Oberlandesgericht München Endurteil, 04. Okt. 2018 - 24 U 1279/18
vorgehend
Tenor
I. Auf die Berufung des Klägers wird das Endurteil des Landgerichts Memmingen vom 04.04.2018, Az.: 31 O 846/17, aufgehoben und die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das Landgericht Memmingen zurückverwiesen.
II. Die Kostenentscheidung bleibt dem Urteil erster Instanz vorbehalten.
III. Dieses Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
IV. Die Revision wird nicht zugelassen.
Gründe
I.
Etwas anderes kann sich gemäß § 269 Abs. 1 BGB jedoch im Fall einer anderweitigen Bestimmung oder aus den Umständen, insbesondere aus der Natur des Schuldverhältnisses, ergeben. Eine von der dargelegten Gesetzeslage abweichende Bestimmung hinsichtlich des Leistungsortes haben die Parteien nicht getroffen. Es ist jedoch seit langem umstritten, ob sich „aus den Umständen, insbesondere aus der Natur des Schuldverhältnisses“, ergibt, dass bei einem Rückgewährschuldverhältnis nach Rücktritt von einem beiderseits erfüllten Kaufvertrag auf der Grundlage eines gesetzlichen Rücktrittsrechts als Erfüllungsort für die vom Käufer begehrte Rückzahlung des Kaufpreises (Zug um Zug gegen Rückgewähr der Kaufsache) der Ort anzusehen ist, an dem sich die Kaufsache zur Zeit des Rücktritts vertragsgemäß befindet, so dass dieser Belegenheitsort als einheitlicher Erfüllungsort des Rückgewährschuldverhältnisses gilt. In diesem Fall ergäbe sich die örtliche Zuständigkeit des Landgerichts Memmingen, da sich das Motorrad, das der Kläger vom Beklagten erworben hat, vertragsgemäß beim Kläger in Lautrach befindet.
Einigkeit besteht darüber, dass sich hinsichtlich des Bestehens eines einheitlichen Erfüllungsortes unter dem geltenden Recht nichts anderes ergibt als nach dem früheren Recht der Wandelung (Stöber, NJW 2006, 2661/2662 m. w. N.); die zum früheren Recht vertretenen Auffassungen haben also ihre Grundlage nicht verloren. Im Übrigen stellt sich der Meinungsstand wie folgt dar:
a) Das Reichsgericht hat einen einheitlichen Erfüllungsort bejaht (RG vom 16.06.1903 - Rep. II. 543/02 - RGZ 55, 105/112 ff.). Der Bundesgerichtshof hat zunächst beiläufig ausgeführt, der Wohnsitz des Käufers sei deshalb als Erfüllungsort für den Wandelungsanspruch anzusehen, weil er als der Ort des Austausches der zurückzugewährenden Leistungen erscheine (BGH vom 20.11.1961 - VIII ZR 167/60 - MDR 1962, 399/400). In einer späteren Entscheidung hat der Bundesgerichtshof die Annahme eines einheitlichen Erfüllungsortes für den Wandelungsvollzug an dem Ort, an dem sich die Sache zur Zeit der Wandlung vertragsgemäß befindet, unter Angabe von Nachweisen als „herrschende^..] Meinung“ bezeichnet (BGH vom 09.03.1983 - VIII ZR 11/82 - juris Rn. 14). Dieser Auffassung hat sich der Bundesgerichtshof sodann insoweit angeschlossen, als er das sich aus dieser Auffassung für den Verkäufer ergebende Risiko, am womöglich weit entfernten Belegenheitsort (zumeist am Wohnsitz des Käufers) auf Rückzahlung des Kaufpreises verklagt zu werden, unter Berufung auf die Rechtsprechung des Reichsgerichts als „gerechtfertigt“ bezeichnet hat, „weil der vom Verkäufer zu vertretende Mangel der Kaufsache zur Wandelung geführt hat“. Allerdings hat der Bundesgerichtshof im Anschluss daran ausgeführt, dass sich im von ihm zu beurteilenden Fall nichts anderes ergäbe, wenn man einen einheitlichen Erfüllungsort im kaufrechtlichen Rückgewährschuldverhältnis verneinte. Im dortigen Fall ging es nämlich nicht um eine Klage auf Rückzahlung des Kaufpreises, wozu die Verkäuferin bereits rechtskräftig verurteilt worden war, sondern nur um die Kosten für den Rücktransport der auf das Haus des Käufers aufgebrachten mangelhaften Dachziegel, welche die Beklagte geliefert hatte.
Vor diesem Hintergrund ist festzustellen, dass keine aktuellere belastbare höchstrichterliche Rechtsprechung zur Frage eines einheitlichen Erfüllungsortes im kaufrechtlichen Rückgewährschuldverhältnis vorliegt.
b) Jedenfalls in der aktuelleren veröffentlichten obergerichtlichen Rechtsprechung wird hingegen (soweit ersichtlich) ausnahmslos die Auffassung vertreten, einheitlicher Erfüllungsort im kaufrechtlichen Rückgewährschuldverhältnis (jedenfalls nach Ausübung des gesetzlichen Rücktrittsrechts) sei bei beiderseits erfülltem Vertrag der Ort, an dem sich die Kaufsache vertragsgemäß befindet (BayObLG vom 09.01.2004 - AR 140 140/03 - juris Rn. 10; OLG Bamberg vom 24.04.2013 - 8 SA 9/13 - juris Rn. 21 f.; KG vom 21.03.2016 - 2 AR 9/16 - juris Rn. 10; OLG Celle vom 17.11.1999 - 4 AR 78/99 - juris Rn. 5; OLG Düsseldorf vom 17.07.2013 - I-22 W 19/13 u. a. - juris Rn. 11 ff. mit ausführlicher Begründung; OLG Hamm vom 20.10.2015 - I-28 U 91/15 u. a. - juris Rn. 33; OLG Karlsruhe vom 14.06.2013 - 13 U 53/13 - juris Rn. 6 f. unter Verweis auf die hier genannte Entscheidung des OLG Schleswig; OLG Köln vom 28.03.2011 - I-3 U 174/10 u. a. -juris Rn. 10; OLG München vom 13.01.2014 - 19 U 3721/13 - juris Rn. 14 ff. mit ausführlicher Begründung; OLG Saarbrücken vom 06.01.2005 - 5 W 306/04 - juris Rn. 5; OLG Schleswig vom 04.09.2012 - 3 U 99/11 - juris Rn. 17 ff. mit ausführlicher Begründung; OLG Stuttgart vom 13.01.2016 - 9 U 183/15 - juris Rn. 5 ff. mit ausführlicher Begründung).
In der Literatur wird mehrheitlich dieselbe Auffassung vertreten (s. etwa Artz in Erman, BGB, 15. Aufl. 2017, § 269 Rn. 13; Bittner in Staudinger, BGB, Neubearbeitung 2014, § 269 Rn. 28; Forster in Soergel, BGB, 13. Aufl. 2014, § 269 Rn. 30; Grüneberg in Palandt, BGB, 78. Aufl. 2018, § 269 Rn. 16; Heinrich in Musielak/Voit, ZPO, 14. Aufl. 2017; Hüßtege in Thomas/Putzo, ZPO, 38. Aufl. 2017, § 29 Rn. 6 [entgegen der bis zur 31. Aufl. vertretenen Ansicht]; Krüger in MK-BGB, 7. Aufl. 2016, § 269 Rn. 41; Patzina in MK-ZPO, 5. Aufl. 2016, § 29 Rn. 62; Roth in Stein/Jonas, ZPO, 23. Aufl. 2014, § 29 Rn. 21 und 45; Schultzky in Zöller, ZPO, 32. Aufl. 2018, § 29 Rn. 25 Stichwort „Rückabwicklung“; Smid/Hartmann in Wieczorek/Schütze, ZPO, 4. Aufl. 2015, § 29 Rn. 46).
c) Diese Meinung war nie unangefochten (vgl. aus der älteren Rechtsprechung OLG München vom 06.06.1917 in HRR 36, 42; LG Krefeld vom 27.07.1977 - 2 O 262/77 - juris Rn. 3 ff. m. w. N. [das dort zitierte Urteil des OLG Nürnberg vom 25.06.1974 - 7 U 57/74 - NJW 1974, 2237 lässt die Frage freilich offen und führt lediglich aus, beide Auffassungen führten zum selben Ergebnis]; aus der Literatur U. Huber in Soergel, BGB, 12. Aufl. 1991, § 467 BGB a. F. Rn. 97 und 99; monographisch Döhmel, Der Leistungsort bei Rückabwicklung von Verträgen (Diss. 1996), S. 110 bis 114 und S. 134 bis 136). Vor allem Stöber (NJW 2006, 2661-2665) hat die herrschende Auffassung einer eingehenden Kritik unterzogen und ist zu der Auffassung gelangt, dass es keinen überzeugenden Grund gebe, abweichend vom allgemeinen Grundsatz, dass der Erfüllungsort hinsichtlich jeder einzelnen Leistungsverpflichtung gesondert zu betrachten sei, im Fall der Ausübung eines gesetzlichen Rücktrittsrechts einen einheitlichen Erfüllungsort am Ort der vertragsgemäßen Belegenheit der Kaufsache anzunehmen. Wohl vor allem im Anschluss an diesen Aufsatz vertreten mehrere erstinstanzliche Gerichte mit jeweils ausführlicher Begründung die Auffassung, ein einheitlicher Erfüllungsort und damit ein besonderer Gerichtsstand am Belegenheitsort der Kaufsache sei abzulehnen (LG Bielefeld vom 28.04.2015 - 7 O 321/14 - juris Rn. 16 ff. [aufgehoben durch OLG Hamm vom 20.10.2015 - I-28 U 91/15 u. a. - juris]; LG München I vom 27.05.2016 - 31 O 4631 O 4674/16 - juris Rn. 5 ff.; LG Stralsund vom 13.10.2011 - 6 O 211/11 - juris Rn. 4 ff.; LG Tübingen vom 17.09.2015 - 5 O 68/15 - juris Rn. 23 ff. [aufgehoben durch OLG Stuttgart vom 13.01.2016 - 9 U 183/15 -juris]; Amtsgericht Hechingen vom 02.02.2012 - 2 C 463/11 - juris Rn. 16 ff.). Auch - 24 U 1279/18 - Seite 5 - Kaiser (in Staudinger, BGB, Neubearbeitung 2012, § 346 Rn. 84) vertritt nunmehr (unter Aufgabe ihrer in der Vorauflage vertretenen Auffassung) die Ansicht, der Erfüllungsort könne in der Regel nicht an den Belegenheitsort der Sache verlegt werden.
a) Der Senat sieht davon ab, den Inhalt der Diskussion ein weiteres Mal nachzuzeichnen. Insoweit wird hinsichtlich der herrschenden Auffassung auf die oben zu Nr. 2 Buchst. b) zitierten Entscheidungen der Oberlandesgerichte Düsseldorf, Hamm, München, Stuttgart und vor allem Schleswig, hinsichtlich der Gegenmeinung auf die oben zu Nr. 2 Buchst. c) zitierte Rechtsprechung und vor allem auf den Aufsatz von Stöber (NJW 2006, 2661-2665) verwiesen.
b) Der an der herrschenden Meinung geübten Kritik ist nach Auffassung des Senats insoweit zuzustimmen, als es keinen sachlich oder dogmatisch zwingenden Grund dafür gibt, „aus den Umständen, insbesondere aus der Natur des Schuldverhältnisses“ (§ 269 Abs. 1 BGB) zu folgern, nach gesetzlichem Rücktritt vom beiderseits erfüllten Kaufvertrag gebe es einen einheitlichen Erfüllungsort am Ort der vertragsgemäßen Belegenheit der Kaufsache.
c) Ebenso wenig vermag der Senat allerdings zu erkennen, dass die herrschende Auffassung unvertretbar wäre. Insbesondere sprechen aus Sicht des Senats zwei praktische Argumente für die herrschende Meinung: Zum einen hat der Käufer im Fall des Rücktritts nicht nur einen Anspruch auf Rückzahlung des Kaufpreises, sondern auch einen Anspruch auf Rücknahme der Kaufsache durch den Käufer; dieser Anspruch ist unstreitig am Ort der vertragsgemäßen Belegenheit der Kaufsache zu erfüllen. Sofern der Käufer beide Ansprüche nach Rücktritt gerichtlich geltend machen will, widerspräche es der Prozessökonomie, wenn er zwar den Rücknahmeanspruch, nicht aber den Anspruch auf Rückzahlung des Kaufpreises am Gerichtsstand der Belegenheit der Sache verfolgen könnte (OLG Schleswig, a. a. O., Rn. 36; im gleichen Sinn wohl OLG Hamm, a. a. O., Rn. 32, und OLG Stuttgart, a. a. O., Rn. 6). Zum anderen gestaltet sich eine oftmals zur Klärung des Bestehens eines Rücktrittsgrundes erforderliche Beweisaufnahme durch Sachverständigengutachten kostengünstiger, wenn ein Auseinanderfallen von Belegenheits- und Gerichtsort vermieden wird, da ein am Gerichtsort ansässiger Sachverständiger mit der Begutachtung der Sache am selben Ort beauftragt werden kann und der Sachverständige auch keine lange Anreise hat, wenn er zur Erläuterung seines Gutachtens zum Termin geladen wird. Verneinte man hingegen den Gerichtsstand am Belegenheitsort, ergäbe sich, dass entweder die zu begutachtende Sache zum Gerichtsort geschafft werden müsste oder der Sachverständige zeit- und kostenintensive weite Wege auf sich nehmen müsste, sei es, um die Sache zu begutachten, sei es, um sein Gutachten im Termin zu erläutern. Insofern ist die Argumentation des Oberlandesgerichts Schleswig (a. a. O., Rn. 35; vgl. auch OLG Hamm, a. a. O., Rn. 36), die Bejahung eines Gerichtsstands am Belegenheitsort entspreche dem mutmaßlichen Willen der an einer kostengünstigen Beweisaufnahme interessierten Parteien, verständlich.
d) Vor diesem Hintergrund ist es aus Sicht des Senats bereits zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung und damit im Interesse der Rechtssicherheit geboten, nicht von der einheitlichen Linie abzuweichen, welche durch die zitierten zahlreichen obergerichtlichen Entscheidungen vorgegeben ist. Das gilt umso mehr, als es nicht möglich ist, die Revision zuzulassen und so eine Leitentscheidung durch den Bundesgerichtshof zu ermöglichen. Diesem zufolge ergibt sich aus § 545 Abs. 2 ZPO über dessen Wortlaut hinaus nämlich, dass die Zuständigkeit des Gerichts erster Instanz der Nachprüfung durch das Revisionsgericht schlechthin entzogen ist (BGH vom 22.02.2005 - KZR 28/03 - juris Rn. 22; vom 07.03.2006 - VI ZR 42/05 - juris Rn. 11), so dass eine Revision auch dann nicht zulässig ist oder zugelassen werden kann, wenn das Berufungsgericht die örtliche Zuständigkeit des erstinstanzlichen Gerichts im Gegensatz zu diesem bejaht (BGH vom 26.06.2003 - III ZR 91/03 - juris Rn. 7). Unter diesen Umständen ist die Einheitlichkeit der Rechtsprechung, deren Bedeutung auf der Hand liegt und auch vom Gesetzgeber in § 543 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 ZPO anerkannt und hervorgehoben worden ist, nur dadurch zu wahren, dass der Senat sich der aus seiner Sicht gut vertretbaren, wenn auch nicht unbezweifelbaren einheitlichen Rechtsprechung zahlreicher Oberlandesgerichte anschließt.
