Saarländisches Oberlandesgericht Saarbrücken Urteil, 14. Nov. 2012 - 5 U 343/10; 5 U 343/10 - 55

bei uns veröffentlicht am14.11.2012

Tenor

I. Auf die Berufung des Klägers wird das am 23.6.2010 verkündete Urteil des Landgerichts Saarbrücken – 12 O 331/09 – aufgehoben und wie folgt neu gefasst:

1. Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger für den Zeitraum vom 1.12.2009 bis zum 31.7.2011 einen Betrag in Höhe von 5.618 EUR zu zahlen nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz ab dem 13.7.2011.

2. Es wird festgestellt, dass die Beklagte weiter verpflichtet ist, dem Kläger ab dem 1.8.2011 aus der Berufsunfähigkeits-Zusatzversicherung zur Rentenversicherung, Versicherungsschein Nr. 1111111, eine monatliche BU-Rente in Höhe von 302,70 EUR zu zahlen, zahlbar monatlich im Voraus, längstens bis zum 30.11.2029.

3. Es wird festgestellt, dass die Beklagte verpflichtet ist, den Kläger ab dem 12.11.2009 von der Beitragszahlungspflicht für die Rentenversicherung nebst Berufsunfähigkeits-Zusatzversicherung zur Versicherungsschein-Nummer 1111111-35 in Höhe von 71,31 EUR abzüglich der laufenden Verrechnung nicht garantierter Überschussanteile freizustellen, längstens bis zum 30.11.2029.

4. Es wird festgestellt, dass die Berufsunfähigkeits-Zusatzversicherung zum Versicherungsschein Nr. 1111111-35 unverändert fortbesteht, insbesondere nicht durch die Anfechtungserklärung der Beklagten vom 3.8.2009 weggefallen ist.

5. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

II. Die Berufung im Übrigen wird zurückgewiesen.

III. Die Kosten des Rechtsstreits trägt die Beklagte.

IV. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Die Beklagte darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 115 % des vollstreckbaren Betrags abwenden, wenn nicht der Kläger zuvor in gleicher Höhe Sicherheit leistet.

V. Die Revision wird nicht zugelassen.

VI. Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird festgesetzt auf 24.110,62 EUR. Der Streitwert für die erste Instanz wird – in Abänderung des Beschlusses des Landgerichts vom 27.7.2010 – festgesetzt auf 18.231,60 EUR.

Gründe

I.

Gegenstand des Rechtsstreits sind Ansprüche auf Leistungen aus einer Berufsunfähigkeits-Zusatzversicherung (Versicherungsschein Nr. 1111111-35 vom 10.12.2002, Bl. 18 d.A.) wegen ab dem 6.1.2009 behaupteter Berufsunfähigkeit des Klägers.

Der Kläger – bis zur Aufgabe seiner Berufstätigkeit als CNC-Dreher und Zerspanungsmechaniker tätig – unterhält mehrere Versicherungsverträge bei der Beklagten. Sämtliche Verträge hatte die Zeugin Sch., Versicherungsagentin der Beklagten, vermittelt. Seit dem Jahr 1994 mit Vertragsablauf zum Jahr 2014 bestand unter der Versicherungsnummer 2222222 Berufsunfähigkeitsschutz mit einer jährlichen Berufsunfähigkeitsrente von 2.454,20 EUR.

Im April 2002 stieß der Kläger seinen rechten Ellbogen an einer Maschine, woraufhin sich das Ellbogengelenk entzündete und er eine Woche krankgeschrieben wurde. Die Entzündung trat im August 2002 erneut auf, der Arm wurde ruhig gestellt, und der Kläger war bis zum 31.10.2002 arbeitsunfähig. Er nahm zu der Zeugin Sch. Kontakt auf mit dem Anliegen, seinen Berufsunfähigkeits-Versicherungsschutz zu erweitern. Am 18.11.2002 füllte die Zeugin das Antragsformular auf Abschluss der streitgegenständlichen Versicherung aus. Der Kläger unterzeichnete es. Die Frage nach ärztlichen Untersuchungen, Beobachtungen, Beratungen und Behandlungen in den letzten fünf Jahren wurde mit "ja" beantwortet, konkretisierend wurde eine Feigwarzenentfernung im August 1999 angegeben. Zu der Frage nach körperlichen oder geistigen Schäden, chronischen Leiden oder sonstigen Beschwerden in den letzten fünf Jahren war die Antwort "nein" angekreuzt (Bl. 13 d.A.).

Die Beklagte nahm den Antrag an. Der Versicherungsschein über eine "Aufgeschobene Rentenversicherung mit Berufsunfähigkeits-Zusatzversicherung" datiert vom 10.12.2002 (Bl. 18 d.A.). Der monatlich zu entrichtende Beitrag belief sich (nach Überschussverrechnung) auf 50 EUR. Für den Fall der vor dem 1.12.2029 eintretenden Berufsunfähigkeit war eine Befreiung von der Beitragszahlungspflicht bis zum 30.11.2029 vereinbart sowie die Zahlung einer monatlichen Rente von 302,70 EUR.

Dem Vertrag lagen die Besonderen Bedingungen der Beklagten für die Berufsunfähigkeits-Zusatzversicherung zu Grunde (Bl. 24 d.A., im Folgenden: BB-BUZ). Diese enthalten folgende Regelungen:

"§ 2 Was ist Berufsunfähigkeit im Sinne dieser Bedingungen?

(1) Berufsunfähigkeit im Sinne dieser Bedingungen liegt vor, wenn die versicherte Person infolge Krankheit, Körperverletzung oder Kräfteverfalls, die ärztlich nachzuweisen sind, voraussichtlich sechs Monate ununterbrochen außer Stande ist, ihren zuletzt ausgeübten Beruf auszuüben.

(2) Ist die versicherte Person sechs Monate ununterbrochen infolge Krankheit, Körperverletzung oder Kräfteverfalls, die ärztlich nachzuweisen sind, zu mindestens 50 % außer Stande gewesen, ihren zuletzt ausgeübten Beruf auszuüben, so gilt dieser Zustand von Beginn an als Berufsunfähigkeit.

[…]

§ 7 Was gilt für die Nachprüfung der Berufsunfähigkeit?

(1) Nach Anerkennung oder Feststellung unserer Leistungspflicht sind wir berechtigt, das Fortbestehen der Berufsunfähigkeit und ihren Grad oder die Pflegestufe nachzuprüfen. […]

(2) Zur Nachprüfung können wir auf unsere Kosten jederzeit sachdienliche Auskünfte und einmal jährlich umfassende Untersuchungen der versicherten Person durch von uns zu beauftragende Ärzte verlangen […]

[…]

(4) Ist die Berufsunfähigkeit weggefallen oder hat sich ihr Grad auf weniger als 50 % vermindert, werden wir unsere Leistungen einstellen […]. Die Einstellung teilen wir dem Anspruchsberechtigten unter Hinweis auf seine Rechte zusammen mit der Höhe des künftig zu zahlenden Beitrages mit […].

§ 2 Abs. 4 BB-BUZ definiert als zuletzt ausgeübten Beruf im Sinne des § 2 Abs. 1 und Abs. 2 BB-BUZ die berufliche Tätigkeit, die beim Eintritt der Berufsunfähigkeit von der versicherten Person ausgeübt wird.

Im Januar 2009 wurde der Kläger krankgeschrieben wegen Lumboischialgien bei Bandscheibenprotrusionen L4/L5 und L5/S1 (S. 9 ff. des fachorthopädischen Gutachtens Prof. Dr. S., Bl. 382 ff. d.A.). Es erfolgte eine Reha-Maßnahme in den Hochwaldkliniken W. vom 25.3.2009 bis zum 14.4.2009 (zum Gesundheitszustand des Klägers am Ende der Maßnahme siehe den Entlassungsbericht vom 20.4.2009, Bl. 123 ff. d.A.).

Am 11.5.2009 beantragte der Kläger Leistungen aus der Berufsunfähigkeits-Zusatzversicherung.

Die Beklagte trat in die Leistungsprüfung ein und ermittelte Vorerkrankungen, die in den Antragsunterlagen nicht angegeben worden waren, insbesondere rezidivierende Fisteln und Abszesse und Ellbogenbeschwerden. Mit Schreiben vom 3.9.2009 (Bl. 38 d.A.) erklärte sie die Anfechtung wegen arglistiger Täuschung.

Nach der Anfechtung zahlte sie an den Kläger den Rückkaufswert des Vertrags nebst "BUZ-Gewinn" in Höhe von insgesamt 436 EUR aus (Schreiben vom 3.9.2009, Bl. 42 d.A.).

Am 5.11.2009 hat der Kläger die vorliegende Klage erhoben.

Unter dem 12.11.2009 wurde ein rentenversicherungsrechtliches Gutachten (Dr. H.) zu seinem Gesundheitszustand erstellt. Darin sind als Diagnosen festgehalten: "Morbus Perthes der linken Hüfte mit hochgradiger Einschränkung, Coxarthrose links mit deutlicher Funktionseinschränkung, degenerative Wirbelsäulenveränderungen mit Bandscheibenprotrusionen und Funktionseinschränkung. Das Leistungsvermögen wurde auf höchstens drei Stunden täglich bemessen (Bl. 116 d.A.). Die Deutsche Rentenversicherung Saarland anerkannte mit Schreiben vom 7.12.2009 ab dem 13.1.2009 eine volle Erwerbsminderung, zunächst befristet bis zum 30.11.2009.

Am 29.1.2010 wurde die linke Hüfte endoprothetisch ersetzt.

Die Deutsche Rentenversicherung bewilligte mit Bescheiden vom 4.8.2010 und vom 1.4.2011 die seit dem 13.1.2009 gewährte Rente letztlich als Dauerrente.

Der Kläger hat in Abrede gestellt, die Beklagte bei Vertragsschluss arglistig getäuscht zu haben. Er hat behauptet, er habe vor der Antragsaufnahme mit der Zeugin Sch. Kontakt aufgenommen. Er habe ihr von Problemen mit dem Arm nach einem Unfall berichtet und erklärt, er überlege, ob er seinen Versicherungsschutz erweitern solle. Die Zeugin habe ihm geraten, er solle zunächst abwarten, bis die Erkrankung ausgeheilt sei, und dann nochmals anrufen. Nach Abschluss der Heilbehandlung habe er sich erneut bei der Zeugin gemeldet, um über zusätzlichen Versicherungsschutz beraten zu werden.

Der Kläger hat behauptet, die Zeugin habe bei der Antragsaufnahme im November 2002 lediglich allgemein nach schwerwiegenden Erkrankungen in der Vergangenheit gefragt. Unter anderem habe er den Arbeitsunfall im April 2002 erwähnt und die sich anschließenden gesundheitlichen Probleme. Die Zeugin habe sich nur erkundigt, ob die Verletzung ausgeheilt sei, was er zutreffend bejaht habe. Sie habe daraufhin gesagt, man brauche das nicht anzugeben. Nachdem man über die sonstigen Vorerkrankungen (Meniskusoperation 1997, Entfernung von Fisteln und Abszessen in den Jahren 1999-2001) gesprochen habe, habe die Zeugin gemeint, man müsse nur die Feigwarzenentfernung im August 1999 (Abszess) eintragen; die anderen Erkrankungen seien unerheblich. Der Kläger hat weiter behauptet, auch betriebsärztliche Untersuchungen mitgeteilt zu haben, in welchen eine mögliche leichte Hörminderung zu Tage getreten sei.

Dass der leichte Arbeitsunfall und die ausgeheilte Verletzung für die Beklagte von Bedeutung sein könnten, habe er nicht erkannt. Eine Fissur des Sprunggelenks infolge des "Verknacksen" des Fußes beim Aussteigen aus einem Auto im Jahr 1999 habe er bei Antragstellung schlicht vergessen.

Der Kläger hat behauptet, er könne wegen des Anfang 2009 erlittenen doppelten Bandscheibenvorfalls und einer Hüftgelenkserkrankung seine berufliche Tätigkeit als CNC-Dreher und Zerspanungsmechaniker nicht mehr ausüben. Das ergebe sich aus dem ärztliche Gutachten für die Deutsche Rentenversicherung vom 12.11.2009 und dem Entlassungsbericht des Gesundheits-Zentrums Saarschleife vom 20.4.2009.

In erster Instanz hat er Leistungen aus der Berufsunfähigkeits-Zusatzversicherung ab dem 6.1.2009 geltend gemacht und die Feststellung beantragt, dass der Vertrag nicht durch die Arglistanfechtung weggefallen sei.

Die Beklagte hat das anders gesehen.

Sie hat behauptet, die Zeugin Sch. habe sämtliche Gesundheitsfragen nacheinander vorgelesen und die Antworten des Klägers korrekt in das Antragsformular übernommen. Im Verschweigen der von ihr bei der Leistungsprüfung festgestellten Vorerkrankungen hat sie eine arglistige Täuschung gesehen.

Die gesundheitlichen Beeinträchtigungen des Klägers und eine hierdurch hervorgerufene Berufsunfähigkeit hat die Beklagte pauschal bestritten (Bl. 143 d.A.).

Das Landgericht Saarbrücken hat mit dem am 23.6.2010 verkündeten Urteil (Bl. 180 d.A.) nach Beweisaufnahme durch Vernehmung der Zeugin Sch. die Klage abgewiesen. Die Beklagte habe den Vertrag wirksam wegen arglistiger Täuschung angefochten.

Der Senat nimmt gemäß § 540 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 ZPO auf die tatsächlichen Feststellungen des Urteils Bezug.

Der Kläger hat Berufung eingelegt.

Er behauptet, er sei davon ausgegangen, dass die Zeugin Sch. seine Mitteilung über die Armbeschwerden im Vorfeld der Antragsaufnahme in den Unterlagen vermerkt habe. Er habe die Zeugin einige Tage vor dem Antragstermin ein zweites Mal angerufen und gesagt, sein "Krankenschein" sei "vorbei" und sein Arm ausgeheilt, und man könne nun einen Termin vereinbaren. Auch im Antragsgespräch selbst habe er die Ellbogenverletzung erneut angesprochen, die Zeugin habe sie aber – ebenso wie die erörterten Hauterkrankungen und die Minderung des Hörvermögens – nicht schriftlich festgehalten. Er erklärt das mit den Besonderheiten des Gesprächs, das im Hinblick auf die der Zeugin peinliche Erörterung der Fisteln und Abszesse unstrukturiert verlaufen sei. Die Armverletzung sei gewissermaßen untergegangen. Er habe ihr seinerseits keine große Bedeutung beigemessen, weil sie nach seiner Einschätzung eine alsbald vergehende Bagatellerkrankung gewesen sei.

Zu den Voraussetzungen einer Berufsunfähigkeit stützt der Kläger sich nach wie vor auf die zwei Bandscheibenvorfälle Anfang 2009 und darauf, dass beide Hüften "kaputt" seien. Außerdem verweist er auf die Feststellungen eines medizinischen Gutachtens der Deutschen Rentenversicherung vom 29.7.2010 (Bl. 237 d.A. i.V.m. Bl. 239 d.A., Diagnosen Bl. 242 d.A.) und eines sozialmedizinischen Gutachtens vom 6.4.2011. Die dort aufgeführten Krankheiten und Einschränkungen hätten bereits am 6.1.2009 vorgelegen. Schon damals habe er ständig starke Rückenschmerzen gehabt, verstärkt beim Bücken und beim Heben. Längere Strecken könne er nicht gehen, weil dann die Beine schmerzten; auch könne er nicht längere Zeit schmerzfrei stehen oder liegen oder vornüber gebeugt arbeiten. Aufgrund seiner Arbeitsplatzexposition müsse er aber in vorgeneigter Haltung Gewinderollen einspannen und dabei mit Brust- und Halswirbelsäule gegenhalten; beim Hochheben der Rollen sei die Lendenwirbelsäule stärker belastet. Die eine Berufsausübung ebenfalls ausschließenden Hüftgelenksbeschwerden seien nicht erst zum Zeitpunkt der Begutachtung durch die Deutsche Rentenversicherung Saarland vom November 2009 eingetreten, sondern bereits im Januar.

Wegen der Einzelheiten seiner – von der Beklagten in zweiter Instanz nicht mehr bestrittenen – Arbeitsplatzbeschreibung nimmt der Kläger Bezug auf die Arbeitsplatzexposition der Berufsgenossenschaft Metall X vom 5.11.2010 (Bl. 267 d.A. in Verbindung mit Bl. 269, 271, 272 d.A.) und auf das ergänzende Schreiben der Berufsgenossenschaft Holz und Metall vom 14.1.2011 (Bl. 282 d.A.). Insbesondere mit Blick auf die Ausführungen des Sachverständigen Prof. Dr. S., wonach bestimmte Hebevorgänge nur gelegentlich durchgeführt worden sollten, macht er darauf aufmerksam, dass er in einer Schicht 6.000 kg bewege und für das Heben der Werkstücke in die Hocke gehen müsse – 300 mal in einer Schicht –, was ihm schmerzbedingt nicht möglich sei. Regelmäßig trage er Lasten von (wohl bis zu) 30 kg über Entfernungen von 30 Metern.

Der Kläger macht nunmehr auch vorgerichtliche Rechtsanwaltskosten geltend und trägt hierzu vor, die Beklagte sei mit Schreiben vom 16.6.2011 aufgefordert worden, die aufgelaufenen Rückstände in Höhe von 9.055,60 EUR bis zum 24.6.2011 zu zahlen. Außerdem beziffert er für 20 Monate ab Dezember 2009 weitere Rentenzahlungsansprüche.

Der Kläger beantragt zuletzt,

1. die Beklagte zu verurteilen (Bl. 349, 229 d.A.)

a) an ihn für den Zeitraum vom 6.1.2009 bis 31.10.2009 einen Betrag in Höhe von 3.280,22 EUR zu zahlen abzüglich bereits gezahlter 436 EUR (Rückkaufswert) nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz ab Zustellung der Klage vom 2.11.2009 sowie weitere 6.054 EUR nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz aus einem Betrag in Höhe von 6.036,40 EUR ab Rechtshängigkeit der Klageerweiterung (13.7.2011);

b) an ihn außergerichtliche Anwaltsvergütung in Höhe von 775,64 EUR nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz ab Rechtshängigkeit zu zahlen;

2. festzustellen, dass die Beklagte weiter verpflichtet ist, dem Kläger ab 31.7.2011 für die Dauer der Berufsunfähigkeit aus der BU-Zusatzversicherung zur Rentenversicherung, Versicherungsschein Nr. 1111111, eine monatliche BU-Rente in Höhe von 302,70 EUR, zahlbar monatlich im Voraus, längstens 30.11.2029, zu zahlen;

3. festzustellen, dass die Beklagte verpflichtet ist, ihn von der Beitragszahlungspflicht für die Rentenversicherung nebst BU-Zusatzversicherung zur Versicherungsschein-Nummer 1111111-35 für die Dauer der Berufsunfähigkeit ab dem 6.1.2009 in Höhe der monatlichen Versicherungsbeiträge in Höhe von 71,31 EUR abzüglich der laufenden Verrechnung nicht garantierter Überschussanteile freizustellen, längstens bis zum Vertragsende am 30.11.2029;

4. festzustellen, dass die BU-Zusatzversicherung zum Versicherungsschein Nr. 1111111-35 unverändert fortbesteht, insbesondere nicht durch die Anfechtungserklärung der Beklagten vom 3.8.2009 weggefallen ist.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie behauptet, dass der Kläger sich der Ernsthaftigkeit der langwierigen Armerkrankung bewusst gewesen sei, zumal er gerade jene Erkrankung zum Anlass genommen habe, seinen Berufsunfähigkeitsschutz aufzustocken.

Zu der von ihr weiterhin bestrittenen Berufsunfähigkeit verweist sie auf das vom Kläger vorgelegte ärztliche Gutachten Dr. H. vom 29.7.2010 und die dort festgehaltene – nach dem Vorbringen des Klägers allein auf die im Jahr 2008 von der Berufsgenossenschaft anerkannte Berufskrankheit der Lärmschwerhörigkeit bezogene – Minderung der Erwerbsfähigkeit von nur 15 %. Die Beklagte sieht auf der Grundlage des fachorthopädischen Gutachtens des vom Senat beauftragten Sachverständigen Prof. Dr. S. eine dauerhafte Berufsunfähigkeit nicht prognostiziert.

Hinsichtlich des Sachverhalts und des Parteivortrags im Einzelnen wird Bezug genommen auf die Schriftsätze nebst Anlagen, die Sitzungsniederschriften des Landgerichts vom 12.5.2010 (Bl. 155 d.A.) und des Senats vom 11.5.2011 (Bl. 299 d.A.) und vom 10.10.2012 (Bl. 521 d.A.), das fachorthopädische Gutachten des Sachverständigen Prof. Dr. S. vom 18.11.2011 (Bl. 374 d.A.) – ergänzt unter dem vom 27.2.2012 (Bl. 416 d.A.) und mündlich erläutert im Termin vom 10.10.2012 – sowie auf das Urteil des Landgerichts vom 23.6.2010 (Bl. 180 d.A.).

II.

Die Berufung ist im Wesentlichen begründet.

Die Beklagte konnte ihre Vertragserklärung nicht wegen arglistiger Täuschung anfechten (§ 22 VVG, §§ 123 Abs. 1, 142 BGB), so dass die Berufsunfähigkeits-Zusatzversicherung des Klägers fortbesteht. Der Kläger ist bedingungsgemäß berufsunfähig und hat deshalb Anspruch auf die vertraglich vereinbarten Leistungen.

1.

Nach dem vom Landgericht zugrunde gelegten Sachverhalt hat der Kläger die Beklagte nicht arglistig getäuscht. Die gegenläufige Würdigung der festgestellten Indizien im angefochtenen Urteil ist fehlerhaft.

a.

Der Versicherer kann den Versicherungsvertrag gemäß § 22 VVG, § 123 BGB wegen arglistiger Täuschung anfechten, wenn der Versicherungsnehmer bei Vertragsabschluss bewusst unrichtige Angaben gemacht hat, um den Versicherer zum Abschluss des Vertrags mit dem gewünschten Inhalt zu bewegen, und wenn der Versicherer den Vertrag nicht oder nicht mit diesem Inhalt abgeschlossen hätte, wenn er richtig informiert worden wäre (Senat, Urt. v. 1.2.2006 – 5 U 207/05 – VersR 2006, 1482).

b.

Hier hatte die Zeugin Sch. unstreitig unrichtige und unvollständige Angaben an die Beklagte weitergegeben. Die Gesundheitsfragen des im November 2002 ausgefüllten Antragsformulars bezogen sich auf einen Fünfjahreszeitraum. In diesen Zeitraum fielen die Fissur des rechten Außenknöchels im Jahr 1999, die rezidivierenden Fisteln und Abszesse in den Jahren 1997-2001, die Ellbogenbeschwerden (Epicondylitis) im Jahr 2002 sowie eine zunehmende Hörminderung seit Anfang 2002. All das wurde in der Antragserklärung nicht eingetragen.

Gleichwohl konnte die Beklagte ihre Vertragserklärung nicht anfechten.

(1)

Die Täuschung eines Versicherers ist nicht ohne weiteres durch unzutreffende oder unvollständige Angaben im Antragsformular belegt.

