Oberlandesgericht München Endurteil, 19. Mai 2017 - 10 U 1209/15

bei uns veröffentlicht am19.05.2017
vorgehend
Landgericht München I, 19 O 925/14, 26.02.2015

Gericht

Oberlandesgericht München

Tenor

1. Auf die Berufung der Beklagten vom 07.04.2015 wird das Endurteil des LG München I vom 26.02.2015 (Az. 19 O 925/14) aufgehoben und die Klage insgesamt abgewiesen.

2. Die Kosten des Rechtsstreits beider Instanzen hat der Kläger zu tragen.

3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

4. Die Revision wird nicht zugelassen.

Gründe

A.

Der Kläger machte in erster Instanz zuletzt nur noch gegen die Beklagte, eine Kraftfahrzeug-Haftpflichtversicherung, Ansprüche auf Schadensersatz aus der Beschädigung seines Fahrzeugs geltend, wobei er in der Hauptsache den Ausgleich gestaffelt verzinster Sach- und Vermögensschäden in Höhe von 22.244,58 € verlangt hatte.

I.

Zugrunde liegt ein streitiger Zusammenstoß am Dienstag, den 10.09.2013 gegen 18.30 Uhr, auf dem privaten Gebrauchtfahrzeugverkaufsgelände in M., L. Straße ..., zwischen dem damals vom Kläger gehaltenen Pkw Mercedes-Benz S. 63 AMG L, amtliches Kennzeichen …, und dem damals von dem heutigen Zeugen K. gefahrenen und bei der Beklagten zu 2) versicherten Pkw Mercedes-Benz CL 600, amtliches Kennzeichen TÖL - … . Die Beklagte bestritt, dass überhaupt ein Unfall durch das bei ihr versicherte Fahrzeug stattgefunden habe, und behauptete hilfsweise, dass ein derartiger Unfall vereinbart worden sei, um sie selbst betrügerisch zu schädigen.

a) Der Zeuge K. war zunächst als Gesamtschuldner mit der Beklagten verklagt worden, hatte sich jedoch an dem Rechtsstreit nicht beteiligt. Deswegen trat die Beklagte im Wege der Nebenintervention als dessen Streithelfer bei. In mündlicher Verhandlung vom 09.05.2014 (Bl. 26 d. A.) wurde die Klage gegen den jetzigen Zeugen zurückgenommen.

b) Hinsichtlich des Parteivortrags und der tatsächlichen Feststellungen erster Instanz wird auf das angefochtene Urteil vom 26.02.2015 (Bl. 79/86 d. A.) Bezug genommen (§ 540 I 1 Nr. 1 ZPO).

c) Der Kläger hatte beantragt,

die Beklagte zu verurteilen, an den Kläger 22.244,58 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz aus 19.619,58 € seit dem 05.10.2013 bis zur Klagezustellung, und aus 22.244,58 € ab diesem Zeitpunkt zu bezahlen, sowie vorgerichtliche Rechtsanwaltskosten von 1.100,51 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit.

Die Beklagte hatte beantragt, die Klage abzuweisen.

II.

Das Landgericht München I hat nach Beweisaufnahme die klägerischen Ansprüche im Wesentlichen zuerkannt, weil der vom Kläger behauptete Kraftfahrzeugunfall tatsächlich stattgefunden habe und vom Zeugen K. mit dem bei der Beklagten versicherten Fahrzeug verschuldet worden sei. Dabei wurde ein Abzug von etwa 17 Prozent wegen zu hoch kalkulierter Reparaturkosten vorgenommen. Dagegen habe die Beklagte nicht beweisen können, dass der geltend gemachte Schaden vorsätzlich einverständlich herbeigeführt und somit in die Rechtsgutsverletzung eingewilligt worden sei. Vielmehr sei eine Anzahl von Kleinigkeiten und Ungereimtheiten nicht geeignet, insoweit überhaupt grundlegende Zweifel zu wecken. Hinsichtlich der Erwägungen des Landgerichts wird auf die Entscheidungsgründe (Bl. 82/85 d. A.) des angefochtenen Urteils verwiesen.

III.

Gegen dieses ihr am 03.03.2015 zugestellte Urteil hat die Beklagte mit beim Oberlandesgericht München am 07.04.2015 eingegangenen Schriftsatz vom gleichen Tag Berufung eingelegt (Bl. 90/91 d. A.) und diese mit Schriftsatz vom 02.06.2015, eingegangen am gleichen Tag, - nach Fristverlängerung gemäß Verfügung des Senatsvorsitzenden vom 08.04.2015 (Bl. 94 d. A.) fristgerecht - begründet (Bl. 99/108 d. A.).

Die Beklagte beantragt (BB 1/2 = Bl. 99/100 d. A.), unter Aufhebung des angefochtenen Urteils die Klage abzuweisen, sowie hilfsweise das Ersturteil aufzuheben und das Verfahren zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das Erstgericht zurückzuverweisen.

Der Kläger beantragt,

die Berufung zurückzuweisen (Bl. 97, 166 d. A.).

Von weiterer Darstellung der Einzelheiten der tatsächlichen Feststellungen wird abgesehen (§§ 540 II, 313 a I 1 ZPO i.V. m. § 26 Nr. 8 EGZPO).

IV.

Der Senat hat eine mündliche Verhandlung durchgeführt und gemäß Beweisanordnung vom 15.02.2017 (Bl. 153/154 d. A.) Beweis erhoben durch uneidliche Vernehmung des Zeugen K. Beide Parteien haben sich mit der Verwertung der darüber hinausreichenden erstinstanzlichen Beweisaufnahme einverstanden erklärt (Bl. 172 d. A.) Hinsichtlich des Ergebnisses der ergänzenden Beweisaufnahme wird auf die Sitzungsniederschrift vom 05.05.2017 (Bl. 170/179 d. A.) verwiesen. Im Übrigen wird ergänzend auf das Protokoll der mündlichen Verhandlung, die zwischen den Parteien gewechselten Schriftsätze und die Hinweisverfügung des Senats vom 27.10.2015 (Bl. 113/114 d. A.) Bezug genommen.

B.

Die statthafte, sowie form- und fristgerecht eingelegte und begründete, somit zulässige Berufung der Beklagten hat auch in der Sache uneingeschränkt Erfolg.

I.

Das Landgericht hat die Klage im Wesentlichen für begründet gehalten (EU 4/7 = Bl. 82/85 d. A.), weil die Beweisaufnahme ergeben habe, dass der streitgegenständliche Unfallschaden von dem Zeugen K. verursacht und verschuldet worden sei. Dagegen habe sich ein verabredeter, vorsätzlich herbeigeführter Zusammenstoß angesichts der glaubwürdigen Zeugen und des unfallanalytischen Sachverständigengutachtens nicht erweisen, wohl nicht einmal vermuten lassen.

Nach der vom Senat ergänzend durchgeführten Beweisaufnahme ergibt sich, dass die Beklagte mit dem Beweismaß des § 286 I 1 ZPO den Nachweis geführt hat, dass der Schaden am Fahrzeug des Klägers vereinbarungsgemäß und absichtlich verursacht wurde, um unberechtigt Versicherungsleistungen zu erhalten. Ergänzend wird auf die Hinweise des Senats in der Beweisverhandlung vom 05.05.2017 (Bl. 177/178 d. A.) Bezug genommen.

1. Der sachlich-rechtliche Ansatz des Erstgerichts ist nicht zu beanstanden (§§ 513 I 1. Alt., 546 ZPO), sodass insbesondere die entscheidende Frage der Beweislastverteilung zutreffend und frei von Rechtsfehlern beantwortet wurde.

a) Der Kläger genügt seiner Feststellungslast schon damit, dass das äußere Erscheinungsbild eines Versicherungsfalles, hier Verkehrsunfalls, unstreitig, zugestanden oder nachgewiesen ist (BGH, Urt. v. 05.12.1978 - VI ZR 185/77 [BeckRS 1978 30381245]; NJW 1997, 1988; r + s 1993, 333; NJW-RR 1997, 663; NVersZ 2000, 87; OLG Stuttgart, Urt. v. 09.07.2008 - 3 U 31/08 [BeckRS 2009, 20460]). Der Senat ist angesichts der Beweisaufnahme davon überzeugt, dass am behaupteten Ort und zur behaupteten Zeit ein irgendwie gearteter Zusammenstoß erfolgt ist, sich also der Unfall in der vom Kläger geschilderten Art und Weise ereignet haben kann.

b) Dagegen oblag und obliegt der Beklagten der Beweis, dass der Unfall im Einverständnis der Beteiligten wie behauptet „gestellt“ worden sei und daher keine Haftpflicht auslöse (BGH VersR 1978, 862; OLG Saarbrücken, Urt. v. 03.02.2009 - 4 U 402/08 [BeckRS 2009, 09331]; OLG Köln VersR 2010, 1361; r+s 2004, 321; OLG Brandenburg, Urt. v. 25.09.2008 - 12 U 202/07 [BeckRS 2008, 21110]; KG Urt. v. 06.02.2006 - 12 U 4/04 [BeckRS 2006, 08492]). Nicht etwa der Kläger hat zu beweisen, dass ein „echter“ oder „haftpflichtversicherungsgemäßer“ Unfall vorliege. Unerheblich ist daher, ob das Gericht die Überzeugung von der klägerischen Unfallschilderung gewinnen konnte und ob Hilfstatsachen festzustellen waren, die Zweifel an dieser Schilderung wecken konnten (EU 6/7 = Bl. 84/85 d. A.).

c) Weiterhin ist in ständiger höchst- und obergerichtlicher Rechtsprechung anerkannt, dass der beklagten Haftpflichtversicherung ein Indizienbeweis erlaubt ist, in dessen Rahmen Hilfstatsachen zu sammeln, einzeln zu bewerten, in einer Gesamtschau zu würdigen und darzustellen sind. Dabei muss jedoch nicht festgestellt werden, dass alle denkbaren oder im Streitfall angeführten Hilfstatsachen vorliegen (OLG Hamm NZV 1993, 68; KG NZV 2006, 429; Senat, Urt. v. 08.03.2013 - 10 U 3241/12 [juris]; Urt. v. 07.03.2008 - 10 U 5394/07 [juris, Rn. 21), überdies können - je nach Lage des Einzelfalls - sowohl einige wenige Indizien für eine richterliche Überzeugungsbildung ausreichen, als auch einzelne Indizien ein Gewicht erlangen (OLG Frankfurt a.M. NZV 2010, 623; KG NZV 2008, 243: „Werthaltigkeit der Beweistatsachen“), das eine gleichwertige Beurteilung aller beschriebenen und etwa sonst vorhandenen Umstände verbietet (BGH NJW 1989, 3161 [3162, unter III.]; OLG Karlsruhe NZV 1989, 155, OLG Hamm, VersR 2011, 1125 [1126, II.1., 2. b) aa]: jeweils für eine tatsachenwidrige Unfallschilderung; OLG Hamm NZV 1988, 143: für eine kaum glaubhafte Schilderung des Unfallhergangs; OLG Celle NZV 1988, 182).