II.
III.
Urteilsbesprechung zu Oberlandesgericht München Endurteil, 04. Okt. 2018 - 24 U 1279/18
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Oberlandesgericht München Endurteil, 04. Okt. 2018 - 24 U 1279/18 zitiert oder wird zitiert von 7 Urteil(en).
(1) Für Streitigkeiten aus einem Vertragsverhältnis und über dessen Bestehen ist das Gericht des Ortes zuständig, an dem die streitige Verpflichtung zu erfüllen ist.
(2) Eine Vereinbarung über den Erfüllungsort begründet die Zuständigkeit nur, wenn die Vertragsparteien Kaufleute, juristische Personen des öffentlichen Rechts oder öffentlich-rechtliche Sondervermögen sind.
(1) Ist ein Ort für die Leistung weder bestimmt noch aus den Umständen, insbesondere aus der Natur des Schuldverhältnisses, zu entnehmen, so hat die Leistung an dem Ort zu erfolgen, an welchem der Schuldner zur Zeit der Entstehung des Schuldverhältnisses seinen Wohnsitz hatte.
(2) Ist die Verbindlichkeit im Gewerbebetrieb des Schuldners entstanden, so tritt, wenn der Schuldner seine gewerbliche Niederlassung an einem anderen Ort hatte, der Ort der Niederlassung an die Stelle des Wohnsitzes.
(3) Aus dem Umstand allein, dass der Schuldner die Kosten der Versendung übernommen hat, ist nicht zu entnehmen, dass der Ort, nach welchem die Versendung zu erfolgen hat, der Leistungsort sein soll.
(1) Geld hat der Schuldner im Zweifel auf seine Gefahr und seine Kosten dem Gläubiger an dessen Wohnsitz zu übermitteln.
(2) Ist die Forderung im Gewerbebetrieb des Gläubigers entstanden, so tritt, wenn der Gläubiger seine gewerbliche Niederlassung an einem anderen Ort hat, der Ort der Niederlassung an die Stelle des Wohnsitzes.
(3) Erhöhen sich infolge einer nach der Entstehung des Schuldverhältnisses eintretenden Änderung des Wohnsitzes oder der gewerblichen Niederlassung des Gläubigers die Kosten oder die Gefahr der Übermittlung, so hat der Gläubiger im ersteren Falle die Mehrkosten, im letzteren Falle die Gefahr zu tragen.
(4) Die Vorschriften über den Leistungsort bleiben unberührt.
(1) Für Streitigkeiten aus einem Vertragsverhältnis und über dessen Bestehen ist das Gericht des Ortes zuständig, an dem die streitige Verpflichtung zu erfüllen ist.
(2) Eine Vereinbarung über den Erfüllungsort begründet die Zuständigkeit nur, wenn die Vertragsparteien Kaufleute, juristische Personen des öffentlichen Rechts oder öffentlich-rechtliche Sondervermögen sind.
(1) Ist ein Ort für die Leistung weder bestimmt noch aus den Umständen, insbesondere aus der Natur des Schuldverhältnisses, zu entnehmen, so hat die Leistung an dem Ort zu erfolgen, an welchem der Schuldner zur Zeit der Entstehung des Schuldverhältnisses seinen Wohnsitz hatte.
(2) Ist die Verbindlichkeit im Gewerbebetrieb des Schuldners entstanden, so tritt, wenn der Schuldner seine gewerbliche Niederlassung an einem anderen Ort hatte, der Ort der Niederlassung an die Stelle des Wohnsitzes.
(3) Aus dem Umstand allein, dass der Schuldner die Kosten der Versendung übernommen hat, ist nicht zu entnehmen, dass der Ort, nach welchem die Versendung zu erfolgen hat, der Leistungsort sein soll.
Tenor
Auf die Berufung des Klägers wird das am 28.04.2015 verkündete Urteil des Einzelrichters der 7. Zivilkammer des Landgerichts Bielefeld aufgehoben.
Die Sache wird zur weiteren Verhandlung und Entscheidung an das Landgericht zurückverwiesen, das auch über die Kosten des Berufungsverfahrens zu entscheiden hat.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
1
G r ü n d e:
2I.
3Die Parteien streiten über die Rückabwicklung eines Kaufvertrags über ein Gebrauchtfahrzeug vom Typ Saab 900 Cabriolet.
4Dieses Fahrzeug befand sich im Besitz des Beklagten, der in Q wohnt. Er bot das Cabriolet im September 2014 über das Internet zum Kauf an. Der Kläger, der in M wohnt, wurde auf das Inserat aufmerksam. Er nahm in Q eine Fahrzeugbesichtigung vor und einigte sich mit dem Beklagten darauf, das Cabriolet zum Preis von 5.650,00 EUR zu kaufen. Nach entsprechender Barzahlung verbrachte der Kläger das Fahrzeug nach M.
5Bei dem Kläger entstand zu Hause nach Durchsicht der Fahrzeugpapiere der Eindruck, dass die im Kaufvertrag vom 07.09.2014 angegebene „Gesamtlaufleistung: 173.000 km“ unzutreffend sei und das Fahrzeug tatsächlich eine erheblich höhere Laufleistung aufweise. Noch bevor er die Zulassung des Fahrzeugs auf seinen Namen veranlasst hatte, erklärte der Kläger am 09.09.2014 den Rücktritt vom Kaufvertrag und forderte den Beklagten auf, das Cabriolet bis zum 20.09.2014 in M abzuholen.
6Nachdem der Beklagte sich nicht auf eine Rückabwicklung des Kaufvertrags einließ, erhob der Kläger vor dem Landgericht Bielefeld eine Klage, mit der er beantragt hat,
71.
8den Beklagten zu verurteilen, an ihn 5.650,00 EUR zzgl. Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über Basiszins seit dem 14.10.2014 zzgl. vorgerichtliche Anwaltskosten in Höhe von 571,44 EUR nebst 5 Prozentpunkten Zinsen über Basiszins seit dem 14.10.2014 zu zahlen
92.
10festzustellen, dass sich der Beklagte mit der Rücknahme des PKW Saab 900 Cabriolet, amtliches Kennzeichen ####, Fahrzeugident.nr. #### wie auch der zugehörigen Fahrzeugpapiere in Annahmeverzug befindet.
11Der Beklagte hat die Zuständigkeit des angerufen Gerichts gerügt und beantragt,
12den Rechtsstreit an das Landgericht Potsdam zu verweisen.
13Das Landgericht hat den Kläger mit Verfügung vom 19.12.2014 darauf hingewiesen, dass es die vom Beklagten vorgetragenen Bedenken hinsichtlich der örtlichen Zuständigkeit teile, und nachgefragt, ob der Kläger gleichfalls die Verweisung an das Landgericht Potsdam beantrage. Darauf hat der Kläger ablehnend reagiert. Das Landgericht hat unter Aufrechterhaltung seines bisherigen Hinweises Termin zur mündlichen Verhandlung anberaumt.
14Darin hat der Beklagte beantragt,
15die Klage abzuweisen.
16Das Landgericht hat die Klage durch Urteil vom 28.04.2015 als unzulässig abgewiesen und zur Begründung ausgeführt, dass seine örtliche Zuständigkeit fehle. Insbesondere liege im Bezirk des Landgerichts Bielefeld nicht der Gerichtsstand des Erfüllungsortes (§ 29 ZPO). Bei der Rückabwicklung eines Kaufvertrages könne nicht von einem einheitlichen Erfüllungsort am Belegenheitsort der gekauften Sache ausgegangen werden; vielmehr seien die Leistungspflichten gem. § 269 ZPO grundsätzlich gesondert zu bestimmen. Hierbei sei zu berücksichtigen, dass der Kläger nicht Zug um Zug die Rückgabe bzw. -übereignung des Fahrzeugs beantragt habe. Auch der mutmaßliche Parteiwille sei nicht darauf ausgerichtet, dass die Kaufsache nach Übergabe an den Käufer an dessen Wohnsitz verbleibe. Die Praktikabilität spreche eher gegen einen dortigen Gerichtsstand, weil es in Gebrauchtwagenfällen häufig auf den Arglisteinwand ankäme und Zeugen aus dem Umfeld des Verkäufers vernommen werden müssten. Ein entscheidendes Kriterium für einen Gerichtsstand am Wohnsitz des Käufers könne auch nicht darin gesehen werden, dass man ihn als vermeintliches „Opfer“ einer Pflichtverletzung des Verkäufers belohnen müsse.
17Gegen dieses Urteil richtet sich die Berufung des Klägers. Er trägt darin vor, dass die Klageabweisung durch Prozessurteil rechtsfehlerhaft gewesen sei. Dem Beklagten sei im Übrigen bekannt gewesen, dass das Saab Cabriolet von der Ehefrau des Klägers habe genutzt werden sollen, also „relativ stationär“ am Wohnsitz des Klägers.
18Soweit das Landgericht einen Zug-um-Zug-Antrag vermisst habe, hätte Anlass bestanden, insoweit einen richterlichen Hinweis zu erteilen. Wäre dies geschehen, so wäre der Hauptsacheantrag - wie nunmehr in der Berufungsinstanz geschehen - umgestellt worden.
19Der Kläger beantragt,
20das erstinstanzliche Urteil aufzuheben und nach Feststellung der Zuständigkeit des Landgerichts Bielefeld die Sache an das Landgericht Bielefeld zur anderweiten Entscheidung in der Hauptsache zurückzuverweisen, wobei der Hauptsacheantrag dahingehend ergänzt werde, dass der Beklagte zu verurteilen sei, an ihn 5.650,00 EUR zzgl. Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über Basiszins seit dem 14.04.2014 zzgl. vorgerichtliche Anwaltskosten in Höhe von 571,44 EUR nebst 5 Prozentpunkten Zinsen über Basiszins seit dem 14.10.2014 Zug um Zug gegen Rücknahme des PKW Saab 900 Cabrio, Fahrzeugident.nr. #### zu zahlen
21hilfsweise den Rechtsstreit zur Entscheidung über den vorstehenden Antrag und den Feststellungsantrag I. Instanz an das Landgericht Potsdam zu verweisen
22ganz hilfsweise in der Sache auch zur Hauptsache unter Berücksichtigung des oben ergänzten Antrags selbst zu entscheiden.
23Der Beklagte beantragt,
24die Berufung zurückzuweisen.
25Er bekräftigt das landgerichtliche Urteil mit näheren Ausführungen. Er bestreitet mit Nichtwissen, dass bei Vertragsschluss über eine „relativ stationäre“ Verwendung des Saab Cabriolets am Wohnsitz des Klägers gesprochen worden sei. Das ergebe sich nicht aus dem Vertragstext.
26Nach Zustimmung der Parteien hat der Senat mit Beschluss vom 17.09.2015 das schriftliche Verfahren angeordnet mit Schriftsatzfrist bis zum 08.10.2015.
27Wegen der näheren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die zur Akte gereichten Schriftsätze nebst Anlagen sowie auf den Inhalt des erstinstanzlichen Urteils Bezug genommen.
28II.
29Die zulässige Berufung des Klägers ist begründet.
30Sie führt zu der tenorierten Aufhebung und Zurückverweisung, weil in dem angefochtenen Urteil zu Unrecht nur über die Zulässigkeit der Klage entschieden wurde (§ 538 Abs. 2 Nr. 3 ZPO).
311. Das Landgericht hätte die Klage nicht wegen fehlender örtlicher Zuständigkeit als unzulässig abweisen dürfen. Der Kläger konnte vielmehr gem. § 35 ZPO nach seiner Wahl die Klage vor dem Landgericht Bielefeld erheben, weil dort der Gerichtsstand des Erfüllungsortes gegeben ist (§ 29 Abs. 1 ZPO).
32Nach der Regelung des § 29 Abs. 1 ZPO ist für Streitigkeiten aus einem Vertragsverhältnis - auch - das Gericht des Ortes zuständig, an dem die streitige Verpflichtung zu erfüllen ist. Der insofern maßgebliche Ort richtet sich nach dem materiellen Recht (BGH NJW 2011, 2056 - juris-Tz. 29).
33Nach dem vom Kläger zur Klagebegründung vorgetragenen Sachverhalt soll ihm gegen den Beklagten ein Anspruch auf Rückzahlung des Kaufpreis von 5.650,00 EUR zustehen, weil er wirksam von dem Kaufvertrag über das Saab 900 Cabriolet zurückgetreten sei.
34Das materielle Recht enthält keine abschließende Regelung, an welchem Ort die hier streitige Verpflichtung zur Rückzahlung des Kaufpreises zu erfüllen ist. Abzustellen ist vielmehr auf § 269 Abs. 1 BGB. Danach richtet sich der Ort für die Leistung nach der von den Parteien getroffenen Bestimmung oder nach den Begleitumständen, die sich insbesondere aus der Natur des Schuldverhältnisses ergeben. Wenn sich insoweit keine Feststellungen treffen lassen, bildet der Wohnsitz des Verkäufers, der vermeintlich die Rückzahlung des Kaufpreises schuldet, den maßgeblichen Leistungsort.
