Oberlandesgericht Stuttgart Urteil, 06. Mai 2014 - 10 U 95/13

bei uns veröffentlicht am06.05.2014

Tenor

I. Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Landgerichts Tübingen vom 14.06.2013, 7 O 27/10, wie folgt abgeändert:

1. Der Klagantrag Ziff. 1 ist dem Grunde nach gerechtfertigt, hinsichtlich der Mehrkosten in Folge der Bauzeitverzögerung vom 21.12.2007 bis zum 25.06.2009 jedoch nur vorbehaltlich eines noch zu bestimmenden Mitverschuldens der Klägerin.

2. Es wird festgestellt, dass die Beklagte der Klägerin sämtliche darüber hinausgehenden Mehrkosten in der Folge der Bauzeitverzögerung vom 21.12.2007 bis zum 25.06.2007 für das Bauvorhaben Neubau Sporthalle in X zu ersetzen hat vorbehaltlich eines noch zu bestimmenden Mitverschuldens der Klägerin.

II. Im Übrigen wird die Berufung zurückgewiesen.

III. Die Kostenentscheidung bleibt dem Schlussurteil vorbehalten.

IV. Der Rechtsstreit wird zur Entscheidung über das Betragsverfahren an das Landgericht Tübingen zurückverwiesen.

Gründe

 
I.
Die Parteien streiten um die Folgen eines gekündigten Bauauftrages. Die Klägerin hatte die Beklagte nach Ausschreibung am 23.05.2007 mit der Erbringung von Fassadenbauarbeiten, einer Pfosten-Riegel-Konstruktion, an einer Sporthalle beauftragt. Nachdem es zwischen den Parteien zu Differenzen insbesondere über die Frage, wer Pläne und Statiken beizubringen habe, gekommen war, wurde der Beklagten am 09.10.2007 der Auftrag entzogen.
Nach erneuter Ausschreibung wurden die Fensterbauarbeiten wiederum an die Beklagte vergeben; die Arbeiten sind zwischenzeitlich abgenommen.
Das Landgericht gab der auf Aufwendungs- bzw. Schadensersatz gerichteten Klage dem Grunde nach statt und führte zur Begründung aus, die Klägerin habe gemäß § 8 Nr. 3 VOB/B wirksam aus wichtigem Grund gekündigt. Die Beklagte habe sich vertraglich verpflichtet, Ausführungs- und Tragwerksplanung zu erstellen. Der im Vertrag verwandte Begriff der „Projektierung“ der Fensterbauarbeiten umfasse diese Leistungen. Auch sei an verschiedener Stelle die Vorlage statischer Nachweise im Vertrag vorgegeben. Unter dem Stichwort „Ausführungszeichnungen“ sei zudem ausgeführt, dass die konstruktive Detaillierung der Verglasungen allein dem Auftragnehmer obliege und dieser Ausführungs- und Werkstattzeichnungen sowie die Statik anzufertigen habe.
Da die den Ausschreibungsunterlagen beigefügten Ausführungspläne erkennbar nicht die notwendige Ausführungstiefe gehabt hätten, sei für die Beklagte ersichtlich gewesen, dass hier noch weitere Planungsleistungen zu erbringen seien. Dabei habe die Beklagte mangels dahingehender Hinweise in der Ausschreibung nicht davon ausgehen dürfen, dass die fehlenden Planungen von der Klägerin erbracht würden. Im Ergebnis sei der Vertrag so zu verstehen, dass die Beklagte für die gesamte, bei Vertragsschluss noch nicht vorliegende Planung verantwortlich sei.
Die Art der Ausschreibung auf Grundlage einer Leistungsbeschreibung mit Leistungsverzeichnis stehe dem nicht entgegen. Zwar seien nach den Ausführungen des Sachverständigen bei einer derartigen Ausschreibungsart üblicherweise keine über Werkstatt- und Montageplanung hinausgehenden Planungsleistungen zu erbringen. Dies sei aber letztlich unbeachtlich, da sich aus der Zusammenschau der gesamten Ausschreibung ergebe, dass diese Leistungen auf die Beklagte mit übertragen werden sollten.
Das Leistungsverzeichnis verstoße nicht gegen die §§ 305 ff BGB, da Leistungsbeschreibungen einer Inhaltskontrolle grundsätzlich entzogen seien.
Das durch zahlreiche Aufforderungsschreiben und Behinderungsanzeigen belegte Verhalten der Beklagten im Sinne eines beharrlichen Bestreitens der Verantwortlichkeit für die weitere Planung berechtige die Klägerin zur Kündigung aus wichtigem Grund. Einer Abmahnung habe es insofern nicht bedurft.
Auch der Feststellungsantrag (Tragung der Mehrkosten infolge Bauzeitverzögerung) sei aus den gleichen Gründen berechtigt.
Dem gegenüber stehe der Beklagten die mit der Widerklage geltend gemachte Vergütung für bereits erbrachte Leistungen nicht zu. Der abgerechnete Zeit- und Fahrkostenaufwand für Gespräche und Vorarbeiten sei mit den vereinbarten Einheitspreisen abgegolten gewesen und könne deshalb nicht selbstständig geltend gemacht werden.
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Hiergegen wendet sich die Beklagte mit ihrer Berufung. Sie habe sich nicht zur Erbringung der bei Abschluss des Bauvertrages noch ausstehenden Architektenplanungsleistungen verpflichtet. Vielmehr habe sie lediglich Ausführungs- und Werkstattzeichnungen als unselbständige Unterlagen auf Grundlage der von der Klägerin vorzulegenden Statik und Planung anzufertigen gehabt. Unter der laut S. 24/25 des Leistungsverzeichnisses durch die Klägerin zu liefernden Statik sei keinesfalls die allgemeine Gebäudestatik, sondern ausschließlich die Fassadenstatik zu verstehen. Wegen der fehlenden Vorlage der Fassadenstatik durch die Klägerin habe die Beklagte auch keine darauf aufbauenden statischen Berechnungen erstellen können.
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Insoweit im Liefer-/Leistungsumfang auch die Projektierung zugesagt worden sei, stehe dies in Widerspruch zu den Bestimmungen auf S. 24/25 des Leistungsverzeichnisses („Ausführungsunterlagen“ bzw. „Ausführungszeichnungen“). Dieser Widerspruch habe mit der Klägerin heimzugehen.
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Das Landgericht sei fälschlich davon ausgegangen, dass es sich bei den dem Leistungsverzeichnis beigefügten 8 Ausführungsplänen im Maßstab 1 : 100 (Anl. B 11) um die Ausführungsplanung handele. Dabei handele es sich hierbei lediglich um Pläne für die Angebotskalkulation, nicht jedoch um die von der Klägerin geschuldeten Ausführungspläne. Dass dies auch von der Klägerin so verstanden worden sei, zeige sich darin, dass sie der Beklagten nach Auftragserteilung noch weitere 22 Ausführungspläne im Maßstab 1 : 50 oder kleiner übermittelt habe (Anl. B 17 bis 20).
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Auch die Ausschreibungsform der Detailausschreibung nach Einheitspreisen mit positionsweiser Gliederung sehe vor, dass der Auftraggeber gemäß § 3 Nr. 1 VOB/B Projektierungs-, Entwurfs- und Ausführungsplanung nach den Leistungsphasen 2, 3 und 5 schulde. Mit der Wahl der Ausschreibungsmethode habe die Klägerin selbst die Verantwortung dafür übernommen, dass sie in dieser Methode vollständig ausschreibe. Sie könne das Vollständigkeitsrisiko nicht unerklärt auf den Auftragnehmer überwälzen. Zu den von Auftraggeberseite geschuldeten Ausführungsplanungen gehörten die Ausführungsplanung der Leistungsphase 5 bis zum Maßstab 1 : 1, die statischen, bauphysikalischen und bauakustischen Berechnungen.