War ein Versicherungsagent eingeschaltet, so galt die sog. Auge-und-Ohr-Rechtsprechung schon vor Inkrafttreten des die frühere Rechtsprechung festschreibenden § 70 VVG, der für die Bewertung der Vorgänge bei Vertragsschluss im Jahr 2002 vorliegend wohl nicht zum Tragen kommt (vgl. zur Geltung alten Rechts, wenn zwar ein Versicherungsfall nach neuem Recht zu beurteilen ist, es aber um die Anwendbarkeit von bei Vertragsschluss zu befolgenden Vorschriften geht [Tatbestandsregeln der §§ 16 ff. VVG a.F.], Marlow, Anm. zu LG Dortmund, VersR 2010, 515). Nach jener Rechtsprechung steht der empfangsbevollmächtigte Versicherungsagent bei Entgegennahme eines Antrags auf Abschluss eines Versicherungsvertrages dem Antragsteller bildlich gesprochen als das Auge und Ohr des Versicherers gegenüber. Was ihm gesagt und vorgelegt wird, ist dem Versicherer gesagt und vorgelegt, auch wenn der Agent es nicht ins Antragsformular aufnimmt. Der Versicherer kann daher allein mit dem Inhalt des von seinem Agenten ausgefüllten Antragsformulars nicht beweisen, dass der Versicherungsnehmer hinsichtlich seiner Vorerkrankungen falsche Angaben gemacht habe, sofern dieser substanziiert behauptet, den Agenten mündlich zutreffend unterrichtet zu haben. Die Beweislast liegt beim Versicherer, der die Unterrichtung bestreitet (zur Auge-und-Ohr-Rechtsprechung – für die Verletzung vorvertraglicher Anzeigeobliegenheiten – BGH, Urt. v. 24.11.2010 – IV ZR 252/08 – VersR 2011, 338; BGH, Urt. v. 27.2.2008 – IV ZR 270/066 – VersR 2008, 765).

(a)

Vor diesem Hintergrund scheidet eine arglistige Täuschung wegen der nicht im Formular erwähnten Hauterkrankungen und der Hörminderung aus.

Das Landgericht hat aufgrund der Beweisaufnahme keine Überzeugung gewonnen, dass der Kläger diese Krankheiten gegenüber der Zeugin Sch. beim Antragsgespräch verborgen habe (Seite 10 des Urteils, Bl. 189 d.A.). Der Senat sieht keine Anhaltspunkte, die Zweifel an der Richtigkeit der hierauf bezogenen Feststellungen begründen würden (§ 529 Abs. 1 Nr. 1 ZPO). Die Zeugin hat in ihrer erstinstanzlichen Vernehmung dargelegt, wie der Kläger von Fisteln und Abszessen berichtet habe. Ihr sei dies peinlich gewesen, weil der Intimbereich betroffen gewesen sei. Sie habe dann versäumt, Eintragungen ins Antragsformular zu machen, weil man angenommen habe, deswegen träte gewiss keine Berufsunfähigkeit ein (Seite 7 der Sitzungsniederschrift vom 12.5.2010, Bl. 161 d.A.). Demnach wurde die Versicherungsagentin als Auge und Ohr des Versicherers informiert, die Beklagte mithin nicht getäuscht. Entsprechendes gilt für die Hörminderung. Das Landgericht hat festgestellt, die Zeugin habe eingeräumt, hiervon – möglicherweise bereits bei der Antragstellung – gewusst zu haben (Seite 11 des Urteils, Bl. 190 d.A.). Sie konnte nicht erklären, warum keine Eintragung in das Antragsformular erfolgt sei (Seite 8 der Sitzungsniederschrift vom 12.5.2010, Bl. 162 d.A.). Die Voraussetzungen einer Täuschung sind damit jedenfalls nicht bewiesen.

(b)

Die Grundsätze der Auge-und-Ohr-Rechtsprechung kommen indessen nicht zum Tragen mit Blick auf die weder im Formular eingetragene noch – was der Kläger selbst zugesteht – gegenüber der Zeugin erwähnte Fissur des rechten Außenknöchels im Jahr 1999. Das Landgericht hat dazu festgestellt, das Verschweigen sei unstreitig, indessen keine näheren Feststellungen zur Arglist getroffen.

Deren subjektive Voraussetzungen sind nicht bewiesen.

Der subjektive Tatbestand des § 123 Abs. 1 BGB verlangt, dass der Anfechtungsgegner mit seiner Täuschung die Willensentschließung seines Verhandlungspartners beeinflussen wollte. Beim Abschluss von Versicherungsverträgen lässt allein die falsche Beantwortung von Gesundheitsfragen nicht zwingend auf das Bewusstsein und den Willen schließen, den Versicherer zum Abschluss des Versicherungsvertrages mit dem beantragten Inhalt zu bewegen (BGH, Urt. v. 24.11.2010 – IV ZR 252/08 – VersR 2011, 338). Arglist als innere Tatsache kann regelmäßig nur auf der Grundlage hinreichender Indizien angenommen werden. Sie können sich unter anderem aus der Art und dem Umfang der unrichtigen Angaben ergeben, aus den besonderen Umständen bei der Antragstellung und aus der Art der gestellten Fragen. Für ein arglistiges Verhalten des Versicherungsnehmers spricht, wenn er schwere, chronische oder immer wieder auftretende Erkrankungen oder gesundheitliche Beeinträchtigungen verschweigt oder solche, die zu erheblichen Einschränkungen seines Alltags geführt haben oder die ihm offensichtlich erheblich für das versicherte Risiko erscheinen mussten (Senat, Urt. v. 9.11.2005 – 5 U 50/05 – VersR 2006, 681). Zwar muss der Versicherer den Beweis der Arglist führen. Gleichwohl kann von dem Versicherungsnehmer erwartet werden, dass er wenigstens plausibel macht, auf Grund welcher Umstände es zu den falschen Angaben gekommen ist (Senat, Urt. v. 1.2.2006 – 5 U 207/05 – VersR 2006, 1482).

Letzteres ist dem Kläger gelungen. Der Senat kann, einen Arglistvorwurf auf das Verschweigen der Knöchelfissur nicht stützen. Der Kläger hat in seiner erstinstanzlichen informatorischen Anhörung dargelegt, er müsse sie wohl vergessen haben. Er sei vor der Arbeit gestürzt, und am Arbeitsplatz sei dann der Fuß angeschwollen. Dass eine Arthrose diagnostiziert worden sei, sei ihm nicht bekannt (S. 4 der Sitzungsniederschrift vom 12.5.2010, Bl. 158 d.A.). Schriftsätzlich hatte er vorgetragen, er habe sich beim Aussteigen aus dem Pkw den Fuß verknackst, und ihm sei dieses Ereignis bei Antragstellung schlicht nicht präsent gewesen sei. Es scheint nicht unplausibel, dass ein Versicherungsnehmer, der eine derartige vorübergehende "Allerweltsverletzung" ohne pathologische Vorgeschichte und ohne – ihm zur Kenntnis gelangte – dabei getroffene sonstige, verletzungsunabhängige Diagnosen bei Antragstellung nicht erwähnt, dies ohne Täuschungsvorsatz tut.

(c)

Die Arglistanfechtung kann entgegen der Ansicht des Landgerichts auch nicht auf die im Antragsformular nicht angegebenen Ellbogenbeschwerden gestützt werden.

Ungeachtet des Umstands, inwieweit sie im Antragsgespräch als solchem thematisiert sein mögen oder nicht, stehen doch jedenfalls die Geschehnisse vor der Antragsaufnahme der Annahme eines Täuschungsvorsatzes entgegen. Hier tragen die tatsächlichen Feststellungen des Landgerichts – deren Richtigkeit und Vollständigkeit auch insoweit nicht infrage steht – im Ergebnis die Annahme der Arglist nicht.

Das Landgericht hatte keine Zweifel an der Glaubwürdigkeit der Zeugin Sch. Es hat ihr offenbar geglaubt, dass im Vorfeld der Antragsaufnahme ein Gespräch über eine abzuschließende Versicherung geführt worden sei, dass man dabei auch über die Armbeschwerden geredet habe und dass sie dem Kläger geraten habe, erst seine Verletzung ausheilen zu lassen, da eine Antragstellung bei einer akuten Erkrankung keinen Sinn mache (Seite 10, 12 des Urteils, Bl. 189, 191 d.A., Seite 7/8 der Sitzungsniederschrift vom 12.5.2010, Bl. 161/162 d.A.). Das entspricht der Schilderung des Klägers.

Anders als mit Blick auf die Hauterkrankungen und die Hörminderung scheitert die Arglist in diesem Zusammenhang wohl nicht schon an den Grundsätzen der Auge-und-Ohr-Rechtsprechung. Die Aussage der Zeugin Sch. hat das Vorbringen des Klägers dahin, dass die Ellbogenerkrankung auch Gegenstand des Antragsgesprächs gewesen sei, nicht bestätigt. Die zeitlich vorangegangenen Mitteilungen im Rahmen der telefonischen Anfrage genügen für eine der Beklagten nachteilige Wissenszurechnung nicht. Der Versicherungsagent ist nur innerhalb des zeitlichen und sachlichen Rahmens der Antragsaufnahme Auge und Ohr des Versicherers (zu den teilweise streitigen Fragen der genauen Grenzziehung siehe – für § 70 VVG n. F. – Dörner in: Prölss/Martin, VVG, 28. Aufl. 2010 § 70 Rdn. 6-8). Stellt etwa ein Versicherungsinteressent einen neuen Antrag, nachdem eine frühere Antragsaufnahme bereits abgeschlossen war, können die anlässlich des früheren Antrags dem Vermittler gegebenen erfragten Informationen dem Versicherer nicht zugerechnet werden (Senat, Urt. v. 29.11.2006 – 5 U 105/06 – VersR 2007, 826). Übertragen auf den vorliegenden Fall, bedeutet das, dass die Zeugin Sch. dem Kläger frühestens ab der Entgegennahme des Versicherungsantrags sowie den bei dieser Gelegenheit abgegebenen mündlichen Erklärungen als Auge und Ohr des Versicherers gegenüber stand. Was ihr in einem ersten Gespräch mit der Anfrage des Klägers nach (weiterem) Versicherungsschutz gesagt, ihr aber bei der Antragstellung nicht nachgewiesenermaßen erneut mitgeteilt wurde, ist mithin kein automatisch der Beklagten zuzuschreibendes, eine Täuschung ausschließendes Wissen.

Wohl aber hindert das Telefonat vor dem eigentlichen Antragsgespräch die Annahme, der Kläger habe intendiert oder auch nur billigend in Kauf genommen, die Beklagte durch das Verschweigen der Armerkrankung zum Vertragsschluss zu bewegen. Wann genau das Telefonat zwischen dem Kläger und der Zeugin Sch. stattgefunden hat, steht nicht fest. Es muss irgendwann zwischen dem ersten Auftreten der Epicondylitis Ende April 2002 und dem Ende der dadurch bedingten Arbeitsunfähigkeit im Oktober 2002 gewesen sein. Der Kläger wandte sich in diesem nicht besonders weit zurückliegenden Zeitraum an die Zeugin mit dem expliziten Anliegen, aus Anlass der Armerkrankung neuen/verlängerten/erweiterten Versicherungsschutz zu erhalten. Ihm wurde gesagt, man solle erst einmal abwarten, bis die Sache ausgeheilt sei. Damit wurde der Anschein erweckt, die Antragstellung sei nach der Heilung eben kein Problem mehr. Wenn in einer solchen Situation ein Versicherungsnehmer mit derselben Versicherungsagentin absprachegemäß nach Abklingen der Beschwerden erneut in Kontakt tritt, im Antragsformular indessen, aus welchen Gründen auch immer, diejenige Erkrankung unerwähnt blieb, die – vom Versicherungsnehmer zuvor offen gelegt – überhaupt erst den Anlass für den neuen Vertrag gab und deren Ausheilen nach dem Rat der Agentin abgewartet werden sollte, so kann hieraus nicht auf Arglist geschlossen werden. Warum der Kläger unredlich hätte darauf bauen sollen, die Zeugin werde den Hintergrund der Kontaktaufnahme vergessen haben, sieht der Senat nicht. Hinzu kommt der vom Kläger zu Recht hervorgehobene "unstrukturierte" Gesprächsverlauf. Die Zeugin hat bestätigt, die Informationen zu den Hauterkrankungen seien ihr peinlich gewesen. Damit liegt durchaus nicht fern, dass die Behandlung der Gesundheitsfragen infolge der sich entwickelnden unangenehmen Atmosphäre nicht weiter vertieft wurde. Schließlich hat die Zeugin selbst den Kläger in zweierlei Hinsicht gewissermaßen auf die falsche Fährte gebracht. Sie hat vor der Antragsaufnahme nahe gelegt, er solle bis zum Ausheilen der Armerkrankung zuwarten, ferner hat sie im Antragsgespräch die Fisteln und Abszesse als nicht gefahrerheblich bezeichnet und von einer Eintragung ins Formular abgesehen. Beides implizierte, man könne bei den Mitteilungen eine wertende Vorauswahl treffen. Unterläuft ein Agent aber das korrekte und umfassende Beantworten der Formularfragen dadurch, dass er dem Antragsteller durch einschränkende Bemerkungen verdeckt, was dem Versicherer zu offenbaren ist, kann das Agentenverhalten nicht zu Lasten des Versicherungsnehmers gehen (BGH, Urt. v. 10.10.2001 – IV ZR 6/01 – VersR 2001, 1541).

Vor diesem gesamten Hintergrund kann dem Kläger nicht vorgehalten werden, er habe in unredlicher Weise gegenüber der empfangsbevollmächtigten Agentin Umstände verschwiegen, um einen ihm günstigen Vertrag zu erhalten.

Soweit man in Betracht ziehen könnte, eine Arglistanfechtung deshalb zuzulassen, weil der Kläger und die Zeugin zum Nachteil der Beklagten zusammengewirkt hätten, liegen die Voraussetzungen einer Kollusion nicht vor. Für die Fälle der Wissenszurechnung über die Auge-und-Ohr-Rechtsprechung ist anerkannt, dass der künftige Versicherungsnehmer dann nicht schutzwürdig ist, wenn er mit dem Versicherungsagenten arglistig zum Nachteil des Versicherers agiert. Voraussetzung ist, dass der Versicherungsnehmer auf die Auskunft des Agenten, eine erhebliche Vorerkrankung sei nicht anzeigepflichtig, nicht vertraut, sondern im Bewusstsein der Anzeigeobliegenheit erkennt und billigt, dass der Versicherer durch das Vorgehen des Agenten über seinen Gesundheitszustand getäuscht und in seiner Vertragsentscheidung beeinflusst wird, und er deshalb – im Einvernehmen mit dem Versicherungsagenten – die betreffende Erkrankung im Antragsformular unerwähnt lassen will (BGH, Urt. v. 27.2.2008 – IV ZR 270/066 – VersR 2008, 765). Unterhalb der Schwelle der Kollusion ist der Versicherer im Verhältnis zum Vertragspartner auch dann geschützt, wenn sein Vertreter seine Vollmacht missbraucht und sich dies dem Vertragspartner aufgrund massiver Verdachtsmomente aufdrängen muss. Die Anforderungen sind hoch, weil der künftige Versicherungsnehmer grundsätzlich davon ausgehen darf, dass der Agent zu dem, was er tut, dem Versicherer gegenüber auch befugt ist.

Dies berücksichtigend, sieht der Senat hier weder Anhaltspunkte für ein kollusives Zusammenwirken noch für ein sich dem Kläger aufdrängendes Fehlverhalten der Zeugin Sch. (vgl. auch BGH, Urt. v. 30.1.2002 – IV ZR 23/01 – VersR 2002, 425).

2.

Die Beklagte hat an den Kläger die gemäß § 1 Abs. 1a und b BB-BUZ vereinbarten Leistungen – Befreiung von der Beitragszahlungspflicht sowie Zahlung einer Berufsunfähigkeitsrente in Höhe von monatlich 302,70 EUR – zu erbringen.

Der Beginn der Berufsunfähigkeit und mithin der Eintritt der Leistungspflicht ist auf den 12.11.2009 zu datieren. Der damalige, im Rahmen der Begutachtung durch die Deutsche Rentenversicherung erhobene Befund gestattete dem Sachverständigen Prof. Dr. S. die Feststellung der Voraussetzungen einer mindestens 50-prozentigen Berufsunfähigkeit. Einen früheren Eintritt hat der Kläger indessen nicht bewiesen.

a.

Die von der Beklagten verwendeten Bedingungen verlangen für den Eintritt der Berufsunfähigkeit nicht – das verkennt die Beklagte –, dass eine Berufsausübung voraussichtlich auf Dauer ausgeschlossen ist. Vielmehr liegt gemäß § 2 Abs. 1 BB-BUZ Berufsunfähigkeit dann vor, wenn die versicherte Person infolge Krankheit, Körperverletzung oder Kräfteverfalls, die ärztlich nachzuweisen sind, sechs Monate ununterbrochen außer Stande ist, ihren zuletzt ausgeübten Beruf auszuüben. Bestand ein solcher Zustand ununterbrochenen sechs Monate lang, so wird gemäß § 2 Abs. 2 BB-BUZ eine Berufsunfähigkeit ab Beginn dieses Zustands fingiert.

b.

Den ihm insoweit obliegenden Nachweis hat der Versicherungsnehmer erbracht.

Vom 12.11.2009 bis Ende Juni 2010 war der Kläger wegen der Hüftgelenkerkrankung sechs Monate ununterbrochen außer Stande seine Tätigkeit auszuüben.

Nach der den Senat überzeugenden Einschätzung des Sachverständigen Prof. Dr. S. konnte der Kläger ab dem 12.11.2009 bis mindestens zum 30.6.2010 krankheitsbedingt nicht als Dreher arbeiten. Der Sachverständige hat in seinen Gutachten vom 18.11.2011 und vom 27.2.2012 auf der Grundlage der ab dem 12.11.2009 gegebenen Befunde und unter Berücksichtigung der Hüftoperation im Januar 2010 erläutert, dass der Kläger seit dem 12.11.2009 bis jedenfalls Mitte 2010 nicht in der Lage gewesen ist, die körperlichen Anforderungen seines Berufs zu erfüllen, und zwar zunächst – präoperativ – insbesondere wegen ausgeprägter Bewegungseinschränkungen und Bewegungsschmerzen der Hüftgelenke, danach mit Blick auf den Zustand nach Implantation der Hüftendoprothese (S. 19 des Gutachtens vom 18.11.2011, Bl. 392 d.A.; S. 21 des Gutachtens vom 27.2.2012, Bl. 436 d.A.). Er hat auf der Grundlage der am 12.11.2009 durch den ärztlichen Dienst der Deutschen Rentenversicherung erhobenen Befunde festgestellt, zu jenem Zeitpunkt hätten hochgradige Bewegungseinschränkungen und -schmerzen beider Hüftgelenke schon nach nur kurzfristiger Belastung bestanden mit Zeichen einer radikulären, von der Lendenwirbelsäule ausgehenden Störung (Bl. 392 d.A.). Das habe eine zumindest fünfzigprozentige Berufsunfähigkeit begründet (Bl. 387/388, 392 d.A.). Sie habe nach dem endoprothetischen Ersatz der linken Hüfte (durchgeführt am 29.1.2010) zumindest bis Mitte 2010 fortbestanden (Bl. 392/393 d.A., Bl. 436 d.A.). Der Sachverständige hat das in seiner Anhörung vor dem Senat am 10.10.2012 plausibel konkretisiert und erläutert. Wegen der im November 2009 stark schmerzhaft wirkenden Veränderung des Hüftgelenks sei der Kläger damals zu arbeiten nicht imstande gewesen. Werde bei einem Patienten – wie hier im Januar 2010 – eine Hüftendoprothese eingesetzt, trete in mit körperlicher Anstrengung verbundenen Berufen nach medizinischer Erfahrung eine Berufsfähigkeit erst nach sechs Monaten wieder ein. Nach etwa drei bis vier Monaten sei die Prothese fest eingebunden, danach müsse Muskulatur aufgebaut werden. Im Fall des Klägers nehme er eine Arbeitsfähigkeit (frühestens) wieder ab dem Juli 2010 an, wobei selbst zu diesem Zeitpunkt eine Berufsfähigkeit scheitere, wenn die Tätigkeit des Klägers dadurch geprägt sei, dass er Lasten von 30 kg über längere Strecken bewegen müsse (S. 3, 4 der Sitzungsniederschrift vom 10.10.2012, Bl. 523, 524 d.A.).

c.

Die weitere Entwicklung des Gesundheitszustands und die – zwischen den Parteien streitige – Frage, ob eine Berufsunfähigkeit nach dem Ende der Rehabilitation im Jahr 2010 bzw. zum aktuellen Zeitpunkt fortbesteht, sind für den hiesigen Rechtsstreit nicht erheblich.

Steht fest, dass zu einem bestimmten Zeitpunkt Berufsunfähigkeit eingetreten war, kann der Versicherer spätere Änderungen des Gesundheitszustands nur auf dem vertraglich vorgesehenen Weg des Nachprüfungsverfahrens (§ 7 BB-BUZ) geltend machen (vgl. Senat, Urt. v. 6.6.2012 – 5 U 163/08). Dessen unerlässlicher Bestandteil ist nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs, dass dem Versicherten eine bestimmte, inhaltlichen Anforderungen genügende Mitteilung über die Beendigung einer zuvor bestehenden Leistungspflicht gemacht wurde (vgl. BGH, Urt. v. 3.11.1999 – IV ZR 155/98 – VersR 2000, 171; Urt. v. 12.6.1996 – IV ZR 106/95 – VersR 1996, 958; Urt. v. 17.2.1993 – IV ZR 206/91 – VersR 1993, 562). Auf eine solche Änderungsmitteilung kann selbst dann nicht verzichtet werden, wenn die Voraussetzungen der Berufsunfähigkeit während des Rechtsstreits entfallen (Senat, Urt. v. 6.6.2012 – 5 U 163/08). Allerdings soll dem Versicherer in einem Rechtsstreit, in dem der Versicherungsnehmer den Nachweis bedingungsgemäßer Berufsunfähigkeit geführt hat, zunächst der Beweis offen stehen, dass und ab welchem Zeitpunkt die Voraussetzungen für eine Herabsetzung oder Einstellung der Leistungen nach § 7 BB-BUZ eingetreten seien; im Urteil soll dann über Beginn und Ende der Leistungspflicht zu entscheiden sein (BGH, Beschl. v. 20.1.2010 – IV ZR 111/07 – RuS 2010, 251). Auch unter dieser Prämisse ist aber eine formale Einstellungsmitteilung des Versicherers – die nicht zwingend außergerichtlich erfolgen muss – unverzichtbar (Senat, Urt. v. 6.6.2012 – 5 U 163/08, auch dazu, dass der Versicherungsnehmer insoweit nur dann nicht schutzbedürftig ist, wenn feststeht, dass die Berufsunfähigkeit bereits geendet hat, bevor der Versicherer mit Ansprüchen des Versicherungsnehmers konfrontiert wurde; so auch die Vorentscheidung zu BGH, Beschl. v. 20.1.2010 - IVZR 111/07 - nämlich OLG Köln, Urt. v. 18.4.2007 - 5 U 180/06 ). Inhaltlich verlangt sie eine Vergleichsbetrachtung des Gesundheitszustands, wie er einem Anerkenntnis hätte zugrunde liegen müssen, mit dem Gesundheitszustand zu einem späteren Zeitpunkt. An einer diesen Anforderungen gerecht werdenden Mitteilung der Beklagten fehlt es. Sie lässt sich auch keinem ihrer Schriftsätze entnehmen. Abgesehen davon, dass sie Leistungen von Beginn an in erster Linie unter dem Gesichtspunkt der Arglistanfechtung abgelehnt hatte, hat sie eine Berufsunfähigkeit zu keinem Zeitpunkt als gegeben erachtet und sich – folgerichtig – zu einem späteren Wegfall einer Berufsunfähigkeit wegen veränderter Gesundheitsverhältnisse des Klägers nicht erklärt.

