Oberlandesgericht Naumburg Beschluss, 11. Feb. 2014 - 1 AR 26/13

bei uns veröffentlicht am11.02.2014

Tenor

Für die beabsichtigte Klage des Antragstellers gegen die Antragsgegner ist das Landgericht Berlin örtlich zuständig.

Gründe

1

Der Kläger beabsichtigt die Antragsgegnerin zu 1. als finanzierende Bank und die Antragsgegnerin zu 2. als Verkäuferin wegen eines Eigentumswohnungserwerbs aus dem Jahr 2007 auf Schadensersatz und Rückabwicklung in Anspruch zu nehmen. Hierfür hat er beim Landgericht Halle um Prozesskostenhilfe nachgesucht und dabei die Auffassung vertreten, die örtliche Zuständigkeit des angerufenen Gerichts ergebe sich aus § 32 ZPO. Während des Prozesskostenhilfeverfahrens haben sich sowohl das Landgericht Paderborn als auch das Landgericht Berlin formlos für unzuständig erklärt. Auch das Landgericht Halle hält sich für örtlich unzuständig und hat deshalb das Prozesskostenhilfegesuch zurückgewiesen. Der Antragsteller führt dagegen die sofortige Beschwerde. Gleichzeitig hat er die gerichtliche Bestimmung der Zuständigkeit beantragt.

2

Das Landgericht Berlin ist gemäß §§ 36 Abs. 1 Nr. 3, Abs. 2; 37; 12; 17 Abs. 1 ZPO zuständig.

3

Die Antragsgegner haben ihren allgemeinen Gerichtsstand bei verschiedenen Gerichten und sollen vom Antragsteller gemeinsam in Anspruch genommen werden. Für die Zuständigkeitsbestimmung genügt jede Form der weit zu fassenden Streitgenossenschaft. Erforderlich sind lediglich auf im Wesentlichen gleichartige tatsächliche und rechtliche Gründe gestützte Ansprüche (§ 60 ZPO), ohne dass identische Anträge gestellt werden sollen. Der finanzierte Immobilienerwerb des Antragstellers gibt nach dem angekündigten Klagevorbringen, auf das es ausschließlich ankommt, derartige Ansprüche her.

4

Ein gemeinsamer besonderer Gerichtsstand der Antragsgegner ist nicht ersichtlich, zumindest nicht einfach zu bestimmen (vgl. BGH NJW-RR 2008, 1514; Beschluss vom 17. 9. 2013, X ARZ 423/13 - BeckRS 2013, 18035 Rdn. 7; Zöller/Vollkommer, ZPO, 30. Aufl., § 36 Rdn. 18). Weder sind die Voraussetzungen des § 32 ZPO dargetan noch ergeben sich aus der Antragsschrift Anhaltspunkte für ein Haustürgeschäft. Die Erfüllungsorte der aus den verschiedenen Vertragsverhältnissen hergeleiteten Ansprüche des Antragstellers (vgl. § 29 ZPO) fallen ebenso wenig zusammen.

5

Die Bestimmung des zuständigen Gerichts folgt der Zweckmäßigkeit und Prozesswirtschaftlichkeit. Das gegen die Antragsgegnerin zu 2. nach ihrer Stellungnahme im Raume stehende Insolvenzverfahren hindert die Zuständigkeitsbestimmung nicht (BGH, Beschluss vom 7. 1. 2014, X ARZ 578/13 - BeckRS 2014, 01829). Zahlungsunfähigkeit und/oder Überschuldung der Antragsgegnerin zu 2. sowie die Notgeschäftführung sprechen allerdings dafür, das Landgericht Berlin für zuständig zu halten, da sich die gerichtliche Auseinandersetzung vor diesem Hintergrund voraussichtlich auf die Antragsgegnerin zu 1. konzentrieren wird, die ihren Sitz in Berlin hat.


Urteilsbesprechung zu Oberlandesgericht Naumburg Beschluss, 11. Feb. 2014 - 1 AR 26/13

Urteilsbesprechungen zu Oberlandesgericht Naumburg Beschluss, 11. Feb. 2014 - 1 AR 26/13

Referenzen - Gesetze

Zivilprozessordnung - ZPO | § 32 Besonderer Gerichtsstand der unerlaubten Handlung


Für Klagen aus unerlaubten Handlungen ist das Gericht zuständig, in dessen Bezirk die Handlung begangen ist.