35Die Parteien haben bei Abschluss des Kaufvertrages zwar keine ausdrückliche Bestimmung getroffen, wie im Falle der Rückabwicklung des Vertrages zu verfahren sei. Ihnen kann allerdings der mutmaßliche Wille unterstellt werden, dies nach den einschlägigen gesetzlichen Bestimmungen zu tun. Dabei ergibt sich aus §§ 346, 323, 440, 434, 433 BGB, dass der Käufer selbst bei wirksamer Ausübung des gesetzlichen Rücktrittsrechts keinen uneingeschränkten Anspruch auf Rückzahlung des Kaufpreises hat, sondern dass dieser Anspruch vom Verkäufer nur Zug um Zug gegen Rückgabe und Rückübereignung der Kaufsache zu erfüllen ist.
36Der Kläger hat zwar erstinstanzlich keinen solchen Zug-um-Zug-Antrag gestellt, weil das Landgericht den gem. § 139 Abs. 1 S. 2 ZPO gebotenen richterlichen Hinweis auf eine entsprechende Klageumstellung unterlassen hat. Der Kläger hat dies allerdings erwartungsgemäß mit der Berufungsbegründung nachgeholt und für den Fall der Zurückverweisung angekündigt, die Rückzahlung des Kaufpreises nur Zug um Zug gegen Fahrzeugrückgabe beanspruchen zu wollen. Diese neue Antragstellung ist nunmehr für die Beurteilung entscheidend, ob die Klage als zulässig anzusehen und deshalb eine Zurückverweisung vorzunehmen ist (Ball, in: Musielak/Voit ZPO, 12. Aufl. 2015, § 538 Rnr. 25).
37Wenn man vor diesem Hintergrund davon ausgeht, dass hier nach einem wirksamen Rücktritt die ausgetauschten Leistungen Zug um Zug rückabzuwickeln sind, dann steht wiederum rechtlich außer Frage, dass der Beklagte als Verkäufer verpflichtet ist, das – unterstellt: – mangelhafte Fahrzeug bei dem Kläger in M abzuholen (Reinking/Eggert Der Autokauf, 12. Aufl. 2014, Rnr. 1220). Nach der Vorstellung des Gesetzgebers soll der Verkäufer dann auch bei dieser Gelegenheit der Fahrzeugabholung Zug um Zug seine Verpflichtung zur Rückzahlung des Kaufpreises erfüllen.
38Dieses mutmaßlich auch von den Parteien so gewollte Prozedere spricht dafür, bei der Rückabwicklung eines Autokaufs im Rahmen des § 29 Abs. 1 ZPO einen einheitlichen Gerichtsstand des Erfüllungsortes dort anzunehmen, wo sich das gekaufte Fahrzeug im Zeitpunkt der Rücktrittserklärung vertragsgemäß befindet – nämlich regelmäßig am Wohnsitz des Käufers. Dies entspricht zu Recht der vorherrschenden Auffassung (BGH NJW 1983, 1479 – juris-Tz. 14; OLG Schleswig, Urt. 3 U 99/11 vom 04.09.2012; OLG Düsseldorf, Beschl. 22 W 19/13 vom 17.07.2013; OLG Köln DAR 2011, 260; OLG Karlsruhe MDR 2013, 898; OLG Nürnberg, Urt. 2 U 2074/08 vom 20.02.2009; OLG Bamberg ZfSch 2013, 568; OLG München MDR 2014, 450; Palandt/Grüneberg BGB, 74. Aufl. 2015, § 269 Rnr. 16; Reinking/Eggert a.a.O. Rnrn. 1217f, 1264; Zöller/Vollkommer ZPO, 30. Aufl. 2014; ZPO § 29 Rnr. 25 „Kaufvertrag“).
39Für die abweichende Rechtsansicht des Landgerichts, der Gerichtsstand des Erfüllungsortes liege am Wohnsitz des Beklagten in Q, lassen sich dagegen keine tragfähigen Umstände anführen:
40Zwar ist in der Rechtsprechung anerkannt, dass auch die nach § 439 BGB vom Verkäufer vorrangig geschuldete Nacherfüllung grundsätzlich an dessen Betriebs- oder Wohnsitz vorzunehmen ist (BGH NJW 2011, 2278). Das lässt aber nicht den Rückschluss zu, dass dort auch die spätere Rückabwicklung des Kaufvertrages zu erfolgen hat. Vielmehr wird sich im Gegenteil das Scheitern der Nacherfüllung als Rücktrittsvoraussetzungen in der Regel erst dann feststellen lassen, wenn der Käufer das Fahrzeug im Anschluss an den Nacherfüllungsversuch wieder zur bestimmungsgemäßen Verwendung zurückerhalten hat.
41Auch die vom Landgericht angeführten Erwägungen zur Prozessökonomie vermögen keinen Gerichtsstand am Wohnsitz des Verkäufers zu begründen. Abgesehen davon, dass sich der Erfüllungsort i.S.d. § 29 Abs. 1 ZPO - wie dargestellt - nach dem materiellen Recht richtet (BGH NJW 2004, 54 - juris-Tz. 12), müssen auch nicht bei jeder Rückabwicklungsklage – wie offenbar das Landgericht meint – „Arglistzeugen“ am Wohnort des Verkäufers vernommen werden. Vielmehr richtet sich der erforderliche prozessuale Aufwand nach den Umständen des Einzelfalles. So wird es im Streitfall zur Klärung der relevanten Frage, ob das Saab Cabriolet eine zugesagte Gesamtlaufleistung nicht aufweist, möglicherweise auf die Vernehmung der Vorbesitzer ankommen, die nicht zwangsläufig aus Q kommen müssen. Außerdem wird möglicherweise das Gutachten eines Kfz-Sachverständigen einzuholen sein, bei dem ein Auseinanderfallen des Standorts des zu untersuchenden Fahrzeugs und des Gerichtsortes regelmäßig zu Mehrkosten führt.
422. Der Rechtsstreit ist noch nicht entscheidungsreif, so dass keine eigene Sachentscheidung des Senats in Betracht kommt.
43III.
44Auch eine Kostenentscheidung durch den Senat ist nicht veranlasst.
45IV.
46Die Revision war nicht zuzulassen, weil die Voraussetzungen des § 543 Abs. 2 ZPO nicht vorliegen. Im Übrigen hat der Senat nur i.S.d. § 545 Abs. 2 ZPO über die Frage der Zuständigkeit entschieden, die der Revision nicht zugänglich ist (BGH NJW 2003, 2917).
Tenor
Die Klage wird abgewiesen.
Die Kosten des Rechtsstreits trägt der Kläger.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Der Kläger kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110% des vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht der Beklagte zuvor Sicherheit in Höhe von 110% des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.
1
Tatbestand:
2Die Parteien streiten um die örtliche Zuständigkeit des erkennenden Gerichts.
3Der Kläger, der im hiesigen Gerichtsbezirk ansässig ist, kaufte mit Kaufvertrag vom 07.09.2014 einen gebrauchten PKW der Marke Saab 900 Cabrio vom Beklagten. Der Kaufvertrag wurde am Wohnort des Beklagten in Potsdam geschlossen. Das Fahrzeug sollte für die Frau des Klägers bestimmt sein, die an dem Gespräch teilnahm.
4Mit der Klage verlangt der Kläger die Rückabwicklung des Kaufvertrages mit der Behauptung, der Beklagte habe arglistig über die Kilometerlaufleistung getäuscht.
5Der Kläger ist der Ansicht, der Wohnsitz des Klägers sei Erfüllungsort für die gletend gemachte Rückzahlung.
6Der Kläger beantragt,
7den Beklagten zu verurteilen, an den Kläger 5.650,00 € zzgl. Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über Basiszins seit dem 14.10.2014 zzgl. vorgerichtlichen Anwaltskosten in Höhe von 571,44 € nebst 5 Prozentpunkten Zinsen über Basiszinssatz seit dem 14.10.2014 zu zahlen,
8festzustellen,
9dass sich der Beklagte mit der Rücknahme des PKW Saab 900 Cabrio, amtliches Kennzeichen P-MF 790 Fahrzeugidentifikationsnummer xxx wie auch der zugehörigen Fahrzeugpapiere in Annahmeverzug befindet.
10Der Beklagte beantragt,
11die Klage abzuweisen.
12Entscheidungsgründe:
13Die Klage ist unzulässig.
14Es fehlt an der örtlichen Zuständigkeit des angerufenen Gerichtes.
15Insbesondere ergibt sich die örtliche Zuständigkeit nicht aus § 29 ZPO.
161. Erfüllungsort für den eingeklagten Zahlungsanspruch ist gemäß § 269 Abs.1 BGB grundsätzlich der Wohnort des Beklagten.
17Der Erfüllungsort im Sinne von § 29 ZPO bestimmt sich nach materiellem Recht. Für vertragliche Verpflichtungen regelt § 269 BGB den Leistungsort, der dem Erfüllungsort entspricht. Danach hat die Leistung vorbehaltlich gesetzlicher Sondervorschriften in der Regel an dem Ort zu erfolgen, an welchem der Schuldner zur Zeit der Entstehung des Schuldverhältnisses seinen Wohnsitz, bei juristischen Personen den Sitz hatte. Etwas anderes gilt erst dann, wenn festgestellt wird, dass die Vertragsparteien einen anderen Leistungsort bestimmt haben oder die Umstände des Falls einen solchen ergeben. Aus welchen Umständen auf einen vom Sitz der Beklagten abweichenden Erfüllungsort geschlossen werden kann, beurteilt sich nach dem Sinn und Zweck der Regelung. Den Gesetzesmaterialien ist zu entnehmen, dass zu diesen Umständen neben der Natur des Schuldverhältnisses die Beschaffenheit der Leistung und der mutmaßliche Wille der Beteiligten gehören sollten. Diese Begriffe waren im ersten Entwurf zum BGB ausdrücklich aufgeführt, wurden dann aber gestrichen, weil man es für richtiger und einfacher hielt, auf die Umstände des Falles zu verweisen und als einen dieser Umstände die Natur des Schuldverhältnisses hervorzuheben. In dem Protokoll heißt es dazu: "Daß zu den zu berücksichtigenden Umständen vor Allem auch die Beschaffenheit der Leistung gehöre, erschien selbstverständlich. Der mutmaßliche Wille der Beteiligten aber sei nichts Anderes, als was sich aus den Umständen des Falles ergebe, und könne deshalb nicht neben diesen genannt werden." (Mugdan, Die gesamten Materialien zum Bürgerlichen Gesetzbuch für das Deutsche Reich, II. 1899, S. 524; BGHZ 157, aaO; Siemon MDR 2002, 366, 369). (BGH, Urteil vom 24. Januar 2007 – XII ZR 168/04 –, Rn. 16, juris).
182. Besondere Umstände gemäß § 269 BGB sind nach Ausübung eines gesetzlichen Rücktrittsrechts im Kaufrecht nicht generell dahingehend anzunehmen, dass ein gemeinsamer Erfüllungsort am Belegenheitsort der Sache anzunehmen ist.
19Wenngleich in der Rechtsprechung unter Rückgriff auf die Entscheidung des BGH vom 09.03.1983 (BGH – VIII ZR 11/82 –, BGHZ 87, 104-112, Rn. 14) teilweise behauptet wird, bei der Rückabwicklung eines Kaufvertrages solle man von einem einheitlichen Erfüllungsort ausgehen und zwar an dem Ort, wo sich die Sache vertragsgemäß befindet (vgl. z.B. Bayerisches Oberstes Landesgericht, Beschluss vom 09. Januar 2004 – 1Z AR 140/03 –, Rn. 10, juris), so überzeugt dies nicht.
20Schon dem Wortlaut des § 269 BGB nach ist der Erfüllungsort für jede vertragliche Pflicht gesondert zu bestimmen, ein Anhaltspunkt dafür, dass für die Primärleistungen sowie für die Rückabwicklungsleistungen bei gegenseitigen Verträgen generell ein einheitlicher Erfüllungsort bestehen soll, ist nicht ersichtlich (vgl. BeckOK-Lorenz, § 269 BGB, Stand: 01.05.2014, Rn. 9).
21Ein praktisches Bedürfnis nach einem gemeinsamen Gerichtsstand bei Rückabwicklung eines PKW-Kaufes wird insbesondere vom OLG Schleswig gesehen (Schleswig-Holsteinisches Oberlandesgericht, Urteil vom 04. September 2012 – 3 U 99/11 –, Rn. 35, juris) mit dem Argument, dass wenn für eine absehbarer Zeit über das Vorliegen des Rücktrittsgrundes gestritten werden wird, es dem mutmaßlichen Willen der Parteien eher zu entsprechen erscheint, dass der Rechtsstreit am Belegenheitsort ausgetragen wird, wo eine Beweisaufnahme i.d.R. kostengünstiger möglich ist.
22Nicht klar ist, weshalb diese Erwägung dazu führen soll, dass generell ein gemeinsamer Erfüllungsort bei Rücktritt vom Kaufvertrag als mutmaßlicher Parteiwille angenommen werden soll. Dass in § 269 Abs.1 BGB eine Einzelfallentscheidung nach Umständen verlangt wird, spräche wenigstens dafür, nach Rücktrittsgrund zu differenzieren.
23Ein Rücktritt kann grundsätzlich von beiden Parteien erfolgen und aus verschiedenen Gründen. Eine generelle Praktikabilität in Hinblick auf die Durchführung einer Beweisaufnahme ist auch nicht ersichtlich. So zeigt die Erfahrung in Fällen des Privatverkaufs eines Pkw wie dem vorliegenden, dass eine Rückabwicklung regelmäßig nur mit der Arglistbehauptung verlangt werden kann und für die Frage der Kenntnis des Verkäufers vom Zustand des Fahrzeugs Zeugen aus dessen Umfeld vernommen werden müssen.
24Die Rückgewährschuld entsteht erst mit Erklärung des Rücktritts. Wo sich ein Fahrzeug vertragsgemäß befindet ist ein Kriterium, welches sich wohl nur auf den Willen der Parteien bei Vertragsschluss beziehen kann. Dies ist inkonsistent. Gegenstand des Kaufvertrags ist in aller Regel nicht der weitere Verbleib der Kaufsache. Vielmehr kann der Käufer nach Eigentumsübertragung damit verfahren wie er will.
25Auch das in Anlehnung an die Entscheidung des BGH vom 09.03.1983 (BGH – VIII ZR 11/82 –, BGHZ 87, 104-112, Rn. 14) diskutierte Argument, dass der Verkäufer bei einem gesetzlichen Rücktritt eine Pflichtverletzung begangen habe und deshalb ein Erfüllungsort am Ort des Käufers hinzunehmen habe ist nicht stichhaltig.
