Oberlandesgericht Rostock Urteil, 24. Nov. 2011 - 3 U 151/10

bei uns veröffentlicht am24.11.2011

Tenor

Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Landgerichts Schwerin vom 28.10.2010 wird zurückgewiesen.

Die Klägerin trägt die Kosten des Berufungsverfahrens.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Der Gegenstandswert für das Berufungsverfahren wird auf 6.114,01 € festgesetzt.

Gründe

I.

1

Die Parteien streiten über Schadensersatzansprüche wegen der Beschädigung eines durch den Beklagten angemieteten Kraftfahrzeuges.

2

Die Klägerin ist gewerbliche Autovermieterin. Mit Vertrag vom 13.06.2008 mietete der Beklagte bei der Klägerin am Flughafen B. einen VW Golf, amtliches Kennzeichen X-XX. Nach Maßgabe der vorgedruckten Vertragserklärung akzeptierte der Beklagte für diese und zukünftige Anmietungen die allgemeinen Vermietbedingungen, die Bedingung des Express-Master-Agreements sowie die Geschäftsbedingungen der Kreditkarteninstitute. Die Allgemeinen Geschäftsbedingungen der Klägerin enthalten unter anderem folgende Regelungen:

3

"G:Unfälle/Diebstahl/Anzeigepflicht

4

1. Nach einem Unfall, Diebstahl, Brand, Wildschaden oder sonstigen Schaden hat der Mieter sofort die Polizei zu verständigen, hinzuziehen und den Schaden der Vermieterin unverzüglich anzuzeigen. Dies gilt auch bei geringfügigen Schäden und bei selbstverschuldeten Unfällen ohne Mitwirkung Dritter. Sollte die Polizei die Unfallaufnahme verweigern, hat der Mieter dies gegenüber der Vermieterin nachzuweisen.

...

5

I: Haftung des Mieters

...

6

2. Dem Mieter steht es frei, die Haftung aus Unfällen für Schäden der Vermieterin durch Zahlung eines besonderen Entgeltes auszuschließen = vertragliche Haftungsfreistellung. In diesem Fall haftet er für Schäden, abgesehen von der vereinbarten Selbstbeteiligung nur dann, wenn

7

- er die Schadensanzeige entgegen seiner Verpflichtung, vgl. Abs. G Ziff. 2 nicht fristgemäß oder nicht vollständig an die Vermieterin übergibt.

8

- er oder seine Erfüllungsgehilfen den Schaden durch Vorsatz oder grobe Fahrlässigkeit herbeigeführt haben.

9

- er oder seine Erfüllungsgehilfen Unfallflucht begangen haben, soweit die berechtigten Interessen der Vermieterin an der Feststellung des Schadenfalls generell beeinträchtigt wurden, es sei denn, die Pflichtverletzung erfolgte nicht vorsätzlich oder grob fahrlässig.

10

- er oder seine Erfüllungsgehilfen entgegen der Verpflichtung nach Buchstabe G bei einem Unfall auf die Hinzuziehung der Polizei verzichteten, soweit die berechtigten Interessen der Vermieterin an der Feststellung des Schadenfalls generell beeinträchtigt wurden, es sei denn die Pflichtverletzung erfolgte nicht vorsätzlich oder grob fahrlässig.

...

11

N: Allgemeine Bestimmungen

...

12

4. Solange und soweit in dieser Vereinbarung nichts geregelt ist, sind die Vorschriften des Versicherungsvertragsgesetzes (VVG) und die Vorschriften der Allgemeinen Bedingungen für die Kraftfahrversicherung (AKB 95) entsprechend anzuwenden. Dies gilt auch für die sich aus dieser Vereinbarung ergebenden Unklarheiten."

13

Am 13.06.2008 fuhr der Beklagte das Fahrzeug zum Wohnort seiner Eltern nach K. Sch. in der Nähe von D. Nach der Abfahrt am nächsten Morgen von K. Sch. stieß der Beklagte gegen 5.30 Uhr in D. mit dem Fahrzeug gegen einen Bordstein und beschädigte dieses. Die Polizei wurde durch den Beklagten nicht verständigt. Der Beklagte meldete den Unfall telefonisch über eine Hotline der Klägerin. Im schriftlichen Unfallbericht vom 16.06.2008 gab der Beklagte an, den Unfall verursacht zu haben, weil er am Steuer nicht aufmerksam gewesen sei. Am gemieteten Fahrzeug entstand ein Sachschaden i.H.v. 6.864,01 €. Durch den Beklagten wurde vorprozessual lediglich die vereinbarte Selbstbeteiligung i.H.v. 750,00 € beglichen.

14

Die Klägerin hat den Beklagten auf Zahlung von Schadensersatz in Höhe von 6.114,01 € in Anspruch genommen, da die Voraussetzungen für die vertragliche Haftungsfreistellung nicht vorgelegen hätten. Insbesondere habe der Kläger eine Unfallflucht begangen und entgegen der vertraglichen Verpflichtung die Polizei nicht hinzugezogen. Der Kläger habe den Schaden erst am Unfalltag um 14.30 Uhr gemeldet und habe anlässlich des Telefonates angegeben, am Steuer eingeschlafen zu sein und deshalb die Kontrolle über das Fahrzeug verloren zu haben. Somit habe der Kläger den Unfall durch grobe Fahrlässigkeit verschuldet.

15

Mit Urteil vom 28.10.2010 hat das Landgericht Schwerin die Klage abgewiesen. Zur Begründung hat die Kammer ausgeführt, dass die vertragliche Einschränkung der Haftungsfreistellung gemäß Buchstabe I Nr. 2 der AGB der Klägerin unwirksam sei, weil sie dem gesetzlichen Leitbild der seit 01.01.2008 gültigen Fassung des Versicherungsvertragsgesetzes nicht entspreche. Die Klausel sei nicht teilbar und damit insgesamt unwirksam. Ein Rückgriff auf die Vorschrift des § 28 VVG scheide aus, da die Vorschrift voraussetze, dass die vertragliche Vereinbarung wirksam die Rechtsfolgen für den Fall einer Obliegenheitsverletzung bestimme. Die Klägerin könne sich auch nicht darauf berufen, dass eine Einschränkung der Haftungsfreistellung aus § 81 Abs. 2 VVG folge, denn es sei nicht ersichtlich, dass der Beklagte den Unfall grob fahrlässig herbeigeführt habe. Bezüglich der Einzelheiten wird auf die Entscheidungsgründe des angefochtenen Urteils Bezug genommen.

16

Gegen das ihr am 02.11.2010 zugestellte Urteil hat die Klägerin am 02.12.2010 Berufung eingelegt und diese mit Schriftsatz vom 15.12.2010 begründet.

17

Das Landgericht habe verkannt, dass die Regelung in Buchstabe I Nr. 2 Satz 2 der AGB der Klägerin nicht zwingend eine volle Haftung des Versicherungsnehmers vorsehe. Bei der beanstandeten Regelung handele es sich um eine teilbare Klausel. Die einzelnen Spiegelstriche stellten jeweils eigenständige Regelungen dar, die bei Unwirksamkeit einzelner Bestimmungen selbstständig Bestand hätten. Hinsichtlich der Unfallflucht habe das Landgericht verkannt, dass der Beklagte vorsätzlich gehandelt habe.

18

Die Klägerin beantragt,

19

das Endurteil des Landgerichts Schwerin, GZ: 3 O 417/09 vom 28.10.2010 dahingehend abzuändern, dass der Beklagte verurteilt wird, an die Klägerin 6.114,01 € nebst 5%Punkten über dem Basiszinssatz an Zinsen hieraus seit Zustellung des Mahnbescheids zu zahlen.

20

Der Beklagte beantragt,

21

die Berufung zurückzuweisen.

22

Insoweit verteidigt der Beklagte das landgerichtliche Urteil.

II.

23

Die Berufung ist zulässig, insbesondere form- und fristgerecht eingelegt, aber unbegründet.

24

Zu Recht und mit zutreffenden Gründen hat das Landgericht Schadensersatzansprüche der Klägerin aus § 823 Abs. 1 BGB bzw. §§ 280 Abs. 1, 535 Abs. 1 BGB verneint.

25

Zwar haftet der Beklagte auch bei leicht fahrlässiger Schadensverursachung der Klägerin grundsätzlich aus § 823 Abs. 1 BGB und aus Vertrag. Der Haftung des Beklagten steht jedoch die vereinbarte Haftungsfreistellung entgegen. Nach Maßgabe des Mietvertrages vom l3.06.2008 war eine Haftungsbefreiung mit Selbstbehalt in Höhe von 750,00 € vereinbart.

26

Im Ergebnis kann dahingestellt bleiben, ob die Allgemeinen Geschäftsbedingungen der Klägerin wirksam in das Vertragsverhältnis einbezogen wurden, da die Einschränkung der vertraglichen Haftungsfreistellung in Buchstabe I Nr. 2 der Allgemeinen Geschäftsbedingungen der Klägerin unwirksam ist. Die Klägerin hat versäumt, ihre Allgemeinen Geschäftsbedingungen der seit 01.01.2008 geltenden Neufassung des Versicherungsvertragsgesetzes anzupassen. Zwar besteht zwischen den Parteien kein Versicherungsverhältnis; über die Gewährung einer Haftungsfreistellung ist der Beklagte jedoch einem Versicherten in der Fahrzeugversicherung im Wesentlichen gleichgestellt. Vereinbaren die Parteien eines Kraftfahrzeugmietvertrags eine entgeltliche Haftungsreduzierung des Mieters nach Art einer Vollkaskoversicherung, so darf dieser - wie der Versicherungsnehmer - darauf vertrauen, dass die Reichweite des mietvertraglich vereinbarten Schutzes im Wesentlichen dem Schutz entspricht, den er als Eigentümer des Fahrzeugs in der Vollkaskoversicherung genießen würde (BGH, Urteil vom 11.10.2011, VI ZR 46/10). Der gewerbliche Kraftfahrzeugvermieter genügt seiner aus Treu und Glauben erwachsenen Verpflichtung nur dann, wenn er schon bei Festlegung seiner Allgemeinen Geschäftsbedingungen die Interessen der künftigen Vertragspartner angemessen berücksichtigt (BGH, Urteil vom 29.10.1956, II ZR 64/56, BGHZ 22, 113 ff.; Urteil vom 20.05.2009, XII ZR 94/07, BGHZ 181, 179).

27

Gemäß § 307 Abs. 1 Satz 1 BGB ist der Vertragspartner im Zweifel nach § 307 Abs. 1 Satz 1 BGB unangemessen benachteiligt, wenn eine Vertragsbestimmung mit wesentlichen Grundgedanken der gesetzlichen Regelung, von der abgewichen wird, nicht zu vereinbaren ist. Im Zuge der Bewertung ist entscheidend darauf abzustellen, ob die dispositive gesetzliche Regelung nicht nur auf Zweckmäßigkeitserwägungen beruht, sondern eine Ausprägung des Gerechtigkeitsgebots darstellt. Die Allgemeinen Geschäftsbedingungen der Klägerin sind demnach unwirksam, sofern sie dem gesetzlichen Leitbild des aktuellen VVG widersprechen. Dem Versicherer ist es verwehrt, sich auf eine Verletzung von Obliegenheiten zu berufen, wenn sich die Klausel an der gesetzlichen Regelung des § 6 VVG a.F. orientiert (BGH, Urteil vom 12.10.2011, IV ZR 199/10).

28

Buchstabe I Nr. 2 der klägerischen AGB sieht bei Erfüllung der in den Spiegelstrichen genannten Alternativen eine Haftung des Mieters vor. Weder im Vorgang noch im Nachgang oder unter den einzelnen Spiegelstrichen erfolgt eine Differenzierung der Rechtsfolgen der Haftung nach Vorsatz oder grober Fahrlässigkeit. Auch die hier maßgeblichen Spiegelstriche drei und vier differenzieren hinsichtlich der Unfallflucht und der unterbliebenen Einschaltung der Polizei zwar zwischen Vorsatz und grober Fahrlässigkeit, enthalten jedoch keine Differenzierung der Rechtsfolgen der Obliegenheitspflichtverletzung. Dass die verwendete Klausel noch an die vor dem 01.01.2008 geltende Fassung des Versicherungsvertragsgesetzes anknüpft, die eine Leistungsfreiheit des Versicherers auch bei grob fahrlässiger Verletzung von Obliegenheiten vorsah, folgt auch aus der Regelung in Buchstabe N Ziffer 4 der Allgemeinen Geschäftsbedingungen, die an die Vorschriften des Versicherungsvertragsgesetzes und die Vorschriften der Allgemeinen Bedingungen für die Kraftfahrtversicherung (AKB 95) anknüpft. Der Neuregelung des VVG tragen hingegen die AKB 2008 Rechnung. Entsprechend der landgerichtlichen Auslegung ist der Hinweis, dass die Haftungsfreistellung bei den in Spiegelstrichen angeführten Ausnahmen nicht greife, dahingehend zu verstehen, dass der Mieter in diesen Fällen voll hafte. Diese Regelungen sind mit dem gesetzlichen Leitbild der §§ 28, 380, 32 VVG unvereinbar. Demnach ist ein Verstoß gegen § 307 Abs. 2 Nr. 1 BGB zu bejahen.

29

Dieser führt entgegen der Ansicht der Klägerin zur Unwirksamkeit der Klauseln insgesamt. Jedenfalls die von der Klägerin zum Ausschluss der Haftungsfreistellung herangezogenen Spiegelstriche zwei, drei und vier enthalten keine Quotelung der Haftungsfreistellung für den Fall einer lediglich grob fahrlässigen Verursachung und sind somit unwirksam. Eine geltungserhaltende Reduktion der Allgemeinen Geschäftsbedingungen dahingehend, dass nach Maßgabe des gesetzlichen Leitbildes für die grob fahrlässige Verletzung der angeführten Obliegenheiten eine Quotenregelung vereinbart wäre, kommt vorliegend nicht in Betracht. Soweit in der Literatur für Altverträge vereinzelt vertreten wird, dass das Verbot einer geltungserhaltenen Reduktion ausnahmsweise deshalb nicht greife, weil die angewendeten Allgemeinen Geschäftsbedingungen früher der geltenden Rechtslage entsprochen hätten (Funck, VersR 2008, 168; Hövelmann, VersR 2008, 616), vermag dies nicht zu überzeugen. Die vom Bundesrat im Zuge des Gesetzgebungsverfahrens als denkbar angeregte Alternativregelung, die bestehenden Versicherungsbedingungen unter Berücksichtigung des fiktiven Willens der Vertragsparteien für den Fall der Kenntnis der neuen Rechtslage entsprechend auszulegen (Bundesratsdruckssache 707/06 S. 10), hat sich im Ergebnis nicht durchgesetzt. Durch den Gesetzgeber wurde vielmehr in Art. 1 Abs. 3 EGVVG dem Versicherer die Möglichkeit eingeräumt, die Allgemeinen Geschäftsbedingungen der veränderten Geschäftslage anzupassen. Gleiches muss auch für die Haftungsfreistellung des Mieters gelten, die im Ergebnis der Vereinbarung einer Kaskoversicherung mit Selbstbeteiligung entspricht. Im Ergebnis bedarf dies keiner Entscheidung.

30

Vorliegend kommt eine geltungserhaltende Reduktion bereits deshalb nicht in Betracht, weil hier - anders als in den diskutierten Altfällen - die AGB bereits bei Vertragsschluss der geltenden Rechtslage widersprachen. Der streitgegenständliche Vertrag wurde nach dem 01.01.2008 und somit nach Inkrafttreten der Neufassung des VVG geschlossen. Die von der Klägerin favorisierte geltungserhaltende Reduktion dahingehend, dass jedenfalls bei vorsätzlicher Verletzung von Obliegenheiten der vereinbarte Haftungsausschluss wirksam sei, scheidet aus, denn die Folgen der Obliegenheitsverletzungen wurden in Buchstabe I Nr. 2 AGB einheitlich geregelt.

31

Für den Fall, dass die Allgemeinen Geschäftsbedingungen der Klägerin in das Vertragsverhältnis der Parteien wirksam einbezogen sein sollten, ergäbe sich nicht bereits aus Buchstabe N Ziff. 4 der AGB, dass die Vorschriften des Versicherungsvertragsgesetzes Anwendung finden. Es erscheint bereits zweifelhaft, ob Buchstabe N Nr. 4 AGB der Klägerin vorliegend einschlägig ist. Die Bestimmung geht davon aus, dass in der Vereinbarung nichts geregelt ist. Die Allgemeinen Geschäftsbedingungen der Klägerin enthalten jedoch in Buchstabe I Nr. 2 entsprechende Regelungen. Darüber hinaus ist die Regelung unter Nr. 4 lediglich dann anwendbar, wenn sich aus der Vereinbarung Unklarheiten ergeben. Die vertraglichen Vereinbarungen sind jedoch nicht unklar, sondern im Hinblick auf den Verstoß gegen das gesetzliche Leitbild unwirksam (so auch LG Magdeburg, Urteil vom 25.06.2010, 10 O 2155/09).

32

Allerdings folgt die Anwendung der maßgeblichen Gesetzesvorschriften aus § 306 Abs. 2 BGB. Zwar gilt das Versicherungsvertragsgesetz für das Vertragsverhältnis der Parteien nicht unmittelbar, da ein Versicherungsvertrag nicht besteht. Da aber der die Haftungsfreistellung mit Selbstbehalt vereinbarende Mieter im Wesentlichen dem Kaskoversicherungsnehmer mit Selbstbeteiligung gleichsteht, erscheint es vom Grundsatz her angemessen, die gesetzlichen Regelungen des Versicherungsvertragsgesetzes anzuwenden. Insoweit ist das Landgericht in der angefochtenen Entscheidung ebenfalls davon ausgegangen, dass hilfsweise auf die Vorschriften des VVG Bezug zu nehmen ist (vgl. auch BGH, Urteil vom 11.10.2011, VI ZR 46/10). Im Hinblick auf die Sachnähe zur Kraftfahrzeugversicherung erscheint ein Schließen der Regelungslücke über die gesetzlichen Vorschriften des Versicherungsvertragsgesetzes sachgerecht.

33

Die tatbestandlichen Voraussetzungen des § 28 Abs. 2 VVG liegen jedoch nicht vor. § 28 Abs. 2 VVG setzt voraus, dass der Vertrag bestimmt, dass der Versicherer bei Verletzung einer vom Versicherungsnehmer zu erfüllenden vertraglichen Obliegenheit nicht zur Leistung verpflichtet ist. Wie das Landgericht zutreffend ausgeführt hat, ist diese Voraussetzung vorliegend nicht erfüllt, denn eine Obliegenheitspflicht bezüglich des unerlaubten Entfernens vom Unfallort wurde bereits nicht wirksam begründet, da die Obliegenheit in der beanstandeten Regelung gemäß Buchstabe I Nr. 2 AGB selbst enthalten ist und für die in Buchstabe G wirksam nominierte Pflicht zur Einschaltung der Polizei eine Rechtsfolge im Vertrag nicht wirksam geregelt ist.

34

Anders als § 81 Abs. 2 VVG enthält § 28 Abs. 2 VVG kein gesetzliches Leistungskürzungsrecht, sondern lediglich eine Auslegungsregel bezüglich der vertraglichen Vereinbarungen (BGH, Urteil vom 12.10.2011, IV ZR 199/10). Es ist nicht ausreichend, wenn im Vertrag lediglich die Obliegenheit nicht aber deren Rechtsfolge wirksam vereinbart wurde (Müko VVG/Wandt, § 28 RN 214; Schwintkowski/Brömmelmeyer-Schwintkowski, VVG, § 28 RN 21). Diese Auslegung erscheint auch deshalb sachgerecht, weil nach herrschender Ansicht der Verstoß gegen eine vertragliche Obliegenheit, an deren Verletzung der Versicherungsvertrag bestimmte Rechtsfolgen nicht knüpft, regelmäßig sanktionslos bleibt (vgl. OLG Brandenburg, Urteil vom 27.07.2004, 11 U 11/04, VersR 2005, 820). Die von der Klägerin gerügte Unfallflucht sowie die Verletzung der Pflicht zur Einschaltung der Polizei sind damit folgenlos. Da entgegen der Ansicht der Klägerin eine geltungserhaltende Reduktion der Allgemeinen Geschäftsbedingungen der Klägerin dahingehend nicht in Betracht kommt, dass jedenfalls bei vorsätzlichem Verstoß Leistungsfreiheit eintritt, kommt es vorliegend nicht darauf an, ob hinsichtlich der Unfallflucht eine vorsätzliche Obliegenheitspflichtverletzung vorliegt.

35

Soweit die Klägerin darüberhinaus geltend macht, dass der Beklagte den Unfall jedenfalls grob fahrlässig herbeigeführt habe, kommt zwar grundsätzlich eine Anwendbarkeit der gesetzlichen Regelung des § 81 Abs. 2 VVG in Betracht (so auch BGH, Urteil vom 11.10.2011, VI ZR 46/10), allerdings reicht der Sachvortrag der Klägerin nicht aus, um ein grob fahrlässiges Verschulden des Beklagten bei Entstehung des Schadens zu begründen. Zunächst ist bereits streitig, ob der Beklagte, wie von der Klägerin dargestellt, anlässlich der telefonischen Meldung des Schadensfalls angab, eingeschlafen zu sein. Der Beklagte selbst räumt lediglich ein, wie in der schriftlichen Unfallanzeige von Unaufmerksamkeit gesprochen zu haben. Im Ergebnis kann dies jedoch dahinstehen.

36

Unterstellt man den Sachvortrag der Klägerin als wahr, der Beklagte sei unmittelbar vor dem Unfall eingenickt, so folgt hieraus nicht, dass der Beklagte den Unfall grob fahrlässig herbeigeführt hat. Einschlafen am Steuer ist nur dann grob fahrlässig, wenn feststeht, dass sich der Fahrer bewusst über von ihm erkannte deutliche Anzeichen einer Übermüdung hinweggesetzt hat (BGH, Urteil vom 21.03.2007, I ZR 166/04, VersR 2008, 515). Insoweit hat bereits das Landgericht zutreffend ausgeführt, dass auch wenn man mit dem OLG Hamm (Urteil vom 05.11.1997, 20 U 99/97, MDR 1998, 344) von einer Anscheinsvermutung für eine grobe Fahrlässigkeit des Versicherungsnehmers ausgehen wollte, vorliegend eine entsprechende Vermutung aufgrund des unstreitigen Sachverhalts erschüttert ist. Die Anscheinsvermutung knüpft daran an, dass regelmäßig das Einschlafen nicht plötzlich und unvorhersehbar geschieht, sondern sich der Fahrer über vorher gegebene Warnzeichen bewusst hinwegsetzt. Aufgrund des geschilderten Sachverhalts gibt es hierfür jedoch keine Anhaltspunkte, da sich der Unfall unmittelbar nach Abfahrt des Beklagten vom Wohnhaus seiner Eltern in räumlicher Nähe zu diesem ereignete. Dass sich während der kurzen Fahrtstrecke vorher Anzeichen aufgedrängt hätten, die bei sorgfältiger Würdigung für den Beklagten Anlass gegeben hätten, von einer Übermüdung auszugehen, ist damit nicht ersichtlich. Dem erstinstanzlichen Beweisangebot auf Vernehmung der Zeugin S. zu den telefonischen Angaben des Klägers zum Einschlafen am Steuer ist daher nicht nachzugehen.

37

Die auf der fehlenden Anpassung der Allgemeinen Geschäftsbedingungen beruhende Sanktionslosigkeit von Obliegenheitsverletzungen ist auch hinzunehmen.

38

Eine Korrektur dieses Ergebnisses ist nicht ausnahmsweise über § 242 BGB geboten. Als ein solcher Umstand käme hier nicht die unterlassene Verständigung der Polizei, sondern allein das von der Klägerin behauptete unerlaubte Entfernen vom Unfallort gem. § 142 StGB ernstlich in Betracht. Da vorliegend weder andere Fahrzeuge noch andere Vermögenswerte beschädigt wurden, ist der Sachvortrag des Beklagten, dieser habe nicht gewusst, dass ein unerlaubtes Entfernen vom Unfallort bereits dann in Betracht kommt, wenn bei Nutzung eines Mietwagens die Interessen des Vermieters beeinträchtigt werden könnten, nicht gänzlich lebensfremd. Insoweit unterscheidet sich der Sachverhalt von dem, welcher der von der Klägerin zitierten Entscheidung des Landgerichts Düsseldorf (Urteil vom 18.06.2010, 20 S 7/10, NJW-Spezial 2010, 555) zugrunde lag. Dort setzte sich der Versicherungsnehmer zur Verschleierung einer Beteiligung an einem Unfall mit Fremdschaden bewusst über die sich aufdrängende Verpflichtung, die nötigen Feststellungen zu ermöglichen, hinweg. Ein vergleichsweiser schwerwiegender Verstoß gegen die Pflichten des Versicherungsnehmers ist dem Beklagten nicht vorzuwerfen. Im Übrigen befasst sich die zitierte Entscheidung allein mit der Frage, ob der Versicherungsnehmer arglistig handelte und ist damit für die hier zu beurteilende Frage, inwieweit das Ergebnis wegen untragbarer Konsequenzen ausnahmsweise einer Korrektur über den Rechtsgedanken des § 242 BGB zugänglich ist, ohne Belang.

39

Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO.

40

Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit ergibt sich aus §§ 708 Nr. 10, 711, 713 ZPO.

41

Anhaltspunkte für die Zulassung der Revision bestehen nicht, da die entscheidungserheblichen Fragen inzwischen durch den Bundesgerichtshof (Urteil vom 11.10.2011, VI ZR 46/10; Urteil vom 12.10.2011, IV ZR 199/10) entschieden worden sind.

Urteilsbesprechung zu Oberlandesgericht Rostock Urteil, 24. Nov. 2011 - 3 U 151/10

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(1) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen der Partei zur Last, die es eingelegt hat. (2) Die Kosten des Rechtsmittelverfahrens sind der obsiegenden Partei ganz oder teilweise aufzuerlegen, wenn sie auf Grund eines neuen Vo

Bürgerliches Gesetzbuch - BGB | § 242 Leistung nach Treu und Glauben


Der Schuldner ist verpflichtet, die Leistung so zu bewirken, wie Treu und Glauben mit Rücksicht auf die Verkehrssitte es erfordern.

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(1) Bestimmungen in Allgemeinen Geschäftsbedingungen sind unwirksam, wenn sie den Vertragspartner des Verwenders entgegen den Geboten von Treu und Glauben unangemessen benachteiligen. Eine unangemessene Benachteiligung kann sich auch daraus ergeben,
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(2) Bestimmt der Vertrag, dass der Versicherer bei Verletzung einer vom Versicherungsnehmer zu erfüllenden vertraglichen Obliegenheit nicht zur Leistung verpflichtet ist, ist er leistungsfrei, wenn der Versicherungsnehmer die Obliegenheit vorsätzlich verletzt hat. Im Fall einer grob fahrlässigen Verletzung der Obliegenheit ist der Versicherer berechtigt, seine Leistung in einem der Schwere des Verschuldens des Versicherungsnehmers entsprechenden Verhältnis zu kürzen; die Beweislast für das Nichtvorliegen einer groben Fahrlässigkeit trägt der Versicherungsnehmer.

(3) Abweichend von Absatz 2 ist der Versicherer zur Leistung verpflichtet, soweit die Verletzung der Obliegenheit weder für den Eintritt oder die Feststellung des Versicherungsfalles noch für die Feststellung oder den Umfang der Leistungspflicht des Versicherers ursächlich ist. Satz 1 gilt nicht, wenn der Versicherungsnehmer die Obliegenheit arglistig verletzt hat.

(4) Die vollständige oder teilweise Leistungsfreiheit des Versicherers nach Absatz 2 hat bei Verletzung einer nach Eintritt des Versicherungsfalles bestehenden Auskunfts- oder Aufklärungsobliegenheit zur Voraussetzung, dass der Versicherer den Versicherungsnehmer durch gesonderte Mitteilung in Textform auf diese Rechtsfolge hingewiesen hat.

(5) Eine Vereinbarung, nach welcher der Versicherer bei Verletzung einer vertraglichen Obliegenheit zum Rücktritt berechtigt ist, ist unwirksam.

(1) Der Versicherer ist nicht zur Leistung verpflichtet, wenn der Versicherungsnehmer vorsätzlich den Versicherungsfall herbeiführt.

(2) Führt der Versicherungsnehmer den Versicherungsfall grob fahrlässig herbei, ist der Versicherer berechtigt, seine Leistung in einem der Schwere des Verschuldens des Versicherungsnehmers entsprechenden Verhältnis zu kürzen.

(1) Wer vorsätzlich oder fahrlässig das Leben, den Körper, die Gesundheit, die Freiheit, das Eigentum oder ein sonstiges Recht eines anderen widerrechtlich verletzt, ist dem anderen zum Ersatz des daraus entstehenden Schadens verpflichtet.

(2) Die gleiche Verpflichtung trifft denjenigen, welcher gegen ein den Schutz eines anderen bezweckendes Gesetz verstößt. Ist nach dem Inhalt des Gesetzes ein Verstoß gegen dieses auch ohne Verschulden möglich, so tritt die Ersatzpflicht nur im Falle des Verschuldens ein.

(1) Verletzt der Schuldner eine Pflicht aus dem Schuldverhältnis, so kann der Gläubiger Ersatz des hierdurch entstehenden Schadens verlangen. Dies gilt nicht, wenn der Schuldner die Pflichtverletzung nicht zu vertreten hat.

(2) Schadensersatz wegen Verzögerung der Leistung kann der Gläubiger nur unter der zusätzlichen Voraussetzung des § 286 verlangen.

(3) Schadensersatz statt der Leistung kann der Gläubiger nur unter den zusätzlichen Voraussetzungen des § 281, des § 282 oder des § 283 verlangen.

(1) Wer vorsätzlich oder fahrlässig das Leben, den Körper, die Gesundheit, die Freiheit, das Eigentum oder ein sonstiges Recht eines anderen widerrechtlich verletzt, ist dem anderen zum Ersatz des daraus entstehenden Schadens verpflichtet.

(2) Die gleiche Verpflichtung trifft denjenigen, welcher gegen ein den Schutz eines anderen bezweckendes Gesetz verstößt. Ist nach dem Inhalt des Gesetzes ein Verstoß gegen dieses auch ohne Verschulden möglich, so tritt die Ersatzpflicht nur im Falle des Verschuldens ein.

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
VI ZR 46/10 Verkündet am:
11. Oktober 2011
Böhringer-Mangold,
Justizamtsinspektorin
als Urkundsbeamtin
der Geschäftsstelle
in dem Rechtsstreit
Nachschlagewerk: ja
BGHZ: ja
BGHR: ja

a) Ist in einem gewerblichen KFZ-Mietvertrag eine Haftungsbefreiung oder eine
Haftungsreduzierung nach Art der Vollkaskoversicherung vereinbart, ist ein in
den Allgemeinen Vermietungsbedingungen vorgesehener undifferenzierter
Haftungsvorbehalt für den Fall grober Fahrlässigkeit nach § 307 BGB unwirksam.

b) An die Stelle der unwirksamen Klausel über den Haftungsvorbehalt tritt der
Grundgedanke der gesetzlichen Regelung des § 81 Abs. 2 VVG.

c) Dies gilt hinsichtlich der Haftung des grob fahrlässig handelnden berechtigten
Fahrers, der nicht Mieter ist, gleichermaßen jedenfalls dann, wenn dessen
Haftungsfreistellung in den Allgemeinen Vermietungsbedingungen ausdrücklich
vorgesehen ist.
BGH, Urteil vom 11. Oktober 2011 - VI ZR 46/10 - OLG Köln
LG Köln
Der VI. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat auf die mündliche Verhandlung
vom 11. Oktober 2011 durch den Vorsitzenden Richter Galke, den Richter Zoll,
die Richterin Diederichsen, den Richter Pauge und die Richterin von Pentz

für Recht erkannt:
Auf die Revision der Klägerin wird das Urteil des 11. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Köln vom 13. Januar 2010 aufgehoben. Die Sache wird zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Revision, an das Berufungsgericht zurückverwiesen. Von Rechts wegen

Tatbestand:

1
Die Klägerin, eine gewerbliche Kraftfahrzeugvermieterin, nimmt den Beklagten auf Ersatz des Schadens in Anspruch, den er als Fahrer eines von seiner Arbeitgeberin angemieteten Kraftfahrzeugs verursacht hat.
2
Am 2. Juni 2008 vermietete die Klägerin einen Pkw an die Arbeitgeberin des Beklagten. Sie vereinbarten eine Haftungsfreistellung für selbstverschuldete Unfälle mit einer Selbstbeteiligung von 770 € pro Schadensfall. Dem Vertrag lagen die Allgemeinen Vermietbedingungen der Klägerin zugrunde, die unter anderem folgende Regelung enthielten: "2. Dem Mieter steht es frei, die Haftung aus Unfällen für Schäden der Vermieterin durch Zahlung eines besonderen Entgelts auszuschließen = vertragliche Haftungsfreistellung. In diesem Fall haftet er für Schäden, abgesehen von der vereinbarten Selbstbeteiligung nur dann, wenn - … - er oder seine Erfüllungsgehilfen den Schaden durch Vorsatz oder grobe Fahrlässigkeit herbeigeführt haben. … 7. Diese Regelungen gelten neben dem Mieter auch für den berechtigten Fahrer, wobei die vertragliche Haftungsfreistellung nicht zugunsten unberechtigter Nutzer der Mietwagen gilt."
3
Am 4. Juni 2008 fuhr der Beklagte um 0.59 Uhr nach einem Streit mit seiner Ehefrau und einem Kneipenbesuch mit dem angemieteten Pkw mit überhöhter Geschwindigkeit, kam von der Fahrbahn ab und kollidierte mit einem Baum. Der Beklagte war erheblich alkoholisiert, eine bei ihm um 2.54 Uhr entnommene Blutprobe wies eine Blutalkoholkonzentration von 2,96 Promille auf. Der Beklagte wurde rechtskräftig wegen fahrlässigen Vollrausches zu einer Geldstrafe verurteilt. Am Fahrzeug der Klägerin entstand infolge des Unfalls ein wirtschaftlicher Totalschaden in Höhe von 16.386,55 €.
4
Mit ihrer Klage hat die Klägerin den Fahrzeugschaden, Ersatz von Sachverständigenkosten , Wiederbeschaffungskosten und eine Kostenpauschale sowie Freistellung von den vorgerichtlichen Anwaltskosten geltend gemacht. Das Landgericht hat den Beklagten unter Klageabweisung im Übrigen zur Zahlung von 16.533,45 € zuzüglich Zinsen und zur Freistellung von vorgerichtlichen Rechtsanwaltskosten von 807,80 € verurteilt. Auf die Berufung des Beklagten hat das Oberlandesgericht der Klage lediglich in Höhe der vereinbarten Selbstbeteiligung von 770 € zuzüglich anteiliger vorgerichtlicher Rechtsanwaltskosten stattgegeben und die Klage im Übrigen abgewiesen. Mit der vom Berufungsgericht zugelassenen Revision erstrebt die Klägerin die Wiederherstellung des landgerichtlichen Urteils.

Entscheidungsgründe:

I.

5
Das Berufungsgericht, dessen Entscheidung in VersR 2010, 1193 veröffentlicht ist, hat ausgeführt: Der Beklagte hafte zwar dem Grunde nach gemäß § 823 Abs. 1 BGB. Die Voraussetzungen für die Unzurechnungsfähigkeit des Beklagten gemäß § 827 Satz 1 BGB könnten nicht festgestellt werden. Die Blutalkoholkonzentration von über 3 Promille reiche hierfür allein nicht aus. Weitere Indizien könnten nicht festgestellt werden. Die Haftung des Beklagten sei jedoch zu seinen Gunsten als berechtigtem Fahrer auf die vereinbarte Selbstbeteiligung von 770 € beschränkt. Die Vertragsbestimmung in den Allgemeinen Geschäftsbedingungen der Klägerin, die einen pauschalen und generellen Haftungsvorbehalt für den Fall der groben Fahrlässigkeit vorsieht, verstoße gegen § 307 BGB und sei deshalb unwirksam. Weil die Parteien des Mietvertrags eine Haftungsreduzierung für den Mieter nach Art der Vollkaskoversicherung mit Selbstbeteiligung vereinbart hätten, dürfe der Mieter darauf vertrauen, dass die Reichweite des mietvertraglich vereinbarten Schutzes im Wesentlichen dem Schutz entspreche, den er als Eigentümer des Kraftfahrzeugs und als Versicherungsnehmer in der Fahrzeugvollversicherung genießen würde. Dort wäre der pauschale Haftungsvorbehalt für grobe Fahrlässigkeit nach § 307 Abs. 1, Abs. 2 Nr. 1 BGB unwirksam, weil er mit wesentlichen Grundgedanken des seit 1. Januar 2008 geltenden § 81 Abs. 2 VVG nicht zu vereinbaren sei. Um eine unzulässige geltungserhaltende Reduktion zu vermeiden, müsse der Vorbehalt der Haftung für grobe Fahrlässigkeit insgesamt entfallen.

II.