Das Nachprüfungsverfahren wäre hier, selbst wenn der Kläger seine Leistungsfähigkeit zwischenzeitlich wieder zurückerlangt haben sollte (die Erklärungen des Sachverständigen in seiner Anhörung vom 10.10.2012 zur dauerhaft fortbestehenden Unfähigkeit, gewisse Lasten zu tragen, lassen das allerdings zweifelhaft erscheinen), nicht etwa deshalb entbehrlich, weil § 1 Abs. 4a BB-BUZ ein "Erlöschen" der Leistungsansprüche anordnet, wenn der "Grad der Berufsunfähigkeit unter 50 % sinkt". Sollte das als Automatismus zu verstehen sein, wäre die Klausel jedenfalls gemäß § 307 Abs. 2 Nr. 2 BGB wegen unangemessener Benachteiligung des Versicherungsnehmers unwirksam. Der berufsunfähige Versicherte muss sich auf die Leistung des Versicherers verlassen können. Hat der Versicherer nach Prüfung seiner Leistungspflicht anerkannt, dass Vereinbarte zu schulden, oder muss er sich so behandeln lassen, als habe er sich dahin erklärt, so dürfen die Grundlagen, die er seinem Leistungsverhalten einmal zu Grunde gelegt hat oder hätte zu Grunde legen müssen, grundsätzlich nicht nachträglich infrage gestellt werden. Er kann sich auf einen Wegfall der einmal gegebenen Berufsunfähigkeit oder eine erhebliche Minderung ihres Grades nur unter den Voraussetzungen und in den Formen der Nachprüfung mit den damit verbundenen beweisrechtlichen Nachteilen berufen (siehe Rixecker in: Beckmann/Matusche-Beckmann 2. Aufl. 2009, § 46 Rdn. 155). Diese Grundsätze würde durch eine wortlautgetreue Anwendung des § 1 Abs. 4a BB-BUZ – automatisches Erlöschen der Ansprüche – in unzulässiger Weise unterminiert. Wird die Klausel hingegen dahin ausgelegt, dass sie – insoweit überflüssig – die Grundsätze für das Nachprüfungsverfahren des § 7 BB-BUZ aufgreift, dann bleibt es bei dem oben zum Erfordernis der förmlichen Einstellungsmitteilung Ausgeführten.

d.

Die vom Kläger geltend gemachten Ansprüche bestehen allerdings nicht schon ab dem 6.1.2009. Erst der am 12.11.2009 im Rahmen der Begutachtung für die Deutsche Rentenversicherung erhobene Befund rechtfertigte nämlich den Schluss auf die Voraussetzungen einer mindestens 50-prozentigen (bedingungsgemäß für sechs Monate zu prognostizierenden) Berufsunfähigkeit. Einen früheren Eintritt hat der Kläger nicht bewiesen.

Der Senat stützt sich auch insoweit auf die überzeugenden Feststellungen des Sachverständigen Prof. Dr. S. Der Sachverständige hat die verfügbaren Vorbefunde ab dem vom Kläger geltend gemachten Berufsunfähigkeitszeitpunkt (6.1.2009) ausgewertet. Die für die Zeit vor dem 12.11.2009 vorliegenden Gesundheitsdaten sprachen aus seiner Sicht nicht dafür, dass der Kläger schon damals seiner beruflichen Tätigkeit nicht mehr hätte nachgehen können. Zum Zeitpunkt des Entlassungsberichts der Fachklinik für Orthopädie der Hochwaldkliniken in W. vom 20.4.2009 habe es auffallende Behinderungen aus orthopädischer Sicht im Bereich der oberen Extremitäten nicht gegeben, und im Bereich der unteren Extremitäten sei eine nur endgradige schmerzbedingte Bewegungseinschränkung aufgefallen; die Wirbelsäule sei in ihrer Beweglichkeit nicht wesentlich eingeschränkt gewesen. Man habe das Rehabilitationsergebnis als gut eingeschätzt, insbesondere mit Blick auf eine verbesserte Mobilität und körperliche Belastbarkeit. Aufgrund jener Befunde könne ausgeschlossen werden, dass beim Kläger eine mindestens 50-prozentige Berufsunfähigkeit in seinem zuletzt ausgeübten Beruf vorgelegen habe.

Der Nachweis, dass sich daran etwas geändert habe, ist dem Kläger dann, wie ausgeführt, erst zum 12.11.2009 gelungen.

3.

Der Höhe nach sind die Klageanträge, wie aus dem Tenor ersichtlich, überwiegend begründet.

Die im Schriftsatz vom 9.10.2012 bei der Bezeichnung der Daten unterlaufenen offensichtlichen Unstimmigkeiten korrigiert der Senat mit Blick auf das erkennbar Gewollte. Der im zuletzt gestellten Zahlungsantrag zu 1.a bezifferte Teilbetrag von 3.280,22 EUR für den Zeitraum 6.1.2009 bis 31.10.2009 ist entsprechend den obigen Ausführungen zum Eintritt der Berufsunfähigkeit von der Beklagten nicht geschuldet. Begründet ist insoweit (nur) der auf 6.054 EUR bezifferte Zahlungsantrag für 20 Monate vom 1.12.2009 bis zum – offenbar gemeinten – 31.7.2011 (genannt ist in der Begründung des Schriftsatzes vom 9.10.2012 offensichtlich irrtümlich der 30.6.2011; das steht aber weder im Einklang mit der Berechnung des Gesamtbetrags für 20 Monate nach dem 30.11.2009 noch mit dem Umstand, dass der Feststellungsantrag zu 2 den Zeitraum ab dem 1.8.2011 erfassen soll). Der Zahlungsbetrag ist – entsprechend dem angepassten Klageantrag gemäß Schriftsatz vom 9.10.2012 – um die vorgerichtlich von der Beklagten gezahlten 436 EUR zu vermindern, so dass 5.618 EUR verbleiben.

4.

Abzuweisen ist der Antrag auf die Erstattung der – in zweiter Instanz zum Gegenstand der Klage gemachten – vorgerichtlichen Rechtsanwaltskosten (Schriftsatz vom 5.7.2011, Bl. 349 d.A., Schriftsatz vom 9.10.2012, Bl. 518 d.A.). Sie könnten allenfalls unter dem Gesichtspunkt des Verzugsschadensersatzes geschuldet sein (§§ 280 Abs. 1, Abs. 2, 286, 249 Abs. 1 BGB), wenn sie zu den zweckentsprechenden Kosten der Rechtsverfolgung zählten. Das ist nicht der Fall. Der Kläger stützt den Anspruch darauf, dass er die Beklagte mit Schreiben vom 16.6.2011 aufgefordert habe, aufgelaufene weitere Rückstände zu zahlen. Jene Zahlungspflicht ist im Zeitpunkt der Zahlungsaufforderung aber – wenn auch im Rahmen eines Feststellungsantrags – bereits Gegenstand des Rechtsstreits gewesen. Eine gesonderte Geltendmachung war nicht notwendig, die dadurch möglicherweise entstandenen zusätzlichen Aufwendungen für anwaltliche Gebühren deshalb zur Wahrung der Rechte des Klägers weder erforderlich noch zweckmäßig (vgl. zu den Voraussetzungen des Ersatzes von verzugsbedingten Rechtsverfolgungskosten Ernst in: MünchKommBGB, 6. Aufl. 2012, § 286 Rdn. 154).

5.

Der Kläger hat für den – in Höhe von 5.618 EUR erfolgreichen – Zahlungsantrag über 6.054 EUR Zinsen erst geltend gemacht ab Rechtshängigkeit der Klageerweiterung (13.7.2011, Bl. 351 d.A.). Der Zinsanspruch ist ihm auf die geschuldeten 5.618 EUR deshalb (erst) ab diesem Zeitpunkt gemäß § 291 BGB zuzusprechen (§ 322 ZPO).

6.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 92 Abs. 2 Nr. 1 ZPO, weil der Kläger nur für den vor dem 12.11.2009 liegenden Zeitraum von rund zehn Monaten keine Leistungen beanspruchen kann. Dieses Teilunterliegen ist geringfügig im Sinne des § 92 Abs. 2 Nr. 1 ZPO, obwohl es die gemeinhin für relevant angesehene Grenze von 10 % bei rein rechnerischer Betrachtung anhand des Streitwerts übersteigt (zur Streitwertberechnung siehe unten). Das beruht aber allein darauf, dass der Streitwert hier unter Heranziehung des § 9 ZPO zu ermitteln ist (Beschränkung auf den dreieinhalbfachen Wert des einjährigen Bezugs bei wiederkehrenden Leistungen) und dass er deshalb keine eindeutige Lösung für die am Prozesserfolg zu bemessende Kostenverteilung vorzugeben geeignet ist (vgl. OLG München, FamRZ 1997, 762). Mit Blick auf die zu erwartende Gesamtdauer der Leistungspflicht der Beklagten ist die Versagung von Leistungen für die zehn Monate vor der Klagerhebung geringfügig und rechtfertigt eine vollständige Kostenbelastung der Beklagten.

Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus den §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO.

Die Revision ist nicht zuzulassen, da die Voraussetzungen des § 543 Abs. 2 ZPO nicht gegeben sind.

Der Streitwert wird auf 24.110,62 EUR festgesetzt.

Der bezifferte Klageantrag zu 1a – der Klageantrag zu 1b bleibt wegen § 43 Abs. 1 GKG außer Betracht – ist auf 8.898,22 EUR (3.280,22 EUR - 436 EUR + 6.054 EUR) zu veranschlagen (dazu dass während eines Rechtsstreits fällig werdende, wiederkehrende Forderungen den Streitwert trotz § 9 ZPO dann erhöhen, wenn sie – wie hier der Zahlungsantrag über 6.054 EUR – selbstständig mittels Leistungsantrags geltend gemacht werden, Heinrich in: Musielak, ZPO, 9. Aufl. 2012, § 9 Rdn. 5). Der Feststellungsantrag zur weiteren Rentenzahlungspflicht entspricht dem 3,5-fachen Jahresbetrag der geltend gemachten Rente (3,5 x 3.632 EUR = 12.712 EUR; § 9 ZPO) abzüglich eines 20%igen Feststellungsabschlags, beträgt also 10.170 EUR (vgl. Senat, Beschl. v. 24.11.2005 – 5 W 328/05; dazu dass der übliche Feststellungsabschlag unabhängig davon zu machen ist, ob der Schuldner sich einem Feststellungsausspruch voraussichtlich beugt, siehe BGH, Urt. v. 29.10.1998 – III ZR 137/98 – NJW-RR 1999, 362). Der auf Freistellung der Prämienzahlungspflicht gerichtete Feststellungsantrag hat einen Wert von 1.680 EUR (3,5 x 12 x 50 EUR x 80%) zuzüglich der bei Klageerhebung bereits fällig gewesenen Freistellungsansprüche für 10 Monate in Höhe von 400 EUR (10 x 50 EUR x 80%). Der neben den Leistungspflichten streitgegenständliche Feststellungsantrag zum Fortbestand der Berufsunfähigkeits-Zusatzversicherung ist auf 20 % der 3,5-fachen Jahresbeträge von Rentenleistung und Versicherungsprämie zu beziffern (BGH, Beschl. v. 6.10.2011 – IV ZR 183/10 – VersR 2012, 76), das sind hier 2.962,40 EUR.

Der Senat korrigiert auch die Streitwertfestsetzung des Landgerichts gemäß Beschluss vom 27.7.2010 (§ 63 Abs. 3 GKG). Der Zahlungsanspruch erster Instanz betrug 3.019,20 EUR, der Feststellungsantrag zu 2 hatte einen Wert von 10.170 EUR, der Feststellungsantrag zu 3 von 2.080 EUR (1.680 EUR + 400 EUR, siehe vorstehend). Auch in erster Instanz war der 2.962,40 EUR zu bemessende Feststellungsantrag zum Bestand der Versicherung streitgegenständlich. Das ergibt einen Gesamtstreitwert von 18.231,60 EUR.

Urteilsbesprechung zu Saarländisches Oberlandesgericht Saarbrücken Urteil, 14. Nov. 2012 - 5 U 343/10; 5 U 343/10 - 55

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Bundesgerichtshof Urteil, 30. Jan. 2002 - IV ZR 23/01

bei uns veröffentlicht am 30.01.2002

BUNDESGERICHTSHOF IM NAMEN DES VOLKES URTEIL IV ZR 23/01 Verkündet am: 30. Januar 2002 Fritz Justizangestellte als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle in dem Rechtsstreit Nachschlagewerk: ja BGHZ: nein _________________

Bundesgerichtshof Urteil, 27. Feb. 2008 - IV ZR 270/06

bei uns veröffentlicht am 27.02.2008

BUNDESGERICHTSHOF IM NAMEN DES VOLKES URTEIL IV ZR 270/06 Verkündetam: 27.Februar2008 Heinekamp Justizhauptsekretär alsUrkundsbeamter derGeschäftsstelle in dem Rechtsstreit Nachschlagewerk: ja BGHZ: nein BGHR: ja

Bundesgerichtshof Urteil, 24. Nov. 2010 - IV ZR 252/08

bei uns veröffentlicht am 24.11.2010

Hinweis: Gegen das Urteil ist Einspruch eingelegt. BUNDESGERICHTSHOF IM NAMEN DES VOLKES VERSÄUMNISURTEIL IV ZR 252/08 Verkündetam: 24.November2010 Bott Justizhauptsekretärin alsUrkundsbeamtin derGeschäftsstelle in dem Recht

Bundesgerichtshof Beschluss, 20. Jan. 2010 - IV ZR 111/07

bei uns veröffentlicht am 20.01.2010

BUNDESGERICHTSHOF BESCHLUSS IV ZR 111/07 vom 20. Januar 2010 in dem Rechtsstreit Der IV. Zivilsenat des Bundesgerichtshofes hat durch den Vorsitzenden Richter Terno, den Richter Seiffert, die Richterinnen Dr. Kessal-Wulf, Harsdorf-Gebhardt und den R

Bundesgerichtshof Urteil, 10. Okt. 2001 - IV ZR 6/01

bei uns veröffentlicht am 10.10.2001

BUNDESGERICHTSHOF IM NAMEN DES VOLKES URTEIL IV ZR 6/01 Verkündet am: 10. Oktober 2001 Heinekamp Justizobersekretär als Urkundsbeamter der Geschäftsstelle in dem Rechtsstreit Nachschlagewerk: ja BGHZ: nein __________

Referenzen

(1) Anstelle von Tatbestand und Entscheidungsgründen enthält das Urteil

1.
die Bezugnahme auf die tatsächlichen Feststellungen im angefochtenen Urteil mit Darstellung etwaiger Änderungen oder Ergänzungen,
2.
eine kurze Begründung für die Abänderung, Aufhebung oder Bestätigung der angefochtenen Entscheidung.
Wird das Urteil in dem Termin, in dem die mündliche Verhandlung geschlossen worden ist, verkündet, so können die nach Satz 1 erforderlichen Darlegungen auch in das Protokoll aufgenommen werden.

(2) Die §§ 313a, 313b gelten entsprechend.

Das Recht des Versicherers, den Vertrag wegen arglistiger Täuschung anzufechten, bleibt unberührt.

(1) Wer zur Abgabe einer Willenserklärung durch arglistige Täuschung oder widerrechtlich durch Drohung bestimmt worden ist, kann die Erklärung anfechten.

(2) Hat ein Dritter die Täuschung verübt, so ist eine Erklärung, die einem anderen gegenüber abzugeben war, nur dann anfechtbar, wenn dieser die Täuschung kannte oder kennen musste. Soweit ein anderer als derjenige, welchem gegenüber die Erklärung abzugeben war, aus der Erklärung unmittelbar ein Recht erworben hat, ist die Erklärung ihm gegenüber anfechtbar, wenn er die Täuschung kannte oder kennen musste.

Das Recht des Versicherers, den Vertrag wegen arglistiger Täuschung anzufechten, bleibt unberührt.

(1) Wer zur Abgabe einer Willenserklärung durch arglistige Täuschung oder widerrechtlich durch Drohung bestimmt worden ist, kann die Erklärung anfechten.

(2) Hat ein Dritter die Täuschung verübt, so ist eine Erklärung, die einem anderen gegenüber abzugeben war, nur dann anfechtbar, wenn dieser die Täuschung kannte oder kennen musste. Soweit ein anderer als derjenige, welchem gegenüber die Erklärung abzugeben war, aus der Erklärung unmittelbar ein Recht erworben hat, ist die Erklärung ihm gegenüber anfechtbar, wenn er die Täuschung kannte oder kennen musste.

Soweit nach diesem Gesetz die Kenntnis des Versicherers erheblich ist, steht die Kenntnis des Versicherungsvertreters der Kenntnis des Versicherers gleich. Dies gilt nicht für die Kenntnis des Versicherungsvertreters, die er außerhalb seiner Tätigkeit als Vertreter und ohne Zusammenhang mit dem betreffenden Versicherungsvertrag erlangt hat.

Hinweis: Gegen das Urteil ist Einspruch eingelegt.

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
VERSÄUMNISURTEIL
IV ZR 252/08 Verkündetam:
24.November2010
Bott
Justizhauptsekretärin
alsUrkundsbeamtin
derGeschäftsstelle
in dem Rechtsstreit
Der IV. Zivilsenat des Bundesgerichtshofes hat durch den Vorsitzenden
Richter Terno, den Richter Wendt, die Richterinnen Dr. Kessal-Wulf,
Harsdorf-Gebhardt und den Richter Dr. Karczewski auf die mündliche
Verhandlung vom 24. November 2010

für Recht erkannt:
Auf die Revision des Klägers wird das Urteil des 4. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Naumburg vom 9. Oktober 2008 aufgehoben.
Die Sache wird zur neuen Verhandlung und Entscheidung , auch über die Kosten des Revisionsverfahrens, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.
Von Rechts wegen

Tatbestand:

1
Der Kläger verlangt von der Beklagten Leistungen aus einer Berufsunfähigkeits -Zusatzversicherung, die er im Jahre 2001 in Verbindung mit einer Kapitallebensversicherung abschloss.
2
Am 18. März 2001 unterzeichnete der Kläger ein Formular der Beklagten , das wie folgt überschrieben ist: "Anfrage: Ich wünsche (Wir wünschen) ein Angebot zum Abschluss einer Lebens-/Rentenversicherung".
3
Als gewünschte Versicherungsform war in dem Formular "kapitalbildende Lebensversicherung" angekreuzt.
4
der In Rubrik "Vertragsabschluss/Widerspruchsrecht/Rücktrittsrecht" heißt es: "Die [Beklagte] erstellt mir (uns) auf der Grundlage dieser Anfrage und der Angaben zum Gesundheitszustand der zu versichernden Person(en) ein schriftliches Vertragsangebot (Versicherungsschein). Der Vertrag gilt mit Aushändigung dieses Angebots und bei Vorliegen der schriftlich gegebenen gesetzlichen Verbraucherinformation als abgeschlossen, wenn ich (wir) dem Vertragsabschluss nicht innerhalb eines Monats nach Aushändigung widerspreche(n) und ich (wir) über diese Folge noch einmal im Versicherungsschein schriftlich belehrt wurde(n). Nach Vertragsabschluss, also spätestens nach Ablauf der Monatsfrist, kann ich (können wir) innerhalb einer weiteren Frist von 14 Tagen vom Vertrag zurücktreten. …"
5
DieBeklagteübersand te dem Kläger den Versicherungsschein und bat ihn in ihrem "Policenbegleitschreiben" vom 19. März 2001, die beigefügten Unterlagen zu überprüfen und sie "bei Unvollständigkeit oder Abweichungen von den bei der Anfrage gemachten Angaben" umgehend zu informieren. Beigefügt war eine Anlage mit "Angaben zur versicherten Person", die den Gesundheitszustand des Klägers betrafen.
6
Mit "ja" beantwortet war die Frage unter Nr. 4 "Sind Sie in den letzten fünf Jahren ärztlich untersucht, beraten oder behandelt worden?"
7
Art Als der Untersuchung war nur eine Routineuntersuchung im November 2000 bei dem damaligen Hausarzt des Klägers angegeben.
8
Verneintwurdedie Frage unter Nr. 6.1 "Bestehen oder bestanden in den letzten zehn Jahren Beschwerden oder Krankheiten (z.B. … Wirbelsäule …) …?"
9
Nachdem der Kläger im Dezember 2004 Leistungen aus der Berufsunfähigkeits -Zusatzversicherung beantragt hatte, holte die Beklagte im Rahmen der Leistungsprüfung ärztliche Auskünfte ein. Im Mai 2005 erfuhr die Beklagte von dem späteren Hausarzt des Klägers, dass dieser den Kläger unter anderem in den Jahren 1996, 1998 und 1999 wegen Rückenschmerzen und Lumbalgien behandelt hatte. Im September 2005 erklärte die Beklagte die Anfechtung des Vertrages wegen arglistiger Täuschung mit der Begründung, dass der Kläger ihr die früheren Behandlungen wegen Wirbelsäulenbeschwerden verschwiegen habe.
10
Der Kläger behauptet, der Versicherungsagent der Beklagten habe ihm am 18. März 2001 nur das Formular zur Unterschrift vorgelegt und keine Gesundheitsfragen gestellt. Sämtliche Angaben zu seinen Gesundheitsverhältnissen und zum Hausarztwechsel habe er dem Versicherungsagenten gemacht; dieser habe eigenmächtig die weiteren Angaben nachträglich aus einem Versicherungsantrag von 1996 abgeschrieben.
11
Kläger Der begehrt die Zahlung der vereinbarten Berufsunfähigkeitsrenten ab Dezember 2004 sowie die Feststellung, dass er von der Beitragszahlungspflicht befreit sei. Weiterhin verlangt er von der Beklagten Auskunft über die Höhe der ihm ab Dezember 2004 zustehenden zusätzlichen monatlichen Bonusrente aus der Überschussbeteiligung.
12
Die Vorinstanzen haben die Klage abgewiesen. Mit der Revision verfolgt der Kläger seine Klagebegehren weiter.