26Hinter diesem Argument der Risikosphäre steckt die Wertung, dass das „Opfer“ einer Pflichtverletzung mit einem Gerichtsstand am eigenen Wohnort „belohnt“ wird. Diese Wertung im Falle des Privatverkaufs (auch bei einem Kauf zwischen Verbraucher und Unternehmer wäre ein grundsätzlicher Verbrauchergerichtsstand nicht anzunehmen) würde nur dann dem mutmaßlichen Willen der Parteien entsprechen, wenn beide Parteien einen solchen Gerichtsstand in Anspruch nehmen könnten. Bei dem nicht zahlenden Käufer müsste man auch einen Gerichtsstand am Wohnsitz des Verkäufers annehmen. Dies müsste allerdings gesetzlich normiert werden und kann nicht dem Vertrag entnommen werden, auch weil diese Argumente in § 269 BGB keinen Anhaltspunkt finden.
27Zum anderen ist der BGH von der Annahme eines gemeinsamen Erfüllungsortes teilweise auch abgerückt, so etwa beim Anwaltsvertrag (BGH, Urteil vom 04. März 2004 – IX ZR 101/03 –, Rn. 6, juris).
28Deutlich wird der BGH in einem weiteren Urteil:
29Allein deshalb, weil am Ort der Beherbergung der Schwerpunkt des Vertrages liegt, kann ein einheitlicher Erfüllungsort für Leistung und Gegenleistung nicht bejaht werden (BGHZ 157, 20, 25). Dies hätte nämlich zur Folge, dass, da die vertragstypische Leistung regelmäßig nicht durch die Zahlungsverpflichtung bestimmt wird, nahezu bei jedem Vertragstyp ein einheitlicher Erfüllungsort für Leistung und Gegenleistung vorläge. Das ist mit der Regelung des § 269 Abs. 1 BGB unvereinbar (BGHZ aaO). Ein einheitlicher Erfüllungsort kann deshalb nur dann angenommen werden, wenn dafür weitere Umstände festgestellt werden können, wie etwa die o.g. Verkehrssitte oder bei einem Bauvertrag der Umstand, dass auch der Besteller am Ort des Bauwerks mit der Abnahme gemäß § 640 BGB eine seiner Hauptpflichten erfüllen muss (BGH, Urteil vom 24. Januar 2007 – XII ZR 168/04 –, Rn. 21, juris).
30Derartige Umstände sind im vorliegenden Fall weder für die Primärpflichten als auch für die Sekundärpfichten ersichtlich, der Kaufvertrag wurde in Potsdam geschlossen.
31Der Kläger hat auch keine Zug-um-Zug-Leistung beantragt, sofern man dies als Voraussetzung für einen gemeinsamen Erfüllungsort ansehen will (vgl. Zöller-Vollkommer, 30.Auflage, § 29 ZPO, Rn.25 „Kaufvertrag“), was allerdings auch nicht überzeugt.
32Das weitere Argument, dass bei Rücktritt vom Kaufvertrag regelmäßig auf Rücknahme der Sache geklagt und dann kein gemeinsamer Gerichtsstand gemäß § 29 ZPO bestünde, bezieht sich auf die grundsätzlich auch für die Primärpflichten bestehende Problematik, dass sich für verschiedene Pflichten verschiedene Gerichtsstände ergeben könnten. Grundsätzlich kann der Kläger entsprechendes vermeiden, wenn er den allgemeinen Gerichtsstand wählt.
33Schon die Annahme eines gemeinsamen Erfüllungsortes für die behaupteten Rückgewährpflichten ist vorliegend deshalb nicht gerechtfertigt.
343.
35Auch ergibt die Auslegung im Einzelfall, dass eine unterstellte vertragliche Bestimmung, wo sich das gekaufte Fahrzeug vertragsgemäß befindet, nicht ersichtlich ist.
36Fahrzeuge befinden sich typischerweise und bestimmungsgemäß nicht nur am Wohnsitz des Käufers, sondern unterwegs zu den verschiedensten Zielen, wie etwa der Arbeitsstätte, dem Urlaubsort oder sonstigen Reisezielen (BGH, Urteil vom 13. April 2011 – VIII ZR 220/10 –, BGHZ 189, 196-217).
37Wenn man in den Fällen, in denen keine besondere Verwendung vorausgesetzt worden ist immer auf den Wohn- oder Betriebssitz des Käufers abstellt (Schleswig-Holsteinisches Oberlandesgericht, Urteil vom 04. September 2012 – 3 U 99/11 –, Rn. 33, juris) führt das zu einem grundsätzlichen Gerichtsstand für den Käufer an seinem Wohnsitz, unabhängig davon, wie er die Sache verwendet. Den Verkäufer muss in den Fällen fehlender Vereinbarung nicht interessieren, wie eine Sache verwendet wird. Hier käme sogar hinzu, dass das Fahrzeug nicht für den Kläger, sondern für dessen Frau bestimmt sein sollte. Soll die Frage der Eröffnung eines Gerichtsstandes davon abhängen, ob der Kläger und seine Frau den gleichen Wohnort haben und ob ggf. hierüber mit dem Beklagten gesprochen worden ist?
38Bei beweglichen Sachen, die nicht aus vertraglichen Vereinbarungen ersichtlich eindeutig einem festen Ort zuzuordnen sind, etwa Grundstückszubehör, kommt der Belegenheitsort der Sache keine gerichtsstandbegründende Bedeutung zu.
39Erfüllungsort gemäß § 269 BGB ist mangels anderer Anhaltspunkte daher beim Wohnsitz des Beklagten anzunehmen.
404.
41Für den Feststellungsantrag besteht auch keine Zuständigkeit, da seine Bedeutung darin besteht, die Vollstreckung zu erleichtern, und damit dem Anspruch zu Ziffer 1. untergeordnet ist. Dass der Antrag nicht zulässig ist, weil gar keine Zug-um-Zug-Verurteilung beantragt ist, ist insofern nicht relevant.
42§ 29 ZPO gilt demgemäß nur für vertragliche Hauptpflichten.
43Stützt der Kläger seine Klage auf mehrere Verpflichtungen, die sich aus einem einzigen Vertrag ergeben, entscheidet die Hauptpflicht; Nebensächliches folgt der Hauptsache (BGH, Urteil vom 27. April 2010 – IX ZR 108/09 –, BGHZ 185, 241-252, Rn. 24).
44Die Klage war daher abzuweisen.
45Die prozessualen Nebenentscheidungen beruhen auf den §§ 91, 708 Nr. 11, 711 ZPO.
Tenor
Auf die Berufung des Klägers wird das am 28.04.2015 verkündete Urteil des Einzelrichters der 7. Zivilkammer des Landgerichts Bielefeld aufgehoben.
Die Sache wird zur weiteren Verhandlung und Entscheidung an das Landgericht zurückverwiesen, das auch über die Kosten des Berufungsverfahrens zu entscheiden hat.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
1
G r ü n d e:
2I.
3Die Parteien streiten über die Rückabwicklung eines Kaufvertrags über ein Gebrauchtfahrzeug vom Typ Saab 900 Cabriolet.
4Dieses Fahrzeug befand sich im Besitz des Beklagten, der in Q wohnt. Er bot das Cabriolet im September 2014 über das Internet zum Kauf an. Der Kläger, der in M wohnt, wurde auf das Inserat aufmerksam. Er nahm in Q eine Fahrzeugbesichtigung vor und einigte sich mit dem Beklagten darauf, das Cabriolet zum Preis von 5.650,00 EUR zu kaufen. Nach entsprechender Barzahlung verbrachte der Kläger das Fahrzeug nach M.
5Bei dem Kläger entstand zu Hause nach Durchsicht der Fahrzeugpapiere der Eindruck, dass die im Kaufvertrag vom 07.09.2014 angegebene „Gesamtlaufleistung: 173.000 km“ unzutreffend sei und das Fahrzeug tatsächlich eine erheblich höhere Laufleistung aufweise. Noch bevor er die Zulassung des Fahrzeugs auf seinen Namen veranlasst hatte, erklärte der Kläger am 09.09.2014 den Rücktritt vom Kaufvertrag und forderte den Beklagten auf, das Cabriolet bis zum 20.09.2014 in M abzuholen.
6Nachdem der Beklagte sich nicht auf eine Rückabwicklung des Kaufvertrags einließ, erhob der Kläger vor dem Landgericht Bielefeld eine Klage, mit der er beantragt hat,
71.
8den Beklagten zu verurteilen, an ihn 5.650,00 EUR zzgl. Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über Basiszins seit dem 14.10.2014 zzgl. vorgerichtliche Anwaltskosten in Höhe von 571,44 EUR nebst 5 Prozentpunkten Zinsen über Basiszins seit dem 14.10.2014 zu zahlen
92.
10festzustellen, dass sich der Beklagte mit der Rücknahme des PKW Saab 900 Cabriolet, amtliches Kennzeichen ####, Fahrzeugident.nr. #### wie auch der zugehörigen Fahrzeugpapiere in Annahmeverzug befindet.
11Der Beklagte hat die Zuständigkeit des angerufen Gerichts gerügt und beantragt,
12den Rechtsstreit an das Landgericht Potsdam zu verweisen.
13Das Landgericht hat den Kläger mit Verfügung vom 19.12.2014 darauf hingewiesen, dass es die vom Beklagten vorgetragenen Bedenken hinsichtlich der örtlichen Zuständigkeit teile, und nachgefragt, ob der Kläger gleichfalls die Verweisung an das Landgericht Potsdam beantrage. Darauf hat der Kläger ablehnend reagiert. Das Landgericht hat unter Aufrechterhaltung seines bisherigen Hinweises Termin zur mündlichen Verhandlung anberaumt.
14Darin hat der Beklagte beantragt,
15die Klage abzuweisen.
16Das Landgericht hat die Klage durch Urteil vom 28.04.2015 als unzulässig abgewiesen und zur Begründung ausgeführt, dass seine örtliche Zuständigkeit fehle. Insbesondere liege im Bezirk des Landgerichts Bielefeld nicht der Gerichtsstand des Erfüllungsortes (§ 29 ZPO). Bei der Rückabwicklung eines Kaufvertrages könne nicht von einem einheitlichen Erfüllungsort am Belegenheitsort der gekauften Sache ausgegangen werden; vielmehr seien die Leistungspflichten gem. § 269 ZPO grundsätzlich gesondert zu bestimmen. Hierbei sei zu berücksichtigen, dass der Kläger nicht Zug um Zug die Rückgabe bzw. -übereignung des Fahrzeugs beantragt habe. Auch der mutmaßliche Parteiwille sei nicht darauf ausgerichtet, dass die Kaufsache nach Übergabe an den Käufer an dessen Wohnsitz verbleibe. Die Praktikabilität spreche eher gegen einen dortigen Gerichtsstand, weil es in Gebrauchtwagenfällen häufig auf den Arglisteinwand ankäme und Zeugen aus dem Umfeld des Verkäufers vernommen werden müssten. Ein entscheidendes Kriterium für einen Gerichtsstand am Wohnsitz des Käufers könne auch nicht darin gesehen werden, dass man ihn als vermeintliches „Opfer“ einer Pflichtverletzung des Verkäufers belohnen müsse.
17Gegen dieses Urteil richtet sich die Berufung des Klägers. Er trägt darin vor, dass die Klageabweisung durch Prozessurteil rechtsfehlerhaft gewesen sei. Dem Beklagten sei im Übrigen bekannt gewesen, dass das Saab Cabriolet von der Ehefrau des Klägers habe genutzt werden sollen, also „relativ stationär“ am Wohnsitz des Klägers.
18Soweit das Landgericht einen Zug-um-Zug-Antrag vermisst habe, hätte Anlass bestanden, insoweit einen richterlichen Hinweis zu erteilen. Wäre dies geschehen, so wäre der Hauptsacheantrag - wie nunmehr in der Berufungsinstanz geschehen - umgestellt worden.
19Der Kläger beantragt,
20das erstinstanzliche Urteil aufzuheben und nach Feststellung der Zuständigkeit des Landgerichts Bielefeld die Sache an das Landgericht Bielefeld zur anderweiten Entscheidung in der Hauptsache zurückzuverweisen, wobei der Hauptsacheantrag dahingehend ergänzt werde, dass der Beklagte zu verurteilen sei, an ihn 5.650,00 EUR zzgl. Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über Basiszins seit dem 14.04.2014 zzgl. vorgerichtliche Anwaltskosten in Höhe von 571,44 EUR nebst 5 Prozentpunkten Zinsen über Basiszins seit dem 14.10.2014 Zug um Zug gegen Rücknahme des PKW Saab 900 Cabrio, Fahrzeugident.nr. #### zu zahlen
21hilfsweise den Rechtsstreit zur Entscheidung über den vorstehenden Antrag und den Feststellungsantrag I. Instanz an das Landgericht Potsdam zu verweisen
22ganz hilfsweise in der Sache auch zur Hauptsache unter Berücksichtigung des oben ergänzten Antrags selbst zu entscheiden.
23Der Beklagte beantragt,
24die Berufung zurückzuweisen.
25Er bekräftigt das landgerichtliche Urteil mit näheren Ausführungen. Er bestreitet mit Nichtwissen, dass bei Vertragsschluss über eine „relativ stationäre“ Verwendung des Saab Cabriolets am Wohnsitz des Klägers gesprochen worden sei. Das ergebe sich nicht aus dem Vertragstext.
26Nach Zustimmung der Parteien hat der Senat mit Beschluss vom 17.09.2015 das schriftliche Verfahren angeordnet mit Schriftsatzfrist bis zum 08.10.2015.
27Wegen der näheren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die zur Akte gereichten Schriftsätze nebst Anlagen sowie auf den Inhalt des erstinstanzlichen Urteils Bezug genommen.
28II.
29Die zulässige Berufung des Klägers ist begründet.
30Sie führt zu der tenorierten Aufhebung und Zurückverweisung, weil in dem angefochtenen Urteil zu Unrecht nur über die Zulässigkeit der Klage entschieden wurde (§ 538 Abs. 2 Nr. 3 ZPO).
311. Das Landgericht hätte die Klage nicht wegen fehlender örtlicher Zuständigkeit als unzulässig abweisen dürfen. Der Kläger konnte vielmehr gem. § 35 ZPO nach seiner Wahl die Klage vor dem Landgericht Bielefeld erheben, weil dort der Gerichtsstand des Erfüllungsortes gegeben ist (§ 29 Abs. 1 ZPO).
