Saarländisches Oberlandesgericht Saarbrücken Urteil, 21. Okt. 2008 - 4 U 385/07 - 128

bei uns veröffentlicht am21.10.2008

Tenor

1. Das Versäumnisurteil des Saarländischen Oberlandesgerichts vom 1.7.2008 wird mit folgender Maßgabe abgeändert: Das Versäumnisurteil des Landgerichts Saarbrücken vom 7.2.2007 – 11 O 8/07 – wird auf die Berufung der Klägerin unter Abänderung des Urteils des Landgerichts Saarbrücken vom 28.6.2007 aufrechterhalten, soweit der Beklagte verurteilt worden ist, 2.257,15 EUR nebst 5 Prozentpunkten Zinsen über dem Basiszinssatz seit dem 22.10.2005 sowie weitere 242,79 EUR nebst 5 Prozentpunkten Zinsen über dem Basiszinssatz seit dem 17.6.2006 an die Klägerin zu zahlen. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

Die weitergehende Berufung der Klägerin wird zurückgewiesen.

2. Der Beklagte trägt die Kosten der Säumnis. Von den übrigen Kosten des Rechtsstreits trägt die Klägerin 65 %, der Beklagte 45 %.

3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

4. Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird auf 5.021,13 EUR festgesetzt.

Gründe

I.

Im vorliegenden Rechtsstreit nimmt die klagende Bauunternehmung den Beklagten auf Zahlung von Kaufpreis für die Lieferung von Schotter sowie auf Zahlung von Werklohn für die Abfuhr von Bauschutt in Anspruch. Diese Leistungen wurden für ein Bauvorhaben in E. Straße, erbracht und mit den Rechnungen Nr. XXX (Bl. 33 d. A.) vom 2.8.2005 über 11.407,53 EUR, Nr. YYY (Bl. 6 d. A.) vom 16.8.2005 über 2.257,15 EUR und Nr. ZZZ (Bl. 4 f. d. A.) vom 10.9.2005 über 2.763,98 EUR fakturiert.

Rechnungsadressat lautet bei allen drei Rechnungen „S. (R.) Immobilien, , ". Auf die Rechnung Nr. .XXX wurde zunächst ein Abschlag in Höhe von 7.000 EUR bezahlt. Der Restbetrag wurde durch einen auf ein Konto der „S.. SARL“ bei der Banque du L. bezogenen, am 10.8.2005 ausgestellten Scheck beglichen (Bl. 30 d. A.).

Die offen stehenden Rechnungen Nr. YYY und Nr. ZZZ bilden nebst einem Kostenerstattungsanspruch auf Ausgleich vorgerichtlicher Anwaltskosten in Höhe von 278,05 EUR den Gegenstand des Rechtsstreits.

Die Klägerin hat vorgetragen, der Beklagte sei persönlich Auftraggeber der Leistungen gewesen. Er habe lediglich aus buchungstechnischen Gründen gebeten, die Rechnungen auf die Rechnungsanschrift auszustellen. Das Anwesen, für welches die Leistungen bestimmt gewesen seien, werde von der Tochter des Beklagten bewohnt.

Am 7.2.2007 hat das Landgericht auf Antrag der Klägerin ein Versäumnisurteil gegen den Beklagten erlassen, mit dem dieser zur Zahlung von 5.021,13 EUR nebst fünf Prozentpunkten Zinsen über dem Basiszinssatz seit dem 22.10.2005 sowie 278,05 EUR nebst fünf Prozentpunkten Zinsen über dem Basiszinssatz seit dem 6.6.2007 verurteilt worden ist. Hiergegen hat der Beklagte Einspruch eingelegt.

Die Klägerin hat (zuletzt) beantragt, das Versäumnisurteil vom 7.2.2007 aufrechtzuerhalten.

Der Beklagte hat beantragt, das Versäumnisurteil aufzuheben und die Klage abzuweisen.

Er hat behauptet, der Beklagte habe die Waren als Geschäftsführer der luxemburgischen Gesellschaft bestellt. Diese Gesellschaft sei mit Urkunde des Notars B. in E.2 vom 22.2.2005 gegründet worden und unter der Handelsregisternummer B.... in das Handelsregister eingetragen worden.

Das Landgericht hat das Versäumnisurteil aufgehoben und die Klage abgewiesen. Auf den Inhalt der angefochtenen Entscheidung wird auch hinsichtlich der darin getroffenen Feststellungen gem. § 540 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 ZPO Bezug genommen.

Hiergegen wendet sich die Berufung der Klägerin, mit der sie ihr erstinstanzliches Klagebegehren weiterverfolgt. Die Berufung vertritt die Auffassung, das Landgericht habe die Rechtsgrundsätze des unternehmensbezogenen Geschäfts nicht beachtet. Der Beklagte habe im Sinne dieser Rechtsgrundsätze nicht zum Ausdruck gebracht, dass nicht er, sondern ein Dritter Vertragspartner sein solle. Durch die Angabe einer vom Leistungsort abweichenden Rechnungsadresse werde gerade nicht zum Ausdruck gebracht, dass es sich um ein unternehmensbezogenes Geschäft handeln solle. In diesem Zusammenhang sei von Bedeutung, dass der Beklagte nach dem von ihm vorgelegten Gesellschaftsgründungsvertrag nicht befugt gewesen wäre, die streitgegenständlichen Aufträge im Namen der von ihm vertretenen Firma zu erteilen. Nach Art. 4 dieses Gesellschaftsvertrages sei lediglich die Verwaltung, Verwertung und Vermietung von eigenen Immobilien Gegenstand der Gesellschaft. Das Grundstück, für welches die Leistungen erbracht worden seien, stünde nicht im Eigentum der luxemburgischen Gesellschaft.

Der Beklagte habe bei Angabe der Rechnungsadresse nicht darauf hingewiesen, dass es sich bei dem Rechnungsadressaten um eine andere Rechtspersönlichkeit, zum Beispiel eine GmbH, handele. Für den Zeugen S. hätten keine Anhaltspunkte dafür vorgelegen, dass der Rechnungsadressat nicht identisch mit dem Beklagten sei.

Schließlich – so die Rechtsauffassung der Berufung – habe das Landgericht unter Verstoß gegen den Grundsatz des rechtlichen Gehörs den Vortrag der Klägerin zu den tatbestandlichen Voraussetzungen des § 263 StGB übergangen. Der Beklagte habe persönlich unter Inkaufnahme der Nichtzahlung der beiden streitgegenständlichen Rechnungen Aufträge an die Klägerin erteilt. Damit liege ein Eingehungsbetrug zum Nachteil der Klägerin vor.

Die Berufung bestreitet, dass die luxemburgische Firma existiere. Es könne allenfalls sein, dass diese Firma in der Vergangenheit existiert habe. Mehr könne aus dem vorgelegten Handelsregisterauszug aus dem Jahre 2005 nicht hergeleitet werden. Aus den staatsanwaltschaftlichen Ermittlungen im Verfahren 3 Js 2935/06 ergebe sich, dass der Beklagte in R. nicht bekannt sei beziehungsweise keinen aktuellen Wohnsitz in Luxemburg unterhalte. Dieser Wohnsitz sei bereits im März 2005 aufgegeben worden. Auch sei der Beklagte nicht in den Datenbanken für Gesellschaften erfasst worden. Dies erlaube den Schluss, dass es die luxemburgische Firma schon seit dem Jahr ihrer angeblichen Gründung nicht mehr gebe. Diese Firma nehme in keiner Form am Wirtschafts- oder Geschäftsverkehr teil.

Die Klägerin hat beantragt, unter Abänderung des Urteils des Landgerichts Saarbrücken vom 28.6.2007 – 11 O 8/07 – das Versäumnisurteil vom 7.2.2007 aufrechtzuerhalten und den Einspruch zurückzuweisen.

Der Beklagte hat beantragt,

die Berufung der Klägerin zurückzuweisen.

Der Beklagte verteidigt die erstinstanzliche Entscheidung.

Der Senat hat mit Versäumnisurteil vom 1.7.2008 auf die Berufung der Klägerin das Urteil des Landgerichts Saarbrücken vom 28.6.2007 – 11 O 28/07 – mit der Maßgabe abgeändert, dass das Versäumnisurteil des Landgerichts Saarbrücken vom 7.2.2007 aufrechterhalten wird. Das Versäumnisurteil ist dem Beklagten am 7.7.2008 zugestellt worden. Hiergegen hat der Beklagte am 21.7.2008 Einspruch eingelegt.

Der Beklagte behauptet, die Firma S. SARL habe im Zeitpunkt der Erteilung der streitgegenständlichen Aufträge existiert und existiere noch heute. Das Landgericht habe rechtsfehlerfrei festgestellt, dass die den streitgegenständlichen Rechnungen zu Grunde liegenden Bestellungen im Namen der Firma aufgegeben worden seien. Nach Auffassung des Beklagten hafte der Beklagte auch nicht aus Rechtsscheinsgesichtspunkten, da der Beklagte den Willen habe erkennen lassen, in fremdem Namen zu handeln, indem er die Anschrift der Immobilienfirma angegeben habe.

Der Beklagte beantragt,

unter Aufhebung des Versäumnisurteils vom 1.7.2008 die Berufung zurückzuweisen.

Die Klägerin beantragt,

das Versäumnisurteil des Senats vom 1.7.2008 aufrechtzuerhalten und den Einspruch des Beklagten zurückzuweisen.

Bezüglich der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der gewechselten Schriftsätze, insbesondere auf die Berufungsbegründung vom 28.8.2007 (Bl. 105 ff d. A.), den Schriftsatz des Klägervertreters vom 24.9.2008 (Bl. 194 ff. d. A.) sowie Schriftsätze des Beklagtenvertreters vom 10.7.2008 (Bl. 167 ff. d. A.) und vom 11.8.2008 (Bl. 177 ff. d. A.) Bezug genommen. Auf das Protokoll der mündlichen Verhandlung vom 30.9.2008 (Bl. 198 ff. d. A.) wird verwiesen.

II.

A.

Durch den zulässigen Einspruch wurde der Prozess in die Lage zurückversetzt, in der er sich vor Eintritt der Versäumnis befand (§ 342 ZPO). Die Berufung der Klägerin hat teilweise Erfolg. Der Klägerin steht entgegen der Rechtsauffassung des Landgerichts unter dem rechtlichen Gesichtspunkt der Rechtsscheinhaftung ein Anspruch auf Ausgleich des Rechnungsbetrages vom 16.8.2005 sowie der anteiligen vorprozessualen Rechtsanwaltsgebühren zu.

1. Allerdings ist die angefochtene Entscheidung nicht zu beanstanden, soweit das Landgericht zu dem Ergebnis gelangt ist, dass der Beklagte nicht Vertragspartner der die streitgegenständlichen Ansprüche begründenden Verträge geworden ist.

a) Nach allgemeinen Grundsätzen trägt der Kläger, der vertragliche Ansprüche geltend macht, die Darlegungs- und Beweislast dafür, dass der in Anspruch genommene Schuldner sein Vertragspartner geworden ist. Im Fall des Vertreterhandelns werden diese Grundsätze nach Maßgabe des § 164 Abs. 2 BGB modifiziert: Ist streitig, ob eine Vertragserklärung in eigenem oder in fremdem Namen abgegeben worden ist, so muss der Handelnde beweisen, dass er entweder ausdrücklich oder aus den Umständen erkennbar im Namen eines anderen aufgetreten ist. Hierbei kann es nach den Grundsätzen des so genannten unternehmensbezogenen Geschäfts für die Annahme eines konkludenten Vertreterhandelns genügen, wenn das Geschäft einen Unternehmensbezug aufweist und der Wille des Handelnden, im Namen des Unternehmens aufzutreten, hinreichend deutlich zum Ausdruck kommt.

b) Diese Rechtsgrundsätze hat das Landgericht beachtet. Auch soweit das Landgericht die Auffassung vertreten hat, dass sich der erforderliche Unternehmensbezug aus der zwischen dem Beklagten und dem Zeugen S. getroffenen Absprache ergebe, die Rechnung an die Firma S. zu richten, hält die angefochtene Entscheidung den Angriffen der Berufung stand:

Zunächst steht gemäß § 529 ZPO für den Senat bindend fest, dass der Beklagte auf Nachfrage, welches die Rechnungsadresse sei, sagte, die Rechnung solle an seine Immobilienfirma in R. gehen. Dieser Firmenbezug ist für die Rechtsanwendung von maßgeblicher Bedeutung: Entgegen der Schilderung der Berufungsbegründung beschränkte sich der Beklagte nicht darauf, lediglich eine postalische Adresse zu benennen. Vielmehr stellte der Beklagte einen ausdrücklichen Unternehmensbezug her, indem er gegenüber dem Zeugen erläuternd erklärte, dass „die S. seine Immobilienfirma sei … die Rechnung solle auf seine Firma lauten“ (Bl. 56). In dieser Situation besaß die Angabe der Rechnungsadresse nicht lediglich die Funktion, die technischen Modalitäten des Zahlungsverkehrs zu regeln. Hinzu kommt, dass auch die erbrachten Leistungen Bezüge zum Geschäftsbetrieb einer Immobilienfirma besaßen. Dies berücksichtigend musste die Klägerin, vertreten durch den Zeugen S., die Aussage des Beklagten so verstehen, dass das Unternehmen auch materiell rechtlich Vertragspartner der Klägerin werden sollte.

2. Dennoch erscheint die Entscheidung nicht frei von Rechtsfehlern, soweit das Landgericht eine Rechtsscheinhaftung des Beklagten nicht für gegeben erachtet hat.

a) So entspricht es der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs, dass der für eine Gesellschaft mit beschränkter Haftung im Geschäftsverkehr Auftretende wegen Verstoßes gegen § 4 GmbHG aus dem Gesichtspunkt einer Rechtsscheinhaftung analog § 179 BGB dann haftet, wenn er durch sein Zeichnen mit der Firma ohne Formzusatz das berechtigte Vertrauen des Geschäftsgegners auf die Haftung mindestens einer natürlichen Person hervorgerufen hat (BGHZ 62, 216, 220; Urt. v. 5.2.2007 – II ZR 84/05, NJW 2007, 1529; ebenso Erman/Palm, BGB, 12. Aufl., § 164 Rdnr. 20; MünchKomm(BGB)/Schramm, 4. Aufl., § 164 Rdnr. 24; Bamberger/Roth/Habermeier, BGB, § 164 Rdnr. 25).

b) Hierbei steht es der Haftung des Beklagten für einen gesetzten Rechtsschein nicht bereits entgegen, dass der Beklagte keine von ihm selbst verfassten schriftlichen Erklärungen im Namen der Firma ohne Formzusatz abgegeben hat, folglich nach der vorzitierten Rechtsprechung nicht im Namen der Firma „gezeichnet“ hat. Denn das fehlende schriftliche Auftreten im Rechtsverkehr ist keine zwingende Voraussetzung für die Entstehung eines Rechtsscheins. Vielmehr sind mündliche Erklärungen lediglich im Regelfall nicht geeignet, das den Rechtsschein begründende Vertrauen zu begründen (so wohl auch BGH, Urt. v. 8.7.1996 – II ZR 258/95, NJW 1996, 2645; Palandt/Heinrichs, BGB, 67. Aufl., § 164 Rn 3; Erman/Palm, aaO., Rdnr. 20). In der Kasuistik wird eine Rechtsscheinhaftung zumindest dann in Betracht gezogen, wenn der Handelnde eine Visitenkarte mit einer irreführenden Geschäftsbezeichnung oder eine andere Karte ohne einen Firmenzusatz vorlegt (Naumburg, NJW-RR 1997,1324).