Entscheidungsgründe:


13
Da die Beklagte trotz ordnungsgemäßer Ladung im Revisionstermin nicht vertreten war, ist über die Revision auf Antrag des Klägers durch Versäumnisurteil zu entscheiden. Dieses ist jedoch keine Folge der Säumnis, sondern beruht auf einer Sachprüfung (vgl. BGH, Urteil vom 4. April 1962 - V ZR 110/60, BGHZ 37, 79, 81 ff.).
14
Die Revision führt zur Aufhebung des angefochtenen Urteils und zur Zurückverweisung der Sache an das Berufungsgericht.
15
Das I. Berufungsgericht hat die Beklagte zur Anfechtung wegen arglistiger Täuschung für berechtigt gehalten, weil der Kläger sie bei Abschluss des Versicherungsvertrages über die Fragen nach ärztlichen Untersuchungen in den letzten fünf Jahren sowie nach Beschwerden oder Krankheiten in den letzten zehn Jahren getäuscht habe. Selbst wenn man zugunsten des Klägers als wahr unterstelle, dass der Versicherungsvertreter eigenmächtig die Angaben zum Gesundheitszustand aufgenommen habe, bleibe unstreitig, dass der Kläger ein darauf basierendes schriftliches Vertragsangebot der Beklagten erhalten habe. Obwohl die Fragen zu Nr. 4 und 6.1 nicht richtig beantwortet worden seien, habe der Kläger die Angaben nicht korrigiert und sich spätestens mangels vertraglich gebotener Reaktion auf das Schreiben der Beklagten vom 19. März 2001 einer arglistigen Täuschung durch Unterlassen schuldig gemacht. Die arglistige Täuschung sei für die Willenserklärung der Beklagten , also die Annahme des Versicherungsantrages, auch kausal geworden. Die Beklagte habe unbestritten vorgetragen, dass sie den Versicherungsvertrag mit dem Kläger nicht abgeschlossen hätte, wenn sie über die bestehenden Vorerkrankungen, Behandlungen und Arztbesuche informiert gewesen wäre.
16
II. Das hält der rechtlichen Nachprüfung nicht stand.
17
Als 1. rechtsfehlerhaft erweist sich die Überzeugung des Berufungsgerichts , der Kläger habe die Beklagte arglistig getäuscht, indem er ihr die Behandlungen wegen Rückenbeschwerden verschwiegen habe.
18
a) Eine arglistige Täuschung durch Unterlassen kann entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts nicht darin liegen, dass der Kläger auf die in dem Schreiben der Beklagten vom 19. März 2001 enthaltene Aufforderung , sie über etwaige Unrichtigkeiten der Angaben zum Gesundheitszustand zu informieren, nicht reagierte.
19
Die aa) arglistige Täuschung setzt eine Vorspiegelung falscher oder ein Verschweigen wahrer Tatsachen gegenüber dem Versicherer zum Zwecke der Erregung oder Aufrechterhaltung eines Irrtums voraus. Der Versicherungsnehmer muss vorsätzlich handeln, indem er bewusst und willentlich auf die Entscheidung des Versicherers einwirkt. Falsche Angaben in einem Versicherungsantrag allein rechtfertigen den Schluss auf eine arglistige Täuschung nicht; einen allgemeinen Erfahrungssatz des Inhalts, dass eine bewusst unrichtige Beantwortung einer Antragsfrage immer und nur in der Absicht erfolgt, auf den Willen des Versicherers einzuwirken, gibt es nicht (Senatsurteil vom 28. Februar 2007 - IV ZR 331/05, VersR 2007, 785 Rn. 8 m.w.N.). In subjektiver Hinsicht setzt die Annahme von Arglist vielmehr zusätzlich voraus, dass der Versicherungsnehmer erkennt und billigt, dass der Versicherer seinen Antrag bei Kenntnis des wahren Sachverhalts gar nicht oder nur zu anderen Konditionen annehmen werde (Senatsurteil vom 28. Februar 2007 aaO; Prölss in Prölss/Martin, VVG 27. Aufl. § 22 Rn. 4; Langheid in Römer/Langheid, VVG 2. Aufl. § 22 Rn. 6; jeweils m.w.N.). Weiterhin muss die arglistige Täuschung für die Willenserklärung des Versicherers kausal geworden sein (Langheid in Römer/Langheid aaO § 22 Rn. 5 m.w.N.).
20
bb) Schon der Ansatz des Berufungsgerichts ist verfehlt. Es hat nicht beachtet, dass der Kläger auf die Entscheidung der Beklagten keinen Einfluss mehr nehmen konnte, als er den Versicherungsschein nebst "Policenbegleitschreiben" vom 19. März 2001 erhielt. Mit Übersendung des Versicherungsscheins hatte die Beklagte alles getan, was von ihrer Seite für das Zustandekommen des Versicherungsvertrages erforderlich war.
21
Auch wenn in dem von dem Kläger unterzeichneten Formular von einer "Anfrage" und einem daraufhin von der Beklagten zu erstellenden "Vertragsangebot" die Rede ist, belegt die Beschreibung des Zustandekommens des Vertrages, dass damit der Antrag des Versicherungsnehmers und dessen Annahme durch die Beklagte gemeint sind. Nur so ergibt es einen Sinn, wenn es in der "Anfrage" heißt, dass der Vertrag als abgeschlossen gilt, wenn der "Anfragesteller" dem Vertragsschluss nach Erhalt der Police und der Verbraucherinformation nicht innerhalb eines Monats widerspricht.
22
Das entspricht im Wesentlichen dem so genannten Policenmodell gemäß § 5a VVG a.F. Dieses war dadurch gekennzeichnet, dass der Antragsteller zunächst das von ihm unterzeichnete Antragsformular an den Versicherer übermittelte und dieser dem Versicherungsnehmer die All- gemeinen Versicherungsbedingungen und die weitere Verbraucherinformation erst zusammen mit der Police zukommen ließ. Widersprach der Versicherungsnehmer nicht innerhalb von 14 Tagen nach Überlassung der Unterlagen schriftlich, so galt der Vertrag auf der Grundlage der Allgemeinen Versicherungsbedingungen und der weiteren für den Vertragsinhalt maßgeblichen Verbraucherinformation als abgeschlossen (§ 5a Abs. 1 Satz 1 VVG a.F.). In dem Antrag des Versicherungsnehmers war das Vertragsangebot, in der nachfolgenden Übersendung der Vertragsunterlagen die Annahme durch den Versicherer zu sehen. Außerdem setzte der Vertragsschluss das Ausbleiben des Widerspruchs innerhalb der 14-tägigen Widerspruchsfrist voraus; bis zu diesem Zeitpunkt war nach herrschender Meinung von einem schwebend unwirksamen Vertrag auszugehen (OLG Frankfurt, VersR 2005, 631, 633; OLG Düsseldorf, VersR 2001, 837, 838; OLG Hamm, VersR 1999, 1229, 1230; Prölss in Prölss/Martin aaO § 5a Rn. 9 f.; Römer in Römer/Langheid aaO § 5a Rn. 24 f.; BK/Schwintowski, VVG § 5a Rn. 78; Schimikowski, r+s 2000, 353, 355; Schirmer, VersR 1996, 1045, 1052; jeweils m.w.N.). An dieser Art des Vertragsschlusses orientierte sich die Beklagte nach der Darstellung in dem von ihr verwendeten Formular insoweit, als der Vertrag mit Aushändigung des Versicherungsscheins und bei Vorliegen der schriftlich gegebenen gesetzlichen Verbraucherinformationen als abgeschlossen gilt, wenn der "Anfragesteller" dem Vertragsschluss nicht innerhalb eines Monats nach Aushändigung widerspricht.
23
Ob die Regelung des "Policenmodells" wirksam und insbesondere mit den Vorgaben der Richtlinien 90/619/EWG vom 8. November 1990 (Zweite Richtlinie Lebensversicherung) und 92/96/EWG vom 10. November 1992 (Dritte Richtlinie Lebensversicherung) vereinbar ist, braucht hier nicht geklärt zu werden. Jedenfalls hatte die Beklagte nach Über- sendung des Versicherungsscheins keine für den Vertragsschluss wesentliche Willenserklärung mehr abzugeben, so dass sie durch Unterlassen der Richtigstellung etwaiger unrichtiger Angaben nicht mehr zu einer Annahmeerklärung bewogen werden konnte, die sie bei Kenntnis des wahren Sachverhalts nicht oder nur zu anderen Konditionen abgegeben hätte.
24
b) Das Berufungsgericht hat nicht festgestellt, dass der Kläger zu seinem Gesundheitszustand bereits bei Antragstellung falsche Angaben machte. Dazu hat der Kläger behauptet, er habe sämtliche Angaben zu seinen Gesundheitsverhältnissen und zum Hausarztwechsel dem Versicherungsagenten der Beklagten gemacht, dieser habe aber eigenmächtig und selbständig die Angaben zum Gesundheitszustand aus einem früheren Versicherungsantrag abgeschrieben. Die Richtigkeit dieses Vorbringens hat das Berufungsgericht zugunsten des Klägers unterstellt. Trifft diese - auch für das Revisionsverfahren als wahr zu unterstellende - Behauptung zu, so hat der Kläger seine Anzeigeobliegenheit nicht verletzt.
25
Der aa) empfangsbevollmächtigte Versicherungsagent steht bei Entgegennahme eines Antrags auf Abschluss eines Versicherungsvertrages dem Antragsteller bildlich gesprochen als das Auge und Ohr des Versicherers gegenüber. Was ihm mit Bezug auf die Antragstellung gesagt und vorgelegt wird, ist dem Versicherer gesagt und vorgelegt worden (ständige Rechtsprechung, Senatsurteile vom 10. Oktober 2001 - IV ZR 6/01, VersR 2001, 1541 unter II 1 a; vom 11. November 1987 - IVa ZR 240/86, BGHZ 102, 194, 197). Hat der Agent etwas, was ihm der Antragsteller auf die Fragen wahrheitsgemäß mitgeteilt hat, nicht in das Formular aufgenommen, so hat der Antragsteller seine Anzeigeobliegenheit gleichwohl gegenüber dem Versicherer erfüllt (Senatsurteil vom 18. Dezember 1991 - IV ZR 299/90, BGHZ 116, 387, 389). Hat der Versicherungsagent das Formular mit Fragen nach Gefahrumständen eigenmächtig ohne Rückfragen an den Versicherungsnehmer ausgefüllt - wie hier vom Berufungsgericht unterstellt -, so sind diesem die Formularfragen nicht einmal zur Kenntnis gelangt (Senatsurteil vom 13. März 1991 - IV ZR 218/90, VersR 1991, 575 unter 2 b). Auch dann scheidet eine Verletzung der Anzeigeobliegenheit aus.
26
bb) Demgemäß genügt es zum Nachweis einer Verletzung der vorvertraglichen Anzeigeobliegenheit nicht, dass die schriftlichen Antworten auf Antragsfragen - wie hier die Angaben zum Gesundheitszustand der versicherten Person - objektiv falsch sind. Der Versicherer kann allein mit dem Inhalt des von seinem Agenten ausgefüllten Antragsformulars nicht den Beweis führen, dass der Versicherungsnehmer hinsichtlich seiner Vorerkrankungen falsche Angaben gemacht habe, sofern dieser substantiiert behauptet, den Agenten mündlich zutreffend unterrichtet zu haben (Senatsurteile vom 27. Februar 2008 - IV ZR 270/06, VersR 2008, 765 Rn. 7; vom 23. Mai 1989 - IVa ZR 72/88, BGHZ 107, 322, 325). Die Beweislast liegt auch dann beim Versicherer, wenn der Versicherungsnehmer vorträgt, der Versicherungsagent habe die Fragen nach Gefahrumständen eigenmächtig beantwortet. Dann muss der Versicherer - im Regelfall durch Aussage seines Agenten - beweisen, dass der Agent dem Versicherungsnehmer die Antragsfragen zu eigenverantwortlicher (mündlicher) Beantwortung vorgelesen hat (Senatsurteil vom 13. März 1991 aaO unter 3). Diesen Punkt wird das Berufungsgericht bei erneuter Prüfung, ob die Beklagte zur Anfechtung wegen arglistiger Täuschung berechtigt war, aufzuklären haben.
27
Falls 2. das Berufungsgericht die Anfechtung nicht durchgreifen lässt, wird es sich mit der Frage der Berufsunfähigkeit des Klägers zu befassen haben. Dabei wird es auch zu prüfen haben, ob der Vortrag des Klägers in seinen Schriftsätzen vom 15. und 29. Oktober 2007, in denen er seine zuletzt vor dem behaupteten Eintritt der Berufsunfähigkeit ausgeübte berufliche Tätigkeit beschrieben hat, zu berücksichtigen ist.
Terno Wendt Dr. Kessal-Wulf
Harsdorf-Gebhardt Dr. Karczewski
Vorinstanzen:
LG Dessau-Roßlau, Entscheidung vom 09.11.2007 - 4 O 1212/06 -
OLG Naumburg, Entscheidung vom 09.10.2008 - 4 U 51/07 -

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
IV ZR 270/06 Verkündetam:
27.Februar2008
Heinekamp
Justizhauptsekretär
alsUrkundsbeamter
derGeschäftsstelle
in dem Rechtsstreit
Nachschlagewerk: ja
BGHZ: nein
BGHR: ja
Zu den Anforderungen an die Feststellung eines kollusiven Zusammenwirkens zwischen
Versicherungsagent und Versicherungsnehmer und an die Evidenz eines
Missbrauchs der dem Agenten vom Versicherer eingeräumten Vollmacht bei Entgegennahme
eines Versicherungsantrags.
BGH, Urteil vom 27. Februar 2008 - IV ZR 270/06 - OLG Oldenburg
LG Oldenburg
Der IV. Zivilsenat des Bundesgerichtshofes hat durch den Vorsitzenden
Richter Terno, die Richter Dr. Schlichting, Seiffert, die Richterin
Dr. Kessal-Wulf und den Richter Dr. Franke auf die mündliche Verhandlung
vom 27. Februar 2008

für Recht erkannt:
Auf die Revision des Klägers wird das Urteil des 3. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Oldenburg vom 20. September 2006 aufgehoben.
Die Sache wird zur neuen Verhandlung und Entscheidung , auch über die Kosten des Revisionsverfahrens, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.
Von Rechts wegen

Tatbestand:

1
Der Kläger nimmt die Beklagte aus einer bei ihr am 1. Juni 2001 genommenen Berufsunfähigkeits-Zusatzversicherung in Anspruch.
2
Im Januar 2001 beantragte der Kläger bei der Beklagten den Abschluss einer Lebensversicherung mit eingeschlossener Berufsunfähigkeits -Zusatzversicherung, die einen anderweitig bestehenden vertraglichen Berufsunfähigkeitsschutz ersetzen sollte. In dem vom Versicherungsagenten der Beklagten, dem Zeugen F. , ausgefüllten Versicherungsantrag vom 24. Januar 2001 sind die Fragen nach Krankheiten, gesundheitlichen Störungen oder Beschwerden verneint; die Frage nach ärztlichen Behandlungen in den zurückliegenden fünf Jahren ist unter Hinweis auf einen grippalen Infekt im November 2000 bejaht. Im August 2003 begehrte der Kläger Versicherungsleistungen mit der Begründung, er könne seinen bisherigen Beruf als Kfz-Mechaniker wegen eines Bandscheibenvorfalls nicht mehr ausüben. Die Beklagte erklärte daraufhin den Rücktritt vom Versicherungsvertrag und focht diesen wegen arglistiger Täuschung an, weil der Kläger bei der Antragstellung mehrere Erkrankungen verschwiegen habe. Demgegenüber macht der Kläger geltend , er habe die Gesundheitsfragen ordnungsgemäß beantwortet; der Versicherungsagent der Beklagten habe die geschilderten Beschwerden jedoch als unerheblich für den Abschluss des Vertrages bezeichnet und deshalb nicht in das Antragsformular aufgenommen.
3
Das Landgericht hat der Klage auf Zahlung einer monatlichen Berufsunfähigkeitsrente sowie auf rückständige Rentenleistungen im Wesentlichen stattgegeben, den Fortbestand des Versicherungsverhältnisses festgestellt und die Beklagte zur Beitragsfreistellung sowie zur Erstattung bereits geleisteter Beiträge verurteilt. Auf die Berufung der Beklagten hat das Oberlandesgericht die Klage abgewiesen. Mit seiner Revision erstrebt der Kläger die Wiederherstellung des landgerichtlichen Urteils.

Entscheidungsgründe:


4
Die Revision führt zur Aufhebung des angefochtenen Urteils und zur Zurückverweisung der Sache an das Berufungsgericht.

5
I. Das Berufungsgericht sieht es nach dem Ergebnis der landgerichtlichen Beweisaufnahme als erwiesen an, dass der Kläger den Versicherungsagenten der Beklagten bei Antragstellung auf seine Vorerkrankungen , insbesondere auf eine frühere Rückenerkrankung hingewiesen und ihn auch von den zum Zeitpunkt der Antragstellung gegenwärtigen Kniebeschwerden in Kenntnis gesetzt hat. Der Versicherungsagent habe, so das Berufungsgericht weiter, daraufhin erklärt, die Rücken- und die Kniebeschwerden seien für den Abschluss des Versicherungsvertrages unerheblich; er habe dann lediglich einen grippalen Infekt in das Antragsformular aufgenommen. Das Berufungsgericht ist der Ansicht, in einem solchen Fall komme eine arglistige Täuschung des Versicherers dann in Betracht, wenn Versicherungsnehmer und Versicherungsagent zu Lasten des Versicherers zusammengewirkt haben oder wenn der Agent von seiner Vertretungsmacht dergestalt in verdächtigter Weise Gebrauch macht, dass bei dem Versicherungsnehmer begründete Zweifel im Hinblick auf einen Treueverstoß des Agenten entstehen mussten. Dass der Kläger das im vorliegenden Fall auf der Hand liegende treuwidrige Handeln des Versicherungsagenten erkannt und gebilligt habe, ergebe sich daraus, dass nicht nur eine frühere, zum Zeitpunkt der Antragstellung bereits abgeklungene Rückenerkrankung nicht in den Antrag aufgenommen worden sei, sondern auch der vom Kläger selbst als krankheitswertig empfundene Zustand des linken Knies. Auch angesichts der gegenteiligen Bekundungen des Agenten könne der Kläger nicht geglaubt haben, dass diese Vorerkrankungen für den Abschluss einer Berufsunfähigkeits -Zusatzversicherung unerheblich gewesen seien. Dass zum Zeitpunkt der Antragstellung schon eine Berufsunfähigkeits-Zusatzversicherung bestand und diese durch die bei der Beklagten beantragte Versicherung habe ersetzt werden sollen, vermöge ausreichende Zweifel an der Arglist des Klägers nicht zu begründen.
6
II. Diese Erwägungen des Berufungsgerichts halten der rechtlichen Nachprüfung in entscheidenden Punkten nicht stand.
7
1. Im Ausgangspunkt zutreffend ist das Berufungsgericht für die Frage der Kenntniszurechnung bei Antragsaufnahme durch einen Versicherungsagenten von der Auge-und-Ohr-Rechtsprechung des Senats (vgl. dazu BGHZ 102, 194; 116, 387 und ständig) ausgegangen, die nunmehr auch Eingang in das reformierte, am 1. Januar 2008 in Kraft getretene Versicherungsvertragsgesetz gefunden hat (vgl. § 70 VVG n.F.). Danach kann der Versicherer allein mit dem Inhalt des von seinem Agenten ausgefüllten Antragsformulars nicht den Beweis führen, der Versicherungsnehmer habe hinsichtlich seiner Vorerkrankungen falsche Angaben gemacht, sofern dieser seinerseits substantiiert behauptet, den Agenten mündlich zutreffend unterrichtet und damit seine vorvertragliche Anzeigeobliegenheit erfüllt zu haben. Dem Versicherer obliegt es in einem solchen Fall darzulegen und gegebenenfalls - im Regelfall durch die Aussage seines Agenten - zu beweisen, dass der Versicherungsnehmer diesen auch mündlich unzutreffend unterrichtet hat (BGHZ 107, 322, 325). Denn was dem Agenten in Bezug auf die Antragstellung gesagt und vorgelegt wird, ist dem Versicherer gesagt und vorgelegt worden (§§ 43 Nr. 1 VVG a.F., 166 Abs. 1 BGB), auch wenn der Versicherungsagent es nicht in das Formular aufgenommen hat (BGHZ 116, 387, 389).
8
Das Berufungsgericht hat - insoweit von der Revision unangegriffen - festgestellt, dass der Kläger dem Versicherungsagenten der Be- klagten, dem Zeugen F. , seine Vorerkrankungen nicht verschwiegen , sondern vielmehr seine zum Zeitpunkt der Antragstellung nicht mehr vorhandenen Rückenbeschwerden ebenso genannt hat wie die gegenwärtigen Beschwerden im linken Knie und die in der Vergangenheit erforderlich gewordene Kniespiegelung. Damit war der Kläger seiner Anzeigeobliegenheit nachgekommen. Zu weiteren Angaben musste sich der Kläger nicht veranlasst sehen, zumal der Zeuge F. , wie vom Berufungsgericht ebenfalls festgestellt, die ihm geschilderten Beschwerden als für den Vertragsschluss unerheblich bezeichnet und sie - im Unterschied zu einem grippalen Infekt - nicht in das Antragsformular aufgenommen hat.
9
2.Durchgreifendenrechtlichen Bedenken begegnet jedoch die Erwägung im angefochtenen Urteil, die vollständige mündliche Unterrichtung über die Vorerkrankungen habe ausnahmsweise nicht zu einer Wissenszurechnung geführt, weil der Versicherungsagent F. treuwidrig gehandelt und der Kläger dies erkannt und wenigstens billigend in Kauf genommen, also arglistig mit dem Agenten zu Lasten der Beklagten zusammengewirkt habe. Das Berufungsgericht hat die für einen solchen Ausnahmefall in der Rechtsprechung des Senats herausgearbeiteten Anforderungen nicht ausreichend in den Blick genommen und dabei, wie die Revision zu Recht rügt, die Voraussetzungen fehlender Kenntniszurechnung wegen evidenten Vollmachtsmissbrauchs von denen einer arglistigen Täuschung des Versicherers wegen kollusiven Zusammenwirkens zwischen Versicherungsnehmer und Versicherungsagent nicht ausreichend unterschieden.
10
a) Die Wissenszurechnung auf dem Gebiet des Versicherungsvertragsrechts dient, wie der in § 166 Abs. 1 BGB für das Zivilrecht allge- mein geltende Grundsatz der Kenntniszurechnung zum Ausdruck bringt, dem Schutz des redlichen Vertragspartners, hier des künftigen Versicherungsnehmers , dem der Versicherer für den beabsichtigten Vertragsschluss einen zu seiner passiven Stellvertretung Bevollmächtigten und damit zur Entgegennahme antragsbezogener Erklärungen ausschließlich zuständigen Versicherungsagenten gegenüberstellt (BGHZ 102, 194, 198). Danach ist eine Wissenszurechnung nur dann nicht gerechtfertigt, wenn der künftige Versicherungsnehmer nicht schutzwürdig ist (Senatsurteil vom 7. März 2001 - IV ZR 254/00 - VersR 2001, 620 unter 2 b bb). Das ist der Fall, wenn er mit dem Versicherungsagenten arglistig zum Nachteil des Versicherers zusammenwirkt. Eine solche Kollusion - als besonders schwerer Fall des Vollmachtsmissbrauchs (so zutreffend Fricke VersR 2007, 1614, 1615) - setzt dabei voraus, dass der Versicherungsnehmer auf die Auskunft des Agenten, eine erhebliche Vorerkrankung sei nicht anzeigepflichtig, nicht vertraut, sondern im Bewusstsein der Anzeigeobliegenheit erkennt und billigt, dass der Versicherer durch das Vorgehen des Agenten über seinen Gesundheitszustand getäuscht und dadurch in der Entscheidung über den Abschluss des Versicherungsvertrages beeinflusst wird und er deshalb - im Einvernehmen mit dem Versicherungsagenten - will, dass die betreffende Erkrankung im Antragsformular unerwähnt bleibt (Senatsurteil vom 14. Juli 2004 - IV ZR 161/03 - VersR 2004, 1297 unter 3 m.w.N.; Langheid in Römer/Langheid, VVG 2. Aufl. § 43 Rdn. 54).
11
Gemessendaranrechtf ertigen die im angefochtenen Urteil getroffenen Feststellungen die Annahme kollusiven Zusammenwirkens zwischen dem Kläger und dem Zeugen F. zum Nachteil der Beklagten nicht. Fraglich ist schon, ob die vom Berufungsgericht für die Begründung arglistigen Verhaltens des Klägers in den Mittelpunkt gestellte Er- wägung tragfähig ist, wonach dieser nicht geglaubt haben könne, ein gegenwärtiger , also zum Zeitpunkt der Antragstellung vorhandener krankhafter Zustand seines Kniegelenks sei - trotz gegenteiliger Bekundung des ihn beratenden Agenten - für den Abschluss des Vertrages bedeutungslos , vielmehr sei für den Kläger das Gegenteil evident gewesen. Diese Ausführungen lassen besorgen, dass das Berufungsgericht den ihm unterbreiteten Tatsachenstoff nicht vollständig ausgeschöpft hat. Die Revision beanstandet insoweit zu Recht, dass die in den Urteilsgründen für diese Erwägung herangezogenen und auszugsweise wörtlich zitierten Bekundungen der Ehefrau des Klägers aus der mündlichen Verhandlung vor dem Landgericht in einem entscheidenden Punkt unvollständig wiedergegeben werden. Ausweislich des Protokolls über die mündliche Verhandlung hat diese ausgesagt, sie und ihr Ehemann hätten (dem Versicherungsagenten ) auch erklärt, dass schon eine Kniespiegelung gemacht wurde und dass "zu dem Zeitpunkt" das Knie auch nicht in Ordnung gewesen sei. Die Wendung "zu dem Zeitpunkt", die sich dem Sinnzusammenhang nach ersichtlich auf den Zeitpunkt der Kniespiegelung und nicht auf den der Antragstellung bezieht, fehlt in der wörtlichen Wiedergabe der Aussage der Zeugin in den Entscheidungsgründen. Über diesen Teil der Aussage der Zeugin, der gegen ein arglistiges Verhalten des Klägers spricht, hätte das Berufungsgericht nicht ohne nähere Erörterung hinweggehen dürfen. Dies gilt umso mehr, als es an weiteren, tragfähigen Feststellungen zur Arglist fehlt. Im angefochtenen Urteil ist insoweit lediglich weiter festgestellt, dass der Zeuge F. die ihm gegebenen Informationen zu den Vorerkrankungen des Klägers nicht in das Formular aufgenommen hat. Dafür, dass der Kläger dies gewollt und gebilligt hätte, ist jedoch nichts ersichtlich. Dass er bei Antragstellung schon eine Berufsunfähigkeits-Zusatzversicherung bei einem anderen Versicherer unterhielt, stellt entgegen der Ansicht des Berufungsgerichts vielmehr ein gewichtiges Indiz gegen ein arglistiges Verhalten dar. Gerade weil es sich bei Arglist um eine innere Tatsache handelt, die regelmäßig nur aus Indizien gefolgert werden kann, hätte es näherer Erörterung bedurft, warum der gegen das Risiko der Berufsunfähigkeit bereits abgesicherte Kläger in dem Bewusstsein gehandelt haben sollte, auf das Vorstellungsbild der Beklagten unlauter einzuwirken, um diese zu einem Vertragsschluss zu bewegen. Hinzu kommt, dass, von der Beklagten nicht bestritten, die Initiative zum Vertragsschluss von dem Versicherungsagenten F. ausging, der den Kläger nach vorheriger telefonischer Kontaktaufnahme von sich aus zu Hause aufsuchte.
12
b) Die Beklagte kann dem Kläger auch einen sonstigen Missbrauch der Vertretungsmacht - als besonderer Ausprägung des Grundsatzes von Treu und Glauben (§ 242 BGB) - nicht entgegenhalten.
13
In der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs ist seit längerem anerkannt, dass der Vertretene auch in Fällen eines Vollmachtsmissbrauchs unterhalb der Schwelle der Kollusion mit dem Vertragspartner im Verhältnis zu diesem geschützt sein kann. Voraussetzung ist dafür indes, dass der Missbrauch aufgrund massiver Verdachtsmomente objektiv evident ist (BGH, Urteile vom 19. April 1994 - XI ZR 18/93 - NJW 1994, 2082 unter II 2 a und vom 29. Juni 1999 - XI ZR 277/98 - WM 1999, 1617 unter I 2 a). Dementsprechend hat der Senat an die für § 242 BGB geforderte Evidenz des Vollmachtsmissbrauchs durch einen Versicherungsagenten ebenfalls einen strengen Maßstab angelegt, der dessen besonderer Stellung Rechnung trägt (Senatsurteil vom 30. Januar 2002 - IV ZR 23/01 - VersR 2002, 425 unter II 3 c; vgl. auch Fricke aaO). Denn der Versicherer, der aufgrund des Vertrauensverhältnisses während der Vertragsverhandlungen dem künftigen Versicherungsnehmer gegenüber zur Auskunft und Beratung verpflichtet ist, soweit sie dieser benötigt, erfüllt diese Pflicht durch Auskünfte seines Agenten. Dementsprechend darf der Antragsteller davon ausgehen, dass der Agent zur Erteilung solcher Auskünfte regelmäßig auch befugt ist. Mit der Vorgabe von Fragen nach gefahrerheblichen Umständen im Antragsformular hat der Versicherer selbst die Anzeigeobliegenheit so ausgestaltet, dass der künftige Versicherungsnehmer die Gefahrumstände anhand der ihm gestellten Fragen zu beantworten hat. Unterläuft das der Versicherungsagent dadurch , dass er dem Antragsteller durch einschränkende Bemerkungen verdeckt, was auf die jeweilige Frage anzugeben und in das Formular aufzunehmen ist, kann dieses Agentenverhalten nicht zu Lasten des künftigen Versicherungsnehmers gehen (Senatsurteil vom 30. Januar 2002 aaO, vgl. schon Senatsurteil vom 10. Oktober 2001 - IV ZR 6/01 - VersR 2001, 1541 unter II 1 d). Den Agenten hinsichtlich seiner Auskünfte , was von den offenbarten Umständen in das Formular aufzunehmen ist, zu kontrollieren, ist nicht Sache des künftigen Versicherungsnehmers (Senatsurteile jeweils aaO).
14
Gemessen daran tragen die getroffenen Feststellungen die Annahme eines evidenten Missbrauchs der Vertretungsmacht im vorliegenden Fall nicht. Aus den oben näher dargelegten Gründen legen sie vielmehr die gegenteilige Annahme nahe.
15
Sache Die bedarf daher insgesamt neuer Verhandlung und Entscheidung.
Terno Dr. Schlichting Seiffert
Dr. Kessal-Wulf Dr. Franke
Vorinstanzen:
LG Oldenburg, Entscheidung vom 15.12.2005 - 13 O 108/04 -
OLG Oldenburg, Entscheidung vom 20.09.2006 - 3 U 14/06 -