32Nach der Regelung des § 29 Abs. 1 ZPO ist für Streitigkeiten aus einem Vertragsverhältnis - auch - das Gericht des Ortes zuständig, an dem die streitige Verpflichtung zu erfüllen ist. Der insofern maßgebliche Ort richtet sich nach dem materiellen Recht (BGH NJW 2011, 2056 - juris-Tz. 29).
33Nach dem vom Kläger zur Klagebegründung vorgetragenen Sachverhalt soll ihm gegen den Beklagten ein Anspruch auf Rückzahlung des Kaufpreis von 5.650,00 EUR zustehen, weil er wirksam von dem Kaufvertrag über das Saab 900 Cabriolet zurückgetreten sei.
34Das materielle Recht enthält keine abschließende Regelung, an welchem Ort die hier streitige Verpflichtung zur Rückzahlung des Kaufpreises zu erfüllen ist. Abzustellen ist vielmehr auf § 269 Abs. 1 BGB. Danach richtet sich der Ort für die Leistung nach der von den Parteien getroffenen Bestimmung oder nach den Begleitumständen, die sich insbesondere aus der Natur des Schuldverhältnisses ergeben. Wenn sich insoweit keine Feststellungen treffen lassen, bildet der Wohnsitz des Verkäufers, der vermeintlich die Rückzahlung des Kaufpreises schuldet, den maßgeblichen Leistungsort.
35Die Parteien haben bei Abschluss des Kaufvertrages zwar keine ausdrückliche Bestimmung getroffen, wie im Falle der Rückabwicklung des Vertrages zu verfahren sei. Ihnen kann allerdings der mutmaßliche Wille unterstellt werden, dies nach den einschlägigen gesetzlichen Bestimmungen zu tun. Dabei ergibt sich aus §§ 346, 323, 440, 434, 433 BGB, dass der Käufer selbst bei wirksamer Ausübung des gesetzlichen Rücktrittsrechts keinen uneingeschränkten Anspruch auf Rückzahlung des Kaufpreises hat, sondern dass dieser Anspruch vom Verkäufer nur Zug um Zug gegen Rückgabe und Rückübereignung der Kaufsache zu erfüllen ist.
36Der Kläger hat zwar erstinstanzlich keinen solchen Zug-um-Zug-Antrag gestellt, weil das Landgericht den gem. § 139 Abs. 1 S. 2 ZPO gebotenen richterlichen Hinweis auf eine entsprechende Klageumstellung unterlassen hat. Der Kläger hat dies allerdings erwartungsgemäß mit der Berufungsbegründung nachgeholt und für den Fall der Zurückverweisung angekündigt, die Rückzahlung des Kaufpreises nur Zug um Zug gegen Fahrzeugrückgabe beanspruchen zu wollen. Diese neue Antragstellung ist nunmehr für die Beurteilung entscheidend, ob die Klage als zulässig anzusehen und deshalb eine Zurückverweisung vorzunehmen ist (Ball, in: Musielak/Voit ZPO, 12. Aufl. 2015, § 538 Rnr. 25).
37Wenn man vor diesem Hintergrund davon ausgeht, dass hier nach einem wirksamen Rücktritt die ausgetauschten Leistungen Zug um Zug rückabzuwickeln sind, dann steht wiederum rechtlich außer Frage, dass der Beklagte als Verkäufer verpflichtet ist, das – unterstellt: – mangelhafte Fahrzeug bei dem Kläger in M abzuholen (Reinking/Eggert Der Autokauf, 12. Aufl. 2014, Rnr. 1220). Nach der Vorstellung des Gesetzgebers soll der Verkäufer dann auch bei dieser Gelegenheit der Fahrzeugabholung Zug um Zug seine Verpflichtung zur Rückzahlung des Kaufpreises erfüllen.
38Dieses mutmaßlich auch von den Parteien so gewollte Prozedere spricht dafür, bei der Rückabwicklung eines Autokaufs im Rahmen des § 29 Abs. 1 ZPO einen einheitlichen Gerichtsstand des Erfüllungsortes dort anzunehmen, wo sich das gekaufte Fahrzeug im Zeitpunkt der Rücktrittserklärung vertragsgemäß befindet – nämlich regelmäßig am Wohnsitz des Käufers. Dies entspricht zu Recht der vorherrschenden Auffassung (BGH NJW 1983, 1479 – juris-Tz. 14; OLG Schleswig, Urt. 3 U 99/11 vom 04.09.2012; OLG Düsseldorf, Beschl. 22 W 19/13 vom 17.07.2013; OLG Köln DAR 2011, 260; OLG Karlsruhe MDR 2013, 898; OLG Nürnberg, Urt. 2 U 2074/08 vom 20.02.2009; OLG Bamberg ZfSch 2013, 568; OLG München MDR 2014, 450; Palandt/Grüneberg BGB, 74. Aufl. 2015, § 269 Rnr. 16; Reinking/Eggert a.a.O. Rnrn. 1217f, 1264; Zöller/Vollkommer ZPO, 30. Aufl. 2014; ZPO § 29 Rnr. 25 „Kaufvertrag“).
39Für die abweichende Rechtsansicht des Landgerichts, der Gerichtsstand des Erfüllungsortes liege am Wohnsitz des Beklagten in Q, lassen sich dagegen keine tragfähigen Umstände anführen:
40Zwar ist in der Rechtsprechung anerkannt, dass auch die nach § 439 BGB vom Verkäufer vorrangig geschuldete Nacherfüllung grundsätzlich an dessen Betriebs- oder Wohnsitz vorzunehmen ist (BGH NJW 2011, 2278). Das lässt aber nicht den Rückschluss zu, dass dort auch die spätere Rückabwicklung des Kaufvertrages zu erfolgen hat. Vielmehr wird sich im Gegenteil das Scheitern der Nacherfüllung als Rücktrittsvoraussetzungen in der Regel erst dann feststellen lassen, wenn der Käufer das Fahrzeug im Anschluss an den Nacherfüllungsversuch wieder zur bestimmungsgemäßen Verwendung zurückerhalten hat.
41Auch die vom Landgericht angeführten Erwägungen zur Prozessökonomie vermögen keinen Gerichtsstand am Wohnsitz des Verkäufers zu begründen. Abgesehen davon, dass sich der Erfüllungsort i.S.d. § 29 Abs. 1 ZPO - wie dargestellt - nach dem materiellen Recht richtet (BGH NJW 2004, 54 - juris-Tz. 12), müssen auch nicht bei jeder Rückabwicklungsklage – wie offenbar das Landgericht meint – „Arglistzeugen“ am Wohnort des Verkäufers vernommen werden. Vielmehr richtet sich der erforderliche prozessuale Aufwand nach den Umständen des Einzelfalles. So wird es im Streitfall zur Klärung der relevanten Frage, ob das Saab Cabriolet eine zugesagte Gesamtlaufleistung nicht aufweist, möglicherweise auf die Vernehmung der Vorbesitzer ankommen, die nicht zwangsläufig aus Q kommen müssen. Außerdem wird möglicherweise das Gutachten eines Kfz-Sachverständigen einzuholen sein, bei dem ein Auseinanderfallen des Standorts des zu untersuchenden Fahrzeugs und des Gerichtsortes regelmäßig zu Mehrkosten führt.
422. Der Rechtsstreit ist noch nicht entscheidungsreif, so dass keine eigene Sachentscheidung des Senats in Betracht kommt.
43III.
44Auch eine Kostenentscheidung durch den Senat ist nicht veranlasst.
45IV.
46Die Revision war nicht zuzulassen, weil die Voraussetzungen des § 543 Abs. 2 ZPO nicht vorliegen. Im Übrigen hat der Senat nur i.S.d. § 545 Abs. 2 ZPO über die Frage der Zuständigkeit entschieden, die der Revision nicht zugänglich ist (BGH NJW 2003, 2917).
Tenor
Das angegangene Landgericht Stralsund erklärt sich für örtlich unzuständig und verweist den Rechtsstreit auf Antrag des Klägers an das örtlich und sachlich zuständige Landgericht Marburg.
Gründe
I.
- 1
Der in S. wohnhafte Kläger nimmt den in K. und damit im Bezirk des Landgerichts Marburg wohnhaften Beklagten auf Kaufpreisrückzahlung nach Rücktritt von einem Kaufvertrag über ein Kraftfahrzeug zuzüglich Ersatz u.a. der Kosten einer vom Beklagten veranlassten - wie er behauptet werterhöhenden - Reparatur in Anspruch. Für den Inhalt des zu Grunde liegenden Kaufvertrages vom 21.08.2010 wird auf die Anlage K 1 (Bl. 8 d.A.) Bezug genommen.
- 2
Der Beklagte hat mit Schriftsatz vom 29.08.2011 (Bl. 35 d.A.) gerügt, das Landgericht Stralsund sei örtlich nicht zuständig. Er sei vor seinem Wohnsitzgericht - dem Landgericht Marburg - zu verklagen. Mit Schreiben vom 31.08.2011 (Bl. 36 d.A.) - das Verfahren war zu diesem Zeitpunkt noch Kammersache - hat der Kammervorsitzende die Beteiligten darauf hingewiesen, dass seines Erachtens eine örtliche Zuständigkeit des Landgerichts Stralsund bestünde. Hierzu hatte der Kläger bereits in der Klageschrift näher ausgeführt und sich auf eine Rechtsprechungsfundstelle bezogen (vgl. Seite 6 der Klageschrift vom 02.08.2011 = Bl. 6 d.A.). Mit Beschluss vom 20.09.2011 (Bl. 40 d.A.) ist der Rechtsstreit dem Berichterstatter als Einzelrichtersache übertragen worden. Der nunmehr verfahrensleitende Berichterstatter hat die Parteien mit Schreiben vom 28.09.2011 (Bl. 41 f., 44 d.A.) darauf aufmerksam gemacht, dass er die Auffassung des Kammervorsitzenden zur Frage der örtlichen Zuständigkeit nicht teile, dies näher begründet - worauf Bezug genommen wird - und den Parteien Gelegenheit zur Stellungnahme gegeben. Der Kläger hat daraufhin mit Schriftsatz vom 12.10.2011 (Bl. 46 f. d.A.) seinen Standpunkt verteidigt und vertieft; insbesondere hat er sich nunmehr auch auf eine Entscheidung des Bundesgerichtshofs vom 13.04.2011 (Az.: VIII ZR 220/10) bezogen. Hilfsweise hat er Verweisung an das Landgericht Marburg beantragt.
II.
- 3
Das Landgericht Stralsund ist - auch unter Berücksichtigung der jüngsten Ausführungen des Klägers in seinem Schriftsatz vom 12.10.2011 - örtlich nicht zuständig. Der Kläger hat für den Fall, dass das erkennende Gericht bei seiner unter dem 28.09.2011 geäußerten Einschätzung verbleiben sollte, Verweisung an das Landgericht Marburg beantragt. Das Gericht hält an seiner Auffassung fest. Der Eventualfall ist damit eingetreten. Der Rechtsstreit war daher unter Ausspruch der eigenen Unzuständigkeit antragsgemäß an das Landgericht Marburg zu verweisen (vgl. § 281 Abs. 1 S. 1 ZPO).
- 4
1. Das Landgericht Stralsund ist örtlich nicht zuständig.
- 5
a) Der Beklagte ist außerhalb des hiesigen Bezirks ansässig. Auf §§ 12 f. ZPO kann eine Klage vor dem hiesigen Gericht somit nicht gestützt werden. Denkbar ist eine Zuständigkeit des hiesigen Gerichts daher allein - anderweitige Gerichtsstandsbestimmungen, die eine Anrufung des Landgerichts Stralsund rechtfertigen könnten, macht auch der Kläger nicht geltend - auf der Grundlage des § 29 Abs. 1 ZPO. Diese Regelung greift hier indes nach zutreffender Auffassung nicht ein.
- 6
b) Das Gericht geht - wie bereits unter dem 28.09.2011 ausgeführt - im Anschluss u.a. an LG Krefeld, Beschluss vom 27.07.1977 - 2 O 262/77, MDR 1977, 1018, hier zitiert nach Juris, dort Tz. 4 ff., und Stöber, NJW 2006, 2661, 2662 ff., davon aus, dass Erfüllungsort und damit zugleich Gerichtsstand für die auf § 346 Abs. 1 BGB gestützte Rückzahlungsklage des Käufers nach Rücktritt vom Kaufvertrag - wie sie hier vorliegt - gemäß § 29 Abs. 1 ZPO i.V.m. §§ 270 Abs. 4, 269 Abs. 1 BGB der (Wohn-) Sitz des Verkäufers ist (so u.a. auch Schwab, in: AnwKomm-BGB, 1. Aufl. 2005, § 269 Rdnr. 40 ff.; Huber, in: Soergel, BGB, 12. Aufl. 1991, § 467 Rdnr. 97, 99, für die Wandelung nach altem Recht; Döhmel, Der Leistungsort bei Rückabwicklung von Verträgen, 1997, Seiten 109 ff., 134 ff., ebenfalls zur Wandelung nach früherem Recht).