Zivilprozessordnung - ZPO | § 29 Besonderer Gerichtsstand des Erfüllungsorts


(1) Für Streitigkeiten aus einem Vertragsverhältnis und über dessen Bestehen ist das Gericht des Ortes zuständig, an dem die streitige Verpflichtung zu erfüllen ist. (2) Eine Vereinbarung über den Erfüllungsort begründet die Zuständigkeit nur, we

Zivilprozessordnung - ZPO | § 60 Streitgenossenschaft bei Gleichartigkeit der Ansprüche


Mehrere Personen können auch dann als Streitgenossen gemeinschaftlich klagen oder verklagt werden, wenn gleichartige und auf einem im Wesentlichen gleichartigen tatsächlichen und rechtlichen Grund beruhende Ansprüche oder Verpflichtungen den Gegensta
Oberlandesgericht Naumburg Beschluss, 11. Feb. 2014 - 1 AR 26/13 zitiert 4 §§.

Zivilprozessordnung - ZPO | § 32 Besonderer Gerichtsstand der unerlaubten Handlung


Für Klagen aus unerlaubten Handlungen ist das Gericht zuständig, in dessen Bezirk die Handlung begangen ist.

Zivilprozessordnung - ZPO | § 29 Besonderer Gerichtsstand des Erfüllungsorts


(1) Für Streitigkeiten aus einem Vertragsverhältnis und über dessen Bestehen ist das Gericht des Ortes zuständig, an dem die streitige Verpflichtung zu erfüllen ist. (2) Eine Vereinbarung über den Erfüllungsort begründet die Zuständigkeit nur, we

Zivilprozessordnung - ZPO | § 60 Streitgenossenschaft bei Gleichartigkeit der Ansprüche


Mehrere Personen können auch dann als Streitgenossen gemeinschaftlich klagen oder verklagt werden, wenn gleichartige und auf einem im Wesentlichen gleichartigen tatsächlichen und rechtlichen Grund beruhende Ansprüche oder Verpflichtungen den Gegensta

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Oberlandesgericht Naumburg Beschluss, 11. Feb. 2014 - 1 AR 26/13 zitiert oder wird zitiert von 3 Urteil(en).

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Bundesgerichtshof Beschluss, 07. Jan. 2014 - X ARZ 578/13

bei uns veröffentlicht am 07.01.2014

BUNDESGERICHTSHOF BESCHLUSS X ARZ 578/13 vom 7. Januar 2014 in dem Gerichtsstandsbestimmungsverfahren Nachschlagewerk: ja BGHZ: nein BGHR: ja ZPO § 36 Abs. 1 Nr. 3 Die Unterbrechung des Rechtsstreits durch Eröffnung des Insolvenz

Bundesgerichtshof Beschluss, 17. Sept. 2013 - X ARZ 423/13

bei uns veröffentlicht am 17.09.2013

BUNDESGERICHTSHOF BESCHLUSS X ARZ 423/13 vom 17. September 2013 in dem Gerichtsstandbestimmungsverfahren Nachschlagewerk: ja BGHZ: nein BGHR: ja ZPO § 36 Abs. 1 Nr. 3, § 697 Abs. 2 Das zuständige Gericht kann, wenn ein Mahnverfa
1 Urteil(e) in unserer Datenbank zitieren Oberlandesgericht Naumburg Beschluss, 11. Feb. 2014 - 1 AR 26/13.

Bayerisches Oberstes Landesgericht Beschluss, 18. Juli 2019 - 1 AR 52/19

bei uns veröffentlicht am 18.07.2019

Tenor Als (örtlich) zuständiges Gericht wird das Landgericht Landshut bestimmt. Gründe Der im Bezirk des Landgerichts Kassel wohnhafte Antragsteller macht mit seiner zum Landgericht Landshut erhobenen Klage vom

Referenzen

Für Klagen aus unerlaubten Handlungen ist das Gericht zuständig, in dessen Bezirk die Handlung begangen ist.

