Saarländisches Oberlandesgericht Saarbrücken Urteil, 16. Feb. 2011 - 1 U 574/09 - 153

bei uns veröffentlicht am16.02.2011

Tenor

I. Die Berufung der Beklagten zu 1 und 2 gegen das am 16.10.2009 verkündete Zwischenurteil des Landgerichts Saarbrücken – 17 KFH O 152/08 – wird zurückgewiesen.

II. Die Beklagten zu 1 und 2 tragen die Kosten des Berufungsverfahrens.

III. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Den Beklagten zu 1 und 2 wird nachgelassen, die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110% des vollstreckbaren Betrages abzuwenden, wenn nicht die Klägerin vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.

IV. Die Revision wird nicht zugelassen.

Gründe

A.

Die Parteien streiten in zweiter Instanz um die internationale Zuständigkeit des Landgerichts Saarbrücken.

Die Klägerin ist eine GmbH, die zusammen mit mit vier weiteren Verzinkereien die S. Verzinkerei bildet. Die Klägerin beschäftigt sich unter anderem mit der Verzinkung von Stahlbaukonstruktionen für große Bauvorhaben. Diese Verzinkung dient dem Korrosionsschutz. Bei dem Verzinkungsvorgang werden die von Stahlbauunternehmen erstellten Konstruktionsteile nach einer Vorbehandlung in den Verzinkungskesseln der Klägerin in einem Zinkbad verzinkt.

Bei der Beklagten zu 1 handelt es sich um eine nach belgischem Recht gegründete und eingetragene société anonyme, also um eine Aktiengesellschaft belgischen Rechts, mit Sitz in B.. Sie gehört zum U. Konzern, der bis in das Jahr 2006 weltweit in der Entwicklung, Verarbeitung und im Vertrieb von Zinkprodukten tätig war. Die Beklagte zu 1 behauptet, ihren Geschäftsbereich „z. a.“ Ende des Jahres 2006 auf die Beklagte zu 2, bei der es sich ebenfalls um eine nach belgischem Recht gegründete und eingetragene société anonyme mit Sitz in B2 handelt, ausgegliedert zu haben, wodurch sämtliche Ansprüche und Forderungen im Hinblick auf die streitgegenständliche Problematik auf die Beklagte zu 2 übergegangen seien.

Die Klägerin setzte ab dem 1.8.2002 bei der Verzinkung die von der Beklagten zu 1 entwickelte und produzierte sog. „G. - Legierung“ ein. Die „G. – Legierung“ fungierte als ein Bestandteil – neben anderen – der von der Klägerin für den Verzinkungsvorgang verwendeten Zinkbäder. Die G. – Legierung der Beklagten wurde von einer Vertriebsgesellschaft, der Fa. U. M. S. Deutschland GmbH mit Sitz in E., auf dem deutschen Markt vertrieben. Die Klägerin und die Beklagte zu 1 standen bereits vor der Einführung der „G. - Legierung“ in einer laufenden Geschäftsverbindung.

Es ist zwischen den Parteien unstreitig, dass die Klägerin im Vorfeld der Einführung, in der Einführungsphase und auch noch später im Rahmen der Anwendung der „G. – Legierung“ in ihrem Betrieb in S. durch den seinerzeitigen Leiter des Anwendungsbereiches der Beklagten zu 1 – Herrn Dr. R. P. – beratend begleitet wurde, wobei die Parteien jedoch über den Umfang und den Inhalt der Beratung streiten sowie auch darüber, ob die Beratung zu einem eigenständigen Beratungsvertrag zwischen der Klägerin und der Beklagten zu 1 geführt hat oder ob es sich bei der Beratung nur um eine „Serviceleistung“ der Beklagten zu 1 als Herstellerin „G. – Legierung“ gegenüber der Klägerin als Kundin handelte.

Ab dem Jahr 2005 trat an verschiedenen, mit der „G. – Legierung“ verzinkten Stahlelementen das Phänomen von „LME – Rissen“ auf, wobei die Ursache und die Verantwortlichkeit für diese Risse zwischen den Parteien im Streit steht.

Die Klägerin nimmt die Beklagte zu 1 in dem dem Berufungsverfahren zugrunde liegenden Verfahren des Landgerichts Saarbrücken – Kammer für Handelssachen – Az. 17 KFH O 152/08 - auf Feststellung der Verpflichtung in Anspruch, sämtliche bereits eingetretenen und zukünftig eintretende Schäden zu ersetzen, die darauf zurückzuführen sind, dass während des Verzinkungsvorgangs einschließlich der gesamten Vorbehandlung, insbesondere durch die in den Verzinkungsbädern der Klägerin auf ihrem Werksgelände im Zeitraum vom 1.8.2002 - 31.5.2006 verwendeten Zinkschmelzen, Schäden, insbesondere in Form von Rissbildungen an den verzinkten Stahlbauteilen betreffend zwei konkret genannte Bauvorhaben in B.-M. und in R., eingetreten sind, Bl. 5 GA.

Die Klägerin hatte diese Feststellungsklage ursprünglich im Verbund mit den vier anderen Verzinkereien der S. Verzinkerei vor dem Landgericht Essen erhoben. Das Landgericht Essen hat allerdings mit Beschluss vom 22.10.2008 die fünf Verfahren getrennt, sich in allen fünf Verfahren für örtlich unzuständig erklärt und die Feststellungsklage der hiesigen Klägerin gegen die Beklagte zu 1 unter Bezugnahme auf Art. 5 Nr. 1 b EuGVVO an das Landgericht Saarbrücken verwiesen, Bl. 218/219 GA. Mit Schriftsatz vom 23.12.2008 hat die Klägerin ihre Klage auf die Beklagte zu 2 erweitert. Das Verfahren der Klägerin gegen die Beklagte zu 2 hat das Landgericht Saarbrücken nach Erlass des angefochtenen Zwischenurteils, das sich noch auf beide Beklagte bezieht, mit Beschluss vom 16.10.2009, Bl. 383 f. GA, abgetrennt.

Die Klägerin vertritt die Ansicht, zwischen ihr und der Beklagten zu 1 sei ein Vertrag über die Beratung der Klägerin bei der Einführung wie auch bei der weiteren Anwendung der sogenannten „G. – Legierung“ zu Stande gekommen. Sie stützt sich zur Begründung ihres Feststellungsantrages darauf, dass die Beratung in einer zur Haftung der Beklagten zu 1 führenden Weise fehlerhaft gewesen sei.

Der eigenständige vertragliche Charakter der Beratungstätigkeit der Beklagten zu 1 ergebe sich aus der Bedeutung der Beratungstätigkeit für die Klägerin, dem Umfang, der Intensität sowie der mehrjährigen Dauer der Beratungstätigkeit, Bl. 32, 238 GA.

Die Klägerin behauptet, die Beratungstätigkeit des Herrn Dr. P. habe in der Ermittlung der für die Klägerin optimalen Zusammensetzung ihrer Verzinkungbäder, insbesondere auch in der Vorgabe des Zinn (Sn) – Anteils in den Zinkbädern der Klägerin, bestanden, Bl. 118 GA. Zu den Beratungstätigkeiten im Einzelnen hätten u.a. wöchentliche Analysen der Zinkbadzusammensetzung in den Laboren der Beklagten zu 1, eine anschließende Bewertung durch Herrn Dr. P., regelmäßige Besuche bzw. Ortstermine des Herrn Dr. P. bei der Klägerin, regelmäßige Erörterungen mit der Werksleitung und letzten Endes die abschließende Analyse und Bewertung der Zusammensetzung der Zinkbäder gehört. Auf Beratung und Anweisung von Herrn Dr. P. hätten sich die Zinkbäder der Klägerin wie folgt zusammengesetzt, Bl. 117 GA:

- 37,5 % Special - High - Great Zinc

- 37,5 % Hüttenrohzink

- 25 % „G. – Legierung“

Die Klägerin behauptet, sie habe die Zusammensetzung der ihr in Blöcken angelieferten „G. – Legierung“ nicht verändern können, Bl. 33 GA.

Die Klägerin behauptet, sie habe ohne die Beratungsleistungen der Beklagten zu 1 in Person des Herrn Dr. P. weder die „G. - Legierung“ einführen, noch sie anschließend anwenden können. Die chemische und metallurgische Steuerung und Betreuung der Verzinkungsbäder habe vollständig der Beklagten zu 1 oblegen. Die Beratung habe sowohl die wirtschaftlichen wie auch die technischen Anforderungen der Umstellungen abgedeckt.

Die Klägerin behauptet weiter, die Beratungstätigkeit der Beklagten zu 1 durch Herrn Dr. P. sei fehlerhaft gewesen, Bl. 33 GA. Sie behauptet, bei zwei Bauvorhaben in B.-M. und in R. seien an von ihr mit der „G. - Legierung“ verzinkten Stahlelementen „LME – Risse“ aufgetreten. Sie behauptet, diese „LME – Risse“ seien auf die Legierung der Beklagten zu 1 zurückzuführen, konkret seien die Risse infolge eines zu hohen Zinngehaltes in der Zinkschmelze, zurückzuführen auf die „G. Legierung“, entstanden; dies habe eine Begutachtung durch Herrn Prof. Dr. M. F. ergeben, Bl. 33 GA. Damit habe die Beklagte zu 1 die ihr aus dem Beratungsvertrag obliegenden Verpflichtungen schuldhaft verletzt, da sie nicht ausreichend sorgfältig die Bedeutung des Zinns (Sn) in der Schmelze berücksichtigt habe, Bl. 34 GA..

Im Wege der Hilfsbegründung stützt die Klägerin ihren Feststellungsantrag auf Produkthaftungsansprüche. Diesbezüglich beruft sich die Klägerin darauf, dass die von der Beklagten zu 1 entwickelte und in Verkehr gebrachte „G. - Legierung“ einen unzulässig hohen Zinn – Anteil aufgewiesen habe und insoweit ein Produktmangel vorliege, Bl. 139 GA. Für eine Durchsetzung der Produkthaftungsansprüche bedürfe es nach dem hier einschlägigen belgischen Recht keiner Rechtsgutverletzung i.S.d. § 823 BGB, Bl. 214 GA.

Die Beklagte zu 2 hafte, für den Fall der Übertragung des Geschäftsbetriebes „z. a.“ auf sie, solidarisch bzw. gesamtschuldnerisch neben der Beklagten zu 1.

Die Klägerin hat zur Frage der internationalen und örtlichen Zuständigkeit des Landgerichts Saarbrücken die Ansicht vertreten, diese ergebe sich aus Art. 5 Nr. 1 EuGVVO. Hiernach könne die Beklagte zu 1 mit Sitz in Belgien an dem Ort verklagt werden, an dem sie ihre Beratungstätigkeit erbracht habe. Die Beklagte zu 1 habe ihre Beratungstätigkeit durch Herrn Dr. P. umfangreich

- im Vorfeld der Einführung der G. – Legierung,

- in der Phase der Einführung der G. – Legierung,

- in der anschließenden Phase der Anwendung der G. – Legierung,

im Betrieb der Klägerin in S. erbracht, Bl. 229 GA.

Hilfsweise hat sich die Klägerin auf die Regelung des Art. 5 Nr. 3 EuGVVO bzw. § 32 ZPO berufen, ausweislich derer die Beklagte zu 1 an dem Ort, an dem das schädigende Ereignis eingetreten sei, verklagt werden könne, Bl. 51, 336 GA.

Die Beklagten haben die internationale Zuständigkeit gerügt.

Sie ergebe sich nicht aus Art. 5 Ziff. 1 a EuGVVO. Es habe zu keinem Zeitpunkt eine vertragliche Beratungsverpflichtung der Beklagten zu 1 bestanden. Ein eigenständiger Beratungsvertrag bestehe nicht. Dieser ergebe sich insbesondere auch nicht aus dem Tätigwerden des Mitarbeiters der Beklagten zu 1 Herrn Dr. P. im Zusammenhang mit der Einführung der „G. - Legierung“ und der Umstellung des Zinkbades bei der Klägerin. Bei dem Tätigwerden des Herrn Dr. P. habe es sich um reine Instruktionen zur Verwendung der „G. - Legierung“ gehandelt, die darauf abgezielt hätten, eine normgerechte Zusammensetzung des Zinkbades nach der Norm EN ISO 1461 zu erreichen. Etwaige Hinweise des Herrn Dr. P. zur Verwendung der „G. - Legierung“ hätten zur Serviceleistung der Beklagten zu 1 im Rahmen der Einführung der Legierung und der Umstellung des Zinkbades gehört. Zu keinem Zeitpunkt seien konkrete Empfehlungen zur Eignung der „G. - Legierung“ für bestimmte Bauvorhaben erfolgt. Ein Anspruch der Klägerin aufgrund eines etwaigen Beratungsverschuldens bestehe daher nicht.

Weiterhin ergebe sich die internationale Zuständigkeit auch nicht aus Art. 5 Ziff. 3 EuGVVO als Gerichtsstand einer außervertraglichen deliktischen Rechtsverletzung. Einen solchen außervertraglichen Anspruch trage die Klägerin nicht vor. Es fehle auch an einer Rechtsgutsverletzung. Darüberhinaus sei Voraussetzung für eine Produkthaftung das Vorliegen eines Produktmangels. Einen Produktmangel in dem Sinne, dass die „G. - Legierung“ ungeeignet für das Verzinken von Stahlbauteilen und ursächlich für Rissbildungen sei, weise diese nicht auf. Die „G. – Legierung“ habe zum Zeitpunkt des Inverkehrbringens dem erkennbaren und ermittelbaren Stand von Wissenschaft und Technik entsprochen und sei somit mangelfrei gewesen. Allein die Verwendung des Zinns in der Zinklegierung führe nicht dazu, dass eine mangelhafte Zinkschmelze zum Einsatz gekommen sei.

Das Landgericht hat über die Zulässigkeit der Klage abgesondert verhandelt und durch Zwischenurteil vom 16.10.2009, Bl. 379 ff. GA, auf dessen tatsächliche Feststellungen gemäß § 540 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 ZPO Bezug genommen wird, festgestellt, dass es für die Entscheidung des Rechtsstreits „international örtlich zuständig“ sei.

Gegen dieses Urteil haben die beiden Beklagten Berufung eingelegt.

Sie machen geltend, die der Entscheidung zu Grunde zu legenden Tatsachen rechtfertigten eine andere Entscheidung, zudem beruhe das Urteil auf einer Rechtsverletzung.

Um die internationale Zuständigkeit gemäß Art. 5 Ziff. 1 EuGVVO zu begründen, müsse es sich um eine Klage aus einem Vertrag handeln. Tatsächlich habe die Klägerin weder schlüssig vorgetragen, dass es zwischen den Parteien einen Beratungsvertrag gegeben habe, noch, dass Beratungsleistungen am Unternehmenssitz der Klägerin erbracht worden seien, Bl. 426 GA.

Soweit im Urteil des Landgerichts ausgeführt werde, dass es für die Bestimmung der internationalen und örtlichen Zuständigkeit ausschließlich auf den Vortrag des Klägers ankomme, bedeute dies nicht, dass das Gericht allein auf eine pauschale Rechtsbehauptung der Klägerseite, vorliegend den Beratungsvertrag, ungeprüft abstellen dürfe. Vielmehr müsse von der Klägerseite ein Sachverhalt zumindest schlüssig vorgetragen werden, der die Subsumtion unter den Rechtsbegriff „Beratungsvertrag“ zulasse.

Das Urteil des Landgerichts sei insoweit fehlerhaft, als das Landgericht auf der Grundlage der bloßen Rechtsbehauptung der Klägerin, dass zwischen der Klägerin und der Beklagten zu 1 ein Beratungsvertrag zustandegekommen sei, angenommen habe, dass es nach Art. 5 Ziff. 1 a EuGVVO international und örtlich zuständig sei. Es fehle in der Entscheidung eine rechtliche Bewertung, ob der Vortrag der Klägerin überhaupt die Subsumtion des Vorliegens eines Beratungsvertrages rechtfertige.

Selbst wenn man von einem Beratungsvertrag ausginge, sei damit noch nichts über den Erfüllungsort gesagt. Nach Art. 5 Nr. 1 a EuGVVO sei das Gericht an dem Ort zuständig, „an dem die Verpflichtung erfüllt worden ist oder zu erfüllen wäre“, die Gegenstand der Klage sei. Es komme hierbei entgegen der vom Landgericht vertretenen Auffassung nicht auf den Erfüllungsort für die vertragscharakteristische Leistung, sondern auf den materiellen Anspruch an, der Gegenstand des Rechtsstreits sei. Die Bestimmung des Erfüllungsortes habe nach dem Recht zu erfolgen, das nach dem internationalen Privatrecht des Gerichtsstandes maßgeblich sei. Nach Art. 28 Abs. 2 EGBGB sei danach belgisches Recht für die Bestimmung des Erfüllungsortes der in Streit stehenden vertraglichen Verpflichtungen anwendbar, Bl. 428 GA. Nach belgischem Recht gebe es keine ausdrückliche Normierung zum Erfüllungsort der Verpflichtung eines Beratungsvertrages. Abzustellen sei auf die allgemeine vertragliche Regelung. Diese sei in Art. 1247 des Belgischen Zivilgesetzbuches festgelegt. Danach bestimme sich der Erfüllungsort nach einer ausdrücklichen vertraglichen Vereinbarung der Parteien. Eine solche sei vorliegend nicht gegeben. In Ermangelung einer vertraglichen Vereinbarung sei der Erfüllungsort der Vertragspflichten am Sitz des Schuldners. Dies sei bei der Beklagten zu 1 in Belgien, Bl. 428 GA. Nach alldem sei bei Anwendung von Art. 5 Nr. 1 a EuGVVO die internationale Zuständigkeit nicht beim Landgericht Saarbrücken, sondern bei dem jeweils örtlich zuständigen belgischen Gericht begründet.

Die Zuständigkeit des Landgerichts Saarbrücken lasse sich auch nicht mit Art. 5 Nr. 1 b EuGVVO begründen. Insoweit haben die Beklagten im Termin zur mündlichen Verhandlung am 26.1.2011 zunächst klargestellt, dass zwischen den Parteien keine kaufvertraglichen Beziehungen bestehen, weshalb eine Zuständigkeit nach Art. 5 Nr. 1 b, 1. Spiegelstrich EuGVVO ausscheide. Auch aus Art. 5 Nr. 1 b, 1. Spiegelstrich EuGVVO lasse sich die Zuständigkeit nicht stützen, da die vorliegend streitige angebliche Beratungsleistung mangels Entgeltlichkeit nicht zu den Dienstleistungen im Sinne von Art. 5 Nr. 1 b EuGVVO gehöre.

Auch aus anderen Gesichtspunkten, insbesondere Art. 5 Nr. 3 EuGVVO, komme eine internationale Zuständigkeit des Landgerichts Saarbrücken nicht in Betracht.

Die Klage sei daher mangels internationaler Zuständigkeit insgesamt als unzulässig abzuweisen.

Die Beklagten zu 1 und 2 beantragen,

das Zwischenurteil des Landgerichts Saarbrücken vom 16.10.2009, Az. 17 KFH O 152/08, aufzuheben und die Klage abzuweisen.

Die Klägerin beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Die Klägerin tritt der Berufung nach Maßgabe ihres bisherigen Prozessvortrages entgegen und verteidigt das angefochtene Urteil.

Für die Bestimmung der internationalen und örtlichen Zuständigkeit komme es ausschließlich auf den Vortrag der Klägerin an. Nicht nachvollziehbar sei, wie die Beklagte vortragen könne, der Sachvortrag der Klägerin zu den erbrachten Beratungsleistungen sei zu pauschal. Hier sei der Beklagten offenbar der Vortrag der Klägerin insbesondere aus dem Schriftsatz vom 16.12.2008 entgangen.

Die von der Beklagten vertretene Auffassung, für die Bestimmung des Erfüllungsortes im Sinne des Art. 5 Nr. 1 a EuGVVO sei nicht auf den Erfüllungsort der gerügten und streitgegenständlichen „vertraglichen Leistungen“ (Beratung), sondern auf den Erfüllungsort des geltend gemachten materiellen Anspruchs, der Gegenstand des Rechtsstreits sei (Schadensersatz) abzustellen, sei nicht zutreffend. Es komme in einem Rechtsstreit über die Folgen der Verletzung einer vertraglichen Pflicht, bei dem die Klage auf Schadensersatz gestützt wird, für die Anwendung des Art. 5 Nr. 1 EuGVVO ausschließlich auf die Verpflichtung an, deren Verletzung zur Anspruchsbegründung geltend gemacht werde. Vorliegend habe die Beklagte zu 1 ihre Beratungsleistung durch ihren seinerzeitigen Leiter der Anwendungsabteilung – Herr Dr. P. – umfangreich im Vorfeld der Einführung der G. - Legierung, in der eigentlichen Einführungsphase selbst wie auch in der anschließenden Phase der Anwendung im Betrieb der Klägerin in S. erbracht. Mithin sei S. Erfüllungsort im Sinne des Art. 5 Nr. 1 EuGVVO. Entgegen der von den Beklagten vertretenen Auffassung bedürfe es nicht der Bestimmung des Erfüllungsortes nach Art. 28 Abs. 2 EGBGB. Entscheidend sei die faktische Beratungstätigkeit der Beklagten zu 1 auf dem Betriebsgelände der Klägerin in S.. Vorsorglich bestreitet die Klägerin, dass der Erfüllungsort für die Vertragspflichten wie auch für einen Schadensersatzanspruch in Belgien liege.

Wegen des Sach- und Streitstandes im Übrigen wird auf die zwischen den Parteien in der Berufungsinstanz gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen sowie auf die Sitzungsniederschrift vom 26.1.2011, Bl. 462 f. GA, Bezug genommen.

B.

I.

Die Berufung ist statthaft. Das Landgericht hat nach abgesonderter Verhandlung durch Zwischenurteil seine internationale Zuständigkeit festgestellt. Gemäß § 280 Abs. 2 ZPO ist das Zwischenurteil in Betreff des Rechtsmittels als Endurteil anzusehen und mit der Berufung selbständig anfechtbar.

Die Beklagte kann die Berufung entgegen der Vorschrift des § 513 Abs. 2 ZPO darauf stützen, dass das Landgericht seine Zuständigkeit zu Unrecht angenommen hat. Die internationale Zuständigkeit deutscher Gerichte ist als eine von der örtlichen Zuständigkeit zu unterscheidende, selbstständige Prozessvoraussetzung in jedem Verfahrensabschnitt, auch in der Rechtsmittelinstanz, von Amts wegen zu prüfen. Daher kann entgegen dem zu allgemein gefassten Wortlaut des § 513 Abs. 2 ZPO, wonach mit Rechtsmitteln nicht gerügt werden kann, dass die erste Instanz die örtliche Zuständigkeit zu Unrecht bejaht hat, das Fehlen der internationalen Zuständigkeit in der Rechtsmittelinstanz, auch dann gerügt werden, wenn das Erstgericht sie unzutreffend angenommen hat (BGH, Urteil vom 28.11.2002 - III ZR 102/02, zitiert nach Juris; OLG Köln, Urteil vom 24.3.2010 - 17 U 60/09, I-17 U 60/09, zitiert nach Juris; Geimer, Internationales Zivilprozessrecht, 6. Auflage, Rn. 1009).

Da das Rechtsmittel im Übrigen auch form- und fristgerecht eingelegt sowie ordnungsgemäß begründet worden ist, ist die Berufung insgesamt gemäß §§ 511, 513, 517, 519 und 520 ZPO zulässig.

II.

In der Sache hat die Berufung jedoch keinen Erfolg. Das angefochtene Zwischenurteil beruht weder auf einer Rechtsverletzung, § 546 ZPO, noch ergibt sich auf der nach den §§ 529, 531 ZPO maßgeblichen Tatsachengrundlage eine den Beklagten zu 1 und 2 vorteilhaftere Entscheidung.

Das Landgericht hat in seinem Zwischenurteil vom 16.10.2009 die internationale Zuständigkeit der deutschen Gerichtsbarkeit zu Recht angenommen.

1.

Dabei geht das Landgericht zunächst vom Ausgangspunkt zutreffend davon aus, dass sich die internationale Zuständigkeit vorliegend nach der Verordnung (EG) Nr. 44/2001 vom 22.12.2000 (im Folgenden: EuGVVO) beurteilt, denn beide Parteien haben ihren Sitz in einem Mitgliedsstaat der Europäischen Union und die Klage ist nach dem 1.3.2002 erhoben worden, Art. 1, 2, 66 Abs. 1, 76 EuGVVO.

Nach der EuGVVO ist eine Person, die ihren Sitz im Hoheitsgebiet eines Mitgliedstaates hat, im Regelfall vor den Gerichten dieses Staates zu verklagen, Art. 2 Abs. 1 EuGVVO. Hiervon abweichend können in einem Vertragsstaat ansässige Personen auch vor den Gerichten eines anderen Vertragsstaates verklagt werden, wenn dort einer der in Art. 5 ff. EuGVVO genannten Wahlgerichtsstände besteht, Art. 3 Abs. 1 EuGVVO. Von dem Grundsatz, dass das Gericht des Vertragsstaates zuständig ist, in dessen Vertragsgebiet der Beklagte seinen Wohnsitz hat – bzw. bei juristischen Personen wie hier – die Beklagten ihren satzungsmäßigen Sitz haben, Art. 60 EuGVVO, darf demnach nur in den ausdrücklich geregelten Fällen eine Ausnahme gemacht werden. Bei der Anwendung der Ausnahmeregelungen sind die dort verwendeten Begriffe ganz überwiegend gemeinschaftsrechtsautonom auszulegen, wobei in erster Linie die Systematik und die Zielsetzung des Übereinkommens berücksichtigt werden müssen. Zu diesen Zielen gehört es insbesondere, die Zuständigkeitsregeln für die Gerichte der Vertragsstaaten zu vereinheitlichen und den Rechtsschutz für die in der Gemeinschaft niedergelassenen Personen dadurch zu verbessern, dass ein Kläger ohne Schwierigkeiten festzustellen vermag, welches Gericht er anrufen kann und einem verständigen Beklagten erkennbar wird, vor welchem Gericht er verklagt werden kann (OLG Düsseldorf, Urteil vom 3.9.2010 – I-17 U 169/09, zitiert nach Juris).

2.

Die internationale Zuständigkeit der deutschen Gerichtsbarkeit folgt – soweit die Klägerin sich auf vertragliche Ansprüche wegen eines Beratungsfehlers stützt - aus Art. 5 Nr. 1 a EuGVVO. Die hiergegen gerichteten Berufungsangriffe bleiben ohne Erfolg.

a.

Nach Art. 5 Nr. 1 a EuGVVO kann eine Person, die ihren Wohnsitz in dem Hoheitsgebiet eines Mitgliedstaats hat, vor dem Gericht desjenigen Ortes, an dem die Verpflichtung erfüllt worden ist oder zu erfüllen wäre, verklagt werden, wenn ein Vertrag oder Ansprüche aus einem Vertrag den Gegenstand des Verfahrens bilden.

Für den Verkauf beweglicher Sachen oder der Erbringung von Dienstleistungen wird diese Bestimmung in Art. 5 Nr. 1 b EuGVVO dahin ergänzt, dass im Sinne dieser Vorschrift - und sofern nichts anderes vereinbart ist – der Erfüllungsort der Verpflichtung

- für dem Verkauf beweglicher Sachen der Ort in einem Mitgliedstaat ist, an dem sie nach dem Vertrag geliefert worden sind oder hätten geliefert werden müssen,

- für die Erbringung von Dienstleistungen der Ort in einem Mitgliedstaat ist, an dem sie nach dem Vertrag erbracht worden sind oder hätten erbracht werden müssen.

In Art. 5 Nr. 1 c EuGVVO ist geregelt, dass in Fällen, in denen Buchstabe b nicht anwendbar ist, Buchstabe a gilt.

b.

Zunächst liegt die Grundvoraussetzung für eine Anwendung der besonderen Gerichtsstandregelung des Artikel 5 Nr. 1 a EuGVVO vor, denn die klägerseits behaupteten Schadensersatzansprüche wegen eines Beratungsfehlers sind Ansprüche aus einem Vertrag im Sinne dieser Bestimmung.

aa.

Nach der zugrunde zu legenden Rechtsprechung des EuGH ist zur Bestimmung des Vertragsbegriffs im Sinne des Art. 5 Abs. 1 EuGVVO a.F. bzw. des jetzt geltenden Art. 5 Abs. 1 a EuGVVO weder auf die jeweilige lex fori noch auf die lex causae zurückzugreifen, vielmehr ist der Begriff "Vertrag oder Ansprüche aus einem Vertrag" autonom zu bestimmen (EuGH, Urteil vom 22.3.1983 - C 34/82, „Peters“, zitiert nach Juris). Das Begriffspaar "Vertrag oder Ansprüche aus einem Vertrag" ist hierbei weit auszulegen. Nach der Rechtsprechung des EuGH verlangt Artikel 5 Nr. 1 a EuGVVO nicht den Abschluss eines Vertrages, sondern "vertraglicher Anspruch" bedeutet jede "freiwillig gegenüber einer anderen Person eingegangene Verpflichtung" (EuGH, Urteil vom 17.6.1992 - C-26/91, zitiert nach Juris; EuGH, Urteil vom 17.09.2002 - C-334/00, NJW 2002, 3159; EuGH, Urteil vom 5.2.2004 - C-265/02, NJW-RR 2004, 1291; der Rechtsprechung des EuGH folgend: BGH, Beschluss vom 22.9.2008 - II ZR 288/07, zitiert nach Juris; OLG Köln, Urteil vom 16.12.2008 - 9 U 47/07, zitiert nach Juris; Geimer/Schütze - Geimer, Europäisches Zivilverfahrensrecht, 3. Auflage, A.1, Art. 5, Rn. 13). Unter den Begriff „Ansprüche aus einem Vertrag“ fallen nicht nur die unmittelbaren vertraglichen Pflichten, etwa Leistungs-, Zahlungs- oder Unterlassungspflichten sowie Nebenpflichten, sondern auch Sekundärpflichten, also die Verpflichtungen, die an die Stelle einer nicht erfüllten vertraglichen Verpflichtung treten (EuGH, Urteil vom 22.3.1983 - C 34/82, „Peters“, zitiert nach Juris; Geimer/Schütze - Geimer, a.a.O., A.1, Art. 5, Rn. 26).

Nach herrschender Meinung (BGH, Urteil vom 7.12.2000 - VII ZR 404/99, zitiert nach Juris, m.w.N.; Saarländisches Oberlandesgericht, Urteil vom 2.8.2007 – 8 U 295/06 zitiert nach Juris; Thomas/Putzo - Hüßtege, ZPO, 29. Auflage, Art. 2 EuGVVO, Rn. 1; Geimer, a.a.O., Rn. 1494) genügt für die Begründung der Zuständigkeit die schlüssige Behauptung des Klägers, die Voraussetzungen für den Zuständigkeitstatbestand lägen vor. Allerdings genügt insoweit noch nicht die unsubstantiierte Behauptung des Klägers, es habe ein Vertragsabschluss stattgefunden. Vielmehr muss der äußere Tatbestand eines Vertragsschlusses vom Kläger substantiiert dargelegt werden und im Rahmen der Amtsprüfung des Gerichts bewiesen werden (Geimer, a.a.O., Rn. 1494, 1826). Das Gericht hat somit im Rahmen der Zuständigkeitsprüfung zu untersuchen, ob Tatsachen vorliegen, die möglicherweise auf einen Vertragsabschluss hindeuten. Ob dagegen ein Vertrag wirksam zu Stande gekommen ist, gehört nicht mehr zur Zuständigkeitsprüfung, sondern zur Begründetheit der Klage. Der Vertragsgerichtsstand steht dem Kläger daher auch dann offen, wenn das Zustandekommen des Vertrages, aus dem der Klageanspruch hergeleitet wird, zwischen den Parteien streitig ist (EuGH, Urteil vom 4.3.1982- C 38/81, „Effer“, zitiert nach Juris; Geimer, a.a.O., Rn. 1828).

bb.

Gemessen an diesen Grundsätzen hat die Klägerin schlüssig einen vertraglichen Anspruch i.S.v. Artikel 5 Nr.1 a EuGVVO behauptet.

Es ist zwischen den Parteien unstreitig, dass die Klägerin seit dem 1.8.2002 die von der Beklagten zu 1 entwickelte sog. „G. - Legierung“ bei der Verzinkung von Stahlbaukonstruktionen in ihren Verzinkungsbädern einsetzte, wobei die Parteien bereits zuvor in einer ständigen Geschäftsverbindung standen. Es ist zwischen den Parteien weiter unstreitig, dass die Klägerin im Vorfeld der Einführung der „G. – Legierung“, in der Einführungsphase und auch noch später im Rahmen der Anwendung der Legierung in ihrem Betrieb in S. durch den seinerzeitigen Leiter des Anwendungsbereiches der Beklagten zu 1 – Herrn Dr. R. P. – beratend begleitet wurde; die Parteien streiten lediglich über den Umfang und den Inhalt der Beratung sowie ferner darüber, ob die Beratung zu einem eigenständigen Beratungsvertrag zwischen der Klägerin und der Beklagten zu 1 geführt hat oder ob es sich bei der Beratung nur um eine reine „Serviceleistung“ der Beklagten zu 1 als Herstellerin der „G. – Legierung“ gegenüber der Klägerin als Kundin handelte.

Die Klägerin hat – soweit die Parteien über den Umfang und den Beratungsinhalt im Einzelnen streiten - in den Schriftsätzen vom 19.12.2007, hier unter II., III. und IV., Bl. 11 ff. GA und vom 16.12.2008, hier unter B.II., Bl. 235 ff. GA, substantiiert umfangreiche Beratungstätigkeiten des Herrn Dr. P. über einen mehrjährigen Zeitraum im Betrieb der Klägerin vorgetragen. Sie hat zusammenfassend vorgetragen, die Beratungstätigkeit des Herrn Dr. P. habe in der Ermittlung der für die Klägerin optimalen Zusammensetzung ihrer Verzinkungsbäder, insbesondere auch in der Vorgabe des Zinn (Sn) – Anteils in den Zinkbädern der Klägerin, bestanden.

Dies genügt, um die Voraussetzung „Ansprüche aus einem Vertrag“ anzunehmen. Denn auf der Grundlage des Sachvortrages der Klägerin ist davon auszugehen, dass die Beratungsleistungen der Beklagten zu 1 nicht aus bloßer Gefälligkeit heraus als „Serviceleistung“ erfolgten, sondern mit Rechtsbindungswillen und somit „in Erfüllung einer freiwillig gegenüber der Klägerin eingegangenen Verpflichtung“. Für die Annahme eines Rechtsbindungswillen kommt es darauf an, ob die andere Partei unter den gegebenen Umständen nach Treu und Glauben unter Berücksichtigung der Verkehrssitte auf einen solchen Willen schließen musste. Indizien sind insoweit vor allem die wirtschaftliche und rechtliche Bedeutung der Angelegenheit, insbesondere für den Begünstigten, sowie die Interessenlagen der Parteien (BGH, Urteil vom 21.7.2005 - I ZR 312/02, zitiert nach Juris). Die von der Klägerin vorgetragenen umfangreichen Beratungstätigkeiten des Herrn Dr. P. über einen mehrjährigen Zeitraum gingen über die üblichen Empfehlungen oder Anwendungshinweise eines Produktherstellers hinaus. Die Beratungsleistungen hatten darüber hinaus für die Klägerin, was die Beklagte zu 1 auch erkennen konnte, ersichtlich eine hohe Bedeutung. Zudem verfolgte die Beklagte zu 1 als Herstellerin mit ihren Beratungsleistungen auch ein wirtschaftliches Interesse (vgl. zur Abgrenzung zwischen Beratungsleistungen eines Herstellers aus bloßer Gefälligkeit und im Rahmen eines selbständigen Beratungsvertrages OLG Stuttgart, Urteil vom 27.10.2009 - 12 U 76/09 unter Verweis auf BGH, Urteil vom 23.6.1999 – VIII ZR 84/98; beide zitiert nach Juris). Dies rechtfertigt die Annahme, auf der Grundlage des klägerischen Sachvortrages im vorliegenden Fall nicht lediglich von bloß gefälligkeitshalber, sondern auf vertraglicher Basis erfolgten Beratungsleistungen auszugehen.

c.

Der Anwendungsbereich der Zuständigkeitsregelung in Art. 5 Nr. 1 a EuGVVO ist eröffnet, denn es liegt keiner der beiden in Art. 5 Nr. 1 b EuGVVO genannten Vertragstypen vor.

aa.

Art. 5 Nr. 1 b EuGVVO enthält im Verhältnis zu Art. 5 Nr. 1 a EuGVVO eine Spezialregelung insoweit, als mit dem jeweils autonom auszulegenden Mobiliargüterkauf und Dienstvertrag die beiden wichtigsten Vertragstypen einem einheitlichen und autonom bestimmten „Vertragserfüllungsort“ unterstellt wurden (Rauscher, Internationaler Gerichtsstand des Erfüllungsorts, Abschied von Tessili und de Bloos, NJW 2010, Seiten 2251 – 2254, 2251). Der Anwendungsbereich von Art. 5 Nr. 1 a EuGVVO umfasst nur die nicht von Art. 5 Nr. 1 b EuGVVO erfassten Vertragstypen (Rauscher, a.a.O., Seite 2253; Metzger, Zum Erfüllungsgerichtsstand bei Kauf- und Dienstleistungsverträgen gemäß der EuGVVO, IPRax 2010, Seiten 420 – 424, 420).

bb.

Der von der Klägerin vorgetragene eigenständige Beratungsvertrag ist in seiner konkreten Ausgestaltung – unstreitig schuldete die Klägerin der Beklagten zu 1 für die Beratungsleistungen keine Vergütung - weder ein Kaufvertrag im Sinne von Art. 5 Nr. 1 b, 1. Spiegelstrich EuGVVO, noch ein Dienstleistungsvertrag im Sinne von Art. 5 Nr. 1 b, 2. Spiegelstrich EuGVVO.