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Die Erbringung statischer Berechnungen sowie bauphysikalischer Nachweise stellten zusätzlich zu vergütende Besondere Leistungen dar (Ziff. 4.2.10 der DIN 18355 für Tischlerarbeiten VOB/C). Über einseitig festgelegte Vertragsbedingungen könnten Besondere Leistungen nicht zum vertraglich geschuldeten Bau-Soll ohne entsprechende Vergütung gemacht werden. Außerdem seien die VOB/C-Regeln bei der Auslegung des Vertrages zu berücksichtigen. Unklarheiten gingen zu Lasten der Klägerin.
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Der Sachverständige habe bestätigt, dass die Werkstattzeichnungen der Beklagten ordnungsgemäß und vollständig seien. Auch habe die Beklagte die Tragwerksplanung mit Anl. K 18, K 27 und K 57 sowie B 71 erbracht.
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Die Beklagte sei allein wegen des nicht vertragstreuen Verhaltens der Klägerin zu den zahlreichen Behinderungsanzeigen veranlasst worden. Auch die Bauzeitverzögerung habe die Beklagte nicht zu vertreten. In jedem Fall ergebe sich ein Mitverschulden der Klägerin wegen nicht ausreichend bzw. unvollständig zur Verfügung gestellter Planungen.
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Der Widerklage sei stattzugeben, nachdem es sich um eine freie Kündigung nach § 8 Nr. 1 VOB handle, weshalb der Beklagten die vereinbarte Vergütung nach Abs. 2 zustehe. Die Beklagte mache hier nur einen Teilvergütungsanspruch für nicht ersparte Kostenaufwendungen in Höhe von 29.208,67 EUR geltend.
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Dem entsprechend beantragt die Beklagte:
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1. Die Entscheidung des Landgerichts Tübingen vom 14.06.2013, Aktenzeichen 7 O 27/10, wird aufgehoben.
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2. Die Klage wird abgewiesen.
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3. Auf die Widerklage hin wird die Klägerin verurteilt, an die Beklagte 29.208,67 EUR nebst Zinsen in Höhe von 8 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz per anno seit Zustellung der Widerlage zu bezahlen.
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Dem gegenüber begehrt die Klägerin
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die Zurückweisung der Berufung
sowie für das Betragsverfahren die Zurückverweisung an die erste Instanz.
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Sie ist der Auffassung, die Abweisung der Widerklage sei rechtskräftig, da den Berufungsanträgen in der Berufungsschrift vom 17.09.2013 zu entnehmen sei, dass die Beklagte ihre Widerklage nicht mehr weiterverfolge.
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Die vom Landgericht vorgenommene Vertragsauslegung sei nicht zu beanstanden. Aus den Vertragsunterlagen gehe eindeutig hervor, dass die Beklagte die erforderliche Werkplanung, Werkstattzeichnung und Statik für die Fassadenkonstruktion schulde. Dies sei auch üblich für diese Ausschreibungsart und dieses Gewerk. Insoweit der Sachverständige die Leistungsbeschreibung auf Grundlage der VOB/A untersucht habe, sei dies der falsche Ansatz, da die Leistungsbeschreibung eindeutig sei und mithin keiner Auslegung bedürfe.
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Die Klägerin habe der Beklagten unmittelbar nach Auftragserteilung am 24. bzw. 25.05.2007 die gesamte Ausführungsplanung übermittelt und zudem noch die Werkstattzeichnungen der Vorgänger-Firma. Völlig unzutreffenderweise habe die Beklagte behauptet, die Ausführungsplanung sei nicht vollständig. Die von der Beklagten nachgeforderten Detailplanungen seien sämtlich von ihr geschuldete Leistungen.
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Die Beklagte sei sich ihrer Planungsverpflichtungen sehr wohl bewusst gewesen sei, habe vordergründig jedoch Behinderungsanzeigen und Mehrkostenanmeldungen vorgeschoben, weil sie den planerischen Aufgaben nicht gewachsen gewesen sei.
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Es habe ein Pingpong-Spiel wegen der Bedenkenanmeldung hinsichtlich der Art der einzubauenden Fenster gegeben (Anl. K 33, 34, 35, 36 bis 37). Obwohl auf der vertraglich vereinbarten Ausführung in Holz/Aluminium bestanden worden sei, habe die Beklagte Werkstattzeichnungen für Fenster aus reinem Aluminium vorgelegt und diese erst nach mehreren Fristsetzungen geändert.
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Die Werkstattzeichnungen der Beklagten seien zum Teil nicht prüfbar gewesen (Anl. K 39 bis K 46). Auch der von der Klägerin hinzugezogene Sachverständige habe gravierende Mängel in der Planung der Beklagten erkannt (Anl. K 53). Überarbeitete Pläne seien erst verspätet, allerdings auch wiederum mangelbehaftet, vorgelegt worden.
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Wegen des weiteren Vorbringens der Parteien wird auf die gewechselten Schriftsätze und das Verhandlungsprotokoll vom 08.04.2014 verwiesen.
II.
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1. Die Beklagte hat mit ihrer Berufung das erstinstanzliche Urteil vollumfänglich zur Überprüfung gestellt, auch insoweit die Widerklage abgewiesen wurde.
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Zwar zielt der Antrag im Berufungsschriftsatz vom 17.09.13 (Bl. 2387) allein darauf ab, die Klage abzuweisen, ohne dass zur Widerklage ein Antrag gestellt wird. Allerdings geht die Berufungsbegründung im selben Schriftsatz (Bl. 2451ff.) auch auf die Berechtigung der mit der Widerklage geltend gemachten Werklohnforderung ein. Ausführlich setzt sich die Beklagte dort mit „Ziff. III S. 15“ des erstinstanzlichen Urteils auseinander; diese Bezugnahme auf den konkreten Teil des angefochtenen Urteils, der sich mit der Abweisung der Widerklage befasst, macht deutlich, dass die Beklagte auch die Abweisung der Widerklage angreifen will. Dies zeigt unmissverständlich auch der Schlusssatz der Berufungsbegründung: „… ist der Forderungsanspruch aus der Widerklage weiterhin begründet.“ Schließlich deutet auch der Kostenantrag darauf hin, dass das erstinstanzliche Urteil vollumfänglich angefochten werden soll: Die Beklagte begehrt, die Verfahrenskosten der Klägerin aufzuerlegen. Hätte sie die Abweisung der Widerklage hinnehmen wollen, wäre konsequenterweise eine Kostenquotelung für die erste Instanz zu beantragen gewesen.