Die aufgezeigten restriktiven Voraussetzungen für die Anerkennung eines Rechtsscheins beruhen auf der Erfahrungstatsache, dass der Geschäftsverkehr auf die Vollständigkeit und Richtigkeit mündlicher Firmenangaben im Regelfall nicht vertraut. Der Geschäftsverkehr neigt stattdessen dazu, Firmenbezeichnungen in einer die Merkbarkeit und Aussprechbarkeit erleichternden Weise zu verkürzen (Ingerl/Rohnke, Markengesetz, 2. Aufl., § 15 Rdnr. 46; vgl. auch OLG Hamm, NJW-RR 1998, 1253). Er legt insbesondere auf die Angabe der Rechtsform kein entscheidendes Gewicht, solange die mündliche Firmenbezeichnung dem Zweck dient, das Unternehmen von anderen Unternehmen zu unterscheiden. So tritt nach anerkannten Grundsätzen bei der Prüfung der Verwechslungsgefahr am Maßstab des § 15 Abs. 2 MarkenG ein GmbH-Zusatz im Regelfall zurück (BGH, Urt. v. 21.2.2002 – I ZR 230/99, GRUR 2002, 898 – de facto).

c) Dennoch stehen diese Erwägungen einer Rechtsscheinhaftung vorliegend nicht entgegen. In dem vom Zeugen S. beschriebenen Telefonat zielte die Frage nach der Rechnungsadresse auf die Benennung einer vollständigen und richtigen Adressenangabe ab. Hier stand gerade nicht die im mündlichen Geschäftsverkehr anzutreffende Unterscheidungsfunktion der Firmenbezeichnung im Vordergrund: Die Firmenangabe diente nicht lediglich dazu, das vom Beklagten repräsentierte Unternehmen mit einer verkürzten Wiedergabe der Firmenbezeichnung von anderen Unternehmen zu unterscheiden. Vielmehr sollte die Adressenangabe zum einen sicherstellen, dass das im Ausland zuzustellende Schriftstück den „richtigen“ Empfänger finden würde. Allein zum Erreichen dieses postalischen Zwecks war es geboten, die korrekte und vollständige Firmenbezeichnung unter Einschluss des Gesellschaftszusatzes anzufügen. Zum anderen zielte die Benennung der Rechnungsadresse im vorliegenden Fall nach den Grundsätzen des unternehmensbezogenen Geschäfts darauf ab, den Vertragspartner zu bezeichnen. Auch aus diesem Grund besaß die Klägerin ein erkennbares Interesse, die vollständige Firmierung zu erfahren. Diesem Verständnis wurde insbesondere dadurch Ausdruck verliehen, dass der Zeuge S. die ihm telefonisch genannten Daten schriftlich festhielt. Darin zeigt sich, dass der Zeuge S. die ihm telefonisch genannte Rechnungsadresse nicht lediglich mit der Aufmerksamkeit der mündlichen Kommunikation wahrnahm, sondern den Angaben ein ähnliches Gewicht beimaß, wie er es einer ihm vorgelegten schriftlich verkörperten Firmenbezeichnung entgegengebracht hätte.

Schließlich – auch dies stützt das hier vertretene Ergebnis – beschränkt sich der Rechtsschein im Sachverhalt der vorliegenden Entscheidung nicht lediglich auf die unterlassene Benennung des haftungsbeschränkenden Zusatzes: Der Beklagte hat nach der Aussage des Zeugen S. ergänzend erklärt, dass es sich bei der von ihm bezeichneten Firma um seine (erg.: eigene) Immobilienfirma handele. Mit dieser Aussage hat der Beklagte den Rechtsschein verstärkt, dass die von ihm verwandte Firmenangabe ein Einzelunternehmen sei.

d) Jedoch darf – worauf das Landgericht mit Recht hingewiesen hat – bei der Beurteilung des Rechtsscheins der Umstand nicht außer Betracht bleiben, dass die Rechnung vom 2.8.2005 mit einem von der Firma S. unter korrekter Firmenbezeichnung ausgestellten Scheck beglichen wurde. Spätestens nach Erhalt dieses Schecks war der Rechtsschein, dass der Beklagte für eine von ihm selbst gehaltene Einzelfirma auftrat, zerstört. Hierbei kommt es nicht darauf an, ob die Klägerin beziehungsweise der Zeuge S. die Bedeutung des Zusatzes kannten: Die Voraussetzungen eines Rechtsscheins sind aus Sicht des objektiven Erklärungsempfängers nachzuweisen. Der Geschäftsverkehr darf erwarten, dass ein im Saarland tätiges Unternehmen den durchaus gebräuchlichen Zusatz SARL kennt.

aa) Damit besitzt die Frage entscheidendes Gewicht, wann der Scheck bei der Klägerin vorgelegt wurde. Zum genauen Datum schweigt der beiderseitige Sachvortrag. Da die Rechnung vom 16.8.2005 jedoch Leistungen abrechnet, die im Zeitraum 8.8. bis 10.8.2005 erbracht wurden, spricht alles dafür, dass der am 10.8.2005 ausgestellte Scheck nicht vor der Auftragserteilung hinsichtlich der mit Rechnung vom 16.8.2005 abgerechneten Leistungen vorgelegt wurde. Mithin ist der Beklagte aus dem Gesichtspunkt der Rechtsscheinhaftung zum Ausgleich des Rechnungsbetrages von 2.257,15 EUR verpflichtet.

bb) Hinsichtlich der Rechnung vom 10.9.2005 ist es der Klägerin nicht gelungen, die Zweifel am Fortbestand des Rechtsscheins auszuräumen: Alle in dieser Rechnung abgerechneten Leistungen wurden in dem Zeitraum von 19.8. bis 23.8.2005 erbracht. Es liegt nicht fern, dass der Scheck vom 10.8.2005 zum Zeitpunkt der korrespondierenden Auftragserteilung bereits in den Händen der Klägerin lag. Da die Klägerin aus der Rechtsscheinhaftung Ansprüche geltend machen will, trägt sie den prozessualen Nachteil daraus, dass das Bestehen eines Rechtsscheins zum Zeitpunkt der relevanten Auftragserteilung zweifelhaft erscheint.

3. Auch stehen die streitgegenständlichen Ansprüche der Klägerin nicht unter dem rechtlichen Gesichtspunkt des § 179 Abs. 1 BGB zu: Zunächst war der Beklagte nach dem Inhalt des Gesellschaftsvertrags zum Geschäftsführer der Gesellschaft bestellt worden und berechtigt, die Gesellschaft durch seine alleinige Unterschrift rechtsgültig zu verpflichten (Bl. 80 d. A.). Es kann hierbei dahinstehen, ob die Angabe des Gegenstandes der Gesellschaft in Art. 4 des Gesellschaftsvertrags zugleich geeignet war, die Vertretungsmacht des Geschäftsführers zum Abschluss der streitgegenständlichen Rechtsgeschäfte im Außenverhältnis zu beschränken. In Anbetracht des in Art. 4 des Gesellschaftsvertrages enthaltenen Zusatzes, wonach die Gesellschaft alle Tätigkeiten ausführen darf, die sich direkt oder indirekt auf den Gesellschaftszweck beziehen oder denselben fördern, ist überdies zweifelhaft, ob sich die streitgegenständlichen Aufträge außerhalb des Gesellschaftszwecks bewegten. Selbst wenn die Verträge ohne Vertretungsmacht für die Firma S. abgeschlossen worden wären, so ist der Beklagte nach Maßgabe des § 179 Abs. 1 S. 1 BGB nur dann zur Erfüllung verpflichtet, wenn der Vertreter die Genehmigung des Vertrags verweigert. Dieses ist nicht vorgetragen.

4. Soweit die Klägerin ihr Klagebegehren ergänzend auf § 823 Abs. 2 BGB i.V.m. § 263 StGB stützt, ist die Klage nicht schlüssig:

a) Die Klägerin stützt den deliktsrechtlichen Anspruch zunächst auf die Behauptung, der Beklagte sei für eine nicht existente Gesellschaft aufgetreten. Mithin leitet die Klägerin aus einer negativen Tatsache Rechte her; sie ist nach allgemeinen Grundsätzen der Darlegungs- und Beweislast für alle anspruchsbegründenden Umstände, demnach auch für die Nichtexistenz der Gesellschaft, darlegungs- und beweispflichtig. Zwar sind für Darlegung und Beweis negativer Tatsachen Darlegungs- und Beweiserleichterungen anerkannt: So kann vom Prozessgegner im Rahmen des Zumutbaren zunächst verlangt werden, dass er sich nicht mit bloßem Bestreiten begnügt, sondern darlegen muss, welche tatsächlichen Umstände für das Vorliegen der positiven Tatsache sprechen. Erfüllt die Gegenpartei ihre Darlegungslast, so genügt der Beweispflichtige der ihm obliegenden Beweispflicht, wenn er die gegnerische Tatsachenbehauptung widerlegt oder ernsthaft infrage stellt. (Zöller/Greger, ZPO, 26. Aufl., v. § 284 Rdnr. 24; BGH, Urt. v. 8.10.1992 – I ZR 220/90, NJW-RR 1993, 746 – fehlende Lieferfähigkeit).

b) Der Beklagte hat den Anforderungen an seine Darlegungslast Rechnung getragen: Er hat die Existenz der von ihm vertretenen Gesellschaft nicht lediglich behauptet, sondern durch Vorlage eines Handelsregisterauszugs belegt, dass die Gesellschaft am 2.3.2005 im Handelsregister in Luxemburg eingetragen wurde. Die Gründung der Gesellschaft wird überdies durch die Urkunde des Notars B. vom 28.2.2005 bestätigt. In Anbetracht dieses substantiierten Bestreitens war es nunmehr Sache der Klägerin, die Nichtexistenz der Gesellschaft zum Zeitpunkt der streitgegenständlichen Auftragserteilung durch konkreten Sachvortrag zu widerlegen. Dies ist der Klägerin nicht gelungen: Soweit die Klägerin mutmaßt, dass der Fortbestand der Gesellschaft über das Datum der Handelsregistereintragung hinaus nicht feststehe, ist das Vorbringen ohne Substanz. Die Scheckausstellung beweist, dass die Gesellschaft noch am 10.8.2005 am Geschäftsverkehr teilnahm. Auch die Tatsache, dass zu einem späteren Zeitpunkt die Gesellschaft unter der angegebenen Adresse postalisch nicht mehr zu erreichen war, stellt ihren Fortbestand nicht zwingend in Zweifel.

c) Ebenso wenig ist es der Klägerin gelungen, die Voraussetzungen eines Eingehungsbetrugs schlüssig darzulegen: Der Annahme, dass der Geschäftsführer bereits anlässlich der Auftragserteilung damit rechnen musste, die Rechnungen nicht begleichen zu können, steht entgegen, dass die erste, mit Abstand höchste Rechnung vom 2.8.2005, anstandslos beglichen wurde. Noch am 10.8.2005, also in unmittelbarem Zusammenhang mit der streitgegenständlichen Auftragserteilung, ist es der Gesellschaft gelungen, die ausstehende Rechnung mit einer Restzahlung zu begleichen.

B.

Daneben steht der Klägerin aus Verzugsgesichtspunkten (§ 286 Abs. 1, § 288 Abs. 4 BGB) ein Anspruch auf Ausgleich der nicht anrechenbaren vorprozessualen Geschäftsgebühr zu. Die Teilabweisung der Hauptforderung besitzt bei Tenorierung des Verzugsschadens nur eine geringe rechnerische Relevanz, da die Klägerin nur die Hälfte der Geschäftsgebühr als Nebenforderung einklagt, obwohl nach der Formulierung in Vorbemerkung 3 Abs. 4 zu Nr. 3100 des Vergütungsverzeichnisses die Anrechnung der Geschäftsgebühr zur Ermäßigung nur der gerichtlichen Verfahrensgebühr zwingt (BGH, Urt. v. 7.3.2007 – VIII ZR 86/06, NJW 2007, 2049; Beschl. v. 25.7.2008 – IV ZB 16/08, zit. nach juris). Es hätte der Klägerin demnach freigestanden, die volle außerprozessuale Geschäftsgebühr als Verzugsschaden einzufordern. Die volle, aus einem Geschäftswert von 2.257,15 EUR berechnete Geschäftsgebühr beläuft sich incl. Mehrwertsteuer auf 242,79 EUR. Die Zinsentscheidung folgt aus § 286 Abs. 1, § 288 Abs. 1 BGB.

C.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 92 Abs. 1, § 97, § 344 ZPO, die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus § 708 Nr. 10, § 713 ZPO.

Urteilsbesprechung zu Saarländisches Oberlandesgericht Saarbrücken Urteil, 21. Okt. 2008 - 4 U 385/07 - 128

Urteilsbesprechungen zu Saarländisches Oberlandesgericht Saarbrücken Urteil, 21. Okt. 2008 - 4 U 385/07 - 128

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Lastenausgleichsgesetz - LAG

Zivilprozessordnung - ZPO | § 708 Vorläufige Vollstreckbarkeit ohne Sicherheitsleistung


Für vorläufig vollstreckbar ohne Sicherheitsleistung sind zu erklären:1.Urteile, die auf Grund eines Anerkenntnisses oder eines Verzichts ergehen;2.Versäumnisurteile und Urteile nach Lage der Akten gegen die säumige Partei gemäß § 331a;3.Urteile, dur

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(1) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen der Partei zur Last, die es eingelegt hat. (2) Die Kosten des Rechtsmittelverfahrens sind der obsiegenden Partei ganz oder teilweise aufzuerlegen, wenn sie auf Grund eines neuen Vo
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Bundesgerichtshof Beschluss, 25. Juli 2008 - IV ZB 16/08

bei uns veröffentlicht am 25.07.2008

BUNDESGERICHTSHOF BESCHLUSS IV ZB 16/08 vom 25. Juli 2008 in dem Rechtsstreit Der IV. Zivilsenat des Bundesgerichtshofes hat durch den Vorsitzenden Richter Terno, die Richter Seiffert, Wendt, die Richterin Dr. Kessal-Wulf und den Richter Felsch am

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(1) Anstelle von Tatbestand und Entscheidungsgründen enthält das Urteil

1.
die Bezugnahme auf die tatsächlichen Feststellungen im angefochtenen Urteil mit Darstellung etwaiger Änderungen oder Ergänzungen,
2.
eine kurze Begründung für die Abänderung, Aufhebung oder Bestätigung der angefochtenen Entscheidung.
Wird das Urteil in dem Termin, in dem die mündliche Verhandlung geschlossen worden ist, verkündet, so können die nach Satz 1 erforderlichen Darlegungen auch in das Protokoll aufgenommen werden.