(1)

Dass ein eigenständiger Beratungsvertrag nicht den Verkauf beweglicher Sachen im Sinne von Art. 5 Nr. 1 b, 1. Spiegelstrich EuGVVO zum Gegenstand hat, bedarf an sich keiner Vertiefung. Der Begriff des Kaufvertrages ist autonom zu bestimmen. Darunter versteht man alle Verträge über die Lieferung und Übereignung beweglicher Sachen (OLG Dresden, Urteil vom 11.6.2007 – 3 U 336/07, zitiert nach Juris). Geht man von einem selbstständigen Beratungsvertrag aus, schuldete die Beklagte zu 1 im Rahmen dieses Vertrages nicht die Übergabe und Übereignung einer Ware gegen Abnahme und Bezahlung.

Da aufgrund der gemäß § 138 Abs. 3 ZPO unstreitigen Ausführungen der Beklagten im Termin zur mündlichen Verhandlung am 26.1.2011 darüber hinaus davon auszugehen ist, dass zwischen der Klägerin und der Beklagten zu 1 neben dem etwaigen Beratungsvertrag auch keine kaufvertraglichen Beziehungen im Hinblick auf die „G.-Legierung“ bestanden, kann Art. 5 Nr. 1 b, 1. Spiegelstrich EuGVVO aber auch nicht unter dem Gesichtspunkt einer etwaigen unselbständigen Beratungspflichtspflichtverletzung zur Anwendung gelangen.

(2)

Der von der Klägerin vorgetragene Beratungsvertrag ist ferner auch nicht als Dienstvertrag im Sinne von Art. 5 Nr. 1 b, 2. Spiegelstrich EuGVVO einzuordnen. Der Begriff der Dienstleistung ist ebenfalls gemeinschaftsrechtlich autonom zu bestimmen, um eine einheitliche Anwendung der Verordnung zu gewährleisten (BGH, Urteil vom 2.3.2006 - IX ZR 15/05; OLG Köln, Urteil vom 16.12.2008 - 9 U 47/07; Saarländisches Oberlandesgericht, Urteil vom 2.8.2007 – 8 U 295/06, alle zitiert nach Juris). Dabei ist der Begriff der Dienstleistung zwar vom Grundsatz her weit auszulegen. Im Kern geht es um Dienstverträge, die keine Arbeitsverträge sind, um Werk- und Werklieferungsverträge und um Geschäftsbesorgungsverhältnisse, wobei gemeinsames Merkmal ist, dass eine tätigkeitsbezogene Leistung erbracht wird. In Betracht kommen auch (selbständige) Vermittlerdienste für Waren, Kredite und Kapitalanlagen sowie Finanzdienstleistungen (vgl. BGH, Urteil vom 16.10.1993 - XI ZR 42/93, zitiert nach Juris; OLG Köln, a.a.O.). Allerdings hat der EuGH im Jahr 2009 in der Rechtssache „F. Privatstiftung“ festgelegt, dass der Begriff der Dienstleistung voraussetzt, dass die Partei, die sie erbringt, eine bestimmte Tätigkeit gegen Entgelt ausübt (EuGH, Urteil vom 23.4.2009 – C 533/07, IPrax 2009, 509 „F. Privatstiftung; hierzu auch Rauscher, a.a.O., Seite 2253 und Metzger, a.a.O., Seite 420). Der EuGH hat sich in dieser Entscheidung daher zu einem engeren Verständnis des Dienstleistungsbegriffs als im Kontext der Gewährung des freien Dienstleistungsverkehrs i.S. von Art. 50 EGV a.F. entschlossen. Unentgeltlich erbrachte Dienstleistungen bzw. Aufträge fallen anders als entgeltlich erbrachte Dienstleistungen und Geschäftsbesorgungen daher nicht unter Art. 5 Nr. 1 b, 2. Spiegelstrich EuGVVO, sondern unter Art. 5 Nr. 1 a EuGVVO (so ausdrücklich: Rauscher, a.a.O., Seite 2254). Somit fällt ein Beratungsvertrag, für den ein eigenständiges Entgelt nicht geschuldet wird, nicht unter Art. 5 Nr. 1 b EuGVVO, sondern unter Art. 5 Nr. 1 a EuGVVO.

d.

Findet demnach vorliegend Art. 5 Nr. 1 a EuGVVO Anwendung, dann ist dem Landgericht darin zu folgen, dass die internationale Zuständigkeit der deutschen Gerichtsbarkeit für die streitgegenständlichen vertraglichen Schadensersatzansprüche in vorliegendem Fall schon damit begründet werden kann, dass die Beklagte zu 1 ihre Verpflichtungen aus dem angeblichen Beratungsvertrag am Sitz der Klägerin in S. erfüllt hat.

Art. 5 Nr. 1 a EuGVVO eröffnet nämlich nicht nur an dem Ort, an dem die Verpflichtung zu erfüllen wäre (Erfüllungsort = Leistungsort) einen Gerichtsstand, sondern auch an dem Ort, an dem die Verpflichtung tatsächlich erfüllt worden ist (Ort der tatsächlichen Erfüllung). Ob dies der Erfüllungsort im Sinne des Art. 5 Nr. 1 a EuGVVO war oder nicht, spielt keine Rolle. Entscheidend ist nur, dass der Gläubiger die Leistung entgegengenommen hat. Der Ort der tatsächlichen Leistung ist anhand sinnlich wahrnehmbarer Fakten zu bestimmen, ohne dass es weitergehender kollisionsrechtlicher Betrachtungen bedürfte (zu alldem: Geimer, a.a.O., Rn. 1473). Dieser der ZPO unbekannte Gerichtsstand steht selbstständig neben dem des Erfüllungsortes (Geimer/Schütze - Geimer, a.a.O., A 1 – Art. 5 EuGVVO, Rn. 143; ebenfalls in diesem Sinne: OLG Köln, Urteil vom 16.12.2008 - 9 U 47/07, zitiert nach Juris).

Von daher gehen die Ausführungen der Beklagten in der Berufungsbegründung und in dem zuletzt noch eingereichten Schriftsatz vom 10.2.2011 ins Leere, wonach unter Anwendung des deutschen internationalen Privatrechts, konkret Art. 28 Abs. 2 EGBGB, zunächst bestimmt werden müsse, welches nationale Recht für die Bestimmung des Erfüllungsortes der in Streit stehenden vertraglichen Verpflichtungen anwendbar sei, dies führe hier zum belgischen Recht, dieses wiederum sehe als Erfüllungsort für die Verpflichtungen aus dem unterstellten Beratungsvertrag den Sitz Schuldners und somit in Belgien vor (so in der Berufungsbegründung, Bl. 428 GA und im Schriftsatz vom 10.2.2011, Bl. 492 GA).

Zwar stehen diese Ausführungen mit den Grundsätzen zur Bestimmung des Erfüllungsortes im Sinne von Artikel 5 Nr.1 a EuGVVO („Ort, an dem die Verpflichtung zu erfüllen wäre“) im Einklang. Hiernach bestimmt sich der Erfüllungsort nach der lex causae, d.h. nach dem Recht, das nach dem internationalen Privatrecht des Forums für das Vertragsverhältnis maßgebend ist (EuGH, Urteil vom 6.10.1976 - C 12/76, „Tessili“, zitiert nach Juris, sogenannte "Tessili"-Regel). Dabei ist für die Bestimmung des Erfüllungsortes die Verpflichtung heranzuziehen, die dem vertraglichen Anspruch entspricht, auf den der Kläger seine Klage stützt (EuGH, Urteil vom 6.10.1976 - C14/76, „De Bloos“; BGH, Beschluss vom 30.4.2003 – III ZR 237/02, zitiert nach Juris, m.w.N.). Macht der Kläger Ansprüche auf Schadensersatz geltend oder beantragt er die Auflösung des Vertrags aus Verschulden des Gegners, so ist die Verpflichtung im Sinne der Vorschrift diejenige vertragliche Verpflichtung, deren Nichterfüllung zur Begründung dieser Anträge behauptet wird (EuGH, Urteil vom 6.10.1976 - C14/76, „De Bloos“; BGH, a.a.O.). Für den Erfüllungsort i.S.v. Artikel 5 Nr.1 a EuGVVO ist demnach nicht auf die vertragscharakteristische Leistung des Vertrages abzustellen (EuGH, Urteil vom 19.2.2002 – C 256/00 - „Besix AG“, zitiert nach Juris).

Allerdings bedarf es vorliegend der Bestimmung des Erfüllungsortes in vorstehendem Sinne nicht, weil die Beklagte zu 1 ihre Beratungsleistungen, auf deren mangelhafte Erbringung die Klägerin ihre Schadensersatzansprüche stützt, tatsächlich faktisch am Sitz der Klägerin in S. erfüllt hat. Die Klägerin hat dies in ihren Schriftsätzen vom 16.12.2008 und 15.3.2010 ausdrücklich so vorgetragen, Bl. 236/237 und Bl. 451 GA. Die Beklagten haben diesen tatsächlichen Erfüllungsort nicht bestritten. Im Schriftsatz vom 18.2.2009 hat die Beklagte zu 1 lediglich den Umfang der Beratungsleistungen und die Fehlerhaftigkeit bestritten (Bl. 270/271 GA). Der Ort der tatsächlichen Erfüllung führt unter Anwendung der obigen Grundsätze zu einem Gerichtsstand im Sinne des Art. 5 Nr. 1 a, 1. alt EuGVVO, der selbständig neben dem gemäß der "Tessili"-Regel ermittelten Gerichtsstand steht.

Soweit die Beklagten im Schriftsatz vom 11.2.2011 hiergegen anbringen, der Wortlaut des Art. 5 Nr. 1 a, 1. alt EuGVVO „Gericht des Ortes, an dem die Verpflichtung erfüllt worden ist….“ enthebe nicht von der Bestimmung des Erfüllungsortes nach materiellem Recht und sie hierzu auf die Entscheidungen des EuGH vom 6.10.1976, C 12/76, „Tessili“, vom 28.9.1999, C 440/97 „G.G.C. und vom 23.4.2009, C 533/07 „F. Privatstiftung“ sowie auf die Entscheidungen des BGH vom 25.2.1999 – VII ZR 408/07 verweisen, vermag dies die vorstehenden Ausführungen nicht in Frage zu stellen. Zwar ist den Beklagten zuzugeben, dass in den genannten Entscheidungen der Erfüllungsort im Sinne des Art. 5 Nr. 1 EuGVVO a.F. bzw. des geltenden Art. 5 Nr. 1 a, 1. alt EuGVVO jeweils nach der „Tessili-Regel“ ermittelt wurde. In all diesen Entscheidungen stand aber der alternative Gerichtsstand nach dem Ort der tatsächlichen Erfüllung – anders als im vorliegenden Fall - überhaupt nicht zur Diskussion.

Die Klägerin kann die Beklagten mithin, soweit Schadensersatzansprüche wegen Verletzung der Beratungspflicht aus einem selbstständigen Beratungsvertrag streitgegenständlich sind, gestützt auf Art. 5 Nr. 1 a, 1. alt EuGVVO vor dem Landgericht Saarbrücken als deutschem Gericht in Anspruch nehmen.

3.

Soweit die Klägerin sich im Wege der Hilfsbegründung zur Begründung der Schadensersatzpflicht der Beklagten auf Ansprüche aus Deliktsrecht wegen eines Produktmangels stützt, ergibt sich die internationale Zuständigkeit der deutschen Gerichtsbarkeit aus Art. 5 Nr. 3 EuGVVO.

a.

Gegenstand der Klage sind nicht allein vertragliche Ansprüche, vielmehr stützt die Klägerin ihre Feststellungsklage im Wege der Hilfsbegründung ausdrücklich auch auf deliktische Ansprüche in Form eines Produktmangels. Die Klägerin beruft sich insoweit darauf, dass die von der Beklagten zu 1 entwickelte und in Verkehr gebrachte „G. - Legierung“ einen unzulässig hohen Zinn (Sn) – Anteil aufgewiesen habe und insoweit ein Produktmangel vorliege, Bl. 139 GA.

Das Landgericht hat zur Entscheidungsbefugnis über diese Ansprüche in seinem Zwischenurteil keine ausdrücklichen Feststellungen getroffen. Eine gesonderte Feststellung ist allerdings deshalb angezeigt, weil die dahingehende Entscheidungsbefugnis des Landgerichts Saarbrücken noch nicht selbstverständlich bereits daraus folgt, dass unter Berücksichtigung der obigen Ausführungen das Landgericht nach Art. 5 Nr. 1 a EuGVVO zur Entscheidung über die streitgegenständlichen vertraglichen Ansprüche wegen eines Beratungsfehlers zuständig ist. Wenn in einem Rechtsstreit konkurrierende vertragliche und deliktische Ansprüche geltend gemacht werden und nur für eine Anspruchsgrundlage die internationale Zuständigkeit gegeben ist, für die andere jedoch nicht, ist nach wohl noch herrschender Meinung die Kognitionsbefugnis des angegangenen Gerichts beschränkt (BGH, Urteil vom 7.12.2004 – XI ZR 366/03, m.w.N.; OLG München, Urteil vom 9.9.2009 – 20 U 2721/09; OLG Düsseldorf, Urteil vom 23.1.2008 – I-15 U 18/07, 15 U 18/07, alle zitiert nach Juris; kritisch: Kropholler, Europäisches Zivilprozessrecht, 8. Auflage, Art. 5, Rn. 79; Geimer, a.a.O., Rn. 1866). Die Eingrenzung der Kognitionsbefugnis führt zur Beschränkung des Streit- und Urteilsgegenstandes. Hinsichtlich der Anspruchsgrundlage, für die eine internationale Zuständigkeit nicht gegeben ist, ist die Klage als unzulässig abzuweisen (Geimer, a.a.O.; 1868).

Der Senat kann die Frage der internationalen Zuständigkeit für die im Wege der Hilfsbegründung geltend gemachten Produkthaftungsansprüche, auch wenn sie nicht Gegenstand der landgerichtlichen Entscheidung ist, selbst entscheiden. Die Sache ist dem Senat zwar nur im Umfang des Zwischenstreits angefallen (BGH, Urteil vom 23.5.1985 - III ZR 57/84, zitiert nach Juris). Der Zwischenstreit erfasst jedoch insgesamt die Frage der internationalen Zuständigkeit des Landgerichts Saarbrücken über die Klage.

b.

Die internationale Zuständigkeit des Landgerichts Saarbrücken für die klägerseits geltend gemachten Produkthaftungsansprüche ergibt sich aus Art. 5 Nr. 3 EuGVVO.

Nach dieser Vorschrift kann eine Person, die ihren Wohnsitz im Hoheitsgebiet eines Mitgliedstaats hat, in einem anderen Mitgliedsstaat verklagt werden, wenn eine unerlaubte Handlung oder eine solche, die einer unerlaubten Handlung gleichgestellt ist, oder wenn Ansprüche aus einer solchen Handlung den Gegenstand des Verfahrens bilden, vor dem Gericht des Ortes, an dem das schädigende Ereignis eingetreten ist oder einzutreten droht.

aa.

Die klägerseits geltend gemachten Produkthaftungsansprüche sind solche aus einer „unerlaubten Handlung“. Der EuGH legt den Begriff der „unerlaubten Handlung“ und der „Handlung, die einer unerlaubten Handlung gleichgestellt ist“ ebenfalls wie den Vertragsbegriff autonom aus. Im Gerichtsstand der „unerlaubten Handlung“ sind alle Klagen zulässig, mit denen eine Schadenshaftung geltend gemacht wird, die nicht an einen Vertrag i.S.d. Art. 5 Nr. 1 EuGVVO anknüpft (EuGH, NJW 2002, 3617; BGH, Urteil vom 13.7.2010 - XI ZR 57/08; OLG Düsseldorf, Urteil vom 23.1.2008 – I-15 U 18/07 - 15 U 18/07; OLG Koblenz, Urteil vom 25.6.2007 – 12 U 1717/05; alle zitiert nach Juris; Kropholler, a.a.O., Art. 5, Rn. 72; Gottwald, Internationales Zivilprozessrecht, 6. Auflage, § 3, Rn. 66). Unter den Begriff der unerlaubten Handlung im Sinne des Art. 5 Nr. 3 EuGVVO fallen unterschiedliche Deliktstypen, wie z.B. Straßenverkehrsunfälle, Umweltbeeinträchtigungen, Schädigungen bei einer Kapitalanlage, Kartellverstöße, unlauterer Wettbewerb, Verletzungen von Immaterialgüterrechten und Verstöße gegen ein Schutzgesetz (vgl. die Auflistung bei Kropholler, a.a.O., Art. 5, Rn. 74 und Gottwald, a.a.O., § 3, Rn. 66). Auch Schädigungen durch ein fehlerhaftes Produkt können unter Art. 5 Nr. 3 EuGVVO fallen, allerdings nur solche von Nichtvertragspartnern, Schädigungen von Vertragspartnern unterfallen Art. 5 Nr. 1 EuGVVO (vgl. Gottwald, a.a.O., § 3, Rn. 66).

Gemessen an vorstehenden Grundsätzen ist für die streitgegenständlichen Produkthaftungsansprüche Art. 5 Nr. 3 EuGVVO maßgeblich. Zwar stehen zwischen den Parteien unter Zugrundelegung der Ausführungen unter 2. auch vertragliche Ansprüche im Raum, allerdings nicht im Zusammenhang mit der eigentlichen Lieferung des Produkts, dessen Mangelhaftigkeit die Klägerin rügt, sondern nur aus einem klägerseits behaupteten gesonderten Beratungsvertrag. Damit knüpfen die geltend gemachten Produkthaftungsansprüche nicht an die im Raume stehenden vertraglichen Pflichten an, so dass nur eine Anknüpfung an Art. 5 Nr. 3 EuGVVO gerechtfertigt ist.

Für die Annahme einer unerlaubten Handlung im Rahmen der Zuständigkeitsprüfung nach Art. 5 Nr. 3 EuGVVO muss nicht geklärt werden, ob der Klägerin tatsächlich ein Produkthaftungsanspruch zusteht. Die Zuständigkeit gemäß Art. 5 Nr. 3 EuGVVO hängt nicht davon ab, dass tatsächlich eine unerlaubte Handlung begangen wurde; die schlüssige Behauptung der erforderlichen Tatsachen durch den Kläger reicht aus. Insoweit genügt es, dass die Klägerin sich darauf berufen hat, dass die von der Beklagten zu 1 entwickelte und in Verkehr gebrachte G. Legierung einen unzulässig hohen Zinn – Anteil aufgewiesen habe und insoweit ein Produktmangel vorliege.

bb.

Die internationale Zuständigkeit deutscher Gerichte gemäß Art. 5 Nr. 3 EuGVVO ist gegeben, weil vorliegend jedenfalls der Erfolgsort der behaupteten unerlaubten Handlung in Deutschland liegt.

Art. 5 Nr. 3 EuGVVO sieht vor, dass Gerichtsstand der unerlaubten Handlung derjenige Ort ist, „an dem das schädigende Ereignis eingetreten ist“. Der Ort des schädigenden Ereignisses ist hierbei neben dem Handlungsort auch der Erfolgsort, das heißt der Ort, an dem das schädigende Ereignis eingetreten ist. Demgemäß gelten bei Distanzdelikten, bei denen der Ort der Handlung und derjenige des Erfolgseintritts auseinander fallen, beide alternativ als Tatort (OLG Koblenz, Urteil vom 25.6.2007 – 12 U 1717/05; BGH, Urteil vom 13.7.2010 - XI ZR 57/08, beide zitiert nach Juris).

Erfolgsort als Ort, an dem das schädigende Ereignis eingetreten ist, ist vorliegend der Betriebssitz der Klägerin, weil die Klägerin hier die „G. – Legierung“ in ihren Zinkbädern zum Verzinken der Stahlbaukonstruktionen eingesetzt hat. Dass im Rahmen eines Produkthaftungsstreits der Ort, an dem der Schaden durch den gewöhnlichen Gebrauch des Produkts für seinen bestimmungsgemäßen Zweck eingetreten ist, der Erfolgsort im Sinne des Art. 5 Nr. 3 EuGVVO ist, hat der EuGH im Jahr 2009 in der Entscheidung „Z.C. BV“ entschieden (EuGH, Urteil vom 16.7.2009 – C 189/08 „Z.C. BV“, NJW 2009, Seiten 3501 -3503).

Ebenso wie in der dortigen Entscheidung liegt auch im vorliegenden Verfahren durch die Verwendung der „G. – Legierung“ in den Zinkbädern der Klägerin nicht bloß ein reiner Vermögensschaden vor, denn unter Zugrundelegung des klägerischen Vortrages waren die Zinkbäder mit dem Bestandteil „G. – Legierung“ zu dem beabsichtigten Zweck – Verzinkung von Stahlbaukonstruktionen – nur eingeschränkt verwendbar oder sogar unbrauchbar. Hierin liegt ein körperlicher Sachschaden der Klägerin, da auch eine flüssige Zinklegierung Sache im Sinne von § 90 BGB ist (Palandt-Ellenberger, BGB, 70. Auflage, § 90, Rn. 1). Von daher kommt es auf die vom EuGH in der „Z.C. BV“ – Entscheidung offen gelassene Frage, ob der „Ort, an dem das schädigende Ereignis eingetreten ist“ einen körperlichen Personen- oder Sachschaden fordert oder auch ein reiner Vermögensschaden genügt, auch hier nicht an.

C.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 ZPO.

Die Vollstreckbarkeitsentscheidung folgt aus §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO.

Die Voraussetzungen, unter denen die Revision zuzulassen wäre, liegen nicht vor, § 543 Abs. 2 ZPO.

Urteilsbesprechung zu Saarländisches Oberlandesgericht Saarbrücken Urteil, 16. Feb. 2011 - 1 U 574/09 - 153

Urteilsbesprechungen zu Saarländisches Oberlandesgericht Saarbrücken Urteil, 16. Feb. 2011 - 1 U 574/09 - 153

Referenzen - Gesetze

Zivilprozessordnung - ZPO | § 708 Vorläufige Vollstreckbarkeit ohne Sicherheitsleistung


Für vorläufig vollstreckbar ohne Sicherheitsleistung sind zu erklären:1.Urteile, die auf Grund eines Anerkenntnisses oder eines Verzichts ergehen;2.Versäumnisurteile und Urteile nach Lage der Akten gegen die säumige Partei gemäß § 331a;3.Urteile, dur

Zivilprozessordnung - ZPO | § 97 Rechtsmittelkosten


(1) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen der Partei zur Last, die es eingelegt hat. (2) Die Kosten des Rechtsmittelverfahrens sind der obsiegenden Partei ganz oder teilweise aufzuerlegen, wenn sie auf Grund eines neuen Vo

Zivilprozessordnung - ZPO | § 543 Zulassungsrevision


(1) Die Revision findet nur statt, wenn sie1.das Berufungsgericht in dem Urteil oder2.das Revisionsgericht auf Beschwerde gegen die Nichtzulassungzugelassen hat. (2) Die Revision ist zuzulassen, wenn1.die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat
Saarländisches Oberlandesgericht Saarbrücken Urteil, 16. Feb. 2011 - 1 U 574/09 - 153 zitiert 19 §§.

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Bürgerliches Gesetzbuch - BGB | § 823 Schadensersatzpflicht


(1) Wer vorsätzlich oder fahrlässig das Leben, den Körper, die Gesundheit, die Freiheit, das Eigentum oder ein sonstiges Recht eines anderen widerrechtlich verletzt, ist dem anderen zum Ersatz des daraus entstehenden Schadens verpflichtet. (2) Di

Zivilprozessordnung - ZPO | § 520 Berufungsbegründung


(1) Der Berufungskläger muss die Berufung begründen. (2) Die Frist für die Berufungsbegründung beträgt zwei Monate und beginnt mit der Zustellung des in vollständiger Form abgefassten Urteils, spätestens aber mit Ablauf von fünf Monaten nach der

Zivilprozessordnung - ZPO | § 540 Inhalt des Berufungsurteils


(1) Anstelle von Tatbestand und Entscheidungsgründen enthält das Urteil1.die Bezugnahme auf die tatsächlichen Feststellungen im angefochtenen Urteil mit Darstellung etwaiger Änderungen oder Ergänzungen,2.eine kurze Begründung für die Abänderung, Aufh

Zivilprozessordnung - ZPO | § 529 Prüfungsumfang des Berufungsgerichts


(1) Das Berufungsgericht hat seiner Verhandlung und Entscheidung zugrunde zu legen:1.die vom Gericht des ersten Rechtszuges festgestellten Tatsachen, soweit nicht konkrete Anhaltspunkte Zweifel an der Richtigkeit oder Vollständigkeit der entscheidung

Zivilprozessordnung - ZPO | § 519 Berufungsschrift


(1) Die Berufung wird durch Einreichung der Berufungsschrift bei dem Berufungsgericht eingelegt. (2) Die Berufungsschrift muss enthalten:1.die Bezeichnung des Urteils, gegen das die Berufung gerichtet wird;2.die Erklärung, dass gegen dieses Urtei

Zivilprozessordnung - ZPO | § 138 Erklärungspflicht über Tatsachen; Wahrheitspflicht


(1) Die Parteien haben ihre Erklärungen über tatsächliche Umstände vollständig und der Wahrheit gemäß abzugeben. (2) Jede Partei hat sich über die von dem Gegner behaupteten Tatsachen zu erklären. (3) Tatsachen, die nicht ausdrücklich bestrit

Zivilprozessordnung - ZPO | § 531 Zurückgewiesene und neue Angriffs- und Verteidigungsmittel


(1) Angriffs- und Verteidigungsmittel, die im ersten Rechtszuge zu Recht zurückgewiesen worden sind, bleiben ausgeschlossen. (2) Neue Angriffs- und Verteidigungsmittel sind nur zuzulassen, wenn sie1.einen Gesichtspunkt betreffen, der vom Gericht

Zivilprozessordnung - ZPO | § 511 Statthaftigkeit der Berufung


(1) Die Berufung findet gegen die im ersten Rechtszug erlassenen Endurteile statt. (2) Die Berufung ist nur zulässig, wenn1.der Wert des Beschwerdegegenstandes 600 Euro übersteigt oder2.das Gericht des ersten Rechtszuges die Berufung im Urteil zu

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Die Berufungsfrist beträgt einen Monat; sie ist eine Notfrist und beginnt mit der Zustellung des in vollständiger Form abgefassten Urteils, spätestens aber mit dem Ablauf von fünf Monaten nach der Verkündung.

Zivilprozessordnung - ZPO | § 546 Begriff der Rechtsverletzung


Das Recht ist verletzt, wenn eine Rechtsnorm nicht oder nicht richtig angewendet worden ist.

Zivilprozessordnung - ZPO | § 32 Besonderer Gerichtsstand der unerlaubten Handlung


Für Klagen aus unerlaubten Handlungen ist das Gericht zuständig, in dessen Bezirk die Handlung begangen ist.

Zivilprozessordnung - ZPO | § 280 Abgesonderte Verhandlung über Zulässigkeit der Klage


(1) Das Gericht kann anordnen, dass über die Zulässigkeit der Klage abgesondert verhandelt wird. (2) Ergeht ein Zwischenurteil, so ist es in Betreff der Rechtsmittel als Endurteil anzusehen. Das Gericht kann jedoch auf Antrag anordnen, dass zur H

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(1) Wer vorsätzlich oder fahrlässig das Leben, den Körper, die Gesundheit, die Freiheit, das Eigentum oder ein sonstiges Recht eines anderen widerrechtlich verletzt, ist dem anderen zum Ersatz des daraus entstehenden Schadens verpflichtet.

(2) Die gleiche Verpflichtung trifft denjenigen, welcher gegen ein den Schutz eines anderen bezweckendes Gesetz verstößt. Ist nach dem Inhalt des Gesetzes ein Verstoß gegen dieses auch ohne Verschulden möglich, so tritt die Ersatzpflicht nur im Falle des Verschuldens ein.

Für Klagen aus unerlaubten Handlungen ist das Gericht zuständig, in dessen Bezirk die Handlung begangen ist.

(1) Anstelle von Tatbestand und Entscheidungsgründen enthält das Urteil

1.
die Bezugnahme auf die tatsächlichen Feststellungen im angefochtenen Urteil mit Darstellung etwaiger Änderungen oder Ergänzungen,
2.
eine kurze Begründung für die Abänderung, Aufhebung oder Bestätigung der angefochtenen Entscheidung.
Wird das Urteil in dem Termin, in dem die mündliche Verhandlung geschlossen worden ist, verkündet, so können die nach Satz 1 erforderlichen Darlegungen auch in das Protokoll aufgenommen werden.

(2) Die §§ 313a, 313b gelten entsprechend.

(1) Das Gericht kann anordnen, dass über die Zulässigkeit der Klage abgesondert verhandelt wird.

(2) Ergeht ein Zwischenurteil, so ist es in Betreff der Rechtsmittel als Endurteil anzusehen. Das Gericht kann jedoch auf Antrag anordnen, dass zur Hauptsache zu verhandeln ist.

(1) Die Berufung kann nur darauf gestützt werden, dass die Entscheidung auf einer Rechtsverletzung (§ 546) beruht oder nach § 529 zugrunde zu legende Tatsachen eine andere Entscheidung rechtfertigen.

(2) Die Berufung kann nicht darauf gestützt werden, dass das Gericht des ersten Rechtszuges seine Zuständigkeit zu Unrecht angenommen hat.

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
III ZR 102/02
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F r e i t a g
Justizamtsinspektor
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BGHR: ja
Die Revision kann auch nach dem Inkrafttreten des Gesetzes zur Reform des
Zivilprozesses vom 27. Juli 2001 (BGBl. I S. 1887) darauf gestützt werden, daß
das untere Gericht mit Unrecht seine internationale Zuständigkeit angenommen
oder verneint hat.
EuGVÜ Art. 5 Nr. 3; 13 Abs. 1 Nr. 3; 14 Abs. 1 2. Alt.; BGB § 661a
Für die auf eine Gewinnzusage i.S. des § 661a BGB gestützte Klage gegen eine
(natürliche oder juristische) Person, die in dem Hoheitsgebiet eines Vertragsstaates
ansässig ist, besteht am Wohnsitz des klagenden Verbrauchers
entweder die internationale Zuständigkeit für Verbrauchersachen (Art. 13 f.
EuGVÜ) oder der unerlaubten Handlung (Art. 5 Nr. 3 EuGVÜ).
BGH, Urteil vom 28. November 2002 - III ZR 102/02 - OLG Düsseldorf
LG Mönchengladbach
Der III. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat auf die mündliche Verhandlung
vom 17. Oktober 2002 durch den Vorsitzenden Richter Dr. Rinne und die
Richter Dr. Wurm, Dr. Kapsa, Dörr und Galke

für Recht erkannt:
Die Revision der Beklagten gegen das Urteil des 21. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Düsseldorf vom 19. Februar 2002 wird zurückgewiesen.
Die Beklagte hat die Kosten der Rechtsmittelzüge zu tragen.
Von Rechts wegen

Tatbestand


Die Beklagte ist eine in den Niederlanden ansässige Versandhandelsgesellschaft. Mit Schreiben vom 30. Juni 2000 sandte sie der in der Bundesrepublik Deutschland wohnhaften Klägerin eine "Wichtige Benachrichtigung wegen Bargeld-Zuteilung aus Auswahl-Verfahren". Darin teilte die Beklagte der Klägerin mit, im Zuge einer "Extra-Auszahlung" würden noch vor dem 20. Juli 2000 12.300 DM vergeben. Weiter hieß es in dem Schreiben:
"Und stellen Sie sich vor, Frau M., Ihr Name wurde nicht nur nominiert, sondern sogar als Gewinner gezogen. Das heißt für Sie, der Bargeld-Betrag gehört jetzt schon Ihnen!"
Entsprechend der im Schreiben vom 30. Juni 2000 gegebenen Anleitung sandte die Klägerin der Beklagten den "Ziehungs-Bescheid" mit aufgeklebter "Zuteilungs-Marke" zurück. Die Beklagte zahlte nicht.
Die Klägerin macht geltend, die Beklagte schulde ihr aufgrund einer Gewinnzusage (§ 661a BGB) 12.300 DM nebst Zinsen. Die Beklagte hat gerügt , das angerufene Landgericht Mönchengladbach sei weder international noch örtlich zuständig. Sie könne nur an ihrem Sitz in den Niederlanden verklagt werden. Das Landgericht hat abgesonderte Verhandlung über die Zulässigkeit der Klage angeordnet und durch Zwischenurteil entschieden, daß die Klage zulässig sei. Das Berufungsgericht hat die hiergegen gerichtete Berufung der Beklagten zurückgewiesen. Mit der Revision verfolgt die Beklagte weiterhin ihren Antrag, die Klage als unzulässig abzuweisen.

Entscheidungsgründe


Die Revision ist unbegründet.

I.


Das Berufungsgericht hat das Landgericht Mönchengladbach für international und örtlich zuständig erachtet. Es könne dahinstehen, ob Mönchengladbach Gerichtsstand des Erfüllungsortes (Art. 5 Nr. 1 erster Halbsatz des Übereinkommens über die gerichtliche Zuständigkeit und die Vollstreckung gerichtlicher Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen vom 27. September
1968, BGBl. 1972 II S. 774, im folgenden: EuGVÜ) sei. Die internationale Zu- ständigkeit der deutschen Gerichte ergebe sich jedenfalls aus dem Gerichtsstand der unerlaubten Handlung (Art. 5 Nr. 3 EuGVÜ). Denn die Klage werde auf ein deliktsähnliches Verhalten der Beklagten gestützt.

II.