- 7
aa) Für Gegenteiliges - d.h. für einen einheitlichen Gerichtsstand an dem Ort, an dem sich die Kaufsache nach Rücktritt bestimmungsgemäß befindet - gibt das geltende Recht entgegen der zumindest bislang herrschenden Auffassung (u.a. - wie vom Kläger auf Seite 6 der Klageschrift herangezogen - OLG Saarbrücken, Beschluss vom 06.01.2005 - 5 W 306/04, NJW 2005, 906, hier zitiert nach Juris, dort Tz. 5, sowie LG Freiburg, Urteil vom 07.11.2008 - 8 O 98/08, zitiert nach Juris, dort Tz. 9, und - unlängst - OLG Köln, Beschluss vom 28.03.2011 - 3 U 174/10, DAR 2011, 260, hier zitiert nach Juris, dort Tz. 10; weitere Nachweise u.a. bei Stöber, a.a.O., in Fußnoten 5 und 6), nichts her. Entgegen verbreiteter Auffassung ergibt sich für einen entsprechenden Einheitsgerichtsstand - der mit der differenzierenden und auf die jeweilige einzelne Vertragspflicht abstellenden gesetzlichen Systematik der §§ 269 f. BGB, 29 ZPO erkennbar nicht in Einklang steht - insbesondere nichts aus der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes. Das von Vertretern der wohl noch herrschenden Auffassung (u.a. OLG Köln, a.a.O.) wiederholt zitierte Urteil des Bundesgerichtshofes vom 09.03.1983 (Az.: VIII ZR 11/82, veröffentlicht u.a. in NJW 1983, 1479, sowie WM 1983, 561) ist für die Frage, an welchem Ort der zurückgetretene Käufer die Kaufpreisrückzahlung einklagen kann, unergiebig, da es sich nicht mit einer Rückzahlungsklage beschäftigt, sondern mit der Klage des Käufers gegen den Verkäufer auf Rücknahme der Kaufsache und insoweit die Frage nach dem Erfüllungsort für die Rückzahlung des Kaufpreises gerade - als nicht entscheidungserheblich - offen lässt (vgl. insbesondere Tz. 14 a.E. der Entscheidung bei Juris; hierauf verweist zurecht und dezidiert Stöber, NJW 2006, 2661, 2662, linke Spalte unter Punkt III). Tatsächlich besteht richtigerweise kein durchgreifender Grund, dem zurückgetretenen Käufer eine Klage auf Kaufpreisrückzahlung an seinem "Heimatgericht" entgegen Wortlaut und Systematik der gesetzlichen Regelung zu eröffnen. Soweit hier verbreitet auf das vertragliche Synallagma, die Ortsnähe für den Fall einer Beweisaufnahme über die dem Rücktritt zu Grunde liegenden Mängel und die "Verantwortlichkeit" des Verkäufers für den Prozess verwiesen wird, handelt es sich durchweg um sachfremde Erwägungen, die mit dem Leitbild der gesetzlichen Regelung nichts zu tun haben und bei konsequenter Betrachtung - zu der sich bezeichnenderweise nahezu niemand versteigt - zur Folge haben müssten, dass bei allen gegenseitigen Verträgen stets ein einheitlicher Erfüllungsort und Gerichtsstand anzunehmen wäre. Insbesondere müsste im Hinblick auf das vertragliche Synallagma konsequenterweise auch für die wechselseitige Erfüllung der Primärpflichten aus einem Kaufvertrag, von dem keine Partei zurückgetreten ist, ein einheitlicher Ort anzunehmen sein. Dies wird indes geradezu durchweg - auch von den Vertretern der hier abgelehnten Auffassung zum rücktrittsrechtlichen "Austauschort" - abgelehnt (vgl. zum Ganzen statt aller dezidiert und durchweg überzeugend LG Krefeld und Stöber, jeweils a.a.O., m.w.N.).
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bb) Die Ausführungen des Klägers in seinem Schriftsatz vom 12.10.2011 (Bl. 46 f. d.A.) rechtfertigen keine andere Sicht.
- 9
(1) Ob die Annahme eines Gerichtsstandes am Wohnsitz des Käufers "allein der Zielsetzung der Verbrauchsgüterrichtlinie 1999/44/EG entspricht", wie der Kläger meint, ist nicht ausschlaggebend, denn § 29 ZPO geht ebensowenig wie die materiellrechtlichen Erfüllungsortsvorschriften der §§ 269 f. BGB, auf die insoweit abzustellen ist, auf diese Richtlinie zurück und ist daher auch nicht in deren Lichte zu interpretieren. Im Übrigen enthält die betreffende Richtlinie keine Maßgaben für den nationalen Gesetzgeber, einen "Verbraucherwohnsitzgerichtsstand" vorzusehen. Jedenfalls kann aus ihr nicht abgeleitet werden, dass nationale Gerichte stets - auch ohne einen konkreten Bezug zu bestimmten Richtlinienbestimmungen - gehalten wären, streitentscheidende Normen "verbraucherfreundlich" auszulegen.
- 10
(2) Auch aus der in Bezug genommenen BGH-Entscheidung vom 13.04.2011 (Az.: VIII ZR 220/10; veröffentlicht u.a. in NJW 2011, 2278) ergibt sich nichts Gegenteiliges. Die Entscheidung befasst sich mit dem Gerichtsstand für die Klage auf Nacherfüllung. An der vom Kläger zitierten Stelle (Tz. 28 bei Juris) geht der Bundesgerichtshof lediglich indirekt auf die Gerichtsstandsfrage für den Rückabwicklungsprozess nach erfolgtem Rücktritt ein.
- 11
Ohne sich zu dieser Frage selbst zu positionieren, stellt der Bundesgerichtshof lediglich im Sinne einer Bestandsaufnahme des vorhandenen Meinungsspektrums fest, dass der Erfüllungsort für "Rückgewähransprüche" - die nicht näher spezifiziert werden - "vielfach" dort "angesiedelt" würden, wo sich die Kaufsache vertragsgemäß befindet. Nur insoweit zitiert der Senat auch seine Entscheidung vom 09.03.1982 in Sachen VIII ZR 11/82 (Fundstellen s.o.), und zwar ausdrücklich mit dem Zusatz "zum alten Schuldrecht" und bereits einleitend mit dem Kürzel "vgl.". Hieraus kann substantiell nichts abgeleitet werden, zumal sich dem Zitat auch bei einer dem Kläger günstigen Betrachtung bestenfalls entnehmen lässt, dass der VIII. Zivilsenat des Bundesgerichtshofes an seiner Entscheidung vom 09.03.1982 festhält, soweit sie - inhaltlich - reicht. Die Entscheidung vom 13.04.2011 kann daher zu Gunsten des Klägers allenfalls dahin gedeutet werden, dass der Bundesgerichtshof für die Klage des Käufers gegen den Verkäufer auf Rücknahme der Kaufsache auch weiterhin das Gericht am "Austauschort" für zuständig hält. Für die Kaufpreisrückzahlungsklage ist damit höchstrichterlich unverändert nichts ausgesagt. Selbst wenn der Bundesgerichtshof hierzu im Übrigen eine Aussage des Inhalts getroffen hätte, dass er das Wohnsitzgericht des auf Kaufpreisrückzahlung klagenden Käufers für zuständig hielte, würde sich das erkennende Gericht dem nicht anschließen, da für eine solche Auffassung - mag sie auch "Mehrheitsmeinung" sein - keine durchgreifenden Gründe streiten, wie eingangs bereits ausgeführt.
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(3) Umgekehrt bestätigt das Urteil des Bundesgerichtshof vom 13.04.2011 (a.a.O.; dort v. a. D. Tz. 29 ff. bei Juris) vielmehr die in den letzten Jahren generell festzustellende Tendenz des Bundesgerichtshofs, sich bei der Erfüllungsorts- und Gerichtsstandsbestimmung auf die gesetzliche Ausgangsregel des § 269 Abs. 1 BGB zurückzubesinnen und im Zweifel - oft, wie z.B. für die Klage auf Zahlung des Anwaltshonorares (vgl. BGH, Beschluss vom 11.11.2003 - X ARZ 91/03, NJW 2004, 54, hier zitiert nach Juris, dort Tz. 11 ff.), unter Aufgabe älterer Entscheidungen zu einem einheitlichen Gerichtsstand je nach Vertragstypus - eine Holschuld anzunehmen (vgl. zu dieser Tendenz allgemein etwa LG Halle a.d.S., Beschluss vom 10.01.2006 - 8 O 273/05, zitiert nach Juris, dort Tz. 15 ff., und LG Stralsund, Beschluss vom 04.10.2011 - 6 O 77/11, Seite 3 d. Beschl.-Ausf. m.w.N.). Insoweit sieht sich das Gericht hier in der Tendenz durchaus auf der derzeitigen "Linie" des Bundesgerichtshofes.
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2. Eine örtliche Zuständigkeit des Landgerichts Stralsund ist daher nicht begründet. Zuständig ist jedenfalls - und zwar sowohl gemäß § 29 Abs. 1 ZPO als auch gemäß §§ 12 f. ZPO - das Gericht am Wohnsitz des Beklagten, mithin das Landgericht Marburg. Daher war dorthin antragsgemäß zu verweisen.
Tenor
1. Die Klage wird abgewiesen.
2. Die Klägerin hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.
3. Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrags vorläufig vollstreckbar.
Streitwert: 6.868,25 EUR
Tatbestand
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(1) Ist ein Ort für die Leistung weder bestimmt noch aus den Umständen, insbesondere aus der Natur des Schuldverhältnisses, zu entnehmen, so hat die Leistung an dem Ort zu erfolgen, an welchem der Schuldner zur Zeit der Entstehung des Schuldverhältnisses seinen Wohnsitz hatte.
(2) Ist die Verbindlichkeit im Gewerbebetrieb des Schuldners entstanden, so tritt, wenn der Schuldner seine gewerbliche Niederlassung an einem anderen Ort hatte, der Ort der Niederlassung an die Stelle des Wohnsitzes.
(3) Aus dem Umstand allein, dass der Schuldner die Kosten der Versendung übernommen hat, ist nicht zu entnehmen, dass der Ort, nach welchem die Versendung zu erfolgen hat, der Leistungsort sein soll.
BUNDESGERICHTSHOF
für Recht erkannt:
Die Beklagte hat die Kosten des Revisionsverfahrens zu tragen.
Von Rechts wegen
Tatbestand:
Die Parteien schlossen am 26. September 1996 einen Renault-Servicevertrag über den Vertrieb von Renault-Neufahrzeugen und -Originalersatzteilen. Die Beklagte war seinerzeit Renault-Vertragshändlerin - sogenannte A-Händlerin -, die im Vertrag als "Service" bezeichnete Klägerin war ihr als sogenannte B-Händlerin zugeordnet. Unmittelbare Vertragsbeziehungen zu der Deutschen Renault AG unterhielt die Klägerin nicht.
In Art. III des Renault-Servicevertrages ist unter der Überschrift "Verkaufsziele" unter Ziffer 3.2 folgende Regelung enthalten:
"Der Service bemüht sich, außer bei höherer Gewalt (insbesondere durch Arbeitskampf) rechtzeitig so viele Fahrzeuge zu bestellen , daß die in der jährlichen Anlage I festgelegten Verkaufsziele erreicht werden können. Der Händler bemüht sich, außer bei höherer Gewalt, die betreffende Vertragsware zu liefern, sofern DR (= Deutsche Renault AG) ihm diese geliefert hat. Die Verpflichtungen laut diesem Art. 3.2 sind im Sinne von Art. 12.2.1 für Service und die Händler wesentliche Pflichten."
Art. XII sieht unter Ziffer 12.2.1 ein außerordentliches Kündigungsrecht beider Vertragsteile für den Fall vor, daß die andere Vertragspartei eine der ihr obliegenden wesentlichen Verpflichtungen nicht erfüllt. Die Anlage 1 zum Renault-Servicevertrag enthält die von den Parteien jährlich einvernehmlich festzusetzende Absatzzielmenge an Neuwagen, Lager- und Ausstellungsfahrzeugen sowie Vorführwagen, ferner eine Absatzzielsetzung für Originalersatzteile. In einem "Formular A zur Anlage I - 1999" ist für das dritte Quadrimester 1999 ein nach Fahrzeugtypen aufgeschlüsseltes Absatzziel von 54 RenaultNeufahrzeugen festgelegt.
Im Juni 1999 sprach die Deutsche Renault AG gegenüber der Beklagten die ordentliche Kündigung des A-Händlervertrages zum 30. Juni 2001 aus. Die Klägerin ging ab September 1999 dazu über, die von ihr verkauften RenaultNeufahrzeuge über einen anderen Renault A-Händler zu beziehen, mit dem sie nach Ablauf des mit der Beklagten geschlossenen Servicevertrages zum 30. Juni 2001 einen neuen B-Händlervertrag abschloß. Im dritten Quadrimester
1999 nahm sie weniger als 54 Renault-Neufahrzeuge von der Beklagten ab, wodurch dieser unstreitig ein Einnahmeausfall in Höhe von 47.491,75 DM (24.282,15 €) entstand. Seit September 1999 bezog die Klägerin von der Beklagten keine Neufahrzeuge mehr. Die Zahl der von ihr im dritten Quadrimester 1999 verkauften Renault-Neufahrzeuge lag über 54. Ähn lich verhielt es sich nach Darstellung der Beklagten hinsichtlich des Verkaufs von Renault-Originalersatzteilen , deren Bezug über die Beklagte die Klägerin gleichfalls im September 1999 einstellte.
Die Beklagte hat gegen die zuletzt in Höhe von 34.162,11 € unstreitige Klageforderung mit einem Schadensersatzanspruch wegen ihres Einnahmeausfalls für das dritte Quadrimester 1999 in Höhe von 24.282,15 € aufgerechnet und im Wege der Widerklage Auskunft über die von der Klägerin in der Zeit vom 1. September 1999 bis 30. Juni 2001 verkauften und nicht über sie, die Beklagte , bestellten Renault-Neufahrzeuge und Renault-Ersatzteile begehrt. Das Landgericht Braunschweig hat die zur Aufrechnung gestellte Gegenforderung für begründet erachtet und der Klage daher nur in Höhe von 9.879,96 € nebst Zinsen stattgegeben. Die weitergehende Zahlungsklage und die Widerklage hat es abgewiesen.
Gegen dieses Urteil haben beide Parteien beim Oberlandesgericht Braunschweig Berufung eingelegt. Auf die Berufung der Klägerin, die hilfsweise die Verweisung an das für Kartellsachen zuständige Oberlandesgericht Celle beantragt hatte, hat das Oberlandesgericht der Klage in vollem Umfang stattgegeben ; die Berufung der Beklagten hat es zurückgewiesen. Mit der vom Senat zugelassenen Revision verfolgt die Beklagte die in den Vorinstanzen erfolglose Auskunftswiderklage weiter. Hinsichtlich der Zahlungsklage erstrebt sie die Wiederherstellung des landgerichtlichen Urteils mit der Maßgabe, daß der die
Aufrechnungsforderung übersteigende Teil der Klageforderung der Klägerin nur Zug um Zug gegen Erfüllung der mit der Widerklage begehrten Auskunft zuerkannt werde. Die Klägerin beantragt, die Revision zurückzuweisen.
Entscheidungsgründe:
Die Revision hat keinen Erfolg.
I.
Das Berufungsgericht hat seine Entscheidung im wesentlichen wie folgt begründet:
Die Berufungen, die Klage und die Widerklage seien zulässig. Gemäß § 513 Abs. 2 ZPO komme es auf eine etwaige Unzuständigkeit des Landgerichts Braunschweig und damit auf den Hilfsantrag der Klägerin nicht an.