6
Die Beurteilung des Berufungsgerichts hält revisionsrechtlicher Überprüfung nicht stand.
7
1. Zutreffend und von der Revision nicht angegriffen hat das Berufungsgericht angenommen, dass der Beklagte dem Grunde nach gemäß § 823 Abs. 1 BGB zum Schadensersatz verpflichtet ist und die Voraussetzungen für die Unzurechnungsfähigkeit gemäß § 827 Satz 1 BGB, die zur Beweislast des Schädigers stehen (vgl. Senatsurteile vom 12. Februar 1963 - VI ZR 70/62, BGHZ 39, 103, 108; vom 1. Juli 1986 - VI ZR 294/85, BGHZ 98, 135, 136 ff.), nicht vorliegen.
8
2. Entgegen der Annahme des Berufungsgerichts scheitert die Haftung des Beklagten aber nicht ohne weiteres an der zwischen der Klägerin und der Arbeitgeberin des Beklagten vereinbarten vertraglichen Haftungsfreistellung.
9
a) Mit Recht hat das Berufungsgericht allerdings angenommen, dass bei einem gewerblichen Kraftfahrzeugmietvertrag mit Haftungsfreistellung nach Art der Fahrzeugvollversicherung die Vertragsbestimmung, die die volle Haftung des Mieters oder seines berechtigten Fahrers bei grober Fahrlässigkeit vorsieht, gemäß § 307 BGB unwirksam ist. Denn eine solche Klausel weicht von wesentlichen Grundgedanken der hier maßgeblichen gesetzlichen Regelung über die Fahrzeugvollversicherung ab und ist mit dieser nicht zu vereinbaren.
10
aa) Gemäß § 307 Abs. 2 Nr. 1 BGB ist der Vertragspartner im Zweifel nach § 307 Abs. 1 Satz 1 BGB unangemessen benachteiligt, wenn eine Vertragsbestimmung mit wesentlichen Grundgedanken der gesetzlichen Regelung, von der abgewichen wird, nicht zu vereinbaren ist. Von maßgeblicher Bedeutung ist insoweit, ob die dispositive gesetzliche Regelung nicht nur auf Zweckmäßigkeitserwägungen beruht, sondern eine Ausprägung des Gerechtigkeitsgebots darstellt. Dabei brauchen Grundgedanken eines Rechtsbereichs nicht in Einzelbestimmungen formuliert zu sein. Es reicht aus, dass sie in allgemeinen, am Gerechtigkeitsgedanken ausgerichteten und auf das betreffende Rechtsgebiet anwendbaren Grundsätzen ihren Niederschlag gefunden haben (vgl. BGH, Urteile vom 9. Oktober 1985 - VIII ZR 217/84, BGHZ 96, 103, 109; vom 25. Juni 1991 - XI ZR 257/90, BGHZ 115, 38, 42; vom 30. Mai 2001 - XII ZR 273/98, NJW 2001, 3480, 3482).
11
Dementsprechend wird, wovon das Berufungsgericht zutreffend ausgeht, der Umfang einer entgeltlichen Haftungsfreistellung in einem gewerblichen Kraftfahrzeugmietvertrag am Leitbild der Kraftfahrzeugvollversicherung beurteilt. Vereinbaren die Parteien eines Kraftfahrzeugmietvertrags eine entgeltliche Haftungsreduzierung für den Mieter nach Art einer Vollkaskoversicherung, so darf dieser - wie der Versicherungsnehmer - darauf vertrauen, dass die Reichweite des mietvertraglich vereinbarten Schutzes im Wesentlichen dem Schutz entspricht, den er als Eigentümer des Kraftfahrzeugs und als Versicherungsnehmer in der Fahrzeugvollversicherung genießen würde. Nur bei Einräumung dieses Schutzes genügt der gewerbliche Vermieter von Kraftfahrzeugen seiner aus dem Grundsatz von Treu und Glauben erwachsenen Verpflichtung, schon bei der Festlegung seiner Allgemeinen Geschäftsbedingungen die Interessen künftiger Vertragspartner angemessen zu berücksichtigen (vgl. BGH, Urteile vom 29. Oktober 1959 - II ZR 64/56, BGHZ 22, 109, 113 ff.; vom 20. Mai 2009 - XII ZR 94/07, BGHZ 181, 179 Rn. 13; vom 17. Dezember 1980 - VIII ZR 316/79, VersR 1981, 349, 350; vom 16. Dezember 1981 - VIII ZR 1/81, VersR 1982, 359, 360; vom 19. Juni 1985 - VIII ZR 250/84, VersR 1985, 1066, 1067; Christensen in Ulmer/Brandner/Hensen, AGB-Recht, 11. Aufl., Bes. Vertragstypen , (22) Mietverträge Rn. 51; Rogler, r+s 2010, 1, 4).
12
bb) In der Fahrzeugvollversicherung ist - wie auch sonst im Versicherungsvertragsrecht - eine Vertragsbestimmung in Allgemeinen Geschäftsbedingungen , wonach der Versicherungsnehmer voll haftet, wenn er den Versicherungsfall grob fahrlässig herbeiführt, regelmäßig gemäß § 307 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 Nr. 1 BGB unwirksam (vgl. Baumann in Bruck/Möller, VVG, 9. Aufl. § 81 Rn. 189, 191; Burmann/Heß/Stahl, Versicherungsrecht im Straßenverkehr, 2. Aufl., Rn. 602; Halbach in Stiefel/Maier, Kraftfahrtversicherung, 18. Aufl., § 81 VVG Rn. 26; Karczewski in Rüffer/Halbach/Schimikowski, VVG, § 81 Rn. 114; MünchKommVVG/Looschelders, § 81 Rn. 140; Lorenz in Festschrift Deutsch, 2009, S. 355, 366 f.; Prölss in Prölss/Martin, VVG, 28. Aufl., § 81 Rn. 38; Rixecker, zfs 2007, 15, 16; Schmidt-Kessel in Looschelders/Pohlmann, VVG, 2010, § 81 Rn. 74; Spuhl in Marlow/Spuhl, Das neue VVG, 4. Aufl., Rn. 561).
13
Eine Mindermeinung hält einen solchen Leistungsausschluss zwar für zulässig (Günther/Spielmann, r+s 2008, 133, 143). Dieser Ansicht ist aber nicht zu folgen. Die Abschaffung des Alles-oder-nichts-Prinzips durch § 81 Abs. 2 VVG in der seit 1. Januar 2008 geltenden Fassung war ein "zentraler Punkt" der Gesetzesreform (vgl. BT-Drucks. 16/3945, S. 49). Die formularmäßige Rückkehr zu § 61 VVG a.F. wird daher in der Regel als unzulässig, weil einem wesentlichen Grundgedanken (§ 307 Abs. 2 Nr. 1 BGB) des Versicherungsvertragsrechts widersprechend, beurteilt (vgl. LG Göttingen, Urteil vom 18. November 2009 - 5 O 118/09, VersR 2010, 1490, 1491; LG Konstanz, Urteil vom 26. November 2009 - 3 O 119/09, zfs 2010, 214, 215 mit insoweit zustimmender Anmerkung Rixecker; LG Nürnberg-Fürth, Urteil vom 27. Januar 2010 - 8 O 10700/08, r+s 2010, 145, 148; LG Berlin, Urteil vom 26. Januar 2011 - 4 O 184/10, juris Rn. 29 ff.; Karczewski in Rüffer/Halbach/ Schimikowski, VVG, 2009, § 81 Rn. 114; Rogler, r+s 2010, 1, 5).
14
cc) Nach Ziff. 7 der Allgemeinen Vermietbedingungen wird dem berechtigten Fahrer der gleiche Umfang der Haftungsfreistellung gewährt wie dem Mieter, weshalb für die Beurteilung der Wirksamkeit der Klausel hier auch das Verhältnis des Vermieters zum Mieter maßgeblich ist. Die Erwartung einer der Fahrzeugvollversicherung entsprechenden Vertragsgestaltung besteht bei Kraftfahrzeugmietverträgen mit entgeltlicher Haftungsreduzierung auch hinsichtlich des Verhaltens eines Fahrers, dem der Mieter berechtigterweise das Mietfahrzeug überlässt, so dass entgegenstehende Geschäftsbedingungen gemäß § 307 BGB unwirksam sind (vgl. BGH, Urteile vom 16. Dezember 1981 - VIII ZR 1/81, VersR 1982, 359, 360; vom 20. Mai 2009 - XII ZR 94/07, BGHZ 181, 179 Rn. 16, 21 ff.). Das gilt auch für nach dem 1. Januar 2008 geschlossene Kraftfahrzeugmietverträge , bei denen die Allgemeinen Geschäftsbedingungen abweichend von § 81 Abs. 2 VVG die volle Haftung des Mieters für vom berechtigten Fahrer grob fahrlässig herbeigeführte Schäden vorsehen (vgl. Looschelders /Paffenholz, JR 2010, 290, 293).
15
b) Mit Erfolg rügt die Revision aber die Auffassung des Berufungsgerichts , der Vorbehalt der Haftung für grobe Fahrlässigkeit entfalle insgesamt, so dass der Beklagte im Fall grober Fahrlässigkeit nicht einmal anteilig hafte.
16
Welche Rechtsfolgen die Unwirksamkeit der Klausel, die in einem gewerblichen Kraftfahrzeugmietvertrag mit entgeltlicher Haftungsreduzierung die volle Haftung für grob fahrlässig herbeigeführte Schäden vorsieht, nach sich zieht, ist in Rechtsprechung und Literatur umstritten. Teilweise wird, was das Berufungsgericht annimmt, ein ersatzloses Entfallen des Haftungsvorbehalts für grobe Fahrlässigkeit befürwortet mit der Folge, dass der Vermieter bei grob fahrlässiger Schadensverursachung keinen Schadensersatz verlangen kann (LG Berlin, Urteil vom 26. Januar 2011 - 4 O 184/10, DAR 2011, 264, 265; vgl. Rogler, r+s 2010, 1, 4 f. hinsichtlich eines Rückgriffs auf § 28 VVG für unwirksame Klauseln über Obliegenheitsverletzungen). Eine andere Auffassung will im Wege der ergänzenden Vertragsauslegung - ggf. unter Inkaufnahme einer geltungserhaltenden Reduktion - § 81 Abs. 2 VVG entsprechend anwenden (LG Göttingen, Urteil vom 18. November 2009 - 5 O 118/09, VersR 2010, 1490, 1491; so wohl auch LG Konstanz, Urteil vom 26. November 2009 - 3 O 119/09, juris Rn. 44). Nach zutreffender Ansicht tritt an die Stelle der unwirksamen Klausel über den Haftungsvorbehalt bei grober Fahrlässigkeit gemäß § 306 Abs. 2 BGB der Grundgedanke der gesetzlichen Regelung des § 81 Abs. 2 VVG (vgl. Rogler, jurisPR-VersR 3/2010 Anm. 2; vgl. ferner Nugel, jurisPRVerkR 15/2010 Anm. 4).
17
aa) Ist eine Klausel in Allgemeinen Geschäftsbedingungen nicht Vertragsbestandteil geworden oder unwirksam, sind vorrangig die gesetzlichen Vorschriften als eine konkrete Ersatzregelung in Betracht zu ziehen (vgl. § 306 Abs. 2 BGB). Nur wenn solche nicht zur Verfügung stehen, stellt sich die Frage, ob ein ersatzloser Wegfall der unwirksamen Klausel eine sachgerechte Lösung darstellt. Scheiden beide Möglichkeiten aus, ist zu prüfen, ob durch eine ergänzende Vertragsauslegung eine interessengerechte Lösung gefunden werden kann (vgl. BGH, Urteil vom 12. Oktober 2005 - IV ZR 162/03, VersR 2005, 1565 Rn. 37).
18
Ist eine Allgemeine Versicherungsbedingung nicht Vertragsbestandteil geworden, so treten an ihre Stelle die Regelungen des Versicherungsvertragsgesetzes (MünchKommBGB/Basedow, 5. Aufl., § 306 Rn. 21; vgl. BGH, Urteil vom 21. Dezember 1981 - II ZR 76/81, NJW 1982, 824, 825). Das gilt entspre- chend für die Haftungsfreistellung bei der gewerblichen Kraftfahrzeugvermietung , die sich am Leitbild der Fahrzeugversicherung zu orientieren hat (vgl. BGH, Urteile vom 10. Juni 2009 - XII ZR 19/08, VersR 2010, 260 Rn. 18 f.; vom 2. Dezember 2009 - XII ZR 117/08, NJW-RR 2010, 480 Rn. 14).
19
bb) Weil sich der Umfang der vertraglichen Haftungsfreistellung am Leitbild der Kaskoversicherung orientiert, steht mit § 81 VVG für die Frage des Maßes der Haftung eine Vorschrift des dispositiven Rechts zur Verfügung, die geeignet ist, die infolge der Unwirksamkeit der Klausel entstehende Lücke zu schließen. Im Fall einer ungültigen Allgemeinen Versicherungsbedingung über die grob fahrlässige Herbeiführung des Versicherungsfalls käme nach § 306 Abs. 2 BGB die Regelung des § 81 Abs. 2 VVG zur Anwendung (vgl. Rogler, jurisPR-VersR 3/2010 Anm. 2; a.A. LG Berlin, Urteil vom 26. Januar 2011 - 4 O 184/10, DAR 2011, 264, 265). Da der Umfang der mietvertraglichen Haftungsfreistellung am Leitbild der Kaskoversicherung auszurichten ist, findet auch die Regelung des § 81 Abs. 2 VVG entsprechende Anwendung. Im Fall einer mietvertraglichen Haftungsfreistellung ist der Vermieter, der eine unwirksame Klausel verwendet, dem Versicherer gleichzustellen. Die Regelung des § 81 Abs. 2 VVG stellt auch für die mietvertragliche Haftungsfreistellung den vom Gesetzgeber bezweckten angemessenen Interessenausgleich zwischen den Parteien her.
20
cc) Die entsprechende Anwendung von § 81 Abs. 2 VVG läuft entgegen der Ansicht des Berufungsgerichts und anderer Instanzgerichte (LG Berlin, Urteil vom 26. Januar 2011 - 4 O 184/10, DAR 2011, 264, 265 f.; vgl. Rogler, r+s 2010, 1, 4 f. hinsichtlich eines Rückgriffs auf § 28 VVG für unwirksame Klauseln über Obliegenheitsverletzungen) nicht auf eine unzulässige geltungserhaltende Reduktion hinaus. Das Verbot der geltungserhaltenden Reduktion verlangt, dass eine gegen §§ 307 ff. BGB verstoßende Vertragsbestimmung nicht durch andere im Wege der ergänzenden Vertragsauslegung ermittelte Regelungen ersetzt wird, sondern insgesamt entfällt. Eine ergänzende Vertragsauslegung, die eine unwirksame Vertragsbestimmung auf den gerade noch zulässigen Inhalt reduziert, liefe dem Zweck der Regelungen über die Allgemeinen Geschäftsbedingungen zuwider. Sie würde es dem Verwender ermöglichen, risikolos die Allgemeinen Geschäftsbedingungen einseitig in seinem Interesse auszugestalten. Der Zweck des Rechts der Allgemeinen Geschäftsbedingungen, den Vertragspartner des Verwenders vor ungültigen Klauseln zu schützen, den Rechtsverkehr von unwirksamen Allgemeinen Geschäftsbedingungen freizuhalten und auf einen den Interessen beider Seiten gerecht werdenden Inhalt Allgemeiner Geschäftsbedingungen hinzuwirken, würde unterlaufen (Senatsurteil vom 24. September 1985 - VI ZR 4/84, BGHZ 96, 18, 25 f.; BGH, Urteil vom 17. Mai 1982 - VII ZR 316/81, BGHZ 84, 109, 114 ff.). Die Geltung des - hier entsprechend anzuwendenden - dispositiven Gesetzesrechts anstelle einer unwirksamen Klausel verstößt nicht gegen das Verbot der geltungserhaltenden Reduktion, sondern entspricht vielmehr seiner Intention (vgl. Senatsurteil vom 24. September 1985 - VI ZR 4/84, BGHZ 96, 18, 26).

III.

21
Der Senat kann nicht gemäß § 563 Abs. 3 ZPO in der Sache selbst entscheiden. Die Entscheidung über den Umfang der Anspruchskürzung entsprechend § 81 Abs. 2 VVG bedarf einer umfassenden Abwägung der Umstände des Einzelfalls (vgl. BGH, Urteil vom 22. Juni 2011 - IV ZR 255/10, VersR 2011, 1037, Rn. 33). Da das Landgericht die streitgegenständliche Klausel als wirksam angesehen und das Berufungsgericht den Standpunkt vertreten hat, die streitgegenständliche Klausel sei unwirksam und werde nicht durch eine ent- sprechende Anwendung des § 81 Abs. 2 VVG ersetzt, bestand für die Parteien bislang kein Anlass, zu den für die Abwägung relevanten Umständen näher vorzutragen. Galke Zoll Diederichsen Pauge von Pentz
Vorinstanzen:
LG Köln, Entscheidung vom 13.08.2009 - 37 O 143/09 -
OLG Köln, Entscheidung vom 13.01.2010 - 11 U 159/09 -

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
XII ZR 94/07 Verkündet am:
20. Mai 2009
Küpferle,
Justizamtsinspektorin
als Urkundsbeamtin
der Geschäftsstelle
in dem Rechtsstreit
Nachschlagewerk: ja
BGHZ: ja
BGHR: ja
VVG § 61 a.F.; BGB § 307 Bb, Cf
Vereinbaren die Parteien eines gewerblichen Kraftfahrzeugmietvertrages gegen
Entgelt eine Haftungsreduzierung für den Mieter nach Art der Vollkaskoversicherung
mit Selbstbeteiligung, so verliert der Mieter diesen Versicherungsschutz
nicht, wenn ein Dritter, dem er das Fahrzeug überlassen hat, dieses
schuldhaft beschädigt.
Entgegenstehende AGB beeinträchtigen den Mieter unangemessen und sind
deshalb gemäß § 307 BGB unwirksam.
BGH, Urteil vom 20. Mai 2009 - XII ZR 94/07 - OLG Hamburg
LG Hamburg
Der XII. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat auf die mündliche Verhandlung
vom 20. Mai 2009 durch die Vorsitzende Richterin Dr. Hahne und die Richter
Prof. Dr. Wagenitz, Fuchs, Dose und Dr. Klinkhammer

für Recht erkannt:
Die Revision gegen das Urteil des 14. Zivilsenats des Hanseatischen Oberlandesgerichts Hamburg vom 8. Juni 2007 wird auf Kosten der Klägerin zurückgewiesen.
Von Rechts wegen

Tatbestand:

1
Die Parteien streiten um Schadensersatz nach Vermietung eines Kraftfahrzeuges.
2
Die Klägerin, ein gewerbliches Autovermietungsunternehmen, vermietete mit Vertrag vom 21. März 2003 an die Beklagte zu 1 einen Kleintransporter zum Zwecke der Weitervermietung.
3
In den Vertragsbedingungen heißt es u.a.: "9. Haftung des Mieters Der Mieter haftet für während der Dauer des Mietvertrages entstandene Schäden am Fahrzeug... Bei Überlassung des Fahrzeugs an Dritte - einschließlich der in Ziff. 3 bezeichneten weiteren Fahrer - haftet der Mieter für die Einhaltung der Bestimmungen dieses Mietvertrages und das Verhalten des/der Dritten wie für eigenes Handeln. 10. Haftungsreduzierung Der Mieter kann - vorbehaltlich Ziff. 11 - seine Haftung nach Ziff. 9 durch Abschluss der Optionen "Haftungsreduzierung für alle Schäden einschließlich Fahrzeugdiebstahl" ... gegen Zahlung der entsprechenden Zusatzgebühr auf eine bestimmte Selbstbeteiligung (SB) pro Schadensfall reduzieren ... 11. Wegfall der Haftungsreduzierung ... Auch im Falle vorsätzlich oder grob fahrlässig verursachter Schäden tritt die Haftungsreduzierung nach Ziff. 10 nicht ein. ..."
4
Die Beklagte zu 1 vereinbarte mit der Klägerin eine Haftungsreduzierung mit einer Selbstbeteiligung von 511,29 € und vermietete ihrerseits das Fahrzeug an den Beklagten zu 2. Dieser verursachte in Absprache mit dem Beklagten zu 3 vorsätzlich einen Unfall. Dabei entstand am Mietfahrzeug der Klägerin ein Sach- und Sachfolgeschaden in Höhe von 7.306,74 €. Die Beklagte zu 1 bezahlte darauf lediglich den vereinbarten Selbstbeteiligungsbetrag.
5
Die Differenz von 6.795,45 € hat die Klägerin gegen alle drei Beklagten geltend gemacht. Das Landgericht hat die Beklagten zu 2 und 3 antragsgemäß verurteilt; insoweit ist das Urteil rechtskräftig. Die Klage gegen die Beklagte zu 1 hat es abgewiesen. Die Berufung der Klägerin gegen die Abweisung der Klage hat das Oberlandesgericht zurückgewiesen. Dagegen wendet sich die Klägerin mit ihrer vom Oberlandesgericht zugelassenen Revision. Im Revisionsverfahren hat die Klägerin die Hauptsache in Höhe von 2.640 € für erledigt erklärt. Die Beklagte zu 1 hat der Erledigungserklärung widersprochen.

Entscheidungsgründe:

6
Die Revision bleibt ohne Erfolg.
7
1. Das Berufungsgericht hat ausgeführt: Obwohl der Beklagte zu 2 als berechtigter Fahrer den Schaden vorsätzlich herbeigeführt hat und damit die vereinbarte Haftungsreduzierung auf den Selbstbehalt gemäß Ziff. 11 der AGB entfalle, sei die Klage unbegründet. Die in Ziff. 11 der AGB geregelte Haftungsreduzierung bei vorsätzlicher oder grob fahrlässiger Herbeiführung des Schadens sei nämlich gemäß § 307 Abs. 2 Nr. 1 BGB unwirksam, soweit die Haftungsreduzierung wegen des nur zugerechneten Verhaltens eines Dritten entfalle.
8
Allerdings sei der vom Landgericht gewählte Ausgangspunkt, wonach bereits Ziff. 9 der AGB der Klägerin und dort insbesondere die Zurechnung des Verschuldens Dritter unwirksam sei, nicht überzeugend. Ziff. 9 enthalte insoweit eine ausschließlich mietvertragliche Haftungsregelung, die zudem der Regelung in § 540 Abs. 2 BGB entspreche. Dies sei auch dann unbedenklich, wenn der Mieter - wie hier - eine Haftungsreduzierung nach Ziff. 10 der AGB vereinbart habe. Fraglich sei lediglich, ob eine Zurechnung des Drittverschuldens auch im Rahmen der Ziff. 11 der AGB (Wegfall der Haftungsreduzierung) zulässig sei. Das sei nicht der Fall.
9
Nach Ziff. 11 Abs. 1 Satz 3 der AGB entfalle die Haftungsreduzierung gemäß Ziff. 10 u.a. im Falle vorsätzlich oder grob fahrlässig verursachter Schäden. Diese Klausel knüpfe nicht an die Verursachung durch bestimmte Personen , insbesondere durch den Mieter selbst an, sondern erfasse im Zusammenspiel mit Ziff. 9 letzter Satz auch den Fall, in dem ein Dritter, dem das Fahrzeug überlassen sei, vorsätzlich oder grob fahrlässig gehandelt habe. Eine derartige Regelung sei aber in AGB gemäß § 307 Abs. 2 Nr. 1 BGB unwirksam.
10
Das Berufungsgericht habe in ständiger Rechtsprechung entschieden, dass sich eine in den AGB eines Autovermieters gegen zusätzliches Entgelt gewährte Haftungsbefreiung am "Leitbild einer Vollkaskoversicherung" orientieren müsse. Dies gelte auch, wenn eine Selbstbeteiligung vereinbart sei. An diesem Leitbild hätten sich die AGB der Klägerin zu orientieren, auch wenn sie das Wort "Vollkaskoversicherung" oder "Volldeckung" nicht ausdrücklich erwähnten. Das "Haftungsreduzierungs"-Modell der Klägerin sei nämlich grundsätzlich nach seiner Struktur und Eigenart an eine Vollkaskoversicherung mit Selbstbeteiligung angelehnt. Es solle den Mieter vor Inanspruchnahme wegen Fahrzeugschäden und Diebstahl schützen, könne durch eine zum Mietvertrag hinzutretende gesonderte Einigung vereinbart werden und koste dann eine gesonderte Gebühr. In Ziff. 10 sei von einer "Selbstbeteiligung (SB)" die Rede, auf die sich die Haftung des Mieters reduzieren solle. Bei einer derartigen Regelung dürfe ein die Zusatzvereinbarung abschließender Mieter grundsätzlich erwarten, dass der Umfang der Haftungsreduzierung dem durch eine Vollkaskoversicherung vermittelten Schutz im Wesentlichen entspreche.
11
Diese Anforderungen erfüllten Ziff. 11 Abs. 1 Satz 3 der klägerischen AGB nicht. An die Stelle des im Rahmen einer Kaskoversicherung jedenfalls im Regelfall versicherten Eigentümerinteresses trete bei einer Haftungsfreistellung des Mieters dessen Haftungsinteresse. Dieses Interesse bestehe hier wegen der Regelung in Ziff. 9 in der Gefahr der Inanspruchnahme durch den Vermieter wegen eigenen Verschuldens des Mieters als auch wegen dem Mieter nur zugerechneten fremden Verschuldens. Diese Zurücknahme des "Quasi-Versicherungsschutzes" über das Haftungsinteresse des Mieters orientiere sich allerdings nicht in ausreichendem Maße an den Grundwertungen des § 61 VVG a.F. Nach dieser Bestimmung, die zum Kernbestand der Kaskoversicherung als Schadensversicherung gehöre, werde der Versicherer von der Verpflichtung zur Leistung frei, wenn der Versicherungsnehmer den Versicherungsfall vorsätzlich oder grob fahrlässig herbeiführe. Die Vorschrift knüpfe nach ihrem Wortlaut ausschließlich an das eigene Verschulden des Versicherungsnehmers an; eine Zurechnung des Verschuldens Dritter entsprechend § 278 BGB sei ausgeschlossen und die Zurechnung auf wenige Sonderfälle wie etwa die Repräsentantenhaftung begrenzt. Im Rahmen einer Kaskoversicherung werde der Versicherungsschutz bei einer vorsätzlichen oder grob fahrlässigen Schadensherbeiführung durch den Fahrer, dem das Fahrzeug überlassen worden sei, nicht beeinträchtigt. Der Versicherungsschutz des Versicherungsnehmers bei Schadensherbeiführung durch Dritte werde im Gegenteil sogar noch durch die Regresssperre des § 15 Abs. 2 AKB ausgebaut. Dass ein "Fahrerverschulden" den Versicherungsschutz des Versicherungsnehmers weder direkt noch indirekt beeinträchtige, gehöre deshalb zu den Kernelementen einer Kaskoversicherung. Gegen dieses Leitbild der Kaskoversicherung verstoße Ziff. 11 Abs. 1 Satz 3 i.V.m. Ziff. 9 der klägerischen AGB, weil sie eine Zurechnung des Verschuldens des vom Mieter verschiedenen Fahrers ermögliche und die Haftungsreduzierung und damit den "Quasi-Versicherungsschutz" zu Lasten des Mieters schon dann leer laufen lasse, wenn lediglich der Fahrer, nicht aber der Mieter selbst, den Schaden vorsätzlich und/oder grob fahrlässig verursacht habe.
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2. Diese Ausführungen des Berufungsgerichts halten einer rechtlichen Nachprüfung stand.
13
a) Vereinbaren die Parteien eines gewerblichen Kraftfahrzeugmietvertrages gegen Entgelt eine Haftungsreduzierung für den Mieter nach Art der Vollkaskoversicherung mit Selbstbeteiligung, so darf dieser - gleichsam als Quasi -Versicherungsnehmer - darauf vertrauen, dass die Reichweite des mietvertraglich vereinbarten Schutzes im Wesentlichen dem Schutz entspricht, den er als Eigentümer des Kraftfahrzeuges und als Versicherungsnehmer in der Fahr- zeugvollversicherung genießen würde. Nur bei Einräumung dieses Schutzes genügt der gewerbliche Vermieter von Kraftfahrzeugen seiner aus dem Grundsatz von Treu und Glauben erwachsenen Verpflichtung, schon bei der Festlegung seiner Allgemeinen Geschäftsbedingungen die Interessen künftiger Vertragspartner angemessen zu berücksichtigen. Diese vom Berufungsgericht zugrunde gelegte Rechtsauffassung entspricht der ständigen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs (BGHZ 22, 109; Urteil vom 17. Dezember 1980 - VIII ZR 316/79 - NJW 1981, 1211, Urteil vom 16. Dezember 1981 - VIII ZR 1/81 - NJW 1982, 987 f., Urteil vom 19. Juni 1985 - VIII ZR 250/84 - NJW-RR 1986, 51, Senatsurteil vom 19. Januar 2005 - XII ZR 107/01 - NJW 2005, 1183).
14
b) Zutreffend ist das Berufungsgericht auch davon ausgegangen, dass in der Kraftfahrzeugvollversicherung eine Haftung des Versicherungsnehmers für Vorsatz oder grobe Fahrlässigkeit des Fahrers, dem er das Fahrzeug überlassen hat, nicht in Betracht kommt. Das ergibt sich aus § 61 VVG a.F. (§ 81 VVG). Nach dieser Bestimmung ist der Versicherer von seinen Leistungspflichten nur frei, wenn der Versicherungsnehmer selbst den Versicherungsfall vorsätzlich oder grob fahrlässig herbeiführt. Damit schließt bereits der Wortlaut des Gesetzes jede Zurechnung eines Drittverschuldens zu Lasten des Versicherungsnehmers aus. Es besteht auch weitgehend Einigkeit, dass im Rahmen des § 61 VVG a.F. die allgemeine zivilrechtliche Zurechnungsnorm für das Verschulden des Erfüllungsgehilfen (§ 278 BGB) keine Anwendung findet. Begründet wird dies damit, dass § 61 VVG a.F. keine Schadensersatzpflicht statuiert, sondern einen subjektiven Risikoausschluss beinhaltet und anderenfalls die Gefahr bestünde, den Versicherungsschutz in einer Weise einzuschränken, der mit dem Zweck der Versicherung nicht mehr verträglich wäre (BGHZ 11, 120, 123).
15
Allerdings wird es als zu weitgehend angesehen, eine Zurechnung groben Drittverschuldens auch dann zu verneinen, wenn der Dritte gleichsam an die Stelle des Versicherungsnehmers getreten ist, ihn gleichsam repräsentiert. Auf diesem Gedanken beruht die bereits auf reichsgerichtliche Rechtsprechung (RGZ 135, 370) zurückgehende, besonders für das Versicherungsrecht entwickelte "Repräsentantenhaftung" (BGHZ 107, 229, 232 f., 171, 304, 306 f.; Urteil vom 14. Mai 2003 - IV ZR 166/02 - NJW-RR 2003, 1250). Dem liegen Billigkeitserwägungen zugrunde; dem Versicherungsnehmer, der das versicherte Risiko aus der Hand gibt und sich der Obhut über die Sache gänzlich entledigt, soll es verwehrt werden, die Lage des Versicherers nach Belieben zu verschlechtern mit der Folge, dass dieser auch bei Vorsatz und grober Fahrlässigkeit des Repräsentanten leistungspflichtig wäre, während er frei wäre, wenn die "Risikoverwaltung" beim Versicherungsnehmer persönlich gegeben und dieser in gleicher Weise gehandelt hätte. Danach wird der Versicherer nur dann von der Leistungspflicht frei, wenn der Dritte Repräsentant des Versicherungsnehmers ist und in dieser Rolle den Versicherungsfall grob fahrlässig oder gar vorsätzlich vorbeiführt.
16
c) Ohne Rechtsfehler ist das Berufungsgericht davon ausgegangen, dass diese Grundsätze der Kaskoversicherung auch für den Mieter gelten, der sich gegen besonderes Entgelt eine Reduzierung seiner Haftung gegenüber dem Vermieter "erkauft". Es ist nämlich kein hinreichender Grund ersichtlich, die Prinzipien der Repräsentantenhaftung auf den quasi-versicherten Kraftfahrzeugmieter nicht anzuwenden. Die aus § 61 VVG a.F. hergeleitete, auf den Repräsentanten des Kraftfahrzeugmieters eingeschränkte Haftung hat bei vereinbarter Haftungsreduzierung in der gewerblichen Kraftfahrzeugmiete die gleiche Berechtigung, wie die unmittelbar aus § 61 VVG a.F. hergeleitete Repräsentantenhaftung im Versicherungsrecht. Es wäre inkonsequent, vom gewerblichen Kraftfahrzeugvermieter zu fordern, seine Vertragsbedingungen nach dem Leitbild der Fahrzeugvollversicherung zu gestalten, diese Forderung dann aber bei der wesentlichen Frage nach der Dritthaftung aufzugeben. Die Interessenlage des quasi-versicherten Kraftfahrzeugmieters und des Versicherungsnehmers sind identisch. Beide wollen sich vor Risiken schützen, die der versicherten Sache von dritter Seite drohen. Beider Interesse geht dahin, das mit dem Risikoeintritt verbundene Ausfallrisiko zu versichern, letztlich also das Insolvenzrisiko des Schädigers auf den Quasi-Versicherer zu verlagern. Dafür bezahlt der Versicherungsnehmer die Versicherungsprämie und der Kraftfahrzeugmieter über die Miete hinaus das Zusatzentgelt an den gewerblichen Kraftfahrzeugvermieter , der als "Quasi-Versicherer" auftritt.
17
d) Die Auffassung der Revision, der Bundesgerichtshof habe nur von einem Leitbild, nicht aber von einem Abbild der Kaskoversicherung gesprochen und die Grundsätze der Repräsentantenhaftung seien nicht anwendbar, weil der Untermieter nicht Repräsentant des Mieters sei, vermag nicht zu überzeugen.
18
aa) Das Berufungsgericht ist zutreffend und unangefochten davon ausgegangen , dass der Dritte (Fahrer, Untermieter u.ä.), dem der Mieter das Fahrzeug überlässt, nicht als Repräsentant im Sinne des Versicherungsrechts anzusehen ist. Repräsentant ist nämlich nur, wer in dem Geschäftsbereich, zu dem das versicherte Risiko gehört, aufgrund eines Vertrags - oder ähnlichen Verhältnisses - an die Stelle des Versicherungsnehmers getreten ist (BGHZ 107, 229, 230 f.). Die bloße Überlassung der Obhut über die versicherte Sache reicht dabei nicht aus, um ein solches Repräsentantenverhältnis anzunehmen (BGHZ aaO). Ebensowenig begründen allein verwandtschaftliche Beziehungen (Ehegatte , Kinder u.ä.) oder allein vertragliche Beziehungen, kraft derer der Dritte die Obhut über das versicherte Risiko (z.B. Miet-, Arbeits- oder Geschäftsbesorgungsverträge ) hat, die Repräsentantenstellung (BGH Urteil vom 14. Mai 2003 aaO). Vielmehr muss ein Repräsentant unter Würdigung aller Umstände des Einzelfalles befugt sein, selbständig in einem gewissen, nicht ganz unbedeutenden Umfang für den Versicherungsnehmer zu handeln und dabei auch dessen Rechte und Pflichten als Versicherungsnehmer wahrnehmen (Risikoverwaltung ).
19
bb) Nach diesen Maßstäben hat das Landgericht den Untermieter zu Recht nicht als Repräsentanten des Mieters angesehen, weil die Risikoverwaltung bezüglich der vereinbarten Haftungsreduzierung gänzlich in der Hand der Beklagten lag. Das stellt die Revision auch nicht in Frage. Sie macht vielmehr geltend, wenn der Unternehmer nicht als Repräsentant anzusehen sei, dann sei es auch nicht sinnvoll, die Grundsätze dieser Haftungsregelung anzuwenden. Dem ist nicht zu folgen. Die Argumentation der Revision beruht auf einem unzutreffenden Verständnis der Repräsentantenhaftung. Die Lehre von der Repräsentantenhaftung besagt, dass eine Haftung für Dritte nur besteht, wenn der Dritte Repräsentant des Versicherungsnehmers ist. Die Haftungsfreistellung hängt aber nicht vom Vorhandensein eines Repräsentanten ab. Sie soll vielmehr und gerade auch dann zur Geltung kommen, wenn kein Repräsentant vorhanden ist.
20
cc) Entgegen der Auffassung der Revision trifft es auch nicht zu, dass der Bundesgerichtshof von einer Haftung für Dritte ausgegangen sei, wenn diese das Mietobjekt vorsätzlich oder grob fahrlässig beschädigt haben. In den von der Revision angeführten Entscheidungen (BGH Urteile vom 17. Dezember 1980 - VIII ZR 316/79 - NJW 1981, 1211; vom 16. Dezember 1981 - VIII ZR 1/81 - NJW 1982, 987 f. und vom 15. Juni 1983 - VIII ZR 78/82 - WM 1983, 1009 ff.) kam es auf diese Fragen nicht an. Sollten die Entscheidungen im Sinne der Revision verstanden werden können, so hält der Senat, der für das gewerbliche Mietrecht allein zuständig ist, nicht daran fest.
21
e) Damit ist das Berufungsgericht zutreffend zu dem Ergebnis gelangt, dass die AGB der Klägerin zu Lasten der Beklagten zu 1 vom Leitbild der Vollkaskoversicherung abweicht. Ohne Rechtsverstoß durfte es darin eine im Sinne des § 307 BGB unangemessene und damit unwirksame Regelung sehen. Die dagegen von der Revision vorgebrachten Einwände überzeugen nicht.
22
aa) Ohne Erfolg beruft sich die Revision darauf, nicht die Haftung für Dritte , sondern die Befreiung der Haftung für Dritte sei unangemessen, weil sie die gesetzliche Haftungsregelung auf den Kopf stelle. Nach dem Gesetz hafte der Mieter für seinen Erfüllungsgehilfen (§ 278 BGB); im Mietrecht sei dieser Gedanke in § 540 Abs. 2 BGB, wonach der Mieter für das Verhalten des Untermieters einstehen müsse, noch besonders hervorgehoben.
23
Es geht hier aber nicht um die Frage, inwieweit durch AGB von der gesetzlichen Haftungsregelung des Mietrechts abgewichen werden kann. Die Parteien haben individualvertraglich und damit zweifelsohne zulässig eine Haftungsbeschränkung vereinbart. Sie haben sich darauf geeinigt, dass der Mieter bei Zahlung eines Geldbetrages zusätzlich zur Miete nur noch mit einem bestimmten Selbstbeteiligungsbetrag (511,29 €) haften soll. Die entscheidende Frage ist deshalb, ob der Vermieter unter diesen Umständen die individuell vereinbarte Haftungsbeschränkung mittels AGB wieder einschränken kann und der Mieter, der sich durch ein Zusatzentgelt eine zusätzliche Leistung (Haftungsbefreiung ) erkaufen will, damit rechnen muss, dass die angestrebte Haftungsbefreiung nicht gilt, wenn er das Fahrzeug einem Dritten überlässt und dieser es vorsätzlich oder grob fahrlässig beschädigt. Sie ist zu verneinen. Der Mieter muss sich darauf verlassen können, dass er eine Haftungsfreistellung entsprechend den Grundsätzen der Kaskoversicherung erhält, wozu auch und insbesondere gehört, dass er für grob fahrlässiges oder gar vorsätzliches Verhalten Dritter nicht haftet (vgl. § 61 VVG a.F.).
24
bb) Soweit die Revision unter Hinweis auf Entscheidungen der Oberlandesgerichte Hamm (OLGR 2006, 714), München (Versicherungsrecht 1997, 1238) und Jena (Urteil vom 7. Dezember 2000 - 1 U 627/00 - nicht veröffentlicht ) meint, ein Verstoß gegen § 307 BGB scheide schon deshalb aus, weil es einem verständlichen Bedürfnis des Vermieters entspreche, sich die vertragliche Haftung des Vertragspartners für das Verschulden von Personen zu sichern , denen die Mietsache zum Gebrauch überlassen werde, vermag dies nicht zu überzeugen. Der Vermieter hat es nämlich in der Hand, sich gegen das Risiko der Schadensverursachung durch Personen, denen der Mieter die Mietsache überlässt, mit dem Abschluss einer Kaskoversicherung abzusichern. Diese Möglichkeit nehmen viele Vermieter wahr und wälzen die Versicherungsprämie auf den Mieter ab. Wenn der Vermieter - wie hier - keine Kaskoversicherung abschließt, liegt es bei ihm, die vom Mieter für die Haftungsreduzierung zu zahlende Gebühr so zu bemessen, dass das Risiko, durch schuldhaftes Verhalten Dritter geschädigt zu werden, ausreichend abgedeckt wird.
25
cc) Auch die Auffassung, der Mieter werde nicht unangemessen benachteiligt , wenn sich der Vermieter die vertragliche Haftung für das Verschulden von Personen sichere, denen der Mieter die Sache überlasse, weil er es in der Hand habe, ob und welchen Personen er die Nutzungsmöglichkeit einräume, überzeugt nicht. Während der Mieter sein eigenes Fahrverhalten steuern und damit sein Haftungsrisiko bis zu einem gewissen Grad in Grenzen halten kann, ist dies bei Überlassung des Fahrzeugs an Dritte gerade nicht der Fall. Die Überprüfungsmöglichkeiten bei der Auswahl der Personen, denen er das Fahrzeug überlässt, sind beschränkt und die Einflussnahme auf deren Fahrverhalten begrenzt. Deshalb hat der Mieter ein gesteigertes Interesse, für vorsätzliche oder grob fahrlässige Schadenszuführung durch den Dritten nicht einstehen zu müssen. Gerade um sich vor diesem - für ihn nicht kalkulierbaren - Risiko zu schützen, ist der Mieter bereit, neben dem Entgelt für die Miete einen zusätzlichen Beitrag für seine Haftungsbeschränkung aufzubringen.
Hahne Wagenitz Fuchs Dose Klinkhammer

Vorinstanzen:
LG Hamburg, Entscheidung vom 17.02.2006 - 306 O 52/05 -
OLG Hamburg, Entscheidung vom 08.06.2007 - 14 U 49/06 -

(1) Bestimmungen in Allgemeinen Geschäftsbedingungen sind unwirksam, wenn sie den Vertragspartner des Verwenders entgegen den Geboten von Treu und Glauben unangemessen benachteiligen. Eine unangemessene Benachteiligung kann sich auch daraus ergeben, dass die Bestimmung nicht klar und verständlich ist.

(2) Eine unangemessene Benachteiligung ist im Zweifel anzunehmen, wenn eine Bestimmung

1.
mit wesentlichen Grundgedanken der gesetzlichen Regelung, von der abgewichen wird, nicht zu vereinbaren ist oder
2.
wesentliche Rechte oder Pflichten, die sich aus der Natur des Vertrags ergeben, so einschränkt, dass die Erreichung des Vertragszwecks gefährdet ist.

(3) Die Absätze 1 und 2 sowie die §§ 308 und 309 gelten nur für Bestimmungen in Allgemeinen Geschäftsbedingungen, durch die von Rechtsvorschriften abweichende oder diese ergänzende Regelungen vereinbart werden. Andere Bestimmungen können nach Absatz 1 Satz 2 in Verbindung mit Absatz 1 Satz 1 unwirksam sein.

(1) Der Versicherer hat den Versicherungsnehmer, soweit nach der Schwierigkeit, die angebotene Versicherung zu beurteilen, oder der Person des Versicherungsnehmers und dessen Situation hierfür Anlass besteht, nach seinen Wünschen und Bedürfnissen zu befragen und, auch unter Berücksichtigung eines angemessenen Verhältnisses zwischen Beratungsaufwand und der vom Versicherungsnehmer zu zahlenden Prämien, zu beraten sowie die Gründe für jeden zu einer bestimmten Versicherung erteilten Rat anzugeben. Er hat dies unter Berücksichtigung der Komplexität des angebotenen Versicherungsvertrags zu dokumentieren.

(2) Für die Übermittlung des erteilten Rats und der Gründe hierfür gilt § 6a.

(3) Der Versicherungsnehmer kann auf die Beratung und Dokumentation nach den Absätzen 1 und 2 durch eine gesonderte schriftliche Erklärung verzichten, in der er vom Versicherer ausdrücklich darauf hingewiesen wird, dass sich ein Verzicht nachteilig auf seine Möglichkeit auswirken kann, gegen den Versicherer einen Schadensersatzanspruch nach Absatz 5 geltend zu machen. Handelt es sich um einen Vertrag im Fernabsatz im Sinn des § 312c des Bürgerlichen Gesetzbuchs, kann der Versicherungsnehmer in Textform verzichten.

(4) Die Verpflichtung nach Absatz 1 Satz 1 besteht auch nach Vertragsschluss während der Dauer des Versicherungsverhältnisses, soweit für den Versicherer ein Anlass für eine Nachfrage und Beratung des Versicherungsnehmers erkennbar ist; Absatz 3 Satz 2 gilt entsprechend. Der Versicherungsnehmer kann im Einzelfall auf eine Beratung durch schriftliche Erklärung verzichten.

(5) Verletzt der Versicherer eine Verpflichtung nach Absatz 1, 2 oder 4, ist er dem Versicherungsnehmer zum Ersatz des hierdurch entstehenden Schadens verpflichtet. Dies gilt nicht, wenn der Versicherer die Pflichtverletzung nicht zu vertreten hat.

(6) Die Absätze 1 bis 5 sind auf Versicherungsverträge über ein Großrisiko im Sinn des § 210 Absatz 2 nicht anzuwenden, ferner dann nicht, wenn der Vertrag mit dem Versicherungsnehmer von einem Versicherungsmakler vermittelt wird.

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
IV ZR 199/10 Verkündet am:
12. Oktober 2011
Bott
Justizhauptsekretärin
als Urkundsbeamtin
der Geschäftsstelle
in dem Rechtsstreit
Nachschlagewerk: ja
BGHZ: ja
BGHR: ja
EGVVG Art. 1 Abs. 3; VVG §§ 28 Abs. 2 Satz 2, 81 Abs. 2; VGB 88 § 11 Nr. 2
1. Die Sanktionsregelung bei Verletzung vertraglich vereinbarter Obliegenheiten
(hier: § 11 Nr. 2 Satz 1 bis Satz 3 VGB 88) ist unwirksam, wenn der Versicherer
von der Möglichkeit der Vertragsanpassung gemäß Art. 1 Abs. 3 EGVVG keinen
Gebrauch gemacht hat. Der Versicherer kann deshalb bei grob fahrlässiger Verletzung
vertraglicher Obliegenheiten kein Leistungskürzungsrecht gemäß § 28
Abs. 2 Satz 2 VVG geltend machen.
2. Auf die Verletzung gesetzlicher Obliegenheiten (hier: grob fahrlässige Herbeiführung
des Versicherungsfalles gemäß § 81 Abs. 2 VVG) kann sich der Versicherer
weiterhin berufen.
BGH, Urteil vom 12. Oktober 2011 - IV ZR 199/10 - OLG Köln
LG Köln
Der IV. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat durch die Vorsitzende
Richterin Dr. Kessal-Wulf, die Richter Wendt, Felsch, Lehmann und
die Richterin Dr. Brockmöller auf die mündliche Verhandlung vom
12. Oktober 2011

für Recht erkannt:
Auf die Revision der Beklagten wird das Urteil des 9. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Köln vom 17. August 2010 aufgehoben.
Die Sache wird zur neuen Verhandlung und Entscheidung , auch über die Kosten des Revisionsverfahrens, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.
Von Rechts wegen

Tatbestand:

1
Der Kläger ist Zwangsverwalter eines Miteigentumsanteils an einem Grundstück verbunden mit dem Sondereigentum an einem Haus. Er trat im März 2007 in einen bei der Beklagten bestehenden Versicherungsvertrag über eine Wohngebäudeversicherung ein und verlangt Versicherungsleistungen für einen Leitungswasserschaden vom Januar

2009.


2
Dem Versicherungsverhältnis liegen "Allgemeine WohngebäudeVersicherungsbedingungen (VGB 88) - Fassung Januar 1995" zugrunde, die auszugsweise wie folgt lauten: "§ 11 Sicherheitsvorschriften 1. Der Versicherungsnehmer hat …
c) nicht genutzte Gebäude oder Gebäudeteile genügend häufig zu kontrollieren und dort alle wasserführenden Anlagen und Einrichtungen abzusperren, zu entleeren und entleert zu halten;
d) in der kalten Jahreszeit alle Gebäude und Gebäudeteile zu beheizen und diese genügend häufig zu kontrollieren und dort alle wasserführenden Anlagen und Einrichtungen abzusperren, zu entleeren und entleert zu halten; 2. Verletzt der Versicherungsnehmer eine dieser Obliegenheiten , so ist der Versicherer nach Maßgabe von § 6 VVG zur Kündigung berechtigt oder auch leistungsfrei. Eine Kündigung des Versicherers wird einen Monat nach Zugang wirksam. Leistungsfreiheit tritt nicht ein, wenn die Verletzung weder auf Vorsatz noch auf grober Fahrlässigkeit beruht. Führt die Verletzung zu einer Gefahrerhöhung, so gelten die §§ 23 bis 30 VVG. Danach kann der Versicherer zur Kündigung berechtigt oder auch leistungsfrei sein."
3
Die Beklagte nahm keine Anpassung der VGB 88 an die Vorschriften des Versicherungsvertragsgesetzes in der Fassung des Gesetzes zur Reform des Versicherungsvertragsrechts vom 23. November 2007 (BGBl. I 2631 - VVG 2008) gemäß Art. 1 Abs. 3 EGVVG vor.
4
Das versicherte Haus stand leer und wurde zur Vermietung vorgehalten. Eine Entleerung der wasserführenden Leitungen fand nicht statt. Am 8. Januar 2009 wurde ein Leitungswasserschaden festgestellt.