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Bei sachgerechter Auslegung des Schriftsatzes vom 17.09.13 ist die Berufung im Ergebnis dahingehend aufzufassen, dass die Beklagte das erstinstanzliche Urteil vollumfänglich überprüft wissen will. Dem entsprechend stellt sich die in der mündlichen Verhandlung vom 08.04.2014 geänderte Antragstellung, welche auch die Widerklage umfasst, lediglich als Klarstellung einer von Anfang an vollumfänglich eingelegten Berufung dar.
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2. Das kombinierte Teil- und Grundurteil ist im vorliegenden Fall zulässig gemäß §§ 301, 304 ZPO. Es besteht insbesondere die Wahrscheinlichkeit, dass der dem Grunde nach festgestellte Anspruch sich der Höhe nach nicht auf Null beläuft (BGH NJW-RR 07, 1008). Auch die Gefahr widersprüchlicher Entscheidungen zwischen Teil- und Schlussurteil liegt nicht vor.
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3. Die VOB/B wurde vorliegend in der ab 01.11.2006 geltenden Fassung wirksam in den Vertrag zwischen den Parteien einbezogen. Die Möglichkeiten des Auftraggebers zur Entziehung des Auftrags richten sich nach § 8 Ziff. 3 VOB/B. Eine Auftragsentziehung setzt in jedem Fall ein vertragswidriges Verhalten des Auftragnehmers voraus. Hierbei kommt etwa ein Verstoß gegen § 4 Nr. 7 VOB/B in Betracht, wenn der Auftragnehmer schon während der Vertragsausführung erkannte Mängel trotz Fristsetzung nicht beseitigt.
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Darüber hinaus ist eine außerordentliche Kündigung möglich, wenn schwere Vertragsverletzungen das Vertrauen des Auftraggebers so nachhaltig verletzen, dass ein weiteres Festhalten am Vertrag nach Treu und Glauben nicht mehr zumutbar erscheint (BGH BauR 93, 469).
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Die Klägerin begründete ihre Auftragsentziehung vom 09.10.2007 (Bl. 287 d.A.) mit einer Vielzahl von Einzelvorwürfen, nämlich nicht freigabefähige Pläne, unvollständige Pläne der Westfassade, fehlerhafte Pläne der Oberlicht-Sheds, die Vielzahl unberechtigter Bedenken- und Behinderungsanzeigen, mangelnde Reaktion auf ein Gesprächsangebot, aus denen sich in der Gesamtschau die Unzumutbarkeit der weiteren Zusammenarbeit ergebe.
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4. Zur Feststellung, ob die Beklagte wie von der Klägerin in der Auftragsentziehung im Einzelnen behauptet, ihren vertraglichen Verpflichtungen nicht nachgekommen ist, ist zunächst der zwischen den Parteien zentrale Streitpunkt zu entscheiden, in welchem Umfang die Beklagte vertraglich Planungsleistungen übernommen hat.
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Bei der Auslegung des von der Beklagten geschuldeten Leistungsumfangs ist auf den Empfängerhorizont der potentiellen Bieter abzustellen. Damit kommt dem Wortlaut der Ausschreibung besondere Bedeutung zu. Daneben sind die konkreten Verhältnisse des Bauwerks zu berücksichtigen. Was sich dagegen nicht im Wortlaut niederschlägt, kann nur dann in die Auslegung mit einbezogen werden, wenn alle potentiellen Bieter dies so verstanden haben müssten.
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Bei öffentlichen Auftraggebern wirken sich die zwingend zu beachtenden Vorschriften der VOB/A dahingehend aus, dass eine VOB/A-konforme Auslegung vorzunehmen ist. Dies bedeutet, dass in Zweifelsfällen der Auslegungsvariante der Vorzug zu geben ist, die der VOB/A entspricht. Bei Abweichungen von den Vorgaben der VOB/A verhält sich ein öffentlicher Auftraggeber pflichtwidrig. Widersprüche und Unklarheiten des Leistungsverzeichnisses gehen deshalb zu seinen Lasten. Ist der Vertragstext dagegen eindeutig, kann auch eine gegen die Regeln der VOB/A verstoßende Leistungspflicht wirksamer Vertragsinhalt werden (BGHZ 124, 64, sog. Wasserhaltung II).
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Nach § 9 Nr. 1 VOB/A trifft den Ausschreibenden die Verpflichtung, die Leistung eindeutig und erschöpfend zu beschreiben, so dass die Bewerber ihre Preise sicher und ohne umfangreiche Vorarbeiten berechnen können. Unzulässige umfangreiche Vorarbeiten liegen z. B. dann vor, wenn der Bewerber Pläne erstellen muss, um sein Angebot zu kalkulieren.
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In § 9 Nr. 2 VOB/A ist das Verbot des ungewöhnlichen Wagnisses ausgesprochen. Dem Auftragnehmer darf kein ungewöhnliches Wagnis aufgebürdet werden. Bei Wagnissen aus der technischen Ausführung kann analog zu §§ 3 und 4 VOB/B festgestellt werden, dass der Planungsbereich grundsätzlich Sache des Auftraggebers ist, die technische Ausführung jedoch dem Auftragnehmer obliegt (Heiermann/Riedl/Rusam, Handkommentar zur VOB, 11. Aufl., § 9 Rn 19).
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Unter Beachtung dieser Vorgaben kann der vorliegende Ausschreibungstext weder in dem vom Landgericht verstandenen Sinne - alle bei Vertragsschluss noch ausstehenden Planungsleistungen obliegen der Beklagten - noch in der Weise, wie die Beklagte den Vertrag auffasst - alle Planungsleistungen obliegen der Klägerin - ausgelegt werden. Vielmehr hatten Planungsleistungen nach den vertraglichen Vorgaben sowohl von der Kläger- als auch von der Beklagtenseite zu erfolgen.
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a) Zur Statik:
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Der Auftragnehmer hat an verschiedenen Stellen des Vertrags die Erbringung statischer Nachweise übernommen, z. B. bei der Stahldimensionierung (Ziff. 1 des Auftrags, Bl. 253 Rückseite) und den Ankermitteln (Pos. 02 des Auftrags, Bl. 258). Einige technische Details sind vom Auftraggeber nicht vorgegeben, sondern in das Belieben des Auftragnehmers gestellt worden, wobei diesem jeweils aufgegeben wurde, bei der von ihm zu treffenden Auswahl die statischen Erfordernisse zu beachten. Dies betrifft z. B. die Tiefe der Pfosten-Riegel-Konstruktion (Pos. 02 des Auftrags, Bl. 258), die Querschnitte der Holztragkonstruktion (Bl. 259) und die Glasdicken (Bl. 261 Rückseite). Auch die Erarbeitung der Anschlussdetails wurde vom Auftragnehmer übernommen (Bl. 259).
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Darüber hinaus ist im Ausschreibungstext unter dem Stichwort „Ausführungszeichnungen“ (Bl. 258 Rückseite) ausdrücklich darauf hingewiesen, dass die konstruktive Detaillierung der Verglasungen alleinige Aufgabe des Auftragnehmers sei. Der Auftragnehmer habe „Ausführungs- und Werkstattzeichnungen, sowie Statik auf Grundlage der Vorliegenden Statik und Planung anzufertigen“.