(1) Das Berufungsgericht hat seiner Verhandlung und Entscheidung zugrunde zu legen:

1.
die vom Gericht des ersten Rechtszuges festgestellten Tatsachen, soweit nicht konkrete Anhaltspunkte Zweifel an der Richtigkeit oder Vollständigkeit der entscheidungserheblichen Feststellungen begründen und deshalb eine erneute Feststellung gebieten;
2.
neue Tatsachen, soweit deren Berücksichtigung zulässig ist.

(2) Auf einen Mangel des Verfahrens, der nicht von Amts wegen zu berücksichtigen ist, wird das angefochtene Urteil nur geprüft, wenn dieser nach § 520 Abs. 3 geltend gemacht worden ist. Im Übrigen ist das Berufungsgericht an die geltend gemachten Berufungsgründe nicht gebunden.

(1) Wer zur Abgabe einer Willenserklärung durch arglistige Täuschung oder widerrechtlich durch Drohung bestimmt worden ist, kann die Erklärung anfechten.

(2) Hat ein Dritter die Täuschung verübt, so ist eine Erklärung, die einem anderen gegenüber abzugeben war, nur dann anfechtbar, wenn dieser die Täuschung kannte oder kennen musste. Soweit ein anderer als derjenige, welchem gegenüber die Erklärung abzugeben war, aus der Erklärung unmittelbar ein Recht erworben hat, ist die Erklärung ihm gegenüber anfechtbar, wenn er die Täuschung kannte oder kennen musste.

Hinweis: Gegen das Urteil ist Einspruch eingelegt.

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
VERSÄUMNISURTEIL
IV ZR 252/08 Verkündetam:
24.November2010
Bott
Justizhauptsekretärin
alsUrkundsbeamtin
derGeschäftsstelle
in dem Rechtsstreit
Der IV. Zivilsenat des Bundesgerichtshofes hat durch den Vorsitzenden
Richter Terno, den Richter Wendt, die Richterinnen Dr. Kessal-Wulf,
Harsdorf-Gebhardt und den Richter Dr. Karczewski auf die mündliche
Verhandlung vom 24. November 2010

für Recht erkannt:
Auf die Revision des Klägers wird das Urteil des 4. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Naumburg vom 9. Oktober 2008 aufgehoben.
Die Sache wird zur neuen Verhandlung und Entscheidung , auch über die Kosten des Revisionsverfahrens, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.
Von Rechts wegen

Tatbestand:

1
Der Kläger verlangt von der Beklagten Leistungen aus einer Berufsunfähigkeits -Zusatzversicherung, die er im Jahre 2001 in Verbindung mit einer Kapitallebensversicherung abschloss.
2
Am 18. März 2001 unterzeichnete der Kläger ein Formular der Beklagten , das wie folgt überschrieben ist: "Anfrage: Ich wünsche (Wir wünschen) ein Angebot zum Abschluss einer Lebens-/Rentenversicherung".
3
Als gewünschte Versicherungsform war in dem Formular "kapitalbildende Lebensversicherung" angekreuzt.
4
der In Rubrik "Vertragsabschluss/Widerspruchsrecht/Rücktrittsrecht" heißt es: "Die [Beklagte] erstellt mir (uns) auf der Grundlage dieser Anfrage und der Angaben zum Gesundheitszustand der zu versichernden Person(en) ein schriftliches Vertragsangebot (Versicherungsschein). Der Vertrag gilt mit Aushändigung dieses Angebots und bei Vorliegen der schriftlich gegebenen gesetzlichen Verbraucherinformation als abgeschlossen, wenn ich (wir) dem Vertragsabschluss nicht innerhalb eines Monats nach Aushändigung widerspreche(n) und ich (wir) über diese Folge noch einmal im Versicherungsschein schriftlich belehrt wurde(n). Nach Vertragsabschluss, also spätestens nach Ablauf der Monatsfrist, kann ich (können wir) innerhalb einer weiteren Frist von 14 Tagen vom Vertrag zurücktreten. …"
5
DieBeklagteübersand te dem Kläger den Versicherungsschein und bat ihn in ihrem "Policenbegleitschreiben" vom 19. März 2001, die beigefügten Unterlagen zu überprüfen und sie "bei Unvollständigkeit oder Abweichungen von den bei der Anfrage gemachten Angaben" umgehend zu informieren. Beigefügt war eine Anlage mit "Angaben zur versicherten Person", die den Gesundheitszustand des Klägers betrafen.
6
Mit "ja" beantwortet war die Frage unter Nr. 4 "Sind Sie in den letzten fünf Jahren ärztlich untersucht, beraten oder behandelt worden?"
7
Art Als der Untersuchung war nur eine Routineuntersuchung im November 2000 bei dem damaligen Hausarzt des Klägers angegeben.
8
Verneintwurdedie Frage unter Nr. 6.1 "Bestehen oder bestanden in den letzten zehn Jahren Beschwerden oder Krankheiten (z.B. … Wirbelsäule …) …?"
9
Nachdem der Kläger im Dezember 2004 Leistungen aus der Berufsunfähigkeits -Zusatzversicherung beantragt hatte, holte die Beklagte im Rahmen der Leistungsprüfung ärztliche Auskünfte ein. Im Mai 2005 erfuhr die Beklagte von dem späteren Hausarzt des Klägers, dass dieser den Kläger unter anderem in den Jahren 1996, 1998 und 1999 wegen Rückenschmerzen und Lumbalgien behandelt hatte. Im September 2005 erklärte die Beklagte die Anfechtung des Vertrages wegen arglistiger Täuschung mit der Begründung, dass der Kläger ihr die früheren Behandlungen wegen Wirbelsäulenbeschwerden verschwiegen habe.
10
Der Kläger behauptet, der Versicherungsagent der Beklagten habe ihm am 18. März 2001 nur das Formular zur Unterschrift vorgelegt und keine Gesundheitsfragen gestellt. Sämtliche Angaben zu seinen Gesundheitsverhältnissen und zum Hausarztwechsel habe er dem Versicherungsagenten gemacht; dieser habe eigenmächtig die weiteren Angaben nachträglich aus einem Versicherungsantrag von 1996 abgeschrieben.
11
Kläger Der begehrt die Zahlung der vereinbarten Berufsunfähigkeitsrenten ab Dezember 2004 sowie die Feststellung, dass er von der Beitragszahlungspflicht befreit sei. Weiterhin verlangt er von der Beklagten Auskunft über die Höhe der ihm ab Dezember 2004 zustehenden zusätzlichen monatlichen Bonusrente aus der Überschussbeteiligung.
12
Die Vorinstanzen haben die Klage abgewiesen. Mit der Revision verfolgt der Kläger seine Klagebegehren weiter.

Entscheidungsgründe:


13
Da die Beklagte trotz ordnungsgemäßer Ladung im Revisionstermin nicht vertreten war, ist über die Revision auf Antrag des Klägers durch Versäumnisurteil zu entscheiden. Dieses ist jedoch keine Folge der Säumnis, sondern beruht auf einer Sachprüfung (vgl. BGH, Urteil vom 4. April 1962 - V ZR 110/60, BGHZ 37, 79, 81 ff.).
14
Die Revision führt zur Aufhebung des angefochtenen Urteils und zur Zurückverweisung der Sache an das Berufungsgericht.
15
Das I. Berufungsgericht hat die Beklagte zur Anfechtung wegen arglistiger Täuschung für berechtigt gehalten, weil der Kläger sie bei Abschluss des Versicherungsvertrages über die Fragen nach ärztlichen Untersuchungen in den letzten fünf Jahren sowie nach Beschwerden oder Krankheiten in den letzten zehn Jahren getäuscht habe. Selbst wenn man zugunsten des Klägers als wahr unterstelle, dass der Versicherungsvertreter eigenmächtig die Angaben zum Gesundheitszustand aufgenommen habe, bleibe unstreitig, dass der Kläger ein darauf basierendes schriftliches Vertragsangebot der Beklagten erhalten habe. Obwohl die Fragen zu Nr. 4 und 6.1 nicht richtig beantwortet worden seien, habe der Kläger die Angaben nicht korrigiert und sich spätestens mangels vertraglich gebotener Reaktion auf das Schreiben der Beklagten vom 19. März 2001 einer arglistigen Täuschung durch Unterlassen schuldig gemacht. Die arglistige Täuschung sei für die Willenserklärung der Beklagten , also die Annahme des Versicherungsantrages, auch kausal geworden. Die Beklagte habe unbestritten vorgetragen, dass sie den Versicherungsvertrag mit dem Kläger nicht abgeschlossen hätte, wenn sie über die bestehenden Vorerkrankungen, Behandlungen und Arztbesuche informiert gewesen wäre.
16
II. Das hält der rechtlichen Nachprüfung nicht stand.
17
Als 1. rechtsfehlerhaft erweist sich die Überzeugung des Berufungsgerichts , der Kläger habe die Beklagte arglistig getäuscht, indem er ihr die Behandlungen wegen Rückenbeschwerden verschwiegen habe.
18
a) Eine arglistige Täuschung durch Unterlassen kann entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts nicht darin liegen, dass der Kläger auf die in dem Schreiben der Beklagten vom 19. März 2001 enthaltene Aufforderung , sie über etwaige Unrichtigkeiten der Angaben zum Gesundheitszustand zu informieren, nicht reagierte.
19
Die aa) arglistige Täuschung setzt eine Vorspiegelung falscher oder ein Verschweigen wahrer Tatsachen gegenüber dem Versicherer zum Zwecke der Erregung oder Aufrechterhaltung eines Irrtums voraus. Der Versicherungsnehmer muss vorsätzlich handeln, indem er bewusst und willentlich auf die Entscheidung des Versicherers einwirkt. Falsche Angaben in einem Versicherungsantrag allein rechtfertigen den Schluss auf eine arglistige Täuschung nicht; einen allgemeinen Erfahrungssatz des Inhalts, dass eine bewusst unrichtige Beantwortung einer Antragsfrage immer und nur in der Absicht erfolgt, auf den Willen des Versicherers einzuwirken, gibt es nicht (Senatsurteil vom 28. Februar 2007 - IV ZR 331/05, VersR 2007, 785 Rn. 8 m.w.N.). In subjektiver Hinsicht setzt die Annahme von Arglist vielmehr zusätzlich voraus, dass der Versicherungsnehmer erkennt und billigt, dass der Versicherer seinen Antrag bei Kenntnis des wahren Sachverhalts gar nicht oder nur zu anderen Konditionen annehmen werde (Senatsurteil vom 28. Februar 2007 aaO; Prölss in Prölss/Martin, VVG 27. Aufl. § 22 Rn. 4; Langheid in Römer/Langheid, VVG 2. Aufl. § 22 Rn. 6; jeweils m.w.N.). Weiterhin muss die arglistige Täuschung für die Willenserklärung des Versicherers kausal geworden sein (Langheid in Römer/Langheid aaO § 22 Rn. 5 m.w.N.).
20
bb) Schon der Ansatz des Berufungsgerichts ist verfehlt. Es hat nicht beachtet, dass der Kläger auf die Entscheidung der Beklagten keinen Einfluss mehr nehmen konnte, als er den Versicherungsschein nebst "Policenbegleitschreiben" vom 19. März 2001 erhielt. Mit Übersendung des Versicherungsscheins hatte die Beklagte alles getan, was von ihrer Seite für das Zustandekommen des Versicherungsvertrages erforderlich war.
21
Auch wenn in dem von dem Kläger unterzeichneten Formular von einer "Anfrage" und einem daraufhin von der Beklagten zu erstellenden "Vertragsangebot" die Rede ist, belegt die Beschreibung des Zustandekommens des Vertrages, dass damit der Antrag des Versicherungsnehmers und dessen Annahme durch die Beklagte gemeint sind. Nur so ergibt es einen Sinn, wenn es in der "Anfrage" heißt, dass der Vertrag als abgeschlossen gilt, wenn der "Anfragesteller" dem Vertragsschluss nach Erhalt der Police und der Verbraucherinformation nicht innerhalb eines Monats widerspricht.
22
Das entspricht im Wesentlichen dem so genannten Policenmodell gemäß § 5a VVG a.F. Dieses war dadurch gekennzeichnet, dass der Antragsteller zunächst das von ihm unterzeichnete Antragsformular an den Versicherer übermittelte und dieser dem Versicherungsnehmer die All- gemeinen Versicherungsbedingungen und die weitere Verbraucherinformation erst zusammen mit der Police zukommen ließ. Widersprach der Versicherungsnehmer nicht innerhalb von 14 Tagen nach Überlassung der Unterlagen schriftlich, so galt der Vertrag auf der Grundlage der Allgemeinen Versicherungsbedingungen und der weiteren für den Vertragsinhalt maßgeblichen Verbraucherinformation als abgeschlossen (§ 5a Abs. 1 Satz 1 VVG a.F.). In dem Antrag des Versicherungsnehmers war das Vertragsangebot, in der nachfolgenden Übersendung der Vertragsunterlagen die Annahme durch den Versicherer zu sehen. Außerdem setzte der Vertragsschluss das Ausbleiben des Widerspruchs innerhalb der 14-tägigen Widerspruchsfrist voraus; bis zu diesem Zeitpunkt war nach herrschender Meinung von einem schwebend unwirksamen Vertrag auszugehen (OLG Frankfurt, VersR 2005, 631, 633; OLG Düsseldorf, VersR 2001, 837, 838; OLG Hamm, VersR 1999, 1229, 1230; Prölss in Prölss/Martin aaO § 5a Rn. 9 f.; Römer in Römer/Langheid aaO § 5a Rn. 24 f.; BK/Schwintowski, VVG § 5a Rn. 78; Schimikowski, r+s 2000, 353, 355; Schirmer, VersR 1996, 1045, 1052; jeweils m.w.N.). An dieser Art des Vertragsschlusses orientierte sich die Beklagte nach der Darstellung in dem von ihr verwendeten Formular insoweit, als der Vertrag mit Aushändigung des Versicherungsscheins und bei Vorliegen der schriftlich gegebenen gesetzlichen Verbraucherinformationen als abgeschlossen gilt, wenn der "Anfragesteller" dem Vertragsschluss nicht innerhalb eines Monats nach Aushändigung widerspricht.
23
Ob die Regelung des "Policenmodells" wirksam und insbesondere mit den Vorgaben der Richtlinien 90/619/EWG vom 8. November 1990 (Zweite Richtlinie Lebensversicherung) und 92/96/EWG vom 10. November 1992 (Dritte Richtlinie Lebensversicherung) vereinbar ist, braucht hier nicht geklärt zu werden. Jedenfalls hatte die Beklagte nach Über- sendung des Versicherungsscheins keine für den Vertragsschluss wesentliche Willenserklärung mehr abzugeben, so dass sie durch Unterlassen der Richtigstellung etwaiger unrichtiger Angaben nicht mehr zu einer Annahmeerklärung bewogen werden konnte, die sie bei Kenntnis des wahren Sachverhalts nicht oder nur zu anderen Konditionen abgegeben hätte.
24
b) Das Berufungsgericht hat nicht festgestellt, dass der Kläger zu seinem Gesundheitszustand bereits bei Antragstellung falsche Angaben machte. Dazu hat der Kläger behauptet, er habe sämtliche Angaben zu seinen Gesundheitsverhältnissen und zum Hausarztwechsel dem Versicherungsagenten der Beklagten gemacht, dieser habe aber eigenmächtig und selbständig die Angaben zum Gesundheitszustand aus einem früheren Versicherungsantrag abgeschrieben. Die Richtigkeit dieses Vorbringens hat das Berufungsgericht zugunsten des Klägers unterstellt. Trifft diese - auch für das Revisionsverfahren als wahr zu unterstellende - Behauptung zu, so hat der Kläger seine Anzeigeobliegenheit nicht verletzt.
25
Der aa) empfangsbevollmächtigte Versicherungsagent steht bei Entgegennahme eines Antrags auf Abschluss eines Versicherungsvertrages dem Antragsteller bildlich gesprochen als das Auge und Ohr des Versicherers gegenüber. Was ihm mit Bezug auf die Antragstellung gesagt und vorgelegt wird, ist dem Versicherer gesagt und vorgelegt worden (ständige Rechtsprechung, Senatsurteile vom 10. Oktober 2001 - IV ZR 6/01, VersR 2001, 1541 unter II 1 a; vom 11. November 1987 - IVa ZR 240/86, BGHZ 102, 194, 197). Hat der Agent etwas, was ihm der Antragsteller auf die Fragen wahrheitsgemäß mitgeteilt hat, nicht in das Formular aufgenommen, so hat der Antragsteller seine Anzeigeobliegenheit gleichwohl gegenüber dem Versicherer erfüllt (Senatsurteil vom 18. Dezember 1991 - IV ZR 299/90, BGHZ 116, 387, 389). Hat der Versicherungsagent das Formular mit Fragen nach Gefahrumständen eigenmächtig ohne Rückfragen an den Versicherungsnehmer ausgefüllt - wie hier vom Berufungsgericht unterstellt -, so sind diesem die Formularfragen nicht einmal zur Kenntnis gelangt (Senatsurteil vom 13. März 1991 - IV ZR 218/90, VersR 1991, 575 unter 2 b). Auch dann scheidet eine Verletzung der Anzeigeobliegenheit aus.
26
bb) Demgemäß genügt es zum Nachweis einer Verletzung der vorvertraglichen Anzeigeobliegenheit nicht, dass die schriftlichen Antworten auf Antragsfragen - wie hier die Angaben zum Gesundheitszustand der versicherten Person - objektiv falsch sind. Der Versicherer kann allein mit dem Inhalt des von seinem Agenten ausgefüllten Antragsformulars nicht den Beweis führen, dass der Versicherungsnehmer hinsichtlich seiner Vorerkrankungen falsche Angaben gemacht habe, sofern dieser substantiiert behauptet, den Agenten mündlich zutreffend unterrichtet zu haben (Senatsurteile vom 27. Februar 2008 - IV ZR 270/06, VersR 2008, 765 Rn. 7; vom 23. Mai 1989 - IVa ZR 72/88, BGHZ 107, 322, 325). Die Beweislast liegt auch dann beim Versicherer, wenn der Versicherungsnehmer vorträgt, der Versicherungsagent habe die Fragen nach Gefahrumständen eigenmächtig beantwortet. Dann muss der Versicherer - im Regelfall durch Aussage seines Agenten - beweisen, dass der Agent dem Versicherungsnehmer die Antragsfragen zu eigenverantwortlicher (mündlicher) Beantwortung vorgelesen hat (Senatsurteil vom 13. März 1991 aaO unter 3). Diesen Punkt wird das Berufungsgericht bei erneuter Prüfung, ob die Beklagte zur Anfechtung wegen arglistiger Täuschung berechtigt war, aufzuklären haben.
27
Falls 2. das Berufungsgericht die Anfechtung nicht durchgreifen lässt, wird es sich mit der Frage der Berufsunfähigkeit des Klägers zu befassen haben. Dabei wird es auch zu prüfen haben, ob der Vortrag des Klägers in seinen Schriftsätzen vom 15. und 29. Oktober 2007, in denen er seine zuletzt vor dem behaupteten Eintritt der Berufsunfähigkeit ausgeübte berufliche Tätigkeit beschrieben hat, zu berücksichtigen ist.
Terno Wendt Dr. Kessal-Wulf
Harsdorf-Gebhardt Dr. Karczewski
Vorinstanzen:
LG Dessau-Roßlau, Entscheidung vom 09.11.2007 - 4 O 1212/06 -
OLG Naumburg, Entscheidung vom 09.10.2008 - 4 U 51/07 -

Soweit nach diesem Gesetz die Kenntnis des Versicherers erheblich ist, steht die Kenntnis des Versicherungsvertreters der Kenntnis des Versicherers gleich. Dies gilt nicht für die Kenntnis des Versicherungsvertreters, die er außerhalb seiner Tätigkeit als Vertreter und ohne Zusammenhang mit dem betreffenden Versicherungsvertrag erlangt hat.