5
Die Beklagte berief sich vorgerichtlich auf eine Verletzung der Obliegenheit zur regelmäßigen Kontrolle des Gebäudes und zur Entleerung aller wasserführenden Anlagen. Unter Berücksichtigung der Schwere des Verschuldens des Versicherungsnehmers sagte sie eine hälftige Zahlung der Schadenbeseitigungsaufwendungen zu, die während des anhängigen Berufungsverfahrens erfolgte. Im Prozess hat sie im Hinblick auf eine von ihr behauptete unzureichende Beheizung des Gebäudes zudem geltend gemacht, dass der Kläger seine Aufklärungsobliegenheit verletzt, eine Gefahrerhöhung vorgenommen und den Versicherungsfall grob fahrlässig herbeigeführt habe.
6
Das Landgericht hat der Klage auf Zahlung von Reparaturaufwendungen in Höhe von 6.210,34 € bis auf die eingeklagte Zinsforderung stattgegeben. Die Berufung der Beklagten, mit der diese eine Abweisung der Klage in Höhe von 3.105,17 € begehrte, blieb ohne Erfolg. Hiergegen wendet sich die Beklagte mit ihrer Revision.
7
Während des Revisionsverfahrens wurde das Zwangsverwaltungsverfahren nach rechtskräftigem Zuschlagsbeschluss aufgehoben und der Kläger zur Fortführung des Rechtsstreits ermächtigt.

Entscheidungsgründe:


8
Die Revision hat Erfolg. Sie führt zur Aufhebung der angefochtenen Entscheidung und Zurückverweisung der Sache an das Berufungsgericht.

9
I. Das Berufungsgericht, dessen Urteil unter anderem in VersR 2010, 1592 veröffentlicht ist, hat ausgeführt, dass die Beklagte den eingetretenen Schaden in vollem Umfang zu ersetzen habe, da sie sich nicht auf eine Obliegenheitsverletzung gemäß § 11 Nr. 1 VGB 88 und eine quotale Leistungskürzung berufen könne. § 11 Nr. 2 VGB 88 sei gemäß § 32 VVG, wonach von den §§ 19 bis 29 Abs. 4 und § 31 Abs. 1 Satz 2 VVG nicht zum Nachteil des Versicherungsnehmers abgewichen werden könne, unwirksam. Die Klausel berücksichtige nicht die in § 28 Abs. 2 Satz 2 VVG statuierte quotale Leistungskürzung bei grob fahrlässiger Verletzung einer vertraglichen Obliegenheit und weiche deshalb von der gesetzlichen Regelung zum Nachteil des Versicherungsnehmers ab.
10
Sie könne wegen des Verbots der geltungserhaltenden Reduktion nicht auf einen zulässigen Inhalt zurückgeführt werden. Für eine ergänzende Vertragsauslegung sei kein Raum, da es die Beklagte durch eine Anpassung ihrer Bedingungen nach Art. 1 Abs. 3 EGVVG selbst in der Hand gehabt habe, das Entstehen von Regelungslücken zu verhindern.
11
Schließlich könne sich die Beklagte nicht unmittelbar auf ein Leistungskürzungsrecht nach § 28 Abs. 2 Satz 2 VVG stützen, da dieses eine wirksame vertragliche Vereinbarung einer Obliegenheit voraussetze, an der es wegen der Unwirksamkeit der gesamten Bestimmung des § 11 VGB 88 fehle.
12
Eine allgemeine Aufklärungspflichtverletzung durch falsche Darstellung des Schadenhergangs scheide mangels einschlägiger vertraglicher Regelung i.S. des § 28 Abs. 2 VVG aus.

13
Der Vortrag der Beklagten zu einer grob fahrlässigen Herbeiführung des Versicherungsfalles und zu einer Gefahrerhöhung sei nicht hinreichend substantiiert.
14
II. Das hält rechtlicher Nachprüfung nicht in allen Punkten stand.
15
Zutreffend hat das Berufungsgericht ein Leistungskürzungsrecht der Beklagten sowohl wegen Verletzung einer vertraglichen Obliegenheit als auch aufgrund einer Gefahrerhöhung verneint. Dagegen hat es die Anforderungen an den Sachvortrag der Beklagten zur grob fahrlässigen Herbeiführung des Versicherungsfalles gemäß § 81 VVG überspannt.
16
1. Der Kläger, dessen Prozessführungsbefugnis in jeder Lage des Verfahrens von Amts wegen zu prüfen ist, ist nach Beendigung der Zwangsvollstreckung infolge der rechtskräftigen Zuschlagserteilung weiterhin prozessführungsbefugt (vgl. BGH, Urteil vom 11. August 2010 - XII ZR 181/08, NJW 2010, 3033 Rn. 13 ff.).
17
2. Die Bestimmungen des § 11 Nr. 2 Satz 1 bis Satz 3 VGB 88 sind unwirksam.
18
a) Da der Versicherungsfall im Jahr 2009 eingetreten ist, findet gemäß Art. 1 Abs. 1 EGVVG das Versicherungsvertragsgesetz in der Fassung des Gesetzes zur Reform des Versicherungsvertragsrechts vom 23. November 2007 (BGBl. I 2631) Anwendung. § 28 Abs. 2 Satz 2 VVG bestimmt, dass der Versicherer im Fall einer grob fahrlässigen Verletzung einer Obliegenheit nur berechtigt ist, seine Leistung in einem der Schwere des Verschuldens des Versicherungsnehmers entsprechenden Verhältnis zu kürzen. Von dieser Regelung weicht das Sanktionensystem in § 11 Nr. 2 Satz 1 bis Satz 3 VGB 88 entgegen § 32 Satz 1 VVG zum Nachteil des Versicherungsnehmers ab. Denn § 11 Nr. 2 Satz 1 bis Satz 3 VGB 88 nimmt Bezug auf die Kündigung und die Leistungsfreiheit in § 6 VVG a.F., wonach eine grob fahrlässig begangene Obliegenheitsverletzung bei Vorliegen der weiteren Voraussetzungen der Vorschrift die volle Leistungsfreiheit zur Folge hat.
19
b) Dies führt zur Unwirksamkeit der Regelung gemäß § 307Abs. 1 Satz 1 BGB. Die Abweichung von der halbzwingenden Vorschrift des § 28 Abs. 2 Satz 2 VVG zum Nachteil des Versicherungsnehmers stellt eine unangemessene Benachteiligung dar (vgl. Senatsurteil vom 28. Juni 1995 - IV ZR 19/94, unter I 3 c bb), da die Leistungsfreiheit des Versicherers bei lediglich grob fahrlässiger Obliegenheitsverletzung mit wesentlichen Grundgedanken des § 28 Abs. 2 Satz 2 VVG nicht zu vereinbaren ist.
20
3. Die Vertragslücke, die durch die Unwirksamkeit der Regelung über die Folgen einer Obliegenheitsverletzung entstanden ist, kann nicht geschlossen werden.
21
Allerdings ist in Rechtsprechung und Schrifttum umstritten, ob sich der Versicherer bei grob fahrlässiger Verletzung einer Obliegenheit durch den Versicherungsnehmer auf ein quotales Leistungskürzungsrecht berufen kann, wenn in einem Altvertrag i.S. des Art. 1 Abs. 1 Satz 1 EGVVG die dortigen Bestimmungen über die Rechtsfolgen der Verletzung vertraglich vereinbarter Obliegenheiten durch Inkrafttreten und Anwendbarkeit des VVG 2008 unwirksam geworden sind, weil der Versicherer auf eine Anpassung seiner Versicherungsbedingungen nach Art. 1 Abs. 3 EGVVG verzichtet hat. Hiernach konnte der Versicherer bis zum 1. Januar 2009 seine Allgemeinen Versicherungsbedingungen für Altverträge mit Wirkung zum 1. Januar 2009 ändern, soweit sie von den Vorschriften des Versicherungsvertragsgesetzes abwichen, und er dem Versicherungsnehmer die geänderten Versicherungsbedingungen unter Kenntlichmachung der Unterschiede spätestens einen Monat vor diesem Zeitpunkt in Textform mitteilte.
22
a) Zum Teil wird vertreten, dass die vereinbarte Obliegenheit im Sinne einer Verhaltensnorm weiterhin wirksam bleibt und die gesetzliche Bestimmung des § 28 Abs. 2 Satz 2 VVG gemäß § 306 Abs. 2 BGB an die Stelle der unwirksamen vertraglichen Sanktionsregelung tritt.
23
aa) Dabei wird das Weiterbestehen der Obliegenheit trotz Unwirksamkeit der hierzu in den Allgemeinen Versicherungsbedingungen getroffenen Sanktionsregelung unterschiedlich begründet:
24
(1) Teilweise wird angenommen, dass es sich bei der Verhaltensnorm und der Sanktionsregelung um inhaltlich trennbare Regelungen handele, wobei die Verhaltensnorm aus sich heraus verständlich sei. Deshalb sei eine derartige Klausel in Allgemeinen Versicherungsbedingungen nicht insgesamt, sondern nur teilweise hinsichtlich der dort bestimmten Rechtsfolgen unwirksam (Hövelmann, VersR 2008, 612, 616; Schnepp/Segger, VW 2008, 907, 909).
25
(2) Überwiegend wird für Allgemeine Versicherungsbedingungen, die Obliegenheiten vertraglich festlegen und deren Verstoß mit den Rechtsfolgen des § 6 VVG a.F. sanktionieren, eine Ausnahme vom Ver- bot der geltungserhaltenden Reduktion befürwortet. Denn der Schutzzweck dieses Prinzips passe nicht für Allgemeine Versicherungsbedingungen , die bei Vertragsschluss wirksam gewesen und erst durch eine spätere Gesetzesänderung unwirksam geworden seien (MünchKommVVG /Looschelders, Art. 1 EGVVG Rn. 27; Funck, VersR 2008, 163, 168; Hövelmann aaO).
26
(3) Schließlich wird vereinzelt eine Parallele zur Behandlung verhüllter Obliegenheiten gezogen. Bei diesen halte die Sanktionsregelung der Klausel den gesetzlichen Vorgaben nicht stand; dennoch betrachte die Rechtsprechung die Obliegenheiten als wirksam und wende hierauf unmittelbar das Obliegenheitenrecht an. Gleiches müsse hier gelten (Segger/Degen, VersR 2011, 440, 445).
27
bb) Auch hinsichtlich der Rechtsfolgen finden sich unterschiedliche Begründungsansätze:
28
(1) Teilweise wird das Fehlen einer vertraglichen Vereinbarung über die Rechtsfolgen einer Obliegenheitsverletzung bei grob fährlässiger Begehungsweise als unschädlich betrachtet, da es sich bei § 28 Abs. 2 Satz 2 VVG um ein gesetzliches Leistungskürzungsrecht handele, das unabhängig von einer vertraglichen Vereinbarung der Parteien bestehe (LG Erfurt VersR 2011, 335; HK-VVG/Muschner, Art. 1 EGVVG Rn. 17; Brand in Looschelders/Pohlmann, VVG Art. 1 EGVVG Rn. 21; Honsel, VW 2008, 480, 481; Muschner/Wendt, MDR 2008, 949, 951; Segger/Degen aaO 441).
29
(2) Überwiegend wird angenommen, dass die Lücke bezüglich der Rechtsfolgen einer Obliegenheitsverletzung durch die gesetzliche Rege- lung des § 28 Abs. 2 Satz 2 VVG zu schließen sei (LG Ellwangen VersR 2011, 62; Funck aaO; Hövelmann aaO). Teilweise wird auch hier wiederum auf die Lückenfüllung durch Anwendung des Obliegenheitenrechts auf verhüllte Obliegenheiten verwiesen (Segger/Degen aaO 445).
30
b) Nach anderer Auffassung führt unabhängig von der Frage der Teilwirksamkeit einer vertraglichen Obliegenheitsvereinbarung ohne entsprechende Sanktionsregelung - also auch bei Gesamtnichtigkeit einer solchen Klausel - eine ergänzende Vertragsauslegung dazu, dass die in den Allgemeinen Versicherungsbedingungen vereinbarte Obliegenheit mit den Sanktionen des § 28 VVG als vereinbart gelten soll (vgl. Armbrüster in Prölss/Martin, VVG 28. Aufl. Art. 1 EGVVG Rn. 39; nur für den Fall der vorsätzlichen Obliegenheitsverletzung: Brand in Looschelders/ Pohlmann aaO; HK-VVG/Muschner aaO Rn. 24; Muschner/Wendt aaO

952).


31
c) Schließlich wird eine Korrektur der gesetzlichen Unwirksamkeitsfolge abgelehnt. Wenn der Versicherer von der in Art. 1 Abs. 3 EGVVG eingeräumten Möglichkeit zur Anpassung seiner Allgemeinen Versicherungsbedingungen keinen Gebrauch gemacht habe, so müsse es bei der sich aus dem Gesetz ergebenden Unwirksamkeit bleiben (LG Nürnberg-Fürth r+s 2010, 145, 147; Meixner/Steinbeck, Das neue Versicherungsvertragsrecht § 12 Rn. 2; Marlow/Spuhl, Das neue VVG kompakt 4. Aufl. Rn. 391 ff.; Fahl/Kassing, VW 2009, 320, 322 f.; von Fürstenwerth , r+s 2009, 221, 223 ff.; Fitzau, VW 2008, 448; Höra, r+s 2008, 89, 90; Knappmann, VRR 2007, 408, 409; Maier, VW 2008, 986, 987 ff.; Rogler, r+s 2010, 1, 4 f.; ders. jurisPR-VersR 3/2010 Anm. 2; Staudinger/ Kassing, ZGS 2011, 411, 412 ff.; Wagner, VersR 2008, 1190, 1193 f.).
32
d) Letztgenannte Auffassung trifft zu. Das Berufungsgericht hat zu Recht angenommen, dass die durch Unwirksamkeit der Sanktionsregelung des § 11 Nr. 2 Satz 1 bis Satz 3 VGB 88 entstandene Vertragslücke nicht geschlossen werden kann. Ob die vertragliche Obliegenheit in § 11 Nr. 1 VGB 88 als teilbare Klausel oder im Wege einer geltungserhaltenden Reduktion weiter besteht, obwohl § 11 Nr. 2 Satz 1 bis Satz 3VGB 88 zwar eine Sanktion anordnet, jedoch ein unwirksames Sanktionensystem enthält, kann deshalb dahinstehen.
33
aa) Eine quotale Leistungskürzung wegen grob fahrlässiger Verletzung einer Obliegenheit gemäß § 28 Abs. 2 Satz 2 VVG setzt voraus, dass neben einer vertraglichen Obliegenheit auch eine Sanktion für den Fall ihrer Verletzung im Versicherungsvertrag vereinbart ist. § 28 Abs. 2 Satz 2 VVG enthält kein gesetzliches Leistungskürzungsrecht.
34
Der Senat hält an der Rechtsprechung zu § 6 Abs. 1 Satz 1 VVG a.F., wonach der Versicherungsvertrag eine Vereinbarung über die Sanktion einer Obliegenheitsverletzung enthalten muss (vgl. BGH, Urteil vom 18. Dezember 1989 - II ZR 34/89, NJW-RR 1990, 405 unter 3), auch für das neue Recht fest. Für den Fall der vorsätzlichen Obliegenheitsverletzung regelt § 28 Abs. 2 Satz 1 VVG ausdrücklich, dass der Vertrag bestimmen muss, dass der Versicherer bei Verletzung einer vom Versicherungsnehmer zu erfüllenden vertraglichen Obliegenheit nicht zur Leistung verpflichtet ist. Systematisch knüpft § 28 Abs. 2 Satz 2 VVG unmittelbar an die allgemeinen Voraussetzungen des § 28 Abs. 2 Satz 1 VVG an und ersetzt lediglich die vollständige Leistungsfreiheit nach § 28 Abs. 1 Satz 1 VVG für den Fall der groben Fahrlässigkeit durch ein Kürzungsrecht des Versicherers (MünchKomm-VVG/Wandt, § 28 Rn. 214; Schimikowski, r+s 2010, 195; Staudinger/Kassing aaO). Weiterhin finden sich in der Gesetzesbegründung (BT-Drucks. 16/3945, S. 69) keine Anhaltspunkte dafür, dass das Erfordernis einer vertraglichen Vereinbarung zwar für eine vollständige Leistungsfreiheit, nicht jedoch für teilweise Leistungsfreiheit erforderlich sein soll (MünchKomm-VVG/Wandt aaO).
35
bb) Die Vorschrift des § 28 Abs. 2 Satz 2 VVG kann nicht gemäß § 306 Abs. 2 BGB zur Lückenfüllung herangezogen werden. Bei Art. 1 Abs. 3 EGVVG handelt es sich um eine gesetzliche Sonderregelung, die in ihrem Anwendungsbereich die allgemeine Bestimmung des § 306 Abs. 2 BGB verdrängt.
36
(1) Das Gesetzgebungsverfahren belegt, dass der Gesetzgeber die Schließung von Vertragslücken, die durch die Anwendung der Regelungen des VVG 2008 entstehen, allein durch eine Wahrnehmung der Anpassungsoption des Art. 1 Abs. 3 EGVVG seitens des Versicherers zulassen wollte, um die erforderliche Transparenz des vertraglichen Regelwerkes zu gewährleisten (vgl. von Fürstenwerth aaO 224 f.; Rogler aaO). Zur Vermeidung des Aufwands für die Anpassung von Altverträgen an das VVG 2008 hatte der Bundesrat eine Regelung vorgeschlagen, "die bestehende Versicherungsbedingungen unter Berücksichtigung des fiktiven Willens der Vertragsparteien für den Fall der Kenntnis der neuen Rechtslage auslegt" (BR-Drucks. 707/06 [Beschluss], S. 10). Der Gesetzgeber hat diesen Vorschlag nicht aufgegriffen, sondern an der Anpassungsmöglichkeit des Art. 1 Abs. 3 EGVVG in seiner jetzigen Fassung festgehalten. Damit hat er nicht nur einer ergänzenden Vertragsauslegung eine Absage erteilt, sondern auch deutlich gemacht, dass es ohne eine Anpassung gemäß Art. 1 Abs. 3 EGVVG für den Versicherer keine Möglichkeit geben soll, aus der Verletzung vertraglicher Obliegen- heiten in Altverträgen nachteilige Rechtsfolgen für den Versicherungsnehmer abzuleiten.
37
(2) Die Heranziehung des § 28 Abs. 2 Satz 2 VVG über die allgemeine Bestimmung des § 306 Abs. 2 BGB widerspräche der in Art. 1 Abs. 3 EGVVG vorgenommenen Interessenabwägung zwischen Versicherern und Versicherungsnehmern bei der Anpassung von Allgemeinen Versicherungsbedingungen an das VVG 2008.
38
Hauptanliegen des Gesetzgebers bei der Reform des Versicherungsvertragsrechts war es, die Stellung des Versicherungsnehmers deutlich zu stärken und die Transparenz von Versicherungsbedingungen zu verbessern (vgl. Gesetzentwurf, BT-Drucks. 16/3945, S. 1). Vor diesem Hintergrund muss die Regelung des Art. 1 Abs. 3 EGVVG gesehen werden. Dem Gesetzgeber war das Problem der Unwirksamkeit von Allgemeinen Versicherungsbedingungen in Altverträgen durch Inkrafttreten des neuen Rechts bewusst. Deshalb hat er den Versicherern die Anpassungsoption des Art. 1 Abs. 3 EGVVG eingeräumt. Ein Versicherer kann die Unwirksamkeitsfolgen hiernach jedoch nur durch eine Anpassung seiner Allgemeinen Versicherungsbedingungen abwenden, indem er den Versicherungsnehmer in der durch Art. 1 Abs. 3 EGVVG geregelten Weise über die geänderte Vertragslage informiert (vgl. BT-Drucks. 16/3945, S. 118, wo die Bedingungsanpassung als "geboten" bezeichnet wird). Dies zeigt, dass es dem Gesetzgeber auch um eine rasche Umstellung auf transparente, neue Vertragswerke ging und er eine unterbliebene Vertragsumstellung durch den Wegfall der unwirksam gewordenen Vertragsbestimmung sanktionieren wollte (vgl. von Fürstenwerth aaO).
39
Dieses Regelungsgefüge würde unterlaufen, wenn dem Versicherer auch ohne Umstellung seiner Allgemeinen Versicherungsbedingungen die Anwendung der Rechtsfolgen des VVG 2008 auf Obliegenheitsverletzungen gestattet wäre. Das Anpassungsverfahren nach Art. 1 Abs. 3 EGVVG wäre in diesem Falle letztlich überflüssig. Eine Lückenfüllung durch § 28 Abs. 2 Satz 2 VVG über die allgemeine Bestimmung des § 306 Abs. 2 BGB hätte entgegen dem Zweck des Art. 1 Abs. 3 EGVVG zur Folge, dass für den Versicherungsnehmer mangels Übersendung angepasster Allgemeiner Versicherungsbedingungen eine völlig intransparente Sanktionsregelung Bestand hätte, bei der er dem Vertrag insbesondere nicht seine nach § 28 VVG 2008 erweiterten Verteidigungsmöglichkeiten entnehmen kann.
40
(3) Dem steht nicht entgegen, dass eine Vertragsumstellung mit hohen Kosten verbunden ist. Der hohe Umstellungsaufwand der Versicherer wurde im Gesetzgebungsverfahren gesehen (BR-Drucks. 707/06 [Beschluss], S. 10). Von der Bundesregierung wurde die Übergangsregelung mit Blick auf den erheblichen Anpassungsbedarf nochmals geprüft (vgl. BT-Drucks. 16/3945, S. 133). Danach hat der Gesetzgeber an Art. 1 Abs. 3 EGVVG in seiner jetzigen Fassung festgehalten.
41
Nicht durchdringen kann die Beklagte damit, dass es ihr auf Grund besonderer Umstände wie einem hohen Vertragsbestand, vieler unterschiedlicher Allgemeiner Versicherungsbedingungen und mehrerer EDVPlattformen faktisch unmöglich gewesen sei, alle Altverträge gemäß Art. 1 Abs. 3 EGVVG umzustellen, folglich der Gesetzgeber in Art. 1 Abs. 3 EGVVG eine zu kurze Umstellungsfrist bemessen habe und deshalb zur Wahrung des Rechtsstaatsprinzips an eine unterbliebene Umstellung keine negativen Folgen geknüpft werden dürften. Der Gesetzge- ber ist zutreffend davon ausgegangen, dass die durch Art. 1 EGVVG statuierte Anwendung des neuen Rechts auf Altverträge lediglich unechte Rückwirkung entfaltet (BT-Drucks. 16/3945, S. 118), da eine Norm auf gegenwärtig noch nicht abgeschlossene Sachverhalte und Rechtsbeziehungen für die Zukunft einwirkt (vgl. BVerfGE 123, 186, 257; 101, 239, 263). Gemessen am Rechtsstaatsprinzip des Art. 20 Abs. 3 GG ist die unechte Rückwirkung in der Regel zulässig (BVerfGE 123, 186, 257; 101, 239, 263). Aus dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit folgt das Erfordernis angemessener Übergangsregelungen (BVerfGE 67, 1, 15). Ob und in welchem Umfang Übergangsregelungen notwendig sind, muss einer Abwägung des gesetzlichen Zwecks mit der Beeinträchtigung der Betroffenen entnommen werden. Dabei steht dem Gesetzgeber ein erheblicher Spielraum zur Verfügung (BVerfGE 67, 1, 15). Überdies ist er bei Massenerscheinungen zu Typisierungen verfassungsrechtlich befugt (BVerfGE 103, 271, 290).
42
Indem der Gesetzgeber die in Art. 1 Abs. 3 EGVVG festgelegte Frist für angemessen erachtet hat, hat er weder seinen Gestaltungsspielraum überschritten noch den Bereich zulässiger Typisierung verlassen. Dies folgt zum einen daraus, dass die Beklagte für einige Versicherungssparten branchenweit eine weitgehende Umstellung der Altverträge gemäß Art. 1 Abs. 3 EGVVG eingeräumt hat und auch für die Sachversicherung nicht geltend macht, dass sämtliche oder die Mehrzahl der Versicherer die Anpassungsoption des Art. 1 Abs. 3 EGVVG nicht hätten wahrnehmen können. Zum anderen beruft sich die Beklagte auf Umstände , die gerade ihren spezifischen Vertragsbestand betreffen und unter anderem durch die Übernahme zahlreicher kleinerer Versicherer mit jeweils abweichenden Allgemeinen Versicherungsbedingungen und eine besondere Situation bei der EDV-Ausstattung bedingt sind. Derartige spezifische Einzelumstände muss der Gesetzgeber im Rahmen zulässiger Typisierung nicht in Rechnung stellen. Vor diesem Hintergrund ist auch für die Annahme eines Verstoßes gegen Art. 12 Abs. 1 GG kein Raum. Daher hat das Berufungsgericht dieses Vorbringen der Beklagten zu Recht als unerheblich betrachtet und auf eine weitere Sachaufklärung verzichtet.
43
(4) Eine andere Beurteilung ist nicht deshalb geboten, weil Art. 1 Abs. 3 EGVVG keine Verpflichtung zur Umstellung enthält, sondern der Gesetzgeber den Versicherern lediglich die Möglichkeit einräumt, ihre Bedingungen anzupassen. Damit hat der Gesetzgeber die Weiterverwendung der bisherigen Allgemeinen Versicherungsbedingungen für Altverträge zugelassen. Er hat jedoch zugleich an den Verzicht auf eine Vertragsanpassung die dargestellten Rechtsfolgen gekoppelt. Hierfür war es nicht notwendig, in Art. 1 Abs. 3 EGVVG eine besondere Unwirksamkeitsfolge bei nicht angepassten Allgemeinen Versicherungsbedingungen zu statuieren. Diese ergibt sich über Art. 1 Abs. 1 EGVVG aus der Anwendung des VVG 2008 auf Altverträge mit den Folgen der § 32 VVG und § 307 BGB.
44
(5) Entgegen der Ansicht der Revision steht die Nichtanwendung des § 28 Abs. 2 Satz 2 VVG in den Fällen unterbliebener Bedingungsanpassung nach Art. 1 Abs. 3 EGVVG nicht in Widerspruch zur Anwendung des Obliegenheitsrechts auf verhüllte Obliegenheiten. Zwar trifft es zu, dass in der Rechtsprechung des Senats bei verhüllten Obliegenheiten auf die gesetzliche Regelung des § 6 VVG a.F. zurückgegriffen wurde, obwohl es in den zu beurteilenden Klauseln keine Sanktionsregelung gab, da diese als Risikobegrenzung formuliert waren (Senatsurteile vom 24. Mai 2000 - IV ZR 186/99, VersR 2000, 969 unter 1 c; vom 29. No- vember 1972 - IV ZR 162/71, NJW 1973, 284 unter II 2). Indes stellt die Anwendung des § 6 VVG a.F. auf verhüllte Obliegenheiten nichts anderes als eine Lückenfüllung i.S. von § 306 Abs. 2 BGB dar. Die allgemeine Bestimmung des § 306 Abs. 2 BGB wird jedoch für den speziellen Bereich der erst durch Inkrafttreten des VVG 2008 unwirksam gewordenen Allgemeinen Versicherungsbedingungen durch die Sondervorschrift des Art. 1 Abs. 3 EGVVG verdrängt, die für die unwirksame Sanktionsregelung bei Verletzung vertraglicher Obliegenheiten gerade keine Schließung der Vertragslücke durch Rückgriff auf gesetzliche Regelungen zulässt. Aus dem dargestellten Zweck der Regelung und dem Gang des Gesetzgebungsverfahrens folgt, dass im Anwendungsbereich dieser Vorschrift eine Lückenfüllung bei unterbliebener Bedingungsanpassung ausgeschlossen ist.
45
cc) Eine ergänzende Vertragsauslegung scheidet aus.
46
(1) Grundsätzlich ist sie bei Unwirksamkeit einer Klausel in einem vorformulierten Vertrag möglich, wenn dispositive Gesetzesbestimmungen nicht zur Verfügung stehen, so dass das Regelungsgefüge eine Lücke aufweist (Senatsurteil vom 22. Januar 1992 - IV ZR 59/91, BGHZ 117, 92 unter 5). Voraussetzung hierfür ist, dass die ergänzende Vertragsauslegung nicht zu einer Erweiterung des Vertragsgegenstandes führt, es dem Versicherer gemäß § 306 Abs. 3 BGB ohne ergänzende Vertragsauslegung unzumutbar ist, an dem lückenhaften Vertrag festgehalten zu werden, und der ergänzte Vertrag für den Versicherungsnehmer typischerweise von Interesse ist. Liegen diese Voraussetzungen vor, tritt diejenige Gestaltungsmöglichkeit ein, die die Parteien bei sachgerechter Abwägung der beiderseitigen Interessen nach Treu und Glauben redlicher Weise vereinbart hätten, wenn ihnen die Unwirksamkeit der Klausel bekannt gewesen wäre (Senatsurteil vom 22. Januar 1992 aaO unter 6).
47
(2) Eine planwidrige Vertragslücke ist hier nicht anzunehmen. Die am hypothetischen Parteiwillen orientierte richterliche Vertragsergänzung soll eine Regelung herbeiführen, die die Parteien vereinbart hätten, wenn sie von der Unwirksamkeit der Klausel gewusst hätten. Dies bedeutet im Umkehrschluss, dass für eine richterliche Vertragsergänzung dann kein Raum ist, wenn der Verwender von der Unwirksamkeit der Klausel wusste und eine mögliche Vorsorge hiergegen nicht getroffen hat (vgl. Staudinger/Kassing aaO; Ulmer, NJW 1981, 2025, 2031). Vor diesem Hintergrund hat der Bundesgerichtshof eine ergänzende Vertragsauslegung abgelehnt, wenn der Verwender einer Klausel diese in Kenntnis ihrer Unwirksamkeit weiter verwendet (Urteil vom 4. Juli 2002 - VII ZR 502/99, BGHZ 151, 229 unter B II 2 c). Gleiches muss gelten, wenn der Verwender in Kenntnis der Unwirksamkeit einer Klausel die gesetzlich eingeräumte Möglichkeit zu ihrer einseitigen Ersetzung durch eine gültige Regelung nicht wahrnimmt (insoweit abweichend der Sachverhalt in BGH, Urteil vom 1. Februar 1984 - VIII ZR 54/83, BGHZ 90, 69, 74). Für eine richterliche Vertragsergänzung ist dann kein Raum mehr.
48
Den Versicherern war spätestens mit Verkündung des Gesetzes zur Reform des Versicherungsvertragsrechts im November 2007 (BGBl. I S. 2631) bekannt, dass das neue Versicherungsvertragsgesetz gemäß Art. 1 Abs. 1 EGVVG ab 1. Januar 2009 auf Altverträge anzuwenden sein wird. Damit war klar, dass die an § 6 VVG a.F. orientierten Klauseln über die Rechtsfolgen der Verletzung vertraglicher Obliegenheiten im Hinblick auf §§ 28, 32 VVG, § 307 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 Nr. 2 BGB künftig unwirksam werden. Gleichzeitig bestand Kenntnis von der Möglichkeit, über die Wahrnehmung der Anpassungsoption des Art. 1 Abs. 3 EGVVG selbst Vorsorge durch Anpassung der betroffenen Klauseln zu treffen. Wenn der Verwender eine derartige Möglichkeit zur Schließung einer Vertragslücke nicht ergreift und diese Lücke - etwa wegen der hiermit verbundenen Umstellungskosten - hinnimmt, dann kann von einer planwidrigen Vertragslücke, die durch subsidiäre richterliche Vertragsergänzung geschlossen werden müsste, nicht mehr die Rede sein (vgl. Staudinger /Kassing, aaO).
49
(3) Gesetzesgeschichte und Regelungssystematik des Art. 1 Abs. 3 EGVVG sprechen wie oben unter bb) (1) dargelegt gegen die Möglichkeit einer ergänzenden Vertragsauslegung. Die Situation ist anders als bei den Übergangsvorschriften des Schuldrechtsmodernisierungsgesetzes (zur ergänzenden Vertragsauslegung dort BAG NJW 2005, 1820), da in Art. 229 § 5 EGBGB die in Art. 1 Abs. 3 EGVVG eingeräumte Anpassungsoption für Altverträge gerade nicht vorgesehen wurde (Fahl/Kassing aaO; Maier aaO; Staudinger/Kassing aaO). Die sich im Zuge der Schuldrechtsmodernisierung ergebende Frage, wie mit langfristig angelegten Formularverträgen ohne die Möglichkeit der einseitigen Änderung von Allgemeinen Geschäftsbedingungen umzugehen ist, stellt sich daher hier nicht.
50
(4) Dem Versicherer ist es nicht unzumutbar, an dem lückenhaften Vertrag festgehalten zu werden.
51
Ob eine unzumutbare Härte vorliegt, ist im Wege der Interessenabwägung zu ermitteln; zu berücksichtigen ist nicht nur die nachteilige Veränderung der Austauschbedingungen für den Verwender der Allgemeinen Geschäftsbedingung, sondern auch das berechtigte Interesse des anderen Teils an der Aufrechterhaltung des Vertrags (BGH, Urteil vom 22. Februar 2002 - V ZR 26/01, NJW-RR 2002, 1136 unter II 3). Unzumutbar kann das Festhalten am Vertrag dann sein, wenn infolge der Unwirksamkeit einer Klausel das Vertragsgleichgewicht grundlegend gestört ist. Allerdings genügt nicht schon jeder wirtschaftliche Nachteil des Verwenders, sondern es ist eine einschneidende Störung des Äquivalenzverhältnisses erforderlich, die das Festhalten am Vertrag für ihn unzumutbar macht (BGH, Urteil vom 22. Februar 2002 aaO).
52
Diese Voraussetzungen liegen nicht vor, wenn der Versicherer aus der Verletzung vertraglicher Obliegenheiten keine Sanktionen mehr herleiten kann. Denn das Gesetz bietet dem Versicherer zahlreiche Auffangregelungen , zu denen die Regelungen über die Gefahrerhöhung gemäß §§ 23 ff. VVG, die Bestimmungen über die Herbeiführung des Versicherungsfalles nach § 81 VVG und die Obliegenheiten nach § 82 VVG gehören (vgl. Päffgen, VersR 2011, 837, 838 ff.; Stockmeier, VersR 2011, 312, 315 ff.). Der Senat verkennt nicht, dass diese Regelungen nicht das gesamte Spektrum möglicher vertraglicher Obliegenheiten abbilden , von anderen Tatbestandsvoraussetzungen abhängen und für den Versicherer verglichen mit den vertraglichen Obliegenheiten prozessuale Nachteile wie das Fehlen gesetzlicher Vermutungen zu grober Fahrlässigkeit und Kausalität bei § 81 Abs. 2 VVG mit sich bringen. Insofern verschiebt sich das Vertragsgleichgewicht zu Ungunsten des Versicherers. Die genannten gesetzlichen Auffangregelungen verhindern jedoch, dass das Vertragsgleichgewicht grundlegend gestört ist (vgl. Schimikowski aaO 196). Zudem spricht die bewusst getroffene Entscheidung, die gesetzlich eingeräumte Anpassungsmöglichkeit nicht wahrzunehmen, ebenfalls gegen die Unzumutbarkeit.
53
4. Die Beklagte kann ihre Leistung auch nicht gemäß § 26 Abs. 1 Satz 2 VVG wegen einer Gefahrerhöhung kürzen. Das Berufungsgericht hat zu Recht bemängelt, dass der Sachvortrag der Beklagten zu den Voraussetzungen des §§ 23 ff. VVG keine Ausführungen zur Dauerhaftigkeit der von ihr behaupteten Gefahrerhöhung enthält.
54
5. Die weitere Auffassung des Berufungsgerichts, der Sachvortrag der Beklagten zur grob fahrlässigen Herbeiführung des Versicherungsfalles gemäß § 81 VVG durch den Kläger sei nicht hinreichend substantiiert , hält rechtlicher Überprüfung indes nicht stand.
55
Nach ständiger Rechtsprechung genügt eine Partei ihrer Darlegungslast , wenn sie Tatsachen vorträgt, die in Verbindung mit einem Rechtssatz geeignet sind, das geltend gemachte Recht als in ihrer Person entstanden erscheinen zu lassen. Genügt das Parteivorbringen diesen Anforderungen, kann der Vortrag weiterer Einzelheiten nicht verlangt werden. Es ist vielmehr Sache des Tatrichters, in die Beweisaufnahme einzutreten, um dort eventuell weitere Einzelheiten zu ermitteln (Senatsbeschluss vom 23. September 2009 - IV ZR 152/08, IPRspr. 2009 Nr. 216 unter II 2 m.w.N.). Die Beklagte hat unter Benennung konkreter Außentemperaturen am Ort des Gebäudes und unter Beweisantritt eines Sachverständigengutachtens vorgetragen, dass die zum Schadenhergang notwendige Auskühlung des Gebäudes nur deshalb erreicht werden konnte, weil das Gebäude bereits vor dem vom Kläger behaupteten Heizungsausfall nicht ordnungsgemäß beheizt war. Damit hat sie eine grob fahrlässige Herbeiführung des Leitungswasserschadens seitens des Klägers in ausreichender Weise geltend gemacht. An diesem Sachvortrag war sie nicht dadurch gehindert, dass sie ihre vorgerichtliche Leistungsablehnung noch nicht auf die grob fahrlässige Herbeiführung eines Ver- sicherungsfalles gemäß § 81 VVG gestützt hatte (vgl. Senatsurteil vom 30. November 2005 - IV ZR 154/04, BGHZ 165, 167 unter II 2 b).
56
Das Berufungsgericht wird daher den Sachverhalt weiter aufzuklären haben. Bei den Anforderungen an eine genügend häufige Kontrolle der Beheizung des versicherten Gebäudes in der kalten Jahreszeit wird es dabei zu berücksichtigen haben, dass das jeweils erforderliche Kontrollintervall vom Tatrichter an Hand der Umstände des Einzelfalles zu bestimmen und dabei allein zu Grunde zu legen ist, in welchen Intervallen die jeweils eingesetzte Heizungsanlage nach der Verkehrsanschauung und Lebenserfahrung mit Blick auf ihre Bauart, ihr Alter, ihre Funktionsweise , regelmäßige Wartung, Zuverlässigkeit, Störanfälligkeit und ähnliches kontrolliert werden muss; unerheblich ist dagegen, welcher Zeitablauf nach einem unterstellten Heizungsausfall im ungünstigsten Fall bis zum Schadeneintritt zu erwarten ist (Senatsurteil vom 25. Juni 2008 - IV ZR 233/06, VersR 2008, 1207 Rn. 14 ff.).
Dr. Kessal-Wulf Wendt Felsch
Lehmann Dr. Brockmöller
Vorinstanzen:
LG Köln, Entscheidung vom 21.01.2010- 24 O 458/09 -
OLG Köln, Entscheidung vom 17.08.2010 - 9 U 41/10 -

(1) Bei Verletzung einer vertraglichen Obliegenheit, die vom Versicherungsnehmer vor Eintritt des Versicherungsfalles gegenüber dem Versicherer zu erfüllen ist, kann der Versicherer den Vertrag innerhalb eines Monats, nachdem er von der Verletzung Kenntnis erlangt hat, ohne Einhaltung einer Frist kündigen, es sei denn, die Verletzung beruht nicht auf Vorsatz oder auf grober Fahrlässigkeit.

(2) Bestimmt der Vertrag, dass der Versicherer bei Verletzung einer vom Versicherungsnehmer zu erfüllenden vertraglichen Obliegenheit nicht zur Leistung verpflichtet ist, ist er leistungsfrei, wenn der Versicherungsnehmer die Obliegenheit vorsätzlich verletzt hat. Im Fall einer grob fahrlässigen Verletzung der Obliegenheit ist der Versicherer berechtigt, seine Leistung in einem der Schwere des Verschuldens des Versicherungsnehmers entsprechenden Verhältnis zu kürzen; die Beweislast für das Nichtvorliegen einer groben Fahrlässigkeit trägt der Versicherungsnehmer.

(3) Abweichend von Absatz 2 ist der Versicherer zur Leistung verpflichtet, soweit die Verletzung der Obliegenheit weder für den Eintritt oder die Feststellung des Versicherungsfalles noch für die Feststellung oder den Umfang der Leistungspflicht des Versicherers ursächlich ist. Satz 1 gilt nicht, wenn der Versicherungsnehmer die Obliegenheit arglistig verletzt hat.

(4) Die vollständige oder teilweise Leistungsfreiheit des Versicherers nach Absatz 2 hat bei Verletzung einer nach Eintritt des Versicherungsfalles bestehenden Auskunfts- oder Aufklärungsobliegenheit zur Voraussetzung, dass der Versicherer den Versicherungsnehmer durch gesonderte Mitteilung in Textform auf diese Rechtsfolge hingewiesen hat.

(5) Eine Vereinbarung, nach welcher der Versicherer bei Verletzung einer vertraglichen Obliegenheit zum Rücktritt berechtigt ist, ist unwirksam.

Von den §§ 19 bis 28 Abs. 4 und § 31 Abs. 1 Satz 2 kann nicht zum Nachteil des Versicherungsnehmers abgewichen werden. Für Anzeigen nach diesem Abschnitt, zu denen der Versicherungsnehmer verpflichtet ist, kann jedoch die Schrift- oder die Textform vereinbart werden.

(1) Bestimmungen in Allgemeinen Geschäftsbedingungen sind unwirksam, wenn sie den Vertragspartner des Verwenders entgegen den Geboten von Treu und Glauben unangemessen benachteiligen. Eine unangemessene Benachteiligung kann sich auch daraus ergeben, dass die Bestimmung nicht klar und verständlich ist.

(2) Eine unangemessene Benachteiligung ist im Zweifel anzunehmen, wenn eine Bestimmung

1.
mit wesentlichen Grundgedanken der gesetzlichen Regelung, von der abgewichen wird, nicht zu vereinbaren ist oder
2.
wesentliche Rechte oder Pflichten, die sich aus der Natur des Vertrags ergeben, so einschränkt, dass die Erreichung des Vertragszwecks gefährdet ist.

(3) Die Absätze 1 und 2 sowie die §§ 308 und 309 gelten nur für Bestimmungen in Allgemeinen Geschäftsbedingungen, durch die von Rechtsvorschriften abweichende oder diese ergänzende Regelungen vereinbart werden. Andere Bestimmungen können nach Absatz 1 Satz 2 in Verbindung mit Absatz 1 Satz 1 unwirksam sein.

Tenor

1. Die Klage wird abgewiesen.

2. Die Kosten des Rechtsstreits trägt die Klägerin.

3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Tatbestand

1

Die Klägerin, die gewerblich Fahrzeuge vermietet, verlangt von den Beklagten Schadensersatz wegen der Beschädigung eines Kraftfahrzeuges.

2

Der Beklagte zu 2), der eine Messe- und Ladenbaufirma betreibt und bei dem der Beklagte zu 1) angestellt war, mietete am 28. Oktober 2008 über eine Filiale der Klägerin in W einen Transporter der Marke I mit dem amtlichen Kennzeichen _____.

3

Das Vertragsformular wurde entweder vom Beklagten zu 2) oder von einem bevollmächtigten Vertreter unterschrieben. Die Unterschrift ist in der Filiale der Klägerin über ein „digitales Unterschriftenpad“ geleistet worden. 7

4

Zwischen den Mietvertragsparteien wurde eine Haftungsfreistellung mit Selbstbeteiligung vereinbart. Im Mietvertragsformular wird auf die Allgemeinen Vermietbedingungen (AVB) der Klägerin Bezug genommen, in denen es u.a. heißt:

5

„C: Berechtigte Fahrer, zulässige Nutzungen, Fahrten ins Ausland

6

1. Das Fahrzeug darf nur vom Mieter, mit dessen Zustimmung auch von dessen Arbeitnehmern oder Mitgliedern seiner Familie oder den im Mietvertrag angegebenen Fahrern geführt bzw. genutzt werden. […]

7

[…]

8

G: Unfälle/ Diebstahl/ Anzeigepflicht:

9

1. Nach einem Unfall, Diebstahl, Brand, Wildschaden oder sonstigen Schaden hat der Mieter sofort die Polizei zu verständigen, hinzuzuziehen und den Schaden der Vermieterin unverzüglich anzuzeigen. Dies gilt auch bei geringfügigen Schaden und bei selbstverschuldeten Unfällen ohne Mitwirkung Dritter. Sollte die Polizei die Unfallaufnahme verweigern hat der Mieter dies ggü. Der Vermieterin nachzuweisen.