Das Berufungsurteil hält der rechtlichen Prüfung im Ergebnis stand.
Die Klage ist zulässig. Die deutschen Gerichte sind international zuständig.
1. Das Revisionsgericht ist befugt, die internationale Zuständigkeit zu prüfen. § 545 Abs. 2 ZPO n.F., der hier anzuwenden ist (vgl. § 26 Nr. 7 Satz 1 EGZPO), steht insoweit nicht entgegen. Die Vorschrift hat die Regelungen in den bisherigen §§ 10, 549 Abs. 2 ZPO übernommen. Sie bestimmt - entsprechend dem neu gefaßten § 513 Abs. 2 ZPO (bisher: § 512 a ZPO) - darüber hinaus, die Revision könne nicht darauf gestützt werden, daß das erstinstanzliche Gericht seine Zuständigkeit zu Unrecht angenommen oder verneint hat (Begründung der Bundesregierung zu dem Entwurf eines Gesetzes zur Reform des Zivilprozesses BT-Drucks. 14/4722 S. 106, s. auch S. 94 zu § 513 Abs. 2-E und S. 107 zu § 547-E). Diese Regelung bezieht sich jedoch ungeachtet ihres weitgefaßten Wortlauts nicht auf die internationale Zuständigkeit (vgl. Geimer, Internationales Zivilprozeßrecht 4. Aufl. 2001 Rn. 1008 f und 1855; Hartmann in Baumbach/Lauterbach/Albers/Hartmann, ZPO 60. Aufl. 2002 Übersicht § 38 Rn. 9; s. auch Albers aaO § 545 Rn. 17
a.E.; Zöller/Greger, ZPO, 23. Aufl. 2002 § 280 Rn. 8; Zöller/Geimer aaO IZPR Rn. 38; s. auch BGH, Beschluß vom 17. September 2001 - VI ZR 105/02 - Umdruck S. 4; a.A. Reichold in Thomas/Putzo, ZPO 23. Aufl. 2001 § 545 Rn. 13; Zöller/Gummer aaO § 545 Rn. 16 und § 513 Rn. 8; vgl. ferner Musielak/Ball, ZPO 3. Aufl. 2002 § 545 Rn. 12 f).

a) Hinsichtlich des § 549 Abs. 2 ZPO a.F., der die sachliche und örtliche Zuständigkeit des Gerichts des ersten Rechtszuges sowie die Frage nach der Zuständigkeit des Arbeitsgerichts und dem Vorliegen einer Familiensache der revisionsrechtlichen Prüfung entzogen hatte, war anerkannt, daß er für die internationale Zuständigkeit nicht - auch nicht entsprechend - galt. Die internationale Zuständigkeit war in jedem Verfahrensabschnitt, auch im Revisionsverfahren , von Amts wegen zu prüfen (st. Rspr., vgl. BGHZ - GSZ - 44, 46; BGHZ 115, 90, 91; 134, 127, 129 f; BGH, Urteil vom 17. Dezember 1998 - IX ZR 196/97 - NJW 1999, 1395 f; Stein/Jonas/Grunsky, ZPO 21. Aufl. 1993 §§ 549, 550 Rn. 56). Weder dem Wortlaut des § 545 Abs. 2 ZPO (n.F.) noch der Gesetzesbegründung ist ein ausreichender Hinweis darauf zu entnehmen, daß der Gesetzgeber daran etwas ändern wollte.
aa) Gemäß § 545 Abs. 2 ZPO (n.F.) erstreckt sich die revisionsrechtliche Prüfung nicht darauf, daß das Gericht des ersten Rechtszuges "seine" Zuständigkeit zu Unrecht angenommen oder verneint hat. Damit kann allein die Zuständigkeitsverteilung unter den deutschen Gerichten gemeint sein, nämlich die Frage der örtlichen und sachlichen Zuständigkeit, ferner - abweichend vom bisherigen Recht - der funktionellen Zuständigkeit, der Abgrenzung zwischen Zivilkammer und Kammer für Handelssachen sowie zwischen Prozeßgericht und Gericht der freiwilligen Gerichtsbarkeit (vgl. Musielak/Ball aaO Rn. 13
a.E.), nicht jedoch diejenige zwischen den deutschen und den ausländischen Gerichten.
bb) Die Gesetzesbegründung (Begründung aaO) verweist darauf, daß im Interesse der Verfahrensbeschleunigung und der Entlastung des Revisionsgerichts Rechtsmittelstreitigkeiten, die allein auf die Frage der Zuständigkeit "des Gerichts" gestützt werden, vermieden werden sollen. Die in den Vorinstanzen geleistete Sacharbeit solle nicht wegen fehlender Zuständigkeit hinfällig werden. Diese Hinweise sind zu allgemein, als daß angenommen werden könnte, der Gesetzgeber habe die internationale Zuständigkeit ebenso wie die Zuständigkeitsverteilung unter den - unterstelltermaßen gleichwertigen (BGHZ 44, 46, 49) - innerstaatlichen Gerichten der revisionsrechtlichen Nachprüfung entziehen wollen. Die internationale Zuständigkeit hat nämlich ein ungleich größeres Gewicht. Sie betrifft die Abgrenzung zu den Souveränitätsrechten anderer Staaten. Es handelt sich darum, inwieweit die deutschen Gerichte in Rechtssachen mit Auslandsbeziehungen eine Entscheidungsbefugnis in Anspruch nehmen können (vgl. BGHZ aaO 51).
Es kommt hinzu, daß die internationale Zuständigkeit - anders als die örtliche, sachliche, funktionelle und ähnliche innerstaatliche Zuständigkeit - über das Verfahrensrecht entscheidet, dem der Rechtsstreit unterliegt. Denn nur das deutsche Gericht wendet deutsches Prozeßrecht, das ausländische Gericht aber sein eigenes Verfahrensrecht an. Darüber hinaus hängt von der internationalen Zuständigkeit nicht selten ab, nach welchem materiellen Recht die Rechtssache entschieden wird. Wird die deutsche internationale Zuständigkeit bejaht, so bestimmt das deutsche internationale Privatrecht, nach welchem materiellen Recht das streitige Rechtsverhältnis zu beurteilen ist; wird
aber die deutsche internationale Zuständigkeit verneint (und ruft deshalb der Kläger ein ausländisches Gericht an), so entscheidet dieses nach dem internationalen Privatrecht seines Landes über die anzuwendende Rechtsnorm. Demgemäß kann die Entscheidung über die internationale Zuständigkeit - im Gegensatz zu der Zuständigkeitsabgrenzung unter den deutschen Gerichten - die sachliche Entscheidung des Prozesses vorwegnehmen (BGHZ aaO 50; Geimer aaO Rn. 1009).

b) Die Auffassung, daß § 545 Abs. 2 ZPO (n.F.) die revisionsrechtliche Prüfung der internationalen Zuständigkeit nicht hindert, wahrt schließlich die Beachtung der Vorlagepflichten nach dem EuGVÜ und dem hierzu abgeschlossenen Protokoll betreffend die Auslegung des Übereinkommens vom 27. September 1968 über die gerichtliche Zuständigkeit und die Vollstreckung gerichtlicher Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen durch den Gerichtshof vom 3. Juni 1971 (BGBl. 1972 II S. 846, künftig: Protokoll). Danach können in der Bundesrepublik Deutschland nur die obersten Gerichtshöfe des Bundes (Art. 2 Nr. 1 des Protokolls) und andere Gerichte, sofern sie als Rechtsmittelgericht entscheiden (Art. 2 Nr. 2 des Protokolls), dem Gerichtshof eine Auslegungsfrage zur Vorabentscheidung vorlegen. Diese Vorlageberechtigung ginge ins Leere, wenn der Bundesgerichtshof aufgrund des § 545 Abs. 2 ZPO n.F. die internationale Zuständigkeit nicht mehr zu prüfen hätte. Entsprechendes gälte dann nämlich auch für die Berufungsgerichte (vgl. § 513 Abs. 2 ZPO n.F.), so daß es in der Bundesrepublik Deutschland kein Gericht gäbe, das berechtigt wäre, dem Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften Fragen zur Auslegung des EuGVÜ (und des am selben Tag und am selben Ort unterzeichneten Protokolls sowie des Protokolls vom 3. Juni 1971 ) vorzulegen. Ein solches Ergebnis wäre aber mit der im Protokoll vom
3. Juni 1971 bestimmten Vorlageregelung unvereinbar (vgl. zu den völkerver- trags- und sekundärrechtlichen Kontrollpflichten Staudinger IPRax 2001, 298, 299 f).
2. Die mithin zulässige revisionsrechtliche Prüfung ergibt, daß im Streitfall die deutschen Gerichte entweder gemäß Art. 13 Abs. 1 Nr. 3 i.V.m. Art. 14 Abs. 1 zweite Alternative EuGVÜ oder gemäß Art. 5 Nr. 3 EuGVÜ international zuständig sind.

a) Grundsätzlich sind natürliche Personen, die ihren Wohnsitz in dem Hoheitsgebiet eines Vertragsstaates des EuGVÜ haben, vor den Gerichten dieses Staates zu verklagen (Art. 2 Abs. 1 EuGVÜ); entsprechendes gilt für Gesellschaften und juristische Personen, die ihren Sitz in dem Hoheitsgebiet eines Vertragsstaates haben (Art. 2 Abs. 1 i.V.m. Art. 53 Abs. 1 Satz 1 EuGVÜ ). Abweichend von dieser Regel können in einem Vertragsstaat ansässige (natürliche oder juristische) Personen vor den Gerichten eines anderen Vertragsstaates verklagt werden, wenn dort einer der in Art. 5 ff EuGVÜ genannten Wahlgerichtsstände besteht (Art. 3 Abs. 1 EuGVÜ; vgl. auch Musielak/Weth, ZPO 2. Aufl. 2000 Art. 3 EuGVÜ Rn. 1). So liegt der Streitfall. Die in den Niederlanden ansässige Beklagte kann vor einem deutschen Gericht verklagt werden , weil in der Bundesrepublik Deutschland entweder die internationale Zuständigkeit für Verbrauchersachen (Art. 13, 14 EuGVÜ) oder der unerlaubten Handlung (Art. 5 Nr. 3 EuGVÜ) begründet ist.

b) Für Klagen aus einem Vertrag, den eine Person zu einem Zweck abgeschlossen hat, der nicht der beruflichen oder gewerblichen Tätigkeit dieser Person (Verbraucher) zugerechnet werden kann, bestimmt sich die Zuständig-
keit nach den Art. 13 ff. EuGVÜ für "andere Verträge" (als Teilzahlungskauf oder Darlehen), wenn sie die Lieferung beweglicher Sachen zum Gegenstand haben, sofern dem Vertragsschluß in dem Staat des Wohnsitzes des Verbrauchers ein ausdrückliches Angebot oder eine Werbung vorausgegangen ist und der Verbraucher in diesem Staat die zum Abschluß des Vertrages erforderlichen Rechtshandlungen vorgenommen hat (Art. 13 Abs. 1 Nr. 3 zweite Alternative EuGVÜ). Es handelt sich bei dieser Zuständigkeit um einen Sonderfall des Gerichtsstandes des Erfüllungsortes (Art. 5 Nr. 1 erster Halbsatz EuGVÜ). Während Art. 5 Nr. 1 erster Halbsatz EuGVÜ sich allgemein auf Klagen aus Vertrag bezieht, erfaßt Art. 13 EuGVÜ bestimmte Arten von Verträgen, die ein Verbraucher geschlossen hat (EuGH, Urteil vom 11. Juli 2002 - Rs. C-96/00 - NJW 2002, 2697, 2698). Die in Art. 13 EuGVÜ verwendeten Begriffe sind autonom auszulegen, wobei in erster Linie die Systematik und die Zielsetzung des Übereinkommens zu berücksichtigen sind, um dessen volle Wirksamkeit zu sichern (EuGH aaO).
Die vorliegende auf eine Gewinnzusage im Sinne des § 661a BGB gestützte Klage kann als Klage aus einem Verbrauchervertrag (Art. 13 Abs. 1 EuGVÜ) angesehen werden.
aa) Zwar handelt es sich bei der Gewinnzusage oder vergleichbaren Mitteilung der Beklagten nicht um einen Vertrag, sondern um ein einseitiges Rechtsgeschäft oder eine geschäftsähnliche Handlung (vgl. Lorenz, NJW 2000, 3305, 3307; Palandt/Sprau, BGB 61. Aufl. 2002 § 661a Rn. 2; Ring, Fernabsatzgesetz 2002 Art. 2 Abs. 4 Rn. 172). Die vertragliche Natur des Klageanspruchs kann auch nicht daraus hergeleitet werden, daß eine untrennbare Verbindung zwischen der Gewinnzusage und der Warenbestellung bestanden
hätte (vgl. EuGH aaO S. 2699). Es ist nicht ersichtlich, daß die Klägerin bei der Beklagten Waren bestellt oder die Beklagte die Auszahlung des Gewinns von einer Warenbestellung abhängig gemacht hätte.
bb) Die an die Klägerin gerichtete Gewinnbenachrichtigung der Beklagten zielte jedoch auf eine Vertragsanbahnung. Die Klägerin, die unstreitig Verbraucherin im vorbeschriebenen Sinn war, sollte hierdurch veranlaßt werden, bei der Beklagten Waren zu bestellen (Art. 13 Abs. 1 Nr. 3 zweite Alternative und lit. a EuGVÜ). Denn sie wurde in dem Schreiben der Beklagten vom 30. Juni 2000 aufgefordert, von der Klägerin angebotene "Schnäppchen" zu nutzen. Auch das in Art. 13 Abs. 1 Nr. 3 lit. b EuGVÜ bestimmte Erfordernis, daß der Verbraucher in dem Staat seines Wohnsitzes die zum Abschluß des Vertrages erforderlichen Rechtshandlungen vorgenommen hat, war - zumindest dem Rechtsgedanken nach - erfüllt. Die Klägerin versah entsprechend den Anweisungen der Beklagten im Schreiben vom 30. Juni 2000 den Ziehungsbescheid mit der Zuteilungsmarke und schickte ihn am 7. Juli 2000 zurück.
cc) Sind aber die Voraussetzungen des Art. 13 Abs. 1 Nr. 3 EuGVÜ gegeben , dann konnte die in der Bundesrepublik Deutschland wohnende Klägerin ihre "Klage eines Verbrauchers" gegen die in den Niederlanden ansässige Beklagte wahlweise vor den niederländischen (Art. 14 Abs. 1 erste Alternative EuGVÜ) oder - wie geschehen - vor den deutschen Gerichten (Art. 14 Abs. 1 zweite Alternative EuGVÜ) erheben.

c) Wäre hingegen für die Zuständigkeit für Verbrauchersachen (Art. 13 ff. EuGVÜ) entscheidend auf den - hier nicht erfolgten - Abschluß eines Vertra-
ges abzustellen, wären die deutschen Gerichte jedenfalls aufgrund des Gerichtsstandes der unerlaubten Handlung zuständig.
aa) Gemäß Art. 3 Abs. 1 i.V.m. Art. 5 Nr. 3 EuGVÜ können in einem Vertragsstaat ansässige (natürliche oder juristische) Personen auch vor den Gerichten eines anderen Vertragsstaats verklagt werden, wenn eine unerlaubte Handlung oder eine Handlung, die einer unerlaubten Handlung gleichgestellt ist, oder wenn Ansprüche aus einer solchen Handlung den Gegenstand des Verfahrens bilden, und zwar vor dem Gericht des Ortes, an dem das schädigende Ereignis eingetreten ist (Art. 3 Abs. 1 i.V.m. Art. 5 Nr. 3; Art. 53 Abs. 1 Satz 1 EuGVÜ). Der Begriff der "unerlaubten Handlung" im Sinne des Art. 5 Nr. 3 EuGVÜ ist als autonomer Begriff anzusehen. Um eine einheitliche Lösung in allen Mitgliedsstaaten zu gewährleisten, ist davon auszugehen, daß sich der Begriff der "unerlaubten Handlung" auf Klagen bezieht, mit denen eine Schadenshaftung des Beklagten geltend gemacht wird und die nicht an einen Vertrag im Sinne von Art. 5 Nr. 1 EuGVÜ anknüpfen (st. Rspr. des EuGH, vgl. Urteil vom 11. Juli 2002 aaO; Urteil vom 27. September 1988 - Rs. 189/87 - EuGHE 1988, 5565, 5585 = NJW 1988, 3088, 3089 m. Anm. Geimer; vgl. auch BGH, Urteil vom 11. Februar 1988 - I ZR 201/86 - NJW 1988, 1466, 1467). So läge der Streitfall, wenn für den Gerichtsstand des Erfüllungsortes (Art. 5 Nr. 1 erster Halbsatz EuGVÜ) und, was hier in Frage steht, die Zuständigkeit für Verbrauchersachen (Art. 13 ff. EuGVÜ) die Anknüpfung an die mit der Gewinnzusage betriebene Vertragsanbahnung nicht genügte. Die Haftung wegen Gewinnzusage (§ 661a BGB) wäre dann als nichtvertragliche deliktische oder deliktsähnliche Haftung - nicht als eine solche wegen zurechenbar gesetzten Rechtsscheins (vgl. Lorenz aaO S. 3306, 3308) - aufzufassen.
Mit der Einführung des § 661a BGB wollte der Gesetzgeber einer verbreiteten und wettbewerbsrechtlich unzulässigen Praxis entgegenwirken, daß Unternehmer Verbrauchern Mitteilungen über angebliche Gewinne übersenden , um sie zur Bestellung von Waren zu veranlassen, die Gewinne auf Nachfrage aber nicht aushändigen (vgl. Begründung der Bundesregierung zu dem Entwurf eines Gesetzes über Fernabsatzverträge und andere Fragen des Verbraucherrechts sowie zur Umstellung von Vorschriften auf Euro BT-Drucks. 14/2658 S. 48 f, Gegenäußerung der Bundesregierung zu der Stellungnahme des Bundesrates BT-Drucks. 14/2920 S. 15; Lorenz aaO S. 3306 m.w.N.). Damit wurde - österreichischem Vorbild folgend (Lorenz IPRax 2002, 192) - eine Tendenz der Richtlinie 97/7/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 20. Mai 1997 über den Verbraucherschutz bei Vertragsschlüssen im Fernabsatz (ABl. EG Nr. L 144 S. 19) aufgegriffen, wettbewerbsrechtliche Verstöße allgemein-zivilrechtlich zu ahnden (Lorenz NJW 2000, 3306; vgl. auch Beschlußempfehlung und Bericht des Rechtsausschusses zu dem vorgenannten Gesetzentwurf BT-Drucks. 14/3195 S. 33 f; Ring aaO Rn. 167-169). Die unlautere Werbung mittels Vortäuschung scheinbarer Gewinne sollte unterbunden werden, indem dem Verbraucher gesetzlich eingeräumt wurde, den Unternehmer beim Wort zu nehmen und die Leistung des mitgeteilten Gewinns zu verlangen (Begründung Fernabsatzgesetz aaO S. 49; Bericht aaO S. 34). Darin ist jedenfalls eine Haftung wegen "unerlaubter Handlung" - im oben beschriebenen weitgefaßten Sinn des Art. 5 Nr. 3 EuGVÜ - zu sehen. Der Unternehmer wird für sein - in der Regel vorsätzlich abgegebenes (vgl. Lorenz aaO S. 3306, 3307) - täuschendes Versprechen "bestraft" , indem er gemäß § 661a BGB hierfür dem Verbraucher auf Erfüllung haftet (vgl. Gegenäußerung aaO; Rauscher/Schülke, The European Legal Fo-
rum 2000/01, 334, 337). Diese deliktische Qualifikation einer Klage aus Ge- winnzusage wahrt zugleich die Parallelität zu den Wettbewerbssachen (vgl. Lorenz aaO S. 3308 und 3309; s. aber dagegen ders. IPRax 2002, 192, 194 f; Rauscher/Schülke aaO), die nach allgemeiner Auffassung unter den Gerichtsstand der "unerlaubten Handlung" im Sinne des Art. 5 Nr. 3 EuGVÜ fallen (vgl. BGH, Urteil vom 11. Februar 1988 aaO; Gottwald in MünchKomm ZPO 2. Aufl. 2001 Schlußanhang IZPR Art. 5 EuGVÜ Rn. 37; Wieczorek /Schütze/Hausmann, ZPO 3. Aufl. 1994 Anh. § 40 Art. 5 EuGVÜ Rn. 51; Albers aaO Rn. 17; Hüßtege in Thomas/Putzo, ZPO 22. Aufl. 1999 Art. 5 EuGVÜ Rn. 10; Auer in Bülow/ Böckstiegel/Geimer/Schütze, Der internationale Rechtsverkehr in Zivil- und Handelssachen Art. 5 EuGVÜ Rn. 100; Geimer /Schütze, Europäisches Zivilverfahrensrecht 1997 Art. 5 EuGVÜ Rn. 151; Schlosser, EuGVÜ 1996 Art. 5 Rn. 16; Kropholler, Europäisches Zivilprozeßrecht 6. Aufl. 1998 Art. 5 EuGVÜ Rn. 57; Lorenz IPRax 2002, 192, 194).
Der Anspruch aus Gewinnzusage wäre im übrigen auch dann dem Gerichtsstand der unerlaubten Handlung (Art. 5 Nr. 3 EuGVÜ) zuzuordnen, wenn es sich um einen gesetzlichen Fall der culpa in contrahendo handelte (vgl. Lorenz aaO 3307, 3309; EuGH, Urteil vom 17. September 2002 - Rs. C 334/00 - NJW 2002, 3159 f).
bb) Der gemäß Art. 5 Nr. 3 EuGVÜ maßgebliche Ort, "an dem das schädigende Ereignis eingetreten ist", liegt sowohl an dem Ort, an dem der Schaden eingetreten ist, als auch an dem Ort des ursächlichen Geschehens (EuGH, Urteil vom 30. November 1976 - Rs. 21/76 - EuGHE 1976, 1735, 1746 f und vom 7. März 1995 - Rs. C-68/93 - EuGHE 1995 I S. 415, 460;
Gottwald aaO Rn. 42; Auer aaO Rn. 107). Dementsprechend konnte die Be- klagte an dem für den Wohnsitz der Klägerin zuständigen Gericht verklagt werden. Dort trat nämlich mit dem Empfang des scheinbaren Gewinnversprechens der Erfolg der unerlaubten Handlung (Art. 5 Nr. 3 EuGVÜ) ein (vgl. Rauscher /Schülke aaO S. 338; Lorenz NJW 2000, 3308, 3309).
3. Einer Vorlage wegen der hier vorgenommenen Auslegung der Art. 13 und 5 Nr. 3 EuGVÜ nach Art. 2 f des Protokolls vom 3. Juni 1971 bedarf es nicht. Zwar ist die Auslegungsfrage in der für den vorliegenden Rechtsstreit erheblichen Form noch nicht Gegenstand einer Entscheidung des Gerichtshofes gewesen. Eine Vorlage ist aber - ebenso wie im Falle des Art. 177 Abs. 3 EWG-Vertrag und des Art. 234 Abs. 3 EG-Vertrag - entbehrlich, wenn die richtige Anwendung des Gemeinschaftsrechts so offenkundig ist, daß für vernünftige Zweifel kein Raum bleibt (EuGH, Urteil vom 6. Oktober 1982 - Rs. 283/81 - EuGHE 1982, 3415; BVerfG NJW 1988, 1456; BGHZ 109, 29, 35; BGH, Urteil vom 12. Mai 1993 - VIII ZR 110/92 - BGHR EGÜbk Art. 6 Nr. 3 Zuständigkeit 1). So liegt es hier. Die auf eine Gewinnzusage oder eine vergleichbare Mitteilung (§ 661a BGB) gestützte Klage ist in Anlehnung an die Urteile des Europäischen Gerichtshofs vom 11. Juli 2002 (aaO) und 17. September 2002 (aaO) dem internationalen Gerichtsstand für Verbrauchersachen (Art. 13 f EuGVÜ) oder der unerlaubten Handlung (Art. 5 Nr. 3 EuGVÜ) zuzuordnen. Daß weder die eine noch die andere Vorschrift anwendbar ist und sich die Beklagte auf den allgemeinen Gerichtsstand des Art. 2 Abs. 1 EuGVÜ berufen könnte, hält der Senat im Hinblick auf die genannten Entscheidungen des Gerichtshofs für ausgeschlossen. Er ist davon überzeugt, daß die gleiche Gewißheit für die Gerichte der übrigen Vertragsstaaten und den Europäischen Gerichtshof selbst besteht (vgl. EUGH, BVerfG und BGHZ aaO).

4. Die Beklagte hat die Kosten der erfolglosen Rechtsmittel gegen das Zwischenurteil des Landgerichts zu tragen (§ 97 Abs. 1 ZPO; vgl. Zöller/Greger aaO § 280 Rn. 8 a.E.).
Rinne Wurm Kapsa Dörr Galke

(1) Die Berufung findet gegen die im ersten Rechtszug erlassenen Endurteile statt.

(2) Die Berufung ist nur zulässig, wenn

1.
der Wert des Beschwerdegegenstandes 600 Euro übersteigt oder
2.
das Gericht des ersten Rechtszuges die Berufung im Urteil zugelassen hat.

(3) Der Berufungskläger hat den Wert nach Absatz 2 Nr. 1 glaubhaft zu machen; zur Versicherung an Eides statt darf er nicht zugelassen werden.

(4) Das Gericht des ersten Rechtszuges lässt die Berufung zu, wenn

1.
die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat oder die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Berufungsgerichts erfordert und
2.
die Partei durch das Urteil mit nicht mehr als 600 Euro beschwert ist.
Das Berufungsgericht ist an die Zulassung gebunden.

(1) Die Berufung kann nur darauf gestützt werden, dass die Entscheidung auf einer Rechtsverletzung (§ 546) beruht oder nach § 529 zugrunde zu legende Tatsachen eine andere Entscheidung rechtfertigen.

(2) Die Berufung kann nicht darauf gestützt werden, dass das Gericht des ersten Rechtszuges seine Zuständigkeit zu Unrecht angenommen hat.

Die Berufungsfrist beträgt einen Monat; sie ist eine Notfrist und beginnt mit der Zustellung des in vollständiger Form abgefassten Urteils, spätestens aber mit dem Ablauf von fünf Monaten nach der Verkündung.

(1) Die Berufung wird durch Einreichung der Berufungsschrift bei dem Berufungsgericht eingelegt.

(2) Die Berufungsschrift muss enthalten:

1.
die Bezeichnung des Urteils, gegen das die Berufung gerichtet wird;
2.
die Erklärung, dass gegen dieses Urteil Berufung eingelegt werde.

(3) Mit der Berufungsschrift soll eine Ausfertigung oder beglaubigte Abschrift des angefochtenen Urteils vorgelegt werden.

(4) Die allgemeinen Vorschriften über die vorbereitenden Schriftsätze sind auch auf die Berufungsschrift anzuwenden.

(1) Der Berufungskläger muss die Berufung begründen.

(2) Die Frist für die Berufungsbegründung beträgt zwei Monate und beginnt mit der Zustellung des in vollständiger Form abgefassten Urteils, spätestens aber mit Ablauf von fünf Monaten nach der Verkündung. Die Frist kann auf Antrag von dem Vorsitzenden verlängert werden, wenn der Gegner einwilligt. Ohne Einwilligung kann die Frist um bis zu einem Monat verlängert werden, wenn nach freier Überzeugung des Vorsitzenden der Rechtsstreit durch die Verlängerung nicht verzögert wird oder wenn der Berufungskläger erhebliche Gründe darlegt.

(3) Die Berufungsbegründung ist, sofern sie nicht bereits in der Berufungsschrift enthalten ist, in einem Schriftsatz bei dem Berufungsgericht einzureichen. Die Berufungsbegründung muss enthalten:

1.
die Erklärung, inwieweit das Urteil angefochten wird und welche Abänderungen des Urteils beantragt werden (Berufungsanträge);
2.
die Bezeichnung der Umstände, aus denen sich die Rechtsverletzung und deren Erheblichkeit für die angefochtene Entscheidung ergibt;
3.
die Bezeichnung konkreter Anhaltspunkte, die Zweifel an der Richtigkeit oder Vollständigkeit der Tatsachenfeststellungen im angefochtenen Urteil begründen und deshalb eine erneute Feststellung gebieten;
4.
die Bezeichnung der neuen Angriffs- und Verteidigungsmittel sowie der Tatsachen, auf Grund derer die neuen Angriffs- und Verteidigungsmittel nach § 531 Abs. 2 zuzulassen sind.

(4) Die Berufungsbegründung soll ferner enthalten:

1.
die Angabe des Wertes des nicht in einer bestimmten Geldsumme bestehenden Beschwerdegegenstandes, wenn von ihm die Zulässigkeit der Berufung abhängt;
2.
eine Äußerung dazu, ob einer Entscheidung der Sache durch den Einzelrichter Gründe entgegenstehen.

(5) Die allgemeinen Vorschriften über die vorbereitenden Schriftsätze sind auch auf die Berufungsbegründung anzuwenden.

Das Recht ist verletzt, wenn eine Rechtsnorm nicht oder nicht richtig angewendet worden ist.

(1) Das Berufungsgericht hat seiner Verhandlung und Entscheidung zugrunde zu legen:

1.
die vom Gericht des ersten Rechtszuges festgestellten Tatsachen, soweit nicht konkrete Anhaltspunkte Zweifel an der Richtigkeit oder Vollständigkeit der entscheidungserheblichen Feststellungen begründen und deshalb eine erneute Feststellung gebieten;
2.
neue Tatsachen, soweit deren Berücksichtigung zulässig ist.

(2) Auf einen Mangel des Verfahrens, der nicht von Amts wegen zu berücksichtigen ist, wird das angefochtene Urteil nur geprüft, wenn dieser nach § 520 Abs. 3 geltend gemacht worden ist. Im Übrigen ist das Berufungsgericht an die geltend gemachten Berufungsgründe nicht gebunden.

(1) Angriffs- und Verteidigungsmittel, die im ersten Rechtszuge zu Recht zurückgewiesen worden sind, bleiben ausgeschlossen.

(2) Neue Angriffs- und Verteidigungsmittel sind nur zuzulassen, wenn sie

1.
einen Gesichtspunkt betreffen, der vom Gericht des ersten Rechtszuges erkennbar übersehen oder für unerheblich gehalten worden ist,
2.
infolge eines Verfahrensmangels im ersten Rechtszug nicht geltend gemacht wurden oder
3.
im ersten Rechtszug nicht geltend gemacht worden sind, ohne dass dies auf einer Nachlässigkeit der Partei beruht.
Das Berufungsgericht kann die Glaubhaftmachung der Tatsachen verlangen, aus denen sich die Zulässigkeit der neuen Angriffs- und Verteidigungsmittel ergibt.

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
II ZR 288/07
vom
22. September 2008
in dem Rechtsstreit
Der II. Zivilsenat des Bundesgerichtshofes hat am 22. September 2008
durch den Vorsitzenden Richter Prof. Dr. Goette und die Richter Kraemer,
Caliebe, Dr. Reichart und Dr. Drescher

beschlossen:
Die Beschwerde der Beklagten zu 1 gegen die Nichtzulassung der Revision in dem Urteil des 11. Zivilsenats des Brandenburgischen Oberlandesgerichts vom 19. Dezember 2006 wird zurückgewiesen , weil keiner der im Gesetz (§ 543 Abs. 2 ZPO) vorgesehenen Gründe vorliegt, nach denen der Senat die Revision zulassen darf. Der Rechtsstreit der Parteien hat weder grundsätzliche Bedeutung , noch erfordert er eine Entscheidung des Revisionsgerichts zur Fortbildung des Rechts oder zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung. Insbesondere ist die Einleitung eines Vorabentscheidungsersuchens nicht veranlasst. Nach der zweifelsfreien Rechtsprechung des EuGH bedeutet "vertraglicher Anspruch" im Sinn von Art. 5 Nr. 1 Brüssel-I-VO (EuGVVO) jede freiwillig gegenüber einer anderen Person eingegangene Verpflichtung (EuGH, JZ 1995, 90; NJW 2002, 3159; NJW-RR 2004, 1291). Diese Voraussetzung ist bei der hier geltend gemachten Haftung der Beklagten zu 1 gegeben , weil sie durch den Beitritt zur ARGE die Verpflichtung gegenüber der Klägerin freiwillig eingegangen ist; nach früherem Verständnis der Haftung der Gesellschafter einer BGB-Gesellschaft folgte dies aus der so genannten Doppelverpflichtungslehre, nach dem neuen Verständnis ergibt sich dasselbe daraus, dass die Gruppe, zu der die Beklagte zu 1 als Gesellschafterin gehört, die Verpflichtung eingegangen ist und die Gläubigerin nicht nur die Gruppe, sondern auch ihre einzelnen Mitglieder in Anspruch nehmen kann. Von einer näheren Begründung wird gemäß § 544 Abs. 4 Satz 2 2. Halbsatz ZPO abgesehen. Die Beklagte zu 1 trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens (§ 97 ZPO). Streitwert: 1.705.172,22 € Goette Kraemer Caliebe Reichart Drescher
Vorinstanzen:
LG Neuruppin, Entscheidung vom 02.03.2006 - 2 O 552/04 -
OLG Brandenburg, Entscheidung vom 19.12.2006 - 11 U 46/06 -

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
VII ZR 404/99 Verkündet am:
7. Dezember 2000
Seelinger-Schardt,
Justizangestellte
als Urkundsbeamter
der Geschäftsstelle
in dem Rechtsstreit
Nachschlagewerk: ja
BGHZ: nein
EGBGB Art. 27 Abs. 1 Satz 2 2. Alt.
Zu den maßgeblichen Umständen einer konkludenten Rechtswahl für einen Architektenvertrag
zugunsten des deutschen Rechts.
Der Erfüllungsort für die beiderseitigen Verpflichtungen aus einem Architektenvertrag
ist regelmäßig der Ort des Bauwerkes, wenn der Architekt sich verpflichtet hat,
für das Bauvorhaben die Planung und die Bauaufsicht zu erbringen.
BGH, Urteil vom 7. Dezember 2000 - VII ZR 404/99 - OLG Dresden
LG Dresden
Der VII. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat auf die mündliche Verhandlung
vom 7. Dezember 2000 durch die Richter Prof. Dr. Thode, Dr. Haß, Dr. Kuffer,
Dr. Kniffka und Wendt

für Recht erkannt:
Auf die Revision der Klägerin wird das Urteil des 6. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Dresden vom 29. September 1999 insoweit aufgehoben, als die Klage gegen den Beklagten zu 2 als unzulässig abgewiesen worden ist. Die Sache wird insoweit zur erneuten Verhandlung und Entscheidung , auch über die Kosten des Revisionsverfahrens, an das Landgericht zurückverwiesen.
Von Rechts wegen

Tatbestand:

I.

Die Klägerin verlangt aus abgetretenem Recht von den in Norwegen domizilierten Beklagten als Gesamtschuldner Vorschuß für Mängelbeseitigungskosten sowie Schadensersatz. Die angeblichen Ansprüche hat die N.-GmbH an die Klägerin abgetreten. Die Parteien streiten vorrangig über die internationale Zuständigkeit der deutschen Gerichte.

II.

Im Jahre 1996 beauftragte die Klägerin die N.-GmbH mit der Errichtung dreier Reihenhäuser auf einem Grundstück in M.. Zwischen den Parteien ist streitig, ob die N.-GmbH mit der Beklagten zu 1 einen Vertrag über die Errichtung des Rohbaus und mit dem Beklagten zu 2 ein Vertrag über die Bauplanung und Bauüberwachung dieses Rohbaus abgeschlossen hat.

III.

1. Das Landgericht hat die Klage gegen beide Beklagten mit der Begründung als unzulässig abgewiesen, die deutschen Gerichte seien für die Klage international nicht zuständig. 2. Hinsichtlich der Beklagten zu 1 hatte die Berufung der Klägerin Erfolg. Das Berufungsgericht hat die internationale Zuständigkeit der deutschen Gerichte für die Klage gegen die Beklagte zu 1 bejaht und das landgerichtliche Urteil insoweit aufgehoben und die Sache an das Landgericht zurückverwiesen. Hinsichtlich der Klage gegen den Beklagten zu 2 hatte die Berufung keinen Erfolg. 3. Mit ihrer Revision wendet sich die Klägerin dagegen, daß das Berufungsgericht die internationale Zuständigkeit der deutschen Gerichte für die Klage gegen den Beklagten zu 2 verneint hat.

Entscheidungsgründe:

I.

Die Revision der Klägerin hat Erfolg, sie führt hinsichtlich der Klage gegen den Beklagten zu 2 zur Aufhebung des Berufungsurteils und zur Zurückverweisung der Sache an das Landgericht.

II.

1. Die Beurteilung der internationalen Zuständigkeit der deutschen Gerichte richtet sich nach dem Luganer Übereinkommen und nicht nach dem EuGVÜ:
a) Das Luganer Übereinkommen ist am 1. März 1995 (BGBl. 1995 II, 211) für die Bundesrepublik Deutschland im Verhältnis zu Norwegen in Kraft getreten.
b) Nach Art. 45 b LugÜ, die das Verhältnis des EuGVÜ zum Luganer Übereinkommen für die Mitgliedsstaaten der Europäischen Gemeinschaft regelt , ist statt des EuGVÜ das Luganer Übereinkommen anzuwenden, wenn der Beklagte seinen Wohnsitz im Hoheitsgebiet eines Vertragsstaates des Luganer Übereinkommens hat, der nicht Mitglied der Europäischen Gemeinschaft ist (Art. 54 b Abs. 2 lit. a LugÜ).
c) Das Luganer Übereinkommen ist gemäß Art. 54 Abs. 1 nur auf Klagen anzuwenden, die nach seinem Inkrafttreten erhoben worden sind.

d) Diese Voraussetzungen liegen vor. Der Beklagte hat seinen Wohnsitz in Norwegen, einem Vertragsstaat des Luganer Übereinkommens, der nicht Mitgliedsstaat der Europäischen Gemeinschaft ist. Die Abtretung der Forderung ist für die Frage der internationalen Zuständigkeit der deutschen Gerichte unerheblich. Für die internationale Zuständigkeit kommt es allein darauf an, ob der in einer erhobenen Klage als Prozeßpartei benannte Beklagte seinen Wohnsitz in einem anderen Staat hat. Die Abtretung der Forderung ist keine Frage des internationalen Zivilprozeßrechts, sondern eine materiell-rechtliche Frage des internationalen Privatrechts (Art. 33 EGBGB). Die Klage ist nach dem Inkrafttreten des Luganer Übereinkommens im Verhältnis zu Norwegen in einem Vertragsstaat, der Bundesrepublik Deutschland , erhoben worden. 2. Der sachliche Anwendungsbereich des Luganer Übereinkommens nach Art. 1 Abs. 1 ist eröffnet, weil der Rechtsstreit eine Zivilsache zum Gegenstand hat.

III.

Die internationale Zuständigkeit der deutschen Gerichte für die Klage gegen den Beklagten zu 2 ist nur eröffnet, wenn die Voraussetzungen des Gerichtsstands am Erfüllungsort (Art. 5 Nr. 1 LugÜ) erfüllt sind. 1. Art. 5 Nr. 1 LugÜ ist weiterhin nach den vom Europäischen Gerichtshof zu Art. 5 Nr. 1 EuGVÜ entwickelten Grundsätzen auszulegen:

a) Für das Luganer Übereinkommen gibt es keine Auslegungszuständigkeit des Europäischen Gerichtshofs (Kropholler, Europäisches Zivilprozeßrecht , 6. Aufl., Einleitung Rdn. 59; Geimer/Schütze, Europäisches Zivilverfahrensrecht , Einleitung Rdn. 88). Maßgeblich für die Auslegung des Luganer Übereinkommens ist das Protokoll Nr. 2 zu diesem Übereinkommen (BGBl. 1994 II S. 2647, abgedruckt bei Jayme/Hausmann, Internationales Privat - und Verfahrensrecht, 10. Aufl., S. 360 ff). Nach der Präambel des Protokolls Nr. 2 müssen die Vertragsparteien des Übereinkommens die bis zum 18. September 1988 ergangenen Entscheidungen des Europäischen Gerichtshofs als authentische Interpretation der inhaltlich übereinstimmenden Parallelnormen des Luganer Übereinkommens akzeptieren (vgl. Kropholler, Europäisches Zivilprozeßrecht, 6. Aufl., Einleitung Rdn. 63).
b) Nach der Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs in der Rechtssache Tessili (Urteil vom 6. Oktober 1976, Rs. C-12/76, Slg. 1976, 1475 = NJW 1977, 491) ist das für den Erfüllungsort maßgebliche Recht nach den Kollisionsnormen des angerufenen Gerichts zu bestimmen. Da diese Entscheidung vor dem 18. September 1988 ergangen ist, sind die Grundsätze dieser Entscheidung die authentische Interpretation des Art. 5 Nr. 1 LugÜ. Der Europäische Gerichtshof hat die sogenannte Tessili-Regel nach dem 18. September 1988 in zwei weiteren Entscheidungen bestätigt (Rechtssache Custom Made Commercial: Urteil vom 29. Juni 1994, Rs. C-288/92, Slg. 1994 I, 2913 = NJW 1995, 183 = EuZW 1984, 763; Rechtssache IE Groupe Concorde u.a.: Urteil vom 28. September 1999, Rs. C-440/97, EuGHE 1999 I, 6307 = NJW 2000, 719).
c) Der Erfüllungsort der primären Vertragspflicht, die den Gegenstand der Klage bildet, begründet die internationale Zuständigkeit. Macht der Kläger
Schadensersatzansprüche geltend, ist die verletzte Vertragspflicht maßgeblich und nicht die Schadensersatzverpflichtung (Kropholler, Europäisches Zivilprozeßrecht , 6. Aufl., Art. 5 Rdn. 14 m.N. der Rechtsprechung des EuGH).
d) Art. 5 Nr. 1 Luganer Übereinkommen ist auch dann anwendbar, wenn die Parteien darüber streiten, ob ein Vertrag zustande gekommen ist, auf den der Kläger seinen Anspruch stützt (Kropholler, aaO, Rdn. 5).