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
IV ZR 6/01 Verkündet am:
10. Oktober 2001
Heinekamp
Justizobersekretär
als Urkundsbeamter
der Geschäftsstelle
in dem Rechtsstreit
Nachschlagewerk: ja
BGHZ: nein
_____________________
Bei der Beantwortung von vorformulierten Antragsfragen geht es nicht zu Lasten
des künftigen Versicherungsnehmers, wenn der Agent durch einschränkende
Bemerkungen zu den Fragen verdeckt, was auf die jeweilige Frage anzugeben
und in das Formular aufzunehmen ist.
BGH, Urteil vom 10. Oktober 2001 - IV ZR 6/01 - OLG Dresden
LG Zwickau
Der IV. Zivilsenat des Bundesgerichtshofes hat durch den Vorsitzenden
Richter Terno, den Richter Seiffert, die Richterin Ambrosius, den
Richter Wendt und die Richterin Dr. Kessal-Wulf auf die mündliche Verhandlung
vom 10. Oktober 2001

für Recht erkannt:
Auf die Revision des Klägers wird das Urteil des 3. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Dresden vom 8. Dezember 2000 aufgehoben.
Die Sache wird zur anderweiten Verhandlung und Entscheidung , auch über die Kosten des Revisionsverfahrens , an das Berufungsgericht zurückverwiesen.
Von Rechts wegen

Tatbestand:

Der Kläger verlangt von dem beklagten Versicherungsunternehmen eine Berufsunfähigkeitsrente.
Der Kläger, von Beruf Elektroinstallateur, stellte am 1. Juni 1996 bei der Beklagten den Antrag auf Abschluß einer Rentenversicherung mit Berufsunfähigkeits-Zusatzversicherung. Das Antragsformular wurde vom Agenten der Beklagten ausgefüllt. Zwischen den Parteien ist strei-

tig, ob der Agent dem Kläger sämtliche Gesundheitsfragen vorlas und was der Kläger darauf im einzelnen antwortete. Unstreitig erwähnte der Kläger jedenfalls Rückenbeschwerden und kreuzte der Agent gleichwohl bei der Frage nach Krankheiten, Störungen oder Beschwerden u.a. der Wirbelsäule die Antwort "nein" an. Der Kläger war seit April 1994 wegen Rückenschmerzen zunächst bei Dr. G. und ab Januar 1995 bei der Orthopädin V. in Behandlung. Auf Veranlassung der letzteren wurde er vom 30. August bis 2. September 1995 im V.klinikum P. untersucht und vom 6. März bis 3. April 1996 in der Rehabilitationsklinik B. behandelt, wo als Befund eine fortgeschrittene Spondylosis deformans (degenerative Erkrankung der Wirbelkörper und Bandscheibenschaden) der Lendenwirbelsäule mit fortgeschrittener Osteochondrose (Knochen- und Knorpeldegeneration ) geschildert wurde. Aus der Rehabilitation wurde der Kläger als voll arbeitsfähig entlassen. Aufgrund zunehmender Beschwerden an der Lendenwirbelsäule wurde er jedoch ab 6. November 1998 arbeitsunfähig krankgeschrieben und in der Folgezeit zweimal operiert.
Die Beklagte lehnte die Zahlung der vereinbarten Berufsunfähigkeitsrente von monatlich 375 DM ab, weil der Kläger sie nicht ausreichend über sein Rückenleiden informiert habe. Sie trat vom Vertrag zurück und focht ihn außerdem wegen arglistiger Täuschung an.
Das Landgericht hat der Klage stattgegeben. Auf die Berufung der Beklagten hat das Oberlandesgericht die Klage abgewiesen. Mit der Begründung , es sei dabei von einer Entscheidung des Bundesgerichtshofs abgewichen, hat das Oberlandesgericht die Revision zugelassen. Der

Kläger begehrt nunmehr die Wiederherstellung des landgerichtlichen Urteils.

Entscheidungsgründe:


Die Revision hat Erfolg. Sie führt zur Aufhebung des angefochtenen Urteils und zur Zurückverweisung der Sache an das Berufungsgericht.
I. Das Berufungsgericht hat angenommen, die Beklagte sei zur Anfechtung des Versicherungsvertrages wegen arglistiger Täuschung berechtigt gewesen, und hierzu ausgeführt:
Der Kläger habe die Gesundheitsfragen im Antragsformular zumindest bezüglich seines Rückenleidens unrichtig beantwortet. Angesichts seiner Krankengeschichte, aus der ein ernsthaftes, hartnäckiges Rückenleiden hervorgehe, habe die Erklärung des Klägers gegenüber dem Versicherungsvertreter, er leide an gelegentlichen Kreuzschmerzen, die manchmal mit einer Ischiasspritze behandelt würden, eine grobe Verharmlosung des wahren Krankheitsbildes dargestellt. Dies sei dem Kläger auch bewußt gewesen. Falls seine Behauptung zutreffe, der Versicherungsvertreter habe erwidert, daß nur ernsthafte Erkrankungen angegeben werden müßten, nicht aber Kreuzschmerzen, die wohl jeder einmal habe, so habe der Kläger daraus ersehen müssen, daß er dem Versicherungsvertreter ein falsches Bild von seinen Beschwerden vermittelt hatte. Der Kläger habe auch arglistig gehandelt, nämlich damit gerechnet, daß sich die Mitteilung des wahren Sachverhalts negativ auf den gewünschten Abschluß des Versicherungsvertrages auswirken könne. Hierfür spreche sowohl, daß seine Rückenerkrankung seine Berufs-

fähigkeit gefährdet habe, was ihm nicht verborgen geblieben sei, als auch, daû er keine plausible Erklärung für die verfälschende Darstellung seiner Beschwerden gegeben habe.
Die Anfechtungserklärung der Beklagten verstoûe auch nicht gegen Treu und Glauben unter dem Gesichtspunkt, daû die Beklagte eine gebotene Risikoprüfung unterlassen habe. Zwar treffe den Versicherer im Rahmen der Vertragsverhandlungen eine Obliegenheit zur Risikoprüfung , bei deren Verletzung er später nicht mit der Begründung vom Vertrag zurücktreten könne, der Versicherungsnehmer habe seine Anzeigeobliegenheit verletzt. Nicht gefolgt werden könne hingegen aber der weitergehenden Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs, dem Versicherer sei, wenn er die gebotene Nachfrage unterlassen habe, auch die Anfechtung wegen arglistiger Täuschung verwehrt (BGHZ 117, 385, 387 f.). Der arglistig Täuschende verdiene keinen Schutz seines Vertrauens auf den Bestand des erschlichenen Vertrages. Eine Ausnahme komme nur dann in Betracht, wenn sich dem Versicherer beim Vertragsschluû aufdrängen müsse, daû der Versicherungsnehmer eine arglistige Täuschung versuche. So liege es hier aber nicht.
II. Diese Erwägungen des Berufungsgerichts halten der rechtlichen Nachprüfung nicht stand.
1. a) Der Kläger hat die Antragsfrage nach Krankheiten, Störungen oder Beschwerden nicht objektiv unrichtig beantwortet. Das Berufungsgericht hat insoweit den Prozeûstoff nicht vollständig gewürdigt.

Unerheblich ist, daû der Agent im Antragsformular die Frage nach Vorerkrankungen verneinte. Es kommt allein auf die mündlichen Erklärungen des Klägers an. Bei Entgegennahme eines Antrags auf Abschluû eines Versicherungsvertrages steht dem Antragsteller der empfangsbevollmächtigte Vermittlungsagent des Versicherers, bildlich gesprochen, als dessen Auge und Ohr gegenüber. Was ihm mit Bezug auf die Antragstellung gesagt und vorgelegt wird, ist dem Versicherer gesagt und vorgelegt worden, auch wenn der Agent es nicht in das Formular aufgenommen hat (BGHZ 116, 387, 389).
Soweit es um den Inhalt der mündlichen Erklärungen des Klägers geht, ist im Revisionsverfahren die Richtigkeit seines diesbezüglichen Vortrags zu unterstellen. Die Beweislast dafür, daû er etwas anderes gesagt hat, als er behauptet, trifft die Beklagte. Nach der Auge-und-OhrRechtsprechung läût sich, wenn der Agent das Formular ausgefüllt hat, allein mit dem Formular nicht beweisen, daû der Versicherungsnehmer falsche Angaben gemacht hat, sofern dieser substantiiert behauptet, den Agenten mündlich zutreffend unterrichtet zu haben. Dann muû vielmehr der Versicherer beweisen, daû der Versicherungsnehmer den Agenten mündlich nicht zutreffend unterrichtet hat. Dieser Beweis ist regelmäûig nur durch die Aussage des Versicherungsagenten zu führen (BGHZ 107, 322, 325). Hier hat das Landgericht den Versicherungsagenten und gegenbeweislich die Ehefrau des Klägers als Zeugin vernommen. Das Berufungsgericht hat aber ausdrücklich offengelassen, ob es der Aussage des Agenten Glauben schenkt, wonach der Kläger lediglich von einmalig aufgetretenen Kreuzschmerzen sprach, die der Arzt als belanglos einge-

stuft habe. Deshalb ist im Revisionsverfahren zugunsten des Klägers seine anderslautende Darstellung als wahr zu unterstellen. Die Darstellung des Klägers ergibt sich aus der Zeugenaussage seiner Ehefrau. Das Berufungsgericht hat lediglich auf den schriftsätzlichen Vortrag des Klägers Bezug genommen, er habe dem Agenten angegeben , daû er Rückenschmerzen habe und sich deshalb ab und zu vom Arzt eine Ischias-Spritze geben lassen müsse. Dabei hat es übersehen , daû der Kläger sich im Berufungsverfahren ausdrücklich die Zeugenaussage seiner Ehefrau zu eigen gemacht hat. Aber auch ohne die ausdrückliche Berufung des Klägers auf diese Aussage müûte davon ausgegangen werden, daû er sie, als ihm günstig, zum Gegenstand seines eigenen Vortrags machen wollte. Die Ehefrau hat folgendes bekundet : Ihr Mann habe gesagt, daû er Rückenschmerzen habe und, wenn diese aufträten, er zum Arzt - der Orthopädin V. - gehe und dort immer eine Spritze bekomme, die dann je nach Arbeitsbelastung oder sonstigen Umständen auch unterschiedlich lange anhalte.
Schon danach steht fest, daû der Kläger dem Agenten nicht nur angegeben hat, unter Rückenschmerzen zu leiden; aus seiner Antwort ergibt sich vielmehr zugleich, daû diese Schmerzen wiederholt auftraten und jeweils - bei unterschiedlichem Erfolg - ärztlich mit Spritzen behandelt werden muûten.

b) Zu weiteren Angaben auf die ihm gestellte Gesundheitsfrage war der Kläger nicht aufgerufen.

Das Berufungsgericht nimmt insoweit bereits nicht hinreichend in den Blick, daû nach den Angaben der Ehefrau des Klägers - von denen im Revisionsverfahren auszugehen ist - der Agent der Beklagten auf die Schilderung des Klägers geantwortet hat, es handele sich insoweit um eine Bagatelle, um eine Volkskrankheit, die eigentlich jeder habe und die man nicht in den Antrag aufnehmen müsse. Schon danach muûte sich der Kläger zu ergänzenden Angaben nicht veranlaût sehen, zumal ihm - wie der Antrag ausweist und sich nach dieser Antwort des Agenten als folgerichtig darstellt - die ergänzende Frage nach Art, Verlauf und Folge der Erkrankung (einschlieûlich Operationen, Kuren ...) offensichtlich nicht mehr gestellt worden ist.

c) Dem Kläger oblag es nicht, den kurzen Krankenhausaufenthalt und die Behandlung in der Reha-Klinik B. ungefragt anzuzeigen. Das gilt zum einen schon deshalb, weil die Reaktion des Agenten auf die Angaben des Klägers diesem den Blick darauf verstellen muûte, daû noch ergänzende Erklärungen geboten sein könnten. Zum anderen ergaben sich aus diesen stationären Krankenhausaufenthalten jedenfalls aus der Sicht des Klägers über die bereits gemachten Angaben hinaus keine weiteren gefahrerheblichen Umstände.
Der erste, nur viertägige Klinikaufenthalt diente der diagnostischen Abklärung des Leidens und brachte kein greifbares Ergebnis. Die Verdachtsdiagnose der behandelnden Ärztin V. auf Verengung des Wirbelkanals und Wirbelgleiten wurde nicht bestätigt, eine Operationsindikation wurde verneint und die Fortsetzung der konservativen Therapie durch Spritzen wurde befürwortet. Die zweite "stationäre Behandlung"

war eine Rehabilitationskur, hinsichtlich derer der Kläger richtig vorgetragen hat, daû sie einer Therapie des Rückenleidens durch Stärkung der Rückenmuskulatur diente.

d) Damit fehlt es nicht nur an einer objektiven Verletzung der Anzeigeobliegenheit durch den Kläger. Zugleich erweist sich vielmehr auch die Annahme des Berufungsgerichts als nicht tragfähig, der Kläger habe sein Leiden gegenüber dem Agenten der Beklagten verharmlost. Das Leiden verharmlost hat - nach den Angaben der Ehefrau des Klägers - der Agent. Ihn hinsichtlich der Frage zu kontrollieren, was in das Antragsformular aufzunehmen ist, war nicht Sache des Antragstellers. Mit der Vorgabe von Fragen nach gefahrerheblichen Umständen im Antragsformular hat der Versicherer selbst die Anzeigeobliegenheit so ausgestaltet , daû der künftige Versicherungsnehmer die Gefahrumstände anhand der ihm gestellten Fragen zu beantworten hat. Unterläuft das der Agent dadurch, daû er dem Antragsteller durch einschränkende Bemerkungen verdeckt, was auf die jeweilige Frage anzugeben und in das Formular aufzunehmen ist, kann dieses Agentenverhalten nicht zu Lasten des künftigen Versicherungsnehmers gehen. Anhaltspunkte für ein kollusives Zusammenwirken von Kläger und Agent hat das Berufungsgericht nicht festgestellt; sie sind auch nicht ersichtlich.

e) Ist danach davon auszugehen, daû der Kläger der Anzeigeobliegenheit genügt und ihn der Vorwurf, sein Leiden verharmlost zu haben , nicht trifft, fehlt es an einer Grundlage für die Annahme des Berufungsgerichts , der Kläger habe die Beklagte durch Täuschung zum Abschluû des Vertrages bewegen wollen. Eine arglistige Täuschung des

Klägers scheidet schon deshalb aus, ohne daû es insoweit auf weiteres ankommt.
2. Demgemäû hatte der Senat schon aus diesem Grunde die Grundsatzfrage, deretwegen das Berufungsgericht die Revision zugelassen hat, ob nämlich eine Verletzung der Nachfrageobliegenheit des Versicherers diesem auch die Arglistanfechtung verwehrt, nicht zu entscheiden (vgl. zur Wissenszurechnung bei arglistigem Verschweigen von Gesundheitsumständen das Senatsurteil vom 7. März 2001 - IV ZR 254/00 - VersR 2001, 620 unter 2 b bb).
Terno Seiffert Ambrosius
Wendt Dr. Kessal-Wulf

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
IV ZR 270/06 Verkündetam:
27.Februar2008
Heinekamp
Justizhauptsekretär
alsUrkundsbeamter
derGeschäftsstelle
in dem Rechtsstreit
Nachschlagewerk: ja
BGHZ: nein
BGHR: ja
Zu den Anforderungen an die Feststellung eines kollusiven Zusammenwirkens zwischen
Versicherungsagent und Versicherungsnehmer und an die Evidenz eines
Missbrauchs der dem Agenten vom Versicherer eingeräumten Vollmacht bei Entgegennahme
eines Versicherungsantrags.
BGH, Urteil vom 27. Februar 2008 - IV ZR 270/06 - OLG Oldenburg
LG Oldenburg
Der IV. Zivilsenat des Bundesgerichtshofes hat durch den Vorsitzenden
Richter Terno, die Richter Dr. Schlichting, Seiffert, die Richterin
Dr. Kessal-Wulf und den Richter Dr. Franke auf die mündliche Verhandlung
vom 27. Februar 2008

für Recht erkannt:
Auf die Revision des Klägers wird das Urteil des 3. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Oldenburg vom 20. September 2006 aufgehoben.
Die Sache wird zur neuen Verhandlung und Entscheidung , auch über die Kosten des Revisionsverfahrens, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.
Von Rechts wegen

Tatbestand:

1
Der Kläger nimmt die Beklagte aus einer bei ihr am 1. Juni 2001 genommenen Berufsunfähigkeits-Zusatzversicherung in Anspruch.
2
Im Januar 2001 beantragte der Kläger bei der Beklagten den Abschluss einer Lebensversicherung mit eingeschlossener Berufsunfähigkeits -Zusatzversicherung, die einen anderweitig bestehenden vertraglichen Berufsunfähigkeitsschutz ersetzen sollte. In dem vom Versicherungsagenten der Beklagten, dem Zeugen F. , ausgefüllten Versicherungsantrag vom 24. Januar 2001 sind die Fragen nach Krankheiten, gesundheitlichen Störungen oder Beschwerden verneint; die Frage nach ärztlichen Behandlungen in den zurückliegenden fünf Jahren ist unter Hinweis auf einen grippalen Infekt im November 2000 bejaht. Im August 2003 begehrte der Kläger Versicherungsleistungen mit der Begründung, er könne seinen bisherigen Beruf als Kfz-Mechaniker wegen eines Bandscheibenvorfalls nicht mehr ausüben. Die Beklagte erklärte daraufhin den Rücktritt vom Versicherungsvertrag und focht diesen wegen arglistiger Täuschung an, weil der Kläger bei der Antragstellung mehrere Erkrankungen verschwiegen habe. Demgegenüber macht der Kläger geltend , er habe die Gesundheitsfragen ordnungsgemäß beantwortet; der Versicherungsagent der Beklagten habe die geschilderten Beschwerden jedoch als unerheblich für den Abschluss des Vertrages bezeichnet und deshalb nicht in das Antragsformular aufgenommen.
3
Das Landgericht hat der Klage auf Zahlung einer monatlichen Berufsunfähigkeitsrente sowie auf rückständige Rentenleistungen im Wesentlichen stattgegeben, den Fortbestand des Versicherungsverhältnisses festgestellt und die Beklagte zur Beitragsfreistellung sowie zur Erstattung bereits geleisteter Beiträge verurteilt. Auf die Berufung der Beklagten hat das Oberlandesgericht die Klage abgewiesen. Mit seiner Revision erstrebt der Kläger die Wiederherstellung des landgerichtlichen Urteils.