Mehrere Personen können auch dann als Streitgenossen gemeinschaftlich klagen oder verklagt werden, wenn gleichartige und auf einem im Wesentlichen gleichartigen tatsächlichen und rechtlichen Grund beruhende Ansprüche oder Verpflichtungen den Gegenstand des Rechtsstreits bilden.

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
X ARZ 423/13
vom
17. September 2013
in dem Gerichtsstandbestimmungsverfahren
Nachschlagewerk: ja
BGHZ: nein
BGHR: ja
Das zuständige Gericht kann, wenn ein Mahnverfahren vorangegangen ist und
mehrere Antragsgegner Widerspruch oder Einspruch eingelegt haben, noch
nach § 36 Abs. 1 Nr. 3 ZPO bestimmt werden, wenn der Antragsteller einen
entsprechenden Antrag mit der Anspruchsbegründung stellt oder, bei Unkenntnis
des dafür zuständigen Obergerichts, gegenüber den Streitgerichten zumindest
ankündigt und den Antrag unverzüglich nachholt.
BGH, Beschluss vom 17. September 2013 - X ARZ 423/13 - OLG Hamm
Der X. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat am 17. September 2013
durch den Vorsitzenden Richter Prof. Dr. Meier-Beck, die Richterin Mühlens,
den Richter Gröning, die Richterin Schuster und den Richter Dr. Deichfuß

beschlossen:
Als zuständiges Gericht wird das Amtsgericht Iserlohn bestimmt.

Gründe:


1
I. Die Antragstellerin, die eine Spezialwerkstatt für klassische Automobile betreibt, nimmt die in Neubrandenburg bzw. Iserlohn wohnhaften Antragsgegnerinnen zu 1 und 2 als Gesamtschuldnerinnen auf Zahlung der Unterstellkosten für von ihr reparierte und nicht abgeholte Fahrzeuge Mercedes Pullman 600 und Tatra sowie auf deren Abholung in Anspruch. Die Fahrzeuge gehören einer Gesellschaft bürgerlichen Rechts, deren Sitz in Italien liegen soll und der neben den Antragsgegnerinnen deren Vater angehört, der den Reparaturauftrag erteilt hatte.
2
Die Antragstellerin hat gegen die Antragsgegnerinnen wegen der Unterstellkosten Mahnbescheide des Amtsgerichts Hünfeld erwirkt. Dieses hat die Verfahren nach Widerspruchseinlegung an die in den Mahnbescheidsanträgen benannten Amtsgerichte Neubrandenburg bzw. Iserlohn abgegeben. Die Akten sind beim Amtsgericht Iserlohn am 13. November 2012 und beim Amtsgericht Neubrandenburg am darauf folgenden Tag eingegangen. Mit zwei Schriftsätzen vom 30. November 2012 hat die Antragstellerin ihren Anspruch begründet, die Klagen auf den Abholungsantrag erweitert und in beiden Sachen einen Antrag auf Bestimmung des zuständigen Gerichts nach § 36 Abs. 1 Nr. 3 ZPO angekündigt , den sie am 7. März 2013 gestellt hat.
3
Das vorlegende Oberlandesgericht kann einen gemeinsamen besonderen Gerichtsstand nicht zuverlässig feststellen und möchte das Amtsgericht Iserlohn, das es auch unter Berücksichtigung der Klageerweiterung sachlich weiterhin für zuständig erachtet, als das zuständige Gericht bestimmen. So zu entscheiden, sieht es sich durch eine Entscheidung des Oberlandesgerichts Düsseldorf gehindert.
4
II. Die Vorlage ist zulässig.
5
Die Voraussetzungen für eine Vorlage der Sache durch das an sich nach § 36 Abs. 2 ZPO zur Bestimmung des zuständigen Gerichts berufene Oberlandesgericht Hamm nach § 36 Abs. 3 ZPO an den Bundesgerichtshof liegen vor. Nach Ansicht des Oberlandesgerichts Düsseldorf (MDR 2013, 56; Beschluss vom 27. März 2013 - I-5 Sa 16/13) kommt eine Anwendung des § 36 Abs. 1 Nr. 3 ZPO nach vorangegangenem Mahnverfahren und Einlegung des Widerspruchs nur in Betracht, solange - anders als hier - entweder gar kein Verfahren oder allenfalls eines an das Prozessgericht abgegeben worden ist.
6
III. In der Sache tritt der Senat der Ansicht des vorlegenden Gerichts bei.
7
1. Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs ist die Bestimmung eines zuständigen Gerichts für eine Klage gegen mehrere Personen, die bei verschiedenen Gerichten ihren allgemeinen Gerichtsstand haben und als Streitgenossen in diesem verklagt werden sollen, zwar nicht mehr möglich, wenn der Antragsteller gegen die Beklagten bereits vor verschiedenen Gerichten Klage erhoben hat (BGH, Beschluss vom 23. Februar 2011 - X ARZ 388/10, NJW-RR 2011, 929). Dieser Grundsatz kann entgegen der Ansicht des Oberlandesgerichts Düsseldorf aber nicht uneingeschränkt auf Fälle der hier vorliegenden Art übertragen werden, in denen der Anspruch gegen mehrere Streitgenossen zunächst im Mahnverfahren verfolgt worden ist. Die Bestimmung des zuständigen Gerichts ist nach vorangegangenem Mahnverfahren gegen mehrere Antragsgegner vielmehr grundsätzlich auch noch zulässig, nachdem Widerspruch bzw. Einspruch eingelegt worden ist und die Verfahren daraufhin an die im Mahnbescheidsantrag angegebenen, für die Antragsgegner als zuständig bezeichneten Gerichte abgegeben worden sind (BGH, Beschluss vom 2. Juni 1978 - I ARZ 202/78, NJW 1978, 1982). Die genannte Entscheidung des Bundesgerichtshofs ist zwar zu einer Fassung von § 696 ZPO ergangen, der zufolge die Sache nach Widerspruch zwingend an das Gericht abzugeben war, bei dem der Antragsgegner seinen allgemeinen Gerichtsstand hatte. Nichts anderes kann jedoch gelten, wenn sich, wie hier, ein