(2) Die §§ 313a, 313b gelten entsprechend.

(1) Wer in der Absicht, sich oder einem Dritten einen rechtswidrigen Vermögensvorteil zu verschaffen, das Vermögen eines anderen dadurch beschädigt, daß er durch Vorspiegelung falscher oder durch Entstellung oder Unterdrückung wahrer Tatsachen einen Irrtum erregt oder unterhält, wird mit Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder mit Geldstrafe bestraft.

(2) Der Versuch ist strafbar.

(3) In besonders schweren Fällen ist die Strafe Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu zehn Jahren. Ein besonders schwerer Fall liegt in der Regel vor, wenn der Täter

1.
gewerbsmäßig oder als Mitglied einer Bande handelt, die sich zur fortgesetzten Begehung von Urkundenfälschung oder Betrug verbunden hat,
2.
einen Vermögensverlust großen Ausmaßes herbeiführt oder in der Absicht handelt, durch die fortgesetzte Begehung von Betrug eine große Zahl von Menschen in die Gefahr des Verlustes von Vermögenswerten zu bringen,
3.
eine andere Person in wirtschaftliche Not bringt,
4.
seine Befugnisse oder seine Stellung als Amtsträger oder Europäischer Amtsträger mißbraucht oder
5.
einen Versicherungsfall vortäuscht, nachdem er oder ein anderer zu diesem Zweck eine Sache von bedeutendem Wert in Brand gesetzt oder durch eine Brandlegung ganz oder teilweise zerstört oder ein Schiff zum Sinken oder Stranden gebracht hat.

(4) § 243 Abs. 2 sowie die §§ 247 und 248a gelten entsprechend.

(5) Mit Freiheitsstrafe von einem Jahr bis zu zehn Jahren, in minder schweren Fällen mit Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu fünf Jahren wird bestraft, wer den Betrug als Mitglied einer Bande, die sich zur fortgesetzten Begehung von Straftaten nach den §§ 263 bis 264 oder 267 bis 269 verbunden hat, gewerbsmäßig begeht.

(6) Das Gericht kann Führungsaufsicht anordnen (§ 68 Abs. 1).

(7) (weggefallen)

Ist der Einspruch zulässig, so wird der Prozess, soweit der Einspruch reicht, in die Lage zurückversetzt, in der er sich vor Eintritt der Versäumnis befand.

(1) Eine Willenserklärung, die jemand innerhalb der ihm zustehenden Vertretungsmacht im Namen des Vertretenen abgibt, wirkt unmittelbar für und gegen den Vertretenen. Es macht keinen Unterschied, ob die Erklärung ausdrücklich im Namen des Vertretenen erfolgt oder ob die Umstände ergeben, dass sie in dessen Namen erfolgen soll.

(2) Tritt der Wille, in fremdem Namen zu handeln, nicht erkennbar hervor, so kommt der Mangel des Willens, im eigenen Namen zu handeln, nicht in Betracht.

(3) Die Vorschriften des Absatzes 1 finden entsprechende Anwendung, wenn eine gegenüber einem anderen abzugebende Willenserklärung dessen Vertreter gegenüber erfolgt.

(1) Das Berufungsgericht hat seiner Verhandlung und Entscheidung zugrunde zu legen:

1.
die vom Gericht des ersten Rechtszuges festgestellten Tatsachen, soweit nicht konkrete Anhaltspunkte Zweifel an der Richtigkeit oder Vollständigkeit der entscheidungserheblichen Feststellungen begründen und deshalb eine erneute Feststellung gebieten;
2.
neue Tatsachen, soweit deren Berücksichtigung zulässig ist.

(2) Auf einen Mangel des Verfahrens, der nicht von Amts wegen zu berücksichtigen ist, wird das angefochtene Urteil nur geprüft, wenn dieser nach § 520 Abs. 3 geltend gemacht worden ist. Im Übrigen ist das Berufungsgericht an die geltend gemachten Berufungsgründe nicht gebunden.

Die Firma der Gesellschaft muß, auch wenn sie nach § 22 des Handelsgesetzbuchs oder nach anderen gesetzlichen Vorschriften fortgeführt wird, die Bezeichnung "Gesellschaft mit beschränkter Haftung" oder eine allgemein verständliche Abkürzung dieser Bezeichnung enthalten. Verfolgt die Gesellschaft ausschließlich und unmittelbar steuerbegünstigte Zwecke nach den §§ 51 bis 68 der Abgabenordnung kann die Abkürzung „gGmbH“ lauten.

(1) Wer als Vertreter einen Vertrag geschlossen hat, ist, sofern er nicht seine Vertretungsmacht nachweist, dem anderen Teil nach dessen Wahl zur Erfüllung oder zum Schadensersatz verpflichtet, wenn der Vertretene die Genehmigung des Vertrags verweigert.

(2) Hat der Vertreter den Mangel der Vertretungsmacht nicht gekannt, so ist er nur zum Ersatz desjenigen Schadens verpflichtet, welchen der andere Teil dadurch erleidet, dass er auf die Vertretungsmacht vertraut, jedoch nicht über den Betrag des Interesses hinaus, welches der andere Teil an der Wirksamkeit des Vertrags hat.

(3) Der Vertreter haftet nicht, wenn der andere Teil den Mangel der Vertretungsmacht kannte oder kennen musste. Der Vertreter haftet auch dann nicht, wenn er in der Geschäftsfähigkeit beschränkt war, es sei denn, dass er mit Zustimmung seines gesetzlichen Vertreters gehandelt hat.

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
II ZR 84/05 Verkündet am:
5. Februar 2007
Boppel
Justizamtsinspektor
als Urkundsbeamter
der Geschäftsstelle
in dem Rechtsstreit
Nachschlagewerk: ja
BGHZ: nein
BGHR: ja

a) Die Rechtsscheinhaftung wegen Fortlassung des nach § 4 GmbHG vorgeschriebenen
Formzusatzes trifft ausschließlich den für die Gesellschaft auftretenden
Vertreter (Bestätigung des Sen.Urt. v. 8. Juli 1996 - II ZR 258/95, NJW 1996,
2645).

b) Dies gilt entsprechend bei Weglassung des Rechtsformzusatzes "BV" einer niederländischen
Besloten Vennootschap, wenn der durch den für sie auftretenden
Vertreter verursachte Rechtsschein in Deutschland entstanden ist und sich dort
ausgewirkt hat.
BGH, Urteil vom 5. Februar 2007 - II ZR 84/05 - OLG Köln
LG Bonn
Der II. Zivilsenat des Bundesgerichtshofes hat auf die mündliche Verhandlung
vom 5. Februar 2007 durch den Vorsitzenden Richter Prof. Dr. Goette
und die Richter Dr. Kurzwelly, Kraemer, Prof. Dr. Gehrlein und Caliebe

für Recht erkannt:
I. Auf die Revision des Beklagten zu 1 wird das Grund- und Teilurteil des 20. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Köln vom 4. Februar 2005 im Kostenpunkt - mit Ausnahme der Entscheidung über die außergerichtlichen Kosten des Beklagten zu 2 - und insoweit, als in der Hauptsache zum Nachteil des Beklagten zu 1 entschieden worden ist, aufgehoben. II. Die Berufung der Kläger gegen das Urteil der 7. Zivilkammer des Landgerichts Bonn vom 6. Mai 2004 wird auch hinsichtlich der klageabweisenden Entscheidung gegenüber dem Beklagten zu 1 zurückgewiesen. III. Die Kläger tragen - über die ihnen bereits auferlegten außergerichtlichen Kosten des Beklagten zu 2 hinaus - auch die in allen drei Rechtszügen entstandenen Gerichtskosten und außergerichtlichen Kosten des Beklagten zu 1.
Von Rechts wegen

Tatbestand:

1
Die Kläger schlossen am 17. November 2000 einen Generalunternehmervertrag über die Herstellung eines schlüsselfertigen Einfamilienhauses auf ihrem in St. A. gelegenen Grundstück. Auf Seiten der Auftragnehmerin unterzeichnete die für sie bei Vertragsschluss in Vollmacht auftretende Zeugin B. die Vertragsurkunde mit dem Zusatz "i. A.". Die Auftragnehmerin war im Rubrum des Vertrages wie folgt bezeichnet: "O. L. Zweigniederlassung Deutschland Bo. Ar. & S. J. E. , Le. weg 1 Tel.: 0. ".
2
Die O. L. B.V. ist eine im Handelsregister der Handelskammer Süd-L. (Niederlande) eingetragene Gesellschaft mit beschränkter Haftung niederländischen Rechts, die eine seit dem 14. Dezember 1998 im Handelsregister des Amtsgerichts Be. (HRB-Nr.: 3 ) unter der Firma "O. L. B.V. Zweigniederlassung Deutschland" eingetragene Zweigniederlassung mit Sitz in E. unterhält; Geschäftsführer der Gesellschaft ist Bo. Ar. J. (Beklagter zu 1), dessen Sohn S. J. (früherer Beklagter zu 2) ist Prokurist. Nach der Abnahme des errichteten Einfamilienhauses unter "Mängelvorbehalt" und erfolglosem Mängelbeseitigungsbegehren führten die Kläger ein selbständiges Beweisverfahren durch, in dem der Sachverständige die voraussichtlichen Mängelbeseitigungskosten auf ca. 70.000,00 € bezifferte.
3
Mit der Klage machen die Kläger, die bislang den in der Schlussrechnung ausgewiesenen Restvergütungsanspruch in Höhe von 93.674,40 € einbehalten haben, Minderungs- und Kostenvorschussansprüche in Höhe von insge- samt 84.262,80 € gegen die Beklagten als Gesamtschuldner geltend, weil nach ihrer Ansicht diese - mangels eines Hinweises auf eine beschränkt haftende Gesellschaft - selbst Vertragspartei geworden sind. Das Landgericht hat die Klage mit der Begründung abgewiesen, der Vertrag sei nach den Grundsätzen des unternehmensbezogenen Geschäfts mit der O. L. B.V. zustande gekommen. Das Berufungsgericht hat die Berufung der Kläger, soweit sie gegen den Beklagten zu 2 gerichtet war, zurückgewiesen. Demgegenüber hat es der Klage gegen den Beklagten zu 1 dem Grunde nach stattgegeben und die Sache insoweit zur Durchführung des Höheverfahrens an das Landgericht zurückverwiesen. Mit der - vom erkennenden Senat zugelassenen - Revision verfolgt der Beklagte zu 1 sein Klageabweisungsbegehren weiter.

Entscheidungsgründe:

4
Die Revision des Beklagten zu 1 ist begründet und führt in diesem Umfang zur Aufhebung des Berufungsurteils und zur (vollständigen) Wiederherstellung des die Klage abweisenden landgerichtlichen Urteils.
5
I. Das Berufungsgericht hat ausgeführt:
6
Der Bauvertrag vom 17. November 2000 sei zwar nach den Grundsätzen des unternehmensbezogenen Geschäfts zwischen den Klägern und der O. L. B.V. zustande gekommen. Jedoch habe neben der Gesellschaft auch der Beklagte zu 1 als deren Geschäftsführer aus dem Gesichtspunkt der Rechtsscheinhaftung - die auch auf Vertreter von Gesellschaften ausländischen Rechts mit beschränkter Haftung anwendbar sei - wegen Weglassens des analog § 4 GmbHG (früher: § 4 Abs. 2 a.F. GmbHG) vorgeschriebenen Firmenzu- satzes "B.V." im Zusammenhang mit dem schriftlichen Vertragsabschluss durch die Zeugin B. für die Erfüllung der von den Klägern erhobenen Gewährleistungsansprüche einzustehen. Der Beklagte habe zwar nicht selbst unmittelbar beim Abschluss des Generalunternehmervertrages mit den Klägern mitgewirkt; jedoch hafte er nach der insoweit einschlägigen älteren Senatsrechtsprechung (BGHZ 71, 354, 358) auch dafür, dass er - unter Verletzung der ihm als Geschäftsführer obliegenden Instruktions- und Überwachungspflichten - nicht durch geeignete Vorkehrungen sichergestellt habe, dass die bevollmächtigte Zeugin B. bei Abschluss des schriftlichen Vertrages für die vorgeschriebene Firmierung der O. mit dem haftungsbeschränkenden B.V.-Zusatz gesorgt und dadurch bei den Klägern das Vertrauen in eine unbeschränkte Haftung ihres Vertragspartners erweckt habe. Die abweichende neuere Senatsentscheidung vom 8. Juli 1996 (II ZR 258/95, NJW 1996, 2645), nach der die Rechtsscheinhaftung wegen Fortlassung des nach § 4 GmbHG vorgeschriebenen Formzusatzes ausschließlich den für die Gesellschaft auftretenden Vertreter treffe, sei im vorliegenden Fall nicht einschlägig, da sie nur die Bevollmächtigung eines Angestellten durch den Prokuristen, nicht jedoch - wie hier - durch den Geschäftsführer einer GmbH betreffe.
7
II. Diese Beurteilung hält im entscheidenden Punkt revisionsrechtlicher Nachprüfung nicht stand.
8
1. Noch zutreffend ist das Berufungsgericht allerdings davon ausgegangen , dass für die Frage der von ihm angenommenen Rechtsscheinhaftung des Beklagten zu 1 als Geschäftsführer der O. B.V., einer Gesellschaft mit beschränkter Haftung niederländischen Rechts, das deutsche materielle Recht anwendbar ist.
9
Bei der Haftung wegen fehlenden Firmenzusatzes handelt es sich nach ständiger höchstrichterlicher Rechtsprechung um eine Rechtsscheinhaftung entsprechend § 179 BGB (Sen.Urt. v. 8. Juli 1996 - II ZR 258/95, ZIP 1996, 1511 f.; Sen.Urt. v. 24. Juni 1991 - II ZR 293/90, ZIP 1991, 1004 f. - jeweils m.w.Nachw.). Maßgeblich für die internationalprivatrechtliche Anknüpfung ist bei der Rechtsscheinhaftung der Ort, an dem der Rechtsschein entstanden ist und sich ausgewirkt hat (BGHZ 43, 21, 27 - Anscheinsvollmacht; h.M.: vgl. nur Kindler in MünchKommBGB 4. Aufl. IntGesR Rdn. 630; Rehberg in Eidenmüller, Ausländische Kapitalgesellschaften im deutschen Recht § 5 Rdn. 102 ff.; Eidenmüller in Eidenmüller aaO § 4 Rdn. 29 ff.; Palandt/Heinrichs, BGB 66. Aufl. § 164 Rdn. 3 - jeweils m.w.Nachw.).
10
Die durch Verletzung der Pflicht zur Führung des Firmenzusatzes begründete Rechtsscheinhaftung knüpft nicht an die Verletzung spezifischer Organpflichten an und untersteht schon aus diesem Grund nicht dem Gesellschaftsstatut ; daher ist auch die Niederlassungsfreiheit nach Art. 43, 48 EGV insoweit nicht berührt (zutr. Kindler aaO Rdn. 630, 413 ff.).
11
Die Niederlassungsfreiheit wird aber auch nicht etwa dadurch unzulässig tangiert, dass eine bei Weglassung des Firmenzusatzes drohende Rechtsscheinhaftung die O. L. B.V. indirekt zur Beachtung deutschen Firmenrechts zwingen könnte; denn ein dem deutschen Recht entsprechender, auf die Haftungsbeschränkung hinweisender Firmenzusatz ("GmbH") ist - in Übereinstimmung mit den Vorgaben des Art. 4 der Publizitätsrichtlinie (Erste Richtlinie des Rates v. 9. Mai 1968 - ABl. Nr. L 65/8 -, zuletzt geändert durch Beitrittsvertrag v. 16. April 2003 - ABl. Nr. L 236/33) - auch nach niederländischem Recht gemäß Art. 177 Buergerlijk Wetboek (BW) für das Handeln der Kapitalgesellschaft mit beschränkter Haftung (Besloten Vennootschap) im Rechtsverkehr in vergleichbarer Form ("B.V.") zwingend vorgeschrieben (vgl. auch Art. 186 BW).
12
2. Auf dieser Grundlage hat das Berufungsgericht ebenfalls noch zutreffend eine vertragliche Gewährleistungshaftung des Beklagten zu 1 gegenüber den Klägern verneint, weil deren Vertragspartner aufgrund des von der Zeugin B. als Vertreterin der "O. L. Niederlassung Deutschland" ohne den entsprechend § 4 GmbHG erforderlichen B.V.-Zusatz unterzeichneten Vertrages nicht der Beklagte zu 1, sondern - nach den Grundsätzen des unternehmensbezogenen Vertreterhandelns (st.Rspr.: vgl. Sen.Urt. v. 8. Juli 1996 - II ZR 258/95 aaO S. 1512; Sen.Urt. v. 24. Juni 1991 - II ZR 293/90 aaO S. 1005; Sen.Urt. v. 15. Januar 1990 - II ZR 311/88, NJW 1990, 2678) - die O. L. B.V. geworden ist.
13
3. Unzutreffend ist jedoch die weitere Annahme des Berufungsgerichts, der Beklagte zu 1 hafte den Klägern - obwohl persönlich diesen gegenüber beim Vertragsschluss nicht aufgetreten - aus dem Gesichtspunkt der Rechtsscheinhaftung , weil er wegen Verletzung ihm obliegender Instruktions- und Überwachungspflichten für die Fortlassung des nach § 4 GmbHG vorgeschriebenen Formzusatzes "B.V." durch die Zeugin B. und den dadurch erzeugten Anschein einer persönlichen Haftung des "Inhabers" des Unternehmens mitverantwortlich sei.
14
Nach gefestigter Senatsrechtsprechung haftet der für eine Gesellschaft mit beschränkter Haftung im Geschäftsverkehr Auftretende - gleichgültig, ob dies der Geschäftsführer selbst oder ein anderer Vertreter ist - wegen Verstoßes gegen § 4 GmbHG aus dem Gesichtspunkt einer Rechtsscheinhaftung analog § 179 BGB dann, wenn er durch sein Zeichnen der Firma ohne Formzusatz das berechtigte Vertrauen des Geschäftsgegners auf die Haftung mindes- tens einer natürlichen Person hervorgerufen hat (Sen.Urt. v. 8. Juli 1996 - II ZR 258/95 aaO S. 1512; Sen.Urt. v. 24. Juni 1991 - II ZR 293/90 aaO S. 1005 - jeweils m.w.Nachw.). Diese Rechtsscheinhaftung wegen Fortlassung des nach § 4 GmbHG vorgeschriebenen Formzusatzes trifft - wie der Senat in dem Urteil vom 8. Juli 1996 (aaO) (nochmals) ausdrücklich und, anders als das Berufungsgericht meint, allgemeingültig klargestellt hat - "ausschließlich" den für die Gesellschaft auftretenden Vertreter selbst.
15
Nach den Feststellungen des Berufungsgerichts war dies im vorliegenden Fall - wie die Revision zutreffend geltend macht - nicht der Beklagte zu 1, sondern allein die von diesem wirksam bevollmächtigte Zeugin B. , die den schriftlichen Generalunternehmervertrag mit den Klägern namens der "O. L. " abgeschlossen und dabei durch Weglassung des B.V.-Zusatzes den Anschein erweckt hat, deren Inhaber (wer immer dies sei) hafte den Klägern unbeschränkt.
16
Die Beschränkung der Rechtsscheinhaftung auf den "zeichnenden" Vertreter gilt - entgegen der Ansicht des Berufungsgerichts - unabhängig von der Person des Handelnden und seiner rechtlichen Qualifikation und unabhängig auch von der Person des etwaigen Vollmachtgebers (Sen.Urt. v. 24. Juni 1991 - II ZR 293/90 aaO S. 1005). Eine (Mit-)Haftung des nicht unmittelbar handelnden , gleichsam im Hintergrund bleibenden Gesellschaftsorgans wegen einer bloßen Mitverursachung des von dem unmittelbar Handelnden gesetzten Rechtsscheins durch Verletzung sonstiger Handlungs-, Überwachungs- oder Instruktionspflichten kommt nicht in Betracht.
17
Wie der Senat mehrfach betont hat, beruht die Haftung des ("zeichnenden" ) Vertreters auf einer entsprechenden Heranziehung des Rechtsgedankens des § 179 BGB (Sen.Urt. v. 24. Juni 1991 - II ZR 293/90 aaO S. 2628; so schon Sen.Urt. v. 1. Juni 1981 - II ZR 1/81, ZIP 1981, 983, 984). § 179 BGB begründet insoweit keine allgemeine, verhaltenspflichtenorientierte Rechtsscheinhaftung, sondern eine schuldunabhängige Garantiehaftung, die allein auf dem Umstand basiert, dass die unmittelbar auftretende Person durch die dem Vertragspartner gegenüber abgegebene sachlich unzutreffende Erklärung den Vertrauenstatbestand geschaffen hat, ihm hafte zumindest eine (natürliche) Person unbeschränkt mit ihrem Privatvermögen; dieses spezielle Vertrauen kann der irregeleitete Vertragspartner gegenüber einem im Hintergrund bleibenden "Dritten" (Vollmachtgeber) nicht beanspruchen, so dass die Haftung wegen des fehlenden Firmenzusatzes auf den im konkreten Fall für die Gesellschaft auftretenden Vertreter zu beschränken ist, der die falsche Erklärung abgegeben hat.
18
Das vom Berufungsgericht zur Rechtfertigung seiner gegenteiligen Ansicht herangezogene Senatsurteil vom 8. Mai 1978 (II ZR 97/77, BGHZ 71, 354, 358) betraf den Sonderfall der Umwandlung einer Zweimann-OHG in eine GmbH & Co. KG, in dem das Unternehmen von den beiden Gesellschaftern - nunmehr als Kommanditisten und Geschäftsführern der KomplementärGmbH - unter der bisherigen Firma weitergeführt wurde und in dem der zugrunde liegende Auftrag die maschinenschriftliche Unterschrift beider Gesellschafter , verbunden mit dem handschriftlichen Namenszug nur des einen Beklagten, trug. Soweit der Senat in jenem Urteil auch den "nichthandelnden" Gesellschafter -Geschäftsführer im Hinblick auf die Unterlassung der Anmeldung der Eintragung des neuen Rechtsformzusatzes zum Handelsregister und die gemeinsame Weiterführung des Unternehmens unter der irreführenden alten Firma der früheren OHG einer Rechtsscheinhaftung unterworfen hat, weil er "deshalb den Abschluss von Verträgen unter dieser Firma mit zu verantworten" habe, handelt es sich um eine - nicht verallgemeinerungsfähige - Einzelfallentscheidung; sie trug den Besonderheiten der konkreten Situation Rechnung, dass beide Gesellschafter -Geschäftsführer ständig bei Vertragsabschlüssen durch die maschi- nengeschriebenen Unterschriften den Eindruck einer persönlichen Haftung als Gesellschafter einer OHG erweckten, während die handschriftliche Beifügung des Namenszuges nur eines von ihnen mehr oder minder zufällig war und daher bei der Erzeugung des konkreten Rechtsscheins für den irregeführten Geschäftspartner nicht im Vordergrund stand. Wollte man der Entscheidung gleichwohl eine weitergehende Bedeutung beimessen, so wäre sie - zumal sie in der weiteren Senatsrechtsprechung insoweit nicht bestätigt worden ist - durch das Senatsurteil vom 8. Juli 1996 (II ZR 258/95 aaO S. 1512) als überholt anzusehen.
19
Soweit im Schrifttum abweichend von der Senatsrechtsprechung die Meinung vertreten wird, eine Rechtsscheinhaftung sei auch auf den im Hintergrund bleibenden mittelbaren Veranlasser wegen Verletzung sonstiger Verhaltenspflichten zu erstrecken oder gar ausschließlich auf diesen zu beschränken (vgl. nur Altmeppen in Roth/Altmeppen, GmbHG 5. Aufl. § 35 Rdn. 30), vermag der Senat dem aus den dargelegten Gründen nicht zu folgen; ob etwa in einem extremen Ausnahmefall - z.B. bei planmäßigem Vorschieben eines indolosen Bevollmächtigten durch einen Geschäftsführer zur Vermeidung einer Eigenhaftung - in Anwendung des insoweit allein in Betracht kommenden Deliktsrechts im Ergebnis etwas anderes gelten könnte, ist hier nicht zu entscheiden, da ersichtlich ein solcher Ausnahmefall nicht vorliegt.
20
III. Wegen des aufgezeigten Rechtsfehlers unterliegt das Berufungsurteil im Hinblick auf die Verurteilung des Beklagten zu 1 der Aufhebung (§ 562 ZPO). Da weitere rechtlich erhebliche tatrichterliche Feststellungen nicht in Betracht kommen und damit der Rechtsstreit zur Endentscheidung reif ist, hat der Senat in der Sache selbst durch Wiederherstellung des die Klage auch in Bezug auf den Beklagten zu 1 abweisenden landgerichtlichen Urteils zu entscheiden (§ 563 Abs. 3 ZPO).
Goette Kurzwelly Kraemer Gehrlein Caliebe

Vorinstanzen:
LG Bonn, Entscheidung vom 06.05.2004 - 7 O 574/03 -
OLG Köln, Entscheidung vom 04.02.2005 - 20 U 78/04 -

(1) Der Erwerb des Schutzes einer geschäftlichen Bezeichnung gewährt ihrem Inhaber ein ausschließliches Recht.

(2) Dritten ist es untersagt, die geschäftliche Bezeichnung oder ein ähnliches Zeichen im geschäftlichen Verkehr unbefugt in einer Weise zu benutzen, die geeignet ist, Verwechslungen mit der geschützten Bezeichnung hervorzurufen.

(3) Handelt es sich bei der geschäftlichen Bezeichnung um eine im Inland bekannte geschäftliche Bezeichnung, so ist es Dritten ferner untersagt, die geschäftliche Bezeichnung oder ein ähnliches Zeichen im geschäftlichen Verkehr zu benutzen, wenn keine Gefahr von Verwechslungen im Sinne des Absatzes 2 besteht, soweit die Benutzung des Zeichens die Unterscheidungskraft oder die Wertschätzung der geschäftlichen Bezeichnung ohne rechtfertigenden Grund in unlauterer Weise ausnutzt oder beeinträchtigt.

(4) Wer eine geschäftliche Bezeichnung oder ein ähnliches Zeichen entgegen Absatz 2 oder Absatz 3 benutzt, kann von dem Inhaber der geschäftlichen Bezeichnung bei Wiederholungsgefahr auf Unterlassung in Anspruch genommen werden. Der Anspruch besteht auch dann, wenn eine Zuwiderhandlung droht.

(5) Wer die Verletzungshandlung vorsätzlich oder fahrlässig begeht, ist dem Inhaber der geschäftlichen Bezeichnung zum Ersatz des daraus entstandenen Schadens verpflichtet. § 14 Abs. 6 Satz 2 und 3 gilt entsprechend.

(6) § 14 Abs. 7 ist entsprechend anzuwenden.

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
I ZR 230/99 Verkündet am:
21. Februar 2002
Walz
Justizamtsinspektor
als Urkundsbeamter
der Geschäftsstelle
in dem Rechtsstreit
Nachschlagewerk: ja
BGHZ: nein
BGHR: ja
defacto

a) Ist bei der Prüfung der Identität oder Ähnlichkeit von Unternehmenskennzeichen
sowohl bei dem geschützten Zeichen als auch dem Kollisionszeichen auf den
Teil des gesamten Zeichens abzustellen, der gesonderten kennzeichenrechtlichen
Schutz genießt, sind beschreibende Zusätze in den Firmierungen grundsätzlich
nicht in die Beurteilung der Verwechslungsgefahr im Sinne von § 15
Abs. 2 MarkenG einzubeziehen.

b) Von einer nur ganz geringfügigen Branchennähe kann nicht ausgegangen werden
, wenn die Klägerin im Bereich des Direktmarketings tätig ist und sich zum
Zwecke der Absatzförderung für ihre Kunden eines Call-Centers bedient und für
die Tätigkeit der Beklagten, eines Inkassounternehmens, der Einsatz eines CallCenters
prägend ist.
BGH, Urt. v. 21. Februar 2002 - I ZR 230/99 - OLG Braunschweig
LG Braunschweig
Der I. Zivilsenat des Bundesgerichtshofes hat auf die mündliche Verhandlung
vom 21. Februar 2002 durch den Vorsitzenden Richter Prof.
Dr. Erdmann und die Richter Dr. v. Ungern-Sternberg, Prof. Dr. Bornkamm,
Pokrant und Dr. Büscher

für Recht erkannt:
Auf die Revision der Klägerin wird das Urteil des 2. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Braunschweig vom 15. Juli 1999 aufgehoben.
Die Sache wird zur anderweiten Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Revision, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.
Von Rechts wegen

Tatbestand:


Die Klägerin ist bundesweit im Marketingbereich beratend tätig und führt Aufträge im Direktmarketing aus. Sie firmierte seit dem 28. Dezember 1988 zunächst unter "defacto marketing GmbH". Nach einer Änderung während des Revisionsverfahrens lautet ihre Firma nunmehr: "defacto T. w. s. GmbH". Die Beklagte, die sich mit der Einziehung von Forderungen befaßt, führt seit dem 3. Dezember 1992 die Firma "Defacto-Inkasso GmbH". Sie ver-
wendet den Domain-Namen (Internet-Adresse) "www.defacto-inkasso.de" und hat sich den weiteren Domain-Namen "www.defacto.de" reservieren lassen, ohne ihn bisher zu nutzen.
Die Klägerin hat geltend gemacht, ihr Unternehmenskennzeichen werde durch die Firmenbezeichnung und die Domain-Namen der Beklagten verletzt. Es bestehe Verwechslungsgefahr. In den Bezeichnungen der Parteien sei allein der Begriff "defacto" kennzeichnend. Dieser gelte in den maßgeblichen Verkehrskreisen als ihr Unternehmenskennzeichen. Sie gehe bundesweit gegen Beeinträchtigungen ihres Zeichenrechtes vor.
Die Klägerin hat beantragt,
die Beklagte zu verurteilen,
1. es unter Androhung der gesetzlichen Ordnungsmittel zu unterlassen , im geschäftlichen Verkehr zu Zwecken des Wettbewerbs die Firma "Defacto-Inkasso GmbH" und/oder die Internet -Adresse "www.Defacto.de" zu führen;
2. in die Löschung des Firmenbestandteils "Defacto" der im Handelsregister des Amtsgerichts O. - HRB - eingetragenen "Defacto-Inkasso Gesellschaft mit beschränkter Haftung" einzuwilligen.
Die Beklagte ist dem entgegengetreten. Sie hat vorgetragen, der Firmenbestandteil "Defacto" habe nur geringe Kennzeichnungskraft und werde
zudem aufgrund der Verwendung durch zahlreiche dritte Unternehmen geschwächt.
Das Landgericht hat die Beklagte antragsgemäß verurteilt. Auf die Berufung der Beklagten hat das Berufungsgericht die Klage abgewiesen.
Mit der Revision verfolgt die Klägerin ihre Klageanträge weiter. Die Beklagte beantragt, die Revision zurückzuweisen.