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Dies verdeutlicht, dass statische Leistungen sowohl vom Auftragnehmer, als auch vom Auftraggeber zu erbringen sind. Der Auftragnehmer hat seine Statik aufbauend auf der ihm von Auftraggeberseite vorzulegenden Statik zu anzufertigen. Nicht eindeutig geklärt ist im Ausschreibungstext jedoch die Grenzziehung zwischen der dem Auftragnehmer und der dem Auftraggeber obliegenden Vertragspflichten im Hinblick auf die Statik.
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Da das Gebäude bereits im Bau befindlich war, als die Ausschreibung erfolgte (zunächst waren die Fassadenarbeiten einer Fa. übertragen worden, der die Klägerin ebenfalls den Auftrag entzogen hatte), musste der verständige Bieter davon ausgehen, dass die Statik insoweit bereits erbracht war, als es diesem Baustand entsprach. Das bedeutet, dass die bis einschließlich der Genehmigungsplanung (Leistungsphase 4 aus § 64 HOAI) erforderliche Statik bereits vorliegen musste.
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In diesem Zusammenhang ist darauf zu verweisen, dass der Ausschreibungsumfang auch Demontagearbeiten von Fassadenteilen erfasst (Bl. 256ff). Dabei handelt es sich um die vom Vorgängerunternehmen erbrachten Teilleistungen. Nachdem hier bereits Fassadenteile aufgebaut worden waren, muss an sich auch die Ausführungsstatik in Bezug auf diese Teile bereits erbracht worden sein. Da die Klägerin allerdings den kompletten Rückbau dieser Teile anordnete, war für den verständigen Bieter offensichtlich, dass diese Teile nicht als tauglich erachtet worden waren, so dass er nicht davon ausgehen konnte, hier ggf. vorliegende planerische Vorgaben eins zu eins übernehmen zu können. Vielmehr sollte das Werk insofern von Neuem begonnen werden. Dies kann auch aus der Leistungsposition 02.660 „Minderpreis für wiederverwendete Scheiben“ geschlossen werden. Zwar durfte die Beklagte die von der Vorgängerfirma noch vorhandenen Schreiben verwerten, allerdings wurde sie damit nicht von ihrer Verantwortung insbesondere auch für die Statik befreit. Der Ausschreibungstext sieht vielmehr ausdrücklich vor, dass der „Scheibenauf“ - gemeint ist der Scheibenaufbau - vorab vom Auftragnehmer zu prüfen sei.
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Das Verständnis der Klägerin, wonach mit der von ihr vorzulegenden Statik die Gebäudestatik gemeint sei, die Beklagte aber die Fassadenstatik vollständig alleine zu erbringen habe, ist eine vom Wortlaut her zwar mögliche, keinesfalls aber die einzig zwingende Auslegung. Der Vertragstext lässt mangels näherer Beschreibung offen, was die von Klägerseite zu erbringende Statik beinhalten soll. Aufgrund der oben näher dargestellten VOB/A-konformen Auslegung ist davon auszugehen, dass die der Beklagten auferlegten Leistungen im Leistungsverzeichnis vollständig beschrieben sind, sie mithin nicht mehr schuldet, als im Detail explizit ausgeführt. Auch würde die Übertragung der kompletten Fassadenstatik auf das ausführende Unternehmen sich als ungewöhnliches Wagnis darstellen, weil der Unternehmer seine Leistung erst nach Vorliegen der Statik kalkulieren kann und die Erbringung der kompletten Statik durch den Werkunternehmer in diesem Bereich auch nicht üblich ist (vgl. Sachverständiger in seinem Gutachten vom 30.05.12 (Bl. 2172)).
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Die Beklagte schuldet daher nur die statischen Leistungen, die ihr im Einzelnen im Leistungsverzeichnis ausdrücklich auferlegt wurden, sprich die oben im Einzelnen genannten Details wie etwa die Festlegung der Glasdicke.
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b) Zur Ausführungsplanung (§ 15 Leistungsphase 5 HOAI)
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Im Hinblick auf die während der Ausführungsplanung geschuldeten Unterlagen ist zunächst darauf hinzuweisen, dass die Klägerin unstreitig der Ausschreibung acht im Einzelnen benannte Ausführungspläne beifügte (Bl. 252). Insoweit war die Ausführungsplanung teilweise, unstreitig aber nicht vollständig bereits erbracht.
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Der Umstand, dass die Klägerin im Nachhinein - ebenfalls unstreitig - noch weitere Ausführungspläne übersandte, kann bei der Auslegung des Vertrags nicht herangezogen werden. Zwar mag dies Rückschlüsse darauf zulassen, wie die Klägerin selbst ihre Leistungspflichten auffasste. Allerdings dürfen wie oben dargelegt bei einer öffentlichen Ausschreibung nur Elemente in die Auslegung mit einbezogen werden, die für alle potentiellen Bieter bei der Ausschreibung gleichermaßen erkennbar waren. Umstände, welche sich erst zeitlich nach der Zuschlagserteilung ergaben, sind damit nicht berücksichtigungsfähig.
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Die Ausführungsplanung umfasst nach der Definition in § 15 HOAI Ausführungs-, Detail- und Konstruktionszeichnungen im Maßstab 1: 50 bis 1:1. Nach dem Ausschreibungstext unter „Ausführungszeichnungen“ sind vom Auftragnehmer „Ausführungs- und Werkstattzeichnungen“ anzufertigen, wobei der Maßstab 1 : 1 vorgegeben ist.
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Wegen der gebotenen VOB/A-konformen Auslegung durfte die Beklagte als Bieter davon ausgehen, dass ihre diesbezüglichen Leistungen damit vollständig beschrieben sind. Wenn ausdrücklich Pläne im Maßstab 1 : 1 angeführt sind, sind verbleibende Unklarheiten mit Blick auf Pläne größeren Maßstabs zu Lasten des Ausschreibenden zu klären. Die Beklagte schuldete die Ausführungsplanung mithin insoweit, als 1 : 1 - Pläne von ihr zu erstellen waren.
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Nichts anderes ergibt sich aus dem Umstand, dass dem Beklagten die „Projektierung“ übertragen wurde. Dieser Begriff ist - wie die Ausführungen des Sachverständigen in der mündlichen Verhandlung vom 25.04.2013 (Bl. 2340ff) zeigen - nicht eindeutig definiert. Er kann sowohl beschränkt auf die nähere Ausgestaltung der Herstellung als auch im Sinne einer umfassenden Planung verstanden werden. Letzteres ist allerdings eher bei anderen Gewerken als dem streitgegenständlichen, z. B. im Heizungsbau, der Fall. Für den hier zur Entscheidung anstehenden Sachverhalt trägt der Begriff der Projektierung nicht zur Erhellung der dem Auftragnehmer im Einzelnen obliegenden Planungsverpflichtungen bei.
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Zur Abgrenzung der Aufgabenbereiche ist abschließend festzustellen, dass die Klägerin die Ausführungsplanung übernommen hat, insoweit diese nicht in Einzelpunkten explizit auf die Beklagte übertragen wurde. Dies betrifft die auf der von der Klägerin zu liefernden Ausführungsplanung aufbauenden Werkstattzeichnungen im Maßstab 1 : 1.