10

[…]

11

I: Haftung des Mieters

12

1. Bei Fahrzeugschäden, Fahrzeugverlust und Mietvertragsverletzungen haftet der Mieter grundsätzlich nach den allgemeinen Haftungsregeln. Insbesondere hat der Mieter das Fahrzeug in dem mangelfreien Zustand zurückzugeben, in dem er es übernommen hat.

13

2. Dem Mieter steht es frei, die Haftung aus Unfällen für Schaden der Vermieterin durch Zahlung eines besonderen Entgeltes auszuschließen = vertragliche Haftungsfreistellung. In diesem Fall haftet er für Schaden, abgesehen von der vereinbarten Selbstbeteiligung nur dann, wenn

14

[…]

15
2 er oder seine Erfüllungsgehilfen Unfallflucht begangen haben, soweit die berechtigten Interessen der Vermieterin an der Feststellung des Schadensfalles generell beeinträchtigt wurden, es sei denn die Pflichtverletzung erfolgte nicht vorsätzlich oder grob fahrlässig.
16
3 er oder seine Erfüllungsgehilfen entgegen der Verpflichtung nach Buchstabe G bei einem Unfall auf die Hinzuziehung der Polizei verzichteten, soweit die berechtigten Interessen der Vermieterin an der Feststellung des Schadensfalles generell beeinträchtigt wurden, es sei denn die Pflichtverletzung erfolgte nicht vorsätzlich oder grob fahrlässig.“
17

Bei der Rückgabe wies das bei der Übergabe insoweit beschädigungsfreie Mietfahrzeug über die ganze Fahrerseite Schäden auf. Ursache hierfür war ein Unfall in der Nacht vom 29. zum 30. Oktober 2008. Der Beklagte zu 1. steuerte das Mietfahrzeug auf der Bundesstraße B 6n in Richtung W. Aufgrund von Glätte geriet er gegen 03.00 Uhr ins Rutschen, konnte das Fahrzeug nicht abfangen und kollidierte mit der Leitplanke. Zwischen den Parteien ist streitig, ob der Beklagte zu 1) nach der Kollision an der Unfallstelle gewartet hat.

18

Am 30. Oktober 2008 gegen 8.10 Uhr gab der Beklagte zu 1) das Mietfahrzeug in der Filiale der Klägerin in W zurück und füllte dort ein Schadensformular der Klägerin aus. Die Polizei wurde nicht verständigt.

19

Die Klägerin macht Reparaturkosten in Höhe von 9.630,59 Euro geltend, außerdem eine Wertminderung in Höhe von 500 Euro, Kosten für ein außergerichtliches Schadensgutachten in Höhe von 45,90 Euro sowie eine Auslagenpauschale in Höhe von 30 Euro.

20

Sie vertritt die Ansicht, die Allgemeinen Geschäftsbedingungen der Klägerin seien Vertragsbestandteil geworden seien. Eine vertragliche Haftungsfreistellung, auf die sich der Mieter grundsätzlich berufen könne, sei ausgeschlossen, weil die Beklagten ihre Obliegenheiten verletzt hätten. Der Beklagte zu 1) habe Unfallflucht begangen.

21

Die Klägerin hatte zunächst einen Mahnbescheid erwirkt, gegen den die Beklagten vollumfänglich Widerspruch eingelegt hatten.

22

Die Klägerin beantragt,

23

die Beklagten gesamtschuldnerisch zu verurteilen, an die Klägerin 10.206,49 Euro nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit Zustellung des Mahnbescheids zu zahlen.

24

Die Beklagten beantragen Klageabweisung.

25

Der Beklagte zu 1) vertritt die Ansicht, nicht Vertragspartner der Klägerin und deshalb nicht an Obliegenheiten aus dem Mietvertrag gebunden zu sein.

26

Überdies behauptet er, nach dem Unfall rund 30 Minuten am Unfallort gewartet zu haben. Da der Akku des Mobiltelefons leer gewesen sei, sei er nach Hause gefahren und habe seinen Vater informiert. Mit diesem sei er am nächsten Morgen zur Filiale der Klägerin gefahren und habe dort den Schaden gemeldet. Die Mitarbeiterin der Klägerin habe sich beim Beklagten zu 1) erkundigt, ob er die Polizei informiert habe. Da er das verneinte, habe ihm die Mitarbeiterin der Klägerin mitgeteilt, dass sie das Weitere veranlassen werde.

27

Der Beklagte zu 2) bestreitet, dass die AVB wirksam in den Vertrag einbezogen worden seien. Das Mietfahrzeug sei von der Ehefrau des Beklagten zu 2) telefonisch geordert worden. Ein Hinweis auf die AVB sei hierbei nicht erfolgt.

28

Am 25. März 2010 hat eine mündliche Verhandlung stattgefunden, in welcher die Parteien auch informatorisch befragt worden sind.

29

Mit Beschluss vom gleichen Tage ist im Einvernehmen mit den Parteien in das schriftliche Verfahren nach § 128 Abs. 2 ZPO übergegangen worden. Auf das Sitzungsprotokoll wird verwiesen (Bl. 97 d.A.).

30

Mit Beschluss vom 25. Mai 2010 (Bl. 124 d.A.) hat das Gericht die Parteien darauf hingewiesen, dass bei Gericht ein Dezernatswechsel stattgefunden habe und das Gericht die Regelungen zum Obliegenheitsverstoß im Rahmen der vereinbarten vertraglichen Haftungsfreistellung für unwirksam mit der Folge halte, dass eine Haftung beider Beklagter ausscheide. Den Parteien ist Gelegenheit zur Stellungnahme gewährt worden. Für Einzelheiten wird auf den Beschluss verwiesen.

31

Jeweils mit Schriftsatz vom 21. Juni 2010 haben die Parteien Stellung genommen.

32

Im Übrigen wird auf die gewechselten Schriftsätze der Parteien nebst Anlagen Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

I.

33

Das Gericht kann trotz eines Wechsels in der Besetzung ohne erneute mündliche Verhandlung eine Entscheidung fällen. § 309 ZPO, der vorschreibt, dass ein Urteil nur von denjenigen Richtern gefällt werden kann, welche der dem Urteil zugrunde liegenden Verhandlung beigewohnt haben, ist nicht anwendbar, wenn ein Urteil im schriftlichen Verfahren nach § 128 Abs. 2 ZPO ergeht. Das ist der Fall. Die Verkündung der Entscheidung erfolgt innerhalb der nach § 128 Abs. 2 ZPO vorgesehenen Frist.

II.

34

Die zulässige Klage ist unbegründet.

1.

35

Gegen den Beklagten zu 1. steht der Klägerin ein Anspruch auf Schadensersatz in der geltend gemachten Höhe nicht zu.

36

Der Beklagte zu 1) hat zwar widerrechtlich und schuldhaft das Eigentum der Klägerin verletzt und hierdurch einen Schaden verursacht. Anhaltspunkte dafür, dass es sich um eine unvermeidbare Straßenglätte gehandelt hat, so dass dem Beklagten zu 1) der Vorwurf schuldhaften Verhaltens nicht gemacht werden kann, liegen nicht vor. Nach § 3 Abs. 1 der Straßenverkehrsordnung ist ein Fahrzeugführer verpflichtet, nur so schnell zu fahren, dass er sein Fahrzeug ständig beherrscht. Seine Geschwindigkeit hat er insbesondere den Straßen- und Witterungsverhältnissen anzupassen. Gerade in Herbstnächten in der Nähe von Gebirgen wie dem Harz ist mit der Bildung von Straßenglätte zu rechnen. Der Beklagte zu 1) hätte seine Fahrweise an die Straßen- und Witterungsverhältnisse anpassen müssen, um zu verhindern, dass das Fahrzeug ausbricht und die Seitenbegrenzung der Fahrbahn berührt.

37

Dem Beklagten zu 1) kommt aber die zwischen der Klägerin und dem Beklagten zu 2) vereinbarte vertragliche Haftungsfreistellung zugute, so dass er weder nach § 823 Abs. 1 BGB noch nach einer anderen Bestimmung für den Schaden einzustehen hat.

38

Der Beklagte zu 1) war zum Zeitpunkt des Unfalls berechtigter Fahrer im Sinne von Buchst. C. Ziffer 1 der AVB der Klägerin. Der Beklagte zu 1) kann sich auf die mietvertraglich vereinbarte Haftungsfreistellung berufen. Wäre der Beklagte zu 1) nicht in die Haftungsfreistellung einbezogen, würde der gegen ein zusätzlichen Entgelt zum Mietpreis angebotene Vorteil in vielen Situationen keinen Sinn ergeben: Wäre nur der Mieter und nicht auch der zulässige Fahrer haftungsprivilegiert, würde das zusätzliche Entgelt für eine nutzlose Leistung erbracht werden. Diese Einschränkung widerspräche dem Erwartungshorizont des Mieters oder – weil die vertragliche Gestaltung der Kaskoversicherung nachempfunden ist – eines Versicherungsnehmers. Der Mieter darf darauf vertrauen, als Quasi-Versicherungsnehmer einer Kaskoversicherung denselben Schutz zu genießen wie der Eigentümer eines Kraftfahrzeugs und Versicherungsnehmer einer Fahrzeugvollversicherung (vgl. LG Nürnberg-Fürth, Urteil vom 27. Januar 2010, Az. 8 O 10700/08 – zitiert nach juris). Nur bei Einräumung dieses Schutzes genügt der gewerbliche Vermieter von Kraftfahrzeugen der aus dem Grundsatz von Treu und Glauben nach § 242 BGB erwachsenen Verpflichtung, schon bei der Festlegung seiner Allgemeinen Geschäftsbedingungen die Interessen künftiger Vertragspartner angemessen zu berücksichtigen. Gerade unter Kleingewerbetreibenden dürfte es überdies nicht selten sein, dass ein angemietetes Fremdfahrzeug zur Auftragserledigung eingesetzt wird und hierbei die Arbeitnehmer des Kleingewerbetreibenden das Fahrzeug führen. Gerade weil das Fahrzeug von Arbeitnehmern benutzt werden darf, ist davon auszugehen, dass die Arbeitnehmer auch haftungsprivilegiert sein sollen. Unerheblich ist hingegen, ob der Beklagte zu 1) dieses Privileg zum Zeitpunkt des Unfalls kannte.

39

Anders als die Klägerin vertritt, ist die Haftungsfreistellung des Beklagten zu 1) nicht durch eine Obliegenheitsverletzung des Beklagten zu 1) ausgeschlossen.

40

Von einer Unfallflucht nach Buchst. G Ziffer 2 der AVB der Klägerin ist bereits deshalb nicht auszugehen, weil die behauptete Unfallflucht des Beklagten zu 1) von der für das Vorliegen einer Obliegenheitsverletzung darlegungs- und beweisbelasteten Klägerin nicht unter Beweis gestellt worden ist. Vielmehr hat der Beklagte zu 1) angegeben, nach dem Unfall rd. 30 Minuten an der Unfallstelle gewartet zu haben. Der Akku seines Mobiltelefons sei leer gewesen, weswegen er nicht habe telefonieren können. Auch wenn diese Darstellung nicht über jeden Zweifel erhaben scheint, führt dies nicht dazu, dass dem Beklagten zu 1) eine Unfallflucht und damit eine Obliegenheitsverletzung unterstellt werden kann. Die Klägerin ist beweisfällig geblieben. Das Gericht hat deshalb zugrunde zu legen, dass die Voraussetzungen vorgelegen haben, die eine Unfallflucht nach § 142 StGB ausschließen.

41

Ebenso wenig ist eine Obliegenheitsverletzung des Beklagten zu 1) darin zu sehen, dass er oder der Mieter es nach Buchst. G Ziffer 2 der AVB unterlassen habe, die Polizei hinzuzuziehen. Anders als in Fällen, in denen lediglich vom Mieter selbst eine „Obliegenheitsverletzung“ verlangt wird und sich die Frage stellt, ob die Obliegenheitsverletzung des Mieters dem berechtigten Fahrer im Wege einer Repräsentantenhaftung auferlegt werden könne, bestehen im vorliegenden Fall keine Zweifel, dass den berechtigten Fahrer selbst die „Obliegenheitsverletzung“ traf. Das ergibt sich aus der Formulierung von Buchst. G Ziffer 2 der AVB.

42

Der Vorwurf einer Obliegenheitsverletzung kann der Beklagten zu 1) aber bereits deshalb nicht treffen, weil die zugrunde gelegte Sanktion den Mieter nach § 307 Abs. 1 Satz 2, Abs. 2 Nr. 1 BGB unangemessen benachteiligt und deshalb die Regelungen zu den Obliegenheitsverletzungen unwirksam sind. Ob der Beklagte zu 1) als berechtigter Fahrer bereits aus Unkenntnis der vom Mieter vereinbarten Obliegenheiten nicht belangt werden kann, kann dahinstehen. Die unter Buchst. G Ziffer 2 der AVB vorgesehenen Regelungen zu Obliegenheitsverletzungen weichen jedenfalls von dem gesetzlichen Leitbild des § 28 VVG ab und stellen deshalb eine unangemessene Benachteiligung dar.

43

Für die Geltung der kraftfahrzeugversicherungsrechtlichen Regelung bei mietvertraglich vereinbarter Haftungsfreistellung ist auf das Bild der Fahrzeugversicherung auf der Grundlage des VVG 2008 und der Allgemeinen Bedingungen für die Kraftfahrzeugversicherung (AKB) 2008 abzustellen.

44

Der Mietvertrag ist im Oktober 2008 geschlossen worden. § 28 Abs. 2 Satz 1 VVG in der ab 01. Januar 2008 und damit zum Zeitpunkt des Vertragsschlusses geltenden Fassung sieht vor, dass der Versicherer dann leistungsfrei ist, wenn der Versicherungsnehmer seine vertragliche Obliegenheit vorsätzlich verletzt. Satz 2 bestimmt, dass der Versicherer im Fall einer grob fahrlässigen Verletzung der Obliegenheit berechtigt ist, seine Leistung in einem der Schwere des Verschuldens des Versicherungsnehmers entsprechenden Verhältnis zu kürzen. Im Gegensatz zu dieser sich vom „Alles-oder-Nichts-Prinzip“ abkehrenden Neuregelung sieht Buchst. I Ziffer 2 der AVB der Klägerin vor, dass der Mieter für Schäden haftet, wenn er oder seine Erfüllungsgehilfen entgegen der Verpflichtung nach Buchstabe G bei einem Unfall auf die Hinzuziehung der Polizei verzichteten, soweit die berechtigten Interessen der Vermieterin an der Feststellung des Schadensfalles generell beeinträchtigt wurden, es sei denn, die Pflichtverletzung erfolgte nicht vorsätzlich oder grob fahrlässig. Neben dieser Bestimmung enthält Buchst. I Ziffer 2 der AVB der Klägerin weitere drei Tatbestände, die an die Kriterien des Vorsatzes und der groben Fahrlässigkeit anknüpfen. Eine an der Schwere des Vorwurfs ausgerichtete Möglichkeit zur Quotierung der Haftung ist hingegen nicht vorgesehen.

45

Die AVB der Klägerin steht auch im Gegensatz zu den AKB 2008, die für die Kaskoversicherung unter A. für den Fall einer groben Fahrlässigkeit eine Haftung nach der Schwere des Vorwurfs vorsehen und deshalb im Einklang mit den Vorgaben des § 28 VVG von dem aufgegebenen „Alles-oder-Nichts-Prinzip“ abweichen.

46

Damit wird deutlich, dass die AVB der Klägerin mit dem gesetzlichen Leitbild nicht in Einklang stehen und deshalb von dem wesentlichen Grundgedanken der gesetzlichen Regelung im Sinne von § 307 Abs. 2 Ziff. 1 BGB abweichen.

47

Rechtsfolge ist die vollständige Unwirksamkeit der Regelungen zu den Obliegenheitsverletzungen, soweit diese – wie hier – an ein schuldhaftes Handeln anknüpfen. Im Übrigen bleiben die Regelungen wirksam (§ 306 Abs. 1 BGB). Eine geltungserhaltende Reduktion der Regelungen unter Buchst. G Ziffer 2 der AVB kommt nicht in Betracht. Zum einen bestand seit dem Inkrafttreten von § 28 VVG auf der Grundlage der Übergangsvorschrift von Art. 1 Abs. 3 EGVVG hinreichend Zeit zur Anpassung der AVB. Zum anderen hat sich der Gesetzgeber ausdrücklich dagegen ausgesprochen, von dem Verbot der geltungserhaltenden Reduktion abzurücken. Im Gesetz fehlt eine vom Bundesrat vorgeschlagene „Regelung, die bestehende Versicherungsbedingungen unter Berücksichtigung des fiktiven Willens der Vertragsparteien für den Fall der Kenntnis der neuen Rechtslage auslegt“.

48

Sind die AVB unwirksam, fehlt es an einer von § 28 Abs. 2 Satz 1 VVG geforderten Vereinbarung von Leistungsfreiheit, so dass eine „Obliegenheitsverletzung“ durch den Beklagten zu 1) bereits deshalb ohne Konsequenz bleibt.

49

Die unter Buchst. I Ziffer 2 gewählte Formulierungstechnik gibt auch Anlass für eine Prüfung, ob die Regelungen zu den Obliegenheitsverstößen in den AVB der Klägerin auch deshalb nicht anzuwenden sind, weil es sich hierbei um nach § 305 c Abs. 2 BGB unklare und deshalb nicht wirksam in den Vertrag einbezogenen Regelungen handeln könnte. Ob Zweifel bei der Auslegung bestehen, ist objektiv zu bestimmen. Auszugehen ist von den Verständnismöglichkeiten eines rechtlich nicht vorgebildeten Durchschnittskunden. AGB sind danach so auszulegen, wie ihr Wortlaut von verständigen und redlichen Vertragspartnern unter Abwägung der Interessen der normalerweise beteiligten Kreise verstanden wird (vgl. nur Palandt- Grüneberg , 69. Aufl. 2010, § 305c, Rn. 15, m.w.N.). Die von der Klägerin in ihren AVB gewählte Formulierung greift die Haftungssituation auf („ In diesem Fall haftet er für Schaden, abgesehen, von der vereinbarten Selbstbeteiligung nur dann, wenn er oder seine Erfüllungsgehilfen entgegen der Verpflichtung nach Buchstabe G bei einem Unfall auf die Hinzuziehung der Polizei verzichteten“ ), schränkt diesen durch einen eingeschobenen Relativsatz wieder ein ( „soweit die berechtigten Interessen der Vermieterin an der Feststellung des Schadensfalles generell beeinträchtigt werden“ ) und widmet sich abschließend der Frage des Verschuldens („ es sei denn, die Pflichtverletzung erfolgte nicht vorsätzlich oder grob fahrlässig. “). Vor dem Hintergrund dieser Formulierung bezweifelt das Gericht, dass ein durchschnittlicher Kunde mit der ihm zur Verfügung stehenden Sorgfalt ohne weiteres in der Lage ist zu bewerten, in welchen Situationen er haftet oder seine Haftung ausgeschlossen ist. Da die Bestimmung schon vor § 307 Abs. 2 Ziffer 1 BGB keinen Bestand hat, kann diese Frage aber letztlich dahinstehen.

50

Anders als die Klägerin in ihrem Schriftsatz vom 21. Juni 2006 (Bl. 132 d.A.) vertritt, wird eine Haftung des Beklagten zu 1) auch nicht über Buchst. N Ziffer 4 der AVB der Klägerin herbeigeführt. In Buchst. N Ziffer 4 der AVB der Klägerin ist geregelt, dass „die Vorschriften des Versicherungsvertragsgesetzes (VVG) und die Vorschriften der Allgemeinen Bedingungen für die Kraftfahrtversicherung (AKB 95) entsprechend anzuwenden“ sind, solange und soweit in dieser Vereinbarung nichts geregelt ist. Dies gelte auch für sich aus dieser Vereinbarung ergebende Unklarheiten.

51

Der vorliegende Fall wird von dieser Bestimmung nicht erfasst. Zum einen betreffen die Regelungen zu den Obliegenheitsverstößen und die vom Gericht hierzu vorgenommene Wertung nicht lediglich Unklarheiten. Unter Unklarheiten sind nach den Grundsätzen der Auslegung sprachlich unsaubere oder mehrdeutige Formulierungen zu verstehen. Darin erschöpfen sich die Regelungen zu den Obliegenheitsverstößen aber nicht. Sie weichen vielmehr auch inhaltlich von dem gesetzlichen Grundgedanken ab.

52

Überdies ist die Bestimmung auch inhaltlich nicht anwendbar. Die Frage, ob und in welchem Umfang der Mieter bei Obliegenheitsverstößen ausnahmsweise haften soll, ist in den AVB der Klägerin ausführlich geregelt. Buchst. N Ziffer 4 der AVB greift aber nur dann ein, „solange und soweit in dieser Vereinbarung nichts geregelt ist“ . Anders als in anderen Allgemeinen Geschäftsbedingungen enthält Buchst. N Ziffer 4 gerade keine Formulierung, die vorsieht, dass die Regelungen des Versicherungsvertragsgesetzes und der Allgemeinen Bedingungen für die Kraftfahrtversicherung auch dann gelten, wenn eine oder mehrere in den AVB enthaltenen Bestimmungen unwirksam sind. Ob die Klägerin dieser Klausel diesen Regelungsgehalt zugrunde gelegt hat, wird nicht hinreichend deutlich, so dass dieser Auslegungszweifel zu ihren Lasten geht.

53

Schließlich ist nicht ersichtlich, dass Buchst. N Ziffer 4 der AVB auf die aktuellen Fassungen des Versicherungsvertragsgesetzes und die Allgemeinen Bestimmungen für die Kraftfahrtversicherung verweist. Eine entsprechende Formulierung, durch die die Verweisung als dynamische Verweisung kenntlich gemacht ist, fehlt. Das Gericht geht deshalb davon aus, dass die Verweisung als statische Verweisung mit der Folge anzusehen ist, dass von dem gesetzlichen Grundgedanken des § 28 VVG in der seit 2008 geltenden Fassung abgewichen wird. Hierfür spricht insbesondere der in Klammern enthaltene Hinweis auf die AKB 95. Bereits vor ihrer letzten Neufassung im Zuge der Reform des Versicherungsvertragsgesetzes kam es zu Änderungen der AKB. Die AKB werden von dem Gesamtverband der deutschen Versicherungswirtschaft e.V. (GDV) herausgegeben und interessierten Versicherungsunternehmen zur freien Verwendung zur Verfügung gestellt. Hätte die Klägerin stets auf eine aktuelle Fassung der AKB Bezug nehmen wollen, hätte sie den Klammerzusatz nicht einfügen dürfen. Ist schon die Verweisung auf die AKB statisch, ist es die auf das VVG auch.

2.

54

Auch von dem Beklagten zu 2) kann die Klägerin keinen Schadensersatz verlangen. Es besteht zwar grundsätzlich ein Anspruch nach §§ 280 Abs. 1, 278 Abs. 1, 276, 535 BGB in Verbindung mit Buchstabe I Ziffer 1. der AVB der Klägerin. Zugunsten des Beklagten zu 2) greift aber auch hier die vertragliche Haftungsfreistellung nach Buchst. G Ziffer 2.

55

Zwischen der Klägerin und dem Beklagten zu 2) ist ein wirksamer Mietvertrag mit Unterzeichnung des Mietvertrages auf dem „Unterschriftenpad“ zustande gekommen. Der Beklagte zu 2) ist der Behauptung der Klägerin mit nachgelassenem Schriftsatz vom 22. April 2010 (Bl. 115 d.A.), dass der Vertragsschluss in der Filiale der Klägerin in W erfolgt sei, nicht hinreichend substantiiert entgegengetreten, so dass das klägerische Vorbringen als zugestanden zu werten ist (§ 138 Abs. 3 ZPO). Unerheblich ist, ob der Beklagte zu 2) selbst oder ein Mitarbeiter die Unterschrift auf dem Mietvertragsformular geleistet hat. Nach dem Vortrag der Klägerin und den konkreten Umständen ist zugrunde zu legen, dass die unterschreibende Person wenigstens mit erteilter rechtsgeschäftlicher Vertretungsmacht oder nach den Grundsätzen der Rechtsscheinhaftung für den Beklagten zu 2) aufgetreten ist, so dass der Beklagte zu 2) nach beiden Varianten rechtlich gebunden wurde.

56

Gegen die Bewertung des klägerischen Vorbringens kann nicht eingewendet werden, dass die Ehefrau des Beklagten zu 2) das Fahrzeug telefonisch „geordert“ habe, wie der Beklagte zu 2) sowohl in der mündlichen Verhandlung als auch mit nachgelassenem Schriftsatz vom 29. April 2010 (Bl. 120 d.A) vorträgt. Diese Behauptung als wahr unterstellt, ergibt sich daraus kein Widerspruch zum klägerischen Vortrag. Es ist gerade bei kurzfristigen Anmietungen nicht unüblich, die Verfügbarkeit von Mietfahrzeugen telefonisch abzuklären und die schriftlichen Formalitäten bei der Abholung des Fahrzeugs nachzuholen. Das Ordern ist als bloßes Reservieren anzusehen. Hätte der Beklagte zu 2) die dargelegten Umstände des Vertragsschlusses erschüttern wollen, hätte er näher vortragen müssen. Etwas anderes lässt sich auch nicht dem Protokoll der mündlichen Verhandlung vom 25. März 2010 entnehmen (Bl. 103 d.A.). Soweit der Beklagte zu 2) bereits in der „telefonischen Order“ einen Vertragsschluss sieht (Schriftsatz vom 29. April 2010, Bl. 120 d.A.), ist nicht nachvollziehbar, weshalb der Beklagte zu 2) in der mündlichen Verhandlung vorgetragen hat, der Vertrag sei per Fax geschlossen worden. Eine von beiden Varianten kann nur zutreffen. Das Bestreiten ist daher als nicht hinreichend substantiiert anzusehen.

57

Die AVB der Klägerin sind damit grundsätzlich wirksam Bestandteil des Mietvertrages geworden.

58

Nach § 305 Abs. 2 BGB werden Allgemeine Geschäftsbedingungen, um die es sich bei den AVB zweifelsfrei handelt, Bestandteil des Vertrages, wenn der Verwender bei Vertragsschluss die andere Partei ausdrücklich durch deutlich sichtbaren Aushang am Orte des Vertragsschlusses auf sie hinweist und der anderen Vertragspartei die Möglichkeit verschafft, in zumutbarer Weise von ihrem Inhalt Kenntnis zu nehmen, und die andere Vertragspartei mit ihrer Geltung einverstanden ist.

59

Durch Unterschrift unter das Mietvertragsexemplar hat der Beklagte zu 2) oder ein bevollmächtigter Vertreter das Einverständnis mit der Geltung der AVB bekundet. In dem Mietvertragsexemplar befindet sich ein deutlicher Hinweis darauf, dass die AVB gelten. Dieser Hinweis war – für sich genommen – auch nicht überraschend und führte deshalb nicht dazu, dass die AVB nicht Vertragsbestandteil geworden sind (§ 305 c BGB). Weshalb der Passus leicht zu übersehen sein soll, teilt der Beklagte zu 2) nicht mit. Der Hinweis fügt sich in den Vertragstext ein, ist in derselben Schriftgröße wie der übrige Vertragstext gehalten und ist besonders für den Vertragspartner der Klägerin als einen Unternehmer nicht derart ungewöhnlich, dass er nicht damit zu rechnen brauchte. Einer Aushändigung der AVB an den Beklagten zu 2) bedurfte es nicht. Der Beklagte zu 2.) musste in der konkreten Situation damit rechnen, dass die Klägerin Allgemeinen Geschäftsbedingungen verwenden würde. Es wäre an ihm gewesen, die Allgemeinen Geschäftsbedingungen der Klägerin, die – unbestritten – in der Filiale eingesehen werden konnten, durchzulesen, zur Kenntnis zu nehmen und sie zu akzeptieren oder abzulehnen.

60

Ob der Beklagte zu 2) auch ohne eine Einbeziehung der AVB an die AVB gebunden wäre, weil eine Verwendung von Allgemeinen Geschäftsbedingungen zwischen Unternehmern branchenüblich ist und diese deshalb ohne besonderen Hinweis Vertragsinhalt werden können (Palandt- Grüneberg , aaO., § 305, Rn. 57 m.w.N.), bedarf vorliegend keiner Entscheidung.

61

Mit Unterzeichnung des Vertrages ist eine vertragliche Haftungsfreistellung vereinbart worden, nach der die Haftung des Beklagten zu 2) grundsätzlich ausgeschlossen ist.

62

Die Regelungen zu den Obliegenheitsverletzungen gelten grundsätzlich auch für den Beklagten zu 2). Aber auch für den Beklagten zu 2) ergeben sich aus einem etwaigen Obliegenheitsverstoß keinerlei Konsequenzen. Es liegt auch hier eine unangemessene Benachteiligung nach § 307 Abs. 1, Abs. 2 Ziffer 1 BGB vor. Auf die Ausführungen unter 1. wird deshalb verwiesen.

III.

63

Die Nebenentscheidungen ergeben sich aus §§ 91, 708 Nr. 11 ZPO.


(1) Sind Allgemeine Geschäftsbedingungen ganz oder teilweise nicht Vertragsbestandteil geworden oder unwirksam, so bleibt der Vertrag im Übrigen wirksam.

(2) Soweit die Bestimmungen nicht Vertragsbestandteil geworden oder unwirksam sind, richtet sich der Inhalt des Vertrags nach den gesetzlichen Vorschriften.

(3) Der Vertrag ist unwirksam, wenn das Festhalten an ihm auch unter Berücksichtigung der nach Absatz 2 vorgesehenen Änderung eine unzumutbare Härte für eine Vertragspartei darstellen würde.

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
VI ZR 46/10 Verkündet am:
11. Oktober 2011
Böhringer-Mangold,
Justizamtsinspektorin
als Urkundsbeamtin
der Geschäftsstelle
in dem Rechtsstreit
Nachschlagewerk: ja
BGHZ: ja
BGHR: ja

a) Ist in einem gewerblichen KFZ-Mietvertrag eine Haftungsbefreiung oder eine
Haftungsreduzierung nach Art der Vollkaskoversicherung vereinbart, ist ein in
den Allgemeinen Vermietungsbedingungen vorgesehener undifferenzierter
Haftungsvorbehalt für den Fall grober Fahrlässigkeit nach § 307 BGB unwirksam.

b) An die Stelle der unwirksamen Klausel über den Haftungsvorbehalt tritt der
Grundgedanke der gesetzlichen Regelung des § 81 Abs. 2 VVG.

c) Dies gilt hinsichtlich der Haftung des grob fahrlässig handelnden berechtigten
Fahrers, der nicht Mieter ist, gleichermaßen jedenfalls dann, wenn dessen
Haftungsfreistellung in den Allgemeinen Vermietungsbedingungen ausdrücklich
vorgesehen ist.
BGH, Urteil vom 11. Oktober 2011 - VI ZR 46/10 - OLG Köln
LG Köln
Der VI. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat auf die mündliche Verhandlung
vom 11. Oktober 2011 durch den Vorsitzenden Richter Galke, den Richter Zoll,
die Richterin Diederichsen, den Richter Pauge und die Richterin von Pentz

für Recht erkannt:
Auf die Revision der Klägerin wird das Urteil des 11. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Köln vom 13. Januar 2010 aufgehoben. Die Sache wird zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Revision, an das Berufungsgericht zurückverwiesen. Von Rechts wegen

Tatbestand:

1
Die Klägerin, eine gewerbliche Kraftfahrzeugvermieterin, nimmt den Beklagten auf Ersatz des Schadens in Anspruch, den er als Fahrer eines von seiner Arbeitgeberin angemieteten Kraftfahrzeugs verursacht hat.
2
Am 2. Juni 2008 vermietete die Klägerin einen Pkw an die Arbeitgeberin des Beklagten. Sie vereinbarten eine Haftungsfreistellung für selbstverschuldete Unfälle mit einer Selbstbeteiligung von 770 € pro Schadensfall. Dem Vertrag lagen die Allgemeinen Vermietbedingungen der Klägerin zugrunde, die unter anderem folgende Regelung enthielten: "2. Dem Mieter steht es frei, die Haftung aus Unfällen für Schäden der Vermieterin durch Zahlung eines besonderen Entgelts auszuschließen = vertragliche Haftungsfreistellung. In diesem Fall haftet er für Schäden, abgesehen von der vereinbarten Selbstbeteiligung nur dann, wenn - … - er oder seine Erfüllungsgehilfen den Schaden durch Vorsatz oder grobe Fahrlässigkeit herbeigeführt haben. … 7. Diese Regelungen gelten neben dem Mieter auch für den berechtigten Fahrer, wobei die vertragliche Haftungsfreistellung nicht zugunsten unberechtigter Nutzer der Mietwagen gilt."
3
Am 4. Juni 2008 fuhr der Beklagte um 0.59 Uhr nach einem Streit mit seiner Ehefrau und einem Kneipenbesuch mit dem angemieteten Pkw mit überhöhter Geschwindigkeit, kam von der Fahrbahn ab und kollidierte mit einem Baum. Der Beklagte war erheblich alkoholisiert, eine bei ihm um 2.54 Uhr entnommene Blutprobe wies eine Blutalkoholkonzentration von 2,96 Promille auf. Der Beklagte wurde rechtskräftig wegen fahrlässigen Vollrausches zu einer Geldstrafe verurteilt. Am Fahrzeug der Klägerin entstand infolge des Unfalls ein wirtschaftlicher Totalschaden in Höhe von 16.386,55 €.
4
Mit ihrer Klage hat die Klägerin den Fahrzeugschaden, Ersatz von Sachverständigenkosten , Wiederbeschaffungskosten und eine Kostenpauschale sowie Freistellung von den vorgerichtlichen Anwaltskosten geltend gemacht. Das Landgericht hat den Beklagten unter Klageabweisung im Übrigen zur Zahlung von 16.533,45 € zuzüglich Zinsen und zur Freistellung von vorgerichtlichen Rechtsanwaltskosten von 807,80 € verurteilt. Auf die Berufung des Beklagten hat das Oberlandesgericht der Klage lediglich in Höhe der vereinbarten Selbstbeteiligung von 770 € zuzüglich anteiliger vorgerichtlicher Rechtsanwaltskosten stattgegeben und die Klage im Übrigen abgewiesen. Mit der vom Berufungsgericht zugelassenen Revision erstrebt die Klägerin die Wiederherstellung des landgerichtlichen Urteils.

Entscheidungsgründe:

I.

5
Das Berufungsgericht, dessen Entscheidung in VersR 2010, 1193 veröffentlicht ist, hat ausgeführt: Der Beklagte hafte zwar dem Grunde nach gemäß § 823 Abs. 1 BGB. Die Voraussetzungen für die Unzurechnungsfähigkeit des Beklagten gemäß § 827 Satz 1 BGB könnten nicht festgestellt werden. Die Blutalkoholkonzentration von über 3 Promille reiche hierfür allein nicht aus. Weitere Indizien könnten nicht festgestellt werden. Die Haftung des Beklagten sei jedoch zu seinen Gunsten als berechtigtem Fahrer auf die vereinbarte Selbstbeteiligung von 770 € beschränkt. Die Vertragsbestimmung in den Allgemeinen Geschäftsbedingungen der Klägerin, die einen pauschalen und generellen Haftungsvorbehalt für den Fall der groben Fahrlässigkeit vorsieht, verstoße gegen § 307 BGB und sei deshalb unwirksam. Weil die Parteien des Mietvertrags eine Haftungsreduzierung für den Mieter nach Art der Vollkaskoversicherung mit Selbstbeteiligung vereinbart hätten, dürfe der Mieter darauf vertrauen, dass die Reichweite des mietvertraglich vereinbarten Schutzes im Wesentlichen dem Schutz entspreche, den er als Eigentümer des Kraftfahrzeugs und als Versicherungsnehmer in der Fahrzeugvollversicherung genießen würde. Dort wäre der pauschale Haftungsvorbehalt für grobe Fahrlässigkeit nach § 307 Abs. 1, Abs. 2 Nr. 1 BGB unwirksam, weil er mit wesentlichen Grundgedanken des seit 1. Januar 2008 geltenden § 81 Abs. 2 VVG nicht zu vereinbaren sei. Um eine unzulässige geltungserhaltende Reduktion zu vermeiden, müsse der Vorbehalt der Haftung für grobe Fahrlässigkeit insgesamt entfallen.

II.