Entscheidungsgründe:


I. Das Berufungsgericht hat die von der Klägerin verfolgten Ansprüche auf Unterlassung und Löschung des Firmenbestandteils der Beklagten verneint (§§ 15, 5 MarkenG). Zur Begründung hat es ausgeführt:
Das Unternehmenskennzeichen der Klägerin sei schutzfähig im Sinne des § 5 MarkenG. Der schlagwortartig benutzte Firmenbestandteil "defacto" verfüge über die erforderliche Kennzeichnungskraft. Das Zeichen der Klägerin sei auch prioritätsälter als dasjenige der Beklagten. Es fehle jedoch an der Verwechslungsgefahr im Sinne des § 15 Abs. 2 MarkenG. Die Zeichen der Parteien seien nicht identisch, aber sehr ähnlich. Die Zeichenähnlichkeit werde in ihrer Bedeutung allerdings eingeschränkt, weil die angesprochenen Verkehrskreise Drittunternehmen seien, die nicht in erster Linie auf schlagwortartige Verkürzungen achteten. Der Zeichenbestandteil "defacto" sei durchschnittlich kennzeichnungskräftig. Zwischen den Geschäftsbereichen der Parteien sei nur eine ganz geringe Nähe gegeben. Deshalb bestehe keine Gefahr einer
unmittelbaren Verwechslung der Parteien. Besondere Umstände, die beim Verkehr zu der unzutreffenden Vorstellung wirtschaftlicher oder organisatorischer Verbindungen führen und eine Verwechslungsgefahr im weiteren Sinne begründen könnten, lägen nicht vor.
II. Die Revision ist begründet. Sie führt zur Aufhebung des angefochtenen Urteils und zur Zurückverweisung der Sache an das Berufungsgericht.
1. Die Annahme des Berufungsgerichts, der Klägerin stehe der geltend gemachte Unterlassungsanspruch nach § 15 Abs. 4, Abs. 2, § 5 Abs. 2 MarkenG nicht zu, hält der revisionsrechtlichen Nachprüfung nicht stand.

a) Das Berufungsgericht hat einen kennzeichenrechtlichen Schutz der Bezeichnung "defacto" in der Firma der Klägerin, die zum maßgebenden Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung vor dem Berufungsgericht "defacto marketing GmbH" lautete, bejaht. Das läßt einen Rechtsfehler nicht erkennen.
Für einen Teil einer Firmenbezeichnung kann der vom Schutz des vollständigen Firmennamens abgeleitete Schutz als Unternehmenskennzeichen im Sinne des § 5 Abs. 2 MarkenG beansprucht werden, sofern es sich um einen unterscheidungsfähigen Firmenbestandteil handelt, der seiner Art nach im Vergleich zu den übrigen Firmenbestandteilen geeignet erscheint, sich im Verkehr als schlagwortartiger Hinweis auf das Unternehmen durchzusetzen. Ist dies zu bejahen, kommt es nicht mehr darauf an, ob die fragliche Kurzbezeichnung tatsächlich als Firmenbestandteil in Alleinstellung verwendet worden ist und ob sie sich im Verkehr durchgesetzt hat (vgl. BGH, Urt. v. 21.11.1996 - I ZR 149/94, GRUR 1997, 468, 469 = WRP 1997, 1093 - NetCom; Urt. v.
15.2.2001 - I ZR 232/98, GRUR 2001, 1161 = WRP 2001, 1207 - CompuNet/ComNet, jeweils m.w.N.).
Der Bestandteil "defacto" in der Firmenbezeichnung der Klägerin weist mangels beschreibender Angaben namensmäûige Unterscheidungskraft auf. Die Bezeichnung "defacto" ist nach den Feststellungen des Berufungsgerichts ein Fremdwort, dessen beschreibende Bedeutung der Verkehr entweder nicht erkennt oder, wenn er es im Sinne von "tatsächlich" oder "wahr" versteht, nicht als beschreibenden Hinweis auf den Unternehmensgegenstand der Klägerin auffaût. Dies ziehen die Parteien auch nicht in Zweifel.
Der Bestandteil "defacto" der Firma der Klägerin ist geeignet, im Verkehr als schlagwortartiger Hinweis auf das Unternehmen zu dienen. Denn dieser Teil der Firma weist anders als der beschreibende Zusatz "marketing" und die Angabe der Rechtsform namensmäûige Unterscheidungskraft auf.

b) Eine Verwechslungsgefahr zwischen dem Firmenbestandteil "defacto" der Klägerin und der Unternehmensbezeichnung der Beklagten hat das Berufungsgericht verneint (§ 15 Abs. 2 MarkenG). Dem kann nicht zugestimmt werden.
Bei der Beurteilung der Verwechslungsgefahr im Sinne des § 15 Abs. 2 MarkenG, die unter Berücksichtigung aller maûgeblichen Umstände vorzunehmen ist, besteht eine Wechselwirkung zwischen dem Ähnlichkeitsgrad der einander gegenüberstehenden Bezeichnungen, der Kennzeichnungskraft des Kennzeichens der Klägerin und dem wirtschaftlichen Abstand der Tätigkeitsgebiete der Parteien (BGH, Urt. v. 28.1.1999 - I ZR 178/96, GRUR 1999, 492, 494
= WRP 1999, 523 - Altberliner; BGH GRUR 2001, 1161, 1162 - CompuNet/ ComNet). Davon ist im Ansatz auch das Berufungsgericht ausgegangen.
aa) Das Berufungsgericht hat jedoch die Prüfung der Zeichenidentität oder -ähnlichkeit der sich gegenüberstehenden Zeichen der Parteien auf einer unzutreffenden Grundlage vorgenommen. Es hat angenommen, die Zeichen der Parteien seien einander sehr ähnlich. Während die Klägerin die schlagwortartige Bezeichnung in Kleinschreibung verwende, sei der Anfangsbuchstabe des Wortbestandteils "Defacto" in der Firmierung der Beklagten groû geschrieben. Zudem seien in den Unternehmensbezeichnungen der Parteien beschreibende Zusätze enthalten. Die maûgeblichen Verkehrskreise, denen die Parteien ihre Dienstleistungen anbieten, seien Unternehmen. Diese seien mit Firmenbezeichnungen vertraut und achteten nicht lediglich in erster Linie auf schlagwortartige Verkürzungen.
In die Beurteilung der Zeichenidentität oder -ähnlichkeit hat das Berufungsgericht rechtsfehlerhaft die vollständigen Unternehmensbezeichnungen der Parteien einbezogen und nicht allein "defacto" in der Firma der Klägerin dem Bestandteil "Defacto" der Firmierung der Beklagten gegenübergestellt. Zu Recht rügt die Revision, das Berufungsgericht sei deshalb unzulässigerweise von einer Reduzierung der sehr groûen Zeichenähnlichkeit durch die beschreibenden Zusätze ausgegangen.
Bei der Prüfung der Identität oder Ähnlichkeit von Unternehmenskennzeichen ist grundsätzlich sowohl bei dem geschützten Zeichen als auch dem Kollisionszeichen auf den Teil des gesamten Zeichens abzustellen, der gesonderten kennzeichenrechtlichen Schutz genieût (vgl. BGH, Urt. v. 26.1.1960
- I ZR 5/59, GRUR 1960, 296, 297 f. - Reiherstieg; BGH GRUR 2001, 1161, 1162 f. - CompuNet/ComNet; Fezer, Markenrecht, 3. Aufl., § 15 Rdn. 150; Ingerl/Rohnke, Markengesetz, § 5 Rdn. 40). Der Grund für diesen selbständigen Schutz besteht in der Neigung des Verkehrs, längere Firmenbezeichnungen auf den (allein) unterscheidungskräftigen Bestandteil zu verkürzen (vgl. BGH, Urt. v. 8.11.2001 - I ZR 139/99, WRP 2002, 705, 707 - IMS).
Davon ist im Streitfall für das Zeichen der Klägerin (vgl. Abschnitt II 1a) auszugehen. Aber auch bei der Firmierung der Beklagten treten wegen fehlender Unterscheidungskraft die Bestandteile "Inkasso" als ausschlieûlich den Unternehmensgegenstand beschreibender Begriff und "GmbH" als Angabe der Rechtsform ebenfalls zurück. Es stehen sich somit als Klagezeichen "defacto" und als Kollisionszeichen "Defacto" gegenüber.
Daraus folgt allerdings keine Zeichenidentität, weil sich die gegenüberstehenden Zeichen durch die unterschiedliche Groû- und Kleinschreibung im Schriftbild unterscheiden (vgl. zur Markenähnlichkeit: Ingerl/Rohnke aaO § 14 Rdn. 141). Eine Zeichenidentität ergibt sich auch nicht daraus, daû die Klägerin gelegentlich eine Schreibweise des Bestandteils "defacto" benutzt, die derjenigen in der Firmierung der Beklagten entspricht. Durch eine von ihrem Unternehmenskennzeichen abweichende Schreibweise kann die Klägerin keine Zeichenidentität herbeiführen. Entgegen der Annahme des Berufungsgerichts liegt jedoch eine sehr groûe Zeichenähnlichkeit vor, die durch die beschreibenden Zusätze in den Firmierungen der Parteien nicht vermindert wird.
bb) Das Berufungsgericht ist zutreffend davon ausgegangen, dem Firmenbestandteil "defacto" der Klägerin komme durchschnittliche Kennzeichnungskraft zu.
Die Kennzeichnungskraft einer Firmenbezeichnung wird durch den Grad der Eignung des Zeichens bestimmt, sich aufgrund seiner Eigenart und seines durch Benutzung erlangten Bekanntheitsgrades dem Verkehr als Name des Unternehmensträgers einzuprägen (BGH, Urt. v. 30.3.1995 - I ZR 60/93, GRUR 1995, 507, 508 = WRP 1995, 615 - City-Hotel; Urt. v. 27.9.1995 - I ZR 199/93, GRUR 1996, 68, 69 = WRP 1997, 446 - COTTON LINE).
Nach den Feststellungen des Berufungsgerichts handelt es sich bei "defacto" um ein gängiges Fremdwort, das nicht übertrieben häufig gebraucht wird und das es als Unternehmensbezeichnung auffällig und einprägsam erscheinen läût. Dem Zeichen kommt aufgrund dieser revisionsrechtlich nicht zu beanstandenden Feststellungen des Berufungsgerichts von Haus aus durchschnittliche und keine hohe Kennzeichnungskraft zu.
Eine Steigerung der Kennzeichnungskraft des Kennzeichens der Klägerin aufgrund Verkehrsbekanntheit hat das Berufungsgericht verneint. Die Vorlage von sechs Rechnungen hat es zum Beleg einer Zusammenarbeit mit bedeutenden Geschäftspartnern nicht ausreichen lassen. Die Rüge der Revision, das Berufungsgericht hätte die Klägerin nach § 139 ZPO auf die Notwendigkeit hinweisen müssen, weitere Rechnungen vorzulegen, hat keinen Erfolg. Die Revision zeigt nicht auf, welche Umsätze mit welchen Geschäftspartnern die Klägerin im Falle eines Hinweises zur Darlegung der Verkehrsbekanntheit ihres Zeichens vorgetragen und belegt hätte.

