosten des Rechtsstreits ohne den Hauptanspruch betroffen, ist der Betrag der Kosten maßgebend, soweit er den Wert des Hauptanspruchs nicht übersteigt.

(1) Im Rechtsmittelverfahren bestimmt sich der Streitwert nach den Anträgen des Rechtsmittelführers. Endet das Verfahren, ohne dass solche Anträge eingereicht werden, oder werden, wenn eine Frist für die Rechtsmittelbegründung vorgeschrieben ist, innerhalb dieser Frist Rechtsmittelanträge nicht eingereicht, ist die Beschwer maßgebend.

(2) Der Streitwert ist durch den Wert des Streitgegenstands des ersten Rechtszugs begrenzt. Das gilt nicht, soweit der Streitgegenstand erweitert wird.

(3) Im Verfahren über den Antrag auf Zulassung des Rechtsmittels und im Verfahren über die Beschwerde gegen die Nichtzulassung des Rechtsmittels ist Streitwert der für das Rechtsmittelverfahren maßgebende Wert.

Der Wert wird von dem Gericht nach freiem Ermessen festgesetzt; es kann eine beantragte Beweisaufnahme sowie von Amts wegen die Einnahme des Augenscheins und die Begutachtung durch Sachverständige anordnen.

(1) Hat der Verbraucher seine auf den Abschluss eines Vertrags über die Lieferung einer Ware oder die Erbringung einer anderen Leistung durch einen Unternehmer gerichtete Willenserklärung wirksam widerrufen, so ist er auch an seine auf den Abschluss eines mit diesem Vertrag verbundenen Darlehensvertrags gerichtete Willenserklärung nicht mehr gebunden.

(2) Hat der Verbraucher seine auf den Abschluss eines Darlehensvertrags gerichtete Willenserklärung auf Grund des § 495 Absatz 1 oder des § 514 Absatz 2 Satz 1 wirksam widerrufen, so ist er auch nicht mehr an diejenige Willenserklärung gebunden, die auf den Abschluss eines mit diesem Darlehensvertrag verbundenen Vertrags über die Lieferung einer Ware oder die Erbringung einer anderen Leistung gerichtet ist.

(3) Ein Vertrag über die Lieferung einer Ware oder über die Erbringung einer anderen Leistung und ein Darlehensvertrag nach den Absätzen 1 oder 2 sind verbunden, wenn das Darlehen ganz oder teilweise der Finanzierung des anderen Vertrags dient und beide Verträge eine wirtschaftliche Einheit bilden. Eine wirtschaftliche Einheit ist insbesondere anzunehmen, wenn der Unternehmer selbst die Gegenleistung des Verbrauchers finanziert, oder im Falle der Finanzierung durch einen Dritten, wenn sich der Darlehensgeber bei der Vorbereitung oder dem Abschluss des Darlehensvertrags der Mitwirkung des Unternehmers bedient. Bei einem finanzierten Erwerb eines Grundstücks oder eines grundstücksgleichen Rechts ist eine wirtschaftliche Einheit nur anzunehmen, wenn der Darlehensgeber selbst dem Verbraucher das Grundstück oder das grundstücksgleiche Recht verschafft oder wenn er über die Zurverfügungstellung von Darlehen hinaus den Erwerb des Grundstücks oder grundstücksgleichen Rechts durch Zusammenwirken mit dem Unternehmer fördert, indem er sich dessen Veräußerungsinteressen ganz oder teilweise zu Eigen macht, bei der Planung, Werbung oder Durchführung des Projekts Funktionen des Veräußerers übernimmt oder den Veräußerer einseitig begünstigt.

(4) Auf die Rückabwicklung des verbundenen Vertrags sind unabhängig von der Vertriebsform § 355 Absatz 3 und, je nach Art des verbundenen Vertrags, die §§ 357 bis 357c entsprechend anzuwenden. Ist der verbundene Vertrag ein Vertrag über die Lieferung von nicht auf einem körperlichen Datenträger befindlichen digitalen Inhalten, hat der Verbraucher abweichend von § 357a Absatz 3 unter den Voraussetzungen des § 356 Absatz 5 Nummer 2 Wertersatz für die bis zum Widerruf gelieferten digitalen Inhalte zu leisten. Ist der verbundene Vertrag ein im Fernabsatz oder außerhalb von Geschäftsräumen geschlossener Ratenlieferungsvertrag, sind neben § 355 Absatz 3 auch die §§ 357 und 357a entsprechend anzuwenden; im Übrigen gelten für verbundene Ratenlieferungsverträge § 355 Absatz 3 und § 357d entsprechend. Im Falle des Absatzes 1 sind jedoch Ansprüche auf Zahlung von Zinsen und Kosten aus der Rückabwicklung des Darlehensvertrags gegen den Verbraucher ausgeschlossen. Der Darlehensgeber tritt im Verhältnis zum Verbraucher hinsichtlich der Rechtsfolgen des Widerrufs in die Rechte und Pflichten des Unternehmers aus dem verbundenen Vertrag ein, wenn das Darlehen dem Unternehmer bei Wirksamwerden des Widerrufs bereits zugeflossen ist.