IV.

Der Sachvortrag der Klägerin ist für die Entscheidung über die internationale Zuständigkeit der deutschen Gerichte ausreichend. Die Frage, welche Anforderungen an den Vortrag des Klägers zur internationalen Zuständigkeit zu stellen sind, wird durch das Luganer Übereinkommen nicht geregelt, sie ist nach dem autonomen internationalen Zivilprozeßrecht zu beurteilen. Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs genügt für die Begründung der internationalen Zuständigkeit ein schlüssiger Sachvortrag des Klägers (BGH, Urteil vom 25. November 1993 - IX ZR 32/93, BGHZ 124, 237 = NJW 1994, 1413; Urteil vom 28. Februar 1996 - XII ZR 181/93, BGHZ 132, 105 = NJW 1996, 1411).

V.

1. Das Berufungsgericht hat die internationale Zuständigkeit der deutschen Gerichte für die streitige Forderung gegen die Beklagte zu 2 mit folgender Erwägung verneint:
Für eine konkludente Rechtswahl fehle es im Unterschied zu dem Vertragsverhältnis mit der Beklagten zu 1 an den erforderlichen Anhaltspunkten. Die enge Verknüpfung des Bauvertrages mit dem Architektenvertrages sei ein Indiz für eine konkludente Rechtswahlunsten des für den Bauvertrag maßgeblichen materiellen Rechts. Angesichts weiterer Umstände genüge dieser Anhaltspunkt allerdings nicht. Gegen eine konkludente Rechtswahlvereinbarung zugunsten des deutschen Rechts spreche der Umstand, daß die Parteien die HOAI nicht vereinbart hätten. Damit fehle es an der Einbeziehung einer typisch deutschen Regelung in den Vertrag. Die behauptete Vereinbarung der DIN-Normen des deutschen Rechts und der deutschen Baurechtsbestimmungen sei kein relevanter Anhaltspunkt für eine konkludente Rechtswahl. Es handele sich lediglich um Regeln, die die technische Ausführung der Leistung betreffen , ein Rückschluß auf die Vertragsgestaltung lasse die Vereinbarung nicht zu. Nach den Ausführungen des Sachverständigen sei nach norwegischem Recht der Erfüllungsort am Wohnsitz des Schuldners in Norwegen. 2. Diese Erwägungen halten einer revisionsrechtlichen Überprüfung nicht stand. Die nach Art. 27 Abs. 1 Satz 2 EGBGB für eine konkludente Rechtswahl erheblichen Umstände lassen nur den Schluß zu, daß die Parteien auch für den Architektenvertrag deutsches Recht gewählt haben. Das Berufungsgericht hat bei der Auslegung für eine konkludente Rechtswahl der Vertragsparteien einige maßgebliche Umstände fehlerhaft gewürdigt und einen gewichtigen Umstand, die enge wirtschaftliche Verknüpfung der beiden Verträge , nicht berücksichtigt.
a) Nach Art. 27 Abs. 1 Satz 2 EGBGB ist für eine konkludente Rechtswahl erforderlich, daß sich die Rechtswahl "mit hinreichender Sicherheit aus den Bestimmungen des Vertrages oder aus den Umständen des Falles" ergibt.

b) Die konkludente Rechtswahl zwischen den Vertragsparteien des Bauvertrages , der Klägerin und der Beklagten zu 1, ist ein gewichtiges Indiz dafür, daß die Parteien des Architektenvertrages auch diesen Vertrag dem deutschen Vertragsrecht unterstellen wollten, weil die Leistungen aufgrund beider Verträge für dasselbe Bauvorhaben in Deutschland erbracht werden sollten. Die vom Berufungsgericht gewürdigten übrigen Anhaltspunkte sprechen nicht gegen eine konkludente Rechtswahl des deutschen Rechts, sondern für eine derartige Wahl: Die fehlende Vereinbarung der HOAI ist allenfalls von geringer indizieller Bedeutung für die Beurteilung einer konkludenten Rechtswahl, weil die HOAI nicht Gegenstand des Schuldstatuts im Sinne des Art. 32 Abs. 1 EGBGB ist. Die HOAI gilt als zwingendes Preisrecht des öffentlichen Rechts unabhängig von einer Rechtswahl der Vertragsparteien (Thode/Wenner, Internationales Architekten- und Bauvertragsrecht, Rdn. 90). Die Vereinbarung der deutschen technischen Regeln ist ein weiteres maßgebliches Indiz für die Wahl des deutschen Rechts. Die deutschen technischen Vorschriften betreffen den Inhalt der von dem Architekten geschuldeten Leistung (Reithmann/Thode, Internationales Vertragsrecht, 5. Aufl., Rdn. 964) und damit eine vom Schuldstatut erfaßte Frage. Von untergeordneter Bedeutung sind der Abschlußort und die vereinbarte Währung der Vergütung (Thode/Wenner, aaO, Rdn. 92). Beide Indizien deuten allerdings übereinstimmend auf die Wahl des deutschen Rechts hin.

VI.

1. Der Erfüllungsort der Primärforderung im Sinne des Art. 5 Nr. 1 LugÜ ist nach dem durch das deutsche Kollisionsrecht (Art. 27 Abs. 1 Satz 2 EGBGB) berufene materielle deutsche Werkvertragsrecht am Ort der Baustelle.
Maßgeblich für die Beurteilung des Erfüllungsortes sind nicht die mit der Klage geltend gemachten Ansprüche auf Mängelbeseitigungskosten und Schadensersatz, sondern die von der Klägerin behauptete Verletzung der von dem Beklagten zu 2 geschuldeten Bauplanungs- und Bauaufsichtsleistungen. 2. Die Frage, an welchem Ort der Architekt, dem sowohl die Planung als auch die Bauaufsicht übertragen worden ist, seine Leistung zu erbringen hat, ist bisher vom Bundesgerichtshof nicht entschieden worden. Für die vom Architekten geschuldete Leistung in dem genannten Umfang gelten die gleichen Grundsätze wie für die Werkleistung des Bauunternehmers eines Bauvertrages (BGH, Urteil vom 5. Dezember 1985 - 1 ARZ 737/85, NJW 1986, 935 = BauR 1986, 241 = ZfBR 1986, 80). Verpflichtet sich der Architekt, die Planung und die Bauaufsicht für ein Bauvorhaben zu erbringen, liegt der Schwerpunkt seiner Leistung am Ort des Bauwerkes. Die Planung und die Bauaufsicht sind die von dem Architekten geschuldete einheitliche Werkleistung, die dazu dient, im Umfang der übernommenen Verpflichtung die Errichtung eines mangelfreien Bauwerkes zu ermöglichen. Die Bestimmung des Erfüllungsortes der vom Architekten geschuldeten Leistung am Ort der Baustelle liegt im Interesse beider Vertragsparteien. Schuldet der Architekt Planung und Bauaufsicht, kann der Auftraggeber die Leistung des Architekten, wenn er die Leistung sachgerecht überprüfen will, nur am Ort des Bauwerkes abnehmen. Falls die Vertragsparteien einen Streit über die Vertragsgerechtigkeit der Architektenleistung gerichtlich austragen, ist es sach
gerecht, wenn der Rechtsstreit in der Nähe des Orts der Baustelle durchgeführt wird, weil die Klärung behaupteter Mängel des Architektenwerkes regelmäßig eine Beweisaufnahme über etwaige Mängel des Bauwerkes erfordert. Thode Haß Kuffer Kniffka Wendt

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
I ZR 312/02 Verkündet am:
21. Juli 2005
Walz
Justizamtsinspektor
als Urkundsbeamter
der Geschäftsstelle
in dem Rechtsstreit
Nachschlagewerk: ja
BGHZ : nein
BGHR : ja
BOSS-Club

a) Darauf, ob dem Markeninhaber auch nach den vor dem Inkrafttreten des
Markengesetzes geltenden Bestimmungen Ansprüche wegen Markenverletzung
gegen eine vor dem 1. Januar 1995 aufgenommene Zeichennutzung
zustanden (§ 153 Abs. 1 MarkenG), kommt es nur an, wenn das angegriffene
Zeichen auch vor dem 1. Januar 1995 in identischer Form oder in einer Weise
benutzt worden ist, die den kennzeichnenden Charakter des Zeichens
nicht verändert hat. Ist die neue Verwendungsform der früheren lediglich
ähnlich, kommt es nur auf die Rechtslage nach Inkrafttreten des Markengesetzes
an.

b) Der Lizenznehmer kann sich gegenüber dem Lizenzgeber nicht darauf berufen
, er hätte ohne Abschluß des Lizenzvertrages ein Recht an einem anderen
als dem lizenzierten Zeichen erwerben können.

c) Schließen die Parteien einen Gestattungsvertrag über eine Zeichennutzung,
ohne weitergehende wechselseitige Pflichten zu vereinbaren, läßt sich dem
regelmäßig nicht entnehmen, der Lizenznehmer habe für den Fall der Beendigung
des Vertragsverhältnisses auf den Einwand verzichten wollen, die
Voraussetzungen einer Schutzrechtsverletzung hätten bei Benutzungsaufnahme
nicht vorgelegen.
BGH, Urt. v. 21. Juli 2005 - I ZR 312/02 - OLG Stuttgart
LG Stuttgart
Der I. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat auf die mündliche Verhandlung
vom 21. Juli 2005 durch den Vorsitzenden Richter Prof. Dr. Ullmann und die
Richter Dr. v. Ungern-Sternberg, Dr. Büscher, Dr. Schaffert und Dr. Bergmann

für Recht erkannt:
Auf die Revision der Klägerin und die Anschlußrevision der Beklagten wird das Urteil des 2. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Stuttgart vom 21. November 2002 aufgehoben, soweit nicht der Beseitigungsantrag der Klägerin (Beseitigungsantrag bezogen auf den Hauptantrag) abgewiesen worden ist.
Die Sache wird zur neuen Verhandlung und Entscheidung im Umfang der Aufhebung, auch über die Kosten der Revision, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.
Von Rechts wegen

Tatbestand:


1
Die Klägerin, die HUGO BOSS AG, stellt Damen- und Herrenbekleidung her. Sie ist Inhaberin der u.a. für "Bekleidungsstücke (einschließlich gewirkter und gestrickter) für Damen, Herren und Kinder" mit Priorität vom 7. Dezember 1979 eingetragenen Marken Nr. 100 82 83 "BOSS" und Nr. 100 74 60
2
Die Beklagte zu 2, deren Geschäftsführer der Beklagte zu 1 ist, betreibt seit 1986 in H. ein Tanzlokal mit der Bezeichnung "BOSS-Club". Vor der Aufnahme des Betriebs wandte sich der Bruder des Beklagten zu 1 in dessen und im eigenen Namen mit Schreiben vom 15. April 1985 an die Klägerin und bat um Mitteilung, ob sie den Namen "BOSS" mit Schriftzug für das Tanzlokal verwenden dürften. Daraufhin sandte die Klägerin dem Bruder des Beklagten zu 1 mit Schreiben vom 17. April 1985 eine reprofähige Vorlage des Schriftzugs mit der Bitte, diese nach Gebrauch zurückzusenden. Anfang März 1986 übersandte der Bruder des Beklagten zu 1 der Klägerin ein Foto von der Eingangstür des Lokals und unterrichtete sie von der bevorstehenden Eröffnung. Die Klägerin ließ die Geschäftsleitung des Lokals daraufhin Ende März 1986 wegen der Verwendung der Bezeichnung "BOSS-Club" abmahnen. An die Abmahnung schlossen sich in der Folgezeit Verhandlungen über den Abschluß eines schriftlichen Lizenzvertrags an, die von dem Beklagten zu 1 Ende des Jahres 1987 nicht mehr weiterverfolgt wurden.
3
Gegenüber einer am 18. September 1996 ausgesprochenen weiteren Abmahnung der Klägerin berief sich der Beklagte zu 1 darauf, in der Übersen- dung der reprofähigen Vorlage des "BOSS"-Schriftzugs habe eine ausdrückliche Gestattung der Verwendung der Bezeichnung für das Lokal gelegen. Daraufhin ließ die Klägerin mit Schreiben vom 23. Dezember 1996 die dem Beklagten zu 1 "erteilte Lizenz zur Kennzeichnung seines Tanzlokals mit der Bezeichnung 'BOSS' zum 30. Juni 1997 kündigen". Im Juni 2001 wandte sich die Beklagte zu 2 an die Klägerin mit der Mitteilung, gegen Zahlung einer Entschädigung für die Werbungskosten in einer Größenordnung von 750.000 DM auf die Führung der Bezeichnung "BOSS-Club" zu verzichten. Die Klägerin nahm dies zum Anlaß, die Beklagten am 6. August 2001 abzumahnen, kündigte Ende August 2001 die Gestattung zur Benutzung der Bezeichnung "BOSS" zur Kennzeichnung des Tanzlokals in H. fristlos und erhob am 6. September 2001 die vorliegende Klage.
4
Die Klägerin sieht in der Verwendung der Bezeichnung "BOSS-Club" einen Eingriff in ihre Markenrechte. Sie hat geltend gemacht, ihre Marken "BOSS" seien sehr bekannt. 1986 seien die Marken 64 % der Verkehrskreise bekannt gewesen. In den Jahren 1990 bis 1999 hätten die Marken einen Bekanntheitsgrad zwischen 81,9 % und 92 % erreicht. Die Beklagten nutzten den herausragenden Ruf der Marken der Klägerin zu einem Imagetransfer aus und schädigten die Wertschätzung dieser Marken aufgrund eines abträglichen Zustands des Lokals und durch die dort aufgeführten Programme.
5
Die Klägerin hat die Beklagten auf Unterlassung, Entfernung des Zeichens "BOSS" von dem Gelände des Tanzlokals und Auskunft in Anspruch genommen. Sie hat ferner die Feststellung der Schadensersatzverpflichtung der Beklagten beantragt.
6
Das Landgericht hat die Klage abgewiesen. In der Berufungsinstanz hat die Klägerin beantragt, 1. a) die Beklagten zu verurteilen, es zu unterlassen, im geschäftlichen Verkehr das Zeichen BOSS zur Kennzeichnung von Tanzlokalen (Diskotheken) zu benutzen, auch mit Zusatz der Worte "Club" und/oder "Super" und/oder der Zahl "2000", insbesondere das Zeichen an solchen Lokalen, auf Hinweisschildern, Fahrzeugen, Aushängen, Zeitungsanzeigen, Prospekten oder anderen Werbemitteln anzubringen oder sonst im Geschäftsverkehr oder in der Werbung zu benutzen, hilfsweise: die Beklagten zu verurteilen, es zu unterlassen, im gesch äftlichen Verkehr das Zeichen BOSS und/oder BOSS CLUB in den nachstehend eingeblendeten Gestaltungen aa) bb) cc) dd) zur Kennzeichnung von Tanzlokalen (Diskotheken) zu benutze n, insbesondere das Zeichen an solchen Lokalen, auf Hinweisschildern , Fahrzeugen, Aushängen, Zeitungsanzeigen, Prospekten oder anderen Werbemitteln anzubringen oder sonst im Geschäftsverkehr oder in der Werbung zu benutzen;
b) den Beklagten die gesetzlichen Ordnungsmittel anzudrohen; 2. die Beklagten zu verurteilen, das Zeichen "BOSS" und/oder "BOSS CLUB", auch in den in den Hilfsantrag Ziffer 1 a) eingeblendeten Gestaltungen, von dem Lokal in der M. Straße in H. sowie von Hinweisschildern und/oder Fahrzeugen zu entfernen; 3. die Beklagten zu verurteilen, der Klägerin über den Umfang der im Klageantrag Ziffer 1 a) bezeichneten Handlungen seit dem 1. Juli 1997 Auskunft zu erteilen durch Vorlage eines Verzeichnisses, das enthält - die monatlichen wertmäßigen Umsätze mit Eintrittskarten für das Lokal in der M. Straße in H. sowie die monatlichen Umsätze mit Speisen und Getränken und sonstigen Waren und Dienstleistungen in diesem Lokal sowie - eine Zusammenstellung der Werbung mit Angabe der Art der Werbung und der Werbeträger, aufgeschlüsselt nach Kalendermonaten ; 4. festzustellen, daß die Beklagten verpflichtet sind, der Klägerin gesamtschuldnerisch allen Schaden zu ersetzen, der der Klägerin seit dem 1. Juli 1997 durch die in dem Klageantrag Ziffer 1 a) bezeichneten Handlungen der Beklagten entstanden ist oder noch entstehen wird.
7
Die Beklagten sind der Klage entgegengetreten und haben sich auf eine Verwirkung von Ansprüchen der Klägerin berufen.
8
Das Berufungsgericht hat die Beklagten unter Androhung von Ordnungsmitteln auf den Hilfsantrag verurteilt, es zu unterlassen, die Zeichen "BOSS" und/oder "BOSS CLUB" in den Gestaltungen 1 a aa), 1 a cc) und 1 a dd) zur Kennzeichnung von Tanzlokalen (Diskotheken) zu benutzen. Bei der Gestaltung 1 a aa) hat das Berufungsgericht den obersten Schriftzug "BOSS" von dem Verbot ausgenommen. Das Berufungsgericht hat die Beklagten weiterhin verurteilt, die Zeichen "BOSS" und "BOSS CLUB" in den im Verbotstenor wiedergegebenen Gestaltungen von dem Lokal sowie Hinweisschildern und Fahrzeugen zu entfernen. Im übrigen hat das Berufungsgericht unter Zurückweisung der weitergehenden Berufung die Klage abgewiesen (OLG Stuttgart GRUR-RR 2004, 8).
9
Mit ihrer (vom Senat zugelassenen) Revision, deren Zurückweisung die Beklagten beantragen, verfolgt die Klägerin den Hauptantrag zu 1 a, den Antrag zu 1 b sowie die Anträge 3 und 4 der Berufungsinstanz weiter, wobei Auskunft und Feststellung der Schadensersatzverpflichtung ab 1. Januar 1998 geltend gemacht werden.

10
Die Beklagten haben Anschlußrevision eingelegt, mit der sie die vollständige Abweisung der Klage begehren. Die Klägerin beantragt, die Anschlußrevision zurückzuweisen.

Entscheidungsgründe:


11
I. Das Berufungsgericht hat den auf Unterlassung gerichteten Klageantrag zu 1 und den auf Beseitigung gerichteten Klageantrag zu 2 nur bezogen auf eine schriftzuggebundene Verwendung der Bezeichnung "BOSS" und "BOSS CLUB" nach § 1 UWG a.F. und § 14 Abs. 2 Nr. 3, Abs. 5 MarkenG für begründet erachtet. Die weitergehenden Anträge zu 1 und 2 sowie die Anträge zu 3 und 4 hat es abgewiesen. Zur Begründung hat es ausgeführt:
12
Der Klägerin stünden keine marken- oder wettbewerbsrechtlichen Ansprüche gegen die Beklagten zu, soweit diese den Begriff "BOSS" nicht in der von der Klägerin speziell entwickelten und benutzten typographischen Schreibweise verwendeten. Beabsichtige ein Dritter die anlehnende Führung eines Begriffs und gestatte der Kennzeicheninhaber die Benutzung eines mit seinem Zeichen identischen Zeichens, so sei der Dritte nach Kündigung der identischen Zeichennutzung zu einer Verwendung in der anlehnenden allgemeineren Zeichenform berechtigt, wenn er diese von Anfang an auch ohne Ermächtigung des Kennzeicheninhabers hätte führen können und auf diese Weise ein eigenes Geschäftszeichen erworben hätte. Davon sei für die mit dem typischen Schriftzug , den die Klägerin verwende, nicht identischen Schreibweise von "BOSS" auszugehen. Unter der Geltung des Warenzeichengesetzes hätte die Klägerin im Jahre 1985 den Beklagten die Benutzung des Zeichens "BOSS" in beliebiger Schreibweise zur Kennzeichnung eines Tanzlokals nicht verbieten können. Auch wenn es sich bei der Klagemarke "BOSS" schon im Jahre 1985 um eine bekannte Marke gehandelt habe, habe der Begriff nicht über eine einzigartige Originalität verfügt, sondern sei in der Umgangssprache ein Synonym für das Wort "Chef" gewesen. Damit sei das Kennzeichen nicht derartig einmalig und einzigartig gewesen, daß es den Verkehr zwangsläufig an ein bestimmtes Unternehmen habe denken lassen. Zudem hätten schon 1985 weitere wortidentische Marken existiert, welche das Klagezeichen weiter verwässert und in Verbindung mit der Zugehörigkeit der Bezeichnung zum allgemeinen Wortschatz angesichts der großen Branchenferne eine verwerfliche Rufüberleitung ausgeschlossen hätten. Hätten die Beklagten im Jahre 1985 die Benutzung der Bezeichnung "BOSS" in allgemeiner Schreibweise aufgenommen, hätten sie ein eigenes Kennzeichen erworben, das sie nach wie vor hätten nutzen können. Auch die Voraussetzungen einer Rufschädigung durch den Betrieb der Beklagten seien nicht erfüllt.
13
Die Beklagten seien aber schon 1985 gemäß § 1 UWG a.F. und ab 1995 nach § 14 Abs. 2 Nr. 3, Abs. 5 MarkenG nicht berechtigt gewesen, eine mit dem charakteristischen Schriftzug der Zeichen der Klägerin identische Schreibweise zu verwenden.
14
Der entsprechende Unterlassungsanspruch sei nicht verwirkt. Der für die Verwirkung maßgebliche Zeitraum habe erst nach Beendigung des Gestattungsvertrags der Parteien zu laufen begonnen und der bis zur Klageerhebung reichende Zeitraum habe nicht ausgereicht, eine Verwirkung zu begründen. Ein untätiges Zuwarten i.S. von § 21 Abs. 1 und Abs. 2 MarkenG oder § 21 Abs. 4 MarkenG i.V. mit § 242 BGB, das den markenrechtlichen oder den allgemeinen Verwirkungseinwand begründen könnte, sei nicht gegeben, solange die Zeichennutzung auf vertraglicher Grundlage erfolgt sei. Durch die Überlassung des reprofähigen Schriftzugs am 17. April 1985 sei ein unentgeltlicher Nutzungsgestattungsvertrag zwischen den Parteien zustande gekommen. Die Parteien hätten mit Rechtsbindungswillen gehandelt. Für die Klägerin sei erkennbar gewesen , daß das Benutzungsrecht für die Beklagtenseite von großer wirtschaftlicher Bedeutung gewesen sei. Neben dem Beklagten zu 1 sei der Nutzungsgestattungsvertrag nach den Grundsätzen des unternehmensbezogenen Geschäfts auch mit der Beklagten zu 2 zustande gekommen. Der Wille der Beteiligten eines Geschäfts gehe im Zweifel dahin, mit dem Unternehmensinhaber den Vertrag zu schließen. Diese Nutzungsvereinbarung habe über die schließlich gescheiterten Verhandlungen der Parteien über einen entgeltlichen Lizenzvertrag hinaus fortbestanden und sei erst durch die Kündigung vom 23. Dezember 1996 zum 31. Dezember 1997 beendet worden. Auch ohne ausdrückliche Vereinbarung habe die Klägerin den Gestattungsvertrag in entsprechender Anwendung der §§ 624, 723 BGB ordentlich kündigen können. Unter Berücksichtigung der Dauer der Nutzung von mehr als zehn Jahren einerseits und der unentgeltlichen Einräumung des Nutzungsrechts andererseits sei eine Kündigungsfrist von einem Jahr angemessen.
15
Der Zeitraum von fünf Jahren für die Verwirkung nach § 21 Abs. 1 und Abs. 2 MarkenG sei bei Klageeinreichung am 30. August 2001 selbst dann nicht abgelaufen gewesen, wenn die Frist für die Verwirkung ab 1. Juli 1997 zu rechnen sei, weil die Klägerin die Kündigung zum 30. Juni 1997 ausgesprochen habe.
16
Auch eine Verwirkung nach allgemeinen Vorschriften sei nicht gegeben (§ 21 Abs. 4 MarkenG i.V. mit § 242 BGB). Wie lange der Zeitraum für eine Verwirkung zu bemessen sei, ergebe sich aus den Umständen des Einzelfalls. Regelmäßig liege er oberhalb des in § 21 Abs. 1 MarkenG vorgesehenen Zeitraums von fünf Jahren. Die Klägerin habe von dem von ihr selbst gesetzten Kündigungszeitpunkt am 30. Juni 1997 einen Zeitraum von etwas mehr als vier Jahren zugewartet. Daß die Beklagten innerhalb des Zeitraums vom 1. Juli 1997 bis zur Klageerhebung einen nennenswerten zusätzlichen Besitzstand erworben hätten, sei weder vorgetragen noch sonst ersichtlich. Zudem hätten die Beklagten nach der Kündigung sich nicht in Sicherheit wiegen dürfen.
17
Der Beseitigungsanspruch sei ebenfalls nur im Umfang der schriftzuggebundenen Kennzeichennutzung erfolgreich.
18
Eine Pflicht, Schadensersatz nach § 14 Abs. 6 MarkenG zu leisten, bestehe nicht. Die Klägerin könne den Ersatz eines Schadens nur wegen einer schriftzuggebundenen Kennzeichenbenutzung beanspruchen, nicht aber wegen der Verwendung der Bezeichnung "BOSS" mit beliebigem Schriftzug. Zu der Wahrscheinlichkeit eines solchen Schadenseintritts habe die Klägerin nichts vorgetragen. Mangels Schadensersatzanspruchs bestehe auch kein Auskunftsanspruch.
19
II. Die Revision der Klägerin und die Anschlußrevision der Beklagten haben Erfolg. Sie führen zur Aufhebung des Berufungsurteils und zur Zurückverweisung der Sache an das Berufungsgericht, soweit nicht der Beseitigungsanspruch der Klägerin (Beseitigungsantrag bezogen auf den Hauptantrag) abgewiesen worden ist.
20
Revision der Klägerin
21
1. Das Berufungsgericht hat den mit dem Hauptantrag verfolgten Unterlassungsanspruch der Klägerin gegen die Verwendung der Zeichen "BOSS" und "BOSS CLUB" nach § 14 Abs. 2 Nr. 3, Abs. 5 MarkenG, § 1 UWG a.F., § 153 Abs. 1 MarkenG mit der Begründung verneint, nach Kündigung des Ge- stattungsvertrags könnten die Beklagten das Zeichen "BOSS" in seiner allgemeinen , nicht schriftzuggebundenen Form benutzen, weil sie zu dieser Verwendung bei Aufnahme der Benutzung (1986) auch ohne Gestattung der Klägerin berechtigt gewesen wären und auf diese Weise ein Recht an einem eigenen Geschäftszeichen erworben hätten. Dem kann nicht zugestimmt werden. Für den mit dem Hauptantrag zu 1 a geltend gemachten Unterlassungsanspruch , der sich gegen die Verwendung von "BOSS" mit beliebigem Schriftzug richtet, und die hierauf bezogenen Auskunfts- und Schadensersatzansprüche kommt es, soweit dieser Antrag in seiner allgemeinen Form nicht auch die schriftzuggebundene Zeichenbenutzung umfaßt, nur darauf an, ob diese Ansprüche nach § 14 Abs. 2 Nr. 3, Abs. 5 und Abs. 6 MarkenG begründet sind. Soweit der umfassende Hauptantrag auch die schriftzuggebundene Verwendung von "BOSS" beinhaltet, gelten dagegen die Ausführungen zu II 5 entsprechend.
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a) Nach dem Inkrafttreten des Markengesetzes mit Wirkung vom 1. Januar 1995 können die in die Zukunft gerichteten Unterlassungsansprüche und der Antrag auf Feststellung der Schadensersatzverpflichtung aufgrund einer vor dem 1. Januar 1995 aufgenommenen Zeichenbenutzung nur dann bejaht werden , wenn sie der Klägerin nach §§ 14, 15 MarkenG zustehen und wenn sie ihr außerdem nach den bis dahin geltenden Vorschriften zugestanden haben (§§ 152, 153 Abs. 1 MarkenG). Danach, ob der Klägerin auch aufgrund der vor dem Inkrafttreten des Markengesetzes geltenden Bestimmungen die in Rede stehenden Ansprüche zustanden, ist nur zu fragen, wenn das angegriffene Zeichen vor dem 1. Januar 1995 in identischer Form oder in einer Weise benutzt worden ist, die den kennzeichnenden Charakter des Zeichens nicht verändert, während eine Benutzung eines darüber hinaus nur ähnlichen Zeichens keine Weiterbenutzung i.S. von § 153 Abs. 1 MarkenG darstellt (vgl. Ingerl/Rohnke, Markengesetz, 2. Aufl., § 153 Rdn. 12; Hacker in Ströbele/Hacker, Markenge- setz, 7. Aufl., § 153 Rdn. 14; v. Schultz/Zumbusch, Markenrecht, § 153 Rdn. 10).
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Von einer Benutzung, die den kennzeichnenden Charakter des Zeichens nicht verändert, ist auszugehen, wenn der Verkehr das abweichend benutzte Zeichen gerade bei Wahrnehmung der Unterschiede dem Gesamteindruck nach noch mit der eingetragenen Marke gleichsetzt (vgl. zu § 26 Abs. 3 Satz 1 MarkenG: BGH, Beschl. v. 20.1.2005 - I ZB 31/03, GRUR 2005, 515 = WRP 2005, 620 - FERROSIL, m.w.N.).
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Davon kann im Streitfall nicht ausgegangen werden. Die Beklagten haben das Zeichen "BOSS" in der besonderen graphischen Gestaltung des Schriftzugs, wie er von der Klägerin entwickelt worden ist, oder zumindest in einer sehr ähnlichen Weise benutzt, nicht aber in anderer nicht schriftzuggebundener Form. Dies gilt auch für das im Hilfsantrag zu 1 a unter aa) angeführte oberste Zeichen "BOSS" und den unter bb) wiedergegebenen Zeichenbestandteil "BOSS", die eine dem typischen Schriftzug der Klägerin sehr ähnliche graphische Gestaltung aufweisen. Die Beklagten haben danach das Zeichen "BOSS" vor dem 1. Januar 1995 nur mit dem typischen von der Klägerin verwandten Schriftzug oder in einer dem sehr ähnlichen Weise benutzt. Die angegriffene nicht schriftzuggebundene Verwendung des Zeichens "BOSS" unterliegt als neue Benutzungsform nicht der Übergangsvorschrift des § 153 Abs. 1 MarkenG, sondern allein der Beurteilung der neuen Rechtslage nach dem Markengesetz.
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Darauf, ob die Klägerin den Beklagten 1985/86 eine Verwendung von "BOSS" in nicht gebundenem Schriftzug nicht hätte verbieten und ob die Beklagten insoweit ein eigenes Kennzeichenrecht hätten erwerben können, kommt es nicht an. Denn § 153 Abs. 1 MarkenG soll nur verhindern, daß aus Altrech- ten über das Markengesetz gegen vor seinem Inkrafttreten rechtmäßige Benutzungshandlungen vorgegangen wird (vgl. Begründung zum Regierungsentwurf, BT-Drucks. 12/6581, S. 128 = BlPMZ 1994, Sonderheft, S. 122). Der Sinn der Übergangsvorschrift besteht entgegen der Ansicht des Berufungsgerichts aber nicht darin, eine bloße Möglichkeit zur Zeichennutzung, die unter Geltung des Warenzeichengesetzes bestand, für die Zeit nach Inkrafttreten des Markengesetzes fortzuschreiben.
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b) Die Beklagten können ein Recht zur Benutzung des Zeichens "BOSS" mit beliebigem Schriftzug auch nicht daraus ableiten, daß sie das schriftzuggebundene Zeichen aufgrund eines mit der Klägerin abgeschlossenen Vertrags nutzen durften. Nach Beendigung des Lizenz- oder Gestattungsvertrags, von dessen Abschluß und wirksamer Kündigung das Berufungsgericht zu Recht ausgegangen ist (vgl. hierzu unter II 3a), kann der Lizenznehmer dem Lizenzgeber nicht entgegenhalten, während der Laufzeit des Lizenzvertrags eigene Kennzeichenrechte an dem lizenzierten Zeichen erworben zu haben (vgl. BGH, Urt. v. 27.2.1963 - Ib ZR 180/61, GRUR 1963, 485, 487 f. - Micky-MausOrangen ; Ingerl/Rohnke aaO § 30 Rdn. 61). Entsprechend kann sich der Lizenznehmer gegenüber dem Lizenzgeber auch nicht darauf berufen, er hätte bei Benutzung dieses oder eines ähnlichen Zeichens ohne Abschluß des Lizenzvertrags selbst ein Kennzeichenrecht erwerben können. Die Stellung des Lizenznehmers im Verhältnis zum Lizenzgeber nach Beendigung des Lizenzvertrags ist insoweit nicht besser als diejenige eines Dritten, der erstmals ein mit der lizenzierten Marke identisches oder ähnliches Zeichen benutzt.
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2. Das Berufungsgericht hat zu der Frage, ob die Markenrechte der Klägerin nach § 14 Abs. 2 Nr. 3 MarkenG durch die Verwendung der Bezeichnung "BOSS" in beliebiger graphischer Gestaltung verletzt werden - von seinem Standpunkt aus folgerichtig - bislang keine Feststellungen getroffen. Mangels ausreichender Tatsachengrundlage ist der Senat zu einer eigenen Sachentscheidung nicht in der Lage.
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a) Nach der Bestimmung des § 14 Abs. 2 Nr. 3 MarkenG liegt eine Markenverletzung vor, wenn ein mit der Marke identisches oder ähnliches Zeichen für Waren oder Dienstleistungen benutzt wird, die nicht denen ähnlich sind, für die die Marke Schutz genießt, wenn es sich bei der Marke um eine im Inland bekannte Marke handelt und die Benutzung des Zeichens die Unterscheidungskraft oder die Wertschätzung der bekannten Marke ohne rechtfertigenden Grund in unlauterer Weise ausnutzt oder beeinträchtigt.
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b) Das Berufungsgericht hat angenommen, die Marken der Klägerin seien im Jahre 1997 im Inland bekannte Marken i.S. von § 14 Abs. 2 Nr. 3 MarkenG gewesen. Dagegen wendet sich die Revisionserwiderung ohne Erfolg mit der Begründung, das Berufungsgericht habe zur Bekanntheit der Marken der Klägerin bei Beendigung des Lizenzvertrags 1997 keine ausreichenden und zum Teil widersprüchliche Feststellungen getroffen. Zwar hat das Berufungsgericht die Frage, ob es sich bei den "BOSS"-Marken im Jahre 1997 um bekannte Marken handelte, an einer Stelle der Entscheidungsgründe dahinstehen lassen. Es ist jedoch ansonsten in seiner Entscheidung davon ausgegangen, daß es sich bei den Klagemarken im Jahr 1997 um bekannte Marken handelte. Das war für diesen Zeitpunkt zwischen den Parteien auch nicht umstritten. Die Klägerin hat hierzu geltend gemacht, für Anzeigenwerbung im Inland in den Jahren 1983 bis 1989 zwischen 1,6 Mio. DM und 3,3 Mio. DM jährlich und in den Jahren 1990 bis 2000 zwischen 2,7 Mio. DM und 7,6 Mio. DM im Jahr aufgewandt zu haben. Sie hat unter Vorlage verschiedener Veröffentlichungen weiter vorgetragen , Marktführer im Bereich für Herrenbekleidung zu sein. Zudem hat sie sich auf Untersuchungen der GfK berufen, wonach die Marke "BOSS" 1994 87,9 % und 1999 81,9 % der Gesamtbevölkerung bekannt war. Die Beklagten haben diese Angaben nicht bestritten und sie sind auch sonst dem Vortrag der Klägerin nicht entgegengetreten, daß es sich bei der Marke "BOSS" 1997 und in der Folgezeit um eine bekannte Marke handelte. Danach konnte das Berufungsgericht zu dem Ergebnis kommen, daß die "BOSS"-Marken jedenfalls seit dem Jahre 1997 die Voraussetzungen erfüllten, die gemäß § 14 Abs. 2 Nr. 3 MarkenG an bekannte Marken zu stellen sind.
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c) Das Berufungsgericht hat jedoch keine Feststellungen dazu getroffen, ob eine Verwendung der Bezeichnung "BOSS" mit beliebigem Schriftzug für das von der Beklagten zu 2 betriebene Tanzcafé die Unterscheidungskraft oder die Wertschätzung der bekannten Marken der Klägerin in den Jahren seit 1997 in unlauterer Weise ausnutzt oder beeinträchtigt (§ 14 Abs. 2 Nr. 3 MarkenG).
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3. Die Annahme des Berufungsgerichts, der Klägerin stehe der mit dem Hauptantrag verfolgte Unterlassungsanspruch nicht zu, erweist sich auch nicht aus anderen Gründen als zutreffend.
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Ein Anspruch der Klägerin nach § 14 Abs. 2 Nr. 3, Abs. 5 MarkenG ist weder gemäß § 21 Abs. 2 MarkenG noch nach § 21 Abs. 4 MarkenG i.V. mit § 242 BGB verwirkt.
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a) Nach § 21 Abs. 2 MarkenG hat der Inhaber einer Marke nicht das Recht, die Benutzung einer geschäftlichen Bezeichnung mit jüngerem Zeitrang zu untersagen, soweit er die Benutzung dieses Zeichens während eines Zeitraums von fünf aufeinanderfolgenden Jahren in Kenntnis dieser Benutzung geduldet hat.
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Das Berufungsgericht ist bei seinen Erwägungen zum Hilfsantrag zutreffend davon ausgegangen, daß der für die Verwirkung maßgebliche Zeitraum von fünf Jahren nicht vor dem 1. Juli 1997 zu laufen begann und eine Duldung der Nutzung des Zeichens "BOSS" seitens der Klägerin jedenfalls durch die Klageerhebung (§ 253 Abs. 1, § 261 Abs. 1 ZPO) am 6. September 2001 endete.
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aa) Durch die Anfrage des Bruders des Beklagten zu 1 vom 15. April 1985, "ob wir den Namen Boss (mit Schriftzug) für unser Abendlokal verwenden dürfen", und die mit Schreiben der Klägerin vom 17. April 1985 übersandte reprofähige Vorlage des Schriftzugs ist zwischen den Parteien ein Vertrag zustande gekommen, durch den die Klägerin den Beklagten gestattete, das Zeichen auf Zeit zu nutzen.
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Dagegen wendet sich die Anschlußrevision ohne Erfolg mit der Begründung , den Parteien habe ein Rechtsbindungswillen gefehlt; über wesentliche Bestandteile eines solchen Vertrags, insbesondere über Art und Dauer der Gestattung, die Verpflichtung zur Zahlung eines Entgelts sowie die Übertragbarkeit der Nutzungsrechte, sei keine Einigung erzielt worden. Entsprechend seien auch die Verhandlungen über den Abschluß eines Lizenzvertrags in der Folgezeit ergebnislos geblieben.
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Ob den Erklärungen der Parteien ein Wille zur rechtlichen Bindung zu entnehmen ist oder die Parteien nur aufgrund einer außerrechtlichen Gefälligkeit handeln, ist eine Sache tatrichterlicher Würdigung (vgl. BGHZ 56, 204, 209). Das Berufungsgericht hat eine rechtliche Bindung der Parteien bejaht. Das läßt einen Rechtsfehler nicht erkennen. Ob bei einer Partei ein Rechtsbindungswille vorhanden ist, ist danach zu beurteilen, ob die andere Partei unter den gegebenen Umständen nach Treu und Glauben mit Rücksicht auf die Verkehrssitte auf einen solchen Willen schließen mußte. Dies ist anhand objektiver Kriterien aufgrund der Erklärungen und des Verhaltens der Parteien zu ermit- teln, wobei vor allem die wirtschaftliche sowie die rechtliche Bedeutung der Angelegenheit , insbesondere für den Begünstigten, und die Interessenlage der Parteien heranzuziehen sind (st. Rspr.: vgl. BGHZ 92, 164, 168, m.w.N.).
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Für die Beklagten hatte die Frage, unter welchem Namen sich ihr auf dem Gebiet der Unterhaltungsbranche tätiges Unternehmen auf dem Markt einführte , erhebliche wirtschaftliche Bedeutung. Das war für die Klägerin erkennbar. Denn auch nach Ablehnung eines zunächst von dem Beklagten zu 1 und seinem Bruder erstrebten Sponsorings durch die Klägerin versuchten diese mit Schreiben vom 15. April 1985, jedenfalls eine Erlaubnis zur Namensführung mit Schriftzug von der Klägerin einzuholen. Hierfür hätte ersichtlich kein Anlaß bestanden , wenn die Gestattung - wie die Beklagten dies nunmehr geltend machen - wegen eines fehlenden Rechtsbindungswillens der Parteien allein dem außerrechtlichen Bereich zuzuordnen gewesen wäre.
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Für die Auslegung, daß die Parteien mit Rechtsbindungswillen gehandelt haben, kann als Indiz auch ihr nachträgliches Verhalten herangezogen werden (vgl. BGH, Urt. v. 16.10.1997 - IX ZR 164/96, NJW-RR 1998, 259). In der auf die Abmahnungen der Klägerin vom 24. März 1986 und vom 18. September 1996 folgenden Korrespondenz hat sich der Beklagte zu 1 auf die Gestattung der Zeichenführung durch die Klägerin berufen und Unterlassungsansprüche zurückgewiesen. Dagegen läßt sich aus dem Umstand, daß die Parteien keine Befristung und kein Entgelt für die Gestattung der Zeichennutzung vereinbart haben, nicht auf einen mangelnden Rechtsbindungswillen schließen. Ohne Vereinbarung dieser Punkte galt im Streitfall eine zeitlich unbefristete, für jede Seite mit angemessener Frist kündbare Gestattung der Zeichennutzung, die die Klägerin den Beklagten unentgeltlich einräumte. Schließlich spricht gegen einen Rechtsbindungswillen der Parteien auch nicht, daß diese in den Jahren 1986 und 1987 unter Beteiligung ihrer Rechtsanwälte Verhandlungen über den Ab- schluß eines entgeltlichen Lizenzvertrags aufgenommen haben, die nicht zu einem Vertragsschluß führten. Die Verhandlungen dienten ersichtlich nur dem Zweck, die vorhandene unentgeltliche Gestattung durch eine detaillierte, entgeltliche Regelung zu ersetzen.
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Das Berufungsgericht hat angenommen, in die Vereinbarung zwischen der Klägerin und dem Beklagten zu 1 vom 15./17. April 1985 über die Gestattung der Zeichennutzung sei auch die Beklagte zu 2 nach den Grundsätzen über unternehmensbezogene Geschäfte einbezogen worden. Diese Feststellungen sind revisionsrechtlich nicht zu beanstanden und werden von der Revisionserwiderung auch nicht in Zweifel gezogen.
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bb) Der für die Verwirkung nach § 21 Abs. 2 MarkenG maßgebliche Zeitraum von fünf Jahren, während dessen die Klägerin die Zeichennutzung durch die Beklagten geduldet haben muß, begann erst mit Beendigung des Gestattungsvertrags vom 15./17. April 1985. Dies war jedenfalls nicht vor dem 1. Juli 1997. Erstmals mit Schreiben vom 23. Dezember 1996 hatte die Klägerin die Kündigung des Gestattungsvertrags und zwar zum 30. Juni 1997 erklärt. Diese Kündigung war als ordentliche Kündigung wirksam.
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Bei dem auf unbestimmte Zeit abgeschlossenen Vertrag handelte es sich um ein Dauerschuldverhältnis, das in entsprechender Anwendung der §§ 584, 624, 723 BGB ordentlich gekündigt werden konnte, weil das ordentliche Kündigungsrecht in dem Gestattungsvertrag nicht ausgeschlossen war und die Nutzungseinräumung unentgeltlich erfolgte (vgl. BGH, Urt. v. 17.9.1969 - I ZR 131/67, GRUR 1970, 528, 532 - Migrol; vgl. auch BGH, Urt. v. 25.5.1993 - X ZR 79/92, NJW-RR 1993, 1460; Ingerl/Rohnke aaO § 30 Rdn. 52; Hacker in Ströbele/Hacker aaO § 30 Rdn. 82). Ob die Kündigung entsprechend der Erklärung vom 23. Dezember 1996 den Gestattungsvertrag mit Ablauf des 30. Juni 1997 beendete oder die angemessene Kündigungsfrist bis 31. Dezember 1997 lief, wie das Berufungsgericht angenommen hat, kann dahinstehen. Zugunsten der Beklagten kann bei der Verwirkung von der Beendigung der Gestattung einer Zeichennutzung zum 30. Juni 1997 ausgegangen werden.
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War die Kündigung zum 30. Juni 1997 wirksam, begann erst mit dem 1. Juli 1997 der für die Verwirkung maßgebliche Zeitraum. Denn zuvor war der Klägerin aufgrund des Gestattungsvertrags ein Vorgehen gegen die Beklagten rechtlich nicht möglich (vgl. BGH, Urt. v. 18.1.2001 - I ZR 175/98, GRUR 2001, 1164, 1166 = WRP 2001, 931 - buendgens).
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b) Das Berufungsgericht hat die Voraussetzungen einer Verwirkung nach § 21 Abs. 4 MarkenG i.V. mit § 242 BGB mit der Begründung verneint, daß nach dem von der Klägerin gesetzten Zeitpunkt der Kündigung des Gestattungsvertrags (30. Juni 1997) ein nennenswerter Zuwachs des Besitzstandes der Beklagten nicht erfolgt sei. Diese Ausführungen sind revisionsrechtlich nicht zu beanstanden.
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Die Verwirkung eines kennzeichenrechtlichen Unterlassungsanspruchs nach § 21 Abs. 4 MarkenG i.V. mit § 242 BGB setzt voraus, daß durch eine länger andauernde redliche und ungestörte Benutzung einer Kennzeichnung ein Zustand geschaffen ist, der für den Benutzer einen beachtlichen Wert hat, ihm nach Treu und Glauben erhalten bleiben muß und den auch der Verletzte ihm nicht streitig machen kann, wenn er durch sein Verhalten diesen Zustand erst ermöglicht hat (vgl. BGH, Urt. v. 15.2.2001 - I ZR 232/98, GRUR 2001, 1161, 1163 = WRP 2001, 1207 - CompuNet/ComNet I). Einen während des Laufs des Gestattungsvertrags begründeten Besitzstand hat das Berufungsgericht zu Recht außer Betracht gelassen. Zu einem nach der Beendigung des Gestattungsvertrags erfolgten Zuwachs des Besitzstands haben die Beklagten nichts vorgetragen.
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4. Die Abweisung des Schadensersatz- und des Auskunftsanspruchs (Anträge zu 3 und 4) gemäß § 14 Abs. 6 MarkenG und § 242 BGB kann schon deshalb keinen Bestand haben, weil noch nicht feststeht, daß der Klägerin der Unterlassungsanspruch nach dem Hauptantrag nicht zusteht.
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Anschlußrevision der Beklagten
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5. Das Berufungsgericht hat dem auf Unterlassung gerichteten Hilfsantrag zu 1a gemäß § 14 Abs. 2 Nr. 3, Abs. 5 MarkenG und § 1 UWG a.F., § 153 Abs. 1 MarkenG teilweise stattgegeben. Dagegen wendet sich die Anschlußrevision mit Erfolg.
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Das Berufungsgericht hat keine Feststellungen dazu getroffen, daß die Klagemarken im Zeitpunkt der Benutzungsaufnahme des Zeichens der Beklagten im Jahre 1986 die Voraussetzungen einer bekannten Marke erfüllten, die vor Geltung des Markengesetzes gemäß § 1 UWG a.F. gegen Rufausbeutung geschützt war (vgl. hierzu: BGH, Urt. v. 29.11.1984 - I ZR 158/82, GRUR 1985, 550, 552 = WRP 1985, 399 - DIMPLE, insoweit in BGHZ 93, 96 nicht abgedruckt ; BGHZ 113, 82, 84 f. - Salomon). Der zwischen den Parteien geführten Korrespondenz des Jahres 1985 und dem Artikel im Stadtmagazin "M. " von November 2001, auf die das Berufungsgericht für die Bekanntheit der Klagemarken seit 1985 abgestellt hat, war dies nicht zu entnehmen. Die Schreiben des Jahres 1985 enthalten keine Angaben zum Bekanntheitsgrad der Klagemarken. In dem im November 2001 erschienenen Zeitungsartikel wird der Geschäftsführer der Beklagten zu 2 - soweit in diesem Zusammenhang von Interesse - lediglich mit der Bemerkung zitiert, "die Nobelmarke war ja das Aus- schlaggebende bei der Namenswahl". Allein daraus läßt sich nicht folgern, die als Nobelmarken bezeichneten Klagemarken seien bereits im Jahr 1986 bekannte Marken gewesen. Im übrigen haben die Beklagten in den Tatsacheninstanzen bestritten, daß die Klagemarken schon seinerzeit die Voraussetzungen erfüllten, die an eine bekannte Marke zu stellen sind.
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Entgegen der Ansicht der Revision ist die Feststellung, daß die Voraussetzungen des Schutzes einer bekannten Marke nach § 1 UWG a.F. im Jahre 1986 vorlagen, nicht entbehrlich. Die Beklagten hatten die Benutzung des schriftzuggebundenen Zeichens vor dem 1. Januar 1995 i.S. des § 153 Abs. 1 MarkenG aufgenommen. Die Anwendung dieser Vorschrift ist auch nicht im Hinblick auf den Gestattungsvertrag der Parteien ausgeschlossen. Diese Vereinbarung beschränkt sich auf die Gestattung der Zeichennutzung, ohne daß weitergehende wechselseitige Pflichten der Parteien vereinbart worden wären. Ihr läßt sich nicht entnehmen, daß die Beklagten für den Fall der Beendigung des Vertragsverhältnisses auf den Einwand verzichten wollten, die Voraussetzungen einer Schutzrechtsverletzung hätten bei Benutzungsaufnahme im Jahr 1986 nicht vorgelegen.
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Das Berufungsgericht wird daher die erforderlichen Feststellungen zur Bekanntheit der Klagemarken im Jahr 1986 nachzuholen haben.
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Dabei reicht es für einen Unterlassungsanspruch nach § 1 UWG a.F. wegen Ausnutzung des guten Rufs einer Kennzeichnung als Vorspann für die eigene Leistung aus, daß die Marke der Klägerin im Verkehr einen gewissen Ruf erlangt hat, also bekannt geworden ist, ohne bereits eine berühmte Marke zu sein, und weiterhin, daß diesem Ruf auch eine Werbewirkung und Ausstrahlung auf das in Frage stehende Waren- oder Dienstleistungsangebot zukommt (vgl. BGHZ 113, 82, 85 - Salomon). Sollte das Berufungsgericht bereits für das Jahr 1986 feststellen, daß die Klagemarken die Voraussetzungen erfüllten, die an bekannte Marken zu stellen sind, ist entgegen der Ansicht der Anschlußrevision die vom Berufungsgericht angenommene Rufausbeutung nach § 1 UWG a.F. nicht zu beanstanden. Denn der Werbewert der - unterstellt - bekannten Marken der Klägerin wird im Fall der identischen Übernahme des typischen Schriftzugs der Marken der Klägerin, die für Bekleidungsstücke geschützt sind, auf das von der Beklagten zu 2 betriebene Tanzlokal übertragen.
Ullmann v. Ungern-Sternberg Büscher
Schaffert Bergmann