2. Der Senat ist an die Feststellung der entscheidungserheblichen Tatsachen (Senat, Urt. v. 24.01.2014 - 10 U 1673/13 [juris, Rz. 16]) nach § 529 I Nr. 1 ZPO nicht gebunden, weil konkrete Anhaltspunkte für deren Unrichtigkeit vorgetragen oder ersichtlich wurden. Insbesondere fehlt eine vollständige und überzeugende Bewertung der Hilfstatsachen (EU 6/7 = Bl. 84/85 d. A. „Kleinigkeiten“, „Ungereimtheiten“, „(nicht) geeignet sind, hier grundlegende Zweifel überhaupt zu wecken“), die einzeln zu bewerten, in einer Gesamtschau zu würdigen und darzustellen gewesen wären (Senat, Urt. v. 08.03.2013 - 10 U 3241/12 [juris]; Urt. v. 07.03.2008 - 10 U 5394/07 [juris]; OLG Hamm NZV 1993, 68; KG NZV 2006, 429). Die Glaubhaftigkeit jeder Aussage und die Glaubwürdigkeit jeder Aussageperson wären im Einzelnen zu prüfen, zu bewerten und sachgerecht zu begründen gewesen, wozu das Ersturteil nur eine allgemeine Versicherung enthält (EU 5 = Bl. 83 d. A.). Folgende Indizien sind zu beachten:

a) Der Kläger war und ist nicht in der Lage, eine vollständige und widerspruchsfreie Darstellung über den An- und Verkauf des verunfallten Fahrzeugs zu geben und zu belegen. So konnte er für den Ankauf lediglich eine nicht unterschriebene Bestellung - ohne Preisfestlegung, aber mit bestimmten Vorschäden - und eine Rechnungskopie vorlegen, wobei erstere erst sieben Monate nach der Bestellung ausgedruckt worden sein soll und letztere keinen Hinweis auf eine tatsächliche Zahlung, dagegen eine nicht bestellte EUROPlus Garantie aufweist (Anlagen BK 1 und BK 2 zu Bl. 129 ff. d. A.). Für den Weiterverkauf dieses Fahrzeugs an O. C., der gerade einen Monat nach dem Unfall stattgefunden haben soll, konnte der Kläger zwar eine Kopie einer Zulassungsbescheinigung (Anlage BK 4), aber keinen Kaufvertrag vorlegen. Begründet wurde dies mit der Tatsache, dass er sich mit O. C. im Streit befinde, weshalb kein schriftlicher Kaufvertrag geschlossen worden sei, was jedoch nicht einmal in Ansätzen erklärt, warum nicht über den Verhandlungsverlauf und die Verhandlungsergebnisse berichtet werden kann. Dagegen konnte - offenbar trotzdem - eine Vertragskopie für einen Weiterverkauf von O. C. an einen Musa A. geliefert werden (Anlage BK 3), die allerdings weder den hohen Preisverfall nachvollziehbar macht, noch den Umstand, dass die erheblichen Schäden des streitgegenständlichen Vorfalls nicht erwähnt werden.

b) Der Kläger will nach wie vor darauf beharren, dass das streitgegenständliche Fahrzeug vor dem Unfall keine Vorschäden gehabt oder er von solchen Schäden nichts gewusst habe, obwohl bereits die von ihm vorgelegte Bestellung genau die Schäden ausgewiesen hat, die die Sachverständige nachträglich als nicht unfallursächlich festgestellt hat. Ebenso fehlt eine prüfbare Darlegung, warum der Weiterverkauf durch O. C. in der Vertragsurkunde wortgleich die Schäden enthält, die in der Bestellung aufgelistet sind, während in der Zwischenzeit weitere Schäden von mindestens 18.460,58 € entstanden sein sollen.

c) Nach wie vor kann oder will der Kläger keine Angaben machen, warum er das Fahrzeug an Mustafa C. verliehen, und zu welchem Zweck sich dieser zur Unfallzeit mit dem Fahrzeug am Unfallort aufgehalten hatte (Protokoll d. mdl. Verhandlung v. 18.07.2014, S. 6 = Bl. 42 d. A.).

d) Der Zeuge K. konnte keine genauen Angaben zum Kaufpreis und zu etwaigen Vorschäden des von ihm gesteuerten Fahrzeugs (das von seiner Lebensgefährtin vor dem Unfall an die jetzige Eigentümerin verkauft wurde, alles abgewickelt über den Zeugen K. als Lebensgefährte der früheren Eigentümerin und einem Zeugen V., den Lebensgefährten der Geschäftsführerin der späteren Eigentümerin) machen, ebenso wenig zur Abwicklung der angeblich schon vor dem Unfall notwendigen Reparaturmaßnahmen. Dagegen will der Zeuge den bei dem streitgegenständlichen Vorfall verursachten, vorgeblich geringfügigen Schaden an dem DB 600 CL selbst und auf eigene Kosten repariert haben, wobei wiederum jegliche prüfbare Einzelheiten und geschäftsmäßige Nachweise fehlen. Allerdings zeigte sich der Zeuge ungehalten, dass dieses Fahrzeug von der Halterin nicht ordnungsgemäß vollkaskoversichert worden sei, sodass ihm persönlich nicht erstatteter Aufwand und Kosten entstanden seien. Wer mit wem diesen Schaden wie abgerechnet habe, konnte oder wollte der Zeuge nicht angeben.

e) Anders als das Erstgericht vermag der Senat den Zeugen K. nicht für glaubwürdig und seine Angaben in entscheidenden Punkten nicht für glaubhaft zu halten. Der Senat hält es für nicht glaubhaft, dass der Zusammenstoß der Fahrzeuge aufgrund eines Versehens oder einer überlastungsbedingten Unaufmerksamkeit erfolgte. Dem Zeugen waren die beengten Parkverhältnisse auf dem Autohändlergelände bekannt und bewusst. Der Zeuge hat zweifach unzutreffende Angaben über den Unfallhergang gemacht und keine nachvollziehbare Erklärung für die - erst nach sachverständiger Begutachtung bekannte - unsinnig starke Rückwärtsbeschleunigung liefern können. Die falschen Angaben können und konnten nur dazu dienen, die wahren Tatsachen eines notwendig heftigen Anpralls und dessen Ursache zu verschleiern.

Überdies wird die Begründung des Zeugen weiter entwertet durch sein Bekenntnis, „immer so“ zu fahren, was schon denkgesetzlich ausschließt, dass er im Streitfall aufgrund besonderer Umstände überhastet oder unüberlegt gehandelt habe. So ist nicht nachvollziehbar, wegen eines nicht erläuterten „Stresses“ so übermäßig Gas zu geben, dass fünfstellige Schäden entstehen und das jeweils an fremden Fahrzeugen, außer wenn es gerade darauf ankam, ohne wirkliches Verletzungsrisiko für den Zeugen K., diese Schäden hervorzurufen.

Hierzu passt auch der Ärger des Zeugen darüber, dass die Käuferin den Mercedes 600 CL nicht vollkaskoversichert hat. Der Zeuge hinterließ den Eindruck, dass dies vorher so abgesprochen war. Die jetzige Verärgerung kann nur den Grund haben, dass ein Plan, den Schaden am 600 CL über dessen Vollkaskoversicherung abzurechnen, dadurch hintertrieben wurde und dem Zeugen nicht erwartete Kosten verursachte. Denn objektiv hätte der Zeuge keinen Grund gehabt, sich über die entfallene Vollkaskoversicherung verdrossen zu zeigen. Die Fahrzeugvollversicherung eines neu erworbenen Fahrzeug ist zunächst ausschließlich Sache des Halters und bei älteren Fahrzeugen mit einem Wert - nach Angaben des Zeugen K. - kaum über 10.000,- € keinesfalls naheliegend. Dies war dem Zeugen als im Kraftfahrzeughandel tätig durchaus bekannt, ebenso wie die Tatsache, dass er natürlich für den Zeitraum, in welchem er das Fahrzeug zur Reparatur hereingenommen hatte, für Beschädigungen haften müsse. Dennoch fehlen insoweit jegliche Angaben zu Maßnahmen, oder wenigstens Absprachen, die ein ordentlicher Kraftfahrzeughändler mit seinem Kunden getroffen hätte. Gleiches gilt für die tatsächliche Beseitigung und den Ausgleich dieses Schadens, was lediglich einen einzigen Grund hat, nämlich dass das für einen geringen Preis erworbene Fahrzeug absprachegemäß als Schadenswerkzeug eingesetzt und zusätzlich dessen Schäden eben über die Vollkaskoversicherung abgerechnet werden sollten.

Der Zeuge K. vermittelte den Eindruck, ganz bewusst die wesentlichen Umstände des Streitfalles, im Übrigen auch sein gesamtes Geschäftsgebaren verschleiern zu wollen, indem wiederholt Erinnerungslücken behauptet, naheliegende Erklärungen verweigert und von „wir“ oder „uns“ gesprochen wurde, wenn unklar bleiben sollte, wer genau für welche Vorgänge verantwortlich war. Zweifel an seiner Wahrheitsliebe hat der Zeuge unfreiwillig dadurch bestätigt, dass er eingeräumt hat, bereits im Vorfeld die Unwahrheit gesagt zu haben. So hat er bei der Schadensabwicklung zunächst zweifach falsche Angaben gemacht: Er habe behauptet, nur Schrittgeschwindigkeit gefahren zu sein, und die Frage nach einer Ablenkung verneint, um keinen Ärger zu haben. Ein Telefonat vor dem Anstoß habe er erst beim Landgericht eingeräumt, nachdem ihm versichert worden sei, dass ihm deswegen „nichts passieren“ könne.

Zudem waren schwerwiegende Eigeninteressen des Zeugen offensichtlich, nachdem er im Falle der Aufdeckung eines verabredeten Unfalls mit strafrechtlicher Verfolgung zu rechnen hat.