6
Die Beurteilung des Berufungsgerichts hält revisionsrechtlicher Überprüfung nicht stand.
7
1. Zutreffend und von der Revision nicht angegriffen hat das Berufungsgericht angenommen, dass der Beklagte dem Grunde nach gemäß § 823 Abs. 1 BGB zum Schadensersatz verpflichtet ist und die Voraussetzungen für die Unzurechnungsfähigkeit gemäß § 827 Satz 1 BGB, die zur Beweislast des Schädigers stehen (vgl. Senatsurteile vom 12. Februar 1963 - VI ZR 70/62, BGHZ 39, 103, 108; vom 1. Juli 1986 - VI ZR 294/85, BGHZ 98, 135, 136 ff.), nicht vorliegen.
8
2. Entgegen der Annahme des Berufungsgerichts scheitert die Haftung des Beklagten aber nicht ohne weiteres an der zwischen der Klägerin und der Arbeitgeberin des Beklagten vereinbarten vertraglichen Haftungsfreistellung.
9
a) Mit Recht hat das Berufungsgericht allerdings angenommen, dass bei einem gewerblichen Kraftfahrzeugmietvertrag mit Haftungsfreistellung nach Art der Fahrzeugvollversicherung die Vertragsbestimmung, die die volle Haftung des Mieters oder seines berechtigten Fahrers bei grober Fahrlässigkeit vorsieht, gemäß § 307 BGB unwirksam ist. Denn eine solche Klausel weicht von wesentlichen Grundgedanken der hier maßgeblichen gesetzlichen Regelung über die Fahrzeugvollversicherung ab und ist mit dieser nicht zu vereinbaren.
10
aa) Gemäß § 307 Abs. 2 Nr. 1 BGB ist der Vertragspartner im Zweifel nach § 307 Abs. 1 Satz 1 BGB unangemessen benachteiligt, wenn eine Vertragsbestimmung mit wesentlichen Grundgedanken der gesetzlichen Regelung, von der abgewichen wird, nicht zu vereinbaren ist. Von maßgeblicher Bedeutung ist insoweit, ob die dispositive gesetzliche Regelung nicht nur auf Zweckmäßigkeitserwägungen beruht, sondern eine Ausprägung des Gerechtigkeitsgebots darstellt. Dabei brauchen Grundgedanken eines Rechtsbereichs nicht in Einzelbestimmungen formuliert zu sein. Es reicht aus, dass sie in allgemeinen, am Gerechtigkeitsgedanken ausgerichteten und auf das betreffende Rechtsgebiet anwendbaren Grundsätzen ihren Niederschlag gefunden haben (vgl. BGH, Urteile vom 9. Oktober 1985 - VIII ZR 217/84, BGHZ 96, 103, 109; vom 25. Juni 1991 - XI ZR 257/90, BGHZ 115, 38, 42; vom 30. Mai 2001 - XII ZR 273/98, NJW 2001, 3480, 3482).
11
Dementsprechend wird, wovon das Berufungsgericht zutreffend ausgeht, der Umfang einer entgeltlichen Haftungsfreistellung in einem gewerblichen Kraftfahrzeugmietvertrag am Leitbild der Kraftfahrzeugvollversicherung beurteilt. Vereinbaren die Parteien eines Kraftfahrzeugmietvertrags eine entgeltliche Haftungsreduzierung für den Mieter nach Art einer Vollkaskoversicherung, so darf dieser - wie der Versicherungsnehmer - darauf vertrauen, dass die Reichweite des mietvertraglich vereinbarten Schutzes im Wesentlichen dem Schutz entspricht, den er als Eigentümer des Kraftfahrzeugs und als Versicherungsnehmer in der Fahrzeugvollversicherung genießen würde. Nur bei Einräumung dieses Schutzes genügt der gewerbliche Vermieter von Kraftfahrzeugen seiner aus dem Grundsatz von Treu und Glauben erwachsenen Verpflichtung, schon bei der Festlegung seiner Allgemeinen Geschäftsbedingungen die Interessen künftiger Vertragspartner angemessen zu berücksichtigen (vgl. BGH, Urteile vom 29. Oktober 1959 - II ZR 64/56, BGHZ 22, 109, 113 ff.; vom 20. Mai 2009 - XII ZR 94/07, BGHZ 181, 179 Rn. 13; vom 17. Dezember 1980 - VIII ZR 316/79, VersR 1981, 349, 350; vom 16. Dezember 1981 - VIII ZR 1/81, VersR 1982, 359, 360; vom 19. Juni 1985 - VIII ZR 250/84, VersR 1985, 1066, 1067; Christensen in Ulmer/Brandner/Hensen, AGB-Recht, 11. Aufl., Bes. Vertragstypen , (22) Mietverträge Rn. 51; Rogler, r+s 2010, 1, 4).
12
bb) In der Fahrzeugvollversicherung ist - wie auch sonst im Versicherungsvertragsrecht - eine Vertragsbestimmung in Allgemeinen Geschäftsbedingungen , wonach der Versicherungsnehmer voll haftet, wenn er den Versicherungsfall grob fahrlässig herbeiführt, regelmäßig gemäß § 307 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 Nr. 1 BGB unwirksam (vgl. Baumann in Bruck/Möller, VVG, 9. Aufl. § 81 Rn. 189, 191; Burmann/Heß/Stahl, Versicherungsrecht im Straßenverkehr, 2. Aufl., Rn. 602; Halbach in Stiefel/Maier, Kraftfahrtversicherung, 18. Aufl., § 81 VVG Rn. 26; Karczewski in Rüffer/Halbach/Schimikowski, VVG, § 81 Rn. 114; MünchKommVVG/Looschelders, § 81 Rn. 140; Lorenz in Festschrift Deutsch, 2009, S. 355, 366 f.; Prölss in Prölss/Martin, VVG, 28. Aufl., § 81 Rn. 38; Rixecker, zfs 2007, 15, 16; Schmidt-Kessel in Looschelders/Pohlmann, VVG, 2010, § 81 Rn. 74; Spuhl in Marlow/Spuhl, Das neue VVG, 4. Aufl., Rn. 561).
13
Eine Mindermeinung hält einen solchen Leistungsausschluss zwar für zulässig (Günther/Spielmann, r+s 2008, 133, 143). Dieser Ansicht ist aber nicht zu folgen. Die Abschaffung des Alles-oder-nichts-Prinzips durch § 81 Abs. 2 VVG in der seit 1. Januar 2008 geltenden Fassung war ein "zentraler Punkt" der Gesetzesreform (vgl. BT-Drucks. 16/3945, S. 49). Die formularmäßige Rückkehr zu § 61 VVG a.F. wird daher in der Regel als unzulässig, weil einem wesentlichen Grundgedanken (§ 307 Abs. 2 Nr. 1 BGB) des Versicherungsvertragsrechts widersprechend, beurteilt (vgl. LG Göttingen, Urteil vom 18. November 2009 - 5 O 118/09, VersR 2010, 1490, 1491; LG Konstanz, Urteil vom 26. November 2009 - 3 O 119/09, zfs 2010, 214, 215 mit insoweit zustimmender Anmerkung Rixecker; LG Nürnberg-Fürth, Urteil vom 27. Januar 2010 - 8 O 10700/08, r+s 2010, 145, 148; LG Berlin, Urteil vom 26. Januar 2011 - 4 O 184/10, juris Rn. 29 ff.; Karczewski in Rüffer/Halbach/ Schimikowski, VVG, 2009, § 81 Rn. 114; Rogler, r+s 2010, 1, 5).
14
cc) Nach Ziff. 7 der Allgemeinen Vermietbedingungen wird dem berechtigten Fahrer der gleiche Umfang der Haftungsfreistellung gewährt wie dem Mieter, weshalb für die Beurteilung der Wirksamkeit der Klausel hier auch das Verhältnis des Vermieters zum Mieter maßgeblich ist. Die Erwartung einer der Fahrzeugvollversicherung entsprechenden Vertragsgestaltung besteht bei Kraftfahrzeugmietverträgen mit entgeltlicher Haftungsreduzierung auch hinsichtlich des Verhaltens eines Fahrers, dem der Mieter berechtigterweise das Mietfahrzeug überlässt, so dass entgegenstehende Geschäftsbedingungen gemäß § 307 BGB unwirksam sind (vgl. BGH, Urteile vom 16. Dezember 1981 - VIII ZR 1/81, VersR 1982, 359, 360; vom 20. Mai 2009 - XII ZR 94/07, BGHZ 181, 179 Rn. 16, 21 ff.). Das gilt auch für nach dem 1. Januar 2008 geschlossene Kraftfahrzeugmietverträge , bei denen die Allgemeinen Geschäftsbedingungen abweichend von § 81 Abs. 2 VVG die volle Haftung des Mieters für vom berechtigten Fahrer grob fahrlässig herbeigeführte Schäden vorsehen (vgl. Looschelders /Paffenholz, JR 2010, 290, 293).
15
b) Mit Erfolg rügt die Revision aber die Auffassung des Berufungsgerichts , der Vorbehalt der Haftung für grobe Fahrlässigkeit entfalle insgesamt, so dass der Beklagte im Fall grober Fahrlässigkeit nicht einmal anteilig hafte.
16
Welche Rechtsfolgen die Unwirksamkeit der Klausel, die in einem gewerblichen Kraftfahrzeugmietvertrag mit entgeltlicher Haftungsreduzierung die volle Haftung für grob fahrlässig herbeigeführte Schäden vorsieht, nach sich zieht, ist in Rechtsprechung und Literatur umstritten. Teilweise wird, was das Berufungsgericht annimmt, ein ersatzloses Entfallen des Haftungsvorbehalts für grobe Fahrlässigkeit befürwortet mit der Folge, dass der Vermieter bei grob fahrlässiger Schadensverursachung keinen Schadensersatz verlangen kann (LG Berlin, Urteil vom 26. Januar 2011 - 4 O 184/10, DAR 2011, 264, 265; vgl. Rogler, r+s 2010, 1, 4 f. hinsichtlich eines Rückgriffs auf § 28 VVG für unwirksame Klauseln über Obliegenheitsverletzungen). Eine andere Auffassung will im Wege der ergänzenden Vertragsauslegung - ggf. unter Inkaufnahme einer geltungserhaltenden Reduktion - § 81 Abs. 2 VVG entsprechend anwenden (LG Göttingen, Urteil vom 18. November 2009 - 5 O 118/09, VersR 2010, 1490, 1491; so wohl auch LG Konstanz, Urteil vom 26. November 2009 - 3 O 119/09, juris Rn. 44). Nach zutreffender Ansicht tritt an die Stelle der unwirksamen Klausel über den Haftungsvorbehalt bei grober Fahrlässigkeit gemäß § 306 Abs. 2 BGB der Grundgedanke der gesetzlichen Regelung des § 81 Abs. 2 VVG (vgl. Rogler, jurisPR-VersR 3/2010 Anm. 2; vgl. ferner Nugel, jurisPRVerkR 15/2010 Anm. 4).
17
aa) Ist eine Klausel in Allgemeinen Geschäftsbedingungen nicht Vertragsbestandteil geworden oder unwirksam, sind vorrangig die gesetzlichen Vorschriften als eine konkrete Ersatzregelung in Betracht zu ziehen (vgl. § 306 Abs. 2 BGB). Nur wenn solche nicht zur Verfügung stehen, stellt sich die Frage, ob ein ersatzloser Wegfall der unwirksamen Klausel eine sachgerechte Lösung darstellt. Scheiden beide Möglichkeiten aus, ist zu prüfen, ob durch eine ergänzende Vertragsauslegung eine interessengerechte Lösung gefunden werden kann (vgl. BGH, Urteil vom 12. Oktober 2005 - IV ZR 162/03, VersR 2005, 1565 Rn. 37).
18
Ist eine Allgemeine Versicherungsbedingung nicht Vertragsbestandteil geworden, so treten an ihre Stelle die Regelungen des Versicherungsvertragsgesetzes (MünchKommBGB/Basedow, 5. Aufl., § 306 Rn. 21; vgl. BGH, Urteil vom 21. Dezember 1981 - II ZR 76/81, NJW 1982, 824, 825). Das gilt entspre- chend für die Haftungsfreistellung bei der gewerblichen Kraftfahrzeugvermietung , die sich am Leitbild der Fahrzeugversicherung zu orientieren hat (vgl. BGH, Urteile vom 10. Juni 2009 - XII ZR 19/08, VersR 2010, 260 Rn. 18 f.; vom 2. Dezember 2009 - XII ZR 117/08, NJW-RR 2010, 480 Rn. 14).
19
bb) Weil sich der Umfang der vertraglichen Haftungsfreistellung am Leitbild der Kaskoversicherung orientiert, steht mit § 81 VVG für die Frage des Maßes der Haftung eine Vorschrift des dispositiven Rechts zur Verfügung, die geeignet ist, die infolge der Unwirksamkeit der Klausel entstehende Lücke zu schließen. Im Fall einer ungültigen Allgemeinen Versicherungsbedingung über die grob fahrlässige Herbeiführung des Versicherungsfalls käme nach § 306 Abs. 2 BGB die Regelung des § 81 Abs. 2 VVG zur Anwendung (vgl. Rogler, jurisPR-VersR 3/2010 Anm. 2; a.A. LG Berlin, Urteil vom 26. Januar 2011 - 4 O 184/10, DAR 2011, 264, 265). Da der Umfang der mietvertraglichen Haftungsfreistellung am Leitbild der Kaskoversicherung auszurichten ist, findet auch die Regelung des § 81 Abs. 2 VVG entsprechende Anwendung. Im Fall einer mietvertraglichen Haftungsfreistellung ist der Vermieter, der eine unwirksame Klausel verwendet, dem Versicherer gleichzustellen. Die Regelung des § 81 Abs. 2 VVG stellt auch für die mietvertragliche Haftungsfreistellung den vom Gesetzgeber bezweckten angemessenen Interessenausgleich zwischen den Parteien her.
20
cc) Die entsprechende Anwendung von § 81 Abs. 2 VVG läuft entgegen der Ansicht des Berufungsgerichts und anderer Instanzgerichte (LG Berlin, Urteil vom 26. Januar 2011 - 4 O 184/10, DAR 2011, 264, 265 f.; vgl. Rogler, r+s 2010, 1, 4 f. hinsichtlich eines Rückgriffs auf § 28 VVG für unwirksame Klauseln über Obliegenheitsverletzungen) nicht auf eine unzulässige geltungserhaltende Reduktion hinaus. Das Verbot der geltungserhaltenden Reduktion verlangt, dass eine gegen §§ 307 ff. BGB verstoßende Vertragsbestimmung nicht durch andere im Wege der ergänzenden Vertragsauslegung ermittelte Regelungen ersetzt wird, sondern insgesamt entfällt. Eine ergänzende Vertragsauslegung, die eine unwirksame Vertragsbestimmung auf den gerade noch zulässigen Inhalt reduziert, liefe dem Zweck der Regelungen über die Allgemeinen Geschäftsbedingungen zuwider. Sie würde es dem Verwender ermöglichen, risikolos die Allgemeinen Geschäftsbedingungen einseitig in seinem Interesse auszugestalten. Der Zweck des Rechts der Allgemeinen Geschäftsbedingungen, den Vertragspartner des Verwenders vor ungültigen Klauseln zu schützen, den Rechtsverkehr von unwirksamen Allgemeinen Geschäftsbedingungen freizuhalten und auf einen den Interessen beider Seiten gerecht werdenden Inhalt Allgemeiner Geschäftsbedingungen hinzuwirken, würde unterlaufen (Senatsurteil vom 24. September 1985 - VI ZR 4/84, BGHZ 96, 18, 25 f.; BGH, Urteil vom 17. Mai 1982 - VII ZR 316/81, BGHZ 84, 109, 114 ff.). Die Geltung des - hier entsprechend anzuwendenden - dispositiven Gesetzesrechts anstelle einer unwirksamen Klausel verstößt nicht gegen das Verbot der geltungserhaltenden Reduktion, sondern entspricht vielmehr seiner Intention (vgl. Senatsurteil vom 24. September 1985 - VI ZR 4/84, BGHZ 96, 18, 26).

III.

21
Der Senat kann nicht gemäß § 563 Abs. 3 ZPO in der Sache selbst entscheiden. Die Entscheidung über den Umfang der Anspruchskürzung entsprechend § 81 Abs. 2 VVG bedarf einer umfassenden Abwägung der Umstände des Einzelfalls (vgl. BGH, Urteil vom 22. Juni 2011 - IV ZR 255/10, VersR 2011, 1037, Rn. 33). Da das Landgericht die streitgegenständliche Klausel als wirksam angesehen und das Berufungsgericht den Standpunkt vertreten hat, die streitgegenständliche Klausel sei unwirksam und werde nicht durch eine ent- sprechende Anwendung des § 81 Abs. 2 VVG ersetzt, bestand für die Parteien bislang kein Anlass, zu den für die Abwägung relevanten Umständen näher vorzutragen. Galke Zoll Diederichsen Pauge von Pentz
Vorinstanzen:
LG Köln, Entscheidung vom 13.08.2009 - 37 O 143/09 -
OLG Köln, Entscheidung vom 13.01.2010 - 11 U 159/09 -

(1) Bei Verletzung einer vertraglichen Obliegenheit, die vom Versicherungsnehmer vor Eintritt des Versicherungsfalles gegenüber dem Versicherer zu erfüllen ist, kann der Versicherer den Vertrag innerhalb eines Monats, nachdem er von der Verletzung Kenntnis erlangt hat, ohne Einhaltung einer Frist kündigen, es sei denn, die Verletzung beruht nicht auf Vorsatz oder auf grober Fahrlässigkeit.

(2) Bestimmt der Vertrag, dass der Versicherer bei Verletzung einer vom Versicherungsnehmer zu erfüllenden vertraglichen Obliegenheit nicht zur Leistung verpflichtet ist, ist er leistungsfrei, wenn der Versicherungsnehmer die Obliegenheit vorsätzlich verletzt hat. Im Fall einer grob fahrlässigen Verletzung der Obliegenheit ist der Versicherer berechtigt, seine Leistung in einem der Schwere des Verschuldens des Versicherungsnehmers entsprechenden Verhältnis zu kürzen; die Beweislast für das Nichtvorliegen einer groben Fahrlässigkeit trägt der Versicherungsnehmer.

(3) Abweichend von Absatz 2 ist der Versicherer zur Leistung verpflichtet, soweit die Verletzung der Obliegenheit weder für den Eintritt oder die Feststellung des Versicherungsfalles noch für die Feststellung oder den Umfang der Leistungspflicht des Versicherers ursächlich ist. Satz 1 gilt nicht, wenn der Versicherungsnehmer die Obliegenheit arglistig verletzt hat.

(4) Die vollständige oder teilweise Leistungsfreiheit des Versicherers nach Absatz 2 hat bei Verletzung einer nach Eintritt des Versicherungsfalles bestehenden Auskunfts- oder Aufklärungsobliegenheit zur Voraussetzung, dass der Versicherer den Versicherungsnehmer durch gesonderte Mitteilung in Textform auf diese Rechtsfolge hingewiesen hat.

(5) Eine Vereinbarung, nach welcher der Versicherer bei Verletzung einer vertraglichen Obliegenheit zum Rücktritt berechtigt ist, ist unwirksam.

(1) Der Versicherer ist nicht zur Leistung verpflichtet, wenn der Versicherungsnehmer vorsätzlich den Versicherungsfall herbeiführt.

(2) Führt der Versicherungsnehmer den Versicherungsfall grob fahrlässig herbei, ist der Versicherer berechtigt, seine Leistung in einem der Schwere des Verschuldens des Versicherungsnehmers entsprechenden Verhältnis zu kürzen.

(1) Bei Verletzung einer vertraglichen Obliegenheit, die vom Versicherungsnehmer vor Eintritt des Versicherungsfalles gegenüber dem Versicherer zu erfüllen ist, kann der Versicherer den Vertrag innerhalb eines Monats, nachdem er von der Verletzung Kenntnis erlangt hat, ohne Einhaltung einer Frist kündigen, es sei denn, die Verletzung beruht nicht auf Vorsatz oder auf grober Fahrlässigkeit.

(2) Bestimmt der Vertrag, dass der Versicherer bei Verletzung einer vom Versicherungsnehmer zu erfüllenden vertraglichen Obliegenheit nicht zur Leistung verpflichtet ist, ist er leistungsfrei, wenn der Versicherungsnehmer die Obliegenheit vorsätzlich verletzt hat. Im Fall einer grob fahrlässigen Verletzung der Obliegenheit ist der Versicherer berechtigt, seine Leistung in einem der Schwere des Verschuldens des Versicherungsnehmers entsprechenden Verhältnis zu kürzen; die Beweislast für das Nichtvorliegen einer groben Fahrlässigkeit trägt der Versicherungsnehmer.

(3) Abweichend von Absatz 2 ist der Versicherer zur Leistung verpflichtet, soweit die Verletzung der Obliegenheit weder für den Eintritt oder die Feststellung des Versicherungsfalles noch für die Feststellung oder den Umfang der Leistungspflicht des Versicherers ursächlich ist. Satz 1 gilt nicht, wenn der Versicherungsnehmer die Obliegenheit arglistig verletzt hat.

(4) Die vollständige oder teilweise Leistungsfreiheit des Versicherers nach Absatz 2 hat bei Verletzung einer nach Eintritt des Versicherungsfalles bestehenden Auskunfts- oder Aufklärungsobliegenheit zur Voraussetzung, dass der Versicherer den Versicherungsnehmer durch gesonderte Mitteilung in Textform auf diese Rechtsfolge hingewiesen hat.

(5) Eine Vereinbarung, nach welcher der Versicherer bei Verletzung einer vertraglichen Obliegenheit zum Rücktritt berechtigt ist, ist unwirksam.

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
IV ZR 199/10 Verkündet am:
12. Oktober 2011
Bott
Justizhauptsekretärin
als Urkundsbeamtin
der Geschäftsstelle
in dem Rechtsstreit
Nachschlagewerk: ja
BGHZ: ja
BGHR: ja
EGVVG Art. 1 Abs. 3; VVG §§ 28 Abs. 2 Satz 2, 81 Abs. 2; VGB 88 § 11 Nr. 2
1. Die Sanktionsregelung bei Verletzung vertraglich vereinbarter Obliegenheiten
(hier: § 11 Nr. 2 Satz 1 bis Satz 3 VGB 88) ist unwirksam, wenn der Versicherer
von der Möglichkeit der Vertragsanpassung gemäß Art. 1 Abs. 3 EGVVG keinen
Gebrauch gemacht hat. Der Versicherer kann deshalb bei grob fahrlässiger Verletzung
vertraglicher Obliegenheiten kein Leistungskürzungsrecht gemäß § 28
Abs. 2 Satz 2 VVG geltend machen.
2. Auf die Verletzung gesetzlicher Obliegenheiten (hier: grob fahrlässige Herbeiführung
des Versicherungsfalles gemäß § 81 Abs. 2 VVG) kann sich der Versicherer
weiterhin berufen.
BGH, Urteil vom 12. Oktober 2011 - IV ZR 199/10 - OLG Köln
LG Köln
Der IV. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat durch die Vorsitzende
Richterin Dr. Kessal-Wulf, die Richter Wendt, Felsch, Lehmann und
die Richterin Dr. Brockmöller auf die mündliche Verhandlung vom
12. Oktober 2011

für Recht erkannt:
Auf die Revision der Beklagten wird das Urteil des 9. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Köln vom 17. August 2010 aufgehoben.
Die Sache wird zur neuen Verhandlung und Entscheidung , auch über die Kosten des Revisionsverfahrens, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.
Von Rechts wegen

Tatbestand:

1
Der Kläger ist Zwangsverwalter eines Miteigentumsanteils an einem Grundstück verbunden mit dem Sondereigentum an einem Haus. Er trat im März 2007 in einen bei der Beklagten bestehenden Versicherungsvertrag über eine Wohngebäudeversicherung ein und verlangt Versicherungsleistungen für einen Leitungswasserschaden vom Januar

2009.


2
Dem Versicherungsverhältnis liegen "Allgemeine WohngebäudeVersicherungsbedingungen (VGB 88) - Fassung Januar 1995" zugrunde, die auszugsweise wie folgt lauten: "§ 11 Sicherheitsvorschriften 1. Der Versicherungsnehmer hat …
c) nicht genutzte Gebäude oder Gebäudeteile genügend häufig zu kontrollieren und dort alle wasserführenden Anlagen und Einrichtungen abzusperren, zu entleeren und entleert zu halten;
d) in der kalten Jahreszeit alle Gebäude und Gebäudeteile zu beheizen und diese genügend häufig zu kontrollieren und dort alle wasserführenden Anlagen und Einrichtungen abzusperren, zu entleeren und entleert zu halten; 2. Verletzt der Versicherungsnehmer eine dieser Obliegenheiten , so ist der Versicherer nach Maßgabe von § 6 VVG zur Kündigung berechtigt oder auch leistungsfrei. Eine Kündigung des Versicherers wird einen Monat nach Zugang wirksam. Leistungsfreiheit tritt nicht ein, wenn die Verletzung weder auf Vorsatz noch auf grober Fahrlässigkeit beruht. Führt die Verletzung zu einer Gefahrerhöhung, so gelten die §§ 23 bis 30 VVG. Danach kann der Versicherer zur Kündigung berechtigt oder auch leistungsfrei sein."
3
Die Beklagte nahm keine Anpassung der VGB 88 an die Vorschriften des Versicherungsvertragsgesetzes in der Fassung des Gesetzes zur Reform des Versicherungsvertragsrechts vom 23. November 2007 (BGBl. I 2631 - VVG 2008) gemäß Art. 1 Abs. 3 EGVVG vor.
4
Das versicherte Haus stand leer und wurde zur Vermietung vorgehalten. Eine Entleerung der wasserführenden Leitungen fand nicht statt. Am 8. Januar 2009 wurde ein Leitungswasserschaden festgestellt.

5
Die Beklagte berief sich vorgerichtlich auf eine Verletzung der Obliegenheit zur regelmäßigen Kontrolle des Gebäudes und zur Entleerung aller wasserführenden Anlagen. Unter Berücksichtigung der Schwere des Verschuldens des Versicherungsnehmers sagte sie eine hälftige Zahlung der Schadenbeseitigungsaufwendungen zu, die während des anhängigen Berufungsverfahrens erfolgte. Im Prozess hat sie im Hinblick auf eine von ihr behauptete unzureichende Beheizung des Gebäudes zudem geltend gemacht, dass der Kläger seine Aufklärungsobliegenheit verletzt, eine Gefahrerhöhung vorgenommen und den Versicherungsfall grob fahrlässig herbeigeführt habe.
6
Das Landgericht hat der Klage auf Zahlung von Reparaturaufwendungen in Höhe von 6.210,34 € bis auf die eingeklagte Zinsforderung stattgegeben. Die Berufung der Beklagten, mit der diese eine Abweisung der Klage in Höhe von 3.105,17 € begehrte, blieb ohne Erfolg. Hiergegen wendet sich die Beklagte mit ihrer Revision.
7
Während des Revisionsverfahrens wurde das Zwangsverwaltungsverfahren nach rechtskräftigem Zuschlagsbeschluss aufgehoben und der Kläger zur Fortführung des Rechtsstreits ermächtigt.

Entscheidungsgründe:


8
Die Revision hat Erfolg. Sie führt zur Aufhebung der angefochtenen Entscheidung und Zurückverweisung der Sache an das Berufungsgericht.

9
I. Das Berufungsgericht, dessen Urteil unter anderem in VersR 2010, 1592 veröffentlicht ist, hat ausgeführt, dass die Beklagte den eingetretenen Schaden in vollem Umfang zu ersetzen habe, da sie sich nicht auf eine Obliegenheitsverletzung gemäß § 11 Nr. 1 VGB 88 und eine quotale Leistungskürzung berufen könne. § 11 Nr. 2 VGB 88 sei gemäß § 32 VVG, wonach von den §§ 19 bis 29 Abs. 4 und § 31 Abs. 1 Satz 2 VVG nicht zum Nachteil des Versicherungsnehmers abgewichen werden könne, unwirksam. Die Klausel berücksichtige nicht die in § 28 Abs. 2 Satz 2 VVG statuierte quotale Leistungskürzung bei grob fahrlässiger Verletzung einer vertraglichen Obliegenheit und weiche deshalb von der gesetzlichen Regelung zum Nachteil des Versicherungsnehmers ab.
10
Sie könne wegen des Verbots der geltungserhaltenden Reduktion nicht auf einen zulässigen Inhalt zurückgeführt werden. Für eine ergänzende Vertragsauslegung sei kein Raum, da es die Beklagte durch eine Anpassung ihrer Bedingungen nach Art. 1 Abs. 3 EGVVG selbst in der Hand gehabt habe, das Entstehen von Regelungslücken zu verhindern.
11
Schließlich könne sich die Beklagte nicht unmittelbar auf ein Leistungskürzungsrecht nach § 28 Abs. 2 Satz 2 VVG stützen, da dieses eine wirksame vertragliche Vereinbarung einer Obliegenheit voraussetze, an der es wegen der Unwirksamkeit der gesamten Bestimmung des § 11 VGB 88 fehle.
12
Eine allgemeine Aufklärungspflichtverletzung durch falsche Darstellung des Schadenhergangs scheide mangels einschlägiger vertraglicher Regelung i.S. des § 28 Abs. 2 VVG aus.

13
Der Vortrag der Beklagten zu einer grob fahrlässigen Herbeiführung des Versicherungsfalles und zu einer Gefahrerhöhung sei nicht hinreichend substantiiert.
14
II. Das hält rechtlicher Nachprüfung nicht in allen Punkten stand.
15
Zutreffend hat das Berufungsgericht ein Leistungskürzungsrecht der Beklagten sowohl wegen Verletzung einer vertraglichen Obliegenheit als auch aufgrund einer Gefahrerhöhung verneint. Dagegen hat es die Anforderungen an den Sachvortrag der Beklagten zur grob fahrlässigen Herbeiführung des Versicherungsfalles gemäß § 81 VVG überspannt.
16
1. Der Kläger, dessen Prozessführungsbefugnis in jeder Lage des Verfahrens von Amts wegen zu prüfen ist, ist nach Beendigung der Zwangsvollstreckung infolge der rechtskräftigen Zuschlagserteilung weiterhin prozessführungsbefugt (vgl. BGH, Urteil vom 11. August 2010 - XII ZR 181/08, NJW 2010, 3033 Rn. 13 ff.).
17
2. Die Bestimmungen des § 11 Nr. 2 Satz 1 bis Satz 3 VGB 88 sind unwirksam.
18
a) Da der Versicherungsfall im Jahr 2009 eingetreten ist, findet gemäß Art. 1 Abs. 1 EGVVG das Versicherungsvertragsgesetz in der Fassung des Gesetzes zur Reform des Versicherungsvertragsrechts vom 23. November 2007 (BGBl. I 2631) Anwendung. § 28 Abs. 2 Satz 2 VVG bestimmt, dass der Versicherer im Fall einer grob fahrlässigen Verletzung einer Obliegenheit nur berechtigt ist, seine Leistung in einem der Schwere des Verschuldens des Versicherungsnehmers entsprechenden Verhältnis zu kürzen. Von dieser Regelung weicht das Sanktionensystem in § 11 Nr. 2 Satz 1 bis Satz 3 VGB 88 entgegen § 32 Satz 1 VVG zum Nachteil des Versicherungsnehmers ab. Denn § 11 Nr. 2 Satz 1 bis Satz 3 VGB 88 nimmt Bezug auf die Kündigung und die Leistungsfreiheit in § 6 VVG a.F., wonach eine grob fahrlässig begangene Obliegenheitsverletzung bei Vorliegen der weiteren Voraussetzungen der Vorschrift die volle Leistungsfreiheit zur Folge hat.
19
b) Dies führt zur Unwirksamkeit der Regelung gemäß § 307Abs. 1 Satz 1 BGB. Die Abweichung von der halbzwingenden Vorschrift des § 28 Abs. 2 Satz 2 VVG zum Nachteil des Versicherungsnehmers stellt eine unangemessene Benachteiligung dar (vgl. Senatsurteil vom 28. Juni 1995 - IV ZR 19/94, unter I 3 c bb), da die Leistungsfreiheit des Versicherers bei lediglich grob fahrlässiger Obliegenheitsverletzung mit wesentlichen Grundgedanken des § 28 Abs. 2 Satz 2 VVG nicht zu vereinbaren ist.
20
3. Die Vertragslücke, die durch die Unwirksamkeit der Regelung über die Folgen einer Obliegenheitsverletzung entstanden ist, kann nicht geschlossen werden.
21
Allerdings ist in Rechtsprechung und Schrifttum umstritten, ob sich der Versicherer bei grob fahrlässiger Verletzung einer Obliegenheit durch den Versicherungsnehmer auf ein quotales Leistungskürzungsrecht berufen kann, wenn in einem Altvertrag i.S. des Art. 1 Abs. 1 Satz 1 EGVVG die dortigen Bestimmungen über die Rechtsfolgen der Verletzung vertraglich vereinbarter Obliegenheiten durch Inkrafttreten und Anwendbarkeit des VVG 2008 unwirksam geworden sind, weil der Versicherer auf eine Anpassung seiner Versicherungsbedingungen nach Art. 1 Abs. 3 EGVVG verzichtet hat. Hiernach konnte der Versicherer bis zum 1. Januar 2009 seine Allgemeinen Versicherungsbedingungen für Altverträge mit Wirkung zum 1. Januar 2009 ändern, soweit sie von den Vorschriften des Versicherungsvertragsgesetzes abwichen, und er dem Versicherungsnehmer die geänderten Versicherungsbedingungen unter Kenntlichmachung der Unterschiede spätestens einen Monat vor diesem Zeitpunkt in Textform mitteilte.
22
a) Zum Teil wird vertreten, dass die vereinbarte Obliegenheit im Sinne einer Verhaltensnorm weiterhin wirksam bleibt und die gesetzliche Bestimmung des § 28 Abs. 2 Satz 2 VVG gemäß § 306 Abs. 2 BGB an die Stelle der unwirksamen vertraglichen Sanktionsregelung tritt.
23
aa) Dabei wird das Weiterbestehen der Obliegenheit trotz Unwirksamkeit der hierzu in den Allgemeinen Versicherungsbedingungen getroffenen Sanktionsregelung unterschiedlich begründet:
24
(1) Teilweise wird angenommen, dass es sich bei der Verhaltensnorm und der Sanktionsregelung um inhaltlich trennbare Regelungen handele, wobei die Verhaltensnorm aus sich heraus verständlich sei. Deshalb sei eine derartige Klausel in Allgemeinen Versicherungsbedingungen nicht insgesamt, sondern nur teilweise hinsichtlich der dort bestimmten Rechtsfolgen unwirksam (Hövelmann, VersR 2008, 612, 616; Schnepp/Segger, VW 2008, 907, 909).
25
(2) Überwiegend wird für Allgemeine Versicherungsbedingungen, die Obliegenheiten vertraglich festlegen und deren Verstoß mit den Rechtsfolgen des § 6 VVG a.F. sanktionieren, eine Ausnahme vom Ver- bot der geltungserhaltenden Reduktion befürwortet. Denn der Schutzzweck dieses Prinzips passe nicht für Allgemeine Versicherungsbedingungen , die bei Vertragsschluss wirksam gewesen und erst durch eine spätere Gesetzesänderung unwirksam geworden seien (MünchKommVVG /Looschelders, Art. 1 EGVVG Rn. 27; Funck, VersR 2008, 163, 168; Hövelmann aaO).
26
(3) Schließlich wird vereinzelt eine Parallele zur Behandlung verhüllter Obliegenheiten gezogen. Bei diesen halte die Sanktionsregelung der Klausel den gesetzlichen Vorgaben nicht stand; dennoch betrachte die Rechtsprechung die Obliegenheiten als wirksam und wende hierauf unmittelbar das Obliegenheitenrecht an. Gleiches müsse hier gelten (Segger/Degen, VersR 2011, 440, 445).
27
bb) Auch hinsichtlich der Rechtsfolgen finden sich unterschiedliche Begründungsansätze:
28
(1) Teilweise wird das Fehlen einer vertraglichen Vereinbarung über die Rechtsfolgen einer Obliegenheitsverletzung bei grob fährlässiger Begehungsweise als unschädlich betrachtet, da es sich bei § 28 Abs. 2 Satz 2 VVG um ein gesetzliches Leistungskürzungsrecht handele, das unabhängig von einer vertraglichen Vereinbarung der Parteien bestehe (LG Erfurt VersR 2011, 335; HK-VVG/Muschner, Art. 1 EGVVG Rn. 17; Brand in Looschelders/Pohlmann, VVG Art. 1 EGVVG Rn. 21; Honsel, VW 2008, 480, 481; Muschner/Wendt, MDR 2008, 949, 951; Segger/Degen aaO 441).
29
(2) Überwiegend wird angenommen, dass die Lücke bezüglich der Rechtsfolgen einer Obliegenheitsverletzung durch die gesetzliche Rege- lung des § 28 Abs. 2 Satz 2 VVG zu schließen sei (LG Ellwangen VersR 2011, 62; Funck aaO; Hövelmann aaO). Teilweise wird auch hier wiederum auf die Lückenfüllung durch Anwendung des Obliegenheitenrechts auf verhüllte Obliegenheiten verwiesen (Segger/Degen aaO 445).
30
b) Nach anderer Auffassung führt unabhängig von der Frage der Teilwirksamkeit einer vertraglichen Obliegenheitsvereinbarung ohne entsprechende Sanktionsregelung - also auch bei Gesamtnichtigkeit einer solchen Klausel - eine ergänzende Vertragsauslegung dazu, dass die in den Allgemeinen Versicherungsbedingungen vereinbarte Obliegenheit mit den Sanktionen des § 28 VVG als vereinbart gelten soll (vgl. Armbrüster in Prölss/Martin, VVG 28. Aufl. Art. 1 EGVVG Rn. 39; nur für den Fall der vorsätzlichen Obliegenheitsverletzung: Brand in Looschelders/ Pohlmann aaO; HK-VVG/Muschner aaO Rn. 24; Muschner/Wendt aaO

952).