gemeinsamer besonderer Gerichtsstand für den Rechtsstreit nicht zuverlässig feststellen lässt, was für eine Gerichtsstandbestimmung nach § 36 Abs. 1 Nr. 3 ZPO genügt (BGH, Beschluss vom 20. Mai 2008 - X ARZ 98/08, NJW-RR 2008, 1514). Die vorübergehende Verfahrenstrennung ist auch in einem solchen Fall in den gesetzlichen Regelungen für das Verfahren nach Einlegung des Widerspruchs oder Einspruchs gegen den Mahnbescheid angelegt und kann dem Antragsrecht auf Bestimmung des zuständigen Gerichts nach § 36 Abs. 1 Nr. 3 deshalb grundsätzlich nicht entgegenstehen. Fehlt ein gemeinsamer besonderer Gerichtsstand, kann in Fällen wie dem vorliegenden in der Angabe des für die Streitgenossen jeweils für die Durchführung des streitigen Verfahrens zuständigen Gerichts auch keine nach § 35 ZPO bindende Gerichtsstandswahl gesehen werden.
8
2. Ist dem streitigen Verfahren ein Mahnverfahren vorangegangen, stellt es eine der Klageerhebung im Klageverfahren gegen mehrere Beklagte vor verschiedenen Gerichten vergleichbare Zäsur, nach der die Bestimmung des zuständigen Gerichts nach § 36 Abs. 1 Nr. 3 ZPO nicht mehr zulässig ist, erst dar, wenn der Antragsteller den Anspruch begründet (§ 697 Abs. 2 ZPO), ohne zugleich auf eine Zuständigkeitsbestimmung hinzuwirken. Ist der Antragsteller im Zeitpunkt der Anspruchsbegründung mangels Kenntnis vom Zeitpunkt des Eingangs der Akten bei den verschiedenen Streitgerichten noch im Unkla- ren über das für den Antrag zuständige Oberlandesgericht, reicht es aus, wenn er den Bestimmungsantrag in der Anspruchsbegründungsschrift zunächst nur ankündigt und die beteiligten Gerichte um diesbezügliche Mitteilung der Akteneingangsdaten bittet. In solchen Fällen gebietet es der Gedanke der Prozessökonomie allerdings, dass der Antrag unverzüglich nachgeholt wird, damit die getrennten Verfahren so bald wie möglich zusammengeführt werden können. Der dafür erforderliche zeitliche Zusammenhang ist im Streitfall noch gewahrt.
9
3. Die vom Oberlandesgericht Düsseldorf für seinen gegenteiligen Standpunkt angeführten Gründe überzeugen nicht. Soweit es meint, der Antragsteller könne die Abgabe an verschiedene Gerichte verhindern, indem er entweder keinen Antrag auf Durchführung des streitigen Verfahrens stellt oder - falls die Gegenseite dies beantragt - die Gebühr nach KV Nr. 1210 nicht entrichtet , begibt es sich in Widerspruch zu seinem eigenen - zutreffenden - Ansatzpunkt , dass der Antragsteller seinen Anspruch begründen muss, damit die weiteren Voraussetzungen für eine Bestimmung des zuständigen Gerichts nach § 36 Abs. 1 Nr. 3 ZPO überhaupt geprüft werden können. Soweit das Oberlandesgericht Düsseldorf den Antragsteller darauf verweisen will, den Anspruch gegebenenfalls nur gegenüber einem der Antragsgegner zu begründen, ist zu bedenken, dass es dem Antragsteller grundsätzlich freistehen muss, sein gegen mehrere Schuldner gerichtetes Begehren im Rahmen der von der Zivilprozessordnung dafür bereitgestellten prozessualen Instrumentarien bestmöglich zu verfolgen und ihm deshalb nicht angesonnen werden kann, davon abzusehen , den Verfahren gerade so Fortgang zu geben, wie es das Gesetz für eine Rechtsverfolgung gegen mehrere Antragsgegner an sich vorsieht und wie es für eine effektive Verfolgung des Anspruchs gegen alle Antragsgegner auch zweckmäßig sein kann, nur um das Antragsrecht auf Zuständigkeitsbestimmung nicht zu verlieren.
10
IV. Wie das vorlegende Oberlandesgericht ebenfalls zutreffend angenommen hat, ist es zweckmäßig und prozessökonomisch, entsprechend der Anregung der Klägerin, der die Beklagten nicht widersprochen haben, als zuständiges Gericht das Amtsgericht Iserlohn zu bestimmen.
Meier-Beck Mühlens Gröning
Schuster Deichfuß
Vorinstanz:
OLG Hamm, Entscheidung vom 23.07.2013 - I-32 SA 16/13 -