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Die Auslegung des Landgerichts, wonach die Beklagte nicht hätte erwarten dürfen, dass ihr mehr geliefert werde als die bereits dem Leistungsverzeichnis beigefügten acht Pläne, berücksichtigt nicht in genügender Weise die vergabespezifischen Besonderheiten bei der Auslegung. Insoweit die Aufgabenbereiche in der Ausschreibung nicht eindeutig abgegrenzt wurden, geht dies zu Lasten der Klägerin.
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5. Eine AGB-rechtliche Unwirksamkeit der Vertragsteile, die der Beklagten die Erbringung statischer oder planerischer Leistungen abverlangt, liegt nicht vor.
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Zutreffend verweist das Landgericht hier darauf, dass es sich um der Inhaltskontrolle entzogene, reine Leistungsbeschreibungen handelt. Reine Leistungbeschreibung ist der enge deskriptive Teil der Leistungsbeschreibung, mit dem Art, Umfang und Güte der geschuldeten Leistung festgelegt wird. Bestellt der Auftraggeber wie hier Fassadenelemente, bei denen er gewisse Größen offen lässt, die der Auftragnehmer nach eigenem Gutdünken unter Berücksichtigung statischer Erfordernisse ausfüllen kann, wird nicht mehr als das vertragliche Bausoll beschrieben. Dasselbe gilt, wenn einzelne Leistungspositionen neben dem einzubauenden Werkstück auch die Vorlage einer statischen Berechnung für dieses Werkstück beinhalten.
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6. Zu den Gründen der Auftragsentziehung im Einzelnen ist Folgendes auszuführen:
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a) Leistungen, die schon während der Ausführung als mangelhaft erkannt werden, berechtigen zur Auftragsentziehung, wenn der Mangel nicht innerhalb einer angemessen gesetzten Frist mit Androhung des Auftragsentzugs beseitigt wird (§§ 8 Nr. 3, 4 Nr. 7 VOB/B). Dies trifft im hier vorliegenden Sachverhalt auf die Oberlichtsheds zu. Für diese Oberlichtsheds wurden verschiedentlich Werkstattzeichnungen angefordert. Die Beklagte legte allerdings Zeichnungen vor, welche mit den optischen Vorgaben des Leistungsverzeichnisses nicht in Einklang standen (mündliche Anhörung des Sachverständigen vom 25.04.2013, Bl. 2342): Der untere Riegel wurde mit 120 mm anstelle der im Leistungsverzeichnis (dort S. 26, Bl. 214) vorgegebenen 60 mm beplant. Dies hatte die Klägerin u. a. mit Schreiben vom 28.09.2007 (Anl. K 58, Bl. 476) unter Fristsetzung und Androhung des Auftragsentzugs gerügt.
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Die am 09.10.2007 erfolgte Auftragsentziehung stützte sich u. a. auch hierauf. Die Klägerin war nach §§ 8 Nr. 3, 4 Nr. 7 VOB/B allein schon wegen des nicht beseitigten Mangels bei der planerischen Darstellung der Oberlichtsheds zur Auftragsentziehung befugt. Insoweit die Beklagte allgemein darauf verweist, sie habe wegen mangelnder Vorleistungen der Klägerin ihre planerischen Aufgaben nicht erfüllen können, kann dies für die fehlende Einhaltung der vertraglichen Vorgaben für den unteren Riegel der Oberlichtsheds nicht zutreffen. Da die Beklagte offensichtlich in der Lage war, diese Sheds mit einem 120mm starken Riegel zu beplanen, ist nicht ersichtlich, inwiefern sie dies nicht in gleicher Weise auch mit dem geschuldeten 60mm starken Riegel hätte tun können. Der Einwand mangelnder Vorleistungen der Klägerseite kann sich daher nicht auf die Riegel der Oberlichtsheds beziehen.
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b) Keinen zulässigen Grund für eine Auftragsentziehung stellt dagegen das Material der Fenster dar. Die Klägerin trägt insofern selbst vor, dass die Beklagte letztlich die gewünschten Werkstattzeichnungen für Aluminium-/Holzfenster (anstelle der zuvor vorgelegten reinen Aluminiumfenster) erbracht habe. Zum Zeitpunkt des Auftragsentzugs war dieser Mangel mithin behoben. Dieser Umstand kann für sich genommen daher keine Auftragsentziehung rechtfertigen, sondern allenfalls in die Gesamtwürdigung bei einer auf Unzumutbarkeit gestützten Kündigung einbezogen werden.
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c) Die klagseitige Kündigung ist auch wegen der Unzumutbarkeit der Vertragsfortsetzung berechtigt. Eine die außerordentliche Kündigung rechtfertigende Unzumutbarkeit der weiteren Zusammenarbeit kann beispielsweise gegeben sein, wenn das Werk des Unternehmers mit derart gravierenden Mängeln behaftet ist, dass das Vertrauen in seine Fachkunde erschüttert ist (BGH NJW 75, 825). Ebenso kann eine Kündigung in Betracht kommen, wenn der Auftragnehmer erklärt, sich nicht an vertragliche Leistungspflichten halten zu wollen (OLG Celle BauR 05, 1336) oder wenn trotz Abmahnung immer wieder gegen Vertragspflichten verstoßen wird (BGH BauR 96, 704).
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Ein derartiger, zur Unzumutbarkeit führender Umstand liegt im vorliegenden Sachverhalt wie vom Landgericht festgestellt darin begründet, dass die Beklagte auch auf vielfache Aufforderungen der Klägerin nicht bereit war, den von ihr vertraglich übernommenen Planungsverpflichtungen nachzukommen. Nach den Ausführungen des Sachverständigen in seinem schriftlichen Gutachten vom 30.05.12 (Bl. 2172, S. 13) sind die von der Klägerin übermittelten Ausführungspläne zum Teil unvollständig, weil darin Angaben zu den Profiltiefen der Fassade und zu den Verglasungsaufbauten nicht enthalten sind. Auch fehlen Informationen zu Bauanschlüssen. Bei diesen Unvollständigkeiten handelt es sich sämtlich um Planungsdetails, deren Erbringung der Auftragnehmer im Vertrag übernommen hatte, deren Ausarbeitung die Klägerin damit zu Recht von der Beklagten erwarten durfte.
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Tatsächlich gibt es in diesem Bereich eine Vielzahl von unberechtigten Mehrkostenanmeldungen bzw. Bedenkenhinweisen der Beklagten, die sich auf die von der Beklagten übernommene Detailplanung für die Fassadenprofile, Verbindungen und Glasscheiben bezogen (z. B. vom 22.06.2007, Anl. K 10, Bl. 290 d. A., ebenfalls vom 22.06.2007, Anl. K 11, Bl. 291 d. A., vom 02.07.2007, Anl. K 14, Bl. 296 d. A., vom 09.07.2007, Anl. K 17, Bl. 305f, wegen der weiteren Schreiben darf auf die umfängliche Aufzählung im unstreitigen Tatbestand auf S. 6 des landgerichtlichen Urteils verwiesen werden). Die Beklagte forderte von der Klägerin Leistungen ab, die sie nach den vertraglichen Vorgaben selbst hätte erbringen müssen. Dabei rückte die Beklagte auch nach mehrfachen Hinweisen der Klägerin auf den Vertragstext nicht von ihrer insoweit unzutreffenden Auffassung ab und verlangte diese Leistungen weiterhin mit Nachdruck von der Klägerin.