31
c) Schließlich wird eine Korrektur der gesetzlichen Unwirksamkeitsfolge abgelehnt. Wenn der Versicherer von der in Art. 1 Abs. 3 EGVVG eingeräumten Möglichkeit zur Anpassung seiner Allgemeinen Versicherungsbedingungen keinen Gebrauch gemacht habe, so müsse es bei der sich aus dem Gesetz ergebenden Unwirksamkeit bleiben (LG Nürnberg-Fürth r+s 2010, 145, 147; Meixner/Steinbeck, Das neue Versicherungsvertragsrecht § 12 Rn. 2; Marlow/Spuhl, Das neue VVG kompakt 4. Aufl. Rn. 391 ff.; Fahl/Kassing, VW 2009, 320, 322 f.; von Fürstenwerth , r+s 2009, 221, 223 ff.; Fitzau, VW 2008, 448; Höra, r+s 2008, 89, 90; Knappmann, VRR 2007, 408, 409; Maier, VW 2008, 986, 987 ff.; Rogler, r+s 2010, 1, 4 f.; ders. jurisPR-VersR 3/2010 Anm. 2; Staudinger/ Kassing, ZGS 2011, 411, 412 ff.; Wagner, VersR 2008, 1190, 1193 f.).
32
d) Letztgenannte Auffassung trifft zu. Das Berufungsgericht hat zu Recht angenommen, dass die durch Unwirksamkeit der Sanktionsregelung des § 11 Nr. 2 Satz 1 bis Satz 3 VGB 88 entstandene Vertragslücke nicht geschlossen werden kann. Ob die vertragliche Obliegenheit in § 11 Nr. 1 VGB 88 als teilbare Klausel oder im Wege einer geltungserhaltenden Reduktion weiter besteht, obwohl § 11 Nr. 2 Satz 1 bis Satz 3VGB 88 zwar eine Sanktion anordnet, jedoch ein unwirksames Sanktionensystem enthält, kann deshalb dahinstehen.
33
aa) Eine quotale Leistungskürzung wegen grob fahrlässiger Verletzung einer Obliegenheit gemäß § 28 Abs. 2 Satz 2 VVG setzt voraus, dass neben einer vertraglichen Obliegenheit auch eine Sanktion für den Fall ihrer Verletzung im Versicherungsvertrag vereinbart ist. § 28 Abs. 2 Satz 2 VVG enthält kein gesetzliches Leistungskürzungsrecht.
34
Der Senat hält an der Rechtsprechung zu § 6 Abs. 1 Satz 1 VVG a.F., wonach der Versicherungsvertrag eine Vereinbarung über die Sanktion einer Obliegenheitsverletzung enthalten muss (vgl. BGH, Urteil vom 18. Dezember 1989 - II ZR 34/89, NJW-RR 1990, 405 unter 3), auch für das neue Recht fest. Für den Fall der vorsätzlichen Obliegenheitsverletzung regelt § 28 Abs. 2 Satz 1 VVG ausdrücklich, dass der Vertrag bestimmen muss, dass der Versicherer bei Verletzung einer vom Versicherungsnehmer zu erfüllenden vertraglichen Obliegenheit nicht zur Leistung verpflichtet ist. Systematisch knüpft § 28 Abs. 2 Satz 2 VVG unmittelbar an die allgemeinen Voraussetzungen des § 28 Abs. 2 Satz 1 VVG an und ersetzt lediglich die vollständige Leistungsfreiheit nach § 28 Abs. 1 Satz 1 VVG für den Fall der groben Fahrlässigkeit durch ein Kürzungsrecht des Versicherers (MünchKomm-VVG/Wandt, § 28 Rn. 214; Schimikowski, r+s 2010, 195; Staudinger/Kassing aaO). Weiterhin finden sich in der Gesetzesbegründung (BT-Drucks. 16/3945, S. 69) keine Anhaltspunkte dafür, dass das Erfordernis einer vertraglichen Vereinbarung zwar für eine vollständige Leistungsfreiheit, nicht jedoch für teilweise Leistungsfreiheit erforderlich sein soll (MünchKomm-VVG/Wandt aaO).
35
bb) Die Vorschrift des § 28 Abs. 2 Satz 2 VVG kann nicht gemäß § 306 Abs. 2 BGB zur Lückenfüllung herangezogen werden. Bei Art. 1 Abs. 3 EGVVG handelt es sich um eine gesetzliche Sonderregelung, die in ihrem Anwendungsbereich die allgemeine Bestimmung des § 306 Abs. 2 BGB verdrängt.
36
(1) Das Gesetzgebungsverfahren belegt, dass der Gesetzgeber die Schließung von Vertragslücken, die durch die Anwendung der Regelungen des VVG 2008 entstehen, allein durch eine Wahrnehmung der Anpassungsoption des Art. 1 Abs. 3 EGVVG seitens des Versicherers zulassen wollte, um die erforderliche Transparenz des vertraglichen Regelwerkes zu gewährleisten (vgl. von Fürstenwerth aaO 224 f.; Rogler aaO). Zur Vermeidung des Aufwands für die Anpassung von Altverträgen an das VVG 2008 hatte der Bundesrat eine Regelung vorgeschlagen, "die bestehende Versicherungsbedingungen unter Berücksichtigung des fiktiven Willens der Vertragsparteien für den Fall der Kenntnis der neuen Rechtslage auslegt" (BR-Drucks. 707/06 [Beschluss], S. 10). Der Gesetzgeber hat diesen Vorschlag nicht aufgegriffen, sondern an der Anpassungsmöglichkeit des Art. 1 Abs. 3 EGVVG in seiner jetzigen Fassung festgehalten. Damit hat er nicht nur einer ergänzenden Vertragsauslegung eine Absage erteilt, sondern auch deutlich gemacht, dass es ohne eine Anpassung gemäß Art. 1 Abs. 3 EGVVG für den Versicherer keine Möglichkeit geben soll, aus der Verletzung vertraglicher Obliegen- heiten in Altverträgen nachteilige Rechtsfolgen für den Versicherungsnehmer abzuleiten.
37
(2) Die Heranziehung des § 28 Abs. 2 Satz 2 VVG über die allgemeine Bestimmung des § 306 Abs. 2 BGB widerspräche der in Art. 1 Abs. 3 EGVVG vorgenommenen Interessenabwägung zwischen Versicherern und Versicherungsnehmern bei der Anpassung von Allgemeinen Versicherungsbedingungen an das VVG 2008.
38
Hauptanliegen des Gesetzgebers bei der Reform des Versicherungsvertragsrechts war es, die Stellung des Versicherungsnehmers deutlich zu stärken und die Transparenz von Versicherungsbedingungen zu verbessern (vgl. Gesetzentwurf, BT-Drucks. 16/3945, S. 1). Vor diesem Hintergrund muss die Regelung des Art. 1 Abs. 3 EGVVG gesehen werden. Dem Gesetzgeber war das Problem der Unwirksamkeit von Allgemeinen Versicherungsbedingungen in Altverträgen durch Inkrafttreten des neuen Rechts bewusst. Deshalb hat er den Versicherern die Anpassungsoption des Art. 1 Abs. 3 EGVVG eingeräumt. Ein Versicherer kann die Unwirksamkeitsfolgen hiernach jedoch nur durch eine Anpassung seiner Allgemeinen Versicherungsbedingungen abwenden, indem er den Versicherungsnehmer in der durch Art. 1 Abs. 3 EGVVG geregelten Weise über die geänderte Vertragslage informiert (vgl. BT-Drucks. 16/3945, S. 118, wo die Bedingungsanpassung als "geboten" bezeichnet wird). Dies zeigt, dass es dem Gesetzgeber auch um eine rasche Umstellung auf transparente, neue Vertragswerke ging und er eine unterbliebene Vertragsumstellung durch den Wegfall der unwirksam gewordenen Vertragsbestimmung sanktionieren wollte (vgl. von Fürstenwerth aaO).
39
Dieses Regelungsgefüge würde unterlaufen, wenn dem Versicherer auch ohne Umstellung seiner Allgemeinen Versicherungsbedingungen die Anwendung der Rechtsfolgen des VVG 2008 auf Obliegenheitsverletzungen gestattet wäre. Das Anpassungsverfahren nach Art. 1 Abs. 3 EGVVG wäre in diesem Falle letztlich überflüssig. Eine Lückenfüllung durch § 28 Abs. 2 Satz 2 VVG über die allgemeine Bestimmung des § 306 Abs. 2 BGB hätte entgegen dem Zweck des Art. 1 Abs. 3 EGVVG zur Folge, dass für den Versicherungsnehmer mangels Übersendung angepasster Allgemeiner Versicherungsbedingungen eine völlig intransparente Sanktionsregelung Bestand hätte, bei der er dem Vertrag insbesondere nicht seine nach § 28 VVG 2008 erweiterten Verteidigungsmöglichkeiten entnehmen kann.
40
(3) Dem steht nicht entgegen, dass eine Vertragsumstellung mit hohen Kosten verbunden ist. Der hohe Umstellungsaufwand der Versicherer wurde im Gesetzgebungsverfahren gesehen (BR-Drucks. 707/06 [Beschluss], S. 10). Von der Bundesregierung wurde die Übergangsregelung mit Blick auf den erheblichen Anpassungsbedarf nochmals geprüft (vgl. BT-Drucks. 16/3945, S. 133). Danach hat der Gesetzgeber an Art. 1 Abs. 3 EGVVG in seiner jetzigen Fassung festgehalten.
41
Nicht durchdringen kann die Beklagte damit, dass es ihr auf Grund besonderer Umstände wie einem hohen Vertragsbestand, vieler unterschiedlicher Allgemeiner Versicherungsbedingungen und mehrerer EDVPlattformen faktisch unmöglich gewesen sei, alle Altverträge gemäß Art. 1 Abs. 3 EGVVG umzustellen, folglich der Gesetzgeber in Art. 1 Abs. 3 EGVVG eine zu kurze Umstellungsfrist bemessen habe und deshalb zur Wahrung des Rechtsstaatsprinzips an eine unterbliebene Umstellung keine negativen Folgen geknüpft werden dürften. Der Gesetzge- ber ist zutreffend davon ausgegangen, dass die durch Art. 1 EGVVG statuierte Anwendung des neuen Rechts auf Altverträge lediglich unechte Rückwirkung entfaltet (BT-Drucks. 16/3945, S. 118), da eine Norm auf gegenwärtig noch nicht abgeschlossene Sachverhalte und Rechtsbeziehungen für die Zukunft einwirkt (vgl. BVerfGE 123, 186, 257; 101, 239, 263). Gemessen am Rechtsstaatsprinzip des Art. 20 Abs. 3 GG ist die unechte Rückwirkung in der Regel zulässig (BVerfGE 123, 186, 257; 101, 239, 263). Aus dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit folgt das Erfordernis angemessener Übergangsregelungen (BVerfGE 67, 1, 15). Ob und in welchem Umfang Übergangsregelungen notwendig sind, muss einer Abwägung des gesetzlichen Zwecks mit der Beeinträchtigung der Betroffenen entnommen werden. Dabei steht dem Gesetzgeber ein erheblicher Spielraum zur Verfügung (BVerfGE 67, 1, 15). Überdies ist er bei Massenerscheinungen zu Typisierungen verfassungsrechtlich befugt (BVerfGE 103, 271, 290).
42
Indem der Gesetzgeber die in Art. 1 Abs. 3 EGVVG festgelegte Frist für angemessen erachtet hat, hat er weder seinen Gestaltungsspielraum überschritten noch den Bereich zulässiger Typisierung verlassen. Dies folgt zum einen daraus, dass die Beklagte für einige Versicherungssparten branchenweit eine weitgehende Umstellung der Altverträge gemäß Art. 1 Abs. 3 EGVVG eingeräumt hat und auch für die Sachversicherung nicht geltend macht, dass sämtliche oder die Mehrzahl der Versicherer die Anpassungsoption des Art. 1 Abs. 3 EGVVG nicht hätten wahrnehmen können. Zum anderen beruft sich die Beklagte auf Umstände , die gerade ihren spezifischen Vertragsbestand betreffen und unter anderem durch die Übernahme zahlreicher kleinerer Versicherer mit jeweils abweichenden Allgemeinen Versicherungsbedingungen und eine besondere Situation bei der EDV-Ausstattung bedingt sind. Derartige spezifische Einzelumstände muss der Gesetzgeber im Rahmen zulässiger Typisierung nicht in Rechnung stellen. Vor diesem Hintergrund ist auch für die Annahme eines Verstoßes gegen Art. 12 Abs. 1 GG kein Raum. Daher hat das Berufungsgericht dieses Vorbringen der Beklagten zu Recht als unerheblich betrachtet und auf eine weitere Sachaufklärung verzichtet.
43
(4) Eine andere Beurteilung ist nicht deshalb geboten, weil Art. 1 Abs. 3 EGVVG keine Verpflichtung zur Umstellung enthält, sondern der Gesetzgeber den Versicherern lediglich die Möglichkeit einräumt, ihre Bedingungen anzupassen. Damit hat der Gesetzgeber die Weiterverwendung der bisherigen Allgemeinen Versicherungsbedingungen für Altverträge zugelassen. Er hat jedoch zugleich an den Verzicht auf eine Vertragsanpassung die dargestellten Rechtsfolgen gekoppelt. Hierfür war es nicht notwendig, in Art. 1 Abs. 3 EGVVG eine besondere Unwirksamkeitsfolge bei nicht angepassten Allgemeinen Versicherungsbedingungen zu statuieren. Diese ergibt sich über Art. 1 Abs. 1 EGVVG aus der Anwendung des VVG 2008 auf Altverträge mit den Folgen der § 32 VVG und § 307 BGB.
44
(5) Entgegen der Ansicht der Revision steht die Nichtanwendung des § 28 Abs. 2 Satz 2 VVG in den Fällen unterbliebener Bedingungsanpassung nach Art. 1 Abs. 3 EGVVG nicht in Widerspruch zur Anwendung des Obliegenheitsrechts auf verhüllte Obliegenheiten. Zwar trifft es zu, dass in der Rechtsprechung des Senats bei verhüllten Obliegenheiten auf die gesetzliche Regelung des § 6 VVG a.F. zurückgegriffen wurde, obwohl es in den zu beurteilenden Klauseln keine Sanktionsregelung gab, da diese als Risikobegrenzung formuliert waren (Senatsurteile vom 24. Mai 2000 - IV ZR 186/99, VersR 2000, 969 unter 1 c; vom 29. No- vember 1972 - IV ZR 162/71, NJW 1973, 284 unter II 2). Indes stellt die Anwendung des § 6 VVG a.F. auf verhüllte Obliegenheiten nichts anderes als eine Lückenfüllung i.S. von § 306 Abs. 2 BGB dar. Die allgemeine Bestimmung des § 306 Abs. 2 BGB wird jedoch für den speziellen Bereich der erst durch Inkrafttreten des VVG 2008 unwirksam gewordenen Allgemeinen Versicherungsbedingungen durch die Sondervorschrift des Art. 1 Abs. 3 EGVVG verdrängt, die für die unwirksame Sanktionsregelung bei Verletzung vertraglicher Obliegenheiten gerade keine Schließung der Vertragslücke durch Rückgriff auf gesetzliche Regelungen zulässt. Aus dem dargestellten Zweck der Regelung und dem Gang des Gesetzgebungsverfahrens folgt, dass im Anwendungsbereich dieser Vorschrift eine Lückenfüllung bei unterbliebener Bedingungsanpassung ausgeschlossen ist.
45
cc) Eine ergänzende Vertragsauslegung scheidet aus.
46
(1) Grundsätzlich ist sie bei Unwirksamkeit einer Klausel in einem vorformulierten Vertrag möglich, wenn dispositive Gesetzesbestimmungen nicht zur Verfügung stehen, so dass das Regelungsgefüge eine Lücke aufweist (Senatsurteil vom 22. Januar 1992 - IV ZR 59/91, BGHZ 117, 92 unter 5). Voraussetzung hierfür ist, dass die ergänzende Vertragsauslegung nicht zu einer Erweiterung des Vertragsgegenstandes führt, es dem Versicherer gemäß § 306 Abs. 3 BGB ohne ergänzende Vertragsauslegung unzumutbar ist, an dem lückenhaften Vertrag festgehalten zu werden, und der ergänzte Vertrag für den Versicherungsnehmer typischerweise von Interesse ist. Liegen diese Voraussetzungen vor, tritt diejenige Gestaltungsmöglichkeit ein, die die Parteien bei sachgerechter Abwägung der beiderseitigen Interessen nach Treu und Glauben redlicher Weise vereinbart hätten, wenn ihnen die Unwirksamkeit der Klausel bekannt gewesen wäre (Senatsurteil vom 22. Januar 1992 aaO unter 6).
47
(2) Eine planwidrige Vertragslücke ist hier nicht anzunehmen. Die am hypothetischen Parteiwillen orientierte richterliche Vertragsergänzung soll eine Regelung herbeiführen, die die Parteien vereinbart hätten, wenn sie von der Unwirksamkeit der Klausel gewusst hätten. Dies bedeutet im Umkehrschluss, dass für eine richterliche Vertragsergänzung dann kein Raum ist, wenn der Verwender von der Unwirksamkeit der Klausel wusste und eine mögliche Vorsorge hiergegen nicht getroffen hat (vgl. Staudinger/Kassing aaO; Ulmer, NJW 1981, 2025, 2031). Vor diesem Hintergrund hat der Bundesgerichtshof eine ergänzende Vertragsauslegung abgelehnt, wenn der Verwender einer Klausel diese in Kenntnis ihrer Unwirksamkeit weiter verwendet (Urteil vom 4. Juli 2002 - VII ZR 502/99, BGHZ 151, 229 unter B II 2 c). Gleiches muss gelten, wenn der Verwender in Kenntnis der Unwirksamkeit einer Klausel die gesetzlich eingeräumte Möglichkeit zu ihrer einseitigen Ersetzung durch eine gültige Regelung nicht wahrnimmt (insoweit abweichend der Sachverhalt in BGH, Urteil vom 1. Februar 1984 - VIII ZR 54/83, BGHZ 90, 69, 74). Für eine richterliche Vertragsergänzung ist dann kein Raum mehr.
48
Den Versicherern war spätestens mit Verkündung des Gesetzes zur Reform des Versicherungsvertragsrechts im November 2007 (BGBl. I S. 2631) bekannt, dass das neue Versicherungsvertragsgesetz gemäß Art. 1 Abs. 1 EGVVG ab 1. Januar 2009 auf Altverträge anzuwenden sein wird. Damit war klar, dass die an § 6 VVG a.F. orientierten Klauseln über die Rechtsfolgen der Verletzung vertraglicher Obliegenheiten im Hinblick auf §§ 28, 32 VVG, § 307 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 Nr. 2 BGB künftig unwirksam werden. Gleichzeitig bestand Kenntnis von der Möglichkeit, über die Wahrnehmung der Anpassungsoption des Art. 1 Abs. 3 EGVVG selbst Vorsorge durch Anpassung der betroffenen Klauseln zu treffen. Wenn der Verwender eine derartige Möglichkeit zur Schließung einer Vertragslücke nicht ergreift und diese Lücke - etwa wegen der hiermit verbundenen Umstellungskosten - hinnimmt, dann kann von einer planwidrigen Vertragslücke, die durch subsidiäre richterliche Vertragsergänzung geschlossen werden müsste, nicht mehr die Rede sein (vgl. Staudinger /Kassing, aaO).
49
(3) Gesetzesgeschichte und Regelungssystematik des Art. 1 Abs. 3 EGVVG sprechen wie oben unter bb) (1) dargelegt gegen die Möglichkeit einer ergänzenden Vertragsauslegung. Die Situation ist anders als bei den Übergangsvorschriften des Schuldrechtsmodernisierungsgesetzes (zur ergänzenden Vertragsauslegung dort BAG NJW 2005, 1820), da in Art. 229 § 5 EGBGB die in Art. 1 Abs. 3 EGVVG eingeräumte Anpassungsoption für Altverträge gerade nicht vorgesehen wurde (Fahl/Kassing aaO; Maier aaO; Staudinger/Kassing aaO). Die sich im Zuge der Schuldrechtsmodernisierung ergebende Frage, wie mit langfristig angelegten Formularverträgen ohne die Möglichkeit der einseitigen Änderung von Allgemeinen Geschäftsbedingungen umzugehen ist, stellt sich daher hier nicht.
50
(4) Dem Versicherer ist es nicht unzumutbar, an dem lückenhaften Vertrag festgehalten zu werden.
51
Ob eine unzumutbare Härte vorliegt, ist im Wege der Interessenabwägung zu ermitteln; zu berücksichtigen ist nicht nur die nachteilige Veränderung der Austauschbedingungen für den Verwender der Allgemeinen Geschäftsbedingung, sondern auch das berechtigte Interesse des anderen Teils an der Aufrechterhaltung des Vertrags (BGH, Urteil vom 22. Februar 2002 - V ZR 26/01, NJW-RR 2002, 1136 unter II 3). Unzumutbar kann das Festhalten am Vertrag dann sein, wenn infolge der Unwirksamkeit einer Klausel das Vertragsgleichgewicht grundlegend gestört ist. Allerdings genügt nicht schon jeder wirtschaftliche Nachteil des Verwenders, sondern es ist eine einschneidende Störung des Äquivalenzverhältnisses erforderlich, die das Festhalten am Vertrag für ihn unzumutbar macht (BGH, Urteil vom 22. Februar 2002 aaO).
52
Diese Voraussetzungen liegen nicht vor, wenn der Versicherer aus der Verletzung vertraglicher Obliegenheiten keine Sanktionen mehr herleiten kann. Denn das Gesetz bietet dem Versicherer zahlreiche Auffangregelungen , zu denen die Regelungen über die Gefahrerhöhung gemäß §§ 23 ff. VVG, die Bestimmungen über die Herbeiführung des Versicherungsfalles nach § 81 VVG und die Obliegenheiten nach § 82 VVG gehören (vgl. Päffgen, VersR 2011, 837, 838 ff.; Stockmeier, VersR 2011, 312, 315 ff.). Der Senat verkennt nicht, dass diese Regelungen nicht das gesamte Spektrum möglicher vertraglicher Obliegenheiten abbilden , von anderen Tatbestandsvoraussetzungen abhängen und für den Versicherer verglichen mit den vertraglichen Obliegenheiten prozessuale Nachteile wie das Fehlen gesetzlicher Vermutungen zu grober Fahrlässigkeit und Kausalität bei § 81 Abs. 2 VVG mit sich bringen. Insofern verschiebt sich das Vertragsgleichgewicht zu Ungunsten des Versicherers. Die genannten gesetzlichen Auffangregelungen verhindern jedoch, dass das Vertragsgleichgewicht grundlegend gestört ist (vgl. Schimikowski aaO 196). Zudem spricht die bewusst getroffene Entscheidung, die gesetzlich eingeräumte Anpassungsmöglichkeit nicht wahrzunehmen, ebenfalls gegen die Unzumutbarkeit.
53
4. Die Beklagte kann ihre Leistung auch nicht gemäß § 26 Abs. 1 Satz 2 VVG wegen einer Gefahrerhöhung kürzen. Das Berufungsgericht hat zu Recht bemängelt, dass der Sachvortrag der Beklagten zu den Voraussetzungen des §§ 23 ff. VVG keine Ausführungen zur Dauerhaftigkeit der von ihr behaupteten Gefahrerhöhung enthält.
54
5. Die weitere Auffassung des Berufungsgerichts, der Sachvortrag der Beklagten zur grob fahrlässigen Herbeiführung des Versicherungsfalles gemäß § 81 VVG durch den Kläger sei nicht hinreichend substantiiert , hält rechtlicher Überprüfung indes nicht stand.
55
Nach ständiger Rechtsprechung genügt eine Partei ihrer Darlegungslast , wenn sie Tatsachen vorträgt, die in Verbindung mit einem Rechtssatz geeignet sind, das geltend gemachte Recht als in ihrer Person entstanden erscheinen zu lassen. Genügt das Parteivorbringen diesen Anforderungen, kann der Vortrag weiterer Einzelheiten nicht verlangt werden. Es ist vielmehr Sache des Tatrichters, in die Beweisaufnahme einzutreten, um dort eventuell weitere Einzelheiten zu ermitteln (Senatsbeschluss vom 23. September 2009 - IV ZR 152/08, IPRspr. 2009 Nr. 216 unter II 2 m.w.N.). Die Beklagte hat unter Benennung konkreter Außentemperaturen am Ort des Gebäudes und unter Beweisantritt eines Sachverständigengutachtens vorgetragen, dass die zum Schadenhergang notwendige Auskühlung des Gebäudes nur deshalb erreicht werden konnte, weil das Gebäude bereits vor dem vom Kläger behaupteten Heizungsausfall nicht ordnungsgemäß beheizt war. Damit hat sie eine grob fahrlässige Herbeiführung des Leitungswasserschadens seitens des Klägers in ausreichender Weise geltend gemacht. An diesem Sachvortrag war sie nicht dadurch gehindert, dass sie ihre vorgerichtliche Leistungsablehnung noch nicht auf die grob fahrlässige Herbeiführung eines Ver- sicherungsfalles gemäß § 81 VVG gestützt hatte (vgl. Senatsurteil vom 30. November 2005 - IV ZR 154/04, BGHZ 165, 167 unter II 2 b).
56
Das Berufungsgericht wird daher den Sachverhalt weiter aufzuklären haben. Bei den Anforderungen an eine genügend häufige Kontrolle der Beheizung des versicherten Gebäudes in der kalten Jahreszeit wird es dabei zu berücksichtigen haben, dass das jeweils erforderliche Kontrollintervall vom Tatrichter an Hand der Umstände des Einzelfalles zu bestimmen und dabei allein zu Grunde zu legen ist, in welchen Intervallen die jeweils eingesetzte Heizungsanlage nach der Verkehrsanschauung und Lebenserfahrung mit Blick auf ihre Bauart, ihr Alter, ihre Funktionsweise , regelmäßige Wartung, Zuverlässigkeit, Störanfälligkeit und ähnliches kontrolliert werden muss; unerheblich ist dagegen, welcher Zeitablauf nach einem unterstellten Heizungsausfall im ungünstigsten Fall bis zum Schadeneintritt zu erwarten ist (Senatsurteil vom 25. Juni 2008 - IV ZR 233/06, VersR 2008, 1207 Rn. 14 ff.).
Dr. Kessal-Wulf Wendt Felsch
Lehmann Dr. Brockmöller
Vorinstanzen:
LG Köln, Entscheidung vom 21.01.2010- 24 O 458/09 -
OLG Köln, Entscheidung vom 17.08.2010 - 9 U 41/10 -

(1) Der Versicherer ist nicht zur Leistung verpflichtet, wenn der Versicherungsnehmer vorsätzlich den Versicherungsfall herbeiführt.

(2) Führt der Versicherungsnehmer den Versicherungsfall grob fahrlässig herbei, ist der Versicherer berechtigt, seine Leistung in einem der Schwere des Verschuldens des Versicherungsnehmers entsprechenden Verhältnis zu kürzen.

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
VI ZR 46/10 Verkündet am:
11. Oktober 2011
Böhringer-Mangold,
Justizamtsinspektorin
als Urkundsbeamtin
der Geschäftsstelle
in dem Rechtsstreit
Nachschlagewerk: ja
BGHZ: ja
BGHR: ja

a) Ist in einem gewerblichen KFZ-Mietvertrag eine Haftungsbefreiung oder eine
Haftungsreduzierung nach Art der Vollkaskoversicherung vereinbart, ist ein in
den Allgemeinen Vermietungsbedingungen vorgesehener undifferenzierter
Haftungsvorbehalt für den Fall grober Fahrlässigkeit nach § 307 BGB unwirksam.

b) An die Stelle der unwirksamen Klausel über den Haftungsvorbehalt tritt der
Grundgedanke der gesetzlichen Regelung des § 81 Abs. 2 VVG.

c) Dies gilt hinsichtlich der Haftung des grob fahrlässig handelnden berechtigten
Fahrers, der nicht Mieter ist, gleichermaßen jedenfalls dann, wenn dessen
Haftungsfreistellung in den Allgemeinen Vermietungsbedingungen ausdrücklich
vorgesehen ist.
BGH, Urteil vom 11. Oktober 2011 - VI ZR 46/10 - OLG Köln
LG Köln
Der VI. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat auf die mündliche Verhandlung
vom 11. Oktober 2011 durch den Vorsitzenden Richter Galke, den Richter Zoll,
die Richterin Diederichsen, den Richter Pauge und die Richterin von Pentz

für Recht erkannt:
Auf die Revision der Klägerin wird das Urteil des 11. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Köln vom 13. Januar 2010 aufgehoben. Die Sache wird zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Revision, an das Berufungsgericht zurückverwiesen. Von Rechts wegen

Tatbestand:

1
Die Klägerin, eine gewerbliche Kraftfahrzeugvermieterin, nimmt den Beklagten auf Ersatz des Schadens in Anspruch, den er als Fahrer eines von seiner Arbeitgeberin angemieteten Kraftfahrzeugs verursacht hat.
2
Am 2. Juni 2008 vermietete die Klägerin einen Pkw an die Arbeitgeberin des Beklagten. Sie vereinbarten eine Haftungsfreistellung für selbstverschuldete Unfälle mit einer Selbstbeteiligung von 770 € pro Schadensfall. Dem Vertrag lagen die Allgemeinen Vermietbedingungen der Klägerin zugrunde, die unter anderem folgende Regelung enthielten: "2. Dem Mieter steht es frei, die Haftung aus Unfällen für Schäden der Vermieterin durch Zahlung eines besonderen Entgelts auszuschließen = vertragliche Haftungsfreistellung. In diesem Fall haftet er für Schäden, abgesehen von der vereinbarten Selbstbeteiligung nur dann, wenn - … - er oder seine Erfüllungsgehilfen den Schaden durch Vorsatz oder grobe Fahrlässigkeit herbeigeführt haben. … 7. Diese Regelungen gelten neben dem Mieter auch für den berechtigten Fahrer, wobei die vertragliche Haftungsfreistellung nicht zugunsten unberechtigter Nutzer der Mietwagen gilt."
3
Am 4. Juni 2008 fuhr der Beklagte um 0.59 Uhr nach einem Streit mit seiner Ehefrau und einem Kneipenbesuch mit dem angemieteten Pkw mit überhöhter Geschwindigkeit, kam von der Fahrbahn ab und kollidierte mit einem Baum. Der Beklagte war erheblich alkoholisiert, eine bei ihm um 2.54 Uhr entnommene Blutprobe wies eine Blutalkoholkonzentration von 2,96 Promille auf. Der Beklagte wurde rechtskräftig wegen fahrlässigen Vollrausches zu einer Geldstrafe verurteilt. Am Fahrzeug der Klägerin entstand infolge des Unfalls ein wirtschaftlicher Totalschaden in Höhe von 16.386,55 €.
4
Mit ihrer Klage hat die Klägerin den Fahrzeugschaden, Ersatz von Sachverständigenkosten , Wiederbeschaffungskosten und eine Kostenpauschale sowie Freistellung von den vorgerichtlichen Anwaltskosten geltend gemacht. Das Landgericht hat den Beklagten unter Klageabweisung im Übrigen zur Zahlung von 16.533,45 € zuzüglich Zinsen und zur Freistellung von vorgerichtlichen Rechtsanwaltskosten von 807,80 € verurteilt. Auf die Berufung des Beklagten hat das Oberlandesgericht der Klage lediglich in Höhe der vereinbarten Selbstbeteiligung von 770 € zuzüglich anteiliger vorgerichtlicher Rechtsanwaltskosten stattgegeben und die Klage im Übrigen abgewiesen. Mit der vom Berufungsgericht zugelassenen Revision erstrebt die Klägerin die Wiederherstellung des landgerichtlichen Urteils.

Entscheidungsgründe:

I.

5
Das Berufungsgericht, dessen Entscheidung in VersR 2010, 1193 veröffentlicht ist, hat ausgeführt: Der Beklagte hafte zwar dem Grunde nach gemäß § 823 Abs. 1 BGB. Die Voraussetzungen für die Unzurechnungsfähigkeit des Beklagten gemäß § 827 Satz 1 BGB könnten nicht festgestellt werden. Die Blutalkoholkonzentration von über 3 Promille reiche hierfür allein nicht aus. Weitere Indizien könnten nicht festgestellt werden. Die Haftung des Beklagten sei jedoch zu seinen Gunsten als berechtigtem Fahrer auf die vereinbarte Selbstbeteiligung von 770 € beschränkt. Die Vertragsbestimmung in den Allgemeinen Geschäftsbedingungen der Klägerin, die einen pauschalen und generellen Haftungsvorbehalt für den Fall der groben Fahrlässigkeit vorsieht, verstoße gegen § 307 BGB und sei deshalb unwirksam. Weil die Parteien des Mietvertrags eine Haftungsreduzierung für den Mieter nach Art der Vollkaskoversicherung mit Selbstbeteiligung vereinbart hätten, dürfe der Mieter darauf vertrauen, dass die Reichweite des mietvertraglich vereinbarten Schutzes im Wesentlichen dem Schutz entspreche, den er als Eigentümer des Kraftfahrzeugs und als Versicherungsnehmer in der Fahrzeugvollversicherung genießen würde. Dort wäre der pauschale Haftungsvorbehalt für grobe Fahrlässigkeit nach § 307 Abs. 1, Abs. 2 Nr. 1 BGB unwirksam, weil er mit wesentlichen Grundgedanken des seit 1. Januar 2008 geltenden § 81 Abs. 2 VVG nicht zu vereinbaren sei. Um eine unzulässige geltungserhaltende Reduktion zu vermeiden, müsse der Vorbehalt der Haftung für grobe Fahrlässigkeit insgesamt entfallen.

II.

6
Die Beurteilung des Berufungsgerichts hält revisionsrechtlicher Überprüfung nicht stand.
7
1. Zutreffend und von der Revision nicht angegriffen hat das Berufungsgericht angenommen, dass der Beklagte dem Grunde nach gemäß § 823 Abs. 1 BGB zum Schadensersatz verpflichtet ist und die Voraussetzungen für die Unzurechnungsfähigkeit gemäß § 827 Satz 1 BGB, die zur Beweislast des Schädigers stehen (vgl. Senatsurteile vom 12. Februar 1963 - VI ZR 70/62, BGHZ 39, 103, 108; vom 1. Juli 1986 - VI ZR 294/85, BGHZ 98, 135, 136 ff.), nicht vorliegen.
8
2. Entgegen der Annahme des Berufungsgerichts scheitert die Haftung des Beklagten aber nicht ohne weiteres an der zwischen der Klägerin und der Arbeitgeberin des Beklagten vereinbarten vertraglichen Haftungsfreistellung.
9
a) Mit Recht hat das Berufungsgericht allerdings angenommen, dass bei einem gewerblichen Kraftfahrzeugmietvertrag mit Haftungsfreistellung nach Art der Fahrzeugvollversicherung die Vertragsbestimmung, die die volle Haftung des Mieters oder seines berechtigten Fahrers bei grober Fahrlässigkeit vorsieht, gemäß § 307 BGB unwirksam ist. Denn eine solche Klausel weicht von wesentlichen Grundgedanken der hier maßgeblichen gesetzlichen Regelung über die Fahrzeugvollversicherung ab und ist mit dieser nicht zu vereinbaren.
10
aa) Gemäß § 307 Abs. 2 Nr. 1 BGB ist der Vertragspartner im Zweifel nach § 307 Abs. 1 Satz 1 BGB unangemessen benachteiligt, wenn eine Vertragsbestimmung mit wesentlichen Grundgedanken der gesetzlichen Regelung, von der abgewichen wird, nicht zu vereinbaren ist. Von maßgeblicher Bedeutung ist insoweit, ob die dispositive gesetzliche Regelung nicht nur auf Zweckmäßigkeitserwägungen beruht, sondern eine Ausprägung des Gerechtigkeitsgebots darstellt. Dabei brauchen Grundgedanken eines Rechtsbereichs nicht in Einzelbestimmungen formuliert zu sein. Es reicht aus, dass sie in allgemeinen, am Gerechtigkeitsgedanken ausgerichteten und auf das betreffende Rechtsgebiet anwendbaren Grundsätzen ihren Niederschlag gefunden haben (vgl. BGH, Urteile vom 9. Oktober 1985 - VIII ZR 217/84, BGHZ 96, 103, 109; vom 25. Juni 1991 - XI ZR 257/90, BGHZ 115, 38, 42; vom 30. Mai 2001 - XII ZR 273/98, NJW 2001, 3480, 3482).
11
Dementsprechend wird, wovon das Berufungsgericht zutreffend ausgeht, der Umfang einer entgeltlichen Haftungsfreistellung in einem gewerblichen Kraftfahrzeugmietvertrag am Leitbild der Kraftfahrzeugvollversicherung beurteilt. Vereinbaren die Parteien eines Kraftfahrzeugmietvertrags eine entgeltliche Haftungsreduzierung für den Mieter nach Art einer Vollkaskoversicherung, so darf dieser - wie der Versicherungsnehmer - darauf vertrauen, dass die Reichweite des mietvertraglich vereinbarten Schutzes im Wesentlichen dem Schutz entspricht, den er als Eigentümer des Kraftfahrzeugs und als Versicherungsnehmer in der Fahrzeugvollversicherung genießen würde. Nur bei Einräumung dieses Schutzes genügt der gewerbliche Vermieter von Kraftfahrzeugen seiner aus dem Grundsatz von Treu und Glauben erwachsenen Verpflichtung, schon bei der Festlegung seiner Allgemeinen Geschäftsbedingungen die Interessen künftiger Vertragspartner angemessen zu berücksichtigen (vgl. BGH, Urteile vom 29. Oktober 1959 - II ZR 64/56, BGHZ 22, 109, 113 ff.; vom 20. Mai 2009 - XII ZR 94/07, BGHZ 181, 179 Rn. 13; vom 17. Dezember 1980 - VIII ZR 316/79, VersR 1981, 349, 350; vom 16. Dezember 1981 - VIII ZR 1/81, VersR 1982, 359, 360; vom 19. Juni 1985 - VIII ZR 250/84, VersR 1985, 1066, 1067; Christensen in Ulmer/Brandner/Hensen, AGB-Recht, 11. Aufl., Bes. Vertragstypen , (22) Mietverträge Rn. 51; Rogler, r+s 2010, 1, 4).
12
bb) In der Fahrzeugvollversicherung ist - wie auch sonst im Versicherungsvertragsrecht - eine Vertragsbestimmung in Allgemeinen Geschäftsbedingungen , wonach der Versicherungsnehmer voll haftet, wenn er den Versicherungsfall grob fahrlässig herbeiführt, regelmäßig gemäß § 307 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 Nr. 1 BGB unwirksam (vgl. Baumann in Bruck/Möller, VVG, 9. Aufl. § 81 Rn. 189, 191; Burmann/Heß/Stahl, Versicherungsrecht im Straßenverkehr, 2. Aufl., Rn. 602; Halbach in Stiefel/Maier, Kraftfahrtversicherung, 18. Aufl., § 81 VVG Rn. 26; Karczewski in Rüffer/Halbach/Schimikowski, VVG, § 81 Rn. 114; MünchKommVVG/Looschelders, § 81 Rn. 140; Lorenz in Festschrift Deutsch, 2009, S. 355, 366 f.; Prölss in Prölss/Martin, VVG, 28. Aufl., § 81 Rn. 38; Rixecker, zfs 2007, 15, 16; Schmidt-Kessel in Looschelders/Pohlmann, VVG, 2010, § 81 Rn. 74; Spuhl in Marlow/Spuhl, Das neue VVG, 4. Aufl., Rn. 561).
13
Eine Mindermeinung hält einen solchen Leistungsausschluss zwar für zulässig (Günther/Spielmann, r+s 2008, 133, 143). Dieser Ansicht ist aber nicht zu folgen. Die Abschaffung des Alles-oder-nichts-Prinzips durch § 81 Abs. 2 VVG in der seit 1. Januar 2008 geltenden Fassung war ein "zentraler Punkt" der Gesetzesreform (vgl. BT-Drucks. 16/3945, S. 49). Die formularmäßige Rückkehr zu § 61 VVG a.F. wird daher in der Regel als unzulässig, weil einem wesentlichen Grundgedanken (§ 307 Abs. 2 Nr. 1 BGB) des Versicherungsvertragsrechts widersprechend, beurteilt (vgl. LG Göttingen, Urteil vom 18. November 2009 - 5 O 118/09, VersR 2010, 1490, 1491; LG Konstanz, Urteil vom 26. November 2009 - 3 O 119/09, zfs 2010, 214, 215 mit insoweit zustimmender Anmerkung Rixecker; LG Nürnberg-Fürth, Urteil vom 27. Januar 2010 - 8 O 10700/08, r+s 2010, 145, 148; LG Berlin, Urteil vom 26. Januar 2011 - 4 O 184/10, juris Rn. 29 ff.; Karczewski in Rüffer/Halbach/ Schimikowski, VVG, 2009, § 81 Rn. 114; Rogler, r+s 2010, 1, 5).
14
cc) Nach Ziff. 7 der Allgemeinen Vermietbedingungen wird dem berechtigten Fahrer der gleiche Umfang der Haftungsfreistellung gewährt wie dem Mieter, weshalb für die Beurteilung der Wirksamkeit der Klausel hier auch das Verhältnis des Vermieters zum Mieter maßgeblich ist. Die Erwartung einer der Fahrzeugvollversicherung entsprechenden Vertragsgestaltung besteht bei Kraftfahrzeugmietverträgen mit entgeltlicher Haftungsreduzierung auch hinsichtlich des Verhaltens eines Fahrers, dem der Mieter berechtigterweise das Mietfahrzeug überlässt, so dass entgegenstehende Geschäftsbedingungen gemäß § 307 BGB unwirksam sind (vgl. BGH, Urteile vom 16. Dezember 1981 - VIII ZR 1/81, VersR 1982, 359, 360; vom 20. Mai 2009 - XII ZR 94/07, BGHZ 181, 179 Rn. 16, 21 ff.). Das gilt auch für nach dem 1. Januar 2008 geschlossene Kraftfahrzeugmietverträge , bei denen die Allgemeinen Geschäftsbedingungen abweichend von § 81 Abs. 2 VVG die volle Haftung des Mieters für vom berechtigten Fahrer grob fahrlässig herbeigeführte Schäden vorsehen (vgl. Looschelders /Paffenholz, JR 2010, 290, 293).
15
b) Mit Erfolg rügt die Revision aber die Auffassung des Berufungsgerichts , der Vorbehalt der Haftung für grobe Fahrlässigkeit entfalle insgesamt, so dass der Beklagte im Fall grober Fahrlässigkeit nicht einmal anteilig hafte.
16
Welche Rechtsfolgen die Unwirksamkeit der Klausel, die in einem gewerblichen Kraftfahrzeugmietvertrag mit entgeltlicher Haftungsreduzierung die volle Haftung für grob fahrlässig herbeigeführte Schäden vorsieht, nach sich zieht, ist in Rechtsprechung und Literatur umstritten. Teilweise wird, was das Berufungsgericht annimmt, ein ersatzloses Entfallen des Haftungsvorbehalts für grobe Fahrlässigkeit befürwortet mit der Folge, dass der Vermieter bei grob fahrlässiger Schadensverursachung keinen Schadensersatz verlangen kann (LG Berlin, Urteil vom 26. Januar 2011 - 4 O 184/10, DAR 2011, 264, 265; vgl. Rogler, r+s 2010, 1, 4 f. hinsichtlich eines Rückgriffs auf § 28 VVG für unwirksame Klauseln über Obliegenheitsverletzungen). Eine andere Auffassung will im Wege der ergänzenden Vertragsauslegung - ggf. unter Inkaufnahme einer geltungserhaltenden Reduktion - § 81 Abs. 2 VVG entsprechend anwenden (LG Göttingen, Urteil vom 18. November 2009 - 5 O 118/09, VersR 2010, 1490, 1491; so wohl auch LG Konstanz, Urteil vom 26. November 2009 - 3 O 119/09, juris Rn. 44). Nach zutreffender Ansicht tritt an die Stelle der unwirksamen Klausel über den Haftungsvorbehalt bei grober Fahrlässigkeit gemäß § 306 Abs. 2 BGB der Grundgedanke der gesetzlichen Regelung des § 81 Abs. 2 VVG (vgl. Rogler, jurisPR-VersR 3/2010 Anm. 2; vgl. ferner Nugel, jurisPRVerkR 15/2010 Anm. 4).
17
aa) Ist eine Klausel in Allgemeinen Geschäftsbedingungen nicht Vertragsbestandteil geworden oder unwirksam, sind vorrangig die gesetzlichen Vorschriften als eine konkrete Ersatzregelung in Betracht zu ziehen (vgl. § 306 Abs. 2 BGB). Nur wenn solche nicht zur Verfügung stehen, stellt sich die Frage, ob ein ersatzloser Wegfall der unwirksamen Klausel eine sachgerechte Lösung darstellt. Scheiden beide Möglichkeiten aus, ist zu prüfen, ob durch eine ergänzende Vertragsauslegung eine interessengerechte Lösung gefunden werden kann (vgl. BGH, Urteil vom 12. Oktober 2005 - IV ZR 162/03, VersR 2005, 1565 Rn. 37).
18
Ist eine Allgemeine Versicherungsbedingung nicht Vertragsbestandteil geworden, so treten an ihre Stelle die Regelungen des Versicherungsvertragsgesetzes (MünchKommBGB/Basedow, 5. Aufl., § 306 Rn. 21; vgl. BGH, Urteil vom 21. Dezember 1981 - II ZR 76/81, NJW 1982, 824, 825). Das gilt entspre- chend für die Haftungsfreistellung bei der gewerblichen Kraftfahrzeugvermietung , die sich am Leitbild der Fahrzeugversicherung zu orientieren hat (vgl. BGH, Urteile vom 10. Juni 2009 - XII ZR 19/08, VersR 2010, 260 Rn. 18 f.; vom 2. Dezember 2009 - XII ZR 117/08, NJW-RR 2010, 480 Rn. 14).
19
bb) Weil sich der Umfang der vertraglichen Haftungsfreistellung am Leitbild der Kaskoversicherung orientiert, steht mit § 81 VVG für die Frage des Maßes der Haftung eine Vorschrift des dispositiven Rechts zur Verfügung, die geeignet ist, die infolge der Unwirksamkeit der Klausel entstehende Lücke zu schließen. Im Fall einer ungültigen Allgemeinen Versicherungsbedingung über die grob fahrlässige Herbeiführung des Versicherungsfalls käme nach § 306 Abs. 2 BGB die Regelung des § 81 Abs. 2 VVG zur Anwendung (vgl. Rogler, jurisPR-VersR 3/2010 Anm. 2; a.A. LG Berlin, Urteil vom 26. Januar 2011 - 4 O 184/10, DAR 2011, 264, 265). Da der Umfang der mietvertraglichen Haftungsfreistellung am Leitbild der Kaskoversicherung auszurichten ist, findet auch die Regelung des § 81 Abs. 2 VVG entsprechende Anwendung. Im Fall einer mietvertraglichen Haftungsfreistellung ist der Vermieter, der eine unwirksame Klausel verwendet, dem Versicherer gleichzustellen. Die Regelung des § 81 Abs. 2 VVG stellt auch für die mietvertragliche Haftungsfreistellung den vom Gesetzgeber bezweckten angemessenen Interessenausgleich zwischen den Parteien her.
20
cc) Die entsprechende Anwendung von § 81 Abs. 2 VVG läuft entgegen der Ansicht des Berufungsgerichts und anderer Instanzgerichte (LG Berlin, Urteil vom 26. Januar 2011 - 4 O 184/10, DAR 2011, 264, 265 f.; vgl. Rogler, r+s 2010, 1, 4 f. hinsichtlich eines Rückgriffs auf § 28 VVG für unwirksame Klauseln über Obliegenheitsverletzungen) nicht auf eine unzulässige geltungserhaltende Reduktion hinaus. Das Verbot der geltungserhaltenden Reduktion verlangt, dass eine gegen §§ 307 ff. BGB verstoßende Vertragsbestimmung nicht durch andere im Wege der ergänzenden Vertragsauslegung ermittelte Regelungen ersetzt wird, sondern insgesamt entfällt. Eine ergänzende Vertragsauslegung, die eine unwirksame Vertragsbestimmung auf den gerade noch zulässigen Inhalt reduziert, liefe dem Zweck der Regelungen über die Allgemeinen Geschäftsbedingungen zuwider. Sie würde es dem Verwender ermöglichen, risikolos die Allgemeinen Geschäftsbedingungen einseitig in seinem Interesse auszugestalten. Der Zweck des Rechts der Allgemeinen Geschäftsbedingungen, den Vertragspartner des Verwenders vor ungültigen Klauseln zu schützen, den Rechtsverkehr von unwirksamen Allgemeinen Geschäftsbedingungen freizuhalten und auf einen den Interessen beider Seiten gerecht werdenden Inhalt Allgemeiner Geschäftsbedingungen hinzuwirken, würde unterlaufen (Senatsurteil vom 24. September 1985 - VI ZR 4/84, BGHZ 96, 18, 25 f.; BGH, Urteil vom 17. Mai 1982 - VII ZR 316/81, BGHZ 84, 109, 114 ff.). Die Geltung des - hier entsprechend anzuwendenden - dispositiven Gesetzesrechts anstelle einer unwirksamen Klausel verstößt nicht gegen das Verbot der geltungserhaltenden Reduktion, sondern entspricht vielmehr seiner Intention (vgl. Senatsurteil vom 24. September 1985 - VI ZR 4/84, BGHZ 96, 18, 26).

III.

21
Der Senat kann nicht gemäß § 563 Abs. 3 ZPO in der Sache selbst entscheiden. Die Entscheidung über den Umfang der Anspruchskürzung entsprechend § 81 Abs. 2 VVG bedarf einer umfassenden Abwägung der Umstände des Einzelfalls (vgl. BGH, Urteil vom 22. Juni 2011 - IV ZR 255/10, VersR 2011, 1037, Rn. 33). Da das Landgericht die streitgegenständliche Klausel als wirksam angesehen und das Berufungsgericht den Standpunkt vertreten hat, die streitgegenständliche Klausel sei unwirksam und werde nicht durch eine ent- sprechende Anwendung des § 81 Abs. 2 VVG ersetzt, bestand für die Parteien bislang kein Anlass, zu den für die Abwägung relevanten Umständen näher vorzutragen. Galke Zoll Diederichsen Pauge von Pentz
Vorinstanzen:
LG Köln, Entscheidung vom 13.08.2009 - 37 O 143/09 -
OLG Köln, Entscheidung vom 13.01.2010 - 11 U 159/09 -

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
I ZR 166/04 Verkündet am:
21. März 2007
Führinger
Justizangestellte
als Urkundsbeamtin
der Geschäftsstelle
in dem Rechtsstreit
Nachschlagewerk: ja
BGHZ : nein
BGHR : ja
CMR Art. 29; HGB § 435
Das Herbeiführen eines Verkehrsunfalls durch ein "Einnicken" des Fahrers am Steuer
begründet nur dann den Vorwurf eines leichtfertigen und in dem Bewusstsein erfolgten
Handelns, dass ein Schaden mit Wahrscheinlichkeit eintreten werde, wenn sich der
Fahrer bewusst über von ihm erkannte deutliche Anzeichen einer Übermüdung hinweggesetzt
hat. Für den dem Anspruchsteller dafür obliegenden Nachweis sind die
Regeln des Anscheinsbeweises jedenfalls insoweit nicht anwendbar, als es sich bei
dem Geschehen um einen individuellen Vorgang handelt (im Anschluss an BGH VersR
1974, 593, 594, VersR 1977, 619, 620 und VersR 2003, 364, 365).
EWG-VO 3820/85 Art. 5 Abs. 1
Der Umstand, dass ein im Güterverkehr eingesetzter noch nicht 21 Jahre alter Fahrer,
der einen Unfall verursacht hat, nicht Inhaber eines Befähigungsnachweises über den
erfolgreichen Abschluss einer von einem der Mitgliedstaaten anerkannten Ausbildung
für Fahrer im Güterkraftverkehr gemäß den gemeinschaftlichen Rechtsvorschriften
über das Mindestniveau der Ausbildung als Fahrer von Transportfahrzeugen im Straßenverkehr
gewesen ist, hat für die Frage der Haftung nur dann Bedeutung, wenn sich
das Fehlen der bei einer entsprechenden Ausbildung vermittelten Kenntnisse im zur
Beurteilung stehenden Unfallgeschehen zumindest als Gefahrenmoment niedergeschlagen
hat (im Anschluss an BGH NJW 2007, 506 Tz 15 ff., 17 f.).
BGH, Urt. v. 21. März 2007 - I ZR 166/04 - OLG Karlsruhe
LG Mannheim
Der I. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat auf die mündliche Verhandlung
vom 21. März 2007 durch den Vorsitzenden Richter Prof. Dr. Bornkamm
und die Richter Dr. v. Ungern-Sternberg, Prof. Dr. Büscher, Dr. Schaffert und
Dr. Bergmann

für Recht erkannt:
Die Revision gegen das Urteil des 15. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Karlsruhe vom 1. Oktober 2004 wird auf Kosten der Klägerin zurückgewiesen.
Von Rechts wegen

Tatbestand:


1
Die H. Druckmaschinen AG beauftragte die Beklagte mit der Beförderung einer Druckmaschine von Wiesloch nach Amsterdam, wobei der Transport bis zur niederländischen Grenze zu festen Kosten erfolgen sollte. Die Beklagte beauftragte ihrerseits die dem Rechtsstreit in erster Instanz auf Seiten der Beklagten beigetretene niederländische D. Transport B.V. (im Weiteren : Streithelferin) mit dem Transport. Deren Fahrer Marc T. (im Weiteren: Fahrer ) übernahm die Druckmaschine am 7. Dezember 2000 in Wiesloch. Gegen 16.50 Uhr fuhr er mit dem von ihm geführten Lkw auf der Bundesautobahn 61 bei Eppelsheim (Kreis Alzey/Worms) mit ca. 50 km/h ungebremst auf einen anderen Lkw auf, der mit eingeschalteten Warnblinkleuchten das Ende eines Staus bildete.
2
Die Klägerin hat mit dem Vortrag, sie sei führender Transportversicherer der H. Druckmaschinen AG und habe den Schaden reguliert, die Beklagte aus übergegangenem und abgetretenem Recht auf Zahlung von 288.809,70 € nebst Zinsen in Anspruch genommen. Sie hat hierzu geltend gemacht , der Unfallhergang zwinge zu dem Schluss, dass sich der Fahrer leichtfertig über seine Sorgfaltspflichten als Kraftfahrer hinweggesetzt habe, da er trotz Übermüdung keine Ruhepause eingelegt habe und deshalb zum Zeitpunkt des Unfalls in einen Kurzschlaf gefallen sei. Die Streithelferin habe den Fahrer bezüglich der Einhaltung der Lenkzeitvorschriften nicht überwacht und Überschreitungen geduldet.
3
Die Beklagte ist der Klage entgegengetreten. Sie hat behauptet, der Fahrer habe die Lenkzeiten an den Vortagen nicht überschritten. Der Unfall habe darauf beruht, dass der Fahrer einen "Blackout" gehabt habe.
4
Das Landgericht hat der Klage in vollem Umfang stattgegeben.
5
Das Berufungsgericht hat die Voraussetzungen für eine summenmäßig unbeschränkte Haftung der Beklagten als nicht gegeben angesehen und die Klage daher nur in Höhe von 100.414,81 € (= Gegenwert von 83.300 Sonderziehungsrechten des Internationalen Währungsfonds im Zeitpunkt des Erlasses des Berufungsurteils) für begründet erachtet.
6
Mit ihrer vom Berufungsgericht zugelassenen Revision verfolgt die Klägerin ihr Zahlungsbegehren weiter, soweit es im zweiten Rechtszug ohne Erfolg geblieben ist. Die Beklagte beantragt, das Rechtsmittel zurückzuweisen.