Der Senat schließt deswegen sowohl die Glaubhaftigkeit der Angaben des Zeugen K. aus, als auch dessen Glaubwürdigkeit. Die Glaubwürdigkeit (BGH NJW 1972, 584; 1968, 1138: persönliche Glaubwürdigkeit; NStZ 1997, 355: allgemeine Glaubwürdigkeit; NJW 1990, 3088), oft gleichgesetzt mit Redlichkeit (BGH NZV 1997, 305), ist eine Eigenschaft von Menschen, Zeugen oder Personen (BVerfG NJW 2008, 2243 [2244]; BGH NJW 1964, 2414; BGHZ 53, 245 [257]), und umfasst insbesondere Wahrheitsliebe (BGH NJOZ 2015, 310; NStZ 1988, 423), Urteilsfähigkeit (BGH NJOZ 2015, 310; NJW 2015, 74) und Erinnerungsvermögen (BGH NJW 1984, 2629; 1990, 3088; NJW-RR 2012, 704; Beschluss vom 14.05.2013 - XI ZR 274/12 [juris]; NStZ 1997, 355: Aussagetüchtigkeit). Sie folgt aus einer Bewertung der gesamten Persönlichkeit (BGH NJW 2011, 3780: „persönlicher Eindruck“) und des Aussageverhaltens (BGH r + s 1999, 14), und ist im Streitfall aufgehoben aufgrund persönlicher Verbundenheit zu einem von seiner Aussage Begünstigten (BGH NJW-RR 1995, 1210), eigenen persönlichen Interesses am Ausgang des Rechtsstreits (BGH NJW 2004, 1876), und unwahrer (BGH NStZ 1984, 42; NJW 1996, 1348) oder unglaubhafter (BGH r + s 1997, 184) Angaben.

f) In gleichartiger Weise ist die Darstellung des Klägers nicht glaubhaft, vielmehr weist sein Verhalten auf eine verabredete Beschädigung eines vorgeschädigten Fahrzeugs hin, um über Versicherungsleistungen Gewinne zu erzeugen.

Wenn der Kläger eine wertsichernde Abwicklung des vorgeblichen Unfalls hätte sichern wollen, hätte er nicht auf eine Ermittlung des Restwerts verzichtet (Anlage K 1); erst recht hätte er das Fahrzeug nicht - vor endgültiger Schadensregulierung - weiterverkauft, ohne dass auch nur mitgeteilt werden könnte, welchen Preis er erlöst hat. Dieses Verhalten wäre mit hohem Risiko erheblich selbstschädigend, sodass alles dafür spricht, dass Absprachen getroffen wurden, die den Kläger vermeintlich schadlos stellen und gleichzeitig finanzielle Vorteile bieten.

Zudem ist die Einlassung, das Fahrzeug sei ohne schriftlichen Vertrag an O. C. verkauft worden, weil der Kläger mit diesem im Streit liege, unglaubhaft. Ein Fahrzeug an einen Streitgegner zu verkaufen, ist schon an sich fragwürdig, erst recht aber, wenn noch nicht einmal der Kaufpreis angegeben wird; bei dieser Sachlage ist ein weiterer Streit wesentlich wahrscheinlicher als eine Befriedung. Dagegen kann der Verzicht auf eine schriftliche Festlegung keinen Streit vermeiden, sondern dient dazu, die tatsächliche Vereinbarung nicht prüfbar und feststellbar werden zu lassen.

Weiterhin kann oder will der Kläger auch sein Verschweigen der Vorschäden nicht erklären, obwohl sich diese bereits aus seiner Bestellung ergeben. Auch dieser Umstand wird einzig verständlich durch einen verabredeten Unfall, aufgrund dessen die Haftpflichtversicherung auch schon vorhandene Schäden bezahlen sollte.

Zuletzt weist nach Auffassung des Senats auch die Tatsache, dass Gründe für die Fahrzeugüberlassung an Mustafa C., für das Aufsuchen des Geländes, die Schadensabwicklung und die Vermittlung des Verkaufs durch Mustafa C. nicht angeführt werden können, darauf hin, dass eine verabredete Selbstschädigung zum Zwecke des Versicherungsbetrugs vorgenommen werden sollte.

Deswegen ist die Glaubhaftigkeit der klägerischen Angaben ausgeschlossen, und die Angaben selbst durch die vorstehend genannten Tatsachen widerlegt.

g) Die Klageseite hält für besonders bedeutsam, dass eine Bekanntschaft zwischen dem Kläger und dem Schädiger (dem früheren Beklagten zu 1) und heutigen Zeugen K.) nicht nachzuweisen sei und nicht bestehe. Aufgrund der Feststellungen im Berufungsverfahren hat dieser Gesichtspunkt jedoch weitgehend seine Bedeutung verloren.

Das Gelände, auf welchem sich der streitgegenständliche Vorfall abgespielt hat, wurde von der Stadt M. an Herrn O. C. vermietet, der als Hauptmieter Teilflächen an verschiedene Kraftfahrzeughändler, unter anderem an die Lebensgefährtin des Zeugen K. (der sich mit diesem Betrieb so identifiziert, dass er bei Fragen hierzu weitgehend von „seinem“ Betrieb gesprochen hat) untervermietet. O. C. ist der Sohn des Zeugen M. C., der das klägerische Fahrzeug vor dem Zusammenstoß auf das Betriebsgelände gefahren hatte. Ebenso ist er sowohl mit dem Kläger als auch mit dem Zeugen K. bekannt.

Damit ist mit dem Hauptmieter des Geländes (O. C.) eine Person bekannt geworden, die einerseits der Kläger und der Zeuge K. gut kennen, und die andererseits auf die Schadensabwicklung besonderen Einfluss genommen hat. O. C. hat - nach der Aussage seines Vaters M. C. (Protokoll d. mdl. Verhandlung v. 18.07.2014, S. 6 = Bl. 42 d. A.) - das Unfallfahrzeug gekauft, anschließend habe man es gemeinsam repariert. Während dafür keinerlei nähere Einzelheiten, nicht einmal der Ankaufspreis, genannt werden, wird jedoch ein Weiterverkaufsvertrag vorgelegt (Anlage BK 3), der die schweren Schäden des angeblichen Unfalls nicht erwähnt, schon länger bestehende Vorschäden ausweist, die Behauptung einer Reparatur entwertet und eine Preissenkung um fast 30.000,- € nicht erläutert. Nach Auffassung des Senats kann dies nur damit erklärt werden, dass auch diese Behauptungen und scheinbaren Belege Bestandteil einer Schadensabwicklung sind, die aufgrund einer verabredeten Beschädigung zu Unrecht Versicherungsleistungen verlangen und so wirtschaftliche Vorteile erzeugen sollte.

Dabei kann nicht außer Acht gelassen werden, dass M. C., der Vater des O. C., diejenige Person war, die das klägerische Fahrzeug an den späteren Unfallort verbracht hat. Der Senat hält es für widersinnig und ausgeschlossen, dass erst nach dem Unfall zwischen Vater und Sohn C. der Entschluss gereift sei, das ersterem geliehene Fahrzeug zu einem unbekannten Preis zu erwerben, gemeinsam zu reparieren und zwei Jahre später weiterzuverkaufen, ohne Hinweis auf den schweren Unfallschaden. Dagegen stellt eine verabredungsgemäß herbeigeführte Fahrzeugbeschädigung eine nachvollziehbare Erklärung des Gesamtvorgangs dar.

h) Bei dieser Sachlage ergeben eine Abwägung sämtlicher Umstände des Einzelfalls (BGH NJW 2015, 74 [75]; BayObLG NZM 2002, 449) und eine Gesamtschau der gesamten Beweisaufnahme (BGH NJW 2015, 74 [75, 76]; BGH NJW 1992, 1966; NJW 1997, 1988) die Wertung (BVerfG NJW 2003, 2524), dass die oben dargestellten, im Berufungsverfahren festgestellten Hilfstatsachen die Schlussfolgerung rechtfertigen, dass der Beklagten der (Indizien-)Beweis eines verabredeten Unfalls gelungen ist. Diese Überzeugung des Richters erfordert keine absolute oder unumstößliche, gleichsam mathematische Gewissheit und auch keine „an Sicherheit grenzende Wahrscheinlichkeit“, sondern nur einen für das praktische Leben brauchbaren Grad von Gewissheit, der Zweifeln Schweigen gebietet (BGH NJW 1970, 946; NJW 1992, 39 [40]; VersR 2007, 1429; Senat NZV 2003, 474 [475]; NZV 2006, 261; Urt. v. 28.07.2006 - 10 U 1684/06 [juris]), ohne sie völlig auszuschließen.

Diese Hinweiszeichen sind in ihrer Gesamtheit so gewichtig und weisen einen derartigen Beweiswert auf, dass die sonst von der Beklagten angeführten Indizien, die sonstigen Feststellungen des Erstgerichts und insbesondere etwa gegen eine Unfallverabredung sprechende Einzelheiten oder fehlende in anderen Manipulationsfällen typische Umstände an Bedeutung verlieren. Eine umfassende Darstellung, Würdigung und Gesamtschau jeglicher in Betracht kommender Indizien ist in derartigen Fällen nicht mehr geboten Der Senat hat sämtliche Umstände des Einzelfalls berücksichtigt und gewürdigt, ohne dass diese entscheidenden Einfluss auf die Tatsachen- und Beweiswürdigung gewinnen konnten. Insbesondere ist ohne Belang, dass die unfallanalytische Sachverständige wenigstens zum Teil eine Entsprechung der Schäden feststellen konnte; denn dies ist bei gestellten Unfällen regelmäßig der Fall, bei welchen nicht die Fahrzeugberührung als solche, sondern lediglich deren Zufälligkeit streitig ist. Ebenso ist nicht erforderlich, dass auch der vermeintliche Geschädigte und der Schädiger sich kennen (KG Urt. v. 16.01.2003 - 12 U 207/01 [BeckRS 2003, 30301554]; Beschluss vom 08.12.2005 - 12 U 201/05 [BeckRS 2006, 13907]; Urt. v. 10.08.2006 - 22 U 199/05 [BeckRS 2015, 9688]) - ansonsten würde ein gestellter Unfall immer dann ausscheiden, wenn Mittelsmänner eingesetzt würden, ein ersichtlich widersinniges Ergebnis.

II.

Deswegen war die Berufung der Beklagten erfolgreich und die Klage abzuweisen; hierauf beruht Ziffer 1 der Urteilsformel.

III.

Die Kostenentscheidung folgt für beide Instanzen aus § 91 ZPO, weil der Kläger im Berufungsverfahren in vollem Umfang unterlegen ist und bei richtiger Entscheidung auch in erster Instanz unterlegen wäre.

IV.

Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf §§ 708 Nr. 10 S. 1, 713 ZPO, 26 Nr. 8 S. 1 EGZPO.

V.

Die Revision war nicht zuzulassen. Gründe, die die Zulassung der Revision gemäß § 543 II 1 ZPO rechtfertigen würden, sind nicht gegeben.