Für Klagen aus unerlaubten Handlungen ist das Gericht zuständig, in dessen Bezirk die Handlung begangen ist.

(1) Für Streitigkeiten aus einem Vertragsverhältnis und über dessen Bestehen ist das Gericht des Ortes zuständig, an dem die streitige Verpflichtung zu erfüllen ist.

(2) Eine Vereinbarung über den Erfüllungsort begründet die Zuständigkeit nur, wenn die Vertragsparteien Kaufleute, juristische Personen des öffentlichen Rechts oder öffentlich-rechtliche Sondervermögen sind.

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
X ARZ 578/13
vom
7. Januar 2014
in dem Gerichtsstandsbestimmungsverfahren
Nachschlagewerk: ja
BGHZ: nein
BGHR: ja
Die Unterbrechung des Rechtsstreits durch Eröffnung des Insolvenzverfahrens
über das Vermögen einer beklagten Partei hindert die Gerichtsstandsbestimmung
nach § 36 Abs. 1 Nr. 3 ZPO nicht (Bestätigung von BGH, Beschluss
vom 21. Januar 2009 - Xa ARZ 273/08).
BGH, Beschluss vom 7. Januar 2014 - X ARZ 578/13 - OLG Frankfurt am Main
Der X. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat am 7. Januar 2014 durch
den Vorsitzenden Richter Prof. Dr. Meier-Beck, den Richter Gröning, die Richterin
Schuster, den Richter Dr. Deichfuß und die Richterin Dr. Kober-Dehm

beschlossen:
Der Antrag auf Bestimmung des zuständigen Gerichts wird auf Kosten der Kläger zurückgewiesen.