Entscheidungsgründe:


7
I. Das Berufungsgericht hat angenommen, die Haftung der Beklagten sei gemäß Art. 23 Abs. 3 CMR begrenzt, da die Voraussetzungen einer qualifizierten Haftung gemäß Art. 29 Abs. 1 CMR nicht vorlägen. Hierzu hat es ausgeführt :
8
Eine unbeschränkte Haftung der Beklagten setzte nach dem aufgrund der Verweisung in Art. 29 Abs. 1 CMR anzuwendenden Maßstab des § 435 HGB voraus, dass der Schaden leichtfertig und in dem Bewusstsein verursacht worden wäre, dass ein Schaden mit Wahrscheinlichkeit eintreten werde. Die Klägerin habe nicht den ihr obliegenden Nachweis geführt, dass der Fahrer in diesem Bewusstsein gehandelt habe.
9
Entgegen der Auffassung des Landgerichts stehe nicht fest, dass der Fahrer vor dem Unfall eingeschlafen sei. Zwar fehle eine Erklärung dafür, dass der Fahrer auf das Ende des Staus vor ihm ungebremst aufgefahren sei. Ein Einschlafen (Sekundenschlaf) am Steuer sei aber nur eine von mehreren denkbaren Erklärungen für die fehlende Reaktion. Der Unfall könne ebenso auf mangelnder Konzentration, auf einem Geschehen, das den Fahrer vom Straßenverkehr abgelenkt habe, sowie grundsätzlich auch auf anderen plötzlichen Bewusstseinsstörungen (Ohnmacht) beruhen.
10
Auch wenn man zugunsten der Klägerin unterstelle, dass der Fahrer in den Tagen vor dem Unfall Lenk- und Ruhezeiten in erheblichem Umfang nicht eingehalten habe, lasse sich daraus nicht schließen, dass der Fahrer eingeschlafen sei. Es gebe keinen Erfahrungssatz, wonach eine mangelhafte Reaktion wie im vorliegenden Fall nur auf ein kurzzeitiges Einschlafen des Fahrers zurückgeführt werden könne. Ein auf die Missachtung von Lenk- und Ruhezeiten gestützter Anscheinsbeweis scheitere vor allem daran, dass das Überschreiten der zulässigen Lenkzeiten keinen eindeutigen Schluss auf den Grad der Fahrtüchtigkeit des Fahrers im Einzelfall zulasse. Eine Schlussfolgerung auf ein unfallursächliches kurzzeitiges Einschlafen komme auch bei einem deutlichen Überschreiten der vorgeschriebenen Lenkzeiten nur dann in Betracht, wenn eine müdigkeitsbedingte Fahruntauglichkeit vor dem Unfall auf andere Weise festgestellt worden wäre. Hierfür lägen im Streitfall aber keine Anhaltspunkte vor.
11
Da ein Einschlafen des Fahrers als Unfallursache mithin nicht feststehe, könne dahinstehen, ob ein solches Einschlafen ein qualifiziertes Verschulden i.S. von § 435 HGB darstellte und mit welchem Verschuldensgrad die Nichteinhaltung der vorgeschriebenen Lenk- und Ruhezeiten durch den Fahrer gegebenenfalls zu bewerten wäre. Es sei nicht ersichtlich, dass eine Nichteinhaltung der Lenkzeiten auch ohne ein Einschlafen des Fahrers für den Unfall ursächlich gewesen sei. Ein Nachweis, dass andere unmittelbare Unfallursachen wie fehlende Konzentration des Fahrers oder Ablenkung mit einem gegebenenfalls festgestellten Lenkzeitverstoß zusammenhängen müssten, sei nicht möglich.
12
Zwar könnten die möglichen anderen Ursachen für die fehlende Reaktion auf ein objektiv leichtfertiges Verhalten hindeuten. Es fehlte aber an dem auch erforderlichen Bewusstsein des Schadenseintritts, wenn sich der Fahrer vor dem Unfall im Zustand mangelhafter Konzentration über die Möglichkeit eines Schadens keine Gedanken gemacht hätte. Davon wäre beispielsweise dann auszugehen, wenn er sich durch ein während der Fahrt geführtes Telefongespräch hätte ablenken lassen.
13
Da es im Streitfall auf die Frage der Lenk- und Ruhezeiten nicht ankomme , sei es auch unerheblich, ob die Streithelferin deren Einhaltung durch den Fahrer genügend überwacht habe und in welchem Umfang die Beklagte gegebenenfalls im Rahmen der sogenannten sekundären Darlegungslast zur Aufklärung der Fahrzeiten des Fahrers in den Tagen vor dem Unfall im Hinblick auf Lenk- und Ruhezeiten beitragen müsste und für die von ihr aufzuklärenden Umstände beweispflichtig wäre. Nicht ersichtlich sei schließlich, dass der dem Fahrer möglicherweise fehlende Befähigungsnachweis für eine Tätigkeit im Güterkraftverkehr für den möglicherweise auf einem Konzentrationsmangel beruhenden Unfall ursächlich gewesen sei.
14
II. Die Revision ist nicht begründet. Die Ausführungen, mit denen das Berufungsgericht im Streitfall das Vorliegen eines qualifizierten Verschuldens i.S. von Art. 29 Abs. 1 CMR verneint hat, halten der revisionsrechtlichen Nachprüfung stand.
15
1. Das Berufungsgericht ist zutreffend und von der Revision auch unbeanstandet davon ausgegangen, dass im Anwendungsbereich der CMR - der Transport fand im grenzüberschreitenden Verkehr statt - bei Transportschäden als Verschulden, das nach Art. 29 CMR zur Durchbrechung der Haftungsbegrenzungen gemäß Art. 13 bis 28 CMR führt, entsprechend der Regelung in § 435 HGB neben dem Vorsatz die Leichtfertigkeit anzusehen ist, zu der das Bewusstsein hinzukommen muss, dass ein Schaden mit Wahrscheinlichkeit eintreten werde (vgl. BGH, Urt. v. 16.7.1998 - I ZR 44/96, TranspR 1999, 19, 21 = VersR 1999, 254; Urt. v. 20.1.2005 - I ZR 95/01, TranspR 2005, 311, 313 m.w.N.).
16
2. Die danach für den Wegfall der Haftungsbegrenzungen bei nicht vorsätzlichem Verhalten erforderliche Leichtfertigkeit setzt einen besonders schweren Pflichtenverstoß voraus, bei dem sich der Frachtführer oder die Personen, deren er sich bei der Ausführung der Beförderung bedient, in krasser Weise über die Sicherheitsinteressen des Vertragspartners hinwegsetzen. Das subjektive Erfordernis des Bewusstseins der Wahrscheinlichkeit des Schadenseintritts ist eine sich dem Handelnden aus seinem leichtfertigen Verhalten aufdrängende Erkenntnis, es werde wahrscheinlich ein Schaden entstehen. Dabei reicht die Erfüllung des Tatbestandsmerkmals der Leichtfertigkeit für sich allein nicht aus, um auf das Bewusstsein der Wahrscheinlichkeit des Schadenseintritts schließen zu können. Eine solche Erkenntnis als innere Tatsache ist vielmehr erst dann anzunehmen, wenn das leichtfertige Verhalten nach seinem Inhalt und nach den Umständen, unter denen es aufgetreten ist, diese Folgerung rechtfertigt (BGHZ 158, 322, 328 f.; BGH, Urt. v. 17.6.2004 - I ZR 263/01, TranspR 2004, 399, 401 = VersR 2006, 570; Urt. v. 11.11.2004 - I ZR 120/02, TranspR 2006, 161, 164). Es bleibt dabei der tatrichterlichen Würdigung vorbehalten , ob das Handeln nach dem äußeren Ablauf des zu beurteilenden Geschehens vom Bewusstsein getragen wurde, dass der Eintritt eines Schadens mit Wahrscheinlichkeit drohe. In dieser Hinsicht sind in erster Linie Erfahrungssätze heranzuziehen. Der Schluss auf das Bewusstsein der Wahrscheinlichkeit des Schadenseintritts kann ferner auch im Rahmen typischer Geschehensabläufe naheliegen (BGHZ 158, 322, 329 m.w.N.). Die vom Tatrichter vorgenommene Beurteilung der Frage, ob danach ein qualifiziertes Verschulden vorliegt, wird vom Revisionsgericht nur darauf überprüft, ob dabei der Rechtsbegriff des qualifizierten Verschuldens verkannt worden ist und ob Verstöße gegen § 286 ZPO oder gegen die Denkgesetze oder gegen Erfahrungssätze vorliegen (vgl. BGH TranspR 2005, 311, 313 m.w.N.).
17
3. Nach der Rechtsprechung des Senats trägt, soweit eine unbeschränkte Haftung des Frachtführers in Rede steht, grundsätzlich der Anspruchsteller die Darlegungs- und Beweislast für das dafür erforderliche qualifizierte Verschulden. Die ihm obliegende Darlegungslast erfüllt er aber bereits dann, wenn sein Klagevortrag nach den Umständen des Falls ein qualifiziertes Verschulden mit gewisser Wahrscheinlichkeit nahelegt und allein der Anspruchsgegner in zumutbarer Weise zu der Aufklärung des in seinem Bereich entstandenen Schadens beitragen kann. Dasselbe gilt, wenn sich aus dem unstreitigen Sachverhalt Anhaltspunkte für ein entsprechendes Verschulden ergeben. In einem solchen Fall darf sich der Anspruchsgegner zur Vermeidung prozessualer Nachteile nicht darauf beschränken, den Sachvortrag des Anspruchstellers schlicht zu bestreiten. Er ist vielmehr gehalten, das Informationsdefizit des Anspruchstellers durch detaillierten Sachvortrag zum Ablauf des Betriebs und zu den ergriffenen Sicherungsmaßnahmen auszugleichen (sekundäre Darlegungslast ). Kommt er dem nicht nach, kann dies unter Berücksichtigung der Umstände des jeweiligen Einzelfalls den Schluss auf ein qualifiziertes Verschulden rechtfertigen (vgl. BGH, Urt. v. 5.6.2003 - I ZR 234/00, TranspR 2003, 467, 469 m.w.N.).
18
4. Das Berufungsgericht hat in tatrichterlicher Würdigung des Sachverhalts angenommen, dass der streitgegenständliche Unfall nach seinem äußeren Bild nicht nur mit einem Einschlafen des Fahrers am Steuer erklärt werden könne. Vielmehr könne er ebenso auf mangelnder Konzentration oder auf einem Geschehen, das den Fahrer so vom Straßenverkehr abgelenkt habe, dass er zu einer Reaktion nicht in der Lage gewesen sei, oder grundsätzlich auch auf anderen plötzlichen Bewusstseinsstörungen (Ohnmacht) beruhen. Diese Beurtei- lung lässt keinen Rechtsfehler erkennen und wird auch von der Revision hingenommen.
19
5. Die Revision rügt ohne Erfolg, das Berufungsgericht habe ein vorsatzgleiches Verschulden verneint, obwohl es im Hinblick auf die im Streitfall gegebenen besonderen Umstände eine sekundäre Darlegungslast der Beklagten hinsichtlich der Lenk- und Ruhezeiten des Fahrers vor dem Unfalltag und, da die Beklagte in dieser Hinsicht keinen hinreichenden Vortrag gehalten habe, auch ein qualifiziertes Verschulden der Beklagten hätte annehmen müssen. Sie berücksichtigt dabei nicht, dass ein etwa gegebener Verstoß der Beklagten gegen eine solche Darlegungslast allenfalls zur Folge hätte, dass von einer Lenkzeitüberschreitung des Fahrers lediglich an den dem Unfalltag vorangegangenen Tagen auszugehen wäre.
20
6. Unter den im Streitfall gegebenen Umständen brauchte das Berufungsgericht nicht davon auszugehen, dass der Fahrer vor dem Unfall eingeschlafen war. Im Übrigen begründet das Herbeiführen eines Verkehrsunfalls durch ein nachweisliches "Einnicken" des Fahrers am Steuer nach der Rechtsprechung nur dann den Vorwurf grober Fahrlässigkeit, wenn feststeht, dass sich der Fahrer bewusst über von ihm erkannte deutliche Anzeichen einer Übermüdung hinweggesetzt hat (vgl. BGH, Urt. v. 5.2.1974 - VI ZR 52/72, VersR 1974, 593, 594 = NJW 1974, 948; Urt. v. 1.3.1977 - VI ZR 263/74, VersR 1977, 619, 620). Die Regeln des Anscheinsbeweises sind für den Nachweis der groben Fahrlässigkeit jedenfalls insoweit nicht anwendbar, als es sich dabei um individuelle Vorgänge wie etwa im Straßenverkehr um das Überfahren einer roten Ampel (vgl. BGH, Urt. v. 29.1.2003 - IV ZR 173/01, VersR 2003, 364, 365 = NJW 2003, 1118) oder namentlich auch um das "Einnicken" am Steuer handelt (vgl. BGH VersR 1974, 593, 594). Die in dieser Hinsicht zu der Frage, ob von grober Fahrlässigkeit auszugehen ist, entwickelten Grundsätze haben in gleichem Maße bei der Beurteilung der Frage zu gelten, ob ein Verhalten den Vorwurf begründet, der Frachtführer oder eine der Personen, deren er sich bei der Ausführung der Beförderung bedient hat, hätten leichtfertig und in dem Bewusstsein gehandelt, dass ein Schaden mit Wahrscheinlichkeit eintreten werde.
21
7. Die Revision verweist schließlich auch ohne Erfolg darauf, dass das Mindestalter der im Güterverkehr eingesetzten Fahrer bei Fahrzeugen mit einem höchstzulässigen Gesamtgewicht über 7,5 t nach Art. 5 Abs. 1 der Verordnung (EWG) Nr. 3820/85 des Rates vom 20. Dezember 1985 über die Harmonisierung bestimmter Sozialvorschriften im Straßenverkehr (ABl. EWG Nr. L 370 v. 31.12.1985, S. 1) grundsätzlich 21 Jahre beträgt und der im Unfallzeitpunkt erst 19 Jahre alte Fahrer auch nicht Inhaber eines Befähigungsnachweises über den erfolgreichen Abschluss einer von einem der Mitgliedstaaten anerkannten Ausbildung für Fahrer im Güterkraftverkehr gemäß den gemeinschaftlichen Rechtsvorschriften über das Mindestniveau der Ausbildung für Fahrer von Transportfahrzeugen im Straßenverkehr gewesen ist. Die genannte Verordnung dient zwar nach ihrem ersten Erwägungsgrund nicht nur der Harmonisierung der Bedingungen des Wettbewerbs zwischen Landverkehrsunternehmen , insbesondere im Straßenverkehrssektor, sondern auch der Verbesserung der Arbeitsbedingungen sowie der Sicherheit im Straßenverkehr. Es ist aber nicht ersichtlich, dass sich das Fehlen der bei einer entsprechenden Ausbildung vermittelten Kenntnisse im zur Beurteilung stehenden Unfallgeschehen zumindest als Gefahrenmoment niedergeschlagen hat (vgl. dazu BGH, Urt. v. 21.11.2006 - VI ZR 115/05, NJW 2007, 506 Tz. 15 ff., 17 f. = VersR 2007, 263). Zumindest aber besteht kein Anhaltspunkt dafür, dass die Beklagte oder die Personen, deren sie sich bei der Ausführung der Beförderung bedient hat, insoweit leichtfertig und in dem Bewusstsein gehandelt haben, dass deswegen ein Schaden mit Wahrscheinlichkeit eintreten werde.
22
III. Danach unterliegt die Beurteilung des Berufungsgerichts, der streitgegenständliche Unfall beruhe nicht nachweislich auf einem vorsatzgleichen Verschulden des Fahrers i.S. von Art. 29 Abs. 1 CMR i.V. mit § 435 HGB, keinen durchgreifenden rechtlichen Bedenken. Die Revision der Klägerin ist deshalb mit der Kostenfolge aus § 97 Abs. 1 ZPO zurückzuweisen.
Bornkamm RiBGH Dr. v. Ungern-Sternberg ist im Büscher Urlaub und daher gehindert zu unterschreiben. Bornkamm
Schaffert Bergmann
Vorinstanzen:
LG Mannheim, Entscheidung vom 28.04.2003 - 23 O 133/01 -
OLG Karlsruhe, Entscheidung vom 01.10.2004 - 15 U 22/03 -

Der Schuldner ist verpflichtet, die Leistung so zu bewirken, wie Treu und Glauben mit Rücksicht auf die Verkehrssitte es erfordern.

(1) Ein Unfallbeteiligter, der sich nach einem Unfall im Straßenverkehr vom Unfallort entfernt, bevor er

1.
zugunsten der anderen Unfallbeteiligten und der Geschädigten die Feststellung seiner Person, seines Fahrzeugs und der Art seiner Beteiligung durch seine Anwesenheit und durch die Angabe, daß er an dem Unfall beteiligt ist, ermöglicht hat oder
2.
eine nach den Umständen angemessene Zeit gewartet hat, ohne daß jemand bereit war, die Feststellungen zu treffen,
wird mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder mit Geldstrafe bestraft.

(2) Nach Absatz 1 wird auch ein Unfallbeteiligter bestraft, der sich

1.
nach Ablauf der Wartefrist (Absatz 1 Nr. 2) oder
2.
berechtigt oder entschuldigt
vom Unfallort entfernt hat und die Feststellungen nicht unverzüglich nachträglich ermöglicht.

(3) Der Verpflichtung, die Feststellungen nachträglich zu ermöglichen, genügt der Unfallbeteiligte, wenn er den Berechtigten (Absatz 1 Nr. 1) oder einer nahe gelegenen Polizeidienststelle mitteilt, daß er an dem Unfall beteiligt gewesen ist, und wenn er seine Anschrift, seinen Aufenthalt sowie das Kennzeichen und den Standort seines Fahrzeugs angibt und dieses zu unverzüglichen Feststellungen für eine ihm zumutbare Zeit zur Verfügung hält. Dies gilt nicht, wenn er durch sein Verhalten die Feststellungen absichtlich vereitelt.

(4) Das Gericht mildert in den Fällen der Absätze 1 und 2 die Strafe (§ 49 Abs. 1) oder kann von Strafe nach diesen Vorschriften absehen, wenn der Unfallbeteiligte innerhalb von vierundzwanzig Stunden nach einem Unfall außerhalb des fließenden Verkehrs, der ausschließlich nicht bedeutenden Sachschaden zur Folge hat, freiwillig die Feststellungen nachträglich ermöglicht (Absatz 3).

(5) Unfallbeteiligter ist jeder, dessen Verhalten nach den Umständen zur Verursachung des Unfalls beigetragen haben kann.

Der Schuldner ist verpflichtet, die Leistung so zu bewirken, wie Treu und Glauben mit Rücksicht auf die Verkehrssitte es erfordern.

(1) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen der Partei zur Last, die es eingelegt hat.

(2) Die Kosten des Rechtsmittelverfahrens sind der obsiegenden Partei ganz oder teilweise aufzuerlegen, wenn sie auf Grund eines neuen Vorbringens obsiegt, das sie in einem früheren Rechtszug geltend zu machen imstande war.

(3) (weggefallen)

Für vorläufig vollstreckbar ohne Sicherheitsleistung sind zu erklären:

1.
Urteile, die auf Grund eines Anerkenntnisses oder eines Verzichts ergehen;
2.
Versäumnisurteile und Urteile nach Lage der Akten gegen die säumige Partei gemäß § 331a;
3.
Urteile, durch die gemäß § 341 der Einspruch als unzulässig verworfen wird;
4.
Urteile, die im Urkunden-, Wechsel- oder Scheckprozess erlassen werden;
5.
Urteile, die ein Vorbehaltsurteil, das im Urkunden-, Wechsel- oder Scheckprozess erlassen wurde, für vorbehaltlos erklären;
6.
Urteile, durch die Arreste oder einstweilige Verfügungen abgelehnt oder aufgehoben werden;
7.
Urteile in Streitigkeiten zwischen dem Vermieter und dem Mieter oder Untermieter von Wohnräumen oder anderen Räumen oder zwischen dem Mieter und dem Untermieter solcher Räume wegen Überlassung, Benutzung oder Räumung, wegen Fortsetzung des Mietverhältnisses über Wohnraum auf Grund der §§ 574 bis 574b des Bürgerlichen Gesetzbuchs sowie wegen Zurückhaltung der von dem Mieter oder dem Untermieter in die Mieträume eingebrachten Sachen;
8.
Urteile, die die Verpflichtung aussprechen, Unterhalt, Renten wegen Entziehung einer Unterhaltsforderung oder Renten wegen einer Verletzung des Körpers oder der Gesundheit zu entrichten, soweit sich die Verpflichtung auf die Zeit nach der Klageerhebung und auf das ihr vorausgehende letzte Vierteljahr bezieht;
9.
Urteile nach §§ 861, 862 des Bürgerlichen Gesetzbuchs auf Wiedereinräumung des Besitzes oder auf Beseitigung oder Unterlassung einer Besitzstörung;
10.
Berufungsurteile in vermögensrechtlichen Streitigkeiten. Wird die Berufung durch Urteil oder Beschluss gemäß § 522 Absatz 2 zurückgewiesen, ist auszusprechen, dass das angefochtene Urteil ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar ist;
11.
andere Urteile in vermögensrechtlichen Streitigkeiten, wenn der Gegenstand der Verurteilung in der Hauptsache 1.250 Euro nicht übersteigt oder wenn nur die Entscheidung über die Kosten vollstreckbar ist und eine Vollstreckung im Wert von nicht mehr als 1.500 Euro ermöglicht.

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
VI ZR 46/10 Verkündet am:
11. Oktober 2011
Böhringer-Mangold,
Justizamtsinspektorin
als Urkundsbeamtin
der Geschäftsstelle
in dem Rechtsstreit
Nachschlagewerk: ja
BGHZ: ja
BGHR: ja

a) Ist in einem gewerblichen KFZ-Mietvertrag eine Haftungsbefreiung oder eine
Haftungsreduzierung nach Art der Vollkaskoversicherung vereinbart, ist ein in
den Allgemeinen Vermietungsbedingungen vorgesehener undifferenzierter
Haftungsvorbehalt für den Fall grober Fahrlässigkeit nach § 307 BGB unwirksam.

b) An die Stelle der unwirksamen Klausel über den Haftungsvorbehalt tritt der
Grundgedanke der gesetzlichen Regelung des § 81 Abs. 2 VVG.

c) Dies gilt hinsichtlich der Haftung des grob fahrlässig handelnden berechtigten
Fahrers, der nicht Mieter ist, gleichermaßen jedenfalls dann, wenn dessen
Haftungsfreistellung in den Allgemeinen Vermietungsbedingungen ausdrücklich
vorgesehen ist.
BGH, Urteil vom 11. Oktober 2011 - VI ZR 46/10 - OLG Köln
LG Köln
Der VI. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat auf die mündliche Verhandlung
vom 11. Oktober 2011 durch den Vorsitzenden Richter Galke, den Richter Zoll,
die Richterin Diederichsen, den Richter Pauge und die Richterin von Pentz

für Recht erkannt:
Auf die Revision der Klägerin wird das Urteil des 11. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Köln vom 13. Januar 2010 aufgehoben. Die Sache wird zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Revision, an das Berufungsgericht zurückverwiesen. Von Rechts wegen

Tatbestand:

1
Die Klägerin, eine gewerbliche Kraftfahrzeugvermieterin, nimmt den Beklagten auf Ersatz des Schadens in Anspruch, den er als Fahrer eines von seiner Arbeitgeberin angemieteten Kraftfahrzeugs verursacht hat.
2
Am 2. Juni 2008 vermietete die Klägerin einen Pkw an die Arbeitgeberin des Beklagten. Sie vereinbarten eine Haftungsfreistellung für selbstverschuldete Unfälle mit einer Selbstbeteiligung von 770 € pro Schadensfall. Dem Vertrag lagen die Allgemeinen Vermietbedingungen der Klägerin zugrunde, die unter anderem folgende Regelung enthielten: "2. Dem Mieter steht es frei, die Haftung aus Unfällen für Schäden der Vermieterin durch Zahlung eines besonderen Entgelts auszuschließen = vertragliche Haftungsfreistellung. In diesem Fall haftet er für Schäden, abgesehen von der vereinbarten Selbstbeteiligung nur dann, wenn - … - er oder seine Erfüllungsgehilfen den Schaden durch Vorsatz oder grobe Fahrlässigkeit herbeigeführt haben. … 7. Diese Regelungen gelten neben dem Mieter auch für den berechtigten Fahrer, wobei die vertragliche Haftungsfreistellung nicht zugunsten unberechtigter Nutzer der Mietwagen gilt."
3
Am 4. Juni 2008 fuhr der Beklagte um 0.59 Uhr nach einem Streit mit seiner Ehefrau und einem Kneipenbesuch mit dem angemieteten Pkw mit überhöhter Geschwindigkeit, kam von der Fahrbahn ab und kollidierte mit einem Baum. Der Beklagte war erheblich alkoholisiert, eine bei ihm um 2.54 Uhr entnommene Blutprobe wies eine Blutalkoholkonzentration von 2,96 Promille auf. Der Beklagte wurde rechtskräftig wegen fahrlässigen Vollrausches zu einer Geldstrafe verurteilt. Am Fahrzeug der Klägerin entstand infolge des Unfalls ein wirtschaftlicher Totalschaden in Höhe von 16.386,55 €.
4
Mit ihrer Klage hat die Klägerin den Fahrzeugschaden, Ersatz von Sachverständigenkosten , Wiederbeschaffungskosten und eine Kostenpauschale sowie Freistellung von den vorgerichtlichen Anwaltskosten geltend gemacht. Das Landgericht hat den Beklagten unter Klageabweisung im Übrigen zur Zahlung von 16.533,45 € zuzüglich Zinsen und zur Freistellung von vorgerichtlichen Rechtsanwaltskosten von 807,80 € verurteilt. Auf die Berufung des Beklagten hat das Oberlandesgericht der Klage lediglich in Höhe der vereinbarten Selbstbeteiligung von 770 € zuzüglich anteiliger vorgerichtlicher Rechtsanwaltskosten stattgegeben und die Klage im Übrigen abgewiesen. Mit der vom Berufungsgericht zugelassenen Revision erstrebt die Klägerin die Wiederherstellung des landgerichtlichen Urteils.

Entscheidungsgründe:

I.

5
Das Berufungsgericht, dessen Entscheidung in VersR 2010, 1193 veröffentlicht ist, hat ausgeführt: Der Beklagte hafte zwar dem Grunde nach gemäß § 823 Abs. 1 BGB. Die Voraussetzungen für die Unzurechnungsfähigkeit des Beklagten gemäß § 827 Satz 1 BGB könnten nicht festgestellt werden. Die Blutalkoholkonzentration von über 3 Promille reiche hierfür allein nicht aus. Weitere Indizien könnten nicht festgestellt werden. Die Haftung des Beklagten sei jedoch zu seinen Gunsten als berechtigtem Fahrer auf die vereinbarte Selbstbeteiligung von 770 € beschränkt. Die Vertragsbestimmung in den Allgemeinen Geschäftsbedingungen der Klägerin, die einen pauschalen und generellen Haftungsvorbehalt für den Fall der groben Fahrlässigkeit vorsieht, verstoße gegen § 307 BGB und sei deshalb unwirksam. Weil die Parteien des Mietvertrags eine Haftungsreduzierung für den Mieter nach Art der Vollkaskoversicherung mit Selbstbeteiligung vereinbart hätten, dürfe der Mieter darauf vertrauen, dass die Reichweite des mietvertraglich vereinbarten Schutzes im Wesentlichen dem Schutz entspreche, den er als Eigentümer des Kraftfahrzeugs und als Versicherungsnehmer in der Fahrzeugvollversicherung genießen würde. Dort wäre der pauschale Haftungsvorbehalt für grobe Fahrlässigkeit nach § 307 Abs. 1, Abs. 2 Nr. 1 BGB unwirksam, weil er mit wesentlichen Grundgedanken des seit 1. Januar 2008 geltenden § 81 Abs. 2 VVG nicht zu vereinbaren sei. Um eine unzulässige geltungserhaltende Reduktion zu vermeiden, müsse der Vorbehalt der Haftung für grobe Fahrlässigkeit insgesamt entfallen.

II.

6
Die Beurteilung des Berufungsgerichts hält revisionsrechtlicher Überprüfung nicht stand.
7
1. Zutreffend und von der Revision nicht angegriffen hat das Berufungsgericht angenommen, dass der Beklagte dem Grunde nach gemäß § 823 Abs. 1 BGB zum Schadensersatz verpflichtet ist und die Voraussetzungen für die Unzurechnungsfähigkeit gemäß § 827 Satz 1 BGB, die zur Beweislast des Schädigers stehen (vgl. Senatsurteile vom 12. Februar 1963 - VI ZR 70/62, BGHZ 39, 103, 108; vom 1. Juli 1986 - VI ZR 294/85, BGHZ 98, 135, 136 ff.), nicht vorliegen.
8
2. Entgegen der Annahme des Berufungsgerichts scheitert die Haftung des Beklagten aber nicht ohne weiteres an der zwischen der Klägerin und der Arbeitgeberin des Beklagten vereinbarten vertraglichen Haftungsfreistellung.
9
a) Mit Recht hat das Berufungsgericht allerdings angenommen, dass bei einem gewerblichen Kraftfahrzeugmietvertrag mit Haftungsfreistellung nach Art der Fahrzeugvollversicherung die Vertragsbestimmung, die die volle Haftung des Mieters oder seines berechtigten Fahrers bei grober Fahrlässigkeit vorsieht, gemäß § 307 BGB unwirksam ist. Denn eine solche Klausel weicht von wesentlichen Grundgedanken der hier maßgeblichen gesetzlichen Regelung über die Fahrzeugvollversicherung ab und ist mit dieser nicht zu vereinbaren.
10
aa) Gemäß § 307 Abs. 2 Nr. 1 BGB ist der Vertragspartner im Zweifel nach § 307 Abs. 1 Satz 1 BGB unangemessen benachteiligt, wenn eine Vertragsbestimmung mit wesentlichen Grundgedanken der gesetzlichen Regelung, von der abgewichen wird, nicht zu vereinbaren ist. Von maßgeblicher Bedeutung ist insoweit, ob die dispositive gesetzliche Regelung nicht nur auf Zweckmäßigkeitserwägungen beruht, sondern eine Ausprägung des Gerechtigkeitsgebots darstellt. Dabei brauchen Grundgedanken eines Rechtsbereichs nicht in Einzelbestimmungen formuliert zu sein. Es reicht aus, dass sie in allgemeinen, am Gerechtigkeitsgedanken ausgerichteten und auf das betreffende Rechtsgebiet anwendbaren Grundsätzen ihren Niederschlag gefunden haben (vgl. BGH, Urteile vom 9. Oktober 1985 - VIII ZR 217/84, BGHZ 96, 103, 109; vom 25. Juni 1991 - XI ZR 257/90, BGHZ 115, 38, 42; vom 30. Mai 2001 - XII ZR 273/98, NJW 2001, 3480, 3482).
11
Dementsprechend wird, wovon das Berufungsgericht zutreffend ausgeht, der Umfang einer entgeltlichen Haftungsfreistellung in einem gewerblichen Kraftfahrzeugmietvertrag am Leitbild der Kraftfahrzeugvollversicherung beurteilt. Vereinbaren die Parteien eines Kraftfahrzeugmietvertrags eine entgeltliche Haftungsreduzierung für den Mieter nach Art einer Vollkaskoversicherung, so darf dieser - wie der Versicherungsnehmer - darauf vertrauen, dass die Reichweite des mietvertraglich vereinbarten Schutzes im Wesentlichen dem Schutz entspricht, den er als Eigentümer des Kraftfahrzeugs und als Versicherungsnehmer in der Fahrzeugvollversicherung genießen würde. Nur bei Einräumung dieses Schutzes genügt der gewerbliche Vermieter von Kraftfahrzeugen seiner aus dem Grundsatz von Treu und Glauben erwachsenen Verpflichtung, schon bei der Festlegung seiner Allgemeinen Geschäftsbedingungen die Interessen künftiger Vertragspartner angemessen zu berücksichtigen (vgl. BGH, Urteile vom 29. Oktober 1959 - II ZR 64/56, BGHZ 22, 109, 113 ff.; vom 20. Mai 2009 - XII ZR 94/07, BGHZ 181, 179 Rn. 13; vom 17. Dezember 1980 - VIII ZR 316/79, VersR 1981, 349, 350; vom 16. Dezember 1981 - VIII ZR 1/81, VersR 1982, 359, 360; vom 19. Juni 1985 - VIII ZR 250/84, VersR 1985, 1066, 1067; Christensen in Ulmer/Brandner/Hensen, AGB-Recht, 11. Aufl., Bes. Vertragstypen , (22) Mietverträge Rn. 51; Rogler, r+s 2010, 1, 4).
12
bb) In der Fahrzeugvollversicherung ist - wie auch sonst im Versicherungsvertragsrecht - eine Vertragsbestimmung in Allgemeinen Geschäftsbedingungen , wonach der Versicherungsnehmer voll haftet, wenn er den Versicherungsfall grob fahrlässig herbeiführt, regelmäßig gemäß § 307 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 Nr. 1 BGB unwirksam (vgl. Baumann in Bruck/Möller, VVG, 9. Aufl. § 81 Rn. 189, 191; Burmann/Heß/Stahl, Versicherungsrecht im Straßenverkehr, 2. Aufl., Rn. 602; Halbach in Stiefel/Maier, Kraftfahrtversicherung, 18. Aufl., § 81 VVG Rn. 26; Karczewski in Rüffer/Halbach/Schimikowski, VVG, § 81 Rn. 114; MünchKommVVG/Looschelders, § 81 Rn. 140; Lorenz in Festschrift Deutsch, 2009, S. 355, 366 f.; Prölss in Prölss/Martin, VVG, 28. Aufl., § 81 Rn. 38; Rixecker, zfs 2007, 15, 16; Schmidt-Kessel in Looschelders/Pohlmann, VVG, 2010, § 81 Rn. 74; Spuhl in Marlow/Spuhl, Das neue VVG, 4. Aufl., Rn. 561).
13
Eine Mindermeinung hält einen solchen Leistungsausschluss zwar für zulässig (Günther/Spielmann, r+s 2008, 133, 143). Dieser Ansicht ist aber nicht zu folgen. Die Abschaffung des Alles-oder-nichts-Prinzips durch § 81 Abs. 2 VVG in der seit 1. Januar 2008 geltenden Fassung war ein "zentraler Punkt" der Gesetzesreform (vgl. BT-Drucks. 16/3945, S. 49). Die formularmäßige Rückkehr zu § 61 VVG a.F. wird daher in der Regel als unzulässig, weil einem wesentlichen Grundgedanken (§ 307 Abs. 2 Nr. 1 BGB) des Versicherungsvertragsrechts widersprechend, beurteilt (vgl. LG Göttingen, Urteil vom 18. November 2009 - 5 O 118/09, VersR 2010, 1490, 1491; LG Konstanz, Urteil vom 26. November 2009 - 3 O 119/09, zfs 2010, 214, 215 mit insoweit zustimmender Anmerkung Rixecker; LG Nürnberg-Fürth, Urteil vom 27. Januar 2010 - 8 O 10700/08, r+s 2010, 145, 148; LG Berlin, Urteil vom 26. Januar 2011 - 4 O 184/10, juris Rn. 29 ff.; Karczewski in Rüffer/Halbach/ Schimikowski, VVG, 2009, § 81 Rn. 114; Rogler, r+s 2010, 1, 5).
14
cc) Nach Ziff. 7 der Allgemeinen Vermietbedingungen wird dem berechtigten Fahrer der gleiche Umfang der Haftungsfreistellung gewährt wie dem Mieter, weshalb für die Beurteilung der Wirksamkeit der Klausel hier auch das Verhältnis des Vermieters zum Mieter maßgeblich ist. Die Erwartung einer der Fahrzeugvollversicherung entsprechenden Vertragsgestaltung besteht bei Kraftfahrzeugmietverträgen mit entgeltlicher Haftungsreduzierung auch hinsichtlich des Verhaltens eines Fahrers, dem der Mieter berechtigterweise das Mietfahrzeug überlässt, so dass entgegenstehende Geschäftsbedingungen gemäß § 307 BGB unwirksam sind (vgl. BGH, Urteile vom 16. Dezember 1981 - VIII ZR 1/81, VersR 1982, 359, 360; vom 20. Mai 2009 - XII ZR 94/07, BGHZ 181, 179 Rn. 16, 21 ff.). Das gilt auch für nach dem 1. Januar 2008 geschlossene Kraftfahrzeugmietverträge , bei denen die Allgemeinen Geschäftsbedingungen abweichend von § 81 Abs. 2 VVG die volle Haftung des Mieters für vom berechtigten Fahrer grob fahrlässig herbeigeführte Schäden vorsehen (vgl. Looschelders /Paffenholz, JR 2010, 290, 293).
15
b) Mit Erfolg rügt die Revision aber die Auffassung des Berufungsgerichts , der Vorbehalt der Haftung für grobe Fahrlässigkeit entfalle insgesamt, so dass der Beklagte im Fall grober Fahrlässigkeit nicht einmal anteilig hafte.
16
Welche Rechtsfolgen die Unwirksamkeit der Klausel, die in einem gewerblichen Kraftfahrzeugmietvertrag mit entgeltlicher Haftungsreduzierung die volle Haftung für grob fahrlässig herbeigeführte Schäden vorsieht, nach sich zieht, ist in Rechtsprechung und Literatur umstritten. Teilweise wird, was das Berufungsgericht annimmt, ein ersatzloses Entfallen des Haftungsvorbehalts für grobe Fahrlässigkeit befürwortet mit der Folge, dass der Vermieter bei grob fahrlässiger Schadensverursachung keinen Schadensersatz verlangen kann (LG Berlin, Urteil vom 26. Januar 2011 - 4 O 184/10, DAR 2011, 264, 265; vgl. Rogler, r+s 2010, 1, 4 f. hinsichtlich eines Rückgriffs auf § 28 VVG für unwirksame Klauseln über Obliegenheitsverletzungen). Eine andere Auffassung will im Wege der ergänzenden Vertragsauslegung - ggf. unter Inkaufnahme einer geltungserhaltenden Reduktion - § 81 Abs. 2 VVG entsprechend anwenden (LG Göttingen, Urteil vom 18. November 2009 - 5 O 118/09, VersR 2010, 1490, 1491; so wohl auch LG Konstanz, Urteil vom 26. November 2009 - 3 O 119/09, juris Rn. 44). Nach zutreffender Ansicht tritt an die Stelle der unwirksamen Klausel über den Haftungsvorbehalt bei grober Fahrlässigkeit gemäß § 306 Abs. 2 BGB der Grundgedanke der gesetzlichen Regelung des § 81 Abs. 2 VVG (vgl. Rogler, jurisPR-VersR 3/2010 Anm. 2; vgl. ferner Nugel, jurisPRVerkR 15/2010 Anm. 4).
17
aa) Ist eine Klausel in Allgemeinen Geschäftsbedingungen nicht Vertragsbestandteil geworden oder unwirksam, sind vorrangig die gesetzlichen Vorschriften als eine konkrete Ersatzregelung in Betracht zu ziehen (vgl. § 306 Abs. 2 BGB). Nur wenn solche nicht zur Verfügung stehen, stellt sich die Frage, ob ein ersatzloser Wegfall der unwirksamen Klausel eine sachgerechte Lösung darstellt. Scheiden beide Möglichkeiten aus, ist zu prüfen, ob durch eine ergänzende Vertragsauslegung eine interessengerechte Lösung gefunden werden kann (vgl. BGH, Urteil vom 12. Oktober 2005 - IV ZR 162/03, VersR 2005, 1565 Rn. 37).
18
Ist eine Allgemeine Versicherungsbedingung nicht Vertragsbestandteil geworden, so treten an ihre Stelle die Regelungen des Versicherungsvertragsgesetzes (MünchKommBGB/Basedow, 5. Aufl., § 306 Rn. 21; vgl. BGH, Urteil vom 21. Dezember 1981 - II ZR 76/81, NJW 1982, 824, 825). Das gilt entspre- chend für die Haftungsfreistellung bei der gewerblichen Kraftfahrzeugvermietung , die sich am Leitbild der Fahrzeugversicherung zu orientieren hat (vgl. BGH, Urteile vom 10. Juni 2009 - XII ZR 19/08, VersR 2010, 260 Rn. 18 f.; vom 2. Dezember 2009 - XII ZR 117/08, NJW-RR 2010, 480 Rn. 14).
19
bb) Weil sich der Umfang der vertraglichen Haftungsfreistellung am Leitbild der Kaskoversicherung orientiert, steht mit § 81 VVG für die Frage des Maßes der Haftung eine Vorschrift des dispositiven Rechts zur Verfügung, die geeignet ist, die infolge der Unwirksamkeit der Klausel entstehende Lücke zu schließen. Im Fall einer ungültigen Allgemeinen Versicherungsbedingung über die grob fahrlässige Herbeiführung des Versicherungsfalls käme nach § 306 Abs. 2 BGB die Regelung des § 81 Abs. 2 VVG zur Anwendung (vgl. Rogler, jurisPR-VersR 3/2010 Anm. 2; a.A. LG Berlin, Urteil vom 26. Januar 2011 - 4 O 184/10, DAR 2011, 264, 265). Da der Umfang der mietvertraglichen Haftungsfreistellung am Leitbild der Kaskoversicherung auszurichten ist, findet auch die Regelung des § 81 Abs. 2 VVG entsprechende Anwendung. Im Fall einer mietvertraglichen Haftungsfreistellung ist der Vermieter, der eine unwirksame Klausel verwendet, dem Versicherer gleichzustellen. Die Regelung des § 81 Abs. 2 VVG stellt auch für die mietvertragliche Haftungsfreistellung den vom Gesetzgeber bezweckten angemessenen Interessenausgleich zwischen den Parteien her.
20
cc) Die entsprechende Anwendung von § 81 Abs. 2 VVG läuft entgegen der Ansicht des Berufungsgerichts und anderer Instanzgerichte (LG Berlin, Urteil vom 26. Januar 2011 - 4 O 184/10, DAR 2011, 264, 265 f.; vgl. Rogler, r+s 2010, 1, 4 f. hinsichtlich eines Rückgriffs auf § 28 VVG für unwirksame Klauseln über Obliegenheitsverletzungen) nicht auf eine unzulässige geltungserhaltende Reduktion hinaus. Das Verbot der geltungserhaltenden Reduktion verlangt, dass eine gegen §§ 307 ff. BGB verstoßende Vertragsbestimmung nicht durch andere im Wege der ergänzenden Vertragsauslegung ermittelte Regelungen ersetzt wird, sondern insgesamt entfällt. Eine ergänzende Vertragsauslegung, die eine unwirksame Vertragsbestimmung auf den gerade noch zulässigen Inhalt reduziert, liefe dem Zweck der Regelungen über die Allgemeinen Geschäftsbedingungen zuwider. Sie würde es dem Verwender ermöglichen, risikolos die Allgemeinen Geschäftsbedingungen einseitig in seinem Interesse auszugestalten. Der Zweck des Rechts der Allgemeinen Geschäftsbedingungen, den Vertragspartner des Verwenders vor ungültigen Klauseln zu schützen, den Rechtsverkehr von unwirksamen Allgemeinen Geschäftsbedingungen freizuhalten und auf einen den Interessen beider Seiten gerecht werdenden Inhalt Allgemeiner Geschäftsbedingungen hinzuwirken, würde unterlaufen (Senatsurteil vom 24. September 1985 - VI ZR 4/84, BGHZ 96, 18, 25 f.; BGH, Urteil vom 17. Mai 1982 - VII ZR 316/81, BGHZ 84, 109, 114 ff.). Die Geltung des - hier entsprechend anzuwendenden - dispositiven Gesetzesrechts anstelle einer unwirksamen Klausel verstößt nicht gegen das Verbot der geltungserhaltenden Reduktion, sondern entspricht vielmehr seiner Intention (vgl. Senatsurteil vom 24. September 1985 - VI ZR 4/84, BGHZ 96, 18, 26).

III.