(5) Die Absätze 2 und 4 sind nicht anzuwenden auf Darlehensverträge, die der Finanzierung des Erwerbs von Finanzinstrumenten dienen.

(1) Die empfangenen Leistungen sind spätestens nach 14 Tagen zurückzugewähren.

(2) Der Unternehmer muss auch etwaige Zahlungen des Verbrauchers für die Lieferung zurückgewähren. Dies gilt nicht, soweit dem Verbraucher zusätzliche Kosten entstanden sind, weil er sich für eine andere Art der Lieferung als die vom Unternehmer angebotene günstigste Standardlieferung entschieden hat.

(3) Für die Rückzahlung muss der Unternehmer dasselbe Zahlungsmittel verwenden, das der Verbraucher bei der Zahlung verwendet hat. Satz 1 gilt nicht, wenn ausdrücklich etwas anderes vereinbart worden ist und dem Verbraucher dadurch keine Kosten entstehen.

(4) Bei einem Verbrauchsgüterkauf kann der Unternehmer die Rückzahlung verweigern, bis er die Waren zurückerhalten hat oder der Verbraucher den Nachweis erbracht hat, dass er die Waren abgesandt hat. Dies gilt nicht, wenn der Unternehmer angeboten hat, die Waren abzuholen.

(5) Der Verbraucher trägt die unmittelbaren Kosten der Rücksendung der Waren, wenn der Unternehmer den Verbraucher nach Artikel 246a § 1 Absatz 2 Satz 1 Nummer 2 des Einführungsgesetzes zum Bürgerlichen Gesetzbuche von dieser Pflicht unterrichtet hat. Satz 1 gilt nicht, wenn der Unternehmer sich bereit erklärt hat, diese Kosten zu tragen.

(6) Der Verbraucher ist nicht verpflichtet, die Waren zurückzusenden, wenn der Unternehmer angeboten hat, die Waren abzuholen.

(7) Bei außerhalb von Geschäftsräumen geschlossenen Verträgen, bei denen die Waren zum Zeitpunkt des Vertragsschlusses zur Wohnung des Verbrauchers gebracht worden sind, ist der Unternehmer verpflichtet, die Waren auf eigene Kosten abzuholen, wenn die Waren so beschaffen sind, dass sie nicht per Post zurückgesandt werden können.

(8) Für die Rechtsfolgen des Widerrufs von Verträgen über die Bereitstellung digitaler Produkte gilt ferner § 327p entsprechend.

7
Insbesondere sind die Rechtsfolgen höchstrichterlich geklärt, die nach Widerruf der auf Abschluss eines Darlehensvertrages gerichteten Willenserklärung in Altfällen eintreten, in denen § 357a BGB noch keine Anwendung findet. Der Senatsrechtsprechung (Senatsurteil vom 10. März 2009 - XI ZR 33/08, BGHZ 180, 123 Rn. 19 f.) lässt sich ohne weiteres entnehmen, dass der Darlehensnehmer dem Darlehensgeber gemäß § 346 Abs. 1 Halbsatz 1 BGB Herausgabe der gesamten Darlehensvaluta ohne Rücksicht auf eine (Teil-)Tilgung und gemäß § 346 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 und Satz 2 BGB Herausgabe von Wertersatz für Gebrauchsvorteile am jeweils tatsächlich noch überlassenen Teil der Darlehensvaluta schuldet. Der Darlehensgeber schuldet dem Darlehensnehmer gemäß § 346 Abs. 1 Halbsatz 1 BGB die Herausgabe bereits erbrachter Zinsund Tilgungsleistungen und gemäß § 346 Abs. 1 Halbsatz 2 BGB die Herausgabe von Nutzungsersatz wegen der (widerleglich) vermuteten Nutzung der bis zum Wirksamwerden des Widerrufs erbrachten Zins- und Tilgungsleistungen (vgl. Senatsurteil vom 10. März 2009 aaO Rn. 29). Soweit Darlehensgeber oder Darlehensnehmer gegenüber den gemäß § 348 Satz 1 BGB jeweils Zug um Zug zu erfüllenden Leistungen die Aufrechnung erklären, hat dies nicht zur Folge , dass der Anspruch des Darlehensnehmers gegen den Darlehensgeber gemäß § 346 Abs. 1 Halbsatz 2 BGB auf Herausgabe von Nutzungsersatz als nicht entstanden zu behandeln wäre.