Gründe:


1
I. Die klagenden Eheleute nehmen die vormalige Beklagte zu 1, über deren Vermögen nach dem Beschluss des vorlegenden Oberlandesgerichts das Insolvenzverfahren eröffnet worden ist (im Folgenden: Schuldnerin) als Verkäuferin und die Beklagte zu 2 als finanzierende Bank im Zusammenhang mit dem Erwerb einer in L. belegenen Eigentumswohnung als Kapitalanlage auf Schadensersatz in Anspruch. Nach dem Klagevortrag haben sich die Kläger auf der Grundlage einer fehlerhaften Beratung durch Mitarbeiter der D. GmbH (D. ), mit Sitz in D. , zum Kauf entschlossen. Im Zuge der Beratungsgespräche sei das als Anlage K10 vorgelegte Exposé der Schuldnerin verwendet worden, das die Risiken der Kapitalanlage beschönige. Die Wohnung sei sittenwidrig überteuert gewesen. Die Beklagten müssten sich die Fehlberatung durch die Mitarbeiter der D. zurechnen lassen. Sie hätten zudem eigene Aufklärungspflichten verletzt.
2
Zum Zeitpunkt der Zustellung der Klageschrift hatte die Schuldnerin ihren Sitz im Bezirk des Landgerichts Frankfurt, die Beklagte zu 2 ist im Bezirk des Landgerichts Hannover ansässig. Die Kläger haben Klage gegen beide Beklag- ten beim Landgericht Frankfurt erhoben. Nachdem die Beklagte zu 2 die Zuständigkeit gerügt hatte, haben die Kläger beantragt, das Oberlandesgericht Frankfurt möge das Landgericht Frankfurt am Main als zuständiges Gericht bestimmen.
3
Das Oberlandesgericht möchte diesen Antrag ablehnen, weil seiner Ansicht nach ein gemeinsamer besonderer Gerichtsstand nach § 29 ZPO beim Landgericht Dortmund begründet ist. Die Kläger stützten ihre Klage auf die Verletzung von Aufklärungs- und Beratungspflichten der Beklagten. Bei diesen handele es sich um Nebenpflichten zum Kaufvertrag über die erworbene Immobilie (Schuldnerin) bzw. zum Darlehensvertrag (Beklagte zu 2). Auch bei der Verletzung sekundärer Aufklärungs- und Beratungspflichten liege der Erfüllungsort dort, wo die vorgeblich unzureichende Beratung stattgefunden habe. Jedenfalls bei der isolierten Geltendmachung darauf gestützter Schadensersatzansprüche sei dort auch ein Gerichtsstand nach § 29 ZPO begründet. Danach sei hier ein gemeinsamer besonderer Gerichtsstand beim Landgericht Dortmund als dem für den Sitz der D. zuständigen Gericht gegeben.
4
Das Oberlandesgericht sieht sich an der beabsichtigten Entscheidung durch Beschlüsse des Bundesgerichtshofs vom 18. November 2009 und vom 10. Februar 2010 (IV ZR 36/09, VersR 2010, 645) und des OLG München (VersR 2009, 1382) gehindert.
5
II. Die Vorlage ist nach § 36 Abs. 3 Satz 1 ZPO zulässig.
6
Die vom vorlegenden Gericht beabsichtigte Entscheidung setzt nach dem von ihm zu Grunde gelegten und im vorliegenden Zusammenhang maßgeblichen rechtlichen Ausgangspunkt voraus, dass der Gerichtsstand des Erfüllungsorts nach § 29 ZPO bei der Geltendmachung von Schadensersatzansprüchen wegen Verletzung von Aufklärungs- und Beratungspflichten als Nebenpflichten an dem Ort begründet ist, an dem diese Nebenpflichten zu erfüllen sind, also die Beratung stattgefunden hat. Damit würde das vorlegende Gericht von der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs (Beschlüsse vom 18. Novem- ber 2009 und vom 10. Februar 2010 - IV ZR 36/09, VersR 2010, 645) und des OLG München (VersR 2009, 1382) abweichen, wonach bei einem Schadensersatzanspruch wegen Verletzung einer Nebenpflicht der Erfüllungsort im Sinne von § 29 ZPO am Erfüllungsort der Primärverpflichtung zu sehen ist (s. auch BGH, Urteil vom 30. September 1976 - II ZR 107/74, WM 1976, 1230).
7
Einer Gerichtsstandsbestimmung steht nicht entgegen, dass gemäß § 240 Satz 1 ZPO durch die Eröffnung des Insolvenzverfahrens der Rechtsstreit gegen die Schuldnerin unterbrochen ist. Die Unterbrechung des Rechtsstreits durch Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen der beklagten Partei hindert die Gerichtsstandsbestimmung nach § 36 Abs. 1 Nr. 3 ZPO nicht (BGH, Beschluss vom 21. Januar 2009 - X ARZ 273/08, juris, Rn. 12). Die Entscheidung nach § 36 Abs. 1 Nr. 3 ZPO betrifft nicht die Hauptsache selbst, sondern nur die Zuständigkeit und hat daher nur vorbereitenden Charakter (BayObLGZ 1985, 314, 315 f.; vgl. auch zum Prozesskostenhilfeverfahren BGH, Beschluss vom 23. März 1966 - Ib ZR 103/64, NJW 1966, 1126).
8
III. Über die Vorlagefrage ist jedoch nicht zu entscheiden. Für eine Gerichtsstandsbestimmung ist kein Raum, da ein gemeinschaftlicher besonderer Gerichtsstand nach § 32b Abs. 1 Nr. 1 oder 2 ZPO am Sitz der Schuldnerin begründet ist.
9