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Da trotz des umfangreichen, lange währenden Schriftverkehrs zwischen den Parteien sich keine Bereitschaft der Beklagten abzeichnete, die Detailplanung in dem von ihr übernommenen Umfang zu erbringen, durfte die Klägerin zur Kündigung greifen. Einer weiteren Abmahnung bedurfte es angesichts der mehrfachen, dezidiert erklärten Weigerung der Beklagten nicht.
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d) Ob sich die Parteien tatsächlich wie die Klägerin vorträgt auf eine durchgängige Bearbeitung der Fassade geeinigt haben, kann, da der Auftragsentzug schon aus anderen Gründen gerechtfertigt ist, dahingestellt bleiben. Insofern bedurfte es auch der Zeugeneinvernahme, mit der die Klägerin diese Absprache nachweisen will, nicht.
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7. Als Rechtsfolge der berechtigten Auftragsentziehung gemäß § 8 Ziff. 3 Abs. 2 S. 1 VOB/B darf der Auftraggeber das Werk auf Kosten des Auftragnehmers durch einen Dritten fertigstellen lassen. Dass „Dritter“ hier der frühere Auftragnehmer selbst ist, der im Rahmen einer Neuvergabe abermals zum Zuge kam, kann an der Berechtigung dieses verschuldensunabhängigen Aufwendungsersatzanspruchs nichts ändern. Der Klägerin sind als Auftraggeberin die Mehrkosten zu erstatten, die durch die erneute Vergabe der Arbeiten entstanden sind. Dabei sind die Kosten, die bei Ausführung des gekündigten Vertragsverhältnisses entstanden wären, zu vergleichen mit denjenigen, die durch die nach Kündigung erfolgte Beauftragung des Dritten entstanden sind. Nachdem insbesondere die Vergleichbarkeit der Leistungsinhalte der beiden Vertragsverhältnisse zwischen den Parteien umstritten ist, kann eine abschließende Entscheidung zur Höhe der der Klägerin zustehenden Ansprüche noch nicht vorgenommen worden. Das Landgericht hat daher unter Beachtung der Voraussetzungen aus § 304 ZPO zu Recht die Haftung der Beklagten für die Fertigstellungskosten lediglich dem Grunde nach festgestellt.
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8. Bei dem weiter geltend gemachten Verzögerungsschaden handelt es sich dagegen um einen verschuldensabhängigen Schadensersatzanspruch. Nach der ausdrücklichen Bestimmung in § 8 Ziff. 3 Abs. 2 S. 1 VOB/B a. E. ist der Auftraggeber nicht gehindert, über den Aufwendungsersatzanspruch hinaus weitergehende Schäden geltend zu machen. Vor Kündigung bereits entstandene Schadensersatzansprüche bleiben damit auch nach der Kündigung aufrechterhalten. Die Beklagte haftet gemäß § 6 Ziff. 6 VOB/B dem Grunde nach auf den Schaden, der der Klägerin durch die verzögerte Bauausführung entstanden ist.
73 
Unstreitig ist zwischen den Parteien, dass das Werk verspätet fertig gestellt wurde; im Streit steht dagegen, wer hierfür die Verantwortung trägt. Nachdem die Klägerin wie oben dargestellt berechtigterweise den Auftrag entziehen durfte, ist die infolge der Neuvergabe eingetretene Verspätung durch die Beklagte zu vertreten.
74 
Ob auch die Klägerin an einer Verzögerung mitgewirkt hat, indem von ihr geschuldete planerische Vorgaben fehlten (z. B. im Rahmen der Statik), so dass eine Reduktion des Anspruchs wegen Mitverschuldens nach § 254 BGB in Betracht käme, kann beim derzeitigen Sach- und Streitstand nicht abschließend entschieden werden. Im Hinblick auf die Statik steht unstreitig fest, dass die Klägerin keine Statik für die Fassade zur Verfügung gestellt hat, weil sie sich hierzu nicht verpflichtet sah. Inwiefern dieser Umstand zu einer Verzögerung des Bauvorhabens beigetragen hat, kann der Senat nicht ohne weitere Sachaufklärung entscheiden.
75 
Trotz des ungeklärten Mitverschuldenseinwands ist der Erlass des Grundurteils gemäß § 304 ZPO zulässig. In einem Grundurteil kann von einer Entscheidung über das Mitverschulden abgesehen werden, sofern feststeht, dass dieses nicht zu einem vollständigen Haftungsausschluss führt, also dem Geschädigten in jedem Falle ein Anspruch verbleibt. Die Klärung des Mitverschuldens des Geschädigten kann damit dem Betragsverfahren überlassen werden (BGHZ 76, 400). Allerdings muss dies im Urteilstenor, zumindest aber in den Urteilsgründen kenntlich gemacht werden, damit der Umfang der Rechtskraft des Grundurteils nicht in Frage steht (Zöller, ZPO, 30. Aufl., § 304, Rn. 8). Dem entsprechend wurde der Tenor des erstinstanzlichen Urteils um den Vorbehalt des Mitverschuldens ergänzt. Da Verzögerungsschäden sowohl im Leistungsbegehren (Klagantrag Ziffer 1) als auch im Feststellungbegehren (Klagantrag Ziffer 2) enthalten sind, war der Vorbehalt an beiden Stellen auszusprechen.
76 
10. Die Abweisung der mit der Widerklage geltend gemachten Werklohnansprüche erfolgte zu Recht. Die Widerklage - 29.208,67 EUR - (Bl. 961, Begründung ab Bl. 1255) setzt sich im Wesentlichen aus dem Zeitaufwand zusammen, den die Mitarbeiter der Beklagten bis zum Auftragsentzug erbracht hatten.
77 
Der Auftragnehmer, dessen Auftrag nach § 8 Nr. 3 VOB/B entzogen wurde, kann den Anteil der vereinbarten Vergütung verlangen, der seinen bisherigen Leistungen entspricht. Die Leistungen der Beklagten erschöpften sich in der Lieferung von Werkstattzeichnungen u. ä. Bauliches wurde unstreitig noch nicht geleistet. Inwiefern diese von der Klägerin als nicht prüffähig bemängelten Pläne für sich genommen einen Wert haben, kann dahingestellt bleiben. Denn die seitens der Beklagten zur Begründung der Widerklage vorgenommene Abrechnung nach angefallenem Zeitaufwand ist nicht geeignet, einen Werklohnanspruch schlüssig darzutun. Die Parteien hatten keinen Stundenlohnvertrag geschlossen, sondern einen Einheitspreisvertrag. Die Beklagte hätte daher darlegen müssen, wie sich der Einheitspreis für die einzelnen Fensterelemente zusammensetzt, um die darin enthaltene, planerische Vorarbeit herauszurechnen.
III.
78 
Aufgrund des gestellten Zurückverweisungsantrags war gemäß § 538 Abs. 2 Nr. 4 ZPO der Rechtsstreit für die weitere Entscheidung des Betragsverfahrens an das Landgericht zurückzuverweisen.
79 
Die Entscheidung über die Kosten des Berufungsverfahrens bleibt dem Schlussurteil vorbehalten. Eine Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit war nicht veranlasst.
80 
Die Revision war nicht zuzulassen, da die hierfür einschlägigen Voraussetzungen gemäß § 543 ZPO nicht vorlagen.