Weder eine grundsätzliche Bedeutung der Sache (BVerfG NJW 2014, 2417 [2419, Tz. 26-32]; BGH NJW-RR 2014, 505) noch die Fortbildung des Rechts (BVerfG a.a.O. Tz. 33) oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung (BVerfG a.a.O. [2420, Tz. 34]; BGH NJW 2003, 1943) erfordern eine Entscheidung des Revisionsgerichts. Die Entscheidung weicht nicht von der höchst- oder obergerichtlichen Rechtsprechung ab und betrifft einen Einzelfall, der grundlegende Rechtsfragen nicht aufwirft.

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Für vorläufig vollstreckbar ohne Sicherheitsleistung sind zu erklären:1.Urteile, die auf Grund eines Anerkenntnisses oder eines Verzichts ergehen;2.Versäumnisurteile und Urteile nach Lage der Akten gegen die säumige Partei gemäß § 331a;3.Urteile, dur

Zivilprozessordnung - ZPO | § 91 Grundsatz und Umfang der Kostenpflicht


(1) Die unterliegende Partei hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen, insbesondere die dem Gegner erwachsenen Kosten zu erstatten, soweit sie zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung notwendig waren. Die Kostenerstattung um
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bei uns veröffentlicht am 17.04.2008

Tenor I. Auf die Berufung des Klägers wird das Urteil des Landgerichts Mannheim vom 4. Oktober 2007 - 9 O 177/07 - im Kostenpunkt aufgehoben und im Übrigen wie folgt geändert: 1. Der Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 2071,89 EUR
1 Urteil(e) in unserer Datenbank zitieren Oberlandesgericht München Endurteil, 19. Mai 2017 - 10 U 1209/15.

Oberlandesgericht München Endurteil, 30. Juni 2017 - 10 U 3545/14

bei uns veröffentlicht am 30.06.2017

Tenor 1. Auf die Berufung der Beklagten vom 15.09.2014 wird das Endurteil des LG München I vom 07.08.2014 (Az. 17 O 14609/13) samt dem ihm zugrundeliegenden Verfahren aufgehoben und der Rechtsstreit zur erneuten Verhandlung und Entsch

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Tenor

I. Auf die Berufung des Klägers wird das Urteil des Landgerichts Mannheim vom 4. Oktober 2007 - 9 O 177/07 - im Kostenpunkt aufgehoben und im Übrigen wie folgt geändert:

1. Der Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 2071,89 EUR zu zahlen.

2. Der Beklagte wird des Weiteren verurteilt, an den Kläger 111 monatliche Raten von jeweils 690,63 EUR zu zahlen, wobei die jeweilige Rate - beginnend mit dem 30. April 2008 - jeweils am Monatsletzten zu entrichten ist.

3. Im Übrigen wird die Klage im Hauptantrag als derzeit unbegründet und hinsichtlich der Nebenforderung und des weitergehenden Hilfsantrages als unbegründet abgewiesen.

II. Die weitergehende Berufung wird zurückgewiesen.

III. Von den Kosten des Rechtsstreits haben der Kläger 1/3 und der Beklagte 2/3 zu tragen.

IV. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Die Zwangsvollstreckung kann durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110% des aus dem Urteil vollstreckbaren Betrages abgewendet werden, wenn nicht die Gegenseite vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110% des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.

V. Die Revision wird nicht zugelassen.

Gründe

 
I.
Der Kläger verlangt vom Beklagten Ersatz von Aufwendungen, die er zur Ablösung von Grundschulden gemacht hat.
Der Beklagte schloss am 13.08.2003 mit der V-Bank (im Folgenden: Bank) einen Darlehensvertrag über ein Darlehen in Höhe von 127.500,00 EUR. Darin wurde unter anderem bestimmt, dass das Darlehen ab dem Tag der Auszahlung mit 6,5% p.a. zu verzinsen, dieser Zinssatz bis zum 30.07.2008 festgeschrieben ist und die Zinsen am Ende eines jeden Monats fällig sind. Des Weiteren wurde darin bestimmt, dass das Darlehen - beginnend mit dem 01.01.2004 in 174 Monatsraten zu je 1.120,00 EUR und einer weiteren Monatsrate von 84,43 EUR zurückzuzahlen ist; bei Zinssatzänderungen können die Raten entsprechend geändert werden. Als Sicherheit war unter anderem eine Grundschuld zu bestellen auf das im Eigentum der Lebensgefährtin des Beklagten stehende Wohnhaus in K, J. Str. 16. Der Darlehensbetrag diente der Finanzierung der Einlage des Beklagten als Kommanditist der Autohaus R GmbH & Co. KG.
Unter dem 20.11./04.12.2003 unterzeichnete der Kläger eine Grundschuldzweckerklärung, nach welcher die im Grundbuch von S zu Lasten des im Miteigentum des Klägers stehenden Grundstücks E Str. 16, S (im Folgenden: Grundstück) eingetragenen Grundschulden das oben genannte Darlehen des Beklagten über 127.500,00 EUR sichern sollen (im Folgenden: Grundschuldzweckerklärung). In der Grundschuldzweckerklärung ist darüber hinaus unter Ziffer 3 formularmäßig die Erklärung enthalten, wonach jeder Eigentümer als Gesamtschuldner die persönliche Haftung für die Zahlung eines Geldbetrags übernimmt, dessen Höhe der vereinbarten Grundschuld entspricht.
Mit notariellem Kaufvertrag vom 07.02.2006 wurde das Grundstück vom Kläger und dem weiteren Miteigentümer Dr. M zu einem Preis von 1.500.000,00 EUR veräußert. Hiervon ging ein Betrag von 1.200.000,00 EUR an die Bank. Die Bank löste damit unter anderem das Darlehen des Beklagten in Höhe von 127.500,00 EUR ab. Sie schrieb diesen Betrag dem Darlehenskonto des Beklagten am 05.05.2006 gut und stellte das Konto anschließend auf Null. Die im Darlehensvertrag vom 13.08.2003 genannten Sicherheiten gab die Bank frei.
Der Kläger hat in erster Instanz mit der dem Beklagten am 31.05.2007 zugestellten Klage die Erstattung der getätigten Zahlung in Höhe von 127.500,00 EUR begehrt. Außerdem hat er außergerichtlich in Form einer 1,3-Geschäftsgebühr aus einem Gegenstandswert von 127.500,00 EUR zuzüglich Auslagenpauschale und Mehrwertsteuer angefallene Rechtsanwaltskosten in Höhe von 2.356,68 EUR geltend gemacht.
Der Beklagte hat in erster Instanz mit von ihm als ihm gegen den Kläger zustehend und fällig behaupteten Schadensersatzansprüchen aus
Stille Beteiligung Sven M EUR 18.000,00 für 2004 und 2005 =      36.000,00 EUR
Stille Beteiligung Me EUR 7.500,00 x 2 = 15.000,00 EUR
Honorar-/Provisionsvereinbarung Herr M jährliche         
Zahlung EUR 38.400,00 für 2004 und 2005 =   76.800,00 EUR
Gesamtbetrag: 127.800,00 EUR
                 