Die Berufung der Klägerin sei auch begründet. Die Absatzzielvereinbarung in Art. III des Renault Servicevertrages der Parteien sei unter Berücksichtigung der EG-Gruppenfreistellungsverordnung Nr. 1475/95 auszulegen. Nach Art. 4 Abs. 1 Nr. 3 dieser Verordnung dürften aus einer Absatzzielvereinbarung nur "Bemühensverpflichtungen", dagegen keine einklagbare Pflicht des Händlers auf Abnahme von Vertragswaren hergeleitet werden. Art. 6 Abs. 1 Nr. 7 der Verordnung stehe ferner einem Verbot des Querbezugs von Vertragsware innerhalb des Vertriebssystems im gemeinsamen Markt entgegen. Die vertragliche Regelung der Parteien entspreche daher nur dann der Verordnung, wenn aus dem Verfehlen des vereinbarten Absatzziels keine Schadensersatzpflicht der Klägerin hergeleitet werden könne. In Ermangelung einer sonstigen An-
spruchsgrundlage stehe der Beklagten auch der mit der Widerklage verfolgte Auskunftsanspruch nicht zu. Deren Berufung sei daher unbegründet.
II.
Die Entscheidung des Berufungsgerichts hält der revisionsrechtlichen Nachprüfung stand.
1. Ohne Erfolg bleibt die Rüge der Revision, das Oberlandesgericht Braunschweig sei für die Entscheidung über die Berufung nicht zuständig gewesen , weil die zweitinstanzliche Zuständigkeit für Kartellsachen in Niedersachsen bei dem Oberlandesgericht Celle konzentriert sei.
a) Die Rüge scheitert allerdings nicht bereits daran, daß ein etwaiger Zuständigkeitsmangel in der Berufungsinstanz gemäß § 295 ZPO durch rügelose Verhandlung zur Sache geheilt worden wäre. Die Bestimmung des § 295 ZPO, die gemäß § 525 ZPO im Berufungsverfahren entsprechend anwendbar ist, gilt nach ihrem Absatz 2 nicht für die Verletzung von Vorschriften, auf deren Befolgung eine Partei wirksam nicht verzichten kann. Das ist, wie sich aus § 40 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2, Satz 2 ZPO ergibt, bei der ausschließlichen Zuständigkeit, auch bei der hier in Betracht kommenden ausschließlichen sachlichen Zuständigkeit des Kartellgerichts nach § 87 Abs. 1 GWB (Musielak/Heinrich, ZPO, 4. Aufl., § 40 Rdn. 4, 5 m.w.Nachw.; Bornkamm in Langen/Bunte, Kartellrecht, 9. Aufl., § 95 GWB Rdn. 2), der Fall.
b) Nach der Rechtsprechung des erkennenden Senats zur Rechtslage vor dem Inkrafttreten des Gesetzes zur Reform des Zivilprozesses vom 27. Juli 2001 (BGBl. I S. 1887, ZPO-Reformgesetz) wäre die Rüge aber in der Revisi-
onsinstanz deswegen unbeachtlich, weil die Unzuständigkeit des Oberlandesgerichts Braunschweig weder von der Klägerin noch von der Beklagten in der Berufungsinstanz beanstandet worden ist. Denn danach konnte die Rüge, daß im vorhergehenden Rechtszug ein für Kartellsachen zuständiger Spruchkörper hätte entscheiden müssen, im Berufungs- oder Revisionsrechtszug nur dann mit Erfolg erhoben werden, wenn - was hier nicht der Fall ist - die Partei glaubhaft machte, daß sie ohne ihr Verschulden außerstande war, die Rüge bereits in der Vorinstanz zu erheben (BGHZ 36, 105, 108 - Export ohne WBS; Bornkamm aaO § 91 GWB Rdn. 16). Diese auf das Jahr 1961 zurückgehende Rechtsprechung stützt sich auf die damals in § 528 ZPO enthaltene und mit Wirkung vom 1. Juli 1977 in § 529 Abs. 2 ZPO übernommene Regelung, daß in vermögensrechtlichen Streitigkeiten das Berufungsgericht die ausschließliche Zuständigkeit des Gerichts erster Instanz nicht von Amts wegen prüft und daß eine Rüge des Beklagten ausgeschlossen ist, wenn er im ersten Rechtszug ohne die Rüge zur Hauptsache verhandelt hat und dies nicht genügend entschuldigt.
c) Diese Bestimmung, deren entsprechende Geltung für das Revisionsverfahren aus § 566 ZPO a.F. hergeleitet wurde (BGHZ 36, 105, 108 - Export ohne WBS), ist indessen durch das ZPO-Reformgesetz als Folgeänderung zu § 513 Abs. 2 ZPO n.F. gestrichen worden (Begründung des Regierungsentwurfs zum ZPO-Reformgesetz, BT-Drucks. 14/4722 S. 102). Nach dieser Vorschrift kann die Berufung nicht darauf gestützt werden, daß das Gericht des ersten Rechtszuges seine Zuständigkeit zu Unrecht angenommen hat. Das gilt auch für den Fall, daß es sich bei der vom Erstrichter mißachteten Zuständigkeit eines anderen Gerichts um eine ausschließliche Zuständigkeit handelt. Darauf, ob in erster Instanz eine Zuständigkeitsrüge erhoben worden oder ohne Verschulden unterblieben ist, kommt es nicht mehr an.
d) Die Zuständigkeitsrüge der Revision bleibt aber deswegen ohne Erfolg , weil § 513 Abs. 2 ZPO gemäß § 565 ZPO auf die Revision entsprechende Anwendung findet.
aa) Das ergibt sich allerdings nicht bereits aus dem Wortlaut der dem § 566 ZPO a.F. entsprechenden Bestimmung des § 565 ZPO n.F.
Verzichtbare Rügen, die die Zulässigkeit der Klage betreffen (§ 529 Abs. 1 ZPO a.F.) und zu denen auch die in § 529 Abs. 2 a.F. geregelte Zuständigkeitsrüge gezählt wurde, sind nicht Regelungsgegenstand des § 513 Abs. 2 ZPO n.F. Weggefallen ist mit der Streichung des § 529 Abs. 2 ZPO a.F. ferner die dort getroffene Ausnahmeregelung (näher Stein/Jonas/Grunsky, ZPO, 21. Aufl., § 529 Rdn. 2, 11), nach der die ausschließliche Zuständigkeit vom Berufungsgericht nicht von Amts wegen zu prüfen war. Die Bestimmung des § 532 ZPO n.F., die den Regelungsgehalt der Absätze 1 und 4 des § 529 ZPO a.F. übernimmt und auf die sich die Verweisung in § 565 ZPO n.F. bezieht, betrifft nur verzichtbare Zulässigkeitsrügen, zu denen die Rüge der Unzuständigkeit wegen ausschließlicher Zuständigkeit eines anderen Gerichts nicht gehört (arg. § 40 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2, Satz 2 ZPO).
Nach dem Wortlaut der Neuregelung würde es damit für das Revisionsverfahren bei dem Grundsatz bewenden, daß Zuständigkeitsfragen vom Revisionsgericht von Amts wegen zu prüfen sind, soweit die Prüfung der Zuständigkeit nicht durch § 545 Abs. 2 ZPO ausgeschlossen ist (so MünchKomm/Wenzel, ZPO, 2. Aufl., Aktualisierungsband, § 557 Rdn. 23). Letzteres ist indessen nur für die Zuständigkeit des Gerichts erster Instanz der Fall, der in dem hier erörterten Zusammenhang keine Bedeutung zukommt.
bb) Ein solches Ergebnis wäre indessen mit dem Willen des Gesetzgebers , wie er aus dem Regelungskonzept des ZPO-Reformgesetzes deutlich wird, nicht zu vereinbaren. Nach der Begründung des Regierungsentwurfs zu § 513 Abs. 2 und § 545 Abs. 2 ZPO (BT-Drucks. 14/4722 S. 94, 106) soll die Nachprüfung der Zuständigkeit des vorinstanzlichen Gerichts durch das Rechtsmittelgericht nicht ausgeweitet, sondern im Gegenteil im Interesse der Verfahrensbeschleunigung und der Entlastung der Rechtsmittelgerichte deutlich eingeschränkt und damit zugleich vermieden werden, daß die von dem vorinstanzlichen Gericht geleistete Sacharbeit wegen fehlender Zuständigkeit hinfällig wird. § 513 Abs. 2 ZPO schließt deshalb die Nachprüfung der vom Gericht erster Instanz angenommenen Zuständigkeit durch das Berufungsgericht nicht mehr nur für den Fall einer in erster Instanz schuldhaft versäumten Rüge, sondern generell aus. Entsprechendes gilt für § 545 Abs. 2 ZPO, nach dessen Wortlaut - eine Ausnahme gilt nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs für die internationale Zuständigkeit (BGHZ 153, 82, 84 ff.; BGH, Urt. v. 27.5.2003 - IX ZR 203/02, WM 2003, 1542 für die Revision; ebenso für § 513 Abs. 2 ZPO BGH, Urt. v. 16.12.2003 - XI ZR 474/02, NJW 2004, 1456 unter II 1) - die Zuständigkeit des Gerichts erster Instanz der Nachprüfung durch das Revisionsgericht schlechthin entzogen sein soll.
Es ist auch kein Grund erkennbar, der dafür sprechen könnte, die Entscheidung des Berufungsgerichts über seine Zuständigkeit einer weitergehenden Kontrolle zu unterwerfen als die entsprechende Entscheidung des Gerichts erster Instanz. In Anbetracht dessen hält es der Senat für ausgeschlossen, daß der Gesetzgeber mit dem ZPO-Reformgesetz die bis zu dessen Inkrafttreten bestehende Beschränkung der Möglichkeit, in der Revisionsinstanz die Unzuständigkeit des Berufungsgerichts zu rügen, beseitigen und die positive Entscheidung des Berufungsgerichts über seine Zuständigkeit einer unbeschränk-
ten Nachprüfung durch das Revisionsgericht unterwerfen wollte. Er versteht die Verweisung des § 565 ZPO n.F. vielmehr dahin, daß zu den für die Berufungsinstanz geltenden und auf die Revision entsprechend anzuwendenden Vorschriften über "die Rügen der Unzulässigkeit der Klage" auch die Vorschrift des § 513 Abs. 2 ZPO zu zählen ist. Die Revision kann folglich nicht darauf gestützt werden, daß das Berufungsgericht seine Zuständigkeit zu Unrecht angenommen hat.
2. Auch in der Sache bleiben die Rügen der Revision ohne Erfolg. Das Berufungsgericht hat eine Schadensersatzpflicht der Klägerin wegen Verstoßes gegen die in Art. III Ziffer 3.2 des Servicevertrages getroffene Verkaufszielvereinbarung im Ergebnis zu Recht verneint.
a) Rechtsfehlerfrei geht das Berufungsgericht davon aus, daß die Vertragsklausel an Art. 85 EGV (jetzt Art. 81 EG) zu messen ist. Der Servicevertrag der Parteien ist Teil eines Vertriebsnetzes der Deutschen Renault AG, das sich auf das gesamte Territorium der Bundesrepublik Deutschland erstreckt. Schon aus diesem Grunde sind die Wettbewerbsbeschränkungen in dem Servicevertrag , dessen Inhalt von der Deutschen Renault AG vorgegeben ist und der hinsichtlich der für ein selektives Vertriebssystem typischen Wettbewerbsbeschränkungen inhaltlich weitgehend mit dem Renault-A-Händlervertrag übereinstimmt , geeignet, den innergemeinschaftlichen Handel zu beeinträchtigen.
b) Die in Art. III Ziffer 3.2 des Servicevertrages getroffene Verkaufszielvereinbarung verstößt gegen das Verbot des Art. 81 Abs. 1 EG und ist deshalb nach Art. 81 Abs. 2 EG nichtig, soweit sie Grundlage einer Schadensersatzpflicht der Klägerin wegen des von der Beklagten beanstandeten Verhaltens sein könnte.
aa) Gemäß Art. 4 Abs. 1 Nr. 3 der auf das hier zu beurteilende Rechtsverhältnis noch anzuwendenden Verordnung (EG) Nr. 1475/95 über die Anwendung von Art. 85 Abs. 3 des Vertrages auf Gruppen von Vertriebs- und Kundendienstvereinbarungen über Kraftfahrzeuge (fortan: Verordnung Nr. 1475/95) ist zwar eine Verpflichtung des Händlers, sich zu bemühen, in einem bestimmten Zeitraum innerhalb des Vertragsgebiets Vertragswaren mindestens in dem Umfang abzusetzen, der von den Vertragspartnern einvernehmlich oder bei fehlendem Einverständnis durch einen sachverständigen Dritten festgesetzt worden ist, vom Verbot des Art. 85 Abs. 1 EGV freigestellt. Damit stimmt Art. III Nr. 3.2 des Servicevertrages insofern überein, als dem B-Händler keine Abnahmepflicht, sondern nur eine "Bemühenspflicht" im Hinblick auf den Fahrzeugabsatz auferlegt wird.
Die Klausel kommt aber insoweit nicht in den Genuß der Freistellung nach Art. 4 Abs. 1 Nr. 3 der Verordnung Nr. 1475/95, als sie nicht lediglich eine Pflicht des B-Händlers statuiert, sich um den Absatz einer bestimmten Anzahl von Renault-Neufahrzeugen zu bemühen, sondern darüber hinaus auch die Bestellung dieser Fahrzeuge bei dem A-Händler, der Partner des Servicevertrages ist, zum Gegenstand der "Bemühenspflicht" des B-Händlers macht. Denn dadurch wird zugleich eine Bezugsbindung des B-Händlers wenn nicht bezweckt, so doch jedenfalls bewirkt, die geeignet ist, ihn daran zu hindern, Renault-Neufahrzeuge für seinen Absatz von anderen Mitgliedern des selektiven Renault-Vertriebssystems, auch solchen im europäischen Ausland, zu beziehen. Für eine derartige Beschränkung der Freiheit des Kraftfahrzeughändlers , innerhalb des Gemeinsamen Marktes Vertragswaren bei einem Unternehmen des Vertriebsnetzes seiner Wahl zu erwerben, gilt die Gruppenfreistellung durch die Verordnung Nr. 1475/95 nach deren Art. 6 Abs. 1 Nr. 7 nicht.
bb) Allein eine Bezugsbindung der Klägerin kommt als Grundlage des Schadensersatzbegehrens der Beklagten in Betracht. Das von den Parteien für das dritte Quadrimester 1999 einvernehmlich festgelegte Absatzziel von 54 Neufahrzeugen hat die Klägerin nach den Feststellungen des Berufungsgerichts unstreitig übertroffen. Die vom Berufungsgericht erwogene Frage, welche Sanktionen an die Verfehlung eines einvernehmlich festgelegten Absatzziels zulässigerweise geknüpft werden können, stellt sich im Streitfall daher nicht. Die Beklagte begründet ihr Schadensersatzbegehren auch nicht mit mangelnden Absatzbemühungen der Klägerin. Der Schaden, den sie geltend macht, besteht vielmehr ausschließlich in dem Einnahmeausfall, den sie dadurch erlitten hat, daß die Klägerin seit September 1999 Renault-Neufahrzeuge nicht mehr von ihr, der Beklagten, sondern von einem anderen A-Händler bezogen hat.