Urteilsbesprechung zu Oberlandesgericht Stuttgart Urteil, 06. Mai 2014 - 10 U 95/13

Urteilsbesprechungen zu Oberlandesgericht Stuttgart Urteil, 06. Mai 2014 - 10 U 95/13

Referenzen - Gesetze

Zivilprozessordnung - ZPO | § 543 Zulassungsrevision


(1) Die Revision findet nur statt, wenn sie1.das Berufungsgericht in dem Urteil oder2.das Revisionsgericht auf Beschwerde gegen die Nichtzulassungzugelassen hat. (2) Die Revision ist zuzulassen, wenn1.die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat

Bürgerliches Gesetzbuch - BGB | § 254 Mitverschulden


(1) Hat bei der Entstehung des Schadens ein Verschulden des Beschädigten mitgewirkt, so hängt die Verpflichtung zum Ersatz sowie der Umfang des zu leistenden Ersatzes von den Umständen, insbesondere davon ab, inwieweit der Schaden vorwiegend von dem

Bürgerliches Gesetzbuch - BGB | § 305 Einbeziehung Allgemeiner Geschäftsbedingungen in den Vertrag


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Zivilprozessordnung - ZPO | § 538 Zurückverweisung


(1) Das Berufungsgericht hat die notwendigen Beweise zu erheben und in der Sache selbst zu entscheiden. (2) Das Berufungsgericht darf die Sache, soweit ihre weitere Verhandlung erforderlich ist, unter Aufhebung des Urteils und des Verfahrens an d
Oberlandesgericht Stuttgart Urteil, 06. Mai 2014 - 10 U 95/13 zitiert 9 §§.