Entscheidungsgründe:


4
Die Revision führt zur Aufhebung des angefochtenen Urteils und zur Zurückverweisung der Sache an das Berufungsgericht.

5
I. Das Berufungsgericht sieht es nach dem Ergebnis der landgerichtlichen Beweisaufnahme als erwiesen an, dass der Kläger den Versicherungsagenten der Beklagten bei Antragstellung auf seine Vorerkrankungen , insbesondere auf eine frühere Rückenerkrankung hingewiesen und ihn auch von den zum Zeitpunkt der Antragstellung gegenwärtigen Kniebeschwerden in Kenntnis gesetzt hat. Der Versicherungsagent habe, so das Berufungsgericht weiter, daraufhin erklärt, die Rücken- und die Kniebeschwerden seien für den Abschluss des Versicherungsvertrages unerheblich; er habe dann lediglich einen grippalen Infekt in das Antragsformular aufgenommen. Das Berufungsgericht ist der Ansicht, in einem solchen Fall komme eine arglistige Täuschung des Versicherers dann in Betracht, wenn Versicherungsnehmer und Versicherungsagent zu Lasten des Versicherers zusammengewirkt haben oder wenn der Agent von seiner Vertretungsmacht dergestalt in verdächtigter Weise Gebrauch macht, dass bei dem Versicherungsnehmer begründete Zweifel im Hinblick auf einen Treueverstoß des Agenten entstehen mussten. Dass der Kläger das im vorliegenden Fall auf der Hand liegende treuwidrige Handeln des Versicherungsagenten erkannt und gebilligt habe, ergebe sich daraus, dass nicht nur eine frühere, zum Zeitpunkt der Antragstellung bereits abgeklungene Rückenerkrankung nicht in den Antrag aufgenommen worden sei, sondern auch der vom Kläger selbst als krankheitswertig empfundene Zustand des linken Knies. Auch angesichts der gegenteiligen Bekundungen des Agenten könne der Kläger nicht geglaubt haben, dass diese Vorerkrankungen für den Abschluss einer Berufsunfähigkeits -Zusatzversicherung unerheblich gewesen seien. Dass zum Zeitpunkt der Antragstellung schon eine Berufsunfähigkeits-Zusatzversicherung bestand und diese durch die bei der Beklagten beantragte Versicherung habe ersetzt werden sollen, vermöge ausreichende Zweifel an der Arglist des Klägers nicht zu begründen.
6
II. Diese Erwägungen des Berufungsgerichts halten der rechtlichen Nachprüfung in entscheidenden Punkten nicht stand.
7
1. Im Ausgangspunkt zutreffend ist das Berufungsgericht für die Frage der Kenntniszurechnung bei Antragsaufnahme durch einen Versicherungsagenten von der Auge-und-Ohr-Rechtsprechung des Senats (vgl. dazu BGHZ 102, 194; 116, 387 und ständig) ausgegangen, die nunmehr auch Eingang in das reformierte, am 1. Januar 2008 in Kraft getretene Versicherungsvertragsgesetz gefunden hat (vgl. § 70 VVG n.F.). Danach kann der Versicherer allein mit dem Inhalt des von seinem Agenten ausgefüllten Antragsformulars nicht den Beweis führen, der Versicherungsnehmer habe hinsichtlich seiner Vorerkrankungen falsche Angaben gemacht, sofern dieser seinerseits substantiiert behauptet, den Agenten mündlich zutreffend unterrichtet und damit seine vorvertragliche Anzeigeobliegenheit erfüllt zu haben. Dem Versicherer obliegt es in einem solchen Fall darzulegen und gegebenenfalls - im Regelfall durch die Aussage seines Agenten - zu beweisen, dass der Versicherungsnehmer diesen auch mündlich unzutreffend unterrichtet hat (BGHZ 107, 322, 325). Denn was dem Agenten in Bezug auf die Antragstellung gesagt und vorgelegt wird, ist dem Versicherer gesagt und vorgelegt worden (§§ 43 Nr. 1 VVG a.F., 166 Abs. 1 BGB), auch wenn der Versicherungsagent es nicht in das Formular aufgenommen hat (BGHZ 116, 387, 389).
8
Das Berufungsgericht hat - insoweit von der Revision unangegriffen - festgestellt, dass der Kläger dem Versicherungsagenten der Be- klagten, dem Zeugen F. , seine Vorerkrankungen nicht verschwiegen , sondern vielmehr seine zum Zeitpunkt der Antragstellung nicht mehr vorhandenen Rückenbeschwerden ebenso genannt hat wie die gegenwärtigen Beschwerden im linken Knie und die in der Vergangenheit erforderlich gewordene Kniespiegelung. Damit war der Kläger seiner Anzeigeobliegenheit nachgekommen. Zu weiteren Angaben musste sich der Kläger nicht veranlasst sehen, zumal der Zeuge F. , wie vom Berufungsgericht ebenfalls festgestellt, die ihm geschilderten Beschwerden als für den Vertragsschluss unerheblich bezeichnet und sie - im Unterschied zu einem grippalen Infekt - nicht in das Antragsformular aufgenommen hat.
9
2.Durchgreifendenrechtlichen Bedenken begegnet jedoch die Erwägung im angefochtenen Urteil, die vollständige mündliche Unterrichtung über die Vorerkrankungen habe ausnahmsweise nicht zu einer Wissenszurechnung geführt, weil der Versicherungsagent F. treuwidrig gehandelt und der Kläger dies erkannt und wenigstens billigend in Kauf genommen, also arglistig mit dem Agenten zu Lasten der Beklagten zusammengewirkt habe. Das Berufungsgericht hat die für einen solchen Ausnahmefall in der Rechtsprechung des Senats herausgearbeiteten Anforderungen nicht ausreichend in den Blick genommen und dabei, wie die Revision zu Recht rügt, die Voraussetzungen fehlender Kenntniszurechnung wegen evidenten Vollmachtsmissbrauchs von denen einer arglistigen Täuschung des Versicherers wegen kollusiven Zusammenwirkens zwischen Versicherungsnehmer und Versicherungsagent nicht ausreichend unterschieden.
10
a) Die Wissenszurechnung auf dem Gebiet des Versicherungsvertragsrechts dient, wie der in § 166 Abs. 1 BGB für das Zivilrecht allge- mein geltende Grundsatz der Kenntniszurechnung zum Ausdruck bringt, dem Schutz des redlichen Vertragspartners, hier des künftigen Versicherungsnehmers , dem der Versicherer für den beabsichtigten Vertragsschluss einen zu seiner passiven Stellvertretung Bevollmächtigten und damit zur Entgegennahme antragsbezogener Erklärungen ausschließlich zuständigen Versicherungsagenten gegenüberstellt (BGHZ 102, 194, 198). Danach ist eine Wissenszurechnung nur dann nicht gerechtfertigt, wenn der künftige Versicherungsnehmer nicht schutzwürdig ist (Senatsurteil vom 7. März 2001 - IV ZR 254/00 - VersR 2001, 620 unter 2 b bb). Das ist der Fall, wenn er mit dem Versicherungsagenten arglistig zum Nachteil des Versicherers zusammenwirkt. Eine solche Kollusion - als besonders schwerer Fall des Vollmachtsmissbrauchs (so zutreffend Fricke VersR 2007, 1614, 1615) - setzt dabei voraus, dass der Versicherungsnehmer auf die Auskunft des Agenten, eine erhebliche Vorerkrankung sei nicht anzeigepflichtig, nicht vertraut, sondern im Bewusstsein der Anzeigeobliegenheit erkennt und billigt, dass der Versicherer durch das Vorgehen des Agenten über seinen Gesundheitszustand getäuscht und dadurch in der Entscheidung über den Abschluss des Versicherungsvertrages beeinflusst wird und er deshalb - im Einvernehmen mit dem Versicherungsagenten - will, dass die betreffende Erkrankung im Antragsformular unerwähnt bleibt (Senatsurteil vom 14. Juli 2004 - IV ZR 161/03 - VersR 2004, 1297 unter 3 m.w.N.; Langheid in Römer/Langheid, VVG 2. Aufl. § 43 Rdn. 54).
11
Gemessendaranrechtf ertigen die im angefochtenen Urteil getroffenen Feststellungen die Annahme kollusiven Zusammenwirkens zwischen dem Kläger und dem Zeugen F. zum Nachteil der Beklagten nicht. Fraglich ist schon, ob die vom Berufungsgericht für die Begründung arglistigen Verhaltens des Klägers in den Mittelpunkt gestellte Er- wägung tragfähig ist, wonach dieser nicht geglaubt haben könne, ein gegenwärtiger , also zum Zeitpunkt der Antragstellung vorhandener krankhafter Zustand seines Kniegelenks sei - trotz gegenteiliger Bekundung des ihn beratenden Agenten - für den Abschluss des Vertrages bedeutungslos , vielmehr sei für den Kläger das Gegenteil evident gewesen. Diese Ausführungen lassen besorgen, dass das Berufungsgericht den ihm unterbreiteten Tatsachenstoff nicht vollständig ausgeschöpft hat. Die Revision beanstandet insoweit zu Recht, dass die in den Urteilsgründen für diese Erwägung herangezogenen und auszugsweise wörtlich zitierten Bekundungen der Ehefrau des Klägers aus der mündlichen Verhandlung vor dem Landgericht in einem entscheidenden Punkt unvollständig wiedergegeben werden. Ausweislich des Protokolls über die mündliche Verhandlung hat diese ausgesagt, sie und ihr Ehemann hätten (dem Versicherungsagenten ) auch erklärt, dass schon eine Kniespiegelung gemacht wurde und dass "zu dem Zeitpunkt" das Knie auch nicht in Ordnung gewesen sei. Die Wendung "zu dem Zeitpunkt", die sich dem Sinnzusammenhang nach ersichtlich auf den Zeitpunkt der Kniespiegelung und nicht auf den der Antragstellung bezieht, fehlt in der wörtlichen Wiedergabe der Aussage der Zeugin in den Entscheidungsgründen. Über diesen Teil der Aussage der Zeugin, der gegen ein arglistiges Verhalten des Klägers spricht, hätte das Berufungsgericht nicht ohne nähere Erörterung hinweggehen dürfen. Dies gilt umso mehr, als es an weiteren, tragfähigen Feststellungen zur Arglist fehlt. Im angefochtenen Urteil ist insoweit lediglich weiter festgestellt, dass der Zeuge F. die ihm gegebenen Informationen zu den Vorerkrankungen des Klägers nicht in das Formular aufgenommen hat. Dafür, dass der Kläger dies gewollt und gebilligt hätte, ist jedoch nichts ersichtlich. Dass er bei Antragstellung schon eine Berufsunfähigkeits-Zusatzversicherung bei einem anderen Versicherer unterhielt, stellt entgegen der Ansicht des Berufungsgerichts vielmehr ein gewichtiges Indiz gegen ein arglistiges Verhalten dar. Gerade weil es sich bei Arglist um eine innere Tatsache handelt, die regelmäßig nur aus Indizien gefolgert werden kann, hätte es näherer Erörterung bedurft, warum der gegen das Risiko der Berufsunfähigkeit bereits abgesicherte Kläger in dem Bewusstsein gehandelt haben sollte, auf das Vorstellungsbild der Beklagten unlauter einzuwirken, um diese zu einem Vertragsschluss zu bewegen. Hinzu kommt, dass, von der Beklagten nicht bestritten, die Initiative zum Vertragsschluss von dem Versicherungsagenten F. ausging, der den Kläger nach vorheriger telefonischer Kontaktaufnahme von sich aus zu Hause aufsuchte.
12
b) Die Beklagte kann dem Kläger auch einen sonstigen Missbrauch der Vertretungsmacht - als besonderer Ausprägung des Grundsatzes von Treu und Glauben (§ 242 BGB) - nicht entgegenhalten.
13
In der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs ist seit längerem anerkannt, dass der Vertretene auch in Fällen eines Vollmachtsmissbrauchs unterhalb der Schwelle der Kollusion mit dem Vertragspartner im Verhältnis zu diesem geschützt sein kann. Voraussetzung ist dafür indes, dass der Missbrauch aufgrund massiver Verdachtsmomente objektiv evident ist (BGH, Urteile vom 19. April 1994 - XI ZR 18/93 - NJW 1994, 2082 unter II 2 a und vom 29. Juni 1999 - XI ZR 277/98 - WM 1999, 1617 unter I 2 a). Dementsprechend hat der Senat an die für § 242 BGB geforderte Evidenz des Vollmachtsmissbrauchs durch einen Versicherungsagenten ebenfalls einen strengen Maßstab angelegt, der dessen besonderer Stellung Rechnung trägt (Senatsurteil vom 30. Januar 2002 - IV ZR 23/01 - VersR 2002, 425 unter II 3 c; vgl. auch Fricke aaO). Denn der Versicherer, der aufgrund des Vertrauensverhältnisses während der Vertragsverhandlungen dem künftigen Versicherungsnehmer gegenüber zur Auskunft und Beratung verpflichtet ist, soweit sie dieser benötigt, erfüllt diese Pflicht durch Auskünfte seines Agenten. Dementsprechend darf der Antragsteller davon ausgehen, dass der Agent zur Erteilung solcher Auskünfte regelmäßig auch befugt ist. Mit der Vorgabe von Fragen nach gefahrerheblichen Umständen im Antragsformular hat der Versicherer selbst die Anzeigeobliegenheit so ausgestaltet, dass der künftige Versicherungsnehmer die Gefahrumstände anhand der ihm gestellten Fragen zu beantworten hat. Unterläuft das der Versicherungsagent dadurch , dass er dem Antragsteller durch einschränkende Bemerkungen verdeckt, was auf die jeweilige Frage anzugeben und in das Formular aufzunehmen ist, kann dieses Agentenverhalten nicht zu Lasten des künftigen Versicherungsnehmers gehen (Senatsurteil vom 30. Januar 2002 aaO, vgl. schon Senatsurteil vom 10. Oktober 2001 - IV ZR 6/01 - VersR 2001, 1541 unter II 1 d). Den Agenten hinsichtlich seiner Auskünfte , was von den offenbarten Umständen in das Formular aufzunehmen ist, zu kontrollieren, ist nicht Sache des künftigen Versicherungsnehmers (Senatsurteile jeweils aaO).
14
Gemessen daran tragen die getroffenen Feststellungen die Annahme eines evidenten Missbrauchs der Vertretungsmacht im vorliegenden Fall nicht. Aus den oben näher dargelegten Gründen legen sie vielmehr die gegenteilige Annahme nahe.
15
Sache Die bedarf daher insgesamt neuer Verhandlung und Entscheidung.
Terno Dr. Schlichting Seiffert
Dr. Kessal-Wulf Dr. Franke
Vorinstanzen:
LG Oldenburg, Entscheidung vom 15.12.2005 - 13 O 108/04 -
OLG Oldenburg, Entscheidung vom 20.09.2006 - 3 U 14/06 -

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
IV ZR 23/01 Verkündet am:
30. Januar 2002
Fritz
Justizangestellte
als Urkundsbeamtin
der Geschäftsstelle
in dem Rechtsstreit
Nachschlagewerk: ja
BGHZ: nein
_____________________
Zur Evidenz des Vollmachtsmißbrauchs bei der Entgegennahme eines Versicherungsantrages
durch den Agenten.
BGH, Urteil vom 30. Januar 2002 - IV ZR 23/01 - OLG Düsseldorf
LG Düsseldorf
Der IV. Zivilsenat des Bundesgerichtshofes hat durch den Vorsitzenden
Richter Terno, die Richter Dr. Schlichting, Seiffert, die Richterin
Dr. Kessal-Wulf und den Richter Felsch auf die mündliche Verhandlung
vom 30. Januar 2002

für Recht erkannt:
Auf die Revision des Klägers wird das Urteil des 4. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Düsseldorf vom 12. Dezember 2000 aufgehoben.
Die Sache wird zur anderweiten Verhandlung und Entscheidung , auch über die Kosten des Revisionsverfahrens , an das Berufungsgericht zurückverwiesen.
Von Rechts wegen

Tatbestand:

Der Kläger, Beamter im Justizvollzugsdienst, begehrt die Zahlung einer Berufsunfähigkeitsrente.
Er unterhielt ab September 1996 bei der Beklagten eine Risikolebensversicherung mit eingeschlossener BerufsunfähigkeitsZusatzversicherung. Letzterer lagen Besondere Bedingungen für die Berufsunfähigkeits -Zusatzversicherung (BUZ) zugrunde; aufgrund besonde-

rer Vereinbarung wurden diese Bedingungen durch eine Dienstunfähigkeitsklausel für Beamte ergänzt. Am 28. November 1996 erlitt er anläßlich eines Gefangenentransports erhebliche Verletzungen. Ende Juli 1998 wurde er wegen Dienstunfähigkeit vorzeitig in den Ruhestand versetzt. Nachdem er Versicherungsleistungen beantragt hatte, holte die Beklagte eine Auskunft seines Hausarztes ein, die nach ihrer Behauptung am 31. August 1998 einging. Aus dieser ergab sich, daß der Kläger in seinem schriftlichen Versicherungsantrag vom 4. Juli 1996, den der Versicherungsagent M. aufgenommen hatte, zwar eine Gastritis und eine Lungenentzündung im Jahre 1995, nicht jedoch seit 1992 aufgetretene psychische und psychosomatische Beschwerden nebst einer psychiatrischen Behandlung im Januar 1996 angegeben hatte. Deshalb erklärte die Beklagte mit Schreiben vom 9. September 1998, dem Kläger zugegangen am 12. September 1998, den Rücktritt von der Berufsunfähigkeits -Zusatzversicherung . Zwischen den Parteien ist insbesondere streitig, ob der Kläger den Versicherungsagenten über sein psychisches Krankheitsbild mündlich unterrichtet hatte, dieser aber äußerte, das müsse im Antragsformular nicht vermerkt werden, und ob die im schriftlichen Antrag nicht aufgeführten Umstände Einfluß auf den Eintritt des Versicherungsfalles gehabt haben.
Das Landgericht hat der Klage auf rückständige Rentenleistungen in Höhe von 26.320 DM stattgegeben und festgestellt, daß der Kläger ab dem 1. April 1999 Anspruch auf die versicherte Leistung aus der Berufsunfähigkeits -Zusatzversicherung nebst Gewinnanteilen habe. Zusätzlich - und vom Landgericht nicht beschieden - hatte der Kläger die Feststellung der Beitragsfreiheit ab Dezember 1996 begehrt. Auf die Berufung

der Beklagten hat das Oberlandesgericht die Klage abgewiesen. Mit seiner Revision erstrebt der Kläger die Wiederherstellung des landgerichtlichen Urteils.

Entscheidungsgründe:


Die Revision hat Erfolg. Sie führt zur Aufhebung des angefochtenen Urteils und zur Zurückverweisung der Sache an das Berufungsgericht.
I. Nach Auffassung des Berufungsgerichts hat der Kläger selbst bei umfassender Aufklärung des Versicherungsagenten über bestehende Vorerkrankungen seine vorvertragliche Anzeigeobliegenheit verletzt. Denn sein Vorbringen als richtig unterstellt, habe er mit dem Agenten zu Lasten der Beklagten kollusiv zusammengewirkt. Die Erklärung des Agenten, die psychischen Probleme müûten in den Antrag nicht aufgenommen werden, sei angesichts der Schwere und Häufigkeit der Beschwerden handgreiflich falsch gewesen. Die im Januar 1996 aufgesuchte Psychiaterin habe dem Kläger eine geregelte Arbeitszeit ohne Nachtschichten angeraten. Ferner hätten Kollegen des Klägers aufgrund psychischer Erkrankungen Probleme mit ihrer Dienstfähigkeit gehabt. Ihm sei daher klar gewesen, daû es aufgrund seiner Vorerkrankungen zumindest zweifelhaft gewesen sei, ob er seinem Beruf weiterhin gewachsen sein werde. Bei diesem Kenntnisstand könne ihm nicht verborgen geblieben sein, daû der Agent der Beklagten etwas habe unter-

schlagen wollen, als er die ihm offenbarten Umstände nicht im Antrag aufgeführt habe. Damit sei für den Kläger dessen pflichtwidriges Verhalten evident gewesen, so daû es sich verbiete, der Beklagten das Wissen ihres Agenten zuzurechnen. Ihr Rücktritt sei innerhalb der Frist des § 20 VVG erklärt. Ihre Leistungspflicht sei nicht gemäû § 21 VVG bestehen geblieben. Der Kläger habe nicht substantiiert dargelegt, daû die psychischen und psychosomatischen Probleme für seine Berufsunfähigkeit keine Rolle gespielt hätten.
II. Das hält der rechtlichen Nachprüfung nicht in allen Punkten stand.
1. Richtig ist, daû der Rücktritt der Beklagten rechtzeitig erfolgt ist. Gemäû § 20 Abs. 1 VVG kann er innerhalb eines Monats erklärt werden. Die Frist beginnt mit dem Zeitpunkt, in welchem der Versicherer von der Verletzung der Anzeigepflicht Kenntnis erlangt. Abzustellen ist dabei auf die Kenntnis des Mitarbeiters, zu dessen Aufgaben es gehört, den Tatbestand der Verletzung vorvertraglicher Anzeigeobliegenheiten festzustellen (Senatsurteil vom 17. April 1996 - IV ZR 202/95 - VersR 1996, 742 unter I 2 a). Wann die Rücktrittsfrist in Lauf gesetzt worden ist, hat der Versicherungsnehmer zu beweisen (Senatsurteil vom 28. November 1990 - IV ZR 219/89 - VersR 1991, 170 unter 3 a). Hier hat die zuständige Sachbearbeiterin der Beklagten die für den Rücktritt maûgeblichen Tatsachen aus dem Brief des Hausarztes des Klägers vom 4. August 1998 erfahren. Das Schreiben trägt den Eingangsstempel der zentralen Poststelle der Beklagten vom 31. August 1998. Die Ausübung des Rück-

trittsrechts mit Schreiben vom 9. September 1998, zugegangen am 12. September 1998, ist somit fristgemäû erfolgt. Daû der Arztbrief der Beklagten noch vor dem 31. August 1998 zugegangen ist, hat der Kläger nicht nachgewiesen. Ob er schon am 4. August 1998 zur Post gegeben worden ist, ist unerheblich, da die Aufgabe zur Post für sich allein nichts über den Zeitpunkt des Zugangs beim Empfänger besagt.
2. Nicht zu beanstanden ist weiter die Auffassung des Berufungsgerichts , daû die Leistungspflicht der vom Versicherungsvertrag zurückgetretenen Beklagten nicht nach § 21 VVG fortbesteht. Der Kläger als Versicherungsnehmer hätte darlegen und beweisen müssen, daû eine Mitursächlichkeit seiner Beschwerden für den Eintritt des Versicherungsfalles nicht in Betracht kommt (vgl. Senatsurteil vom 25. Oktober 1989 - IVa ZR 141/88 - VersR 1990, 297 unter 2 e). Das ist nicht geschehen. Vielmehr bestand nach dem amtsärztlichen Bericht vom 28. Januar 1998 beim Kläger ein psychisches Krankheitsbild, das entgegen der Behauptung des Klägers gerade nicht als Folge seines Dienstunfalls vom 28. November 1996 einzuordnen war. Bei dieser Sachlage ist es nicht rechtsfehlerhaft, wenn das Berufungsgericht die um näheren Vortrag nicht ergänzte Behauptung des Klägers, seine Vorerkrankungen hätten mit der späteren Dienstunfähigkeit nichts zu tun, als nicht hinreichend substantiiert angesehen hat.
3. Rechtsfehlerhaft sind hingegen die Erwägungen des Berufungsgerichts , mit denen es ein Recht der Beklagten zum Rücktritt bejaht hat.


a) Das Berufungsgericht hat offengelassen, ob der Kläger den Versicherungsagenten M. mündlich von seinem psychischen Krankheitsbild in Kenntnis setzte. Für das Revisionsverfahren ist daher die Richtigkeit seines Vortrags zu unterstellen, er habe alle ihm aus dem Antragsformular vorgelesenen Fragen wahrheitsgemäû beantwortet, so auch diejenigen nach psychischen Störungen. Er habe dem Versicherungsagenten geschildert, in der Vergangenheit zuweilen - auch noch im Vorjahr der Antragstellung - unter erheblichen, nicht selten von Kopfschmerzen begleiteten Depressionen gelitten zu haben. Er habe auf seelische Probleme verwiesen, die auf die Zerrüttung seiner Ehe zurückzuführen seien, und darauf, daû er seinen Beruf zeitweise als bedrükkend empfinde.
Dann aber ist der Kläger seiner Anzeigeobliegenheit nachgekommen (vgl. BGHZ 116, 387, 389). Zu weiteren Angaben gegenüber der Beklagten muûte er sich nicht veranlaût sehen. Wenn der Zeuge M. nach dem Vortrag des Klägers - von dem im Revisionsverfahren auszugehen ist - erkennen lieû, daû er die ihm geschilderten psychischen Beschwerden als unerheblich betrachtete, zumal der Kläger inzwischen völlig gesund und in Ordnung sei, durfte sich der Kläger damit zufrieden geben. Daû der Agent seine Angaben nicht im Antragsformular vermerkte , muûte beim Kläger wegen der vorhergehenden Erklärungen des Agenten keine Zweifel begründen.