Vorinstanzen:
LG Stuttgart, Entscheidung vom 29.01.2002 - 17 O 422/01 -
OLG Stuttgart, Entscheidung vom 21.11.2002 - 2 U 29/02 -

Tenor

1. Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil der 21. Zivilkammer des Landgerichts Stuttgart vom 14. April 2009 - 21 O 453/05 - wird

z u r ü c k g e w i e s e n .

2. Die Klägerin trägt die Kosten des Berufungsverfahrens.

3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Die Klägerin kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 115% des aus dem Urteil vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 115% des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.

Streitwert des Berufungsverfahrens: 157.450,-- EUR

Gründe

 
A.
Die Klägerin macht gegen die Beklagte Schadensersatzansprüche wegen eines behaupteten Beratungsfehlers im Zusammenhang mit einer Produktempfehlung geltend.
1. Die Klägerin ist Eigentümerin einer im Objekt ... Straße in I. befindlichen Tiefgarage, die im Jahr 1984 als sogenannte weiße Wanne mit wasserundurchlässigem Beton konstruiert wurde. Im Jahr 2001 führte die Klägerin eine Sanierungsmaßnahme durch. Dabei wurde die glatt gewordene Oberfläche des Bodens ausgetauscht, um eine bessere Rutschhemmung zu erzielen. Zuständiger Sachbearbeiter aufseiten der Klägerin war ihr Mitarbeiter K., der über ein abgeschlossenes Bauingenieurstudium verfügt.
Zur Vorbereitung der Sanierung nahm der Zeuge K. mit der Beklagten, die Fußbodenbeschichtungsprodukte für Tiefgaragen und Parkhäuser herstellt, Kontakt auf und bat deren Mitarbeiter, den Zeugen W., um die Erstellung eines Leistungsverzeichnisses für die Beschichtungsarbeiten. Am 20.06.2001 trafen sich die Herren K. und W. vor Ort in der Tiefgarage. Zwei Tage später übersandte die Beklagte der Klägerin ein Leistungsverzeichnis. Darin werden unter der Überschrift „Rechtsverbindliche Vorbemerkung“ u.a. folgende Bemerkungen vorangestellt:
„Eine Beurteilung der Untergründe / des Objekts / der Teile durch Mitarbeiter der Firma S. erfolgte bislang nicht oder nur visuell. Wir gehen davon aus, dass sich die Untergründe / die Objekte / die Teile im fachgerecht hergestellten Zustand befinden. Bei lokaler oder gesamtheitlicher Nichteignung des Beschichtungsträgers / des Objekts / der Teile kann daher kein Rechtsanspruch abgeleitet werden.
...
Ein Beratervertrag im rechtlichen Sinne kann aus den Empfehlungen zum Beschichtungssystem grundsätzlich nicht abgeleitet werden.“
Im Anschreiben vom selben Tag weist die Beklagte u.a. auf Folgendes hin:
„Ihrem Wunsch entsprechend, möchten Sie die Optik und vorrangig die Rutschhemmung aufgrund der Verkehrssicherheit verbessern. Nach Ihren Angaben gibt es keine Gefahr der rückseitigen Durchfeuchtung und die Risse sollen einfach verharzt werden. Die Beschichtung sollte flüssigkeitsdicht, abriebfest, rutschhemmend und chemikalienbeständig sein.“
Im Ausschreibungstext wird als Material das Produkt S. oder gleichwertig empfohlen. Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Leistungsbeschreibung nebst Begleitbrief (Bl. 15 ff. d. A.) verwiesen.
Die Arbeiten wurden unter Verwendung des Produkts S. durch die Streithelferin durchgeführt. Innerhalb eines Jahres entstanden auf dem Belag auf einem Teil der Fläche unterschiedlich große Blasen.
10 
Eine Klage der Klägerin gegen den Streithelfer auf Schadensersatz wegen fehlerhafter Verarbeitung wurde durch Urteil des OLG Hamm vom 28.06.2006 (24 U 8/06) rechtskräftig abgewiesen.
11 
2. Die Klägerin ist der Auffassung, dass zwischen den Parteien ein Beratungsvertrag zustande gekommen sei, aufgrund dessen die Beklagte eine Planungsleistung erbracht habe. Diese Leistung sei fehlerhaft, weshalb die Sanierung fehlgeschlagen sei.
12 
Die Klägerin hat insoweit vorgetragen, dass das empfohlene Material S. für den Tiefgaragenboden aufgrund wasserlöslicher Bestandteile nicht geeignet sei. Die Verwendung von wasserundurchlässigem Beton schließe es nicht aus, dass im Beton Feuchtigkeit vorhanden sei. Bei der Verarbeitung von Frischbeton werde Überschusswasser benötigt. Hierdurch entstünden Kapillarporen im Beton, durch die Wasserdampf durch den Boden diffundieren könne. Aufgrund der dampfdichten Kunststoffbeschichtung komme es zur Erhöhung des Feuchtigkeitsgehalts. Hiermit habe die Beklagte rechnen müssen, nachdem der Zeuge W. gewusst habe, dass die Tiefgarage im Grundwasser stehe und als weiße Wanne konstruiert sei.
13 
Eine rückwärtige Durchfeuchtung in dem Sinne, dass Grundwasser durch den Beton eindringe, liege nicht vor. Unabhängig davon habe die Beklagte durch eine Frage nach der rückwärtigen Durchfeuchtung ihre Beratungspflichten nicht ausreichend erfüllt. Sie habe Fachplanungsaufgaben übernommen und sei daher zur Ermittlung von Grundlagen verpflichtet. Daher hätte sie darauf hinweisen müssen, dass Untersuchungen zum Grundwasserstand in der Tiefgarage erforderlich seien. In diesem Zusammenhang hätte sie auch ein Bodengutachten anfordern müssen. Zudem hätte die Beklagte bei den Planungen eine Zwischenbeschichtung vorsehen müssen, um die Kapillarität zu durchbrechen. Auf die Aussagen des Zeugen K. habe die Beklagte nicht vertrauen dürfen. Sie sei gerade deshalb beigezogen worden, weil der Zeuge auf dem Gebiet der Sanierung von Tiefgaragen nicht sachkundig sei. Da der Zeuge K. nicht auf die Gefahr von Blasenbildung hingewiesen worden sei, habe er auch keinen Anlass gehabt, die Frage der rückwärtigen Durchfeuchtung näher zu untersuchen.
14 
Aufgrund des Schadensbildes sei eine Komplettsanierung der Oberfläche erforderlich, wofür Kosten in Höhe von 182.642,-- EUR einschließlich Umsatzsteuer entstehen würden.
15 
Die Klägerin hat erstinstanzlich beantragt,
16 
die Beklagte zu verurteilen, an sie 182.642,-- EUR nebst 5% Zinsen über dem Basiszinssatz seit dem 17.03.2003 bezahlen.
17 
Die Beklagte hat beantragt,
18 
die Klage abzuweisen.
19 
Die Beklagte hat vorgetragen, dass in der Leistungsbeschreibung der Abschluss eines Beratungsvertrages ausgeschlossen worden sei. Jedenfalls habe der Zeuge W. keinen falschen Rat erteilt. Das empfohlene Material sei für Tiefgaragenböden geeignet, solange es nicht zu einer rückseitigen Durchfeuchtung komme. Vor diesem Hintergrund sei der Zeuge K. ausdrücklich gefragt worden, ob mit einer solchen rückseitigen Durchfeuchtung zu rechnen sei und ob diesbezügliche Erkenntnisse bestünden. Dies habe der Zeuge K. verneint. Nachdem dieser über ein abgeschlossenes Studium des Bauingenieurswesens verfüge, habe man sich auf diese Aussage verlassen können. Eine Pflicht zur gutachterlichen Tätigkeit sei nicht übernommen worden.
20 
Die Ursache für die Blasenbildung liege auch nicht im Material, sondern in der fachwidrig aufgebrachten Beschichtung. Dies werde dadurch indiziert, dass sich die Blasen nur in Teilbereichen gebildet hätten und dass sich das Schadensbild nicht mehr verschlechtert habe. Vor diesem Hintergrund sei auch der angegebene Sanierungsaufwand nicht erforderlich, zumal die Blasen kaum erkennbar seien.
21 
Wegen des weiteren Vortrags der Parteien im erstinstanzlichen Verfahren wird auf den Tatbestand des landgerichtlichen Urteils verwiesen.
22 
Das Landgericht hat Beweis erhoben durch Vernehmung der Zeugen K. und W.. Wegen des Ergebnisses der Beweisaufnahme wird Bezug genommen auf die Sitzungsniederschrift vom 31.07.2007 (Bl. 195 ff. d. A.). Der Sachverständige W. hat sein im selbständigen Beweisverfahren (LG Münster 14 OH 5/03) erstattetes schriftliches Gutachten mündlich erläutert. Insoweit wird Bezug genommen auf die Sitzungsniederschrift vom 27.11.2007 (Bl. 241 ff. d. A.). Das Landgericht hat ferner Beweis erhoben durch schriftliches Gutachten des Sachverständigen M. vom 13.12.2008, das dieser am 24.03.2009 mündlich erläutert hat. Insoweit wird auf das Gutachten (Bl. 284 ff. d. A.) und die Sitzungsniederschrift vom 24.03.2009 (Bl. 299 ff. d. A.) Bezug genommen.
23 
3. Das Landgericht hat die Klage abgewiesen. Zur Begründung hat es ausgeführt, dass die Beklagte keine ihr gegenüber der Klägerin obliegende Beratungspflicht verletzt habe. Das empfohlene Material sei für Tiefgaragen, die als weiße Wanne konstruiert sind, grundsätzlich geeignet. Die Blasenbildung sei nur deshalb entstanden, weil eine rückwärtige Durchfeuchtung mit kontinuierlich nachdrückendem flüssigen Wasser vorliege. Damit habe die Beklagte nicht rechnen müssen.
24 
Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Entscheidungsgründe des Urteils verwiesen.
25 
4. Die Klägerin hat gegen das ihr am 20.04.2009 zugestellte Urteil am 19.05.2009 Berufung eingelegt. Die Berufungsbegründung ist am 13.07.2009 eingegangen, nachdem die Berufungsbegründungsfrist bis zum 20.07.2009 verlängert worden war.
26 
Die Klägerin verfolgt ihr erstinstanzliches Begehren weiter, wobei sie als Schadensersatz nur noch die Nettobeträge geltend macht. Sie ist der Auffassung, dass die Beklagte ihre Pflichten aus dem Beratungsvertrag verletzt habe, weil sie die Frage der rückwärtigen Durchfeuchtung nicht ausreichend aufgeklärt habe. Es habe hinreichende Anhaltspunkte dafür gegeben, dass eine rückwärtige Durchfeuchtung vorliege, nachdem es sich um ein Kernproblem bei der Beschichtung von Tiefgaragen handele. Gerade auch bei der Verwendung von wasserundurchlässigem Beton müsse mit Durchfeuchtungen, etwa aufgrund von Materialermüdung, gerechnet werden. Aus diesem Grund sei eine Bauwerksbestandsaufnahme erforderlich gewesen, die auch die hinreichende Klarheit geschaffen hätte. Zumindest sei die Beklagte verpflichtet gewesen, das Problem der rückwärtigen Durchfeuchtung ausführlich zu erörtern und die Klägerin über die Gefahren aufzuklären. Die Beklagte habe sich nicht auf das äußere Erscheinungsbild und auf die Aussagen des Zeugen K. verlassen dürfen. Dieser habe mangels Aufklärung über mögliche Risiken keine Veranlassung gehabt, von sich aus die Grundwasser- und Bodenverhältnisse näher aufzuklären. Im Übrigen liege ein Planungsfehler darin, dass die Grundierung nicht gegen rückwärtige Durchfeuchtung gesichert worden sei.
27 
Die Klägerin beantragt,
28 
das Urteil des Landgerichts abzuändern und die Beklagte zu verurteilen, an die Klägerin 157.450,-- EUR nebst Zinsen in Höhe von 5%-Punkten über dem Basiszinssatz seit 17.03.2003 zu bezahlen.
29 
Die Beklagte beantragt,
30 
die Berufung zurückzuweisen.
31 
Die Beklagte verteidigt das angefochtene Urteil. Eine Beratungspflichtverletzung liege nicht vor. Sie habe davon ausgehen können, dass dem Zeugen K. der Bedeutungsgehalt der Erklärung, dass mit rückseitiger Durchfeuchtung nicht zu rechnen sei, bewusst gewesen sei. Anhaltspunkte dafür, dass die Aussage unrichtig sei, hätten nicht bestanden. Eine weiße Wanne sei grundsätzlich dicht. Nachdem aufseiten der Klägerin ein Fachmann tätig gewesen sei, habe keine Bauwerkserkundungspflicht bestanden. Die Beklagte habe nicht ein gesamtes Sanierungskonzept geschuldet. Im Übrigen sei alleinursächlich für die Blasenbildung die nicht ordnungsgemäße handwerkliche Ausführung, nachdem in anderen Bereichen der Tiefgarage die gewählte Beschichtung nicht zur Blasenbildung führen würde.
32 
Wegen des weiteren Vorbringens der Parteien im Berufungsverfahren wird auf die von ihnen vorgelegten Schriftsätze nebst Anlagen sowie auf das Sitzungsprotokoll vom 06.10.2009 (Bl. 388 ff. d. A.) verwiesen. Die Akten des Landgerichts Münster - 14 OH 5/03 und 14 O 203/05 - waren beigezogen und Gegenstand der mündlichen Verhandlung.
B.
I.
33 
Die zulässige Berufung ist nicht begründet. Das Landgericht hat im Ergebnis zutreffend entschieden, dass die Beklagte nicht aus pVV eines Beratungsvertrages haftet.
34 
1. Entgegen der Auffassung der Beklagten ist allerdings ein Beratungsvertrag zwischen ihr und der Klägerin zustande gekommen. Die Beratung hinsichtlich des Materials für die Sanierung des Bodens der Tiefgarage sowie die Erstellung der Ausschreibung erfolgte nicht aus bloßer Gefälligkeit. Vielmehr handelten beide Parteien mit Rechtsbindungswillen.
35 
a) Für die Annahme eines Rechtsbindungswillen kommt es darauf an, ob die andere Partei unter den gegebenen Umständen nach Treu und Glauben unter Berücksichtigung der Verkehrssitte auf einen solchen Willen schließen musste. Indizien sind insoweit vor allem die wirtschaftliche und rechtliche Bedeutung der Angelegenheit, insbesondere für den Begünstigten sowie die Interessenlagen der Parteien (BGH NJW-RR 2006, 117 Tz. 37 ff). Danach ist im vorliegenden Fall nicht von einer bloßen Gefälligkeit auszugehen. Die Beratung hinsichtlich des zu verwendenden Materials für die Bodensanierung der Tiefgarage hatte für die Klägerin, was die Beklagte auch erkennen konnte, ersichtlich eine hohe Bedeutung. Zudem hatte die Beklagte als Herstellerin des Produkts an der Empfehlung ein wirtschaftliches Interesse. Hinzu kommt, dass sich die Beklagte nicht auf eine bloße Produktempfehlung beschränkt, sondern auch ein Leistungsverzeichnis versprochen und erstellt hat. Insoweit ist sie weit über die übliche Beratung eines Verkäufers hinsichtlich seines Produktes hinausgegangen, so dass ein selbstständiger Beratungsvertrag anzunehmen ist (vgl. auch BGH NJW 1999, 3192).
36 
b) Der Annahme eines Rechtsbindungswillens steht nicht entgegen, dass die Beklagte im Leistungsverzeichnis den Abschluss eines Beratungsvertrages ausgeschlossen hat. Der Beratungsvertrag war zum Zeitpunkt der Übersendung des Leistungsverzeichnisses bereits abgeschlossen, so dass die darin enthaltene Erklärung, keinen Vertrag schließen zu wollen, unbeachtlich ist.
37 
2. Es fehlt aber - wie das Landgericht im Ergebnis zutreffend angenommen hat - an einer Pflichtverletzung.
38 
a) Es kann nicht festgestellt werden, dass die Beklagte ein generell ungeeignetes Material empfohlen hat. Die Klägerin hat nicht nachgewiesen, dass S. auch dann nicht für die vorgesehene Verwendung geeignet gewesen wäre, wenn keine rückwärtige Durchfeuchtung des Tiefgaragenbodens vorliegen würde, also kein Wasser durch die Bodenplatte bis zur Oberflächenbeschichtung hochzieht. Die Aussage des Sachverständigen M., dass das Material per se geeignet ist, wird bestätigt durch die Angaben des Sachverständigen W. in dem im selbstständigen Beweisverfahren (LG Münster - 14 OH 5/03) erstatteten Gutachten vom 06.10.2004. Darin bejaht er die Frage, ob die Empfehlung der Beklagten richtig gewesen wäre, wenn es nicht zur rückseitigen Durchfeuchtung der Beschichtung gekommen wäre. Eine andere Beurteilung ist auch nicht dem von der Klägerin vorgelegten Aufsatz von F. zu entnehmen, der vielmehr zu dem Ergebnis kommt, dass die häufig gestellte Forderung nach diffusionsoffenen Beschichtungssystemen unbegründet ist. Die von der Klägerin vorgelegte Stellungnahme von O. vermag an der übereinstimmenden Aussage beider Sachverständiger keine Zweifel erwecken, da es sich insoweit um abstrakte Aussagen ohne konkreten Bezug zum verwendeten Material handelt.
39 
b) Der Umstand, dass das Material im konkreten Fall aufgrund der rückwärtigen Durchfeuchtung durch aufsteigendes Wasser ungeeignet war, kann eine Verletzung des Beratungsvertrages nicht begründen. Zwar hatte die Beklagte aus dem Beratungsvertrag die Pflicht zu klären, ob für das konkrete Bauvorhaben das empfohlene Material geeignet ist. Dieser Pflicht ist sie aber ausreichend nachgekommen.
40 
aa) Die Bestimmung des Inhalts der Beratungspflichten erfolgt durch Auslegung des Beratungsvertrages nach den §§ 133, 157 BGB. Dabei kann entgegen der Auffassung der Klägerin nicht auf die HOAI abgestellt werden, da diese Regelung kein normatives Leitbild für den Inhalt von Architekten- und Ingenieurverträgen enthält (BGH BauR 2003, 1918, 1919; BGH BauR 1999, 187). Im vorliegenden Fall kann nicht angenommen werden, dass die Beklagte umfänglich mit der Planung der Sanierung der Tiefgarage beauftragt war und - wie ein Architekt - als Sachwalter die Interessen der Klägerin umfassend wahrzunehmen hatte. Vielmehr war die Aufgabe der Beklagten mit der eines Sonderfachmannes vergleichbar. Dies folgt zum einen daraus, dass die Beklagte die Beratungsleistung unentgeltlich erbracht hat. Es bestand nur ein mittelbares wirtschaftliches Interesse, da sie zwar ihre eigenen Produkte empfehlen konnte, allerdings keine Gewähr hatte, dass der vom Auftraggeber eingeschaltete Handwerker dann auch tatsächlich dieses Produkt verwendet. Hinzu kommt, dass auf Seiten der Klägerin mit dem Zeugen K. ein Bauingenieur tätig war und somit für eine Sachwalterstellung der Beklagten kein Bedarf bestand.
41 
bb) Von diesen Grundsätzen ausgehend war die Ermittlung der Gefahr der rückwärtigen Durchfeuchtung durch Befragung des Zeugen K. ausreichend.
42 
(1) Dass der zuständige Mitarbeiter der Klägerin auf Frage des Zeugen W. angegeben hat, dass die Gefahr einer rückwärtigen Durchfeuchtung nicht existiere, steht aufgrund der erstinstanzlichen Beweisaufnahme fest. Der Zeuge W. hat den Vortrag der Beklagten ausdrücklich bestätigt. Der Zeuge K. hat angegeben, dass das Schreiben der Beklagten vom 22.06.2001, wonach nach Angaben der Klägerin eine Gefahr einer rückwärtigen Durchfeuchtung nicht besteht, den Gesprächsinhalt richtig wiedergegeben habe. Zudem ist auch nicht vorgetragen, dass die Klägerin dem Schreiben vom 22.06.2001 widersprochen hat.
43 
(2) Aufgrund dieser eindeutigen Aussage des Zeugen K. bestand für die Beklagte weder Anlass, den Boden mit Blick auf eine mögliche Durchfeuchtung selbst zu untersuchen noch die Klägerin auf das Erfordernis weitergehender Untersuchungen hinzuweisen.
44 
(a) Die Beklagte konnte von der Richtigkeit der Antwort des Zeugen K. ausgehen. Zwar mag es sein, dass er hinsichtlich der Beschichtung von Tiefgaragenböden über keinerlei Sachkunde verfügt. Es lag für den Zeuge W. aber fern, dass der Zeuge K. die Problematik der rückwärtigen Durchfeuchtung nicht kennt, zumal dieser etwaige Verständnisschwierigkeiten hätte offenbaren können. Eine andere Beurteilung ist auch nicht deshalb geboten, weil der Zeuge W. die Bedeutung der Frage nicht näher erläutert hat. Wenn im Rahmen eines Gespräches über die Sanierung des Bodens der Tiefgarage seitens der Beklagten das Problem der rückwärtigen Durchfeuchtung angesprochen wird, liegt die Bedeutung der Frage für das zu erstellende Leistungsverzeichnis auf der Hand. Dies gilt umso mehr, nachdem die Beklagte diesen Punkt auch noch schriftlich bestätigt hat. Daher konnte der Zeuge W. davon ausgehen, dass der Zeuge K. unabhängig von der Kenntnis der konkreten Bedeutung die Aussage, dass mit einer Gefahr der rückwärtigen Durchfeuchtung nicht gerechnet werden müsse, relativiert hätte, wenn er sich insoweit nicht sicher gewesen wäre.
45 
(b) Hinzu kommt, dass die Gefahr einer rückwärtigen Durchfeuchtung durch aufsteigendes Wasser im vorliegenden Fall gering war, obwohl das Gebäude im Grundwasser steht. Der Sachverständige M. hat insoweit nachvollziehbar angegeben, dass in dem vorliegenden Fall einer sogenannten Weißen Wanne im Allgemeinen mit einer rückwärtigen Durchfeuchtung durch aufsteigendes Wasser nicht zu rechnen sei. Eine grundlegend andere Auffassung hat auch der Sachverständige W. nicht vertreten. Er hat nur einschränkend darauf hingewiesen, dass man Materialermüdungen nicht ausschließen könne und vor allem die Fugen ein Risiko darstellen würden. Ein derartiges Risiko musste die Beklagte aber nicht veranlassen, die Aussage des Zeugen K. kritisch zu hinterfragen.
46 
(c) Unerheblich ist insoweit, dass nach den Angaben der Sachverständigen auch bei einer ordnungsgemäß ausgeführten Weißen Wanne mit aufsteigendem Wasserdampf zu rechnen ist. Der Sachverständige M. hat nachvollziehbar dargelegt, dass ein solcher Wasserdampf auch bei Verwendung des Produkts S. im Falle einer korrekten Verarbeitung nicht zur Blasenbildung führen kann. Auch insoweit vermag die von der Klägerin vorgelegte Stellungnahme von O. keine Zweifel erwecken, nachdem sich diese auf abstrakte Aussagen ohne konkreten Bezug zum verwendeten Material und zur konkreten Situation beschränkt. Unabhängig davon ist zu berücksichtigen, dass nach dem Gutachten M. im konkreten Fall der Wasserdampf auch nicht die Ursache für die Blasenbildung gewesen ist, sondern das aufsteigende Wasser. Insoweit liegt auch kein Widerspruch zum Gutachten des Sachverständigen W. vor, nachdem dieser die konkrete Art der Durchfeuchtung nicht untersucht hat.
47 
c) Nachdem die Beklagte davon ausgehen konnte, dass die Gefahr einer rückwärtigen Durchfeuchtung nicht besteht, war sie auch nicht verpflichtet, im Leistungsverzeichnis vorzusehen, die Grundierung gegen rückwärtige Durchfeuchtung zu sichern.
48 
3. Mangels Pflichtverletzung kann offen bleiben, ob die Verwendung des Materials S. Zu für das Schadensbild zumindest mitursächlich ist oder ob die Blasen ausschließlich auf Verarbeitungsfehler zurückzuführen sind.
II.
49 
Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 ZPO, die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit aus den §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO. Die Revision war nicht zuzulassen, da die Voraussetzungen des § 543 Abs. 2 ZPO nicht vorliegen. Der Umfang der Pflichten des Herstellers aus einem Beratungsvertrag richtet sich - wie dargelegt - nach den Umständen des Einzelfalls. Daher wirft der Rechtsstreit auch keine grundsätzlichen Fragen auf.