hiervon 1/3 (Verlustanteil des Beklagten): 42.600,00 EUR
zuzüglich auf den Beklagten entfallende Verluste durch         
unrichtige Bilanzierung   94.000,00 EUR
Gesamtbetrag: 136.600,00 EUR
- in der Reihenfolge der vorstehenden Aufstellung - gegen mit der Klage geltend gemachte Ansprüche des Klägers hilfsweise die Aufrechnung erklärt.
Der Kläger hat in erster Instanz vorgetragen, dem Beklagten sei bekannt gewesen, dass zur Auszahlung des Darlehens die Bestellung einer Sicherheit am Grundstück des Klägers erforderlich gewesen sei. Der Beklagte sei daher verpflichtet, unter dem Gesichtspunkt des Aufwendungsersatzes dem Kläger den Betrag von 127.500,00 EUR zu erstatten. Des Weiteren habe die Bank dem Kläger die noch bestehenden Forderungen aus dem Darlehensvertrag mit dem Beklagten abgetreten. Außerdem habe der Kläger ausweislich Ziffer 3 der Grundschuldzweckerklärung eine Bürgschaft für den Beklagten übernommen, so dass die Darlehensforderung der Bank gegen den Beklagten auch kraft Gesetzes auf den Kläger übergegangen sei. Der Beklagte habe keinerlei Tilgung geleistet. Der Darlehensvertrag des Beklagten sei daher notleidend gewesen, so dass mit einer Kündigung der Bank jederzeit zu rechnen gewesen sei. Diese sei durch die Ablösung des Darlehens vermieden worden.
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Der Kläger hat in erster Instanz beantragt,
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den Beklagten zu verurteilen, an den Kläger 127.500,00 EUR nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz hieraus seit Klagezustellung zu zahlen,
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und den Beklagten darüber hinaus zu verurteilen, an den Kläger 2.356,68 EUR nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz hieraus seit Klagezustellung zu zahlen.
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Der Beklagte hat in erster Instanz beantragt, die Klage abzuweisen. Er hat vorgetragen, dass er von der Bestellung einer Grundschuld für sein Darlehen durch den Kläger nichts gewusst habe. Eine Ablösung des Darlehens durch den Kläger sei ihm ebenfalls nicht bekannt gewesen. Er habe mit der Bank eine Sondervereinbarung getroffen, aus der sich ergebe, dass die Rückzahlung des Darlehens durch eine Lebensversicherung einschließlich Überschussanteile bis spätestens 10.07.2018 erfolgen solle. Die aufgrund der Sondervereinbarung geschuldeten Darlehensraten habe er regelmäßig gezahlt, bis ihm die Bank mitgeteilt habe, dass keine Darlehensansprüche mehr bestünden. Darüber hinaus stünden ihm Schadensersatzansprüche gegen den Kläger im Zusammenhang mit seiner unternehmerischen Beteiligung an der Autohaus R GmbH & Co. KG zu wegen unzutreffender Aufstellung der Bilanzen durch den Kläger mit einem Schaden in Höhe von 94.000,00 EUR, wegen Abschlusses eines Mietvertrages über das Gewerbegrundstück mit einer Laufzeit von 20 Jahren zu einem überhöhten Mietzins, wegen Abschlusses eines Honorarvertrages durch den Kläger über angebliche, letztlich aber nicht erbrachte Direktmarketingunterstützung mit dem Miteigentümer des Gewerbegrundstücks M mit einem Schaden in Höhe von 76.800,00 EUR (jährliche Zahlung von 38.400,00 EUR für 2004 und 2005) und einem Verlustanteil des Beklagten von 25.600,00 EUR, wegen Abschlusses eines Vertrages über eine stille Beteiligung durch den Kläger mit Sven M mit einem Schaden in Höhe von 36.000,00 EUR (18.000,00 EUR für 2004 und 2005) und einem Verlustanteil des Beklagten von 12.000,00 EUR und wegen Abschlusses eines Vertrages durch den Kläger über eine stille Beteiligung mit Bernd Me mit einem Schaden von 15.000,00 EUR (2 x 7.500,00 EUR) und einem Verlustanteil des Beklagten von 5.000,00 EUR (Schriftsatz des Beklagten vom 10.09.2007, Seite 5 bis 7).
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Das Landgericht hat die Klage abgewiesen. Seiner Ansicht nach habe der Kläger einen Aufwendungsersatzanspruch als Beauftragter des Beklagten nicht darlegen können. Der Kläger habe nicht einmal behauptet, vom Beklagten mit der vorzeitigen Ablösung des Darlehens beauftragt worden zu sein. Eine Abtretung der Forderung der Bank gegen den Beklagten, aus der der Kläger Rechte herleiten könnte, habe der Kläger substantiiert nicht dargelegt. Der Kläger habe mangels Bürgschaftsübernahme auch eine Forderung der Bank gegen den Beklagten nicht im Wege des gesetzlichen Forderungsübergangs nach § 774 BGB erworben.
15 
Ebenso wenig könne der Kläger einen Aufwendungsersatzanspruch aus dem Rechtsinstitut der Geschäftsführung ohne Auftrag herleiten. Die vorzeitige Ablösung des Darlehens habe nicht dem Willen des Beklagten entsprochen. Der Beklagte habe einen auch nach Vortrag des Klägers ungekündigten Darlehensvertrag mit der Bank besessen, aus dem er zur Zahlung von monatlichen Raten und erst im Jahre 2018 zur Tilgung des Gros der Darlehensforderung verpflichtet gewesen sei. Selbst wenn der Beklagte, wie der Kläger behaupte, den Darlehensvertrag hätte notleidend werden lassen und die Bank eine Kündigung desselben in Erwägung gezogen hätte, vermöge dies nichts daran zu ändern, dass zum Zeitpunkt der Zahlung des Klägers die Hauptforderung aus dem Darlehensvertrag nicht zur Rückzahlung fällig gewesen sei. Ob nach einer eventuellen Kündigung der Bank sich das Interesse des Beklagten geändert hätte, könne dahinstehen. Ansprüche aus dem Bereicherungsrecht nach den §§ 812 ff. BGB könnten dem Kläger schließlich ebenfalls nicht zugesprochen werden, weil er den Wert der vom Beklagten infolge der Befreiung von der Darlehensverbindlichkeit erlangten Bereicherung nicht habe darlegen und beziffern können.
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Dagegen richtet sich die Berufung des Klägers, mit der er seine erstinstanzlich gestellten Klageanträge in vollem Umfang weiterverfolgt. Er beantragt, unter Abänderung des angefochtenen Urteils den Beklagten zu verurteilen,
17 
1. an den Kläger 127.500,00 EUR nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz hieraus seit Klagezustellung zu bezahlen,
18 
2. an den Kläger 2.356,68 EUR nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz hieraus seit Klagezustellung zu bezahlen.
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Darüber hinaus stellt der Kläger in der Berufungsinstanz erstmals den Hilfsantrag, den Beklagten zu verurteilen,
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an den Kläger seit Klagezustellung den Betrag von 127.500,00 EUR in 113 monatlichen Raten von jeweils 1.120,00 EUR sowie einer letzten Rate von 940,00 EUR zu bezahlen und die jeweilige Rate am Ersten eines jeden Monats zu zahlen.
21 
Der Beklagte beantragt, die Berufung des Klägers zurückzuweisen, und verteidigt das angefochtene Urteil. Er beruft sich auf seinen gesamten Vortrag aus der ersten Instanz und macht diesen auch zum Gegenstand des Vortrags im Berufungsverfahren.
22 
Die die Berufungsanträge enthaltende Berufungsbegründung des Klägers wurde dem Beklagten am 14.01.2008 zugestellt. Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der vorbereitenden Schriftsätze der Parteien in beiden Instanzen nebst Anlagen Bezug genommen. Der Senat hat Beweis erhoben durch Vernehmung des Zeugen Martin K. Wegen des Ergebnisses der Beweisaufnahme wird auf den Inhalt des Sitzungsprotokolls vom heutigen Tage verwiesen.
II.
23 
Die Berufung des Klägers ist zulässig und hat in der Sache teilweisen Erfolg. Das beruht auf folgenden Erwägungen:
24 
1. Dem Landgericht ist zunächst im Ergebnis darin zuzustimmen, dass es zu einem Übergang von (Darlehens-)Forderungen der Bank gegen den Beklagten auf den Kläger, aus denen der Kläger nunmehr Ansprüche gegen den Beklagten herleiten könnte, nicht gekommen ist.
25 
a) Legt man den Vortrag des Klägers auf Seite 3 der Klageschrift zugrunde, wonach er, als er den Betrag von 127.500,00 EUR an die Bank zahlte, auf die Grundschulden, nicht aber auf die durch sie gesicherte Darlehensforderung zahlte, ist die Darlehensforderung bestehen geblieben. Sie ist dann weder nach § 1143 Abs. 1 BGB noch nach § 426 Abs. 2 BGB (analog) oder einer anderen gesetzlichen Bestimmung auf den Kläger übergegangen (vgl. BGHZ 105, 154, 156 ff.; 108, 179, 184). Der Kläger hätte mit der Zahlung lediglich einen schuldrechtlichen Anspruch gegen die Bank auf Abtretung der gegen den Beklagten bestehen gebliebenen Forderung erworben (vgl. BGH, Urteil vom 19. November 1998 - IX ZR 284/97 - ZfIR 1999, 155 unter II 3 a aa).
26 
b) Zu einem Forderungsübergang kraft Gesetzes konnte es auch dann nicht gekommen sein, wenn man annähme, dass der Kläger neben den Grundschulden auch auf die unter Ziffer 3 der Grundschuldzweckerklärung formularmäßig übernommene persönliche Haftung zahlen wollte. Hierbei handelte es sich entgegen der Ansicht des Klägers nicht um die Übernahme einer Bürgschaft, sondern um ein als Schuldbeitritt zu qualifizierendes abstraktes Schuldversprechen i.S. des § 780 BGB, welches dazu dienen sollte, den Kläger zum persönlichen Mitschuldner des Beklagten zu machen (vgl. BGHZ 114, 9, 10, 12, 14). Die formularmäßige Begründung einer solchen persönlichen Haftung für Verbindlichkeiten eines Dritten in einer Grundschuldzweckerklärung ist jedoch gemäß § 307 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 Nr. 1 BGB unwirksam (vgl. BGHZ 114, 9, 13 f.).
27 
c) Geht man mit dem - im weiteren Verlauf des Verfahrens in erster Instanz gebrachten und somit maßgeblichen - Vortrag des Klägers auf Seite 3 seines Schriftsatzes vom 11.09.2007 schließlich davon aus, dass er, als er den Betrag von 127.500,00 EUR an die Bank zahlte, „die Darlehensschuld des Bekl bei der Bank tilgte“, ist die Darlehensforderung erloschen (vgl. BGH, Urteil vom 23. Juni 1982 - VIII ZR 333/80 - NJW 1982, 2308 unter II 2) und konnte somit nicht mehr auf den Kläger übergehen.
28 