1. Die Schuldnerin und die Beklagte zu 2 sind Streitgenossen im Sinne des § 60 ZPO. Die Norm beruht weitgehend auf Zweckmäßigkeitserwägungen und ist deshalb grundsätzlich weit auszulegen. Dies gestattet es, auch ohne Identität oder Gleichheit des tatsächlichen und rechtlichen Grundes der geltend zu machenden Ansprüche Streitgenossenschaft anzunehmen, wenn diese Ansprüche in einem inneren sachlichen Zusammenhang stehen, der sie ihrem Wesen nach als gleichartig erscheinen lässt. Ein solcher Zusammenhang ist auch im Streitfall gegeben. Er ergibt sich daraus, dass die Kläger die Beklagten auf Ersatz derselben Schäden in Anspruch nehmen, die ihnen im Zusammenhang mit der als einheitlicher Lebenssachverhalt zu beurteilenden Kapitalanlage entstanden sind. Der sachliche Zusammenhang wird nicht dadurch aufgehoben, dass die Ansprüche gegen die Schuldnerin und die Beklagte zu 2 auf unterschiedliche Verträge gestützt sind, die ihrerseits nicht in unmittelbarem rechtlichen Zusammenhang stehen. Die erhobenen Ansprüche sind ihrem Wesen nach gleichartig, weil die Kläger ihre Klage darauf stützen, dass die Beklagten einen Beitrag zum Vertrieb der Kapitalanlage geleistet haben, obwohl sie hätten erkennen können und müssen, dass das Anlageobjekt überteuert sei und das Exposé, mit dem es beworben wurde, Fehler aufweise (vgl. BGH, Beschluss vom 3. Mai 2011 - X ARZ 101/11, NJW-RR 2011, 1137 Rn. 18).
10
2. Die Schuldnerin und die Beklagte zu 2 haben auch verschiedene allgemeine Gerichtsstände.
11
3. Es besteht jedoch ein gemeinschaftlicher besonderer Gerichtsstand.
12
a) Dieser ergibt sich allerdings nicht aus § 29 ZPO.
13
Es ist schon nicht ersichtlich, welche Gründe es rechtfertigen sollten, von der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs abzuweichen, wonach bei einem Schadensersatzanspruch wegen Verletzung einer Nebenpflicht der Erfüllungsort im Sinne von § 29 ZPO am Erfüllungsort der Hauptpflicht zu sehen ist (BGH, Urteil vom 30. September 1976 - II ZR 107/74, WM 1976, 1230, Beschlüsse vom 18. November 2009 und vom 10. Februar 2010 - IV ZR 36/09, VersR 2010, 645). Das vorlegende Oberlandesgericht kann sich für seinen Standpunkt auch nicht auf die von ihm angeführten Entscheidungen der Oberlandesgerichte Schleswig und Zweibrücken berufen. Das Oberlandesgericht Schleswig (OLGR 2005, 630) ist davon ausgegangen, dass der dortige Kläger die Verletzung von (Haupt-)Pflichten aus einem eigenständigen Beratungsvertrag geltend machte, der neben dem Kaufvertrag mit einer der Beklagten zustande gekommen sei. Das Oberlandesgericht Zweibrücken (NJW-RR 2012, 831) hat die dort in Rede stehende Beratungspflicht ausdrücklich als primäre Leistungspflicht angesehen.
14
Der Sachverhalt bietet ferner keine hinreichenden Anhaltspunkte dafür, dass die D. als Erfüllungsgehilfin der Beklagten zu 2 und der Schuldnerin anzusehen ist. Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs ist das Verhal- ten des Anlagenvermittlers dem finanzierenden Institut nach § 278 BGB grundsätzlich nur insoweit zuzurechnen, als dieses den Bereich der Anbahnung des Kreditgeschäfts betrifft, während Angaben zu dem zu finanzierenden Geschäft außerhalb des Pflichtenkreises der Bank liegen (BGH, Urteil vom 29. April 2003 - XI ZR 201/02, ZIP 2003, 1692). Im Verhältnis zur Schuldnerin setzte eine solche Zurechnung das Zustandekommen eines Beratungsvertrags voraus, was nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs (BGH, Urteil vom 18. Juli 2008 - V ZR 71/07, NJW 2008, 3059; BGH, Urteil vom 31. Oktober 2003 - BGHZ 156, 371, 374) nur unter bestimmten Voraussetzungen in Betracht kommt, ferner ein Auftreten der Mitarbeiter der D. für die Schuldnerin.
15
b) Ein gemeinschaftlicher besonderer Gerichtsstand besteht jedoch nach § 32b Abs. 1 Nr. 1 oder 2 ZPO.
16
Nach dieser Bestimmung ist für Klagen, mit denen ein Schadensersatzanspruch wegen einer falschen oder irreführenden öffentlichen Kapitalmarktinformation oder deren Verwendung erhoben wird, ausschließlich das Gericht am Sitz des betroffenen Emittenten oder des betroffenen Anbieters von sonstigen Vermögensanlagen zuständig, wenn sich dieser Sitz im Inland befindet und die Klage zumindest auch gegen den Emittenten oder Anbieter gerichtet ist.
17
Die Kläger stützen die geltend gemachten Schadensersatzansprüche u.a. darauf, dass die Mitarbeiter der D. im Rahmen der Beratung ein Exposé der Schuldnerin über die zehn Wohnungen umfassende Eigentumswohnungsanlage in L. vorgelegt hätten, welches unzutreffende Angaben enthalte. Dieses Exposé sei auch der Beklagten zu 2 bekannt gewesen. Da das Exposé nach Inhalt und Aufmachung für eine Vielzahl potentieller Kapitalanleger bestimmt ist, handelt es sich um eine öffentliche Kapitalmarktinformation im Sinne von § 1 Abs. 2 KapMuG.
18
Für die Klage, die sich auch gegen die Schuldnerin als Anbieterin der beworbenen Vermögensanlage richtet, ist mithin nach § 32b Abs. 1 ZPO das Gericht an deren Sitz ausschließlich zuständig. Die Schuldnerin hatte jedenfalls zum Zeitpunkt des Eintritts der Rechtshängigkeit ihren Sitz in Frankfurt am Main.
19
4. Da nach allem gemäß § 32b Abs. 1 ZPO ein gemeinsamer Gerichtsstand in Frankfurt am Main besteht und es deshalb einer Bestimmung des örtlich zuständigen Gerichts nicht bedarf, ist der Antrag auf Zuständigkeitsbestimmung kostenpflichtig (vgl. BGH, Beschluss vom 5. Februar 1987 - I ARZ 703/86, MDR 1987, 735) durch den nach § 36 Abs. 3 Satz 2 ZPO zur Entscheidung berufenen Bundesgerichtshof zurückzuweisen.
Meier-Beck Gröning Schuster Deichfuß Kober-Dehm
Vorinstanz:
OLG Frankfurt am Main, Entscheidung vom 07.11.2013 - 11 AR 59/13 -