(1) Die Parteien haben ihre Erklärungen über tatsächliche Umstände vollständig und der Wahrheit gemäß abzugeben.

(2) Jede Partei hat sich über die von dem Gegner behaupteten Tatsachen zu erklären.

(3) Tatsachen, die nicht ausdrücklich bestritten werden, sind als zugestanden anzusehen, wenn nicht die Absicht, sie bestreiten zu wollen, aus den übrigen Erklärungen der Partei hervorgeht.

(4) Eine Erklärung mit Nichtwissen ist nur über Tatsachen zulässig, die weder eigene Handlungen der Partei noch Gegenstand ihrer eigenen Wahrnehmung gewesen sind.

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
III ZR 237/02
vom
30. April 2003
in dem Rechtsstreit
Nachschlagewerk: ja
BGHZ: nein
BGHR: ja
EuGVÜ Art. 5 Nr. 1 Halbsatz 1
Zur Bestimmung des internationalen (Wahl-)Gerichtsstandes des Erfüllungsortes
nach Art. 5 Nr. 1 Halbsatz 1 EuGVÜ.
BGH, Beschluß vom 30. April 2003 - III ZR 237/02 - OLG Düsseldorf
LG Kleve
Der III. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat am 30. April 2003 durch den
Vorsitzenden Richter Dr. Rinne und die Richter Streck, Schlick, Dr. Kapsa und
Galke

beschlossen:
Der Antrag des Klägers, ihm Prozeßkostenhilfe für den Revisionsrechtszug zu bewilligen, wird zurückgewiesen.

Gründe


I.


Der Kläger schloß mit der Beklagten, einer in den Niederlanden ansässigen landwirtschaftlichen Coöperative einen Vertrag über die Verwertung der von ihm erzeugten Gurken. Mit der vor dem Landgericht Kleve erhobenen Klage macht er restlichen "Kaufpreis" aus der Lieferung von Gurken an die Beklagte im Jahre 1999, Schadensersatz für eine angeblich fehlerhafte Sortierung und Klassifizierung der Gurken durch die Beklagte sowie vorgerichtliche Anwaltskosten geltend.
Das Landgericht hat der Klage überwiegend stattgegeben. Das Berufungsgericht hat die Klage als unzulässig abgewiesen, weil die internationale Zuständigkeit der deutschen Gerichte nicht gegeben sei. Der Kläger beantragt
Prozeßkostenhilfe für die Verfolgung des Klagebegehrens im Revisionsrechtszug.

II.

Die Prozeßkostenhilfe ist dem Kläger zu verweigern, weil die Rechtsverfolgung im Revisionsrechtszug keine hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet (§ 114 ZPO). Das Berufungsgericht hat die Klage zu Recht als unzulässig abgewiesen , weil die deutschen Gerichte nicht international zuständig sind. Zwar hat die beabsichtigte Rechtsverfolgung in aller Regel bereits dann hinreichende Aussicht auf Erfolg, wenn die Entscheidung von der Beantwortung schwieriger Rechts- oder Tatfragen abhängt (Senatsbeschluß vom 19. Dezember 2002 - III ZB 33/02 - BGH-Report 2003, 300). Solche dürften sich im Streitfall aber nicht stellen. Es geht um die Anwendung einer gefestigten Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Gemeinschaften zu Art. 5 Nr. 1 des Übereinkommens über die gerichtliche Zuständigkeit und die Vollstreckung gerichtlicher Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen (EuGVÜ) vom 27. September 1968 (BGBl. 1972 II S. 774). Aufgrund der hierdurch gewährten Auslegungshilfen erscheint die Beantwortung der entscheidungserheblichen Rechtsfragen nicht als "schwierig". Hierüber kann, obwohl das Berufungsgericht die Revision - wohl wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache - zugelassen hat, im Prozeßkostenhilfeverfahren befunden werden (vgl. BVerfG NJW 1991, 413, 414; BGH, Beschluß vom 11. September 2002 - VIII ZR 235/02 - NJW-RR 2003, 130 f).
1. Das Revisionsgericht ist befugt, die internationale Zuständigkeit zu prüfen. § 545 Abs. 2 ZPO n.F., der hier anzuwenden ist (vgl. § 26 Nr. 7 Satz 1 EGZPO), steht insoweit nicht entgegen (Senatsurteil vom 28. November 2002 - III ZR 102/02, vorgesehen zum Abdruck in BGHZ).

2. Die internationale Zuständigkeit der deutschen Gerichte kann nicht auf den allgemeinen Gerichtsstand des Beklagtensitzes (Art. 2 Abs. 1, Art. 53 Abs. 1 Satz 1 EuGVÜ) gestützt werden. Die Beklagte hat ihren Sitz in V. / Niederlande.
Eine Gerichtsstandsvereinbarung (Art. 17 EuGVÜ), die die Zuständigkeit deutscher Gerichte begründen könnte, hat das Berufungsgericht nicht festgestellt.
3. Bei einem deutschen Gericht besteht nicht der internationale (Wahl-)Gerichtsstand des Erfüllungsortes (Art. 5 Nr. 1 i.V.m. Art. 3 Abs. 1 EuGVÜ).
Nach Art. 5 Nr. 1 Halbsatz 1 EuGVÜ kann eine (natürliche) Person, die ihren Wohnsitz in dem Hoheitsgebiet eines Vertragsstaats hat, in einem Vertragsstaat verklagt werden, wenn ein Vertrag oder Ansprüche aus einem Vertrag den Gegenstand des Verfahrens bilden, und zwar vor dem Gericht des Ortes, an dem die Verpflichtung erfüllt worden ist oder zu erfüllen wäre. Entsprechendes gilt für Gesellschaften und juristische Personen (vgl. Art. 53 Abs. 1 Satz 1 EuGVÜ).

a) Gegenstand des Rechtsstreits sind unstreitig "Ansprüche aus einem Vertrag" im Sinne der übereinkommensautonomen Auslegung des Art. 5 Nr. 1 EuGVÜ durch den Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften (vgl. Urteile vom 1. Oktober 2002 - Rs. C-167/00, Verein für Konsumenteninformation - NJW 2002, 3617, 3618 Rn. 35 und vom 17. September 2002 - Rs. C-334/00, Tacconi - Slg. 2002, I 7357 Rn. 19 und 22).


b) Der Erfüllungsort, an dem "Ansprüche aus einem Vertrag" (Art. 5 Nr. 1 Halbsatz 1 EuGVÜ) eingeklagt werden können, bestimmt sich nach dem Recht, das nach den Kollisionsnormen des mit dem Rechtsstreit befaßten Gerichts (lex fori) für die streitige Verpflichtung maßgebend ist (vgl. EuGH, Urteile vom 6. Oktober 1976 - Rs. 12/76, Tessili - Slg. 1976, 1473 Rn. 13 ff; vom 15. Januar 1987 - Rs. 266/85, Shenavai - Slg. 1987, 239 Rn. 7; vom 29. Juni 1994 - Rs. C288 /92, Custom - Slg. 1994, I 2913 Rn. 26 und vom 28. September 1999 - Rs. C-440/97, Concorde - Slg. 1999, I 6307 Rn. 13; Senatsurteil vom 31. Januar 1991 - III ZR 150/88 - BGHR EGÜbk Art. 5 Nr. 1 Anwaltshonorar 1; Kropholler , Europäisches Zivilprozeßrecht 8. Aufl. 2002 S. 131). Das ist hier das deutsche internationale Privatrecht.
aa) Streitige Verpflichtung - für die nach den vorbeschriebenen Grundsätzen der Erfüllungsort zu ermitteln ist - ist nicht jede beliebige sich aus dem betreffenden Vertrag ergebende Verpflichtung, sondern nur diejenige, die dem vertraglichen Anspruch entspricht, auf den der Kläger seine Klage stützt (EuGH, Urteil vom 15. Januar 1987, Shenavai aaO Rn. 9; vom 29. Juni 1994, Custom aaO Rn. 23 f; vgl. auch BGHZ 74, 136, 139; 134, 201, 205; BGH, Urteil vom 16. Januar 1981 - I ZR 84/78 - VersR 1981, 630). Sind mehrere Verpflichtungen aus einem Vertrag streitig, entscheidet nach dem Grundsatz, daß Nebensächliches der Hauptsache folgt, die Hauptpflicht über die Zuständigkeit des Gerichts (EuGH, Urteil vom 15. Januar 1987, Shenavai aaO Rn. 19); bei Sekundäransprüchen, vor allem Schadensersatzansprüchen, kommt es auf die entsprechende (primäre) Hauptverpflichtung an (vgl. EuGH, Urteil vom 6. Oktober 1976 - Rs. 14/76, de Bloos - Slg. 1976, 1497 Rn. 13/14 und vom 15. Januar 1987, Shenavai aaO Rn. 9; BGHZ aaO; MünchKomm ZPO-Gottwald
2. Aufl. 2001 Art. 5 EuGVÜ Rn. 9 und 11; Schlosser, EU-Zivilprozeßrecht, 2. Aufl. 2003 Art. 5 EuGVVO Rn. 7). Betrifft der Rechtsstreit mehrere Hauptpflichten , ist der Erfüllungsort für jeden Anspruch gesondert zu bestimmen (vgl. EuGH, Urteil vom 5. Oktober 1999 - Rs. C-420/97, Leathertex - Slg. 1999, I 6747 Rn. 38 ff; MünchKomm ZPO-Gottwald aaO Rn. 9; Musielak/Weth, ZPO 2. Aufl. 2000 Art. 5 EuGVÜ Rn. 2; Kropholler aaO S. 134 f).
bb) Im Streitfall fordert der Kläger "restlichen Kaufpreis" aus der Lieferung von Gurken an die Beklagte im Jahre 1999, Schadensersatz für angeblich fehlerhafte Sortierung und Klassifizierung der Gurken durch die Beklagte sowie - unter dem Gesichtspunkt des Zahlungsverzuges - vorgerichtliche Anwaltskosten.
(1) Wäre der von den Parteien geschlossene Vertrag als Kaufvertrag zu beurteilen, wie das die Revision befürwortet, dann läge der internationale Gerichtsstand jedenfalls für die Klage auf Zahlung des Kaufpreises in der Bundesrepublik Deutschland. Denn der hierfür maßgebende Erfüllungsort für die streitige (Haupt-)Verpflichtung der Beklagten, den Kaufpreis zu zahlen, wäre der Wohnsitz des Klägers in G. . Das ergäbe sich aus dem Übereinkommen der Vereinten Nationen über Verträge über den internationalen Warenkauf (CISG) vom 11. April 1980 (BGB. 1989 II S. 588), das ohne Vorschaltung des deutschen internationalen Privatrechts anzuwenden wäre (BGHZ 134, 201, 206; Staudinger/Magnus, BGB <1999> Art. 1 CISG Rn. 85; jeweils m.w.N.). Es läge ein Kaufvertrag über Waren vor zwischen Parteien, die ihre Niederlassung (Art. 10 CISG) in verschiedenen Vertragsstaaten des CISG, in der Bundesrepublik Deutschland und den Niederlanden nämlich, hätten (Art. 1 Buchst. a CISG) und die die Anwendung des CISG nicht abbedungen
hätten (vgl. Art. 6 CISG). Für einen solchen Kaufvertrag bestimmt Art. 57 Abs. 1 Buchst. a CISG, daß der Käufer den Kaufpreis am Ort der Niederlassung des Verkäufers zu zahlen hat; die Maßgeblichkeit des Einheitskaufrechts führt bei Geldschulden des Käufers (Art. 53 CISG) zu einem Klägergerichtsstand des Verkäufers (vgl. EuGH, Urteil vom 29. Juni 1994, Custom aaO Rn. 27 f ; vgl. - ebenfalls zu Art. 59 Abs. 1 Halbsatz 1 EKG - Vorlagebeschluß des BGH vom 26. März 1992 - VII ZR 258/91 - WM 1992, 1715, 1717; Kropholler aaO S. 131, 140; Staudinger /Magnus aaO Art. 57 Rn. 20).
(2) Nach Auffassung des Berufungsgerichts haben die Parteien jedoch nicht einen Kauf-, sondern einen Geschäftsbesorgungsvertrag geschlossen. Das Vertragsverhältnis werde maßgeblich dadurch geprägt, daß die Beklagte für den Verkauf der Gurken an die Endabnehmer sorgen sollte. Diese Geschäftsbesorgung sei die Hauptpflicht der Beklagten gewesen, wofür sie vom Kläger Provisionen erhalten habe.
Das hält rechtlicher Prüfung stand.
(a) Das Berufungsgericht hat seinen Feststellungen den unstreitigen Sachverhalt und das schlüssige Klägervorbringen zugrunde gelegt. Das ist nicht zu beanstanden. Es ging darum, die Zuständigkeitsfrage zu entscheiden, ohne in eine Sachprüfung einzutreten (vgl. EuGH, Urteile vom 29. Juni 1994, Custom aaO Rn. 19 f und vom 4. März 1982 - Rs. 38/81, Effer - Slg. 1982, 825 Rn. 7; Kropholler aaO S. 128 f).
(b) Die Revision macht geltend, das Berufungsgericht habe Vortrag des Klägers übergangen, wonach die Beklagte den Gurkenanbauern angeboten habe, die Ernte zu bestimmten Preisen, unterschiedlich je nach Güteklasse, aufzukaufen. Der Kläger habe dargelegt, die Parteien hätten am 11. März 1999 feste Vertragspreise vereinbart; diese seien von der Beklagten durch die Übersendung der "Bijlage Preisliste" bestätigt worden.
Die Rüge ist unbegründet.
Das Berufungsgericht hat die vom Kläger behauptete Festpreisabrede berücksichtigt. Es hat sie allerdings nicht als Vereinbarung eines Kaufpreises, sondern als Verkaufsgarantie, die die Beklagte als Geschäftsbesorgerin erteilt habe, aufgefaßt. Diese Würdigung ist aus Rechtsgründen nicht zu beanstanden. Die Vereinbarung eines Festpreises spricht nicht zwingend für einen Kaufvertrag und gegen eine Geschäftsbesorgung (vgl. BGH, Urteil vom 27. Februar 1991 - VIII ZR 106/90 - NJW-RR 1991, 994, 995 m.w.N. zur Abgrenzung Kauf/Kommission). Im übrigen stützen eine Reihe von Anhaltspunkten die Annahme des Berufungsgerichts, die Parteien hätten einen Geschäftsbesorgungsvertrag geschlossen: Die Geschäftsbeziehung der Parteien war Teil einer genossenschaftlichen Absatzorganisation. Der Kläger war in der fraglichen Zeit - wie andere Gurkenanbauer auch - über eine Versteigerungsgenossenschaft (mittelbares) Mitglied der beklagten niederländischen Genossenschaft. Diese war zu dem Zweck gebildet worden, den Absatz der von ihren (mittelbaren) deutschen und niederländischen Mitgliedern erzeugten Produkte zu fördern. Das geschah, indem die Beklagte die von den Produzenten gelieferten Gurken nach Güteklassen sortierte, wog und im Wege der Versteigerung, des Vorverkaufs und des Verkaufs vermarktete. Die erzielten Erlöse wurden den deut-
schen Gurkenanbauern über die - aus umsatzsteuerlichen Gründen in der Bundesrepublik Deutschland ansässige - Z. -Export GmbH ausgezahlt. Als Gegenleistung erhielt die Beklagte von den Gurkenanbauern Provisionen und Kostenersatz.
Die von den Produzenten gelieferten Gurken wurden zwar von der Beklagten sortiert und dabei vermischt. Das belegt aber noch nicht sicher, daß die Anbauer die Gurken in Erfüllung einer kaufvertraglichen Verpflichtung (§ 433 Abs. 1 Satz 1 BGB) der Beklagten übergeben und übereignet hätten. Kraft der von den Lieferanten erteilten Einwilligung (§ 185 Abs. 1 BGB) konnte die Beklagte die Gurken an Dritte veräußern, ohne selbst Eigentümerin zu werden (vgl. Baumbach/Hopt, HGB 30. Aufl. 2000 § 383 Rn. 17 zur Verkaufskommission

).


cc) Demnach ist - entsprechend der mit Rechtsgründen nicht angreifbaren Würdigung des Berufungsgerichts - zugrunde zu legen, daß Verpflichtungen der Beklagten aus Geschäftsbesorgung (§ 675 Abs. 1 BGB) im Streit sind, in erster Linie die Verpflichtung der Beklagten, den vertraglich zugesagten (restlichen) Festpreis zu zahlen für die vom Kläger zur Vermarktung durch sie gelieferten Gurken. Dabei kann offenbleiben, ob die Beklagte die Geschäftsbesorgung in der Sonderform der Verkaufskommission (§ 383 Abs. 1 HGB) betrieb (vgl. Baumbach/Hopt aaO Rn. 6: Kommissionsvertrag als gegenseitiger Vertrag über Geschäftsbesorgung). Hiergegen könnte sprechen, daß die Parteien einen Festpreis vereinbarten, so daß die Beklagte zwar im fremden Interesse , aber auf eigene Rechnung gehandelt haben könnte (vgl. Koller in Staub Großkommentar HGB 4. Aufl. 1986 § 383 Rn. 14). Die Beurteilung des Streitfalls hängt indes von der Unterscheidung zwischen Geschäftsbesorgung und
Kommission nicht ab. Das deutsche Kollisionsrecht beruft nämlich jeweils als Recht des Vertragsverhältnisses (lex causae) - nach dem der Erfüllungsort der konkret streitigen Verpflichtung zu bestimmen ist (Art. 5 Nr. 1 Halbsatz 1 EuGVÜ) - das Recht am Sitz der Beklagten, d.h. das niederländische Recht.
Mangels Rechtswahl (Art. 27 EGBGB) unterlag der Vertrag der Parteien dem Recht des Staates, mit dem er die engsten Verbindungen aufweist (Art. 28 Abs. 1 Satz 1 EGBGB), und zwar grundsätzlich in allen Teilen des Vertrages (Art. 28 Abs. 1 Satz 2 EGBGB). Gemäß Art. 28 Abs. 2 Satz 1 und 2 EGBGB wird vermutet, daß der Vertrag die engsten Beziehungen mit dem Staat hat, in dem die Partei, welche die charakteristische Leistung zu erbringen hat, im Zeitpunkt des Vertragsabschlusses ihren gewöhnlichen Aufenthalt, ihre Hauptverwaltung , ihre Hauptniederlassung oder eine andere Niederlassung, von der die Leistung zu erbringen ist, hat.
Im Fall eines Geschäftsbesorgungsvertrages gilt danach in der Regel das Recht am Sitz des zur Geschäftsbesorgung Verpflichteten; denn er erbringt die charakteristische Leistung (vgl. BGH, Urteil vom 25. Oktober 1995 - IV ZR 83/95 - ZIP 1996, 158 ; Staudinger/Magnus, BGB <2002> Art. 28 EGBGB Rn. 339 m.w.N.). Entsprechendes gilt für den Kommissionsvertrag. Dieser wird durch die Leistung des Kommissionärs charakterisiert, so daß das Recht an dessen Sitz maßgebend ist (vgl. BGH, Urteil vom 23. November 1964 - II ZR 200/62 - WM 1965, 126, 127; RGZ 112, 81, 82; Baumbach/Hopt aaO Rn. 20; Staudinger//Magnus aaO Rn. 270 m.w.N.). Geschäftsbesorger - oder Kommissionär - und damit Erbringer der charakteristischen Leistung war die in den Niederlanden ansässige Beklagte. In den Niederlanden lag nach den unangegriffenen Feststellungen des Berufungsgerichts auch der Schwerpunkt
der Verpflichtungen aus dem Geschäftsbesorgungsvertrag, insbesondere die vertragsprägende Verpflichtung der Beklagten, für den Verkauf der Gurken an die Endabnehmer zu sorgen.
dd) Der Erfüllungsort ist mithin nach niederländischem Recht - als dem nach Art. 28 Abs. 1 und 2 EGBGB berufenen Vertragsstatut - zu bestimmen. Nach niederländischem Recht war der Erfüllungsort für die Verpflichtung des - in Festpreisen - zu zahlenden Verkaufserlöses wie für die Verpflichtung, die von dem Produzenten gelieferten Gurken vertragsgerecht zu sortieren und zu wiegen, in den Niederlanden. Das hat das Berufungsgericht festgestellt.
Die Revision beanstandet weder die Feststellung noch die Anwendung niederländischen Rechts durch das Berufungsgericht. Sie macht geltend, die Parteien hätten am Sitz der die Zahlung für die Beklagte ausführenden Z. - Export GmbH in S. /Bundesrepublik Deutschland einen Erfüllungsort vereinbart. Die Rüge ist jedoch nicht hinreichend ausgeführt. Die Parteien hätten die Vereinbarung des Erfüllungsortes nach dem Recht des Vertragsverhältnisses (vgl. Kropholler aaO S. 135 f m.w.N.), also nach niederländischem Recht schließen müssen. Dem von der Revision angeführten Parteivortrag ist eine dementsprechende Behauptung indes nicht zu entnehmen.
Im übrigen vermag die Revision auch nicht die Feststellung des Berufungsgerichts zu erschüttern, die Parteien hätten die Auszahlung über die Z. -Export GmbH in S. nur aus umsatzsteuerlichen Gründen verabredet, also lediglich den Zahlungs-, nicht den Leistungsort dorthin verlegt. Soweit die Revision das anders beurteilt, legt sie einen Rechtsfehler nicht dar.
ee) Für den eingeklagten Sekundäranspruch auf Verzugsschadensersatz besteht derselbe internationale Gerichtsstand in den Niederlanden (Art. 5 Nr. 1 Halbsatz 1 EuGVÜ) wie für die streitigen (Haupt-)Verpflichtungen der Beklagten , die (restlichen) in Festpreisen vereinbarten Verkaufserlöse und Scha-
densersatz für fehlerhafte Sortierung und Klassifizierung der Gurken zu zahlen. Insoweit greift die oben genannte Grundregel, daß Nebensächliches der Hauptsache zu folgen hat.
Rinne Streck Schlick Richter Dr. Kapsa kann wegen Teilnahme an einer auswärtigen Tagung nicht unterschreiben. Rinne Galke

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
XI ZR 366/03 Verkündet am:
7. Dezember 2004
Herrwerth,
Justizangestellte
als Urkundsbeamtin
der Geschäftsstelle
in dem Rechtsstreit
Nachschlagewerk: ja
BGHZ: nein
BGHR: ja
_____________________
EuGVÜ Art. 5 Nr. 1 und Nr. 3

a) Zur internationalen Zuständigkeit gemäß Art. 5 Nr. 3 EuGVÜ bei Ansprüchen aus
unerlaubter Handlung.

b) Zur internationalen Zuständigkeit gemäß Art. 5 Nr. 1 EuGVÜ bei Ansprüchen aus
Darlehen.

c) Die Entscheidungsbefugnis des nach Art. 5 Nr. 3 EuGVÜ für die Entscheidung
über deliktische Ansprüche international zuständigen Gerichts erstreckt sich nicht
auf die Prüfung anderer, nicht deliktsrechtlicher Anspruchsgrundlagen (Bestätigung
von BGHZ 132, 105 ff. und BGHZ 153, 173 ff.).
BGH, Urteil vom 7. Dezember 2004 - XI ZR 366/03 - OLG Bamberg
LG Würzburg
Der XI. Zivilsenat des Bundesgerichtshofes hat auf die mündliche Verhandlung
vom 7. Dezember 2004 durch den Vorsitzenden Richter Nobbe,
den Richter Dr. Joeres, die Richterin Mayen sowie die Richter Dr. Appl
und Dr. Ellenberger

für Recht erkannt:
Die Revision gegen das Urteil des 4. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Bamberg vom 27. Oktober 2003 wird auf Kosten des Klägers zurückgewiesen.
Von Rechts wegen

Tatbestand:


Der Kläger begehrt - zugleich aus abgetretenem Rec ht seiner Ehefrau - von den Beklagten, denen sie betrügerisches Verhalten vorwerfen, die Rückzahlung eines Darlehens.
Die Beklagten, die zu dieser Zeit bereits in Itali en lebten, benötigten im September 1999 für den geplanten Erwerb eines in Oberitalien gelegenen Hauses entsprechende Geldmittel. Aus diesem Grund suchten sie den Kläger und dessen Ehefrau, mit denen sie damals enge freundschaftliche Beziehungen unterhielten, an deren Wohnsitz in W. auf. Der Kläger und seine Ehefrau erklärten sich bereit, den Beklagten ein Darlehen in Höhe von 2.000.000 DM zu gewähren und händigten ih-
nen diesen Betrag am 4. September 1999 in W. in bar aus. Die Beklagten unterzeichneten am selben Tag eine von dem Beklagten zu 1 aufgesetzte handschriftliche "Bestätigung", in der sie erklärten, von dem Kläger und seiner Frau die Summe von 2.000.000 DM "leihweise" zu erhalten , um damit ein bestehendes Wohnhaus zu erwerben und zu sanieren. Als Sicherheit werde zugunsten des Klägers und seiner Frau ins Grundbuch die Summe von 950.000.000 Lire eingetragen; die zu bezahlenden Zinsen betrügen 3% jährlich. Außerdem verpflichteten sie sich, die "geliehene" Summe "schnellstmöglich" zurückzuzahlen.
Mit notariellem Vertrag vom 11. September 1999 kau fte die Beklagte zu 2 das Anwesen in Oberitalien. Nachdem in der Folge weder Darlehenszinsen gezahlt wurden noch eine dingliche Belastung des Grundbesitzes zugunsten des Klägers und seiner Ehefrau erfolgte, kündigten diese das Darlehen mit Schreiben vom 2. Mai 2000 und forderten die Beklagten erfolglos zur sofortigen Rückzahlung auf.
Das Landgericht hat der Klage auf Rückzahlung des Darlehens nebst Zinsen, die sowohl auf Vertrag als auch auf unerlaubte Handlung gestützt ist, durch Versäumnisurteil stattgegeben und dieses nach dem Einspruch der Beklagten aufrechterhalten. Auf deren Berufung hat das Oberlandesgericht das Versäumnisurteil aufgehoben und die Klage, soweit sie Ansprüche aus Vertrag zum Gegenstand hat, als unzulässig, im übrigen als unbegründet abgewiesen. Mit der Revision begehrt der Kläger die Wiederherstellung des landgerichtlichen Urteils.

Entscheidungsgründe:


A.


Die vom Oberlandesgericht zugelassene Revision des Klägers ist insgesamt statthaft (§ 543 Abs. 1 Nr. 1 ZPO).
Das Berufungsgericht hat die Revision in der Urtei lsformel ohne Einschränkung zugelassen. Wie die Revision zu Recht geltend macht, ergibt sich auch aus den Entscheidungsgründen keine Einschränkung, obwohl das Berufungsgericht die Zulassung allein mit der Frage nach einer internationalen Annexzuständigkeit für vertragliche Ansprüche im Gerichtsstand der unerlaubten Handlung nach Art. 5 Nr. 3 EuGVÜ begründet hat. Der Bundesgerichtshof hat zwar wiederholt ausgesprochen, daß sich eine Beschränkung der Rechtsmittelzulassung auch aus den Gründen der angefochtenen Entscheidung ergeben kann (BGHZ 48, 134, 136; BGH, Urteil vom 9. März 2000 - III ZR 356/98, NJW 2000, 1794, 1796, m.w.Nachw., insoweit in BGHZ 144, 59 nicht abgedruckt; Senatsurteil vom 20. Mai 2003 - XI ZR 248/02, WM 2003, 1370, 1371), allerdings nur dann, wenn die Beschränkung daraus mit hinreichender Klarheit hervorgeht (vgl. BGH, Urteil vom 19. November 1991 - VI ZR 171/91, ZIP 1992, 410 f., insoweit in BGHZ 116, 104 nicht abgedruckt).
Das ist hier nicht der Fall. Das Berufungsgericht rechtfertigt die Zulassung zwar nur unter Hinweis auf die Frage der internationalen Annexzuständigkeit für vertragliche Ansprüche. Damit gibt es aber nur den Grund dafür an, warum es die Revision wegen grundsätzlicher Bedeutung zugelassen hat. Daß es die Zulassung der Revision auf die geltend
gemachten vertraglichen Ansprüche hat beschränken wollen, die ebenfalls im Streit befindlichen deliktischen Ansprüche von einer revisionsrechtlichen Nachprüfung hingegen hat ausschließen wollen, geht daraus nicht mit hinreichender Klarheit hervor, zumal das Berufungsgericht, wie die Revision zu Recht geltend macht, auch in den Entscheidungsgründen - unbeschränkt - auf die aus seiner Sicht grundsätzliche Bedeutung der Sache hinweist. Es ist daher davon auszugehen, daß sich die Zulassung auf den gesamten in der Berufungsinstanz anhängigen Streitstoff erstreckt (vgl. BGH, Urteil vom 19. November 1991 - VI ZR 171/91 aaO m.w.Nachw.).

B.


Die Revision hat keinen Erfolg.

I.


Das Berufungsgericht hat zur Begründung seiner Ent scheidung im wesentlichen ausgeführt:
Soweit die Klage auf einen deliktischen Anspruch g estützt sei, habe das Landgericht zwar seine aus Art. 5 Nr. 3 EuGVÜ folgende internationale Zuständigkeit zu Recht bejaht. Zutreffend sei auch, daß sich die deliktische Haftung der Beklagten nach dem aufgrund des Tatortgrundsatzes (Art. 40 Abs. 1 EGBGB) zur Anwendung berufenen deutschen Sachrecht richte. Der Kläger habe aber weder den Nachweis einer delik-
tischen Verantwortlichkeit der Beklagten wegen betrügerischen Verhaltens bei den Kreditverhandlungen noch wegen vorsätzlicher sittenwidriger Schädigung erbracht. Es stehe nicht fest, daß die Beklagten von vornherein leistungsunwillig oder leistungsunfähig gewesen seien. Das ihnen vom Kläger angelastete Verhalten könne auch auf einem Sinneswandel der Beklagten nach Erhalt des Darlehens beruhen.
Den vom Kläger geltend gemachten vertraglichen Rüc kzahlungsanspruch , der sich jedenfalls mit Rücksicht auf eine von den Parteien konkludent getroffene Rechtswahl nach deutschem materiellen Recht bestimme, halte der Senat für gegeben. Insoweit fehle es aber nach den maßgeblichen Regelungen des EuGVÜ an der internationalen Zuständigkeit deutscher Gerichte. Der Gerichtsstand des Erfüllungsortes im Sinne des Art. 5 Nr. 1 EuGVÜ sei nicht in Deutschland begründet, weil der Darlehensrückzahlungsanspruch in Italien zu erfüllen sei. Nach der Grundsatzentscheidung des Europäischen Gerichtshofs vom 27. September 1988 (Rs 189/87, NJW 1988, 3088), der sich der Bundesgerichtshof angeschlossen habe, scheide auch eine an den Deliktsgerichtsstand des Art. 5 Nr. 3 EuGVÜ anknüpfende Zuständigkeit kraft Sachzusammenhangs aus. Da die Grundsatzentscheidung des EuGH in der Literatur auf nahezu einhellige Kritik gestoßen sei, die der Senat teile , und da der Streitfall die Besonderheiten aufweise, daß beide Parteien dieselbe Staatsangehörigkeit besäßen, beide dem Vertragsstaat angehörten , in dem der Deliktgerichtsstand des Art. 5 Nr. 3 EuGVÜ begründet und dessen sachliches Recht sowohl als Delikts- als auch als Geschäftsstatut zur Anwendung berufen sei, lasse der Senat die Revision zu. Die Frage der Annexzuständigkeit kraft Sachzusammenhangs im Gerichtsstand des Art. 5 Nr. 3 EuGVÜ solle noch einmal grundsätzlich aufgerollt,
jedenfalls aber wegen der besonderen Gegebenheiten des Streitfalles eine erneute Befassung des EuGH herbeigeführt werden.

II.