Entgegen der von der Revision geteilten Auffassung des Landgerichts läßt sich eine Schadensersatzpflicht der Klägerin auch nicht damit begründen, daß die Klägerin, obwohl sie in der Lage gewesen wäre, die vereinbarte Anzahl von Fahrzeugen bei der Beklagten zu bestellen und diese abzusetzen, ohne anerkennenswerten Grund Fahrzeuge von dritter Seite bezogen und dadurch die Erreichung des gemeinsamen Absatzziels der Parteien vereitelt habe. Denn auch diese Begründung setzt denknotwendig eine - wenn auch eingeschränkte - Bezugsbindung der Klägerin voraus, die, wie dargelegt, mangels Freistellung von dem Verbot des Art. 81 EG nicht wirksam vereinbart werden konnte. Eine Bezugspflicht gegenüber der Beklagten, von der die Klägerin sich nicht ohne vernünftigen Grund hätte lossagen dürfen, bestand somit nicht.
III.
Die Revision der Beklagten ist nach alledem mit der Kostenfolge aus § 97 Abs. 1 ZPO zurückzuweisen.
Hirsch Goette Ball
Bornkamm Meier-Beck
BUNDESGERICHTSHOF
beschlossen:
Die Partei hat auf die Prozeßkosten monatlich 135 uständige Landeskasse zu zahlen.
Gründe
I.
Die Klägerin, Trägerin einer Kieferklinik in Düsseldorf, macht vor dem Landgericht Düsseldorf Honoraransprüche wegen ambulanter zahnprothetischer Behandlung gegen den in Duisburg wohnhaften Beklagten geltend. Das Landgericht hat seine örtliche Zuständigkeit verneint und die Klage als unzulässig abgewiesen. Auf die Berufung der Klägerin hat das Berufungsgericht das angefochtene Urteil aufgehoben und die Sache an das Landgericht Düsseldorf zurückverwiesen, weil es dessen örtliche Zuständigkeit für gegeben hält. Da die Rechtsprechung zur Frage uneinheitlich ist, ob bei einem Arzt- oder Krankenhausvertrag der Schwerpunkt des Vertrags am Sitz des Behandlers liegt mit
der Folge, daß dort die beiderseitigen Leistungspflichten zu erfüllen sind (§ 29 ZPO), hat das Berufungsgericht die Revision zugelassen. Der Beklagte begehrt Prozeßkostenhilfe für die von ihm eingelegte Revision.
II.
Die beabsichtigte Rechtsverfolgung hat in aller Regel bereits dann hinreichende Aussicht auf Erfolg (§ 114 ZPO), wenn die Entscheidung von der Beantwortung schwieriger Rechts- oder Tatfragen abhängt. Denn die Prüfung der Erfolgsaussicht darf nicht dazu dienen, die Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung in das Nebenverfahren der Prozeßkostenhilfe vorzuverlagern und dieses an die Stelle des Hauptsacheverfahrens treten zu lassen (vgl. Senatsbeschluß vom 19. Dezember 2002 - III ZB 33/02 - NJW 2003, 1192). Der Senat bewilligt dem Beklagten Prozeßkostenhilfe, weil gemessen an diesen Grundsätzen im Hauptsacheverfahren zu entscheiden ist, ob dem Revisionsgericht nach § 545 Abs. 2 ZPO die Überprüfung der örtlichen Zuständigkeit überhaupt offensteht.
Ungeachtet dessen nimmt der Senat im Hinblick auf die vom Beklagten mit Schriftsatz vom 20. Mai 2003 geäußerte Bitte um Erteilung eines Hinweises zu dieser Rechtsfrage wie folgt Stellung:
Wäre für die rechtliche Beurteilung § 549 Abs. 2 ZPO a.F. heranzuziehen , ginge die Zulassung des Berufungsgerichts ins Leere. Denn nach dieser Vorschrift prüfte das Revisionsgericht nicht, ob das Gericht des ersten Rechtszuges sachlich oder örtlich zuständig war. Die Vorschrift sprach also – anders
als § 545 Abs. 2 n.F. - nicht davon, worauf sich ein Revisionskläger stützen konnte, sondern sie regelte die Prüfungsbefugnis des Revisionsgerichts. Darüber hinaus knüpfte sie nicht daran an, wie die erste Instanz entschieden hatte, sondern hatte nur die Zuständigkeit selbst im Auge. Dies hatte zur Folge, daß eine angefochtene Entscheidung des Berufungsgerichts in dieser Frage einer Überprüfung nicht zugänglich war, unabhängig davon, ob sie die erstinstanzliche Entscheidung bestätigte oder sie abänderte (vgl. Stein/Jonas/Grunsky, ZPO, 21. Aufl., §§ 549, 550 Rn. 53; wohl auch MünchKomm/Wenzel, ZPO, 2. Aufl. 2000, § 549 Rn. 15). Der Bundesgerichtshof hat zu diesem Rechtszustand entschieden, daß eine zugelassene Revision in einem Rechtsstreit mit einem Wert der Beschwer unter 40.000 DM, bei dem es nur um die Frage der örtlichen Zuständigkeit geht, zwar statthaft, aber unbegründet sei (Urteile vom 26. Oktober 1979 - I ZR 6/79 - MDR 1980, 203; vom 28. April 1988 - I ZR 27/87 - NJW 1988, 3267, 3268; bestätigt durch Urteil vom 5. Oktober 2000 - I ZR 189/98 - GRUR 2001, 368) bzw. daß ein auf diese Frage beschränktes Rechtsmittel unzulässig sei (vgl. Senatsurteil vom 24. Mai 2000 - III ZR 300/99 - NJW 2000, 2822 f; Urteil vom 10. November 1997 - II ZR 336/96 - NJW 1998, 1230).
Durch das Gesetz zur Reform des Zivilprozesses (ZPO-RG) vom 27. Juli 2001 (BGBl. I S. 1887) ist § 545 Abs. 2 ZPO an die Stelle von § 549 Abs. 2 ZPO a.F.getreten. In der amtlichen Begründung zu dieser Vorschrift heißt es (BT-Drucks. 14/4722 S. 106):
"Absatz 2 übernimmt die Regelungen in den bisherigen §§ 10, 549 Abs. 2 und bestimmt - entsprechend dem neu gefaßten § 513 Abs. 2 E (bisher: § 512a) - darüber hinaus, daß die Revision nicht darauf gestützt werden kann, das erstinstanzliche Gericht habe seine Zuständigkeit zu Unrecht angenommen oder verneint. Da-
mit werden künftig Rechtsmittelstreitigkeiten, die allein auf die Frage der Zuständigkeit des Gerichts gestützt werden, vermieden. Dies dient der Verfahrensbeschleunigung und der Entlastung des Revisionsgerichts. Die Neuregelung vermeidet zugleich, daß die von den Vorinstanzen geleistete Sacharbeit wegen fehlender Zuständigkeit hinfällig wird."
Vor diesem Hintergrund geht die Neufassung insofern weiter, als sie ohne jede Differenzierung von "Zuständigkeit" spricht, also auch die funktionelle Zuständigkeit einschließt, die von der Regelung des § 549 Abs. 2 ZPO a.F. nicht erfaßt war. Da die Gesetzesbegründung darüber hinaus eine Verfahrensbeschleunigung und eine Entlastung des Revisionsgerichts im Auge hat, hält es der Senat nicht für denkbar, daß der Gesetzgeber die Überprüfungsmöglichkeiten des Revisionsgerichts gegenüber dem Rechtszustand in § 549 Abs. 2 ZPO a.F. erweitern wollte. Wenn daher auch zuzugeben ist, daß dem Gesetzgeber die Umsetzung dieser Regelungsabsicht sprachlich nicht überzeugend geglückt ist - nach dem Wortlaut der Vorschrift könnte man annehmen , das Revisionsgericht sei zu einer Überprüfung befugt, weil die Revision nicht darauf gestützt werde, daß das Gericht des ersten Rechtszuges seine Zuständigkeit zu Unrecht (angenommen oder) verneint habe (in diesem Sinn etwa MünchKomm/Wenzel, ZPO-Reform, § 545 Rn. 15; Musielak/Ball, 3. Aufl. 2002, § 545 Rn. 12; a.A. wohl Zöller/Gummer, ZPO, 23. Aufl. 2002, § 545 Rn. 16); tatsächlich greift der Beklagte nämlich die gegenteilige Entscheidung des Berufungsgerichts an -, sind die Hinweise auf eine Entlastung des Revisionsgerichts und die geleistete Sacharbeit der Vorinstanzen, die durch Zuständigkeitsrügen nicht in Frage gestellt werden soll, so eindeutig, daß der Senat eine revisionsrechtliche Überprüfung nicht für möglich hält. Dies wird für den Fall, daß das Berufungsgericht die fehlerhafte Entscheidung der Vorinstanz bestätigt, ganz allgemein angenommen, obwohl auch in diesem Fall der Revi-
sionskläger seine Revision nicht darauf stützen muß, die erste Instanz habe ihre Zuständigkeit zu Unrecht verneint (vgl. MünchKomm/Wenzel, ZPOReform , § 545 Rn. 15; Musielak/Ball, 3. Aufl. 2002, § 545 Rn. 12). Der Senat sieht keine von der Sache her gebotenen Gründe, die hier vorliegende Konstellation anders zu beurteilen. Das alleinige Abstellen auf den Wortlaut der Vorschrift würde außer acht lassen, daß es im Revisionsverfahren in aller Regel um die Überprüfung einer Berufungsentscheidung geht und daß § 545 Abs. 2 ZPO keine Spezialregelung ist, die nur für die Sprungrevision Bedeutung hätte.
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(1) Das Berufungsgericht hat die notwendigen Beweise zu erheben und in der Sache selbst zu entscheiden.
(2) Das Berufungsgericht darf die Sache, soweit ihre weitere Verhandlung erforderlich ist, unter Aufhebung des Urteils und des Verfahrens an das Gericht des ersten Rechtszuges nur zurückverweisen,
- 1.
soweit das Verfahren im ersten Rechtszuge an einem wesentlichen Mangel leidet und auf Grund dieses Mangels eine umfangreiche oder aufwändige Beweisaufnahme notwendig ist, - 2.
wenn durch das angefochtene Urteil ein Einspruch als unzulässig verworfen ist, - 3.
wenn durch das angefochtene Urteil nur über die Zulässigkeit der Klage entschieden ist, - 4.
wenn im Falle eines nach Grund und Betrag streitigen Anspruchs durch das angefochtene Urteil über den Grund des Anspruchs vorab entschieden oder die Klage abgewiesen ist, es sei denn, dass der Streit über den Betrag des Anspruchs zur Entscheidung reif ist, - 5.
wenn das angefochtene Urteil im Urkunden- oder Wechselprozess unter Vorbehalt der Rechte erlassen ist, - 6.
wenn das angefochtene Urteil ein Versäumnisurteil ist oder - 7.
wenn das angefochtene Urteil ein entgegen den Voraussetzungen des § 301 erlassenes Teilurteil ist
(1) Kosten, die bei richtiger Behandlung der Sache nicht entstanden wären, werden nicht erhoben. Das Gleiche gilt für Auslagen, die durch eine von Amts wegen veranlasste Verlegung eines Termins oder Vertagung einer Verhandlung entstanden sind. Für abweisende Entscheidungen sowie bei Zurücknahme eines Antrags kann von der Erhebung von Kosten abgesehen werden, wenn der Antrag auf unverschuldeter Unkenntnis der tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnisse beruht.
(2) Die Entscheidung trifft das Gericht. Solange nicht das Gericht entschieden hat, können Anordnungen nach Absatz 1 im Verwaltungsweg erlassen werden. Eine im Verwaltungsweg getroffene Anordnung kann nur im Verwaltungsweg geändert werden.
Die Zwangsvollstreckung ist einzustellen oder zu beschränken:
- 1.
wenn die Ausfertigung einer vollstreckbaren Entscheidung vorgelegt wird, aus der sich ergibt, dass das zu vollstreckende Urteil oder seine vorläufige Vollstreckbarkeit aufgehoben oder dass die Zwangsvollstreckung für unzulässig erklärt oder ihre Einstellung angeordnet ist; - 2.
wenn die Ausfertigung einer gerichtlichen Entscheidung vorgelegt wird, aus der sich ergibt, dass die einstweilige Einstellung der Vollstreckung oder einer Vollstreckungsmaßregel angeordnet ist oder dass die Vollstreckung nur gegen Sicherheitsleistung fortgesetzt werden darf; - 3.
wenn eine öffentliche Urkunde vorgelegt wird, aus der sich ergibt, dass die zur Abwendung der Vollstreckung erforderliche Sicherheitsleistung oder Hinterlegung erfolgt ist; - 4.
wenn eine öffentliche Urkunde oder eine von dem Gläubiger ausgestellte Privaturkunde vorgelegt wird, aus der sich ergibt, dass der Gläubiger nach Erlass des zu vollstreckenden Urteils befriedigt ist oder Stundung bewilligt hat; - 5.
wenn der Einzahlungs- oder Überweisungsnachweis einer Bank oder Sparkasse vorgelegt wird, aus dem sich ergibt, dass der zur Befriedigung des Gläubigers erforderliche Betrag zur Auszahlung an den Gläubiger oder auf dessen Konto eingezahlt oder überwiesen worden ist.
In den Fällen des § 775 Nr. 1, 3 sind zugleich die bereits getroffenen Vollstreckungsmaßregeln aufzuheben. In den Fällen der Nummern 4, 5 bleiben diese Maßregeln einstweilen bestehen; dasselbe gilt in den Fällen der Nummer 2, sofern nicht durch die Entscheidung auch die Aufhebung der bisherigen Vollstreckungshandlungen angeordnet ist.