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(1) Die Revision findet nur statt, wenn sie1.das Berufungsgericht in dem Urteil oder2.das Revisionsgericht auf Beschwerde gegen die Nichtzulassungzugelassen hat. (2) Die Revision ist zuzulassen, wenn1.die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat

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Zivilprozessordnung - ZPO | § 301 Teilurteil


(1) Ist von mehreren in einer Klage geltend gemachten Ansprüchen nur der eine oder ist nur ein Teil eines Anspruchs oder bei erhobener Widerklage nur die Klage oder die Widerklage zur Endentscheidung reif, so hat das Gericht sie durch Endurteil (Teil

Verordnung über die Honorare für Architekten- und Ingenieurleistungen


Honorarordnung für Architekten und Ingenieure - HOAI

Zivilprozessordnung - ZPO | § 304 Zwischenurteil über den Grund


(1) Ist ein Anspruch nach Grund und Betrag streitig, so kann das Gericht über den Grund vorab entscheiden. (2) Das Urteil ist in Betreff der Rechtsmittel als Endurteil anzusehen; das Gericht kann jedoch, wenn der Anspruch für begründet erklärt is

Honorarordnung für Architekten und Ingenieure - HOAI 2013 | § 15 Fälligkeit des Honorars, Abschlagszahlungen


Für die Fälligkeit der Honorare für die von dieser Verordnung erfassten Leistungen gilt § 650g Absatz 4 des Bürgerlichen Gesetzbuchs entsprechend. Für das Recht, Abschlagszahlungen zu verlangen, gilt § 632a des Bürgerlichen Gesetzbuchs entsprechend.

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Oberlandesgericht Stuttgart Urteil, 03. März 2015 - 10 U 62/14

bei uns veröffentlicht am 03.03.2015

Tenor 1. Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Landgerichts Tübingen vom 16. Mai 2014, Az.: 7 O 429/08, teilweise abgeändert und wie folgt neu gefasst: a. Die Klage wird abgewiesen. b. Auf di

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(1) Ist von mehreren in einer Klage geltend gemachten Ansprüchen nur der eine oder ist nur ein Teil eines Anspruchs oder bei erhobener Widerklage nur die Klage oder die Widerklage zur Endentscheidung reif, so hat das Gericht sie durch Endurteil (Teilurteil) zu erlassen. Über einen Teil eines einheitlichen Anspruchs, der nach Grund und Höhe streitig ist, kann durch Teilurteil nur entschieden werden, wenn zugleich ein Grundurteil über den restlichen Teil des Anspruchs ergeht.

(2) Der Erlass eines Teilurteils kann unterbleiben, wenn es das Gericht nach Lage der Sache nicht für angemessen erachtet.

(1) Ist ein Anspruch nach Grund und Betrag streitig, so kann das Gericht über den Grund vorab entscheiden.

(2) Das Urteil ist in Betreff der Rechtsmittel als Endurteil anzusehen; das Gericht kann jedoch, wenn der Anspruch für begründet erklärt ist, auf Antrag anordnen, dass über den Betrag zu verhandeln sei.

Für die Fälligkeit der Honorare für die von dieser Verordnung erfassten Leistungen gilt § 650g Absatz 4 des Bürgerlichen Gesetzbuchs entsprechend. Für das Recht, Abschlagszahlungen zu verlangen, gilt § 632a des Bürgerlichen Gesetzbuchs entsprechend.

(1) Ist ein Anspruch nach Grund und Betrag streitig, so kann das Gericht über den Grund vorab entscheiden.

(2) Das Urteil ist in Betreff der Rechtsmittel als Endurteil anzusehen; das Gericht kann jedoch, wenn der Anspruch für begründet erklärt ist, auf Antrag anordnen, dass über den Betrag zu verhandeln sei.

(1) Hat bei der Entstehung des Schadens ein Verschulden des Beschädigten mitgewirkt, so hängt die Verpflichtung zum Ersatz sowie der Umfang des zu leistenden Ersatzes von den Umständen, insbesondere davon ab, inwieweit der Schaden vorwiegend von dem einen oder dem anderen Teil verursacht worden ist.

(2) Dies gilt auch dann, wenn sich das Verschulden des Beschädigten darauf beschränkt, dass er unterlassen hat, den Schuldner auf die Gefahr eines ungewöhnlich hohen Schadens aufmerksam zu machen, die der Schuldner weder kannte noch kennen musste, oder dass er unterlassen hat, den Schaden abzuwenden oder zu mindern. Die Vorschrift des § 278 findet entsprechende Anwendung.

(1) Ist ein Anspruch nach Grund und Betrag streitig, so kann das Gericht über den Grund vorab entscheiden.

(2) Das Urteil ist in Betreff der Rechtsmittel als Endurteil anzusehen; das Gericht kann jedoch, wenn der Anspruch für begründet erklärt ist, auf Antrag anordnen, dass über den Betrag zu verhandeln sei.

(1) Das Berufungsgericht hat die notwendigen Beweise zu erheben und in der Sache selbst zu entscheiden.

(2) Das Berufungsgericht darf die Sache, soweit ihre weitere Verhandlung erforderlich ist, unter Aufhebung des Urteils und des Verfahrens an das Gericht des ersten Rechtszuges nur zurückverweisen,

1.
soweit das Verfahren im ersten Rechtszuge an einem wesentlichen Mangel leidet und auf Grund dieses Mangels eine umfangreiche oder aufwändige Beweisaufnahme notwendig ist,
2.
wenn durch das angefochtene Urteil ein Einspruch als unzulässig verworfen ist,
3.
wenn durch das angefochtene Urteil nur über die Zulässigkeit der Klage entschieden ist,
4.
wenn im Falle eines nach Grund und Betrag streitigen Anspruchs durch das angefochtene Urteil über den Grund des Anspruchs vorab entschieden oder die Klage abgewiesen ist, es sei denn, dass der Streit über den Betrag des Anspruchs zur Entscheidung reif ist,
5.
wenn das angefochtene Urteil im Urkunden- oder Wechselprozess unter Vorbehalt der Rechte erlassen ist,
6.
wenn das angefochtene Urteil ein Versäumnisurteil ist oder
7.
wenn das angefochtene Urteil ein entgegen den Voraussetzungen des § 301 erlassenes Teilurteil ist
und eine Partei die Zurückverweisung beantragt. Im Fall der Nummer 3 hat das Berufungsgericht sämtliche Rügen zu erledigen. Im Fall der Nummer 7 bedarf es eines Antrags nicht.

(1) Die Revision findet nur statt, wenn sie

1.
das Berufungsgericht in dem Urteil oder
2.
das Revisionsgericht auf Beschwerde gegen die Nichtzulassung
zugelassen hat.

(2) Die Revision ist zuzulassen, wenn

1.
die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat oder
2.
die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Revisionsgerichts erfordert.
Das Revisionsgericht ist an die Zulassung durch das Berufungsgericht gebunden.