d) Zu einer rechtsgeschäftlichen Abtretung der (Darlehens-)Forderungen der Bank gegen den Beklagten auf den Kläger ist es ebenfalls nicht gekommen. Bezüglich einer ausdrücklichen Abtretung hat es der Kläger an jeglichem Vortrag fehlen lassen. Von einer konkludenten Abtretung kann nicht ausgegangen werden. Denn der Zeuge Martin K, an dessen Glaubwürdigkeit kein Zweifel besteht, hat als Mitarbeiter der Bank angegeben, dass sie als Mitarbeiter der Bank, die die Ablösung der Grundschuld „gemacht“ hätten, durchaus bevollmächtigt gewesen wären, in das Ablöseschreiben ausdrücklich aufzunehmen, dass die Ansprüche an den Ablösenden abgetreten würden, wenn eine solche Erklärung gewünscht worden wäre. Für eine konkludente Abtretung ist danach kein Raum. Im Übrigen nimmt selbst der Kläger nicht an, dass es bereits mit der Befriedigung der Bank zu einer Forderungsabtretung gekommen sei. Vielmehr sei die Bank ihrer Verpflichtung zur Forderungsabtretung (erst) „in der Folgezeit“ nachgekommen (Replik, Seite 3). Umstände, die auf eine (konkludente) Abtretung „in der Folgezeit“ schließen lassen (könnten), zeigt er jedoch nicht auf und sind auch sonst nicht ersichtlich.
29 
2. a) Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs (BGH, Urteil vom 14. Juni 1994 - XI ZR 4/94 - ZIP 1994, 1282 unter I 2 b) richtet sich die Beantwortung der Frage, ob der zahlende Grundstückseigentümer vom Schuldner der gesicherten Forderung Ersatz verlangen kann, nach dem Rechtsverhältnis, das der Zurverfügungstellung der Grundschuld als Sicherheit für die Verbindlichkeiten des Schuldners zugrunde liegt. Als Rechtsverhältnis kommt dabei insbesondere ein Auftrag (vgl. BGH, Urteile vom 17. Dezember 1954 - V ZR 77/53 - WM 1955, 377 unter III 1; vom 28. Februar 1972 - II ZR 147/69 - WM 1972, 661 unter 1) oder eine Geschäftsführung ohne Auftrag (vgl. BGH, Urteil vom 25. November 1985 - II ZR 80/85 - ZIP 1986, 226) in Betracht. Sowohl bei einem Auftrag als auch bei einer berechtigten Geschäftsführung ohne Auftrag erwirbt der Grundstückseigentümer gegen den Schuldner gemäß § 670 BGB (i.V. mit den §§ 677, 683 Satz 1 BGB) einen Anspruch auf Ersatz der Aufwendungen, die er den Umständen nach für erforderlich halten durfte (vgl. BGH, Urteil vom 25. November 1985 a.a.O.; Clemente, Recht der Sicherungsgrundschuld 3. Aufl. Rdn. 259). Der Anspruchserwerb tritt bereits zum Zeitpunkt der Grundschuldbestellung ein und umfasst alle Aufwendungen i.S. des § 670 BGB, die dem Grundstückseigentümer aus diesem Geschäft zu diesem Zeitpunkt bereits entstanden waren oder danach noch entstehen werden (vgl. BGH, Urteil vom 25. November 1985 a.a.O.).
30 
b) Von einem Auftrag (§§ 662 ff. BGB) des Beklagten an den Kläger zur (zusätzlichen) Besicherung des Darlehens kann nicht ausgegangen werden. Das Landgericht hat zutreffend ausgeführt, dass der Kläger ein entsprechendes Vertragsverhältnis der Parteien in diesem Zusammenhang nicht darzustellen vermochte. Der Senat tritt nach eigener Prüfung der Sach- und Rechtslage den Ausführungen des Landgerichts auf Seite 4 unter Ziffer I des angefochtenen Urteils bei und nimmt auf sie zur Vermeidung von Wiederholungen Bezug.
31 
Dass der Beklagte von der Sicherheitengestellung durch den Kläger „wusste“, dass die Bank den Beklagten „darüber informiert“ hatte, dass der Beklagte „über die Problematik in Kenntnis gesetzt“ worden war, kann zugunsten des Klägers als wahr unterstellt werden, weil dies zur Begründung eines Auftragsverhältnisses nicht ausreicht. Der vom Beklagten ebenfalls bestrittene Vortrag des Klägers, dass die Leistung der Sicherheit „zwischen den Parteien vereinbart“ worden sei (Replik, Seite 2), ist beweislos geblieben.
32 
Dass der Beklagte die Sicherheitengestellung durch den Kläger „wünschte“ (Berufungsbegründung, Seite 3), hat der Kläger in erster Instanz nicht vorgetragen. Da die Voraussetzungen des § 531 Abs. 2 Satz 1 ZPO nicht gegeben sind und der Beklagte einen solchen Wunsch in Abrede stellt, ist der Kläger mit diesem Vorbringen nicht zuzulassen.
33 
c) Eine auftragslose Geschäftsführung ist ebenfalls nicht anzunehmen.
34 
Eine Geschäftsführung ohne Auftrag (§§ 677 ff. BGB) setzt voraus, dass der Geschäftsführer ein Geschäft für einen anderen besorgt. Von der Besorgung eines Geschäfts für einen anderen kann nur dann die Rede sein, wenn eine Tätigkeit ausgeübt wird, die an und für sich der Sorge des anderen obliegen würde, und dem anderen diese Sorge von dem Handelnden durch sein Eintreten abgenommen wird (RGZ 97, 61, 65 f.).
35 
Ein derartiges Eintreten des Klägers für den Beklagten kommt im vorliegenden Fall nicht in Betracht. Denn der Darlehensvertrag zwischen dem Beklagten und der Bank war bereits am 13.08.2003 und somit zu einem Zeitpunkt geschlossen worden, bevor der Kläger durch Unterzeichnung der Grundschuldzweckerklärung vom 20.11./04.12.2003 das Darlehen zusätzlich besicherte, und eine Verpflichtung des Beklagten, das Darlehen durch im Grundbuch zu Lasten des im Miteigentum des Klägers stehenden Grundstücks E- Straße 16, S eingetragene Grundschulden (zusätzlich) zu besichern oder eine gleichwertige (zusätzliche) Sicherheit zu beschaffen, ist weder dem Darlehensvertrag vom 13.08.2003 zu entnehmen noch sonst ersichtlich. Es kann deshalb nicht davon ausgegangen werden, dass der Kläger mit der Abgabe der Grundschuldzweckerklärung ein Geschäft für den Beklagten besorgt hätte.
36 
Eine Geschäftsbesorgung des Klägers für den Beklagen i.S. des § 677 BGB kann auch nicht in der kompletten Rückführung des Darlehens durch den Kläger im Mai 2006 gesehen werden. Denn der Beklagte war zu diesem Zeitpunkt nicht zur Rückzahlung des Darlehens verpflichtet. Wie die Beweisaufnahme vor dem Senat ergeben hat, war das Darlehen des Beklagten aufgrund einer Sondervereinbarung mit der Bank tilgungsfrei gestellt. Dass die Sondervereinbarung zustande gekommen und das Darlehen tilgungsfrei gestellt worden waren, hat der Zeuge K sicher und überzeugend bestätigt. Die Darlehenssumme von 127.500,00 EUR wäre somit erst am 10.07.2018 an die Bank zurückzuzahlen gewesen.
37 
Daran ändert der Vortrag des Klägers nichts, das Darlehen sei notleidend gewesen, so dass mit einer Kündigung und einer Gesamtfälligstellung desselben durch die Bank jederzeit zu rechnen gewesen sei, weil sich dieser Vortrag als unwahr herausgestellt hat. Wie den vom Beklagten vorgelegten Darlehenskontoauszügen vom 04.05.2006 und 16.05.2006 zu entnehmen ist, lag der Darlehensstand jeweils bei 127.500,00 EUR. Das aber bedeutet, dass der Beklagte die nach der Tilgungsfreistellung lediglich noch geschuldeten Darlehenszinsen vollständig erbracht hatte und deswegen von einem notleidenden Darlehen nicht gesprochen werden kann.
38 
d) Dadurch dass der Kläger das Darlehen des Beklagten ablöste, ohne dass hierfür ein rechtlicher Grund bestand, wurde der Beklagte jedoch von Verbindlichkeiten gegenüber der Bank befreit. Die Befreiung von einer Verbindlichkeit stellt eine fortbestehende Bereicherung dar (vgl. BGH, Urteile vom 18. April 1985 - VII ZR 309/84 - NJW 1985, 2700 unter 3; vom 8. Dezember 1995 - LwZR 1/95 - NJW 1996, 926 unter II), so dass dem Kläger ein Bereicherungsanspruch gegen den Beklagten nach den §§ 267 Abs. 1, 812 Abs. 1 Satz 1 Alt. 1, 818 Abs. 2 BGB zusteht (vgl. BGHZ 70, 389, 396 ff.). Dieser Bereicherungsanspruch kann allerdings nicht stärker sein, als der ihn auslösende Vertragsanspruch (vgl. BGHZ 70, 389, 398). Das bedeutet, dass der Kläger vom Beklagten derzeit nicht die Zahlung eines Betrages von 127.500,00 EUR verlangen kann, weil der Beklagte vertraglich gegenüber der Bank erst am 10.07.2018 zur Darlehensrückzahlung verpflichtet gewesen wäre. Infolgedessen ist die Klage im Hauptantrag als derzeit unbegründet abzuweisen.
39 
Die Klage ist jedoch im Hilfsantrag teilweise begründet, weil der Kläger durch die von ihm erbrachte Darlehenstilgung den Beklagten von seiner gegenüber der Bank bestehenden Verpflichtung zur Zahlung von Darlehenszinsen in Höhe eines monatlichen, jeweils am Monatsende fälligen Betrages von 690,63 EUR befreit hat und die vom Beklagten erklärte Hilfsaufrechnung ins Leere ging (vgl. nachfolgend unter 3). Dem Kläger sind daher entsprechend dem von ihm erstmals in der Berufungsbegründung gestellten Hilfsantrag - beginnend mit der Zustellung der Berufungsbegründung am 14.01.2008 - 114 Monatsraten à 690,63 EUR zuzusprechen.
40 
Über etwaige Ansprüche des Klägers wegen der Befreiung des Beklagten von seiner gegenüber der Bank bestehenden Pflicht zur Zahlung von Darlehenszinsen, die vor Zustellung der Berufungsbegründung bzw. nach Ablauf von 114 Monaten seit Zustellung der Berufungsbegründung - also vor dem 14.01.2008 bzw. nach dem 13.07.2017 - fällig geworden wären, kann der Senat in Ermangelung eines Antrags (§ 308 Abs. 1 Satz 1 ZPO) im vorliegenden Verfahren keine Entscheidung treffen.
41 
3. Die vom Beklagten vorsorglich und hilfsweise erklärte Aufrechnung mit Schadensersatzansprüchen ist unbegründet. Der Kläger hat den diesbezüglich vom Beklagten gebrachten Tatsachenvortrag bestritten. Beweis für sein Vorbringen hat der Beklagte nicht angeboten.
III.
42 
Ein Anspruch auf Erstattung außergerichtlich angefallener Rechtsanwaltskosten kann dem Kläger nicht zuerkannt werden. Die Voraussetzungen der §§ 280 Abs. 1 und 2, 286 BGB können nicht als erfüllt angesehen werden, weil der Kläger nicht dargetan hat, dass er seine Bevollmächtigten erst mandatierte, nachdem der Beklagte in Verzug geraten war. Andere Anspruchsgrundlagen sind nicht ersichtlich. Hinsichtlich dieser Nebenforderung bleibt die Klage somit abgewiesen.
43 
Die Kostenentscheidung folgt aus § 92 Abs. 1 Satz 1 ZPO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit ergibt sich aus den §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO. Gründe für die Zulassung der Revision nach § 543 Abs. 2 Satz 1 ZPO bestehen nicht.