Die Entscheidung des Berufungsgerichts hält rechtl icher Überprüfung stand. Für die angeregte erneute Befassung des Gerichtshofs der Europäischen Gemeinschaften mit der Frage der Annexzuständigkeit im Deliktsgerichtsstand des Art. 5 Nr. 3 EuGVÜ sieht der Senat allerdings keine Veranlassung.
1. Das Berufungsgericht ist rechtsfehlerfrei zu de m Ergebnis gelangt , daß die auf deliktische Ansprüche gestützte Klage zulässig, aber unbegründet ist.

a) Zu Recht hat das Berufungsgericht insoweit die internationale Zuständigkeit der deutschen Gerichte bejaht.
aa) Da die mündliche Verhandlung vor dem Oberlandg ericht nach dem 1. Januar 2002 geschlossen worden ist, gelten für die Revision die Regelungen der Zivilprozeßordnung in der seit dem 1. Januar 2002 gültigen Fassung (vgl. § 26 Nr. 7 EGZPO). Wie der Bundesgerichtshof bereits entschieden hat, ist das Revisionsgericht auch nach dem Inkrafttreten des Gesetzes zur Reform des Zivilprozesses vom 27. Juli 2001 (BGBl. I S. 1887) befugt, die - in jedem Verfahrensabschnitt von Amts wegen zu prüfende - internationale Zuständigkeit zu prüfen (BGHZ 153, 82, 84 ff.; Senatsurteil vom 16. Dezember 2003 - XI ZR 474/02,
WM 2004, 376, 377 f. m.w.Nachw., zur Veröffentlichung in BGHZ 157, 224 vorgesehen).
bb) Die internationale Zuständigkeit der deutschen Gerichte ist für die auf Deliktsrecht gestützte Klage gegeben.
(1) Das Berufungsgericht hat dies mit Recht nach d em Brüsseler Übereinkommen über die gerichtliche Zuständigkeit und die Vollstrekkung gerichtlicher Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen (EuGVÜ) beurteilt, das im Verhältnis zwischen der Bundesrepublik Deutschland und Italien anwendbar ist. Die Vorschriften der Verordnung 44/2001 vom 22. Dezember 2000 des Rates über die gerichtliche Zuständigkeit und die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen (EuGVVO) sind nur auf solche Klagen anwendbar, die nach dem Inkrafttreten am 1. März 2002 erhoben worden sind (Art. 66 Abs. 1, Art. 76 Abs. 1 EuGVVO). Die Klage ist den Beklagten jedoch bereits am 27. November 2000 zugestellt worden.
(2) Nach Art. 2 Abs. 1 EuGVÜ können Personen, die ihren Wohnsitz in dem Hoheitsgebiet eines Vertragsstaates haben, grundsätzlich nur vor den Gerichten dieses Staates verklagt werden, die Beklagten also vor den italienischen Gerichten, da sie ihren Wohnsitz in Italien haben. Die Gerichte eines anderen Vertragsstaates sind gemäß Art. 3 EuGVÜ international nur zuständig, soweit das Übereinkommen Ausnahmen regelt.
(3) Das ist - wie das Berufungsgericht zu Recht an genommen hat - hier der Fall, soweit mit der Klage Schadensersatzansprüche wegen Be-
trugs (Krediterschleichung) und wegen vorsätzlicher sittenwidriger Schädigung geltend gemacht werden. Insoweit ergibt sich die internationale Zuständigkeit der deutschen Gerichte aus Art. 5 Nr. 3 EuGVÜ. Danach können Personen, die ihren Wohnsitz in dem Hoheitsgebiet eines Vertragsstaates haben, in einem anderem Vertragsstaat verklagt werden, wenn eine unerlaubte Handlung den Gegenstand des Verfahrens bildet, und zwar vor dem Gericht des Ortes, an dem das schädigende Ereignis eingetreten ist. Das ist hier, wie das Berufungsgericht zu Recht angenommen hat, W. .

b) Soweit das Berufungsgericht die auf deliktische Haftung gestützte Klage für unbegründet erachtet hat, ist hiergegen aus Rechtsgründen nichts zu erinnern.
aa) Zutreffend ist, daß sich mangels eines gemeins amen gewöhnlichen Aufenthalts der Parteien (Art. 40 Abs. 2 Satz 1 EGBGB) die deliktische Haftung der Beklagten nach dem aufgrund der Tatortregel (Art. 40 Abs. 1 EGBGB) zur Anwendung berufenen deutschen Sachrecht beurteilt , hier also nach den §§ 823 ff. BGB.
bb) Richtig ist ferner, daß sowohl eine Haftung de r Beklagten wegen betrügerischer Krediterschleichung nach den §§ 823 Abs. 2, 830 BGB i.V. mit § 263 StGB als auch eine Verantwortlichkeit unter dem Gesichtspunkt einer sittenwidrigen vorsätzlichen Schädigung (§ 826 BGB) den Nachweis eines vorgefaßten Betrugsvorsatzes der Beklagten vorausgesetzt hätte. Der Kläger hätte insoweit beweisen müssen, daß die Beklagten eine in Wahrheit von vornherein nicht bestehende Leistungswilligkeit oder Leistungsfähigkeit vorgetäuscht haben. Dies hat das Beru-
fungsgericht auf der Grundlage der erstinstanzlich durchgeführten Beweisaufnahme und der sonstigen relevanten Umstände des Falles in revisionsrechtlich nicht zu beanstandender Weise als nicht bewiesen angesehen , da es angesichts des tiefgreifenden Zerwürfnisses, zu dem es im Anschluß an die Gewährung des Darlehens zwischen den ehemals befreundeten Ehepaaren gekommen ist, nicht hat ausschließen können, daß das gesamte Verhalten der Beklagten mit einem nachträglichen Sinneswandel zusammenhängt. Die gegen diese tatrichterliche Würdigung erhobenen Verfahrensrügen der Revision hat der Senat geprüft, aber nicht für durchgreifend erachtet (§ 564 Satz 1 ZPO).
2. Die auf vertragliche Ansprüche gestützte Klage hat das Berufungsgericht zu Recht als unzulässig abgewiesen. Hierfür ist die internationale Zuständigkeit der deutschen Gerichte nicht gegeben, da das EuGVÜ für diese Ansprüche keine Ausnahmevorschrift im Sinne des Art. 3 Abs. 1 EuGVÜ enthält, die es erlauben würde, die Beklagten, die ihren Wohnsitz in Italien haben, abweichend von der Regel des Art. 2 Abs. 1 EuGVÜ in einem anderen Vertragsstaat zu verklagen.

a) Eine Zuständigkeit der deutschen Gerichte für d en geltend gemachten Darlehensrückzahlungsanspruch des Klägers ergibt sich nicht aus Art. 5 Nr. 1 EuGVÜ. Nach dieser Vorschrift kann eine Person, die ihren Wohnsitz im Hoheitsgebiet eines Vertragsstaates hat, wegen vertraglicher Ansprüche zwar auch vor dem Gericht des Ortes verklagt werden , an dem die Verpflichtung zu erfüllen wäre. Der Erfüllungsort im Sinne der genannten Vorschrift liegt hier aber nach den beanstandungsfreien Ausführungen des Berufungsgerichts nicht in der Bundesrepublik Deutschland, sondern in Italien.

aa) Erfüllungsort im Sinne von Art. 5 Nr. 1 EuGVÜ ist der Ort, an dem der Schuldner seine Leistungshandlung zu erbringen hat (vgl. Staudinger /Bittner, BGB, Neubearbeitung 2004 § 269 Rdn. 2). Dieser ist nach der Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Gemeinschaften nach dem Recht zu ermitteln, das nach den Kollisionsnormen des mit dem Rechtsstreit befaßten Gerichts für die streitige Verpflichtung maßgeblich ist (EuGH, Urteile vom 6. Oktober 1976 - Rs 12/76, Slg. 1976, 1473, 1486, Rz. 15 - Tessili, vom 5. Oktober 1999 - Rs C-420/97, NJW 2000, 721, 722, Rz. 33 - Leathertex, vom 28. September 1999 - Rs C-440/97, WM 2000, 43, 45, Rz. 32 - GIE Groupe Concorde u.a. und vom 19. Februar 2002 - Rs C-256/00, IPRax 2002, 392, 393, Rz. 33 - Besix; Senatsurteil vom 16. Dezember 2003 - XI ZR 474/02, WM 2004, 376, 379, zur Veröffentlichung in BGHZ 157, 224 vorgesehen). Wie das Berufungsgericht angesichts des Vertragsschlusses in Deutschland zwischen Deutschen in deutscher Sprache (vgl. Senatsurteil vom 28. Januar 1997 - XI ZR 42/96, WM 1997, 560, 561) rechtsfehlerfrei und von den Parteien nicht beanstandet angenommen hat, kommt hier jedenfalls kraft schlüssiger Rechtswahl der Parteien (Art. 27 Abs. 1 Satz 2 EGBGB) deutsches Recht zur Anwendung.
bb) Maßgebend für die Bestimmung des Erfüllungsort es im Sinne des Art. 5 Nr. 1 EuGVÜ sind daher die §§ 269, 270 BGB. Danach hat die Leistung grundsätzlich an dem Ort zu erfolgen, an dem der Schuldner zur Zeit der Entstehung des Schuldverhältnisses seinen Wohnsitz hat, es sei denn, ein anderer Leistungsort ist bestimmt oder aus den Umständen zu entnehmen.
(1) Das Berufungsgericht hat ohne Rechtsverstoß an genommen, daß die Beklagten die ihnen obliegende Leistungshandlung für die Rückzahlung des Darlehens an ihrem Wohnsitz in Italien zu erbringen haben. Nach § 270 Abs. 4 BGB i.V. mit § 269 BGB sind Geldschulden im Zweifel am Wohnsitz des Schuldners zu erfüllen. Daß Leistungshandlung und Leistungserfolg dabei häufig auseinanderfallen, ändert gemäß § 270 Abs. 4 BGB nichts daran, daß Leistungsort im Sinne des § 269 BGB der Wohnort des Schuldners bleibt (BGHZ 44, 178, 179 f.; BGH, Urteil vom 7. März 2002 - IX ZR 293/00, WM 2002, 999, 1000).
(2) Entgegen der Auffassung der Revision ergibt si ch auch weder aus den Umständen des Falles noch aus den zwischen den Parteien getroffenen Vereinbarungen etwas Abweichendes. Das Berufungsgericht hat die zwischen den Parteien getroffene Vereinbarung - anders als die Revision - nicht als "Leihe" oder "Gefälligkeitsvertrag", sondern in aus Rechtsgründen nicht zu beanstandender Weise als Darlehensvertrag ausgelegt. Die tatrichterliche Auslegung einer Individualvereinbarung unterliegt im Revisionsverfahren nur der eingeschränkten Überprüfung darauf , ob gesetzliche oder allgemein anerkannte Auslegungsregeln, Denkgesetze oder Erfahrungssätze verletzt sind oder wesentlicher Auslegungsstoff außer acht gelassen wurde (BGH, Urteil vom 29. März 2000 - VIII ZR 297/98, WM 2000, 1289, 1291 f.; Senatsurteile vom 25. Juni 2002 - XI ZR 239/01, WM 2002, 1687, 1688 und vom 23. September 2003 - XI ZR 135/02, WM 2003, 2232, 2233).
Das ist hier nicht der Fall. Auch die Revision zei gt solche Fehler nicht auf. Ihr Einwand, das Berufungsgericht habe den Vortrag des Klägers übergangen, er und seine Frau hätten den Beklagten das Geld mit
der ausdrücklichen Erklärung und Erwartung ausgehändigt, es wieder in W. zurückzuerhalten, hat schon deshalb keinen Erfolg, weil hierdurch eine Einigung der Vertragsparteien auf einen vom Gesetz abweichenden Leistungsort nicht dargetan ist. Die von den Beklagten unterzeichnete schriftliche Bestätigung enthält hierzu keine Angaben. Ein Beweisantritt des Klägers zur Vereinbarung von W. als Erfüllungsort fehlt in der Berufungsinstanz.

b) Zu Recht ist das Berufungsgericht zu dem Ergebn is gelangt, daß sich die internationale Zuständigkeit der deutschen Gerichte zur Entscheidung über den Darlehensrückzahlungsanspruch auch nicht kraft Sachzusammenhangs aus dem im Streitfall gegebenen Deliktsgerichtsstand des Art. 5 Nr. 3 EuGVÜ herleiten läßt.
aa) Wie auch das Berufungsgericht nicht verkennt, hat der Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften mit Urteil vom 27. September 1988 (Rs 189/87, Slg. 1988, 5565, 5585 f., Rz. 19, 20 - Kalfelis) eine solche Ausdehnung der Entscheidungskompetenz verneint. Er hat das damit begründet, daß der Ausnahmecharakter der besonderen Vertragsund Deliktsgerichtsstände gemäß Art. 5 EuGVÜ gegenüber dem allgemeinen Wohnsitzgerichtsstand des Beklagten, bei dem der Kläger seine Klage unter allen rechtlichen Gesichtspunkten geltend machen könne, eine einschränkende Auslegung dieser Vorschrift erfordere. Ein Gericht, das - wie hier - nach Art. 5 Nr. 3 EuGVÜ für die Entscheidung über eine auf deliktische Ansprüche gestützte Klage zuständig sei, könne über die Klage daher nicht auch unter anderen, nicht deliktischen Gesichtspunkten entscheiden. Dieser Entscheidung hat sich der Bundesgerichtshof
der Bundesgerichtshof angeschlossen (BGHZ 132, 105, 112 f.; 153, 173, 180).
bb) Hieran hält der Senat auch unter Berücksichtig ung der im vorliegenden Rechtsstreit vorgebrachten Gesichtspunkte fest.
(1) Soweit das Berufungsgericht auf die in der Lit eratur geäußerte Kritik an der Rechtsprechung verweist (vgl. etwa Geimer NJW 1988, 3089 f.; ders. in Zöller, ZPO 22. Aufl. Art. 5 EuGVÜ Rdn. 6, 17; Gottwald IPRax 1989, 272, 273; ders. in MünchKomm, ZPO 2. Aufl. Art. 5 EuGVÜ Rdn. 8 m.w.Nachw.), handelt es sich um Stimmen, die an die schon früher im Schrifttum aus Gründen der Prozeßökonomie befürwortete Annahme eines internationalen Gerichtsstands des Sachzusammenhangs (vgl. etwa Geimer IPRax 1986, 80, 81; Kropholler, Handbuch des internationalen Zivilverfahrensrechts Bd. I S. 344 Rdn. 374) anknüpfen. Sie haben den Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften aber nicht zu einer erweiternden Auslegung der Vorschriften veranlaßt. Weder das Berufungsgericht noch die Revision zeigen durchgreifende neue Gesichtspunkte auf, die zu einer abweichenden Beurteilung Anlaß geben könnten.
Der Einwand, entgegen der Auffassung des Gerichtsh ofs der Europäischen Gemeinschaften sei es nicht in jedem Fall möglich, eine alle Anspruchsgrundlagen umfassende Sachentscheidung am Wohnsitzgericht des Beklagten zu erreichen, greift im Streitfall nicht. Hier hätte es dem Kläger offengestanden, durch eine Klage am Wohnsitzgericht der Beklagten in Italien den gesamten Streitstoff in einem Rechtsstreit zu erledigen.

Der Hinweis, daß das EuGVÜ den Beklagtenschutz dur ch die gemäß Art. 6 Nr. 1 und Nr. 2 eröffnete Möglichkeit, Klagen gegen mehrere (in verschiedenen Staaten lebende) Beklagte in einem Vertragsstaat zu erheben, selbst durchbreche, rechtfertigt eine Annexzuständigkeit für nichtdeliktische Ansprüche im Deliktsgerichtsstand des Art. 5 Nr. 3 EuGVÜ schon deshalb nicht, weil diese Konzentrationsmöglichkeit nach der Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Gemeinschaften gerade nicht in Fällen gilt, in denen das Klagebegehren gegen den einen Beklagten auf deliktische, das gegen den anderen Beklagten auf vertragliche Anspruchsgrundlagen gestützt wird (EuGH, Urteil vom 27. Oktober 1998 - Rs C-51/97, Slg. I 1998, 6511, 6549, Rz. 50 - Réunion européenne ; ebenso Senat, Urteil vom 23. Oktober 2001 - XI ZR 83/01, WM 2001, 2402, 2404).
Soweit sich die Revision darauf beruft, das EuGVÜ sehe in Art. 22 selbst die Begründung eines einheitlichen internationalen Gerichtsstands kraft besonderen Sachzusammenhangs vor, rechtfertigt auch das die von ihr befürwortete Annahme einer internationalen Annexzuständigkeit nicht. Art. 22 EuGVÜ, der die Behandlung im Zusammenhang stehender Klagen, die bei Gerichten verschiedener Vertragsstaaten anhängig gemacht worden sind, regelt, schafft nach der Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Gemeinschaften nämlich keine Zuständigkeiten; insbesondere begründet er nicht die Zuständigkeit des Gerichts eines Vertragsstaates für die Entscheidung über eine Klage, die mit einer anderen - gemäß EuGVÜ bei diesem Gericht anhängig gemachten - Klage im Zusammenhang steht (EuGH, Urteil vom 5. Oktober 1999 - Rs C420 /97, NJW 2000, 721, 723, Rz. 38 m.w.Nachw. - Leathertex).

(2) Entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts muß die Frage der internationalen Zuständigkeit kraft Sachzusammenhangs auch nicht mit Rücksicht auf den Beschluß des X. Zivilsenats vom 10. Dezember 2002 (BGHZ 153, 173), der dem nach § 32 ZPO örtlich zuständigen Gericht im Gerichtsstand der unerlaubten Handlung eine umfassende Annexzuständigkeit zuerkannt hat, neu bewertet werden. Das Berufungsgericht stützt seine Auffassung darauf, daß der für den Beschluß vom 10. Dezember 2002 maßgebliche Gesichtspunkt, durch eine umfassende Prüfungskompetenz des nach § 32 ZPO zuständigen Gerichts würden schutzwürdige Belange der Beklagten nicht berührt, diese seien vielmehr regelmäßig selbst nicht daran interessiert, wiederholt mit demselben Sachverhalt gerichtlich konfrontiert zu werden, auch für die Frage der internationalen Zuständigkeit entscheidend sei.
Dem vermag sich der erkennende Senat nicht anzusch ließen. Wie auch das Berufungsgericht nicht verkennt, hat der X. Zivilsenat eine Erstreckung seiner ausschließlich zur örtlichen Zuständigkeit getroffenen Entscheidung auf die Frage der internationalen Zuständigkeit mit Rücksicht auf die besonders weitreichenden Konsequenzen, die sich aus der Entscheidung über die internationale Zuständigkeit ergeben, ausdrücklich ausgeschlossen (BGHZ 153, 173, 180).
Dem ist zuzustimmen. Die internationale Zuständigk eit hat ein ungleich höheres Gewicht als die örtliche, sachliche oder funktionale Zuständigkeit. Sie entscheidet über das internationale Privatrecht - das heißt nicht selten mittelbar über das materielle Recht - sowie über das Verfahrensrecht, das Anwendung findet. Die Entscheidung über die in-
ternationale Zuständigkeit kann demgemäß im Gegensatz zu der Zuständigkeitsabgrenzung unter den deutschen Gerichten die sachliche Entscheidung des Prozesses vorwegnehmen (BGHZ 44, 46, 50; 153, 82, 86; Senatsurteil vom 16. Dezember 2003 - XI ZR 474/02, WM 2004, 377, 378, zur Veröffentlichung in BGHZ 157, 224 vorgesehen). Angesichts dessen besteht für die Frage der internationalen Zuständigkeit ein besonderes Bedürfnis nach Rechtssicherheit.
Diesem dienen die Regelungen des EuGVÜ (EuGH, Urte il vom 19. Februar 2002 - Rs C-256/00, IPRax 2002, 392, 393, Rz. 25 m.w. Nachw. - Besix). Wie der Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften wiederholt entschieden hat, verlangt der Grundsatz der Rechtssicherheit eine Auslegung der von der allgemeinen Regel des Brüsseler Übereinkommens abweichenden Zuständigkeitsregeln, die sicherstellt, daß ein informierter, verständiger Beklagter vorhersehen kann, vor welchem anderen Gericht als dem des Staates, in dem er seinen Wohnsitz hat, er verklagt werden könnte (EuGH, Urteile vom 28. September 1999 - Rs C-440/97, WM 2000, 43, 45, Rz. 24 - GIE Groupe Concorde u.a. und vom 19. Februar 2002 aaO Rz. 26, jeweils m.w.Nachw.). Dem von der Revision angesprochenen Bedürfnis, eine Häufung der Gerichtsstände zu vermeiden, um der Gefahr einander widersprechender Entscheidungen zu begegnen (vgl. hierzu auch EuGH, Urteil vom 19. Februar 2002 aaO Rz. 27), wird nach der Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Gemeinschaften nicht durch eine Erweiterung der Wahlgerichtsstände, sondern durch die Grundregel des Art. 2 Abs. 1 EuGVÜ Rechnung getragen, nach welcher Personen, die ihren Wohnsitz im Hoheitsgebiet eines Vertragsstaates haben, ohne Rücksicht auf ihre Staatsangehörigkeit vor den Gerichten dieses Staates zu verklagen sind. Diese Regelung bietet - wie der Gerichtshof betont -
Regelung bietet - wie der Gerichtshof betont - einen sicheren und verläßlichen Anknüpfungspunkt (EuGH, Urteil vom 19. Februar 2002 aaO Rz. 50). Demgegenüber seien die besonderen Zuständigkeitsregeln gemäß Art. 3, 5, 6 EuGVÜ nur eine Ausnahme von diesem allgemeinen Grundsatz. Sie legten die Fälle, in denen eine Person vor den Gerichten eines anderen Vertragsstaates verklagt werden könne, abschließend fest und seien für eine Auslegung, die über die in dem Übereinkommen ausdrücklich vorgesehenen Fälle hinausgehe, nicht offen, da andernfalls die in Art. 2 Abs. 1 EuGVÜ niedergelegte Grundregel ausgehöhlt würde und der Kläger gegebenenfalls einen Gerichtsstand wählen könnte, der für den in einem Vertragsstaat ansässigen Beklagten unvorhersehbar wäre (EuGH, Urteile vom 27. Oktober 1998 - Rs C-51/97, Slg. I 1998, 6511, 6541 f., Rz. 16 - Réunion européenne und vom 19. Februar 2002 aaO S. 394 f., Rz. 50/54, jeweils m.w.Nachw.). Aus diesem Grund hat der Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften nicht nur die hier in Rede stehende Annexzuständigkeit für nicht deliktische Ansprüche im Deliktsgerichtsstand des Art. 5 Nr. 3 EuGVÜ ausgeschlossen. Er hat vielmehr einen einheitlichen Gerichtsstand auch in den Fällen abgelehnt, in denen das Klagebegehren gegen den einen Beklagten auf deliktischen, das gegen den anderen Beklagten auf vertraglichen Anspruchsgrundlagen beruht (EuGH, Urteil vom 27. Oktober 1998 aaO S. 6549, Rz. 50; ebenso Senat, Urteil vom 23. Oktober 2001 - XI ZR 83/01, WM 2001, 2402, 2404) oder in denen über eine Klage zu entscheiden ist, die auf zwei sich aus demselben Vertrag ergebende gleichrangige Verpflichtungen gestützt wird, die in unterschiedlichen Vertragsstaaten zu erfüllen wären (EuGH, Urteil vom 5. Oktober 1999 - Rs C-420/97, NJW 2000, 721, 723, Rz. 42 - Leathertex).
(3) Da mithin die Ausnahmeregelungen des EuGVÜ abs chließend und keiner erweiternden Auslegung zugänglich sind, rechtfertigt auch der Hinweis des Berufungsgerichts, daß die Parteien dieselbe Staatsangehörigkeit haben, demselben Vertragsstaat angehören und das sachliche Recht dieses Staates zur Anwendung kommt, kein anderes Ergebnis. An diese Umstände knüpfen die Regelungen des EuGVÜ gerade nicht an. Maßgeblich ist vielmehr der Wohnsitz des Beklagten, sofern nicht - anders als hier - einer der in dem Übereinkommen ausdrücklich genannten Ausnahmefälle vorliegt. Der hinter dieser Zuständigkeitsregel stehende allgemeine Rechtsgedanke, dem Beklagten die Verteidigung zu erleichtern (EuGH, Urteil vom 19. Februar 2002 - Rs C-256/00, IPRax 2002, 392, 395, Rz. 52 - Besix), greift im übrigen - was das Berufungsgericht nicht berücksichtigt - auch in einem Fall wie dem vorliegenden. So entfallen für die Beklagten bei einer Klage an ihrem Wohnsitzgericht etwa notwendige Anreisen aus Italien zu Gerichtsterminen nach Deutschland.
cc) Entgegen der Anregung des Berufungsgerichts si eht der erkennende Senat keinen Anlaß, die Sache dem Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften gemäß Art. 2 Nr. 1, Art. 3 Abs. 1 des Protokolls vom 3. Juni 1971 betreffend die Auslegung des Übereinkommens vom 27. September 1968 über die gerichtliche Zuständigkeit und die Vollstreckung gerichtlicher Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen durch den Gerichtshof (BGBl. 1972 II S. 846) zur Vorabentscheidung zwecks Auslegung des Art. 5 Nr. 3 EuGVÜ vorzulegen. Der erkennende Senat hat als das mit dem Rechtsstreit befaßte nationale Gericht, das die Verantwortung für die abschließende richterliche Entscheidung trägt, über die Notwendigkeit einer Vorlage zu entscheiden (vgl. EuGH, Urteil
vom 16. März 1999 - Rs C-159/97, WM 1999, 1187, 1190, Rz. 14 - Ca- stelletti Spedizioni Internazionali). Diese besteht nicht. Nach der Recht- sprechung des Gerichtshofs der Europäischen Gemeinschaften entfällt die Verpflichtung zur Vorlage, wenn - wie hier der Fall - die betreffende gemeinschaftsrechtliche Frage bereits Gegenstand einer Auslegung durch den Gerichtshof war bzw. eine gesicherte Rechtsprechung des Gerichtshofs vorliegt, durch die die betreffende Rechtsfrage gelöst ist, und das nationale Gericht sich der Rechtsprechung des Gerichtshofs anschließt (EuGH, Urteil vom 6. Oktober 1982 - Rs 283/81, Slg. 1982, 3415, 3429 ff., Rz. 13 f., 21 - C.I.L.F.I.T.; ebenso BVerfGE 82, 159, 193, 195).

III.


Die Revision war somit zurückzuweisen.
Nobbe Joeres Mayen Appl Ellenberger

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
XI ZR 57/08 Verkündet am:
13. Juli 2010
Weber
Justizamtsinspektorin
als Urkundsbeamtin
der Geschäftsstelle
in dem Rechtsstreit
Nachschlagewerk: ja
BGHZ: nein
BGHR: ja
EuGVVO Art. 5 Nr. 3
Beteiligt sich ein in einem Mitgliedstaat der EU ansässiger Broker als Gehilfe an der
vorsätzlich sittenwidrigen Schädigung eines Anlegers durch einen deutschen gewerblichen
Terminoptionsvermittler und überweist der Anleger als Folge der unerlaubten
Handlung des Vermittlers das Anlagekapital von seinem in Deutschland geführten
Konto an den Broker, ist für eine gegen diesen gerichtete Schadensersatzklage
die internationale Zuständigkeit der deutschen Gerichte gegeben.
BGH, Urteil vom 13. Juli 2010 - XI ZR 57/08 - OLG Düsseldorf
LG Kleve
Der XI. Zivilsenat des Bundesgerichtshofes hat auf die mündliche Verhandlung
vom 13. Juli 2010 durch den Vorsitzenden Richter Wiechers, den Richter
Dr. Joeres, die Richterin Mayen und die Richter Dr. Ellenberger und
Dr. Matthias

für Recht erkannt:
Auf die Revision des Klägers wird das Urteil des 15. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Düsseldorf vom 23. Januar 2008 in der Fassung des Berichtigungsbeschlusses vom 14. April 2008 aufgehoben. Die Sache wird zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Revisionsverfahrens, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.
Von Rechts wegen

Tatbestand:

1
Der Kläger, ein Deutscher mit Wohnsitz in Deutschland, verlangt von der Beklagten, einem britischen Brokerunternehmen mit Sitz in London, Schadensersatz wegen Verlusten im Zusammenhang mit Börsenterminoptionsgeschäften.
2
Die der englischen Finanzaufsicht unterliegende Beklagte bietet neben institutionellen Kunden auch Privatkunden ihre Execution- und Clearing-Dienste für den Handel mit Derivaten an. Privatkunden können über Vermittler Handelsaufträge einreichen, die von der Beklagten abgewickelt werden.
3
Einer dieser Vermittler war M. W. , K. (im Folgenden: W.), der bis zur Einstellung seiner Geschäftstätigkeit über eine deutsche aufsichtsrechtliche Erlaubnis als selbständiger Finanzdienstleister verfügte. Der Geschäftsbeziehung zwischen der Beklagten und W. lag ein am 12. Oktober 1998 geschlossenes Abkommen ("Introducing Broker Agreement") zugrunde, das nach seiner Präambel den Zweck verfolgte, ein einträgliches Brokergeschäft aufzubauen. Die Beklagte hatte W. jede erdenkliche Unterstützung bei der Entwicklung des Geschäfts zu geben, für die von W. geworbenen Kunden Einzelkonten einzurichten und die in Auftrag gegebenen Transaktionen abzuwickeln. W. war verpflichtet, größtmögliche Anstrengungen zu unternehmen, um der Beklagten Kunden zuzuführen. Dabei hatte er aufsichts- und privatrechtliche Pflichten einzuhalten. Nach Nr. 5 (a) des Abkommens in Verbindung mit Anhang A sollte die Beklagte die Kundenkonten mit einer Broker-Kommission in einer zwischen ihr und W. auszuhandelnden Höhe belasten und dem Kommissionskonto des W. als Vergütung die Nettokommissionen für alle Transaktionen gutschreiben, soweit diese einen Betrag von 28 US-Dollar überstiegen.
4
Der Kläger schloss mit W. einen formularmäßigen Geschäftsbesorgungsvertrag über die Durchführung von Optionsgeschäften, in dem sich W. unter anderem zur Vermittlung eines Brokereinzelkontos verpflichtete. Nach Nr. 6 des Vertrages hatte der Kläger bei jeder Einzahlung eine Kontogebühr in Höhe von 5% zu zahlen. Beim Kauf einer Option wurde eine Round-TurnKommission für den Kauf und Verkauf in Höhe von 120 US-Dollar berechnet. Ferner schuldete der Kläger W. monatlich eine Gewinnbeteiligung in Höhe von 20% der effektiv erzielten Gewinne. Der Kläger erklärte sich damit einverstanden , dass die Gebühren von der Beklagten berechnet und in Höhe des mit W.
vereinbarten Betrages an diesen ausgezahlt wurden. Der Vereinbarung war zu entnehmen, dass W. ca. 90 US-Dollar von der Round-Turn-Kommission sowie die Kontogebühr in voller Höhe und die gesamte Gewinnbeteiligung erhielt.
5
Vor Aufnahme der Geschäfte übermittelte W. dem Kläger die von ihm herausgegebene Broschüre "Handelbare Optionen an den internationalen Börsen" , in der die im Geschäftsbesorgungsvertrag genannten Gebühren aufgeführt waren. Außerdem überließ W. dem Kläger Vertragsunterlagen der Beklagten , nämlich in deutscher Sprache abgefasste "Wichtige Informationen über Verlustrisiken bei Börsentermingeschäften (einschließlich Warentermingeschäfte )" sowie, jeweils in deutscher und englischer Sprache, eine "Handelsvereinbarung für Privatkunden" und eine "Limited Power of Attorney/ beschränkte Vollmacht" zugunsten des W., die der Kläger am 31. Januar 2000 unterzeichnete und W. anschließend der Beklagten zuleitete.
6
W. eröffnete zur Durchführung der Geschäfte bei der Beklagten ein Konto für den Kläger. Dieser überwies von seinem in Deutschland geführten Konto an die Beklagte am 9. Februar 2000 und am 16. März 2000 insgesamt 16.000 DM, von denen die 5%ige Kontogebühr in Höhe von insgesamt 800 DM an W. transferiert wurde. Die im Zeitraum von Februar bis August 2000 durchgeführten Terminoptionsgeschäfte des Klägers, für die Kommissionen in Höhe von insgesamt 1.800 US-Dollar und weiteren 345 € sowie Gewinnbeteiligungen in Höhe von insgesamt 365,95 US-Dollar anfielen, endeten verlustreich. Bei Beendigung der Geschäftsbeziehung erhielt der Kläger am 1. August 2000 insgesamt 2.190,85 DM zurück. Den Differenzbetrag von 13.809,15 DM = 7.060,51 € zuzüglich Zinsen macht er mit der Klage geltend.
7
Das Landgericht hat die Klage, soweit sie auf deliktische Ansprüche gestützt ist, für zulässig erachtet und ihr im Wesentlichen stattgegeben. Das Beru- fungsgericht hat sie abgewiesen. Mit der - vom Berufungsgericht zugelassenen - Revision verfolgt der Kläger sein Zahlungsbegehren weiter.

Entscheidungsgründe:

8
Die Revision ist begründet. Sie führt zur Aufhebung des Berufungsurteils und zur Zurückverweisung der Sache an das Berufungsgericht.

I.

9
Das Berufungsgericht hat zur Begründung seiner Entscheidung, soweit für die Revisionsinstanz von Interesse, im Wesentlichen ausgeführt:
10
Die Klage sei zulässig, aber unbegründet.
11
Soweit die Klage auf eine unerlaubte Handlung der Beklagten gestützt werde, sei die internationale Zuständigkeit der deutschen Gerichte gemäß Art. 5 Nr. 3 EuGVVO gegeben. Nach dem Vorbringen des Klägers seien seine Anwerbung durch W. und dessen vermögensschädigende Handlungen, zu denen die Beklagte Beihilfe geleistet haben solle, in Deutschland erfolgt.
12
Dem Kläger stehe aber in Anwendung des nach Art. 41 EGBGB maßgeblichen deutschen Deliktsrechts gegen die Beklagte kein Schadensersatzanspruch wegen unerlaubter Handlung zu.
13
Ein Anspruch gemäß § 823 Abs. 2 BGB i.V.m. § 31 Abs. 2 WpHG aF scheide aus, weil der Beklagten kein Verstoß gegen § 31 Abs. 2 WpHG aF an- zulasten sei. Der Kläger sei bei der Erteilung der Handelsaufträge durch W. und damit durch ein Finanzdienstleistungsinstitut i.S.v. § 1 Abs. 1 Satz 1 a Nr. 2 KWG aF vertreten worden, das selbst Wertpapierdienstleistungen erbracht und den Verpflichtungen gemäß § 31 Abs. 2 WpHG aF unterlegen habe. Bei einer solchen gestaffelten Einschaltung mehrerer Wertpapierdienstleistungsunternehmen sei grundsätzlich nur das kundennähere Unternehmen zur Befragung und Aufklärung des Anlegers verpflichtet. Der Umstand, dass die Beklagte und W. sich zusammengeschlossen hätten, um ein gewinnträchtiges Brokergeschäft aufzubauen, stehe dem nicht entgegen. Die Beklagte habe im Falle des W. mit einem Unternehmen zusammengearbeitet, das der deutschen Finanzaufsicht unterstanden habe.
14
Auch ein Anspruch gemäß §§ 826, 831 BGB sei nicht gegeben. Der Kläger sei zwar durch W. vorsätzlich sittenwidrig geschädigt worden, weil dieser ihn in den ausgehändigten Broschüren nicht hinreichend über die Risiken der Börsentermingeschäfte aufgeklärt, sondern die Risiken durch die Hervorhebung eines infolge der Hebelwirkung möglichen überproportionalen Gewinnes verharmlost habe. W. sei aber nicht Verrichtungsgehilfe der Beklagten gewesen.
15
Die Beklagte hafte dem Kläger auch nicht gemäß §§ 826, 830 BGB. Für eine sittenwidrige Schädigung durch Gebührenschinderei sei der Kläger beweisfällig geblieben. Eine Teilnahme der Beklagten an der sittenwidrigen Schädigung durch W. könne nur objektiv, aber nicht subjektiv festgestellt werden. Objektiv habe die Beklagte einen Tatbeitrag geleistet, indem sie für den Kläger das Transaktionskonto geführt, die Börsentermingeschäfte ausgeführt und die Beteiligung des W. an der Round-Turn-Kommission sowie die Gewinnbeteiligung an W. abgeführt habe.
16
Es sei aber nicht ersichtlich, dass die Beklagte Kenntnis von der sittenwidrigen Schädigung des Klägers durch eine unzureichende Aufklärung seitens des W. gehabt oder eine solche billigend in Kauf genommen habe. Die mangelhafte Risikoaufklärung durch W. habe sich der Beklagten weder aufgrund der gegenüber dem Kläger offen gelegten Beteiligung des W. an der Round-TurnKommission noch aufgrund der Höhe der Gebühren aufdrängen müssen. Die Beklagte habe sich vielmehr darauf verlassen dürfen, dass ein von den Aufsichtsbehörden genehmigtes und überwachtes Finanzdienstleistungsunternehmen wie W. die nach nationalem Recht bestehenden Aufklärungspflichten gegenüber seinen Kunden erfülle. Zu einer diesbezüglichen Überprüfung sei die Beklagte mangels konkreter Anhaltspunkte für Unregelmäßigkeiten nicht verpflichtet gewesen.

II.