Bei der Beurteilung der Kennzeichnungskraft hat das Berufungsgericht festgestellt, die Klägerin ginge zwar gegen andere Unternehmen mit dem Ziel vor, die Bezeichnung "defacto" nicht weiterzuverwenden. In diesem Zusammenhang hat das Berufungsgericht aber auch eine Beeinträchtigung der Kennzeichnungskraft des Firmenbestandteils "defacto" der Klägerin daraus abgeleitet , daû weitere zwölf Firmen dieses Zeichen in ähnlicher oder identischer Form führen und teilweise in ähnlichen Branchen wie die Klägerin tätig sind. Im Ansatz zutreffend weist die Revision darauf hin, diese Feststellungen des Berufungsgerichts rechtfertigten die Annahme einer Schwächung der Kennzeichnungskraft des Zeichens der Klägerin nicht. Eine derartige Schwächung, die einen Ausnahmetatbestand darstellt, setzt voraus, daû die Drittkennzeichen im Bereich der gleichen oder eng benachbarten Branchen oder Waren und in einem Umfang in Erscheinung treten, der geeignet erscheint, die erforderliche Gewöhnung des Verkehrs an die Existenz weiterer Kennzeichen im Ähnlichkeitsbereich zu bewirken (vgl. BGH GRUR 2001, 1161, 1162 - CompuNet/ ComNet). Der Umfang der Tätigkeit der Drittfirmen und die Bekanntheit ihrer Kennzeichen sind vom Berufungsgericht aber nicht im einzelnen festgestellt. Hierauf kommt es indes nicht an. Auch ohne die vom Berufungsgericht angenommene Schwächung des Zeichens der Klägerin durch Drittkennzeichen ist keine über den Durchschnitt hinausgehende Kennzeichnungskraft des Klagezeichens anzunehmen. Entgegen der Ansicht der Revision ist diese auch nicht der von der Klägerin vorgelegten Berichterstattung in den Nürnberger Nachrichten vom über ihr Unternehmen zu entnehmen.
cc) Das Berufungsgericht ist von einer (allenfalls) ganz geringfügigen Branchennähe ausgegangen. An anderer Stelle bezeichnet es die Branchen-
nähe als minimal. Diese Beurteilung ist, was die Revision zu Recht rügt, durch die Feststellungen des Berufungsgerichts nicht gerechtfertigt. Es ist von einem zu geringen Grad der Branchennähe der Parteien ausgegangen.
Für die Beurteilung der Branchennähe kommt es in erster Linie auf die Produktbereiche und Arbeitsgebiete an, die nach der Verkehrsauffassung typisch für die Parteien sind (vgl. BGH, Urt. v. 7.6.1990 - I ZR 298/88, GRUR 1990, 1042, 1044 f. = WRP 1991, 83 - Datacolor; GroûKomm.UWG/Teplitzky, § 16 Rdn. 369). Anhaltspunkte für eine Branchennähe können Berührungspunkte der Waren oder Dienstleistungen der Unternehmen auf den Märkten sowie Gemeinsamkeiten der Vertriebswege und der Verwendbarkeit der Produkte und Dienstleistungen sein (vgl. BGH GRUR 1990, 1042, 1044 - Datacolor ; BGH GRUR 1997, 468, 470 - NetCom). In die Tätigkeitsbereiche der Parteien einzubeziehen sind aber auch naheliegende und nicht nur theoretische Ausweitungen der Tätigkeitsbereiche (BGH, Urt. v. 29.10.1992 - I ZR 264/90, GRUR 1993, 404, 405 = WRP 1993, 175 - Columbus, insoweit nicht abgedruckt in BGHZ 120, 103). Im Einzelfall können auch Überschneidungen in Randbereichen der Unternehmenstätigkeiten zu berücksichtigen sein (vgl. BGH GRUR 1990, 1042, 1045 - Datacolor; GroûKomm.UWG /Teplitzky, § 16 Rdn. 369; Ingerl/Rohnke aaO § 15 Rdn. 54).
Das Berufungsgericht hat die Berührungspunkte der Dienstleistungen der Parteien deshalb als nur sehr geringfügig eingestuft, weil die Tätigkeitsbereiche der Parteien bildlich betrachtet an entgegenstehenden Punkten der Geschäftsbeziehungen ansetzen, und zwar bei der Klägerin an deren Beginn und bei der Beklagten an deren Ende. Diesem Unterschied der Dienstleistung der Parteien hat das Berufungsgericht jedoch ein zu groûes Gewicht beigemessen.
Denn das Berufungsgericht hat auch festgestellt, daû die Klägerin sich im Marketingbereich für andere Unternehmen betätigt und dabei zum Zwecke der Absatzförderung für ihre Kunden ein von ihr betriebenes Call-Center einsetzt. Den Einsatz eines Call-Centers hat das Berufungsgericht für die Tätigkeit der Beklagten sogar als prägend angesehen und angenommen, deren besonderes Konzept bestehe in der direkten Ansprache der Schuldner, die nach der Darstellung der Beklagten nicht nur dazu diene, die Schuldner zu Zahlungen zu bewegen, sondern sie auch den Auftraggebern (Gläubigern) als Vertragspartnern zu erhalten. Der Betrieb von Call-Centern durch die Parteien erweist sich danach nicht als Nutzung eines bloûen technischen Hilfsmittels. Vielmehr stellt die direkte Ansprache mit Hilfe von Call-Centern eine Gemeinsamkeit der Dienstleistung der Parteien für ihre Kunden dar, die über eine vom Berufungsgericht angenommene äuûerst geringe Branchennähe hinausgeht.
Ein Indiz für Berührungspunkte der Dienstleistungen der Parteien ist auch der Auftritt der Beklagten im Jahre 1997 auf der "DIMA", einer Messe für Direktmarketing, deren Gegenstand sich mit dem Leistungsangebot der Klägerin deckt.
Ist das Berufungsgericht von einem zu geringen Grad der Zeichenähnlichkeit und der Branchennähe ausgegangen, kann die Verneinung der Gefahr von Verwechslungen der sich gegenüberstehenden Zeichen keinen Bestand haben. Der Tatrichter wird danach den Grad der Branchennähe der Parteien auf der Grundlage der vorstehenden Ausführungen festzustellen und die Verwechslungsgefahr neu zu beurteilen haben. Dabei wird er zu berücksichtigen haben, daû die Klägerin in der Revisionsinstanz ihre Firma geändert hat. Dies erfordert eine vom Berufungsgericht vorzunehmende Beurteilung, ob dem Be-
standteil "defacto" in der neuen Firma der Klägerin wiederum isoliert kennzeichenrechtlicher Schutz zukommt.
Sollte das Berufungsgericht im erneut eröffneten Berufungsrechtszug eine unmittelbare Verwechslungsgefahr im engeren Sinne nicht bejahen, wird es auf der Grundlage des noch festzustellenden Grades der Branchennähe erneut zu beurteilen haben, ob eine unmittelbare Verwechslungsgefahr im weiteren Sinne vorliegt.
Von ihr ist - wie vom Berufungsgericht im rechtlichen Ansatz zutreffend angenommen - auszugehen, wenn der Verkehr zwar die Bezeichnungen selbst und die durch sie gekennzeichneten Unternehmen auseinanderhalten kann, aus den sich gegenüberstehenden Zeichen aber auf organisatorische oder wirtschaftliche Zusammenhänge folgert (vgl. BGHZ 130, 134, 138 - Altenburger Spielkartenfabrik; BGH GRUR 1999, 492, 494 - Altberliner; BGH, Urt. v. 20.10.1999 - I ZR 110/97, GRUR 2000, 608, 610 = WRP 2000, 529 - ARD-1).

c) Die Annahme des Berufungsgerichts, der Klägerin stehe auch kein gegen die Führung der Internet-Adresse "www.defacto.de" gerichteter Unterlassungsanspruch zu, kann danach ebenfalls keinen Bestand haben.
aa) Die rechtliche Beurteilung dieses Anspruchs der Klägerin richtet sich nach dem Inkrafttreten des Markengesetzes zum 1. Januar 1995 nach §§ 15, 5 MarkenG. Die neue Regelung schlieût in ihrem Anwendungsbereich als lex specialis den allgemeinen, aus Generalklauseln abgeleiteten Schutz aus (vgl. BGH, Urt. v. 22.11.2001 - I ZR 138/99, WRP 2002, 694, 696 f. - shell.de, zur Veröffentlichung in BGHZ vorgesehen).

bb) Der Anspruch der Klägerin nach § 15 Abs. 2, Abs. 4, § 5 MarkenG, der Beklagten zu untersagen, die Internet-Adresse "www.defacto.de" zu benutzen , setzt voraus, daû die Beklagte den Bestandteil "Defacto" in der Firma unberechtigt benutzt (vgl. Abschn. II 1 b). Andernfalls ist von dem Grundsatz auszugehen : Sind mehrere Unternehmen berechtigt, ein Zeichen zu führen, kommen sie sämtlich als Inhaber eines unter Verwendung des Zeichens gebildeten Domain-Namens (Internet-Adresse) in Betracht. In diesem Fall gilt für die Eintragung und Verwendung des Zeichens die Priorität der Registrierung als Domain -Name (vgl. BGH, Urt. v. 17.5.2001 - I ZR 216/99, GRUR 2001, 1061, 1064 = WRP 2001, 1286 - Mitwohnzentrale.de; BGH WRP 2002, 694, 698 - shell.de). Nicht maûgeblich ist dagegen, welches Unternehmen über ein prioritätsälteres Recht an dem Unternehmenskennzeichen im Sinne des § 6 Abs. 3 MarkenG verfügt.
2. Das Berufungsurteil kann ebenfalls nicht aufrechterhalten werden, soweit die Klage auf Einwilligung in die Löschung des Firmenbestandteils "Defacto" in der Firmierung der Beklagten abgewiesen worden ist. Bei dem Anspruch auf Einwilligung in die Löschung des Firmenbestandteils handelt es sich um einen aus markenrechtlichen Bestimmungen abgeleiteten Beseitigungsanspruch (zum Beseitigungsanspruch vgl. BGH, Urt. v. 25.1.2001 - I ZR 120/98, GRUR 2001, 420, 422 = WRP 2001, 546 - SPA). Ob der Klägerin ein markenrechtlicher Unterlassungsanspruch nach §§ 15, 5 MarkenG gegen die Beklagte zusteht, steht aber nicht fest.
III. Auf die Revision der Klägerin war danach das Berufungsurteil aufzuheben und die Sache zur anderweiten Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Revision, an das Berufungsgericht zurückzuverweisen.
Erdmann v. Ungern-Sternberg Bornkamm
Pokrant Büscher

(1) Wer als Vertreter einen Vertrag geschlossen hat, ist, sofern er nicht seine Vertretungsmacht nachweist, dem anderen Teil nach dessen Wahl zur Erfüllung oder zum Schadensersatz verpflichtet, wenn der Vertretene die Genehmigung des Vertrags verweigert.

(2) Hat der Vertreter den Mangel der Vertretungsmacht nicht gekannt, so ist er nur zum Ersatz desjenigen Schadens verpflichtet, welchen der andere Teil dadurch erleidet, dass er auf die Vertretungsmacht vertraut, jedoch nicht über den Betrag des Interesses hinaus, welches der andere Teil an der Wirksamkeit des Vertrags hat.

(3) Der Vertreter haftet nicht, wenn der andere Teil den Mangel der Vertretungsmacht kannte oder kennen musste. Der Vertreter haftet auch dann nicht, wenn er in der Geschäftsfähigkeit beschränkt war, es sei denn, dass er mit Zustimmung seines gesetzlichen Vertreters gehandelt hat.

(1) Wer vorsätzlich oder fahrlässig das Leben, den Körper, die Gesundheit, die Freiheit, das Eigentum oder ein sonstiges Recht eines anderen widerrechtlich verletzt, ist dem anderen zum Ersatz des daraus entstehenden Schadens verpflichtet.

(2) Die gleiche Verpflichtung trifft denjenigen, welcher gegen ein den Schutz eines anderen bezweckendes Gesetz verstößt. Ist nach dem Inhalt des Gesetzes ein Verstoß gegen dieses auch ohne Verschulden möglich, so tritt die Ersatzpflicht nur im Falle des Verschuldens ein.

(1) Wer in der Absicht, sich oder einem Dritten einen rechtswidrigen Vermögensvorteil zu verschaffen, das Vermögen eines anderen dadurch beschädigt, daß er durch Vorspiegelung falscher oder durch Entstellung oder Unterdrückung wahrer Tatsachen einen Irrtum erregt oder unterhält, wird mit Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder mit Geldstrafe bestraft.

(2) Der Versuch ist strafbar.

(3) In besonders schweren Fällen ist die Strafe Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu zehn Jahren. Ein besonders schwerer Fall liegt in der Regel vor, wenn der Täter

1.
gewerbsmäßig oder als Mitglied einer Bande handelt, die sich zur fortgesetzten Begehung von Urkundenfälschung oder Betrug verbunden hat,
2.
einen Vermögensverlust großen Ausmaßes herbeiführt oder in der Absicht handelt, durch die fortgesetzte Begehung von Betrug eine große Zahl von Menschen in die Gefahr des Verlustes von Vermögenswerten zu bringen,
3.
eine andere Person in wirtschaftliche Not bringt,
4.
seine Befugnisse oder seine Stellung als Amtsträger oder Europäischer Amtsträger mißbraucht oder
5.
einen Versicherungsfall vortäuscht, nachdem er oder ein anderer zu diesem Zweck eine Sache von bedeutendem Wert in Brand gesetzt oder durch eine Brandlegung ganz oder teilweise zerstört oder ein Schiff zum Sinken oder Stranden gebracht hat.

(4) § 243 Abs. 2 sowie die §§ 247 und 248a gelten entsprechend.

(5) Mit Freiheitsstrafe von einem Jahr bis zu zehn Jahren, in minder schweren Fällen mit Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu fünf Jahren wird bestraft, wer den Betrug als Mitglied einer Bande, die sich zur fortgesetzten Begehung von Straftaten nach den §§ 263 bis 264 oder 267 bis 269 verbunden hat, gewerbsmäßig begeht.

(6) Das Gericht kann Führungsaufsicht anordnen (§ 68 Abs. 1).

(7) (weggefallen)

*

(1) Leistet der Schuldner auf eine Mahnung des Gläubigers nicht, die nach dem Eintritt der Fälligkeit erfolgt, so kommt er durch die Mahnung in Verzug. Der Mahnung stehen die Erhebung der Klage auf die Leistung sowie die Zustellung eines Mahnbescheids im Mahnverfahren gleich.

(2) Der Mahnung bedarf es nicht, wenn

1.
für die Leistung eine Zeit nach dem Kalender bestimmt ist,
2.
der Leistung ein Ereignis vorauszugehen hat und eine angemessene Zeit für die Leistung in der Weise bestimmt ist, dass sie sich von dem Ereignis an nach dem Kalender berechnen lässt,
3.
der Schuldner die Leistung ernsthaft und endgültig verweigert,
4.
aus besonderen Gründen unter Abwägung der beiderseitigen Interessen der sofortige Eintritt des Verzugs gerechtfertigt ist.

(3) Der Schuldner einer Entgeltforderung kommt spätestens in Verzug, wenn er nicht innerhalb von 30 Tagen nach Fälligkeit und Zugang einer Rechnung oder gleichwertigen Zahlungsaufstellung leistet; dies gilt gegenüber einem Schuldner, der Verbraucher ist, nur, wenn auf diese Folgen in der Rechnung oder Zahlungsaufstellung besonders hingewiesen worden ist. Wenn der Zeitpunkt des Zugangs der Rechnung oder Zahlungsaufstellung unsicher ist, kommt der Schuldner, der nicht Verbraucher ist, spätestens 30 Tage nach Fälligkeit und Empfang der Gegenleistung in Verzug.

(4) Der Schuldner kommt nicht in Verzug, solange die Leistung infolge eines Umstands unterbleibt, den er nicht zu vertreten hat.

(5) Für eine von den Absätzen 1 bis 3 abweichende Vereinbarung über den Eintritt des Verzugs gilt § 271a Absatz 1 bis 5 entsprechend.

*

(1) Eine Geldschuld ist während des Verzugs zu verzinsen. Der Verzugszinssatz beträgt für das Jahr fünf Prozentpunkte über dem Basiszinssatz.

(2) Bei Rechtsgeschäften, an denen ein Verbraucher nicht beteiligt ist, beträgt der Zinssatz für Entgeltforderungen neun Prozentpunkte über dem Basiszinssatz.

(3) Der Gläubiger kann aus einem anderen Rechtsgrund höhere Zinsen verlangen.

(4) Die Geltendmachung eines weiteren Schadens ist nicht ausgeschlossen.

(5) Der Gläubiger einer Entgeltforderung hat bei Verzug des Schuldners, wenn dieser kein Verbraucher ist, außerdem einen Anspruch auf Zahlung einer Pauschale in Höhe von 40 Euro. Dies gilt auch, wenn es sich bei der Entgeltforderung um eine Abschlagszahlung oder sonstige Ratenzahlung handelt. Die Pauschale nach Satz 1 ist auf einen geschuldeten Schadensersatz anzurechnen, soweit der Schaden in Kosten der Rechtsverfolgung begründet ist.