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
XI ZR 274/12
vom
14. Mai 2013
in dem Rechtsstreit
Der XI. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat durch den Richter Dr. Joeres als
Vorsitzenden und die Richter Dr. Grüneberg, Maihold und Pamp sowie die
Richterin Dr. Menges
am 14. Mai 2013

beschlossen:
Auf die Nichtzulassungsbeschwerde der Beklagten wird das Urteil des 8. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Braunschweig vom 28. Juni 2012 im Kostenpunkt und insoweit aufgehoben, als zu ihrem Nachteil erkannt worden ist. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Nichtzulassungsbeschwerdeverfahrens , an das Berufungsgericht zurückverwiesen. Der Gegenstandswert für das Beschwerdeverfahren beträgt 43.250 €.

Gründe:

I.

1
Die Klägerin verlangt von der beklagten Bank aus abgetretenem Recht ihres Ehemannes Schadensersatz im Zusammenhang mit einer Kapitalanlage an einem Windparkfonds.
2
Der Ehemann der Klägerin (im Folgenden: Zedent), der seine Ansprüche gegen die Beklagte an seine Ehefrau abgetreten hat, zeichnete aufgrund einer Empfehlung einer Mitarbeiterin der Beklagten, der Zeugin R. , am 16. Juni 2002 eine treuhänderische Kommanditbeteiligung an der E. KG (im Folgenden: Fonds) über 50.000 € zuzüglich 5% Agio. Das Agio und eine weitere Provision in Höhe von mindestens 3% der Beteiligungssumme flossen unstreitig der Beklagten zu. Ob der Zedent vor oder bei Zeichnung der Beteiligung den Fondsprospekt erhalten hat, ist zwischen den Parteien streitig. In den Jahren 2004 bis 2007 erhielt der Zedent Ausschüttungen von insgesamt 9.250 €. In der Folgezeit fiel der Wert der Beteiligung erheblich.
3
Mit der Klage begehrt die Klägerin von der Beklagten Zug um Zug gegen Übertragung der Rechte aus der Fondsbeteiligung die Rückzahlung von 52.500 € nebst Zinsen, die Feststellung des Annahmeverzugs der Beklagten und die Zahlung vorgerichtlicher Anwaltskosten. Sie behauptet, die Beklagte habe den Zedenten weder über die wesentlichen Risiken der Anlage noch über die der Beklagten zugeflossene Provision von mindestens 8% aufgeklärt.
4
Das Landgericht hat die Klage - nach Vernehmung des Zedenten und der Zeugin R - abgewiesen, weil es im Hinblick auf die Provisionszahlungen an die Beklagte nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme davon überzeugt sei, dass der Zedent die Beteiligung auch im Falle einer ordnungsgemäßen Aufklärung gezeichnet hätte. Auf die Berufung der Klägerin hat das Berufungsgericht , das eine eigene Beweisaufnahme nicht durchgeführt hat, der Klage in Höhe von 43.250 € nebst Zinsen Zug um Zug gegen Übertragung der Rechte aus der Fondsbeteiligung stattgegeben und festgestellt, dass sich die Beklagte mit der Annahme der Übertragung dieser Rechte in Verzug befinde; die weitergehende Berufung hat es zurückgewiesen. Dies hat es im Wesentlichen wie folgt begründet:
5
Die Beklagte habe es im Rahmen des zwischen ihr und dem Zedenten geschlossenen Anlageberatungsvertrags schuldhaft unterlassen, den Zedenten über die an sie gezahlte Rückvergütung von mindestens 8% der Beteiligungssumme aufzuklären. Die Pflichtverletzung sei nach der Vermutung für ein aufklärungsrichtiges Verhalten des Anlegers auch kausal für den Fondsbeitritt des Zedenten gewesen. Die Beklagte habe weder einen Entscheidungskonflikt dargelegt noch die Vermutung widerlegt. Der Zedent habe lediglich damit gerechnet , dass die Beklagte eine Vergütung aus dem 5%-igen Agio erhalte. Bei genauer Kenntnis der Rückvergütung hätte er die Anlage mehr hinterfragt. Die Vermutung sei auch nicht dadurch widerlegt, dass der Zedent mit einer Provisionszahlung an die Beklagte grundsätzlich einverstanden gewesen sei. Dagegen spreche bereits, dass sich der Zedent nach den Kosten der Anlage erkundigt habe. Eine erneute Vernehmung der Zeugen sei nicht erforderlich gewesen , weil sich das Gericht bei seiner Würdigung auf den Inhalt der protokollierten Zeugenaussagen stütze, ohne hiervon abzuweichen.
6
Der Schadensersatzanspruch sei nicht verjährt. Der Zedent habe im Juni 2002 keine Kenntnis von den Rückvergütungen gehabt. Seine bloße Vermutung einer Vergütung der Beklagten genüge insoweit nicht. Er habe aufgrund Nichtlesens des Prospekts auch nicht grob fahrlässig gehandelt; der Prospekt enthalte keine Angaben, dass und in welcher Höhe die Beklagte eine Rückvergütung erhalten habe. Aufgrund dessen sei von dem Vorbringen der Klägerin auszugehen , der Zedent habe erst im Jahr 2010 von seinem jetzigen Prozessbevollmächtigten davon erfahren. Die Klägerin müsse sich allerdings auf den Schadensersatzanspruch die erhaltenen Ausschüttungen von 9.250 € anrechnen lassen.
7
Die Revision hat das Berufungsgericht nicht zugelassen. Dagegen richtet sich die Nichtzulassungsbeschwerde der Beklagten.

II.

8
Die Revision ist nach § 543 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 Fall 2 ZPO zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung zuzulassen, da das angegriffene Urteil den Anspruch der Beklagten auf rechtliches Gehör aus Art. 103 Abs. 1 GG verletzt (vgl. Senatsbeschlüsse vom 11. Mai 2004 - XI ZB 39/03, BGHZ 159, 135, 139 f., vom 9. Februar 2010 - XI ZR 140/09, BKR 2010, 515, 516 und vom 11. September 2012 - XI ZR 476/11, juris Rn. 7). Aus demselben Grunde sind das angefochtene Urteil gemäß § 544 Abs. 7 ZPO im Kostenpunkt und insoweit aufzuheben, als zum Nachteil der Beklagten erkannt worden ist, und der Rechtsstreit im Umfang der Aufhebung zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das Berufungsgericht zurückzuverweisen.
9
1. Rechtsfehlerfrei und von der Nichtzulassungsbeschwerde nicht angegriffen ist das Berufungsgericht allerdings davon ausgegangen, dass zwischen dem Zedenten und der Beklagten stillschweigend ein Beratungsvertrag zustande gekommen ist, aufgrund dessen die Beklagte verpflichtet war, den Zedenten über die von ihr vereinnahmten Rückvergütungen aufzuklären, und dass eine ordnungsgemäße Aufklärung des Zedenten über diese Rückvergütungen weder mündlich noch durch die Übergabe von Informationsmaterial erfolgt ist (vgl. Senatsurteile vom 8. Mai 2012 - XI ZR 262/10, BGHZ 193, 159 Rn. 15 ff. und vom 26. Februar 2013 - XI ZR 498/11, WM 2013, 609 Rn. 12, jeweils mwN). Auch hat das Berufungsgericht rechtsfehlerfrei und von der Nichtzulassungsbeschwerde unangegriffen insoweit ein Verschulden der Beklagten bejaht (vgl. Senatsurteil vom 8. Mai 2012 - XI ZR 262/10, aaO, Rn. 24 f. mwN).
10
2. Gleichfalls rechtsfehlerfrei ist das Berufungsgericht im Grundsatz davon ausgegangen, dass die Beklagte die Darlegungs- und Beweislast für ihre Behauptung trägt, der Zedent hätte die Beteiligungen auch bei gehöriger Aufklärung über die Rückvergütungen erworben.
11
Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs ist derjenige, der vertragliche oder vorvertragliche Aufklärungspflichten verletzt hat, beweispflichtig dafür, dass der Schaden auch eingetreten wäre, wenn er sich pflichtgemäß verhalten hätte, der Geschädigte den Rat oder Hinweis also unbeachtet gelassen hätte. Diese "Vermutung aufklärungsrichtigen Verhaltens" gilt für alle Aufklärungs- und Beratungsfehler eines Anlageberaters, insbesondere auch dann, wenn Rückvergütungen pflichtwidrig nicht offengelegt wurden. Hierbei handelt es sich nicht lediglich um eine Beweiserleichterung im Sinne eines Anscheinsbeweises , sondern um eine zur Beweislastumkehr führende widerlegliche Vermutung (Senatsurteil vom 8. Mai 2012 - XI ZR 262/10, BGHZ 193,159 Rn. 27 ff. mwN; BVerfG, ZIP 2012, 164 Rn. 20).
12
3. Das Berufungsgericht hat jedoch den Anspruch der Beklagten auf rechtliches Gehör nach Art. 103 Abs. 1 GG verletzt, weil es zur Beantwortung der Frage, ob der Zedent den Fonds auch bei gehöriger Aufklärung über die Rückvergütungen gezeichnet hätte, die erstinstanzlich vernommenen Zeugen entgegen § 529 Abs. 1 Nr. 1, § 398 Abs. 1 ZPO nicht erneut vernommen hat, obwohl es deren Aussage anders gewürdigt hat als das Landgericht.
13
a) Das Berufungsgericht ist nach § 529 Abs. 1 Nr. 1 ZPO grundsätzlich an die Tatsachenfeststellungen des Gerichts des ersten Rechtszuges gebunden. Bestehen Zweifel an der Richtigkeit und Vollständigkeit der entscheidungserheblichen Feststellungen im erstinstanzlichen Urteil, ist in aller Regel eine erneute Beweisaufnahme geboten (vgl. BVerfG, NJW 2005, 1487, NJW 2011, 49 Rn. 14; BGH, Beschlüsse vom 14. Juli 2009 - VIII ZR 3/09, NJW-RR 2009, 1291 Rn. 5, vom 9. Februar 2010 - XI ZR 140/09, BKR 2010, 515, 516 und vom 21. März 2012 - XII ZR 18/11, NJW-RR 2012, 704 Rn. 6). Das Berufungsgericht ist in einem solchen Fall nach § 398 ZPO verpflichtet, in erster Instanz vernommene Zeugen erneut zu vernehmen, wenn es deren protokollierte Aussagen anders als die Vorinstanz verstehen oder würdigen will (BVerfG, NJW 2011, 49 Rn. 14; BGH, Beschlüsse vom 21. Juni 2011 - II ZR 103/10, WM 2011, 1533 Rn. 7, vom 10. November 2010 - IV ZR 122/09, NJW 2011, 1364 Rn. 6, vom 14. Juli 2009 - VIII ZR 3/09, NJW-RR 2009, 1291 Rn. 5 f. und Urteil vom 22. Mai 2002 - VIII ZR 337/00, NJW-RR 2002, 1500). Unterlässt es dies und wendet damit § 529 Abs. 1 Nr. 1 ZPO fehlerhaft an, ist die dadurch benachteiligte Partei in ihrem Anspruch auf rechtliches Gehör nach § 103 Abs. 1 GG verletzt (BVerfG, NJW 2005, 1487; BGH, Beschlüsse vom 5. April 2006 - IV ZR 253/05, VersR 2006, 949 Rn. 1, vom 14. Juli 2009 - VIII ZR 3/09, NJW-RR 2009, 1291 Rn. 4, vom 9. Februar 2010 - XI ZR 140/09, BKR 2010, 515, 516 und vom 21. März 2012 - XII ZR 18/11, NJW-RR 2012, 704 Rn. 6).
14
Die erneute Vernehmung eines Zeugen kann allenfalls dann unterbleiben , wenn sich das Rechtsmittelgericht lediglich auf Umstände stützt, die weder die Urteilsfähigkeit, das Erinnerungsvermögen oder die Wahrheitsliebe des Zeugen noch die Vollständigkeit oder Widerspruchsfreiheit seiner Aussage betreffen (BGH, Urteile vom 19. Juni 1991 - VIII ZR 116/90, WM 1991, 1896, 1897 f. und vom 10. März 1998 - VI ZR 30/97, NJW 1998, 2222, 2223 sowie Beschlüsse vom 9. Februar 2010 - XI ZR 140/09, BKR 2010, 515, 516 und vom 21. März 2012 - XII ZR 18/11, NJW-RR 2012, 704 Rn. 7).
15
b) Nach diesen Maßgaben ist Art. 103 Abs. 1 GG hier verletzt.
16
aa) Das Landgericht hat zwar im Ausgangspunkt zu Unrecht angenommen , dass die Vermutung aufklärungsrichtigen Verhaltens vorliegend nicht anwendbar sei, weil sich der Zedent in einem Entscheidungskonflikt befunden ha- be; wie der Senat nach Erlass des erstinstanzlichen Urteils entschieden und im Einzelnen begründet hat, greift die Beweislastumkehr bei einer feststehenden Aufklärungspflichtverletzung stets ein, ohne dass es darauf ankommt, ob ein Kapitalanleger bei gehöriger Aufklärung vernünftigerweise nur eine Handlungsalternative gehabt hätte (Senatsurteil vom 8. Mai 2012 - XI ZR 262/10, BGHZ 193, 159 Rn. 30 ff.). Das Landgericht hat aber keine Beweislastentscheidung getroffen, sondern aufgrund des Ergebnisses der Beweisaufnahme die positive Überzeugung gewonnen, dass der Zedent die Beteiligung auch im Falle einer gehörigen Aufklärung über die Rückvergütung gezeichnet hätte. Es hat sich dafür auf die - nach seinem Dafürhalten glaubhafte - Aussage der Zeugin R. gestützt, der es in Übereinstimmung mit dem protokollierten Wortlaut dieser Vernehmung entnimmt, sie habe auf die sogenannten weichen Kosten, insbesondere die Vertriebskosten anhand des Prospekts hingewiesen. Der Aussage des ebenfalls als Zeugen vernommenen Zedenten ist das Landgericht nicht gefolgt, weil der Inhalt dieser Aussage "auf das Gericht auffällig angepasst an die Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs zum Vorliegen eines Interessenkonflikts der Banken aufgrund des Provisionsinteresses" gewirkt habe und es auch "nicht glaubhaft (sei), dass der Zedent im Falle der weitergehenden Belehrung eine Investition in Festgeld vorgezogen hätte". Das Landgericht hat also die Aussage des Zedenten für nicht glaubhaft gehalten und möglicherweise sogar Zweifel an dessen Glaubwürdigkeit gehabt.
17
Das Berufungsgericht hat die Beweisaufnahme abweichend vom Landgericht gewürdigt, ohne sich durch erneute Vernehmung der Zeugen einen eigenen Eindruck zu verschaffen. Im Gegensatz zum Landgericht hat es auf Grundlage beider Zeugenaussagen im Ergebnis die Vermutung aufklärungsrichtigen Verhaltens als von der - insoweit darlegungs- und beweispflichtigen - Beklagten nicht widerlegt angesehen. Dies konnte es aber nur annehmen, wenn es - anders als das Landgericht - beide Aussagen gleichermaßen als glaubhaft oder unglaubhaft erachtete.
18
bb) Diese abweichende Würdigung der Zeugenaussagen durch das Rechtsmittelgericht war nicht ausnahmsweise ohne erneute Vernehmung zulässig , weil weder die Urteilsfähigkeit, das Erinnerungsvermögen oder die Wahrheitsliebe der Zeugen noch die Vollständigkeit oder Widerspruchsfreiheit ihrer Aussage von Bedeutung gewesen wären. Insbesondere konnte sich das Berufungsgericht bei seiner abweichenden Würdigung nicht ausschließlich auf den protokollierten Inhalt der Beweisaufnahme stützen, weil ihr das Landgericht aufgrund einer Würdigung der Glaubhaftigkeit der Aussage und möglicherweise auch der Glaubwürdigkeit des Zedenten nicht gefolgt ist. Für das Landgericht war entscheidend, dass der Zedent bei seiner Zeugenaussage "auffällig angepasst an die Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs zum Vorliegen eines Interessenkonflikts der Banken aufgrund des Provisionsinteresses" gewirkt habe und auch seine weitere Bekundung zu einer Alternativanlage in Festgeld nicht glaubhaft sei. Demgegenüber hat das Landgericht die Aussage der Zeugin R. als glaubhaft angesehen. Danach war es dem Berufungsgericht verwehrt , ohne erneute Vernehmung von der Verlässlichkeit der Aussage des Zedenten oder der Unglaubhaftigkeit der Aussage der Zeugin R. auszugehen.
19
3. Das angefochtene Urteil beruht auf dieser Verletzung des rechtlichen Gehörs. Es ist nicht auszuschließen, dass das Berufungsgericht zu einer abweichenden Entscheidung gelangt wäre, wenn es beide Zeugen erneut vernommen hätte.