b) Dem Berufungsgericht ist nicht darin zu folgen, daû der Kläger und der Versicherungsagent zu Lasten der Beklagten im Sinne des § 138 BGB kollusiv zusammengewirkt haben. Eine solche Kollusion liegt vor,

wenn Agent und Versicherungsnehmer arglistig zum Nachteil des Versicherers zusammenwirken, was voraussetzt, daû der Versicherungsnehmer von dem treuwidrigen Verhalten des Versicherungsagenten gegenüber dem von ihm vertretenen Versicherer weiû (vgl. BGH, Urteil vom 17. Mai 1988 - VI ZR 233/87 - NJW 1989, 26 unter II; Kollhosser in Prölss/Martin, § 43 VVG Rdn. 27). Das Berufungsgericht hat lediglich festgestellt, daû der Versicherungsagent der Beklagten die ihm gegebenen Informationen vorenthalten wollte. Entsprechende Feststellungen, die auf die Annahme von Arglist auf seiten des Klägers bezogen sind, fehlen. Es ist nichts dafür ersichtlich, daû der Kläger gewollt oder auch nur gebilligt hätte, daû der Versicherungsagent die ihm offenbarten Vorerkrankungen im Antragsformular unberechtigt unerwähnt lieû. Vielmehr hat sich der Kläger von der Beklagten unwiderlegt dahin eingelassen , der Versicherungsagent habe ihn durch seine Äuûerungen davon überzeugt, daû die früheren Phasen der Niedergeschlagenheit als seelische Tiefs einzuordnen seien, unter denen jeder einmal leide und die für die Risikoeinschätzung des Versicherers daher unwesentlich seien.

c) Ein Miûbrauch der Vertretungsmacht kann - als besondere Ausgestaltung des § 242 BGB - allerdings ebenso gegeben sein, wenn der Vertreter von seiner Vertretungsmacht in ersichtlich verdächtiger Weise Gebrauch macht, so daû beim Vertragspartner begründete Zweifel entstehen müssen, ob nicht ein Treueverstoû des Vertreters gegenüber dem Vertretenen vorliegt. Der Vertretene ist auch dann im Verhältnis zu seinem Vertragspartner vor den Folgen des Vollmachtsmiûbrauchs geschützt (BGH, Urteile vom 19. April 1994 - XI ZR 18/93 - NJW 1994,

2082 unter II 2 a; vom 29. Juni 1999 - XI ZR 277/98 - WM 1999, 1617 unter I 2 a, jeweils m.w.N.).
Die Feststellungen des Berufungsgerichts tragen die Voraussetzungen eines solchen evidenten Miûbrauchs der Vertretungsmacht jedoch nicht. Es hat die besondere Stellung des Versicherungsagenten nicht berücksichtigt, der als "Auge und Ohr" des Versicherers zur Entgegennahme auch mündlicher vorvertraglicher Anzeigen des Versicherungsnehmers bevollmächtigt ist. Der Versicherer ist aufgrund des Vertrauensverhältnisses während der Vertragsverhandlungen dem Antragsteller gegenüber zur Auskunft und Beratung verpflichtet, soweit sie dieser benötigt. Er erfüllt diese Pflicht durch Auskünfte seines Agenten; der künftige Versicherungsnehmer darf davon ausgehen, daû der Agent zur Erteilung solcher Auskünfte regelmäûig auch befugt ist. Diese Umstände bestimmen zugleich die Erwartungen des künftigen Versicherungsnehmers an den ihm bei Antragstellung gegenübertretenden Agenten. Gibt der Agent dem Antragsteller unzutreffende Auskünfte und falsche Ratschläge im Zusammenhang mit der Beantwortung von Formularfragen im Antrag, greift demgemäû der Vorwurf, der Antragsteller habe insoweit seine Anzeigeobliegenheit verletzt, nicht durch (vgl. BGHZ 116, 387, 391). Nichts anderes gilt, wenn der Agent die zutreffende Beantwortung der vom Versicherer gestellten Formularfragen dadurch unterläuft, daû er durch einschränkende Bemerkungen verdeckt, was auf die jeweilige Frage anzugeben und in das Formular aufzunehmen ist (Senatsurteil vom 10. Oktober 2001 - IV ZR 6/01 - VersR 2001, 1541 unter II 1 d). Den Agenten hinsichtlich seiner Auskünfte, was von den offenbarten Umständen in das Formular aufzunehmen ist, zu kontrollieren, ist nicht Sache

des künftigen Versicherungsnehmers. Das wirkt sich auf die Beurteilung der Frage aus, ob für den Versicherungsnehmer ein Vollmachtsmiûbrauch seitens des Versicherungsagenten offensichtlich werden muû: An die für § 242 BGB geforderte Evidenz des Vollmachtsmiûbrauchs ist ein strenger Maûstab anzulegen, der der besonderen Stellung des Versicherungsagenten Rechnung trägt.
III. Die angegriffene Entscheidung beruht auf dem aufgezeigten Rechtsfehler. Das Berufungsgericht wird erneut tatrichterlich zu würdigen haben, ob der bislang zugrunde gelegte Sachverhalt die Annahme rechtfertigt, das treuwidrige Handeln des Versicherungsagenten sei für den Kläger evident gewesen. Dabei wird es zu erwägen haben, ob die Würdigung zusätzlich auf eine Anhörung des Klägers und eine wiederholte Vernehmung des Agenten zu stützen ist. Wird Vollmachtsmiûbrauch verneint, wird es darauf ankommen, ob der Kläger dem Versicherungsagenten seine Vorerkrankungen tatsächlich in dem vorgetragenen Umfang offenbarte. Die Beweislast dafür, daû er etwas anderes gesagt hat, als er behauptet, trifft dabei die Beklagte. Hat nicht der Versicherungsnehmer , sondern der Agent das Formular ausgefüllt, kann der Versicherer allein mit dem Formular nicht beweisen, daû der Versicherungsnehmer falsche Angaben gemacht hat, sofern dieser sich substantiiert dahin einläût, den Agenten mündlich zutreffend unterrichtet zu haben (BGHZ 107, 322, 325).
Terno Dr. Schlichting Seiffert

Dr. Kessal-Wulf Felsch

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
IV ZR 111/07
vom
20. Januar 2010
in dem Rechtsstreit
Der IV. Zivilsenat des Bundesgerichtshofes hat durch den Vorsitzenden
Richter Terno, den Richter Seiffert, die Richterinnen Dr. Kessal-Wulf,
Harsdorf-Gebhardt und den Richter Dr. Karczewski
am 20. Januar 2010

beschlossen:
Die Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision in dem Urteil des 5. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Köln vom 18. April 2007 wird auf Kosten des Klägers zurückgewiesen.
Beschwerdewert: 74.414,88 €

Gründe:


1
Die Beschwerde hat keinen Erfolg, weil die Voraussetzungen für die Zulassung der Revision nach § 543 Abs. 2 Satz 1 ZPO nicht vorliegen. Die als rechtsgrundsätzlich bezeichneten Fragen sind geklärt oder nicht entscheidungserheblich.
2
Zur rechtlichen Bedeutung einer befristeten Leistungszusage, die sich für den Versicherungsnehmer eindeutig erkennbar lediglich als Kulanzentscheidung darstellt, hat der Senat entschieden, dass darin kein Anerkenntnis liegt, das den Versicherer über den zugesagten Zeitraum hinaus bindet mit der Folge, dass er eine Leistungseinstellung nur im Wege des Nachprüfungsverfahrens nach § 7 BB-BUZ erreichen kann (Urteil vom 12. November 2003 - IV ZR 173/02 - VersR 2004, 96 unter II 1 a m.w.N.). Das Schreiben der Beklagten vom 17. September 1998 ist vom Berufungsgericht zutreffend als eine solche Kulanzentscheidung ausgelegt worden. Der Kläger hat dies auch nicht anders verstanden, wie seinem Schreiben vom 22. September 1998 zu entnehmen ist. Die Frage nach dem zulässigen Inhalt einer Vereinbarung über die Leistungspflicht im Sinne der Senatsurteile vom 7. Februar 2007 (IV ZR 244/03 - VersR 2007, 633) und vom 28. Februar 2007 (IV ZR 46/06 - VersR 2007, 777) stellt sich deshalb nicht.
3
Da die Beklagte ein Anerkenntnis nicht abgegeben hatte, war der Kläger darauf verwiesen, seine Ansprüche im Wege der Klage geltend zu machen. Im Rechtsstreit ist dann - wie hier auch geschehen - zunächst vom Versicherungsnehmer der Nachweis bedingungsgemäßer Berufsunfähigkeit zu führen. Ist danach ab einem bestimmten Zeitpunkt eine Leistungspflicht gegeben, steht dem Versicherer im selben Rechtsstreit der Beweis offen, dass und ab welchem Zeitpunkt die Voraussetzungen für eine Herabsetzung oder Einstellung der Leistungen nach § 7 BB-BUZ eingetreten sind (vgl. Senatsurteile vom 19. November 1997 - IV ZR 6/97 - VersR 1998, 173 unter 2 b und 3; vom 11. Dezember 1996 - IV ZR 238/95 - VersR 1997, 436 unter II 1 und vom 27. September 1989 - IVa ZR 132/88 - VersR 1989, 1182 unter 4). Im Urteil ist dann über Beginn und Ende der Leistungspflicht zu entscheiden.
4
Diese vom Berufungsgericht getroffene Entscheidung ist nicht zum Nachteil des Klägers ausgefallen. Nach den nicht angefochtenen Feststellungen lag ab dem 1. Januar 2000 bedingungsgemäße Berufsunfähigkeit nicht mehr vor. Dem entspricht das Urteil des Landgerichts. Da das Berufungsgericht dem Kläger Leistungen bis Ende Juni 2001 zuerkannt hat, sind die Ausführungen im Berufungsurteil zu § 242 BGB nicht entscheidungserheblich.
Terno Seiffert Dr. Kessal-Wulf
Harsdorf-Gebhardt Dr. Karczewski
Vorinstanzen:
LG Köln, Entscheidung vom 26.07.2006 - 23 O 508/02 -
OLG Köln, Entscheidung vom 18.04.2007 - 5 U 180/06 -

(1) Bestimmungen in Allgemeinen Geschäftsbedingungen sind unwirksam, wenn sie den Vertragspartner des Verwenders entgegen den Geboten von Treu und Glauben unangemessen benachteiligen. Eine unangemessene Benachteiligung kann sich auch daraus ergeben, dass die Bestimmung nicht klar und verständlich ist.

(2) Eine unangemessene Benachteiligung ist im Zweifel anzunehmen, wenn eine Bestimmung

1.
mit wesentlichen Grundgedanken der gesetzlichen Regelung, von der abgewichen wird, nicht zu vereinbaren ist oder
2.
wesentliche Rechte oder Pflichten, die sich aus der Natur des Vertrags ergeben, so einschränkt, dass die Erreichung des Vertragszwecks gefährdet ist.

(3) Die Absätze 1 und 2 sowie die §§ 308 und 309 gelten nur für Bestimmungen in Allgemeinen Geschäftsbedingungen, durch die von Rechtsvorschriften abweichende oder diese ergänzende Regelungen vereinbart werden. Andere Bestimmungen können nach Absatz 1 Satz 2 in Verbindung mit Absatz 1 Satz 1 unwirksam sein.

(1) Verletzt der Schuldner eine Pflicht aus dem Schuldverhältnis, so kann der Gläubiger Ersatz des hierdurch entstehenden Schadens verlangen. Dies gilt nicht, wenn der Schuldner die Pflichtverletzung nicht zu vertreten hat.

(2) Schadensersatz wegen Verzögerung der Leistung kann der Gläubiger nur unter der zusätzlichen Voraussetzung des § 286 verlangen.

(3) Schadensersatz statt der Leistung kann der Gläubiger nur unter den zusätzlichen Voraussetzungen des § 281, des § 282 oder des § 283 verlangen.

Eine Geldschuld hat der Schuldner von dem Eintritt der Rechtshängigkeit an zu verzinsen, auch wenn er nicht im Verzug ist; wird die Schuld erst später fällig, so ist sie von der Fälligkeit an zu verzinsen. Die Vorschriften des § 288 Abs. 1 Satz 2, Abs. 2, Abs. 3 und des § 289 Satz 1 finden entsprechende Anwendung.

(1) Urteile sind der Rechtskraft nur insoweit fähig, als über den durch die Klage oder durch die Widerklage erhobenen Anspruch entschieden ist.

(2) Hat der Beklagte die Aufrechnung einer Gegenforderung geltend gemacht, so ist die Entscheidung, dass die Gegenforderung nicht besteht, bis zur Höhe des Betrages, für den die Aufrechnung geltend gemacht worden ist, der Rechtskraft fähig.

(1) Wenn jede Partei teils obsiegt, teils unterliegt, so sind die Kosten gegeneinander aufzuheben oder verhältnismäßig zu teilen. Sind die Kosten gegeneinander aufgehoben, so fallen die Gerichtskosten jeder Partei zur Hälfte zur Last.

(2) Das Gericht kann der einen Partei die gesamten Prozesskosten auferlegen, wenn

1.
die Zuvielforderung der anderen Partei verhältnismäßig geringfügig war und keine oder nur geringfügig höhere Kosten veranlasst hat oder
2.
der Betrag der Forderung der anderen Partei von der Festsetzung durch richterliches Ermessen, von der Ermittlung durch Sachverständige oder von einer gegenseitigen Berechnung abhängig war.

Der Wert des Rechts auf wiederkehrende Nutzungen oder Leistungen wird nach dem dreieinhalbfachen Wert des einjährigen Bezuges berechnet. Bei bestimmter Dauer des Bezugsrechts ist der Gesamtbetrag der künftigen Bezüge maßgebend, wenn er der geringere ist.

Für vorläufig vollstreckbar ohne Sicherheitsleistung sind zu erklären:

1.
Urteile, die auf Grund eines Anerkenntnisses oder eines Verzichts ergehen;
2.
Versäumnisurteile und Urteile nach Lage der Akten gegen die säumige Partei gemäß § 331a;
3.
Urteile, durch die gemäß § 341 der Einspruch als unzulässig verworfen wird;
4.
Urteile, die im Urkunden-, Wechsel- oder Scheckprozess erlassen werden;
5.
Urteile, die ein Vorbehaltsurteil, das im Urkunden-, Wechsel- oder Scheckprozess erlassen wurde, für vorbehaltlos erklären;
6.
Urteile, durch die Arreste oder einstweilige Verfügungen abgelehnt oder aufgehoben werden;
7.
Urteile in Streitigkeiten zwischen dem Vermieter und dem Mieter oder Untermieter von Wohnräumen oder anderen Räumen oder zwischen dem Mieter und dem Untermieter solcher Räume wegen Überlassung, Benutzung oder Räumung, wegen Fortsetzung des Mietverhältnisses über Wohnraum auf Grund der §§ 574 bis 574b des Bürgerlichen Gesetzbuchs sowie wegen Zurückhaltung der von dem Mieter oder dem Untermieter in die Mieträume eingebrachten Sachen;
8.
Urteile, die die Verpflichtung aussprechen, Unterhalt, Renten wegen Entziehung einer Unterhaltsforderung oder Renten wegen einer Verletzung des Körpers oder der Gesundheit zu entrichten, soweit sich die Verpflichtung auf die Zeit nach der Klageerhebung und auf das ihr vorausgehende letzte Vierteljahr bezieht;
9.
Urteile nach §§ 861, 862 des Bürgerlichen Gesetzbuchs auf Wiedereinräumung des Besitzes oder auf Beseitigung oder Unterlassung einer Besitzstörung;
10.
Berufungsurteile in vermögensrechtlichen Streitigkeiten. Wird die Berufung durch Urteil oder Beschluss gemäß § 522 Absatz 2 zurückgewiesen, ist auszusprechen, dass das angefochtene Urteil ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar ist;
11.
andere Urteile in vermögensrechtlichen Streitigkeiten, wenn der Gegenstand der Verurteilung in der Hauptsache 1.250 Euro nicht übersteigt oder wenn nur die Entscheidung über die Kosten vollstreckbar ist und eine Vollstreckung im Wert von nicht mehr als 1.500 Euro ermöglicht.

(1) Die Revision findet nur statt, wenn sie

1.
das Berufungsgericht in dem Urteil oder
2.
das Revisionsgericht auf Beschwerde gegen die Nichtzulassung
zugelassen hat.

(2) Die Revision ist zuzulassen, wenn

1.
die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat oder
2.
die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Revisionsgerichts erfordert.
Das Revisionsgericht ist an die Zulassung durch das Berufungsgericht gebunden.

(1) Sind außer dem Hauptanspruch auch Früchte, Nutzungen, Zinsen oder Kosten als Nebenforderungen betroffen, wird der Wert der Nebenforderungen nicht berücksichtigt.

(2) Sind Früchte, Nutzungen, Zinsen oder Kosten als Nebenforderungen ohne den Hauptanspruch betroffen, ist der Wert der Nebenforderungen maßgebend, soweit er den Wert des Hauptanspruchs nicht übersteigt.

(3) Sind die Kosten des Rechtsstreits ohne den Hauptanspruch betroffen, ist der Betrag der Kosten maßgebend, soweit er den Wert des Hauptanspruchs nicht übersteigt.

Der Wert des Rechts auf wiederkehrende Nutzungen oder Leistungen wird nach dem dreieinhalbfachen Wert des einjährigen Bezuges berechnet. Bei bestimmter Dauer des Bezugsrechts ist der Gesamtbetrag der künftigen Bezüge maßgebend, wenn er der geringere ist.

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
IV ZR 183/10
vom
6. Oktober 2011
in dem Rechtsstreit
Nachschlagewerk: ja
BGHZ: nein
BGHR: ja
Wird eine Klage auf Leistung aus einer BerufsunfähigkeitsZusatzversicherung
mit einem Feststellungsantrag auf Fortbestehen des
Versicherungsvertrages kombiniert, so findet bei der Ermittlung von Streitwert
und Beschwer eine eingeschränkte Wertaddition statt. Insoweit ist für den
Feststellungsantrag ein Betrag von 20% der 3,5-fachen Jahresbeträge von
Rentenleistung und Versicherungsprämie zusätzlich zu berücksichtigen
(Aufgabe der bisherigen Senatsrechtsprechung).
BGH, Beschluss vom 6. Oktober 2011- IV ZR 183/10 - OLG Köln
LG Köln
Der IV. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat durch die
Vorsitzende Richterin Dr. Kessal-Wulf, die Richterin Harsdorf-Gebhardt,
die Richter Dr. Karczewski, Lehmann und die Richterin Dr. Brockmöller
am 6. Oktober 2011

beschlossen:
Der Streitwert wird auf 70.917,78 € festgesetzt.

Gründe:


1
Begehrt der Versicherungsnehmer einer BerufsunfähigkeitsZusatzversicherung die Feststellung, dass der Versicherungsvertrag trotz einer Anfechtung des Versicherers wegen arglistiger Täuschung fortbestehe, konkretisiert sich seine Beschwer in der Rentenleistungsverpflichtung und der Pflicht zur Beitragsfreistellung (Senatsbeschluss vom 17. Mai 2000 - IV ZR 294/99, VersR 2001, 600 f.). Dabei ist nach ständiger Rechtsprechung des Senats von den 3,5-fachen Jahresbeträgen der begehrten monatlichen Rentenleistung und der monatlichen Prämie (§§ 3, 9 ZPO) ein Abschlag von 50% vorzunehmen, wenn der Eintritt des Versicherungsfalles, mithin der Berufsunfähigkeit im Sinne der vereinbarten Bedingungen, noch ungeklärt ist, während sich bei bereits geklärter Berufsunfähigkeit der Feststellungsabschlag auf 20% beläuft (Senatsurteil vom 13. Dezember 2000 - IV ZR 279/99, VersR 2001, 601 unter 2 b m.w.N.).
2
Wird allerdings neben der Feststellungsklage auch eine Leistungsklage rechtshängig gemacht, mit der der Versicherungsnehmer Zahlungen aufgrund eines behaupteten Versicherungsfalles begehrt, ist für die Wertaddition gemäß §§ 5 ZPO, 39 GKG zu berücksichtigen, dass eine wirtschaftliche Teil-Identität beider Klaganträge gegeben ist, die eine Zusammenrechnung insoweit verbietet. Denn das Bestehen eines wirksamen, durch die Anfechtung des Versicherers nicht berührten Versicherungsverhältnisses ist zugleich notwendige Voraussetzung für den geltend gemachten Anspruch auf Versicherungsleistung. Ein über den Leistungsantrag hinausgehendes wirtschaftliches Interesse an der begehrten Feststellung kann deshalb nur im Hinblick auf künftige weitere Versicherungsfälle gegeben sein. Diesen überschießenden und für die Wertaddition allein maßgeblichen Teil des Feststellungsbegehrens bewertet der Senat mit jeweils 20% der 3,5-fachen Jahresbeträge der begehrten monatlichen Rentenleistung und der monatlichen Prämie (Aufgabe der bisherigen Rechtsprechung; anders noch Senatsbeschluss vom 1. Dezember 2004 - IV ZR 150/04, VersR 2005, 959, 960).
3
Danach bemisst sich die Beschwer hier wie folgt: - Anträge zu 1 und 2 (einheitlich gerichtet auf Feststellung des Fortbestands der Versicherung): 3,5-facher Jahresbetrag der begehrten monatlichen Rente von 1.124,79 €, davon 20% = 9.448,24 € 3,5-facher Jahresbetrag der monatlichen Prämie von 87,01 €, davon 20% = 730,88 € - Antrag zu 3 (Leistungsantrag betr. Rückstände) = 13.497,48 € - Antrag zu 4 (gerichtet auf künftige Versicherungsleistungen: 42 Monate x 1.124,79 €) = 47.241,18 € - Antrag zu 5 bleibt als Nebenforderung unberücksichtigt Summe: 70.917,78 € Dr. Kessal-Wulf Harsdorf-Gebhardt Dr. Karczewski Lehmann Dr. Brockmöller
Vorinstanzen:
LG Köln, Entscheidung vom 14.10.2009- 26 O 219/08 -
OLG Köln, Entscheidung vom 09.07.2010 - 20 U 174/09 -

(1) Sind Gebühren, die sich nach dem Streitwert richten, mit der Einreichung der Klage-, Antrags-, Einspruchs- oder Rechtsmittelschrift oder mit der Abgabe der entsprechenden Erklärung zu Protokoll fällig, setzt das Gericht sogleich den Wert ohne Anhörung der Parteien durch Beschluss vorläufig fest, wenn Gegenstand des Verfahrens nicht eine bestimmte Geldsumme in Euro ist oder gesetzlich kein fester Wert bestimmt ist. Einwendungen gegen die Höhe des festgesetzten Werts können nur im Verfahren über die Beschwerde gegen den Beschluss, durch den die Tätigkeit des Gerichts aufgrund dieses Gesetzes von der vorherigen Zahlung von Kosten abhängig gemacht wird, geltend gemacht werden. Die Sätze 1 und 2 gelten nicht in Verfahren vor den Gerichten der Finanzgerichtsbarkeit.

(2) Soweit eine Entscheidung nach § 62 Satz 1 nicht ergeht oder nicht bindet, setzt das Prozessgericht den Wert für die zu erhebenden Gebühren durch Beschluss fest, sobald eine Entscheidung über den gesamten Streitgegenstand ergeht oder sich das Verfahren anderweitig erledigt. In Verfahren vor den Gerichten für Arbeitssachen oder der Finanzgerichtsbarkeit gilt dies nur dann, wenn ein Beteiligter oder die Staatskasse die Festsetzung beantragt oder das Gericht sie für angemessen hält.

(3) Die Festsetzung kann von Amts wegen geändert werden

1.
von dem Gericht, das den Wert festgesetzt hat, und
2.
von dem Rechtsmittelgericht, wenn das Verfahren wegen der Hauptsache oder wegen der Entscheidung über den Streitwert, den Kostenansatz oder die Kostenfestsetzung in der Rechtsmittelinstanz schwebt.
Die Änderung ist nur innerhalb von sechs Monaten zulässig, nachdem die Entscheidung in der Hauptsache Rechtskraft erlangt oder das Verfahren sich anderweitig erledigt hat.