21
Der Senat kann nicht gemäß § 563 Abs. 3 ZPO in der Sache selbst entscheiden. Die Entscheidung über den Umfang der Anspruchskürzung entsprechend § 81 Abs. 2 VVG bedarf einer umfassenden Abwägung der Umstände des Einzelfalls (vgl. BGH, Urteil vom 22. Juni 2011 - IV ZR 255/10, VersR 2011, 1037, Rn. 33). Da das Landgericht die streitgegenständliche Klausel als wirksam angesehen und das Berufungsgericht den Standpunkt vertreten hat, die streitgegenständliche Klausel sei unwirksam und werde nicht durch eine ent- sprechende Anwendung des § 81 Abs. 2 VVG ersetzt, bestand für die Parteien bislang kein Anlass, zu den für die Abwägung relevanten Umständen näher vorzutragen. Galke Zoll Diederichsen Pauge von Pentz
Vorinstanzen:
LG Köln, Entscheidung vom 13.08.2009 - 37 O 143/09 -
OLG Köln, Entscheidung vom 13.01.2010 - 11 U 159/09 -

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
IV ZR 199/10 Verkündet am:
12. Oktober 2011
Bott
Justizhauptsekretärin
als Urkundsbeamtin
der Geschäftsstelle
in dem Rechtsstreit
Nachschlagewerk: ja
BGHZ: ja
BGHR: ja
EGVVG Art. 1 Abs. 3; VVG §§ 28 Abs. 2 Satz 2, 81 Abs. 2; VGB 88 § 11 Nr. 2
1. Die Sanktionsregelung bei Verletzung vertraglich vereinbarter Obliegenheiten
(hier: § 11 Nr. 2 Satz 1 bis Satz 3 VGB 88) ist unwirksam, wenn der Versicherer
von der Möglichkeit der Vertragsanpassung gemäß Art. 1 Abs. 3 EGVVG keinen
Gebrauch gemacht hat. Der Versicherer kann deshalb bei grob fahrlässiger Verletzung
vertraglicher Obliegenheiten kein Leistungskürzungsrecht gemäß § 28
Abs. 2 Satz 2 VVG geltend machen.
2. Auf die Verletzung gesetzlicher Obliegenheiten (hier: grob fahrlässige Herbeiführung
des Versicherungsfalles gemäß § 81 Abs. 2 VVG) kann sich der Versicherer
weiterhin berufen.
BGH, Urteil vom 12. Oktober 2011 - IV ZR 199/10 - OLG Köln
LG Köln
Der IV. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat durch die Vorsitzende
Richterin Dr. Kessal-Wulf, die Richter Wendt, Felsch, Lehmann und
die Richterin Dr. Brockmöller auf die mündliche Verhandlung vom
12. Oktober 2011

für Recht erkannt:
Auf die Revision der Beklagten wird das Urteil des 9. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Köln vom 17. August 2010 aufgehoben.
Die Sache wird zur neuen Verhandlung und Entscheidung , auch über die Kosten des Revisionsverfahrens, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.
Von Rechts wegen

Tatbestand:

1
Der Kläger ist Zwangsverwalter eines Miteigentumsanteils an einem Grundstück verbunden mit dem Sondereigentum an einem Haus. Er trat im März 2007 in einen bei der Beklagten bestehenden Versicherungsvertrag über eine Wohngebäudeversicherung ein und verlangt Versicherungsleistungen für einen Leitungswasserschaden vom Januar

2009.


2
Dem Versicherungsverhältnis liegen "Allgemeine WohngebäudeVersicherungsbedingungen (VGB 88) - Fassung Januar 1995" zugrunde, die auszugsweise wie folgt lauten: "§ 11 Sicherheitsvorschriften 1. Der Versicherungsnehmer hat …
c) nicht genutzte Gebäude oder Gebäudeteile genügend häufig zu kontrollieren und dort alle wasserführenden Anlagen und Einrichtungen abzusperren, zu entleeren und entleert zu halten;
d) in der kalten Jahreszeit alle Gebäude und Gebäudeteile zu beheizen und diese genügend häufig zu kontrollieren und dort alle wasserführenden Anlagen und Einrichtungen abzusperren, zu entleeren und entleert zu halten; 2. Verletzt der Versicherungsnehmer eine dieser Obliegenheiten , so ist der Versicherer nach Maßgabe von § 6 VVG zur Kündigung berechtigt oder auch leistungsfrei. Eine Kündigung des Versicherers wird einen Monat nach Zugang wirksam. Leistungsfreiheit tritt nicht ein, wenn die Verletzung weder auf Vorsatz noch auf grober Fahrlässigkeit beruht. Führt die Verletzung zu einer Gefahrerhöhung, so gelten die §§ 23 bis 30 VVG. Danach kann der Versicherer zur Kündigung berechtigt oder auch leistungsfrei sein."
3
Die Beklagte nahm keine Anpassung der VGB 88 an die Vorschriften des Versicherungsvertragsgesetzes in der Fassung des Gesetzes zur Reform des Versicherungsvertragsrechts vom 23. November 2007 (BGBl. I 2631 - VVG 2008) gemäß Art. 1 Abs. 3 EGVVG vor.
4
Das versicherte Haus stand leer und wurde zur Vermietung vorgehalten. Eine Entleerung der wasserführenden Leitungen fand nicht statt. Am 8. Januar 2009 wurde ein Leitungswasserschaden festgestellt.

5
Die Beklagte berief sich vorgerichtlich auf eine Verletzung der Obliegenheit zur regelmäßigen Kontrolle des Gebäudes und zur Entleerung aller wasserführenden Anlagen. Unter Berücksichtigung der Schwere des Verschuldens des Versicherungsnehmers sagte sie eine hälftige Zahlung der Schadenbeseitigungsaufwendungen zu, die während des anhängigen Berufungsverfahrens erfolgte. Im Prozess hat sie im Hinblick auf eine von ihr behauptete unzureichende Beheizung des Gebäudes zudem geltend gemacht, dass der Kläger seine Aufklärungsobliegenheit verletzt, eine Gefahrerhöhung vorgenommen und den Versicherungsfall grob fahrlässig herbeigeführt habe.
6
Das Landgericht hat der Klage auf Zahlung von Reparaturaufwendungen in Höhe von 6.210,34 € bis auf die eingeklagte Zinsforderung stattgegeben. Die Berufung der Beklagten, mit der diese eine Abweisung der Klage in Höhe von 3.105,17 € begehrte, blieb ohne Erfolg. Hiergegen wendet sich die Beklagte mit ihrer Revision.
7
Während des Revisionsverfahrens wurde das Zwangsverwaltungsverfahren nach rechtskräftigem Zuschlagsbeschluss aufgehoben und der Kläger zur Fortführung des Rechtsstreits ermächtigt.

Entscheidungsgründe:


8
Die Revision hat Erfolg. Sie führt zur Aufhebung der angefochtenen Entscheidung und Zurückverweisung der Sache an das Berufungsgericht.

9
I. Das Berufungsgericht, dessen Urteil unter anderem in VersR 2010, 1592 veröffentlicht ist, hat ausgeführt, dass die Beklagte den eingetretenen Schaden in vollem Umfang zu ersetzen habe, da sie sich nicht auf eine Obliegenheitsverletzung gemäß § 11 Nr. 1 VGB 88 und eine quotale Leistungskürzung berufen könne. § 11 Nr. 2 VGB 88 sei gemäß § 32 VVG, wonach von den §§ 19 bis 29 Abs. 4 und § 31 Abs. 1 Satz 2 VVG nicht zum Nachteil des Versicherungsnehmers abgewichen werden könne, unwirksam. Die Klausel berücksichtige nicht die in § 28 Abs. 2 Satz 2 VVG statuierte quotale Leistungskürzung bei grob fahrlässiger Verletzung einer vertraglichen Obliegenheit und weiche deshalb von der gesetzlichen Regelung zum Nachteil des Versicherungsnehmers ab.
10
Sie könne wegen des Verbots der geltungserhaltenden Reduktion nicht auf einen zulässigen Inhalt zurückgeführt werden. Für eine ergänzende Vertragsauslegung sei kein Raum, da es die Beklagte durch eine Anpassung ihrer Bedingungen nach Art. 1 Abs. 3 EGVVG selbst in der Hand gehabt habe, das Entstehen von Regelungslücken zu verhindern.
11
Schließlich könne sich die Beklagte nicht unmittelbar auf ein Leistungskürzungsrecht nach § 28 Abs. 2 Satz 2 VVG stützen, da dieses eine wirksame vertragliche Vereinbarung einer Obliegenheit voraussetze, an der es wegen der Unwirksamkeit der gesamten Bestimmung des § 11 VGB 88 fehle.
12
Eine allgemeine Aufklärungspflichtverletzung durch falsche Darstellung des Schadenhergangs scheide mangels einschlägiger vertraglicher Regelung i.S. des § 28 Abs. 2 VVG aus.

13
Der Vortrag der Beklagten zu einer grob fahrlässigen Herbeiführung des Versicherungsfalles und zu einer Gefahrerhöhung sei nicht hinreichend substantiiert.
14
II. Das hält rechtlicher Nachprüfung nicht in allen Punkten stand.
15
Zutreffend hat das Berufungsgericht ein Leistungskürzungsrecht der Beklagten sowohl wegen Verletzung einer vertraglichen Obliegenheit als auch aufgrund einer Gefahrerhöhung verneint. Dagegen hat es die Anforderungen an den Sachvortrag der Beklagten zur grob fahrlässigen Herbeiführung des Versicherungsfalles gemäß § 81 VVG überspannt.
16
1. Der Kläger, dessen Prozessführungsbefugnis in jeder Lage des Verfahrens von Amts wegen zu prüfen ist, ist nach Beendigung der Zwangsvollstreckung infolge der rechtskräftigen Zuschlagserteilung weiterhin prozessführungsbefugt (vgl. BGH, Urteil vom 11. August 2010 - XII ZR 181/08, NJW 2010, 3033 Rn. 13 ff.).
17
2. Die Bestimmungen des § 11 Nr. 2 Satz 1 bis Satz 3 VGB 88 sind unwirksam.
18
a) Da der Versicherungsfall im Jahr 2009 eingetreten ist, findet gemäß Art. 1 Abs. 1 EGVVG das Versicherungsvertragsgesetz in der Fassung des Gesetzes zur Reform des Versicherungsvertragsrechts vom 23. November 2007 (BGBl. I 2631) Anwendung. § 28 Abs. 2 Satz 2 VVG bestimmt, dass der Versicherer im Fall einer grob fahrlässigen Verletzung einer Obliegenheit nur berechtigt ist, seine Leistung in einem der Schwere des Verschuldens des Versicherungsnehmers entsprechenden Verhältnis zu kürzen. Von dieser Regelung weicht das Sanktionensystem in § 11 Nr. 2 Satz 1 bis Satz 3 VGB 88 entgegen § 32 Satz 1 VVG zum Nachteil des Versicherungsnehmers ab. Denn § 11 Nr. 2 Satz 1 bis Satz 3 VGB 88 nimmt Bezug auf die Kündigung und die Leistungsfreiheit in § 6 VVG a.F., wonach eine grob fahrlässig begangene Obliegenheitsverletzung bei Vorliegen der weiteren Voraussetzungen der Vorschrift die volle Leistungsfreiheit zur Folge hat.
19
b) Dies führt zur Unwirksamkeit der Regelung gemäß § 307Abs. 1 Satz 1 BGB. Die Abweichung von der halbzwingenden Vorschrift des § 28 Abs. 2 Satz 2 VVG zum Nachteil des Versicherungsnehmers stellt eine unangemessene Benachteiligung dar (vgl. Senatsurteil vom 28. Juni 1995 - IV ZR 19/94, unter I 3 c bb), da die Leistungsfreiheit des Versicherers bei lediglich grob fahrlässiger Obliegenheitsverletzung mit wesentlichen Grundgedanken des § 28 Abs. 2 Satz 2 VVG nicht zu vereinbaren ist.
20
3. Die Vertragslücke, die durch die Unwirksamkeit der Regelung über die Folgen einer Obliegenheitsverletzung entstanden ist, kann nicht geschlossen werden.
21
Allerdings ist in Rechtsprechung und Schrifttum umstritten, ob sich der Versicherer bei grob fahrlässiger Verletzung einer Obliegenheit durch den Versicherungsnehmer auf ein quotales Leistungskürzungsrecht berufen kann, wenn in einem Altvertrag i.S. des Art. 1 Abs. 1 Satz 1 EGVVG die dortigen Bestimmungen über die Rechtsfolgen der Verletzung vertraglich vereinbarter Obliegenheiten durch Inkrafttreten und Anwendbarkeit des VVG 2008 unwirksam geworden sind, weil der Versicherer auf eine Anpassung seiner Versicherungsbedingungen nach Art. 1 Abs. 3 EGVVG verzichtet hat. Hiernach konnte der Versicherer bis zum 1. Januar 2009 seine Allgemeinen Versicherungsbedingungen für Altverträge mit Wirkung zum 1. Januar 2009 ändern, soweit sie von den Vorschriften des Versicherungsvertragsgesetzes abwichen, und er dem Versicherungsnehmer die geänderten Versicherungsbedingungen unter Kenntlichmachung der Unterschiede spätestens einen Monat vor diesem Zeitpunkt in Textform mitteilte.
22
a) Zum Teil wird vertreten, dass die vereinbarte Obliegenheit im Sinne einer Verhaltensnorm weiterhin wirksam bleibt und die gesetzliche Bestimmung des § 28 Abs. 2 Satz 2 VVG gemäß § 306 Abs. 2 BGB an die Stelle der unwirksamen vertraglichen Sanktionsregelung tritt.
23
aa) Dabei wird das Weiterbestehen der Obliegenheit trotz Unwirksamkeit der hierzu in den Allgemeinen Versicherungsbedingungen getroffenen Sanktionsregelung unterschiedlich begründet:
24
(1) Teilweise wird angenommen, dass es sich bei der Verhaltensnorm und der Sanktionsregelung um inhaltlich trennbare Regelungen handele, wobei die Verhaltensnorm aus sich heraus verständlich sei. Deshalb sei eine derartige Klausel in Allgemeinen Versicherungsbedingungen nicht insgesamt, sondern nur teilweise hinsichtlich der dort bestimmten Rechtsfolgen unwirksam (Hövelmann, VersR 2008, 612, 616; Schnepp/Segger, VW 2008, 907, 909).
25
(2) Überwiegend wird für Allgemeine Versicherungsbedingungen, die Obliegenheiten vertraglich festlegen und deren Verstoß mit den Rechtsfolgen des § 6 VVG a.F. sanktionieren, eine Ausnahme vom Ver- bot der geltungserhaltenden Reduktion befürwortet. Denn der Schutzzweck dieses Prinzips passe nicht für Allgemeine Versicherungsbedingungen , die bei Vertragsschluss wirksam gewesen und erst durch eine spätere Gesetzesänderung unwirksam geworden seien (MünchKommVVG /Looschelders, Art. 1 EGVVG Rn. 27; Funck, VersR 2008, 163, 168; Hövelmann aaO).
26
(3) Schließlich wird vereinzelt eine Parallele zur Behandlung verhüllter Obliegenheiten gezogen. Bei diesen halte die Sanktionsregelung der Klausel den gesetzlichen Vorgaben nicht stand; dennoch betrachte die Rechtsprechung die Obliegenheiten als wirksam und wende hierauf unmittelbar das Obliegenheitenrecht an. Gleiches müsse hier gelten (Segger/Degen, VersR 2011, 440, 445).
27
bb) Auch hinsichtlich der Rechtsfolgen finden sich unterschiedliche Begründungsansätze:
28
(1) Teilweise wird das Fehlen einer vertraglichen Vereinbarung über die Rechtsfolgen einer Obliegenheitsverletzung bei grob fährlässiger Begehungsweise als unschädlich betrachtet, da es sich bei § 28 Abs. 2 Satz 2 VVG um ein gesetzliches Leistungskürzungsrecht handele, das unabhängig von einer vertraglichen Vereinbarung der Parteien bestehe (LG Erfurt VersR 2011, 335; HK-VVG/Muschner, Art. 1 EGVVG Rn. 17; Brand in Looschelders/Pohlmann, VVG Art. 1 EGVVG Rn. 21; Honsel, VW 2008, 480, 481; Muschner/Wendt, MDR 2008, 949, 951; Segger/Degen aaO 441).
29
(2) Überwiegend wird angenommen, dass die Lücke bezüglich der Rechtsfolgen einer Obliegenheitsverletzung durch die gesetzliche Rege- lung des § 28 Abs. 2 Satz 2 VVG zu schließen sei (LG Ellwangen VersR 2011, 62; Funck aaO; Hövelmann aaO). Teilweise wird auch hier wiederum auf die Lückenfüllung durch Anwendung des Obliegenheitenrechts auf verhüllte Obliegenheiten verwiesen (Segger/Degen aaO 445).
30
b) Nach anderer Auffassung führt unabhängig von der Frage der Teilwirksamkeit einer vertraglichen Obliegenheitsvereinbarung ohne entsprechende Sanktionsregelung - also auch bei Gesamtnichtigkeit einer solchen Klausel - eine ergänzende Vertragsauslegung dazu, dass die in den Allgemeinen Versicherungsbedingungen vereinbarte Obliegenheit mit den Sanktionen des § 28 VVG als vereinbart gelten soll (vgl. Armbrüster in Prölss/Martin, VVG 28. Aufl. Art. 1 EGVVG Rn. 39; nur für den Fall der vorsätzlichen Obliegenheitsverletzung: Brand in Looschelders/ Pohlmann aaO; HK-VVG/Muschner aaO Rn. 24; Muschner/Wendt aaO

952).


31
c) Schließlich wird eine Korrektur der gesetzlichen Unwirksamkeitsfolge abgelehnt. Wenn der Versicherer von der in Art. 1 Abs. 3 EGVVG eingeräumten Möglichkeit zur Anpassung seiner Allgemeinen Versicherungsbedingungen keinen Gebrauch gemacht habe, so müsse es bei der sich aus dem Gesetz ergebenden Unwirksamkeit bleiben (LG Nürnberg-Fürth r+s 2010, 145, 147; Meixner/Steinbeck, Das neue Versicherungsvertragsrecht § 12 Rn. 2; Marlow/Spuhl, Das neue VVG kompakt 4. Aufl. Rn. 391 ff.; Fahl/Kassing, VW 2009, 320, 322 f.; von Fürstenwerth , r+s 2009, 221, 223 ff.; Fitzau, VW 2008, 448; Höra, r+s 2008, 89, 90; Knappmann, VRR 2007, 408, 409; Maier, VW 2008, 986, 987 ff.; Rogler, r+s 2010, 1, 4 f.; ders. jurisPR-VersR 3/2010 Anm. 2; Staudinger/ Kassing, ZGS 2011, 411, 412 ff.; Wagner, VersR 2008, 1190, 1193 f.).
32
d) Letztgenannte Auffassung trifft zu. Das Berufungsgericht hat zu Recht angenommen, dass die durch Unwirksamkeit der Sanktionsregelung des § 11 Nr. 2 Satz 1 bis Satz 3 VGB 88 entstandene Vertragslücke nicht geschlossen werden kann. Ob die vertragliche Obliegenheit in § 11 Nr. 1 VGB 88 als teilbare Klausel oder im Wege einer geltungserhaltenden Reduktion weiter besteht, obwohl § 11 Nr. 2 Satz 1 bis Satz 3VGB 88 zwar eine Sanktion anordnet, jedoch ein unwirksames Sanktionensystem enthält, kann deshalb dahinstehen.
33
aa) Eine quotale Leistungskürzung wegen grob fahrlässiger Verletzung einer Obliegenheit gemäß § 28 Abs. 2 Satz 2 VVG setzt voraus, dass neben einer vertraglichen Obliegenheit auch eine Sanktion für den Fall ihrer Verletzung im Versicherungsvertrag vereinbart ist. § 28 Abs. 2 Satz 2 VVG enthält kein gesetzliches Leistungskürzungsrecht.
34
Der Senat hält an der Rechtsprechung zu § 6 Abs. 1 Satz 1 VVG a.F., wonach der Versicherungsvertrag eine Vereinbarung über die Sanktion einer Obliegenheitsverletzung enthalten muss (vgl. BGH, Urteil vom 18. Dezember 1989 - II ZR 34/89, NJW-RR 1990, 405 unter 3), auch für das neue Recht fest. Für den Fall der vorsätzlichen Obliegenheitsverletzung regelt § 28 Abs. 2 Satz 1 VVG ausdrücklich, dass der Vertrag bestimmen muss, dass der Versicherer bei Verletzung einer vom Versicherungsnehmer zu erfüllenden vertraglichen Obliegenheit nicht zur Leistung verpflichtet ist. Systematisch knüpft § 28 Abs. 2 Satz 2 VVG unmittelbar an die allgemeinen Voraussetzungen des § 28 Abs. 2 Satz 1 VVG an und ersetzt lediglich die vollständige Leistungsfreiheit nach § 28 Abs. 1 Satz 1 VVG für den Fall der groben Fahrlässigkeit durch ein Kürzungsrecht des Versicherers (MünchKomm-VVG/Wandt, § 28 Rn. 214; Schimikowski, r+s 2010, 195; Staudinger/Kassing aaO). Weiterhin finden sich in der Gesetzesbegründung (BT-Drucks. 16/3945, S. 69) keine Anhaltspunkte dafür, dass das Erfordernis einer vertraglichen Vereinbarung zwar für eine vollständige Leistungsfreiheit, nicht jedoch für teilweise Leistungsfreiheit erforderlich sein soll (MünchKomm-VVG/Wandt aaO).
35
bb) Die Vorschrift des § 28 Abs. 2 Satz 2 VVG kann nicht gemäß § 306 Abs. 2 BGB zur Lückenfüllung herangezogen werden. Bei Art. 1 Abs. 3 EGVVG handelt es sich um eine gesetzliche Sonderregelung, die in ihrem Anwendungsbereich die allgemeine Bestimmung des § 306 Abs. 2 BGB verdrängt.
36
(1) Das Gesetzgebungsverfahren belegt, dass der Gesetzgeber die Schließung von Vertragslücken, die durch die Anwendung der Regelungen des VVG 2008 entstehen, allein durch eine Wahrnehmung der Anpassungsoption des Art. 1 Abs. 3 EGVVG seitens des Versicherers zulassen wollte, um die erforderliche Transparenz des vertraglichen Regelwerkes zu gewährleisten (vgl. von Fürstenwerth aaO 224 f.; Rogler aaO). Zur Vermeidung des Aufwands für die Anpassung von Altverträgen an das VVG 2008 hatte der Bundesrat eine Regelung vorgeschlagen, "die bestehende Versicherungsbedingungen unter Berücksichtigung des fiktiven Willens der Vertragsparteien für den Fall der Kenntnis der neuen Rechtslage auslegt" (BR-Drucks. 707/06 [Beschluss], S. 10). Der Gesetzgeber hat diesen Vorschlag nicht aufgegriffen, sondern an der Anpassungsmöglichkeit des Art. 1 Abs. 3 EGVVG in seiner jetzigen Fassung festgehalten. Damit hat er nicht nur einer ergänzenden Vertragsauslegung eine Absage erteilt, sondern auch deutlich gemacht, dass es ohne eine Anpassung gemäß Art. 1 Abs. 3 EGVVG für den Versicherer keine Möglichkeit geben soll, aus der Verletzung vertraglicher Obliegen- heiten in Altverträgen nachteilige Rechtsfolgen für den Versicherungsnehmer abzuleiten.
37
(2) Die Heranziehung des § 28 Abs. 2 Satz 2 VVG über die allgemeine Bestimmung des § 306 Abs. 2 BGB widerspräche der in Art. 1 Abs. 3 EGVVG vorgenommenen Interessenabwägung zwischen Versicherern und Versicherungsnehmern bei der Anpassung von Allgemeinen Versicherungsbedingungen an das VVG 2008.
38
Hauptanliegen des Gesetzgebers bei der Reform des Versicherungsvertragsrechts war es, die Stellung des Versicherungsnehmers deutlich zu stärken und die Transparenz von Versicherungsbedingungen zu verbessern (vgl. Gesetzentwurf, BT-Drucks. 16/3945, S. 1). Vor diesem Hintergrund muss die Regelung des Art. 1 Abs. 3 EGVVG gesehen werden. Dem Gesetzgeber war das Problem der Unwirksamkeit von Allgemeinen Versicherungsbedingungen in Altverträgen durch Inkrafttreten des neuen Rechts bewusst. Deshalb hat er den Versicherern die Anpassungsoption des Art. 1 Abs. 3 EGVVG eingeräumt. Ein Versicherer kann die Unwirksamkeitsfolgen hiernach jedoch nur durch eine Anpassung seiner Allgemeinen Versicherungsbedingungen abwenden, indem er den Versicherungsnehmer in der durch Art. 1 Abs. 3 EGVVG geregelten Weise über die geänderte Vertragslage informiert (vgl. BT-Drucks. 16/3945, S. 118, wo die Bedingungsanpassung als "geboten" bezeichnet wird). Dies zeigt, dass es dem Gesetzgeber auch um eine rasche Umstellung auf transparente, neue Vertragswerke ging und er eine unterbliebene Vertragsumstellung durch den Wegfall der unwirksam gewordenen Vertragsbestimmung sanktionieren wollte (vgl. von Fürstenwerth aaO).
39
Dieses Regelungsgefüge würde unterlaufen, wenn dem Versicherer auch ohne Umstellung seiner Allgemeinen Versicherungsbedingungen die Anwendung der Rechtsfolgen des VVG 2008 auf Obliegenheitsverletzungen gestattet wäre. Das Anpassungsverfahren nach Art. 1 Abs. 3 EGVVG wäre in diesem Falle letztlich überflüssig. Eine Lückenfüllung durch § 28 Abs. 2 Satz 2 VVG über die allgemeine Bestimmung des § 306 Abs. 2 BGB hätte entgegen dem Zweck des Art. 1 Abs. 3 EGVVG zur Folge, dass für den Versicherungsnehmer mangels Übersendung angepasster Allgemeiner Versicherungsbedingungen eine völlig intransparente Sanktionsregelung Bestand hätte, bei der er dem Vertrag insbesondere nicht seine nach § 28 VVG 2008 erweiterten Verteidigungsmöglichkeiten entnehmen kann.
40
(3) Dem steht nicht entgegen, dass eine Vertragsumstellung mit hohen Kosten verbunden ist. Der hohe Umstellungsaufwand der Versicherer wurde im Gesetzgebungsverfahren gesehen (BR-Drucks. 707/06 [Beschluss], S. 10). Von der Bundesregierung wurde die Übergangsregelung mit Blick auf den erheblichen Anpassungsbedarf nochmals geprüft (vgl. BT-Drucks. 16/3945, S. 133). Danach hat der Gesetzgeber an Art. 1 Abs. 3 EGVVG in seiner jetzigen Fassung festgehalten.
41
Nicht durchdringen kann die Beklagte damit, dass es ihr auf Grund besonderer Umstände wie einem hohen Vertragsbestand, vieler unterschiedlicher Allgemeiner Versicherungsbedingungen und mehrerer EDVPlattformen faktisch unmöglich gewesen sei, alle Altverträge gemäß Art. 1 Abs. 3 EGVVG umzustellen, folglich der Gesetzgeber in Art. 1 Abs. 3 EGVVG eine zu kurze Umstellungsfrist bemessen habe und deshalb zur Wahrung des Rechtsstaatsprinzips an eine unterbliebene Umstellung keine negativen Folgen geknüpft werden dürften. Der Gesetzge- ber ist zutreffend davon ausgegangen, dass die durch Art. 1 EGVVG statuierte Anwendung des neuen Rechts auf Altverträge lediglich unechte Rückwirkung entfaltet (BT-Drucks. 16/3945, S. 118), da eine Norm auf gegenwärtig noch nicht abgeschlossene Sachverhalte und Rechtsbeziehungen für die Zukunft einwirkt (vgl. BVerfGE 123, 186, 257; 101, 239, 263). Gemessen am Rechtsstaatsprinzip des Art. 20 Abs. 3 GG ist die unechte Rückwirkung in der Regel zulässig (BVerfGE 123, 186, 257; 101, 239, 263). Aus dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit folgt das Erfordernis angemessener Übergangsregelungen (BVerfGE 67, 1, 15). Ob und in welchem Umfang Übergangsregelungen notwendig sind, muss einer Abwägung des gesetzlichen Zwecks mit der Beeinträchtigung der Betroffenen entnommen werden. Dabei steht dem Gesetzgeber ein erheblicher Spielraum zur Verfügung (BVerfGE 67, 1, 15). Überdies ist er bei Massenerscheinungen zu Typisierungen verfassungsrechtlich befugt (BVerfGE 103, 271, 290).
42
Indem der Gesetzgeber die in Art. 1 Abs. 3 EGVVG festgelegte Frist für angemessen erachtet hat, hat er weder seinen Gestaltungsspielraum überschritten noch den Bereich zulässiger Typisierung verlassen. Dies folgt zum einen daraus, dass die Beklagte für einige Versicherungssparten branchenweit eine weitgehende Umstellung der Altverträge gemäß Art. 1 Abs. 3 EGVVG eingeräumt hat und auch für die Sachversicherung nicht geltend macht, dass sämtliche oder die Mehrzahl der Versicherer die Anpassungsoption des Art. 1 Abs. 3 EGVVG nicht hätten wahrnehmen können. Zum anderen beruft sich die Beklagte auf Umstände , die gerade ihren spezifischen Vertragsbestand betreffen und unter anderem durch die Übernahme zahlreicher kleinerer Versicherer mit jeweils abweichenden Allgemeinen Versicherungsbedingungen und eine besondere Situation bei der EDV-Ausstattung bedingt sind. Derartige spezifische Einzelumstände muss der Gesetzgeber im Rahmen zulässiger Typisierung nicht in Rechnung stellen. Vor diesem Hintergrund ist auch für die Annahme eines Verstoßes gegen Art. 12 Abs. 1 GG kein Raum. Daher hat das Berufungsgericht dieses Vorbringen der Beklagten zu Recht als unerheblich betrachtet und auf eine weitere Sachaufklärung verzichtet.
43
(4) Eine andere Beurteilung ist nicht deshalb geboten, weil Art. 1 Abs. 3 EGVVG keine Verpflichtung zur Umstellung enthält, sondern der Gesetzgeber den Versicherern lediglich die Möglichkeit einräumt, ihre Bedingungen anzupassen. Damit hat der Gesetzgeber die Weiterverwendung der bisherigen Allgemeinen Versicherungsbedingungen für Altverträge zugelassen. Er hat jedoch zugleich an den Verzicht auf eine Vertragsanpassung die dargestellten Rechtsfolgen gekoppelt. Hierfür war es nicht notwendig, in Art. 1 Abs. 3 EGVVG eine besondere Unwirksamkeitsfolge bei nicht angepassten Allgemeinen Versicherungsbedingungen zu statuieren. Diese ergibt sich über Art. 1 Abs. 1 EGVVG aus der Anwendung des VVG 2008 auf Altverträge mit den Folgen der § 32 VVG und § 307 BGB.
44
(5) Entgegen der Ansicht der Revision steht die Nichtanwendung des § 28 Abs. 2 Satz 2 VVG in den Fällen unterbliebener Bedingungsanpassung nach Art. 1 Abs. 3 EGVVG nicht in Widerspruch zur Anwendung des Obliegenheitsrechts auf verhüllte Obliegenheiten. Zwar trifft es zu, dass in der Rechtsprechung des Senats bei verhüllten Obliegenheiten auf die gesetzliche Regelung des § 6 VVG a.F. zurückgegriffen wurde, obwohl es in den zu beurteilenden Klauseln keine Sanktionsregelung gab, da diese als Risikobegrenzung formuliert waren (Senatsurteile vom 24. Mai 2000 - IV ZR 186/99, VersR 2000, 969 unter 1 c; vom 29. No- vember 1972 - IV ZR 162/71, NJW 1973, 284 unter II 2). Indes stellt die Anwendung des § 6 VVG a.F. auf verhüllte Obliegenheiten nichts anderes als eine Lückenfüllung i.S. von § 306 Abs. 2 BGB dar. Die allgemeine Bestimmung des § 306 Abs. 2 BGB wird jedoch für den speziellen Bereich der erst durch Inkrafttreten des VVG 2008 unwirksam gewordenen Allgemeinen Versicherungsbedingungen durch die Sondervorschrift des Art. 1 Abs. 3 EGVVG verdrängt, die für die unwirksame Sanktionsregelung bei Verletzung vertraglicher Obliegenheiten gerade keine Schließung der Vertragslücke durch Rückgriff auf gesetzliche Regelungen zulässt. Aus dem dargestellten Zweck der Regelung und dem Gang des Gesetzgebungsverfahrens folgt, dass im Anwendungsbereich dieser Vorschrift eine Lückenfüllung bei unterbliebener Bedingungsanpassung ausgeschlossen ist.
45
cc) Eine ergänzende Vertragsauslegung scheidet aus.
46
(1) Grundsätzlich ist sie bei Unwirksamkeit einer Klausel in einem vorformulierten Vertrag möglich, wenn dispositive Gesetzesbestimmungen nicht zur Verfügung stehen, so dass das Regelungsgefüge eine Lücke aufweist (Senatsurteil vom 22. Januar 1992 - IV ZR 59/91, BGHZ 117, 92 unter 5). Voraussetzung hierfür ist, dass die ergänzende Vertragsauslegung nicht zu einer Erweiterung des Vertragsgegenstandes führt, es dem Versicherer gemäß § 306 Abs. 3 BGB ohne ergänzende Vertragsauslegung unzumutbar ist, an dem lückenhaften Vertrag festgehalten zu werden, und der ergänzte Vertrag für den Versicherungsnehmer typischerweise von Interesse ist. Liegen diese Voraussetzungen vor, tritt diejenige Gestaltungsmöglichkeit ein, die die Parteien bei sachgerechter Abwägung der beiderseitigen Interessen nach Treu und Glauben redlicher Weise vereinbart hätten, wenn ihnen die Unwirksamkeit der Klausel bekannt gewesen wäre (Senatsurteil vom 22. Januar 1992 aaO unter 6).
47
(2) Eine planwidrige Vertragslücke ist hier nicht anzunehmen. Die am hypothetischen Parteiwillen orientierte richterliche Vertragsergänzung soll eine Regelung herbeiführen, die die Parteien vereinbart hätten, wenn sie von der Unwirksamkeit der Klausel gewusst hätten. Dies bedeutet im Umkehrschluss, dass für eine richterliche Vertragsergänzung dann kein Raum ist, wenn der Verwender von der Unwirksamkeit der Klausel wusste und eine mögliche Vorsorge hiergegen nicht getroffen hat (vgl. Staudinger/Kassing aaO; Ulmer, NJW 1981, 2025, 2031). Vor diesem Hintergrund hat der Bundesgerichtshof eine ergänzende Vertragsauslegung abgelehnt, wenn der Verwender einer Klausel diese in Kenntnis ihrer Unwirksamkeit weiter verwendet (Urteil vom 4. Juli 2002 - VII ZR 502/99, BGHZ 151, 229 unter B II 2 c). Gleiches muss gelten, wenn der Verwender in Kenntnis der Unwirksamkeit einer Klausel die gesetzlich eingeräumte Möglichkeit zu ihrer einseitigen Ersetzung durch eine gültige Regelung nicht wahrnimmt (insoweit abweichend der Sachverhalt in BGH, Urteil vom 1. Februar 1984 - VIII ZR 54/83, BGHZ 90, 69, 74). Für eine richterliche Vertragsergänzung ist dann kein Raum mehr.
48
Den Versicherern war spätestens mit Verkündung des Gesetzes zur Reform des Versicherungsvertragsrechts im November 2007 (BGBl. I S. 2631) bekannt, dass das neue Versicherungsvertragsgesetz gemäß Art. 1 Abs. 1 EGVVG ab 1. Januar 2009 auf Altverträge anzuwenden sein wird. Damit war klar, dass die an § 6 VVG a.F. orientierten Klauseln über die Rechtsfolgen der Verletzung vertraglicher Obliegenheiten im Hinblick auf §§ 28, 32 VVG, § 307 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 Nr. 2 BGB künftig unwirksam werden. Gleichzeitig bestand Kenntnis von der Möglichkeit, über die Wahrnehmung der Anpassungsoption des Art. 1 Abs. 3 EGVVG selbst Vorsorge durch Anpassung der betroffenen Klauseln zu treffen. Wenn der Verwender eine derartige Möglichkeit zur Schließung einer Vertragslücke nicht ergreift und diese Lücke - etwa wegen der hiermit verbundenen Umstellungskosten - hinnimmt, dann kann von einer planwidrigen Vertragslücke, die durch subsidiäre richterliche Vertragsergänzung geschlossen werden müsste, nicht mehr die Rede sein (vgl. Staudinger /Kassing, aaO).
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(3) Gesetzesgeschichte und Regelungssystematik des Art. 1 Abs. 3 EGVVG sprechen wie oben unter bb) (1) dargelegt gegen die Möglichkeit einer ergänzenden Vertragsauslegung. Die Situation ist anders als bei den Übergangsvorschriften des Schuldrechtsmodernisierungsgesetzes (zur ergänzenden Vertragsauslegung dort BAG NJW 2005, 1820), da in Art. 229 § 5 EGBGB die in Art. 1 Abs. 3 EGVVG eingeräumte Anpassungsoption für Altverträge gerade nicht vorgesehen wurde (Fahl/Kassing aaO; Maier aaO; Staudinger/Kassing aaO). Die sich im Zuge der Schuldrechtsmodernisierung ergebende Frage, wie mit langfristig angelegten Formularverträgen ohne die Möglichkeit der einseitigen Änderung von Allgemeinen Geschäftsbedingungen umzugehen ist, stellt sich daher hier nicht.
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(4) Dem Versicherer ist es nicht unzumutbar, an dem lückenhaften Vertrag festgehalten zu werden.
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Ob eine unzumutbare Härte vorliegt, ist im Wege der Interessenabwägung zu ermitteln; zu berücksichtigen ist nicht nur die nachteilige Veränderung der Austauschbedingungen für den Verwender der Allgemeinen Geschäftsbedingung, sondern auch das berechtigte Interesse des anderen Teils an der Aufrechterhaltung des Vertrags (BGH, Urteil vom 22. Februar 2002 - V ZR 26/01, NJW-RR 2002, 1136 unter II 3). Unzumutbar kann das Festhalten am Vertrag dann sein, wenn infolge der Unwirksamkeit einer Klausel das Vertragsgleichgewicht grundlegend gestört ist. Allerdings genügt nicht schon jeder wirtschaftliche Nachteil des Verwenders, sondern es ist eine einschneidende Störung des Äquivalenzverhältnisses erforderlich, die das Festhalten am Vertrag für ihn unzumutbar macht (BGH, Urteil vom 22. Februar 2002 aaO).
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Diese Voraussetzungen liegen nicht vor, wenn der Versicherer aus der Verletzung vertraglicher Obliegenheiten keine Sanktionen mehr herleiten kann. Denn das Gesetz bietet dem Versicherer zahlreiche Auffangregelungen , zu denen die Regelungen über die Gefahrerhöhung gemäß §§ 23 ff. VVG, die Bestimmungen über die Herbeiführung des Versicherungsfalles nach § 81 VVG und die Obliegenheiten nach § 82 VVG gehören (vgl. Päffgen, VersR 2011, 837, 838 ff.; Stockmeier, VersR 2011, 312, 315 ff.). Der Senat verkennt nicht, dass diese Regelungen nicht das gesamte Spektrum möglicher vertraglicher Obliegenheiten abbilden , von anderen Tatbestandsvoraussetzungen abhängen und für den Versicherer verglichen mit den vertraglichen Obliegenheiten prozessuale Nachteile wie das Fehlen gesetzlicher Vermutungen zu grober Fahrlässigkeit und Kausalität bei § 81 Abs. 2 VVG mit sich bringen. Insofern verschiebt sich das Vertragsgleichgewicht zu Ungunsten des Versicherers. Die genannten gesetzlichen Auffangregelungen verhindern jedoch, dass das Vertragsgleichgewicht grundlegend gestört ist (vgl. Schimikowski aaO 196). Zudem spricht die bewusst getroffene Entscheidung, die gesetzlich eingeräumte Anpassungsmöglichkeit nicht wahrzunehmen, ebenfalls gegen die Unzumutbarkeit.
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4. Die Beklagte kann ihre Leistung auch nicht gemäß § 26 Abs. 1 Satz 2 VVG wegen einer Gefahrerhöhung kürzen. Das Berufungsgericht hat zu Recht bemängelt, dass der Sachvortrag der Beklagten zu den Voraussetzungen des §§ 23 ff. VVG keine Ausführungen zur Dauerhaftigkeit der von ihr behaupteten Gefahrerhöhung enthält.
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5. Die weitere Auffassung des Berufungsgerichts, der Sachvortrag der Beklagten zur grob fahrlässigen Herbeiführung des Versicherungsfalles gemäß § 81 VVG durch den Kläger sei nicht hinreichend substantiiert , hält rechtlicher Überprüfung indes nicht stand.
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Nach ständiger Rechtsprechung genügt eine Partei ihrer Darlegungslast , wenn sie Tatsachen vorträgt, die in Verbindung mit einem Rechtssatz geeignet sind, das geltend gemachte Recht als in ihrer Person entstanden erscheinen zu lassen. Genügt das Parteivorbringen diesen Anforderungen, kann der Vortrag weiterer Einzelheiten nicht verlangt werden. Es ist vielmehr Sache des Tatrichters, in die Beweisaufnahme einzutreten, um dort eventuell weitere Einzelheiten zu ermitteln (Senatsbeschluss vom 23. September 2009 - IV ZR 152/08, IPRspr. 2009 Nr. 216 unter II 2 m.w.N.). Die Beklagte hat unter Benennung konkreter Außentemperaturen am Ort des Gebäudes und unter Beweisantritt eines Sachverständigengutachtens vorgetragen, dass die zum Schadenhergang notwendige Auskühlung des Gebäudes nur deshalb erreicht werden konnte, weil das Gebäude bereits vor dem vom Kläger behaupteten Heizungsausfall nicht ordnungsgemäß beheizt war. Damit hat sie eine grob fahrlässige Herbeiführung des Leitungswasserschadens seitens des Klägers in ausreichender Weise geltend gemacht. An diesem Sachvortrag war sie nicht dadurch gehindert, dass sie ihre vorgerichtliche Leistungsablehnung noch nicht auf die grob fahrlässige Herbeiführung eines Ver- sicherungsfalles gemäß § 81 VVG gestützt hatte (vgl. Senatsurteil vom 30. November 2005 - IV ZR 154/04, BGHZ 165, 167 unter II 2 b).
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Das Berufungsgericht wird daher den Sachverhalt weiter aufzuklären haben. Bei den Anforderungen an eine genügend häufige Kontrolle der Beheizung des versicherten Gebäudes in der kalten Jahreszeit wird es dabei zu berücksichtigen haben, dass das jeweils erforderliche Kontrollintervall vom Tatrichter an Hand der Umstände des Einzelfalles zu bestimmen und dabei allein zu Grunde zu legen ist, in welchen Intervallen die jeweils eingesetzte Heizungsanlage nach der Verkehrsanschauung und Lebenserfahrung mit Blick auf ihre Bauart, ihr Alter, ihre Funktionsweise , regelmäßige Wartung, Zuverlässigkeit, Störanfälligkeit und ähnliches kontrolliert werden muss; unerheblich ist dagegen, welcher Zeitablauf nach einem unterstellten Heizungsausfall im ungünstigsten Fall bis zum Schadeneintritt zu erwarten ist (Senatsurteil vom 25. Juni 2008 - IV ZR 233/06, VersR 2008, 1207 Rn. 14 ff.).
Dr. Kessal-Wulf Wendt Felsch
Lehmann Dr. Brockmöller
Vorinstanzen:
LG Köln, Entscheidung vom 21.01.2010- 24 O 458/09 -
OLG Köln, Entscheidung vom 17.08.2010 - 9 U 41/10 -