III.

20
Das angefochtene Urteil war danach gemäß § 544 Abs. 7 ZPO im aus dem Beschlusstenor ersichtlichen Umfang aufzuheben und die Sache insoweit zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das Berufungsgericht zurückzuverweisen. Das Berufungsgericht wird die oben genannten Beweise zu erheben und zu würdigen haben.
21
Soweit das Berufungsgericht den darauf gestützten Schadensersatzanspruch als nicht verjährt angesehen hat, weist die tatrichterliche Würdigung allerdings - entgegen der Auffassung der Nichtzulassungsbeschwerde - auch nach den Maßgaben der Senatsentscheidung vom 26. Februar 2013 (XI ZR 498/11, WM 2013, 609 Rn. 26 ff., für BGHZ bestimmt) keinen durchgreifenden Rechts- oder Verfahrensfehler auf; das Berufungsgericht hat nicht festgestellt, dass der Zedent positive Kenntnis von dem Zufluss von Rückvergütungen an die Beklagte hatte.
22
Gegebenenfalls wird das Berufungsgericht sich auch mit den von der Klägerin behaupteten weiteren Verletzungen vorvertraglicher Aufklärungspflichten durch unrichtige Angaben des Anlageberaters der Beklagten auseinanderzusetzen haben.
Joeres Grüneberg Maihold Pamp Menges

Vorinstanzen:
LG Braunschweig, Entscheidung vom 20.07.2011 - 5 O 1921/10 -
OLG Braunschweig, Entscheidung vom 28.06.2012 - 8 U 129/11 -

(1) Die unterliegende Partei hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen, insbesondere die dem Gegner erwachsenen Kosten zu erstatten, soweit sie zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung notwendig waren. Die Kostenerstattung umfasst auch die Entschädigung des Gegners für die durch notwendige Reisen oder durch die notwendige Wahrnehmung von Terminen entstandene Zeitversäumnis; die für die Entschädigung von Zeugen geltenden Vorschriften sind entsprechend anzuwenden.

(2) Die gesetzlichen Gebühren und Auslagen des Rechtsanwalts der obsiegenden Partei sind in allen Prozessen zu erstatten, Reisekosten eines Rechtsanwalts, der nicht in dem Bezirk des Prozessgerichts niedergelassen ist und am Ort des Prozessgerichts auch nicht wohnt, jedoch nur insoweit, als die Zuziehung zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung notwendig war. Die Kosten mehrerer Rechtsanwälte sind nur insoweit zu erstatten, als sie die Kosten eines Rechtsanwalts nicht übersteigen oder als in der Person des Rechtsanwalts ein Wechsel eintreten musste. In eigener Sache sind dem Rechtsanwalt die Gebühren und Auslagen zu erstatten, die er als Gebühren und Auslagen eines bevollmächtigten Rechtsanwalts erstattet verlangen könnte.

(3) Zu den Kosten des Rechtsstreits im Sinne der Absätze 1, 2 gehören auch die Gebühren, die durch ein Güteverfahren vor einer durch die Landesjustizverwaltung eingerichteten oder anerkannten Gütestelle entstanden sind; dies gilt nicht, wenn zwischen der Beendigung des Güteverfahrens und der Klageerhebung mehr als ein Jahr verstrichen ist.

(4) Zu den Kosten des Rechtsstreits im Sinne von Absatz 1 gehören auch Kosten, die die obsiegende Partei der unterlegenen Partei im Verlaufe des Rechtsstreits gezahlt hat.

(5) Wurde in einem Rechtsstreit über einen Anspruch nach Absatz 1 Satz 1 entschieden, so ist die Verjährung des Anspruchs gehemmt, bis die Entscheidung rechtskräftig geworden ist oder der Rechtsstreit auf andere Weise beendet wird.

Für vorläufig vollstreckbar ohne Sicherheitsleistung sind zu erklären:

1.
Urteile, die auf Grund eines Anerkenntnisses oder eines Verzichts ergehen;
2.
Versäumnisurteile und Urteile nach Lage der Akten gegen die säumige Partei gemäß § 331a;
3.
Urteile, durch die gemäß § 341 der Einspruch als unzulässig verworfen wird;
4.
Urteile, die im Urkunden-, Wechsel- oder Scheckprozess erlassen werden;
5.
Urteile, die ein Vorbehaltsurteil, das im Urkunden-, Wechsel- oder Scheckprozess erlassen wurde, für vorbehaltlos erklären;
6.
Urteile, durch die Arreste oder einstweilige Verfügungen abgelehnt oder aufgehoben werden;
7.
Urteile in Streitigkeiten zwischen dem Vermieter und dem Mieter oder Untermieter von Wohnräumen oder anderen Räumen oder zwischen dem Mieter und dem Untermieter solcher Räume wegen Überlassung, Benutzung oder Räumung, wegen Fortsetzung des Mietverhältnisses über Wohnraum auf Grund der §§ 574 bis 574b des Bürgerlichen Gesetzbuchs sowie wegen Zurückhaltung der von dem Mieter oder dem Untermieter in die Mieträume eingebrachten Sachen;
8.
Urteile, die die Verpflichtung aussprechen, Unterhalt, Renten wegen Entziehung einer Unterhaltsforderung oder Renten wegen einer Verletzung des Körpers oder der Gesundheit zu entrichten, soweit sich die Verpflichtung auf die Zeit nach der Klageerhebung und auf das ihr vorausgehende letzte Vierteljahr bezieht;
9.
Urteile nach §§ 861, 862 des Bürgerlichen Gesetzbuchs auf Wiedereinräumung des Besitzes oder auf Beseitigung oder Unterlassung einer Besitzstörung;
10.
Berufungsurteile in vermögensrechtlichen Streitigkeiten. Wird die Berufung durch Urteil oder Beschluss gemäß § 522 Absatz 2 zurückgewiesen, ist auszusprechen, dass das angefochtene Urteil ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar ist;
11.
andere Urteile in vermögensrechtlichen Streitigkeiten, wenn der Gegenstand der Verurteilung in der Hauptsache 1.250 Euro nicht übersteigt oder wenn nur die Entscheidung über die Kosten vollstreckbar ist und eine Vollstreckung im Wert von nicht mehr als 1.500 Euro ermöglicht.