(6) Eine im Voraus getroffene Vereinbarung, die den Anspruch des Gläubigers einer Entgeltforderung auf Verzugszinsen ausschließt, ist unwirksam. Gleiches gilt für eine Vereinbarung, die diesen Anspruch beschränkt oder den Anspruch des Gläubigers einer Entgeltforderung auf die Pauschale nach Absatz 5 oder auf Ersatz des Schadens, der in Kosten der Rechtsverfolgung begründet ist, ausschließt oder beschränkt, wenn sie im Hinblick auf die Belange des Gläubigers grob unbillig ist. Eine Vereinbarung über den Ausschluss der Pauschale nach Absatz 5 oder des Ersatzes des Schadens, der in Kosten der Rechtsverfolgung begründet ist, ist im Zweifel als grob unbillig anzusehen. Die Sätze 1 bis 3 sind nicht anzuwenden, wenn sich der Anspruch gegen einen Verbraucher richtet.

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
VIII ZR 86/06 Verkündet am:
7. März 2007
Ermel
Justizangestellte
als Urkundsbeamtin
der Geschäftsstelle
in dem Rechtsstreit
Nachschlagewerk: ja
BGHZ: nein
BGHR: ja
RVG VV Nr. 3100 Vorbemerkung 3 Abs. 4
Ist nach der Vorbemerkung 3 Abs. 4 zu Nr. 3100 VV RVG eine wegen desselben
Gegenstands entstandene Geschäftsgebühr anteilig auf die Verfahrensgebühr des
gerichtlichen Verfahrens anzurechnen, so vermindert sich nicht die bereits entstandene
Geschäftsgebühr, sondern die in dem anschließenden gerichtlichen Verfahren
anfallende Verfahrensgebühr.
BGH, Urteil vom 7. März 2007 - VIII ZR 86/06 - LG Bonn
AG Siegburg
Der VIII. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat auf die mündliche Verhandlung
vom 7. März 2007 durch den Vorsitzenden Richter Ball, die Richter Wiechers,
Dr. Wolst und Dr. Koch sowie die Richterin Dr. Hessel

für Recht erkannt:
Auf die Revision des Klägers wird unter Zurückweisung des weitergehenden Rechtsmittels das Urteil der 6. Zivilkammer des Landgerichts Bonn vom 2. März 2006 im Kostenpunkt und insoweit aufgehoben, als die Berufung des Klägers zurückgewiesen worden ist. Auf die Berufung des Klägers wird das Urteil des Amtsgerichts Siegburg vom 16. November 2005 teilweise abgeändert. Die Beklagten werden als Gesamtschuldner verurteilt, an den Kläger weitere 254,96 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 21. Juli 2005 zu zahlen. Die Kosten der Rechtsmittelverfahren tragen die Beklagten zu 3/5, der Kläger zu 2/5.
Von Rechts wegen

Tatbestand:

1
Die Beklagten waren Mieter einer Wohnung des Klägers in T. . Nachdem die Beklagten mehrere Monate keine Miete mehr gezahlt hatten, kündigte der Kläger mit Schreiben seines späteren Prozessbevollmächtigten vom 4. Juli 2005 das Mietverhältnis fristlos und forderte die Beklagten zur Räumung der Wohnung bis spätestens 22. Juli 2005 auf.
2
Da die Beklagten weder die behaupteten Mietrückstände bezahlten noch die Wohnung räumten, machte der Kläger Ansprüche auf Zahlung rückständiger Miete und anteiliger Betriebskosten gerichtlich geltend, ebenso sein Verlangen auf Räumung und Herausgabe der Mietwohnung. Zusätzlich verlangte er die Erstattung der ihm für das Kündigungsschreiben in Rechnung gestellten vorgerichtlichen Gebühren seines Prozessbevollmächtigten in Höhe von 700,29 €.
3
Das Amtsgericht hat die Beklagten antragsgemäß zur Räumung, zur Zahlung rückständiger Miete und offener Forderungen aus Betriebskostenabrechnungen sowie zur Zahlung von 277,94 € für die durch die anwaltliche Kündigung vorprozessual entstandenen Rechtsverfolgungskosten verurteilt. Hinsichtlich der weitergehend geltend gemachten vorgerichtlichen Kosten (422,35 €) hat es die Klage abgewiesen. Die vom Amtsgericht zugelassene Berufung des Klägers hat das Landgericht in Höhe eines Betrages von 167,39 € als unzulässig verworfen und im Übrigen zurückgewiesen.
4
Mit seiner vom Berufungsgericht zugelassenen Revision verfolgt der Kläger sein Begehren auf Verurteilung der Beklagten zur Zahlung des Restbetrages von 422,35 € weiter.

Entscheidungsgründe:

5
Die Revision hat Erfolg in Höhe von 254,96 €. Darüber hinaus ist das Rechtsmittel unbegründet.

I.

6
Das Berufungsgericht (LG Bonn NZM 2006, 658) hat, soweit in der Revisionsinstanz noch von Interesse, ausgeführt:
7
In Höhe eines Betrages von 167,39 € sei die Berufung unzulässig, weil der Kläger sein Rechtsmittel insoweit nicht begründet habe. Die Abweisung der Klage in dieser Höhe in erster Instanz beruhe darauf, dass das Amtsgericht für die vorgerichtliche Rechtsverfolgung lediglich einen Gegenstandswert von 5.052 € angenommen habe und nicht, wie der Kläger, von 8.112 €.
8
Soweit die Berufung zulässig sei, sei sie unbegründet. Bei einem Gegenstandswert von 5.052 € für die Geschäftsgebühr belaufe sich diese samt Auslagenpauschale und Umsatzsteuer auf 532,90 €. Da das Amtsgericht bereits insoweit 277,94 € zuerkannt habe, sei im Rahmen der zulässig begründeten Berufung allein noch zu entscheiden, ob dem Kläger weitere 254,96 € zustünden. Dies sei zu verneinen. Zwar habe das Amtsgericht zutreffend einen Schadensersatzanspruch gemäß §§ 280, 286 BGB angenommen. Die Beklagten hätten ihre vertraglichen Pflichten nicht erfüllt und dadurch dem Kläger Anlass zur fristlosen Kündigung gegeben. Zu dem deshalb ersatzfähigen Schaden gehörten auch die Kosten einer angemessenen Rechtsverfolgung mit Hilfe eines Anwalts. Der mit der Berufung geltend gemachte Anspruch scheitere jedoch teilweise daran, dass das angefallene Anwaltshonorar für das vorprozessuale Kündigungsschreiben der hälftigen Anrechnung gemäß Vorbemerkung 3 Abs. 4 zu Nr. 3100 VV RVG unterliege. Diese Vorschrift sei einschlägig, weil das Kündigungsschreiben und die im Rechtsstreit entfaltete Tätigkeit denselben Gegenstand beträfen.

II.

9
1. Die Revision ist unbegründet, soweit sich der Kläger gegen die Verwerfung seiner Berufung in Höhe eines Betrages von 167,39 € wendet. Zutreffend hat das Landgericht die Berufung des Klägers in diesem Umfang für unzulässig gehalten. Nach § 520 Abs. 3 Satz 2 Nrn. 2 und 3 ZPO soll eine Berufungsbegründung aus sich heraus verständlich sein und erkennen lassen, aus welchen tatsächlichen oder rechtlichen Gründen der Berufungskläger das angefochtene Urteil für unrichtig hält (BGH, Urteil vom 18. Juni 1998 - IX ZR 389/97, NJW 1998, 3126, unter 1). Ausführungen dazu, dass und weshalb die Annahme des Amtsgerichts fehlerhaft sei, der Gegenstandswert betrage lediglich 5.052 €, enthält die Berufungsbegründung nicht. Ohne Erfolg verweist die Revision in diesem Zusammenhang darauf, der Kläger habe seinen Schaden unter Bezugnahme auf die anwaltliche Kostennote, die er auch zum Gegenstand des Berufungsverfahrens gemacht habe, beziffert. Es genügt den an eine Berufungsbegründung zu stellenden Anforderungen nicht, wenn der Rechtsmittelführer - wie hier - lediglich pauschal ausführt, er wolle sein erstinstanzliches Begehren weiterverfolgen (BGH, Urteil vom 18. Juni 1998, aaO, unter 2 b).
10
2. Erfolgreich ist die Revision hingegen, soweit sie sich gegen die Zurückweisung der Berufung bezüglich des verbleibenden Zahlungsantrags in Höhe von 254,96 € wendet. Zu Unrecht hat das Berufungsgericht wegen der Anrechnungsvorschrift nach Vorbemerkung 3 Abs. 4 zu Nr. 3100 VV RVG einen Anspruch des Klägers verneint. Dabei kommt es nicht auf die vom Landgericht für erheblich gehaltene Frage an, ob die vorgerichtliche und die nachfolgende gerichtliche Tätigkeit des Prozessbevollmächtigten des Klägers im Sinne der genannten Vorschrift denselben Gegenstand betreffen.
11
a) Nach der genannten Regelung ist unter der Voraussetzung, dass es sich um denselben Gegenstand handelt, eine entstandene Geschäftsgebühr teilweise auf die spätere Verfahrensgebühr des gerichtlichen Verfahrens anzurechnen. Danach bleibt eine bereits entstandene Geschäftsgebühr unangetastet. Durch die hälftige Anrechnung verringert sich eine (später) nach Nr. 3100 VV RVG angefallene Verfahrensgebühr. Nach dem Gesetzeswortlaut ist die gerichtliche Verfahrensgebühr zu mindern, nicht die vorgerichtliche Geschäftsgebühr (so auch BayVGH NJW 2006, 1990; Schultze-Rhonhof, RVGreport 2005, 374; Hansens, RVGreport 2005, 392).
12
Soweit in der Rechtsprechung eine Anrechnung der Geschäftsgebühr auf die Verfahrensgebühr abgelehnt und stattdessen eine hälftige Anrechnung der Verfahrensgebühr auf die Geschäftsgebühr befürwortet wird (z.B. KG JurBüro 2006, 202; OVG NRW NJW 2006, 1991, wobei übersehen wird, dass der Kostenschuldner durch die gegenteilige Auffassung nicht begünstigt wird, weil er einem materiell-rechtlichen Kostenerstattungsanspruch ausgesetzt ist), mögen dafür prozessökonomische Gründe sprechen. Denn bei einer Anrechnung auf die Verfahrensgebühr wird die obsiegende Partei darauf verwiesen, die volle Geschäftsgebühr gegen die unterlegene Partei - gegebenenfalls gerichtlich - geltend zu machen, weil die Geschäftsgebühr nach Nr. 2300 VV RVG - anders als die Verfahrensgebühr - im Kostenfestsetzungsverfahren nach §§ 103, 104 ZPO nicht berücksichtigt werden kann. Gründe der Prozessökonomie gestatten es jedoch nicht, ein Gesetz gegen seinen klaren Wortlaut anzuwenden.
13
b) Das Berufungsurteil kann somit keinen Bestand haben, soweit die Berufung des Klägers in Höhe des zuletzt genannten Betrages von 254,96 € zu- rückgewiesen worden ist (§ 562 Abs. 1 ZPO). Da weitere Feststellungen nicht zu erwarten sind und die Sache zur Endentscheidung reif ist, hat der Senat in der Sache selbst zu entscheiden (§ 563 Abs. 3 ZPO). Dem Kläger steht ein Anspruch auf die Zahlung weiterer 254,96 € nach § 280 Abs. 1, 2, § 286 BGB zu. Da die Anrechnung, wie ausgeführt, nicht auf die Geschäftsgebühr stattfindet, ist dem Kläger der Restbetrag zuzuerkennen. Ball Wiechers Dr.Wolst Dr.Hessel Dr.Koch
Vorinstanzen:
AG Siegburg, Entscheidung vom 16.11.2005 - 117 C 201/05 -
LG Bonn, Entscheidung vom 02.03.2006 - 6 S 279/05 -

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
IV ZB 16/08
vom
25. Juli 2008
in dem Rechtsstreit
Der IV. Zivilsenat des Bundesgerichtshofes hat durch den Vorsitzenden
Richter Terno, die Richter Seiffert, Wendt, die Richterin
Dr. Kessal-Wulf und den Richter Felsch
am 25. Juli 2008

beschlossen:
Auf die Rechtsbeschwerde der Beklagten werden der Beschluss des 3. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Dresden vom 25. März 2008 und der Kostenfestsetzungsbeschluss des Landgerichts Dresden vom 16. Januar 2008 teilweise geändert: Die vom Kläger an die Beklagte zu erstattenden Kosten werden auf 354,63 € festgesetzt.
Der weitergehende Kostenfestsetzungsantrag des Klägers wird zurückgewiesen.
Die Kosten des Rechtsbeschwerdeverfahrens fallen dem Kläger zur Last. Die Kosten der sofortigen Beschwerde werden gegeneinander aufgehoben.
Wert: 697,70 €

Gründe:


1
I. Der Kläger hat die Beklagte auf Leistungen aus einer Berufsunfähigkeitsversicherung in Anspruch genommen und zudem die Feststellung begehrt, dass der Versicherungsvertrag nicht durch Anfechtung beendet ist. Überdies hat er mit seinem Klagantrag zu 5) die Verurteilung der Beklagten erstrebt, ihn von "nicht anzurechnenden außergerichtlichen Gebühren" in Höhe von 721, 50 € freizustellen mit der Begründung, seine späteren Prozessbevollmächtigten seien bereits vorgerichtlich für ihn tätig geworden. Sie hätten dafür eine 1,3 Geschäftsgebühr nach Nr. 2300 VV RVG nebst einer Auslagenpauschale nach Nr. 7002 VV RVG zzgl. MwSt. verdient.
2
Der Rechtsstreit ist vor dem Landgericht durch Vergleich beendet worden. Die Beklagte hat danach an den Kläger zur Abgeltung aller wechselseitigen Ansprüche aus dem streitbefangenen, von den Parteien für beendet erklärten Versicherungsverhältnis 15.000 € zu zahlen. Die Kosten des Rechtsstreits mit einem Streitwert von 35.827,82 € sind vom Kläger zu 60% und von der Beklagten zu 40% zu tragen.
3
Im anschließenden Kostenfestsetzungsverfahren haben beide Parteien Anträge auf Kostenausgleichung gestellt. Der Kläger hat einen Betrag von 3.780,63 € angemeldet, der eine 1,3 Verfahrensgebühr nach Nr. 3100 VV RVG beinhaltet, die Beklagte einen Betrag von 3.177 €. Die Rechtspflegerin des Landgerichts hat unter Einbeziehung ebenfalls auszugleichender gerichtlicher Gebühren die vom Kläger an die Beklagte zu erstattenden Kosten auf 75,55 € festgesetzt.
4
Dagegen hat sich die Beklagte mit ihrer sofortigen Beschwerde gewandt. Der Kläger habe mit seinem Klagantrag zu 5) eine volle Verfahrensgebühr geltend gemacht; diese sei mit dem vergleichsweise zu zahlenden Betrag von 15.000 € abgegolten. Eine nochmalige Berücksichtigung der 1,3 Verfahrensgebühr im Kostenfestsetzungsverfahren komme nicht in Betracht. Das Oberlandesgericht hat die Beschwerde zurückgewiesen. Mit der Rechtsbeschwerde verfolgt die Beklagte ihr Begehren insoweit weiter, als nach ihrer Auffassung die Verfahrensgebühr mit nur 0,65 anzusetzen ist.
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II. Die gemäß § 574 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 ZPO statthafte Beschwerde ist auch im Übrigen zulässig. Sie hat darüber hinaus in der Sache Erfolg.
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1. Das Oberlandesgericht hat ausgeführt: Es sei nicht die Verfahrensgebühr , sondern allein die vorprozessuale Geschäftsgebühr (zur Hälfte) Gegenstand der Klage gewesen. Diese hälftige Geschäftsgebühr sei unbeschadet der Regelung in Vorbem. 3 Abs. 4 zu Nr. 3100 VV RVG auf die Verfahrensgebühr nicht - auch nicht teilweise - anzurechnen. Die Prozesspartei habe die Wahl, ob sie die Kosten, die auf den nicht zu verrechnenden Teil der Gebühren entfielen, bereits im Klagewege oder - wie hier der Kläger - durch den Ansatz einer dann ungekürzten 1,3 Verfahrensgebühr im späteren Kostenfestsetzungsverfahren geltend mache.
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2. Das hält der rechtlichen Nachprüfung nicht stand.
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a) Nach Vorbem. 3 Abs. 4 zu Nr. 3100 VV RVG ist unter der - hier gegebenen - Voraussetzung, dass es sich um denselben Gegenstand handelt, eine bereits entstandene Geschäftsgebühr teilweise auf die spätere Verfahrensgebühr des gerichtlichen Verfahrens anzurechnen. Nach dem eindeutigen Wortlaut der Bestimmung ist die gerichtliche Verfahrensgebühr zu mindern, nicht hingegen die vorgerichtliche Geschäftsgebühr. Die Geschäftsgebühr bleibt also unangetastet; durch die Anrechnung verringert sich lediglich die Verfahrensgebühr nach Nr. 3100 VV RVG (vgl. Senatsbeschluss vom 16. Juli 2008 - IV ZB 24/07 - unter II 2 a; BGH, Urteile vom 7. März 2007 - VIII ZR 86/06 - NJW 2007, 2049 Tz. 11; vom 14. März 2007 - VIII ZR 184/06 - NJW 2007, 2050 Tz. 19; Beschluss vom 30. April 2008 - III ZB 8/08 - bei juris abrufbar Tz. 4). Dieser Umstand ist im Kostenfestsetzungsverfahren zwingend zu berücksichtigen. Auf Weiteres kommt es - entgegen der Auffassung des Oberlandesgerichts - nach den angeführten Entscheidungen nicht an.
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Der b) VIII. Zivilsenat hat mittlerweile auch ausdrücklich ausgesprochen , dass es für die kostenrechtliche Anrechnung ohne Bedeutung ist, ob die Geschäftsgebühr vom Prozessgegner auf materiell-rechtlicher Grundlage zu erstatten und ob sie insoweit zwischen den Parteien unstreitig geltend gemacht, tituliert oder bereits beglichen ist. Maßgebend ist, dass § 91 Abs. 2 Satz 1 ZPO für eine Kostenerstattung an die gesetzlichen Gebühren und Auslagen des Rechtsanwalts und darüber unmittelbar an die Anrechnungsbestimmung in Vorbem. 3 Abs. 4 zu Nr. 3100 VV RVG anknüpft. Entsteht die Verfahrensgebühr wegen der in der genannten Bestimmung vorgesehenen Anrechnung eines Teils der bereits vorher entstandenen Geschäftsgebühr nach Nr. 2300 VV RVG von vornherein nur in gekürzter Höhe, kommt im Rahmen der Kostenfestsetzung auch keine darüber hinausgehende Erstattung in Betracht. Für die Anrechnung und damit die von selbst einsetzende Kürzung ist entscheidend, ob und in welcher Höhe eine Geschäftsgebühr bei voraus- gesetzter Identität des Streitgegenstandes entstanden ist, der Rechtsanwalt zum Zeitpunkt des Entstehens der Verfahrensgebühr also schon einen Anspruch auf eine Geschäftsgebühr aus seinem vorprozessualen Tätigwerden erlangt hatte (vgl. Senatsbeschluss aaO unter II 2 b; BGH, Beschluss vom 22. Januar 2008 - VIII ZB 57/07 - NJW 2008, 1323 Tz. 6,

10).


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c) Das ist hier zu bejahen. Der spätere Prozessbevollmächtigte ist für den Kläger bereits vorgerichtlich tätig geworden, wie zwischen den Parteien unstreitig ist. Damit liegen die Voraussetzungen gemäß Vorbem. 3 Abs. 4 zu Nr. 3100 VV RVG vor. Die Anrechnungsvorschrift findet ihren Grund darin, dass der Gebührenanspruch unter einem aufwandsbezogenen Gesichtspunkt gekürzt wird, weil nämlich der Rechtsanwalt aufgrund seiner vorprozessualen Befassung mit der Sache in der Regel nur einen geringeren Einarbeitungs- und Vorbereitungsaufwand hat (BGH aaO, Tz. 11).
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3. Mithin hätte die Rechtspflegerin bei ihrer von der Beklagten angegriffenen Kostenfestsetzung die vom Kläger zum Kostenausgleich angemeldete 1,3 Verfahrensgebühr unter Teilanrechnung der wegen desselben Gegenstandes entstandenen Geschäftsgebühr auf eine 0,65 Verfahrensgebühr (586,30 € zzgl. MwSt, insgesamt 697,70 €) vermindern müssen. Der Kläger konnte daher nur 3.082,93 € in den Kostenausgleich einbringen (3.780,63 € abzgl. 697,70 €). Die auszugleichenden außergerichtlichen Kosten belaufen sich somit auf 6.259,93 € für beide Parteien, von denen der Kläger 60% (3.755,96 €) und die Beklagte 40% (2.503,97 €) zu zahlen haben. Insoweit beträgt der Erstattungsanspruch der Beklagten 673,03 € (3.177 € abzgl. 2.503,97 €). Dieser Betrag war nach dem unangefochten gebliebenen Ansatz der Rechtspflegerin um 318,40 € für vom Kläger verauslagte Gerichtskosten zu bereinigen, die gemäß der im Vergleich vereinbarten Kostenregelung von der Beklagten zu übernehmen sind.
Terno Seiffert Wendt
Dr. Kessal-Wulf Felsch
Vorinstanzen:
LG Dresden, Entscheidung vom 16.01.2008 - 8 O 1347/07 -
OLG Dresden, Entscheidung vom 25.03.2008 - 3 W 262/08 -

*

(1) Leistet der Schuldner auf eine Mahnung des Gläubigers nicht, die nach dem Eintritt der Fälligkeit erfolgt, so kommt er durch die Mahnung in Verzug. Der Mahnung stehen die Erhebung der Klage auf die Leistung sowie die Zustellung eines Mahnbescheids im Mahnverfahren gleich.

(2) Der Mahnung bedarf es nicht, wenn

1.
für die Leistung eine Zeit nach dem Kalender bestimmt ist,
2.
der Leistung ein Ereignis vorauszugehen hat und eine angemessene Zeit für die Leistung in der Weise bestimmt ist, dass sie sich von dem Ereignis an nach dem Kalender berechnen lässt,
3.
der Schuldner die Leistung ernsthaft und endgültig verweigert,
4.
aus besonderen Gründen unter Abwägung der beiderseitigen Interessen der sofortige Eintritt des Verzugs gerechtfertigt ist.

(3) Der Schuldner einer Entgeltforderung kommt spätestens in Verzug, wenn er nicht innerhalb von 30 Tagen nach Fälligkeit und Zugang einer Rechnung oder gleichwertigen Zahlungsaufstellung leistet; dies gilt gegenüber einem Schuldner, der Verbraucher ist, nur, wenn auf diese Folgen in der Rechnung oder Zahlungsaufstellung besonders hingewiesen worden ist. Wenn der Zeitpunkt des Zugangs der Rechnung oder Zahlungsaufstellung unsicher ist, kommt der Schuldner, der nicht Verbraucher ist, spätestens 30 Tage nach Fälligkeit und Empfang der Gegenleistung in Verzug.

(4) Der Schuldner kommt nicht in Verzug, solange die Leistung infolge eines Umstands unterbleibt, den er nicht zu vertreten hat.

(5) Für eine von den Absätzen 1 bis 3 abweichende Vereinbarung über den Eintritt des Verzugs gilt § 271a Absatz 1 bis 5 entsprechend.

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(1) Eine Geldschuld ist während des Verzugs zu verzinsen. Der Verzugszinssatz beträgt für das Jahr fünf Prozentpunkte über dem Basiszinssatz.

(2) Bei Rechtsgeschäften, an denen ein Verbraucher nicht beteiligt ist, beträgt der Zinssatz für Entgeltforderungen neun Prozentpunkte über dem Basiszinssatz.

(3) Der Gläubiger kann aus einem anderen Rechtsgrund höhere Zinsen verlangen.

(4) Die Geltendmachung eines weiteren Schadens ist nicht ausgeschlossen.

(5) Der Gläubiger einer Entgeltforderung hat bei Verzug des Schuldners, wenn dieser kein Verbraucher ist, außerdem einen Anspruch auf Zahlung einer Pauschale in Höhe von 40 Euro. Dies gilt auch, wenn es sich bei der Entgeltforderung um eine Abschlagszahlung oder sonstige Ratenzahlung handelt. Die Pauschale nach Satz 1 ist auf einen geschuldeten Schadensersatz anzurechnen, soweit der Schaden in Kosten der Rechtsverfolgung begründet ist.

(6) Eine im Voraus getroffene Vereinbarung, die den Anspruch des Gläubigers einer Entgeltforderung auf Verzugszinsen ausschließt, ist unwirksam. Gleiches gilt für eine Vereinbarung, die diesen Anspruch beschränkt oder den Anspruch des Gläubigers einer Entgeltforderung auf die Pauschale nach Absatz 5 oder auf Ersatz des Schadens, der in Kosten der Rechtsverfolgung begründet ist, ausschließt oder beschränkt, wenn sie im Hinblick auf die Belange des Gläubigers grob unbillig ist. Eine Vereinbarung über den Ausschluss der Pauschale nach Absatz 5 oder des Ersatzes des Schadens, der in Kosten der Rechtsverfolgung begründet ist, ist im Zweifel als grob unbillig anzusehen. Die Sätze 1 bis 3 sind nicht anzuwenden, wenn sich der Anspruch gegen einen Verbraucher richtet.

(1) Wenn jede Partei teils obsiegt, teils unterliegt, so sind die Kosten gegeneinander aufzuheben oder verhältnismäßig zu teilen. Sind die Kosten gegeneinander aufgehoben, so fallen die Gerichtskosten jeder Partei zur Hälfte zur Last.

(2) Das Gericht kann der einen Partei die gesamten Prozesskosten auferlegen, wenn

1.
die Zuvielforderung der anderen Partei verhältnismäßig geringfügig war und keine oder nur geringfügig höhere Kosten veranlasst hat oder
2.
der Betrag der Forderung der anderen Partei von der Festsetzung durch richterliches Ermessen, von der Ermittlung durch Sachverständige oder von einer gegenseitigen Berechnung abhängig war.

(1) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen der Partei zur Last, die es eingelegt hat.

(2) Die Kosten des Rechtsmittelverfahrens sind der obsiegenden Partei ganz oder teilweise aufzuerlegen, wenn sie auf Grund eines neuen Vorbringens obsiegt, das sie in einem früheren Rechtszug geltend zu machen imstande war.

(3) (weggefallen)

Ist das Versäumnisurteil in gesetzlicher Weise ergangen, so sind die durch die Versäumnis veranlassten Kosten, soweit sie nicht durch einen unbegründeten Widerspruch des Gegners entstanden sind, der säumigen Partei auch dann aufzuerlegen, wenn infolge des Einspruchs eine abändernde Entscheidung erlassen wird.

Für vorläufig vollstreckbar ohne Sicherheitsleistung sind zu erklären:

1.
Urteile, die auf Grund eines Anerkenntnisses oder eines Verzichts ergehen;
2.
Versäumnisurteile und Urteile nach Lage der Akten gegen die säumige Partei gemäß § 331a;
3.
Urteile, durch die gemäß § 341 der Einspruch als unzulässig verworfen wird;
4.
Urteile, die im Urkunden-, Wechsel- oder Scheckprozess erlassen werden;
5.
Urteile, die ein Vorbehaltsurteil, das im Urkunden-, Wechsel- oder Scheckprozess erlassen wurde, für vorbehaltlos erklären;
6.
Urteile, durch die Arreste oder einstweilige Verfügungen abgelehnt oder aufgehoben werden;
7.
Urteile in Streitigkeiten zwischen dem Vermieter und dem Mieter oder Untermieter von Wohnräumen oder anderen Räumen oder zwischen dem Mieter und dem Untermieter solcher Räume wegen Überlassung, Benutzung oder Räumung, wegen Fortsetzung des Mietverhältnisses über Wohnraum auf Grund der §§ 574 bis 574b des Bürgerlichen Gesetzbuchs sowie wegen Zurückhaltung der von dem Mieter oder dem Untermieter in die Mieträume eingebrachten Sachen;
8.
Urteile, die die Verpflichtung aussprechen, Unterhalt, Renten wegen Entziehung einer Unterhaltsforderung oder Renten wegen einer Verletzung des Körpers oder der Gesundheit zu entrichten, soweit sich die Verpflichtung auf die Zeit nach der Klageerhebung und auf das ihr vorausgehende letzte Vierteljahr bezieht;
9.
Urteile nach §§ 861, 862 des Bürgerlichen Gesetzbuchs auf Wiedereinräumung des Besitzes oder auf Beseitigung oder Unterlassung einer Besitzstörung;
10.
Berufungsurteile in vermögensrechtlichen Streitigkeiten. Wird die Berufung durch Urteil oder Beschluss gemäß § 522 Absatz 2 zurückgewiesen, ist auszusprechen, dass das angefochtene Urteil ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar ist;
11.
andere Urteile in vermögensrechtlichen Streitigkeiten, wenn der Gegenstand der Verurteilung in der Hauptsache 1.250 Euro nicht übersteigt oder wenn nur die Entscheidung über die Kosten vollstreckbar ist und eine Vollstreckung im Wert von nicht mehr als 1.500 Euro ermöglicht.

Die in den §§ 711, 712 zugunsten des Schuldners zugelassenen Anordnungen sollen nicht ergehen, wenn die Voraussetzungen, unter denen ein Rechtsmittel gegen das Urteil stattfindet, unzweifelhaft nicht vorliegen.