17
Diese Ausführungen halten rechtlicher Überprüfung in einem wesentlichen Punkt nicht stand.
18
1. Das Berufungsgericht ist jedenfalls im Ergebnis zu Recht von der Zulässigkeit der Klage ausgegangen. Es hat die - auch im Revisionsverfahren von Amts wegen zu prüfende (vgl. BGHZ 153, 82, 84 ff.; 182, 24, Tz. 9; Senatsurteil vom 9. März 2010 - XI ZR 93/09, WM 2010, 749, Tz. 17, zur Veröffentlichung in BGHZ vorgesehen; BGH, Urteil vom 23. März 2010 - VI ZR 57/09, WM 2010, 928, Tz. 8, jeweils m.w.N.) - internationale Zuständigkeit deutscher Gerichte gemäß Art. 5 Nr. 3 der Verordnung (EG) Nr. 44/2001 des Rates vom 22. Dezember 2000 über die gerichtliche Zuständigkeit und die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen (ABl. EG Nr. L 12 vom 16. Januar 2001, S. 1 bis 23, berichtigt in ABl. EG Nr. L 307 vom 24. November 2001, S. 28; im Folgenden: EuGVVO) zu Recht bejaht.
19
a) Nach dieser Vorschrift kann eine Person, die, wie die Beklagte, ihren Wohnsitz im Hoheitsgebiet eines Mitgliedstaates hat, in einem anderen Mitgliedstaat vor dem Gericht des Ortes, an dem das schädigende Ereignis eingetreten ist, verklagt werden, wenn eine unerlaubte Handlung oder Ansprüche aus einer solchen Handlung den Gegenstand des Verfahrens bilden. Ist der Ort, an dem das für die Begründung einer Schadensersatzpflicht in Betracht kommende Ereignis stattgefunden hat, nicht mit dem Ort identisch, an dem durch dieses Ereignis ein Schaden entstanden ist, kann der Beklagte nach Wahl des Klägers sowohl an dem Ort, an dem der Schaden eingetreten ist (Erfolgsort), als auch an dem Ort des ursächlichen Geschehens (Handlungsort) verklagt werden (vgl. EuGH, Urteile vom 30. November 1976 - Rs. 21/76, Slg. 1976, 1735, Tz. 24 f. - Mines de Potasse d'Alsace, vom 7. März 1995 - Rs. C-68/93, Slg. 1995, I-415, Tz. 20 - Shevill, vom 19. September 1995 - Rs. C-364/93, Slg. 1995, I-2719, Tz. 11 - Marinari, vom 10. Juni 2004 - Rs. C-168/02, Slg. 2004, I-6009, Tz. 16 - Kronhofer und vom 16. Juli 2009 - Rs. C-189/08, RIW 2009, 719, Tz. 23 - Zuid-Chemie BV). Die Zuständigkeit hängt nicht davon ab, dass tatsächlich eine unerlaubte Handlung begangen wurde; die schlüssige Behauptung der erforderlichen Tatsachen durch den Kläger reicht aus. Die Feststellung dieser Tatsachen ist erst zur Begründetheit der Klage erforderlich (vgl. BGHZ 167, 91, Tz. 21; BGH, Urteile vom 6. November 2007 - VI ZR 34/07, WM 2008, 479, Tz. 14 und vom 23. März 2010 - VI ZR 57/09, WM 2010, 928, Tz. 8, jeweils m.w.N.).
20
aa) Das Berufungsgericht ist rechtsfehlerfrei davon ausgegangen, dass der Kläger eine Schadenshaftung aus unerlaubter Handlung im Sinne des Art. 5 Nr. 3 EuGVVO geltend macht.
21
Der verordnungsautonom auszulegende Begriff der unerlaubten Handlung umfasst alle Klagen, mit denen eine Schadenshaftung geltend gemacht wird, die nicht an einen Vertrag im Sinne von Art. 5 Nr. 1 EuGVVO anknüpft. Der Begriff des "Vertrags" wiederum bezieht sich auf freiwillig gegenüber einer anderen Person eingegangene Verpflichtungen (EuGH, Urteile vom 17. September 2002 - Rs. C-334/00, Slg. 2002, I-7357, Tz. 23 - Tacconi und vom 20. Januar 2005 - Rs. C-27/02, Slg. 2005, I-481, Tz. 50 f. - Engler, jeweils m.w.N.).
22
Gemessen hieran bildet eine unerlaubte Handlung den Gegenstand des vorliegenden Verfahrens. Der Kläger verlangt Ersatz eines Vermögensschadens , den ihm W. durch die Vermittlung von vornherein chancenloser Börsentermingeschäfte vorsätzlich und unter vorsätzlicher Beteiligung der Beklagten zugefügt haben soll (vgl. Senatsurteil vom 9. März 2010 - XI ZR 93/09, WM 2010, 749, Tz. 19, 24 ff., zur Veröffentlichung in BGHZ vorgesehen). Damit knüpft die Klage nicht entscheidend an die zwischen den Parteien geschlossene Handelsvereinbarung an. Die geltend gemachte Teilnehmerhaftung der Beklagten ist nicht Ausdruck von Schwierigkeiten, die bei der Erfüllung einer aus der Handelsvereinbarung folgenden Verpflichtung auftreten können (vgl. hierzu Generalanwalt Darmon, Schlussanträge vom 15. Juni 1988 in der Rs. 189/87, Slg. 1988, 5565, 5573, Tz. 30 - Kalfelis). Die maßgeblichen Umstände für die Beurteilung der Frage, ob die Beklagte sich an einer vorsätzlichen unerlaubten Handlung des W. in haftungsrelevanter Weise vorsätzlich beteiligt hat, stehen vielmehr im Zusammenhang mit dem tatsächlichen Verhalten der Beklagten und des W., ihrer Geschäftsbeziehung und dem zwischen ihnen geschlossenen Abkommen, an dem der Kläger nicht beteiligt war.
23
bb) Bei der Auslegung des somit anwendbaren Art. 5 Nr. 3 EuGVVO ist dessen Regelungszweck zu berücksichtigen. Die Vorschrift trägt nach der Rechtsprechung des Gerichtshofes der Europäischen Gemeinschaften (im Folgenden : EuGH) zu der nahezu gleichlautenden Vorgängerregelung des Art. 5 Nr. 3 des Übereinkommens vom 27. September 1968 über die gerichtliche Zuständigkeit und die Vollstreckung gerichtlicher Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen (BGBl. 1972 II, S. 773, 774 ff.; im Folgenden: EuGVÜ) dem Umstand Rechnung, dass zwischen Streitigkeiten über unerlaubte Handlungen und den nach Art. 5 Nr. 3 EuGVVO zuständigen Gerichten eine besonders enge Beziehung besteht, die aus Gründen einer geordneten Rechtspflege und sachgerechten Prozessgestaltung eine Zuständigkeit dieser Gerichte rechtfertigt (vgl. EuGH, Urteile vom 30. November 1976 - Rs. 21/76, Slg. 1976, 1735, Tz. 8 ff. - Mines de Potasse d'Alsace, vom 11. Januar 1990 - Rs. C-220/88, Slg. 1990, I-49, Tz. 17 - Dumez France und Tracoba, vom 7. März 1995 - Rs. C-68/93, Slg. 1995, I-415, Tz. 19 - Shevill, vom 19. September 1995 - Rs. C-364/93, Slg. 1995, I-2719, Tz. 10 - Marinari und vom 10. Juni 2004 - Rs. C-168/02, Slg. 2004, I-6009, Tz. 15 - Kronhofer). Dieser Erwägung, die auch für die Auslegung der EuGVVO maßgeblich ist (vgl. 19. Erwägungsgrund zur EuGVVO; EuGH, Urteil vom 16. Juli 2009 - Rs. C-189/08, RIW 2009, 719, Tz. 18 f. - Zuid-Chemie BV), liegt die Annahme zugrunde, dass das Gericht des Ortes, an dem das schädigende Ereignis eingetreten ist, insbesondere wegen der Nähe zum Streitgegenstand und der leichteren Beweisaufnahme in der Regel am besten in der Lage ist, den Rechtsstreit zu entscheiden (vgl. EuGH, Urteil vom 16. Juli 2009 - Rs. C-189/08, RIW 2009, 719, Tz. 24 - Zuid-Chemie BV).
24
Art. 5 Nr. 3 EuGVVO hat im Rahmen des Zuständigkeitssystems der EuGVVO Ausnahmecharakter und ist grundsätzlich eng auszulegen. Die EuGVVO baut auf einer durch Art. 2 Abs. 1 begründeten allgemeinen Zuständigkeit der Gerichte des Mitgliedstaates auf, in dem der Beklagte seinen Wohnsitz hat, und schließt in Art. 3 Abs. 2 die Anwendung nationaler Bestim- mungen aus, die Gerichtsstände am Wohnsitz des Klägers gegenüber Beklagten begründen, die ihren Wohnsitz im Hoheitsgebiet eines Mitgliedstaates haben (vgl. EuGH, Urteile vom 11. Januar 1990 - Rs. C-220/88, Slg. 1990, I-49, Tz. 16 - Dumez France und Tracoba und vom 19. September 1995 - Rs. C-364/93, Slg. 1995, I-2719, Tz. 13 - Marinari). Besonderen Zuständigkeitsregelungen wie Art. 5 Nr. 3 EuGVVO ist daher eine enge Auslegung zu geben, die nicht über die ausdrücklich in der Verordnung vorgesehenen Fälle hinausgeht (EuGH, Urteile vom 27. September 1988 - Rs. 189/87, Slg. 1988, 5565, Tz. 19 - Kalfelis, vom 11. Januar 1990 - Rs. C-220/88, Slg. 1990, I-49, Tz. 19 - Dumez France und Tracoba und vom 10. Juni 2004 - Rs. C-168/02, Slg. 2004, I-6009, Tz. 14 - Kronhofer) und insbesondere nicht zur Erstreckung der dem Kläger eröffneten Wahlmöglichkeiten über die sie rechtfertigenden besonderen Umstände hinaus führen darf. Andernfalls würde der in Art. 2 Abs. 1 EuGVVO aufgestellte allgemeine Grundsatz der Zuständigkeit der Gerichte des Mitgliedstaates, in dessen Hoheitsgebiet der Beklagte seinen Wohnsitz hat, unterlaufen und im Ergebnis über die ausdrücklich vorgesehenen Fälle hinaus die Zuständigkeit der Gerichte am Klägerwohnsitz anerkannt, der die Verordnung außer in den von ihr ausdrücklich vorgesehenen Fällen ablehnend gegenübersteht (vgl. EuGH, Urteile vom 19. September 1995 - Rs. C-364/93, Slg. 1995, I-2719, Tz. 13 - Marinari und vom 10. Juni 2004 - Rs. C-168/02, Slg. 2004, I-6009, Tz. 14 ff. - Kronhofer). Insbesondere darf die Auslegung des Art. 5 Nr. 3 EuGVVO nicht zu einer Zuständigkeit führen, die von ungewissen Umständen abhängt und damit einem der Ziele der Verordnung zuwiderliefe, nämlich den Rechtsschutz der in der Gemeinschaft ansässigen Personen dadurch zu stärken , dass ein Kläger ohne Schwierigkeiten festzustellen vermag, welches Gericht er anrufen kann, und dass für einen verständigen Beklagten erkennbar ist, vor welchem Gericht er verklagt werden kann (vgl. EuGH, Urteil vom 10. Juni 2004 - Rs. C-168/02, Slg. 2004, I-6009, Tz. 20 - Kronhofer, m.w.N.).
25
b) Ob nach diesen Maßstäben der Auffassung des Berufungsgerichts gefolgt werden kann, die internationale Zuständigkeit deutscher Gerichte könne auf den Handlungsort im Sinne von Art. 5 Nr. 3 EuGVVO gestützt werden, bedarf keiner Entscheidung.
26
Das Berufungsgericht hat die schädigende Tätigkeit des W. in Deutschland , zu der die Beklagte vorsätzlich Beihilfe geleistet haben soll, der Beklagten zuständigkeitsrechtlich zugerechnet und so die ständige Rechtsprechung des erkennenden Senats zu § 32 ZPO (vgl. Senatsurteile vom 6. Februar 1990 - XI ZR 184/88, WM 1990, 462, 463, vom 22. November 1994 - XI ZR 45/91, WM 1995, 100, 102 und vom 9. März 2010 - XI ZR 93/09, WM 2010, 749, Tz. 19, zur Veröffentlichung in BGHZ vorgesehen) auf Art. 5 Nr. 3 EuGVVO übertragen.
27
Die Frage, ob im Rahmen des Deliktsgerichtsstandes des Art. 5 Nr. 3 EuGVVO bei einer grenzüberschreitenden Beteiligung mehrerer an einer unerlaubten Handlung für die Bestimmung des Ortes, an dem das schädigende Ereignis eingetreten ist, eine wechselseitige Handlungsortzurechnung zulässig ist, ist umstritten (bejahend: Mankowski in Magnus/Mankowski, Brussels I Regulation , Art. 5 Rn. 221; Baumbach/Lauterbach/Albers/Hartmann, ZPO, 68. Aufl., EuGVVO Art. 5 Rn. 22; Geimer in Geimer/Schütze, Europäisches Zivilverfahrensrecht , 3. Aufl., A. 1 Art. 5 Rn. 250; Musielak/Stadler, ZPO, 7. Aufl., EuGVVO Art. 5 Rn. 25; Thomas/Putzo/Hüßtege, ZPO, 31. Aufl., EuGVVO Art. 5 Rn. 20; verneinend: LG Mönchengladbach, Urteil vom 5. Februar 2009 - 10 O 422/07, S. 6 ff.; Schlosser, EU-Zivilprozessrecht, 3. Aufl., EuGVVO Art. 5 Rn. 20a; Rauscher/Leible, Europäisches Zivilprozessrecht, 2. Aufl., Brüssel I-VO Art. 5 Rn. 88c; zweifelnd auch: MünchKommZPO/Gottwald, 3. Aufl., EuGVO Art. 5 Rn. 62, Wagner/Gess, NJW 2009, 3481, 3484 f.; zu Art. 5 Nr. 3 EuGVÜ: Weller, IPRax 2000, 202, 205 ff.). Diese Frage kann offen bleiben.
28
c) Die internationale Zuständigkeit deutscher Gerichte gemäß Art. 5 Nr. 3 EuGVVO ist nämlich jedenfalls deshalb gegeben, weil der Erfolgsort in Deutschland liegt. Nach dem schlüssigen Vortrag des Klägers ist der Vermögensschaden , den er mit der Klage ersetzt verlangt, an dem Guthaben auf seinem bei einem Kreditinstitut in Deutschland geführten Girokonto eingetreten, von dem er infolge der mit Beihilfe der Beklagten verübten vorsätzlichen sittenwidrigen Schädigung des W. das angelegte Kapital an die Beklagte überwiesen hat.
29
aa) Der Begriff des Erfolgsortes im Sinne des Art. 5 Nr. 3 EuGVVO wird aufgrund des Ausnahmecharakters der Vorschrift in der Rechtsprechung des EuGH restriktiv ausgelegt (vgl. EuGH, Urteile vom 11. Januar 1990 - Rs. C-220/88, Slg. 1990, I-49, Tz. 17 - Dumez France und Tracoba und vom 19. September 1995 - Rs. C-364/93, Slg. 1995, I-2719, Tz. 21 - Marinari). Der Wohnsitz eines Klägers als sein Vermögensmittelpunkt kann nach einer Entscheidung des EuGH zu Gerichtsständen bei Kapitalanlagedelikten (Urteil vom 10. Juni 2004 - Rs. C-168/02, Slg. 2004, I-6009, Tz. 21 - Kronhofer) nicht bereits deshalb als Erfolgsort angesehen werden, weil dem Kläger durch den Verlust von Vermögensbestandteilen in einem anderen Mitgliedstaat ein finanzieller Schaden entstanden ist. Diesem Urteil lag allerdings ein wesentlich anderer Sachverhalt als im vorliegenden Fall zugrunde, weil die unerlaubte Handlung erst nach Überweisung des Anlagekapitals von einem Konto am Wohnsitz des Anlegers auf ein im Ausland geführtes Konto verübt wurde (vgl. OGH, Beschluss vom 9. April 2002 - 4 Ob 40/02i; Junker, ZZPInt 9 [2004], 200, 204 f.). Der Entscheidung des EuGH ist zu entnehmen, dass unter anderen Umständen der Erfolgsort durchaus im Wohnsitzstaat des Klägers gelegen sein kann (vgl. von Hein, IPRax 2005, 17, 21; Musielak/Stadler, ZPO, 7. Aufl., EuGVVO Art. 5 Rn. 24; Rauscher/Leible, Europäisches Zivilprozessrecht, 2. Aufl., Brüssel I-VO Art. 5 Rn. 86b; ferner Blobel, EuLF 2004, 187, 190 f.; Huber, IPRax 2009, 134, 136 f.).
30
Dies ist hier der Fall. Der Kläger hat seinem Vortrag zufolge das Anlagekapital erst als Folge einer unerlaubten Handlung von seinem in Deutschland geführten Girokonto an die Beklagte überwiesen, so dass die durch die unerlaubte Handlung verursachte Minderung des Kontoguthabens den für die Bestimmung des Erfolgsortes maßgeblichen Schaden darstellt. Der Kläger macht im Wesentlichen geltend, die Beklagte habe sich bedingt vorsätzlich zumindest als Gehilfin an einem Geschäftsmodell des W. beteiligt, das darauf angelegt gewesen sei, zur ausschließlich dem eigenen Vorteil dienenden hohen Gewinnerzielung möglichst viele Geschäfte zu vermitteln, die für den Anleger aufgrund der Gebührenhöhe und -struktur von vornherein chancenlos seien. Bei einem solchen Geschäftsmodell, das von vornherein bewusst darauf abzielt, uninformierte , leichtgläubige Menschen unter sittenwidriger Ausnutzung ihres Gewinnstrebens und ihres Leichtsinns als Geschäftspartner zu gewinnen und sich auf deren Kosten zu bereichern (vgl. Senatsurteile vom 2. Februar 1999 - XI ZR 381/97, WM 1999, 540, 541, vom 22. November 2005 - XI ZR 76/05, WM 2006, 84, 87 und vom 9. März 2010 - XI ZR 93/09, WM 2010, 749, Tz. 26, zur Veröffentlichung in BGHZ vorgesehen), und das auf Seiten des Anlegers einen Kenntnisrückstand voraussetzt, ohne den ein vernünftig denkender Anleger sich auf die Geldanlage nicht eingelassen hätte, erweist sich bereits die durch den Anleger veranlasste Überweisung des Anlagekapitals als Deliktserfolg, so dass gerichtsstandsbegründender Erfolgsort im Sinne des Art. 5 Nr. 3 EuGVVO der Ort der Minderung des Kontoguthabens ist (vgl. Junker, ZZPInt 9 [2004], 200, 205 f.; Mankowski in Magnus/Mankowski, Brussels I Regulation, Art. 5 Rn. 239 f.; ders., RIW 2005, 561, 562; Rauscher/Leible, Europäisches Zivilprozessrecht , 2. Aufl., Brüssel I-VO Art. 5 Rn. 86b; Musielak/Stadler, ZPO, 7. Aufl., EuGVVO Art. 5 Rn. 24).
31
bb) Diese Auslegung des Art. 5 Nr. 3 EuGVVO entspricht dem Zuständigkeitssystem der EuGVVO und dem Ausnahmecharakter des Art. 5 Nr. 3 EuGVVO. Sie führt zwar bei Kapitalanlagedelikten der vorliegenden Art in Abweichung von der Grundregel des Art. 2 Abs. 1 EuGVVO regelmäßig zu einem Gerichtsstand im Wohnsitzstaat des Anlegers. Dies ist aber aufgrund der - hier unterstellten - unerlaubten Handlung der Beklagten, die unmittelbar einen Schaden des im Wohnsitzstaat des Klägers belegenen Vermögens verursacht hat, gerechtfertigt. Das gemäß Art. 5 Nr. 3 EuGVVO zuständige Gericht hat in Fällen der vorliegenden Art die erforderliche Nähe zum Streitgegenstand, die für eine geordnete Rechtspflege und sachgerechte Prozessgestaltung erforderlich ist. Dies gilt insbesondere für den Gesichtspunkt der Beweisnähe. Soll etwa über den Inhalt von Gesprächen zwischen Vermittler und Anleger oder über Ausmaß und Höhe des Schadens Beweis erhoben werden, dürften nicht selten Zeugen benannt werden, die bei den Gesprächen zwischen Anlagevermittler und Anleger in dessen Wohnsitzstaat zugegen waren (vgl. von Hein, IPRax 2005, 17, 21; Kiethe, NJW 1994, 222, 226; Mankowski, RIW 2005, 561, 562).
32
Auch der Gesichtspunkt der Vorhersehbarkeit des zuständigen Gerichts erfordert keine andere Auslegung des Art. 5 Nr. 3 EuGVVO. Für ein Brokerunternehmen , das, wie die Beklagte, mit Vermittlern in anderen Mitgliedstaaten zusammenarbeitet und sich durch die Ausrichtung seiner gewerblichen Tätigkeit auf diese Staaten ausländische Märkte erschließt, ist vorhersehbar, dass auf diese Weise geworbene Anleger durch Überweisung von Anlagegeldern gegebenenfalls selbstschädigende Vermögensverfügungen in ihren Heimatstaaten treffen (vgl. von Hein, IPRax 2005, 17, 21; Mankowski in Magnus/Mankowski, Brussels I Regulation, Art. 5 Rn. 239; Muir Watt, Rev.crit.dr.i.pr. 94 [2005], 330, Rn. 10).
33
cc) Eine Vorlage an den EuGH zur Vorabentscheidung über die Auslegung des Art. 5 Nr. 3 EuGVVO ist nicht erforderlich. Die richtige Auslegung der Verordnung ist aus den dargelegten Gründen derart offenkundig, dass für einen vernünftigen Zweifel kein Raum bleibt (vgl. BGHZ 153, 82, 92 f.; Senatsurteil vom 23. Februar 2010 - XI ZR 186/09, WM 2010, 647, Tz. 35, jeweils m.w.N.). Dass die Entscheidung, ob finanzielle Verluste eines Anlegers in seinem Heimatstaat eingetreten sind, auch im Rahmen von Art. 5 Nr. 3 EuGVVO den nationalen Gerichten obliegt, ist in der Rechtsprechung des EuGH anerkannt (vgl. EuGH, Urteil vom 5. Februar 2004 - Rs. C-18/02, Slg. 2004, I-1417, Tz. 43 - DFDS Torline).
34
2. Rechtsfehlerhaft ist hingegen die Begründung, mit der das Berufungsgericht die Klage als unbegründet abgewiesen hat.
35
a) Rechtlich nicht zu beanstanden ist allerdings, dass das Berufungsgericht seiner Beurteilung deutsches Deliktsrecht zugrunde gelegt hat (vgl. Senatsurteil vom 9. März 2010 - XI ZR 93/09, WM 2010, 749, Tz. 29 ff., zur Veröffentlichung in BGHZ vorgesehen).
36
b) Rechtsfehlerfrei und von der Revision nicht angegriffen ist auch die Verneinung von Schadensersatzansprüchen gemäß §§ 826, 831 BGB.
37
c) Hingegen hält die Begründung, mit der das Berufungsgericht eine Schadensersatzpflicht der Beklagten wegen Beihilfe zu einer vorsätzlichen sittenwidrigen Schädigung durch W. gemäß §§ 826, 830 BGB verneint hat, rechtlicher Überprüfung nicht stand. In diesem Zusammenhang hat das Berufungsgericht die vorsätzliche sittenwidrige Schädigung in der unzureichenden Risikoaufklärung des Klägers durch W. gesehen und den Gehilfenvorsatz der Beklagten verneint, weil die mangelhafte Aufklärung der Beklagten nicht bekannt gewesen sei und sich ihr auch nicht habe aufdrängen müssen. Dies ist rechtsfeh- lerhaft, weil es, wie der Senat in seinem nach Erlass der Berufungsentscheidung ergangenen Urteil vom 9. März 2010 (XI ZR 93/09, WM 2010, 749, Tz. 26 f.; zur Veröffentlichung in BGHZ vorgesehen) entschieden hat, auf die unzureichende Risikoaufklärung nicht entscheidend ankommt. Denn neben der - hier nicht maßgeblichen - Haftung aus Verschulden bei Vertragsverhandlungen haftet der Vermittler auch wegen vorsätzlicher sittenwidriger Schädigung nach § 826 BGB, wenn sein Geschäftsmodell darauf angelegt ist, für den Anleger chancenlose Geschäfte zum ausschließlich eigenen Vorteil zu vermitteln. Einem solchen Vermittler geht es allein darum, hohe Gewinne zu erzielen, indem er möglichst viele Geschäfte realisiert, die für den Anleger aufgrund überhöhter Gebühren und Aufschläge chancenlos sind. Sein Geschäftsmodell zielt damit von vornherein ganz bewusst darauf ab, uninformierte, leichtgläubige Menschen unter sittenwidriger Ausnutzung ihres Gewinnstrebens und ihres Leichtsinns als Geschäftspartner zu gewinnen und sich auf deren Kosten zu bereichern.
38
Auf eine solche Haupttat müssen sich die objektiven und subjektiven Merkmale einer nach § 830 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 2 BGB haftungsrelevanten Teilnahmehandlung beziehen (vgl. hierzu im Einzelnen: Senatsurteil vom 9. März 2010 - XI ZR 93/09, WM 2010, 749, Tz. 33 ff.). Dies hat das Berufungsgericht rechtsfehlerhaft verkannt.

III.

39
Die Entscheidung des Berufungsgerichts stellt sich nicht aus anderen Gründen als richtig dar (§ 561 ZPO).
40
1. Entgegen der Auffassung der Revisionserwiderung ist ein etwaiger Schadensersatzanspruch des Klägers wegen vorsätzlicher Teilnahme der Beklagten an dem auf eine sittenwidrige Schädigung des Anlegers ausgerichteten Geschäftsmodell von W. (§§ 826, 830 BGB) nicht verjährt.
41
a) Nach der für das Verjährungsrecht geltenden Überleitungsvorschrift des Art. 229 § 6 Abs. 1 Satz 1 EGBGB finden hier die seit dem 1. Januar 2002 geltenden Verjährungsvorschriften Anwendung. Ein etwaiger deliktsrechtlicher Schadensersatzanspruch des Klägers im Zusammenhang mit dem Geschäftsmodell , das dem zwischen dem Kläger und W. zustande gekommenen Geschäftsbesorgungsvertrag zugrunde liegt, war an diesem Stichtag noch nicht verjährt. Er unterlag ursprünglich der dreijährigen Verjährungsfrist des § 852 Abs. 1 Alt. 1 BGB aF, die nach Abschluss des Geschäftsbesorgungsvertrages im Jahre 2000 am 1. Januar 2002 noch nicht abgelaufen war. Daher treten an die Stelle des § 852 Abs. 1 Alt. 1 BGB aF gemäß Art. 229 § 6 Abs. 1 Satz 1 EGBGB die seit dem 1. Januar 2002 geltenden Verjährungsvorschriften der §§ 195, 199 BGB nF (vgl. BGH, Urteil vom 10. November 2009 - VI ZR 247/08, VersR 2010, 214, Tz. 9). Für die Berechnung der Verjährungsfrist, zu der auch der Beginn des Laufs der Verjährungsfrist nach § 199 Abs. 1 Nr. 2 BGB gehört (Senat BGHZ 171, 1, Tz. 19 ff.; Senatsurteil vom 3. Juni 2008 - XI ZR 319/06, WM 2008, 1346, Tz. 23), ist gemäß Art. 229 § 6 Abs. 4 Satz 1 BGB das neue Verjährungsrecht maßgeblich, da in § 199 Abs. 1 Nr. 2 BGB nF mit der Gleichstellung von Kenntnis und grob fahrlässiger Unkenntnis ein zusätzlicher, über die Regelungen des § 852 BGB aF hinausgehender, verjährungsverkürzender Anwendungsfall eröffnet ist (BGH, Urteil vom 10. November 2009 - VI ZR 247/08, VersR 2010, 214, Tz. 10). Auch an die Stelle der kenntnisunabhängigen dreißigjährigen Verjährungsfrist von der Begehung der Handlung an (§ 852 Abs. 1 Alt. 2 BGB aF) ist gemäß Art. 229 § 6 Abs. 4 Satz 1 BGB die kürzere neue Regelverjährung getreten.
42
b) Die Verjährungsfrist gemäß §§ 195, 199 BGB nF war bei Klageerhebung im Jahr 2006 noch nicht abgelaufen, so dass diese zur Hemmung der Verjährung geführt hat (§ 204 Abs. 1 Nr. 1 BGB). Nach §§ 195, 199 BGB nF beträgt die Verjährungsfrist drei Jahre beginnend vom Schluss des Jahres, in dem der Anspruch entstanden ist und der Anspruchsteller Kenntnis von den den Anspruch begründenden Umständen sowie der Person des Schuldners hat oder diese Kenntnis infolge grober Fahrlässigkeit nicht hat.
43
aa) Die erforderliche Kenntnis liegt im Allgemeinen vor, wenn dem Geschädigten die Erhebung einer Schadensersatzklage, sei es auch nur in Form der Feststellungsklage, Erfolg versprechend, wenn auch nicht risikolos möglich ist. Weder ist es notwendig, dass der Geschädigte alle Einzelumstände kennt, die für die Beurteilung möglicherweise Bedeutung haben, noch muss er bereits hinreichend sichere Beweismittel in der Hand haben, um einen Rechtsstreit im Wesentlichen risikolos führen zu können. Auch kommt es, abgesehen von Ausnahmefällen , nicht auf eine zutreffende rechtliche Würdigung an (vgl. BGH, Urteil vom 9. November 2007 - V ZR 25/07, WM 2008, 89, Tz. 15; Senatsurteile vom 27. Mai 2008 - XI ZR 132/07, WM 2008, 1260, Tz. 32 und vom 3. Juni 2008 - XI ZR 319/06, WM 2008, 1346, Tz. 27, jeweils m.w.N.).
44
Grob fahrlässige Unkenntnis liegt vor, wenn dem Gläubiger die Kenntnis fehlt, weil er die im Verkehr erforderliche Sorgfalt in ungewöhnlich grobem Maße verletzt und auch ganz nahe liegende Überlegungen nicht angestellt oder das nicht beachtet hat, was jedem hätte einleuchten müssen (vgl. BGH, Urteil vom 13. Dezember 2004 - II ZR 17/03, WM 2005, 382, 384; Senatsurteil vom 23. September 2008 - XI ZR 253/07, WM 2008, 2158, Tz. 34, jeweils m.w.N.).
45
bb) Nach diesen Grundsätzen hatte der Kläger vor dem 1. Januar 2003 weder positive Kenntnis von einer Beteiligung der Beklagten am sittenwidrigen Geschäftsmodell von W., noch beruhte seine Unkenntnis auf grober Fahrlässigkeit.
46
Geht es, wie hier, um die Frage einer deliktischen Haftung eines Brokers wegen bedingt vorsätzlicher Teilnahme an einem sittenwidrigen Geschäftsmodell , kann von einer Kenntnis oder grob fahrlässigen Unkenntnis des Anlegers nur ausgegangen werden, wenn ihm sowohl die Umstände, die in Bezug auf dieses Geschäftsmodell einen Ersatzanspruch begründen, als auch die Umstände , aus denen sich ergibt, dass auch der das Transaktionskonto führende und die einzelnen Aufträge des Anlegers ausführende Broker als möglicher Haftender in Betracht kommt, bekannt oder infolge grober Fahrlässigkeit unbekannt sind.
47
Beides war hier vor dem 1. Januar 2003 nicht der Fall. Dem Kläger waren mit der bloßen Kenntnis davon, dass im Jahr 2000 überwiegend Verluste realisiert wurden, noch keine Umstände bekannt, die auf die Sittenwidrigkeit des Geschäftsmodells von W. schließen ließen oder zu weiteren Nachforschungen oder der Einholung von Rechtsrat Anlass gaben. Die Verluste konnten aus Sicht des Klägers auch auf den Marktgegebenheiten beruhen. Ferner waren dem Kläger keine Umstände bekannt, die die Beklagte als mögliche deliktisch Haftende in Frage kommen ließen. Da die Beklagte nicht Vertragspartnerin des Geschäftsbesorgungsvertrages war und gegenüber dem Kläger nur als kontoführendes Institut auftrat, konnten die subjektiven Voraussetzungen des § 199 Abs. 1 Nr. 2 BGB allenfalls vorliegen, wenn dem Kläger zusätzlich zu der - hier nicht vorhandenen - Kenntnis von Umständen, die den Schluss auf die Chancenlosigkeit der von W. vermittelten Geschäfte zuließen, Umstände bekannt oder infolge grober Fahrlässigkeit unbekannt gewesen wären, aus denen sich ergab, dass die Beklagte sich bedingt vorsätzlich an dem von W. praktizierten Geschäftsmodell beteiligte. Dafür ist nichts ersichtlich. Die maßgeblichen Umstände für die Beurteilung der Frage, ob die Beklagte sich an einer vorsätzlichen unerlaubten Handlung des W. gemäß § 826 BGB in haftungsrelevanter Weise vorsätzlich im Sinne von § 830 BGB beteiligt hat, stehen im Zusammenhang mit der Begründung der Geschäftsbeziehung zwischen der Beklagten und W. und ergeben sich unter anderem aus dem Abkommen vom 12. Oktober 1998. Dass der Kläger hiervon vor dem 1. Januar 2003 Kenntnis erlangt oder infolge grober Fahrlässigkeit nicht erlangt hat, ist weder festgestellt noch dem Parteivortrag zu entnehmen.
48
2. Ein etwaiger Schadensersatzanspruch des Klägers gegen die Beklagte wegen vorsätzlicher Teilnahme am Geschäftsmodell des W. gemäß §§ 826, 830 BGB ist auch nicht verwirkt.
49
Eine Verwirkung als Unterfall der wegen Verstoßes gegen Treu und Glauben unzulässigen Rechtsausübung kommt in Betracht, wenn der Berechtigte ein Recht längere Zeit nicht geltend gemacht hat, obwohl er dazu in der Lage war, und der Verpflichtete sich mit Rücksicht auf das gesamte Verhalten des Berechtigten darauf einrichten durfte und eingerichtet hat, dass dieser sein Recht nicht mehr geltend machen werde (vgl. BGHZ 84, 280, 281; 105, 290, 298, jeweils m.w.N.).
50
Davon ist im vorliegenden Fall nicht auszugehen. Dabei kann dahinstehen , ob der zwischen Auszahlung des Restbetrages und Klageerhebung lie- gende Zeitraum von etwa fünf Jahren und acht Monaten als solcher die Annahme des für die Verwirkung erforderlichen Zeitmomentes bereits vor Ablauf der dreijährigen Regelverjährungsfrist des § 195 BGB überhaupt rechtfertigt (vgl. Palandt/Grüneberg, BGB, 69. Aufl., § 242 Rn. 97 m.w.N.). Jedenfalls ist weder ersichtlich noch dem Parteivortrag zu entnehmen, dass der Kläger bei der Beklagten in zurechenbarer Weise einen Vertrauenstatbestand geschaffen hat, aufgrund dessen die Beklagte sich berechtigterweise darauf einrichten durfte , der Kläger werde ihr gegenüber seine Rechte nicht mehr geltend machen. Der in diesem Zusammenhang stehende Hinweis der Beklagten auf die nach britischem Aufsichtsrecht für sie maßgebliche und zum Zeitpunkt der Klageerhebung bereits abgelaufene dreijährige Aufbewahrungsfrist für Kundenunterlagen greift nicht durch. Die Beklagte konnte bei dem Kläger, einem ausländischen Privatanleger, keine Kenntnis von den Bestimmungen des britischen Aufsichtsrechts voraussetzen.

IV.

51
Das angefochtene Urteil war daher aufzuheben (§ 562 Abs. 1 ZPO). Da die Sache nicht zur Endentscheidung reif ist, war sie zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das Berufungsgericht zurückzuverweisen (§ 563 Abs. 1 Satz 1 ZPO).
52
Das Berufungsgericht wird unter Berücksichtigung der Rechtsprechung des erkennenden Senats (Urteil vom 9. März 2010 - XI ZR 93/09, WM 2010, 749, Tz. 38 ff., zur Veröffentlichung in BGHZ vorgesehen) und insoweit gegebenenfalls ergänzendem Vortrag der Parteien Feststellungen zu einer Teilnahme der Beklagten an einer vorsätzlichen sittenwidrigen Schädigung des Klägers durch W. gemäß §§ 826, 830 BGB zu treffen haben.
53
Festzustellen ist zunächst, ob das Geschäftsmodell des W., namentlich aufgrund der Gebührenstruktur, in der dargelegten Weise darauf angelegt war, den Anlegern chancenlose Geschäfte zum ausschließlich eigenen Vorteil zu vermitteln. Falls dies zutrifft, kommen als objektive Beihilfehandlungen der Beklagten die Eröffnung des Transaktionskontos für den Kläger, die Ausführung der erteilten Einzelaufträge und die Abführung von Provisionen und Gebühren an W. in Betracht. Für die Beurteilung, ob die Beklagte mit Gehilfenvorsatz handelte, sind Feststellungen dazu erforderlich, ob die Beklagte das Geschäftsmodell des W., namentlich die Gebührenstruktur, gekannt hat. Sollte das nicht der Fall sein, stünde dies einem bedingten Vorsatz nicht entgegen. In diesem Fall sind Feststellungen dazu erforderlich, ob die Beklagte mit der Sittenwidrigkeit des Geschäftsmodells rechnete, weil sie Kenntnis vom maßgeblichen deutschen Recht, insbesondere von der einschlägigen höchstrichterlichen Rechtsprechung, sowie von den zahlreichen zurückliegenden Missbrauchsfällen hatte (vgl. Senatsurteil vom 9. März 2010 - XI ZR 93/09, WM 2010, 749, Tz. 42, zur Veröffentlichung in BGHZ vorgesehen). Dabei sind auch die von der Beklagten gegenüber dem Kläger verwandten Vertragsformulare, die den Vermerk "German Private September 1995/Reviewed January 1999" tragen, zu berücksichtigen. Von Bedeutung ist ferner, ob die Beklagte das Geschäftsmodell des W. auf seine Unbedenklichkeit geprüft oder ob sie W. zu erkennen gegeben hat, keine Kontrolle seines Geschäftsgebarens gegenüber Kunden auszuüben , sondern ihn nach Belieben schalten und walten zu lassen. Die W. erteilte aufsichtsrechtliche Erlaubnis entlastet die Beklagte gegebenenfalls nicht (Senatsurteil vom 9. März 2010 - XI ZR 93/09, WM 2010, 749, Tz. 43 bis 46). Bei der von der Revisionserwiderung in diesem Zusammenhang erhobenen Verfahrensrüge in dem in der Revisionsverhandlung überreichten Schriftsatz vom 12. Juli 2010 handelt es sich in Wirklichkeit um in der Revisionsinstanz gemäß § 559 Abs. 1 ZPO unzulässigen neuen Sachvortrag.
54
Auch die Rechtsprechung des erkennenden Senats zu Aufklärungspflichten bei gestaffelter Einschaltung mehrerer Wertpapierdienstleistungsunternehmen (BGHZ 147, 343, 353) steht der Annahme eines Teilnehmervorsatzes nicht entgegen, weil es vorliegend um die mögliche Haftung der Beklagten wegen einer bedingt vorsätzlichen Beteiligung an einem sittenwidrigen Geschäftsmodell eines Terminoptionsvermittlers und nicht wegen der Verletzung von Aufklärungspflichten geht (vgl. Senatsurteil vom 9. März 2010 - XI ZR 93/09, WM 2010, 749, Tz. 26 f., zur Veröffentlichung in BGHZ vorgesehen). Zudem kann bei vorsätzlich begangenen unerlaubten Handlungen und hierzu vorsätzlich geleisteter Beihilfe, d.h. bei kollusivem Zusammenwirken der beteiligten Wertpapierdienstleistungsunternehmen , ohnehin kein Unternehmen auf eine ausreichende Aufklärung des Anlegers durch das andere Unternehmen vertrauen.
Wiechers Joeres Mayen Ellenberger Matthias Vorinstanzen:
LG Kleve, Entscheidung vom 26.01.2007 - 4 O 141/06 -
OLG Düsseldorf, Entscheidung vom 23.01.2008 - I-15 U 18/07 -

Sachen im Sinne des Gesetzes sind nur körperliche Gegenstände.

(1) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen der Partei zur Last, die es eingelegt hat.

(2) Die Kosten des Rechtsmittelverfahrens sind der obsiegenden Partei ganz oder teilweise aufzuerlegen, wenn sie auf Grund eines neuen Vorbringens obsiegt, das sie in einem früheren Rechtszug geltend zu machen imstande war.

(3) (weggefallen)

Für vorläufig vollstreckbar ohne Sicherheitsleistung sind zu erklären:

1.
Urteile, die auf Grund eines Anerkenntnisses oder eines Verzichts ergehen;
2.
Versäumnisurteile und Urteile nach Lage der Akten gegen die säumige Partei gemäß § 331a;
3.
Urteile, durch die gemäß § 341 der Einspruch als unzulässig verworfen wird;
4.
Urteile, die im Urkunden-, Wechsel- oder Scheckprozess erlassen werden;
5.
Urteile, die ein Vorbehaltsurteil, das im Urkunden-, Wechsel- oder Scheckprozess erlassen wurde, für vorbehaltlos erklären;
6.
Urteile, durch die Arreste oder einstweilige Verfügungen abgelehnt oder aufgehoben werden;
7.
Urteile in Streitigkeiten zwischen dem Vermieter und dem Mieter oder Untermieter von Wohnräumen oder anderen Räumen oder zwischen dem Mieter und dem Untermieter solcher Räume wegen Überlassung, Benutzung oder Räumung, wegen Fortsetzung des Mietverhältnisses über Wohnraum auf Grund der §§ 574 bis 574b des Bürgerlichen Gesetzbuchs sowie wegen Zurückhaltung der von dem Mieter oder dem Untermieter in die Mieträume eingebrachten Sachen;
8.
Urteile, die die Verpflichtung aussprechen, Unterhalt, Renten wegen Entziehung einer Unterhaltsforderung oder Renten wegen einer Verletzung des Körpers oder der Gesundheit zu entrichten, soweit sich die Verpflichtung auf die Zeit nach der Klageerhebung und auf das ihr vorausgehende letzte Vierteljahr bezieht;
9.
Urteile nach §§ 861, 862 des Bürgerlichen Gesetzbuchs auf Wiedereinräumung des Besitzes oder auf Beseitigung oder Unterlassung einer Besitzstörung;
10.
Berufungsurteile in vermögensrechtlichen Streitigkeiten. Wird die Berufung durch Urteil oder Beschluss gemäß § 522 Absatz 2 zurückgewiesen, ist auszusprechen, dass das angefochtene Urteil ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar ist;
11.
andere Urteile in vermögensrechtlichen Streitigkeiten, wenn der Gegenstand der Verurteilung in der Hauptsache 1.250 Euro nicht übersteigt oder wenn nur die Entscheidung über die Kosten vollstreckbar ist und eine Vollstreckung im Wert von nicht mehr als 1.500 Euro ermöglicht.

(1) Die Revision findet nur statt, wenn sie

1.
das Berufungsgericht in dem Urteil oder
2.
das Revisionsgericht auf Beschwerde gegen die Nichtzulassung
zugelassen hat.

(2) Die Revision ist zuzulassen, wenn

1.
die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat oder
2.
die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Revisionsgerichts erfordert.
Das Revisionsgericht ist an die Zulassung durch das Berufungsgericht gebunden.