Pfälzisches Oberlandesgericht Zweibrücken Beschluss, 23. Apr. 2018 - 1 Ws 328/16

ECLI:ECLI:DE:POLGZWE:2018:0423.1WS328.16.00
bei uns veröffentlicht am23.04.2018

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Tenor

1. Auf die sofortige Beschwerde des Verurteilten wird der Beschluss der Großen Strafvollstreckungskammer des Landgerichts Landau in der Pfalz vom 25. Oktober 2016 aufgehoben.

2. Die durch das Urteil der 1. Strafkammer - Jugendkammer - des Landgerichts Kaiserslautern vom 25. Mai 2004 angeordnete Unterbringung des Verurteilten in einem psychiatrischen Krankenhaus wird für erledigt erklärt.

3. Der nach Anrechnung der Zeit der Unterbringung verbleibende Rest der im vorgenannten Urteil verhängten Gesamtfreiheitsstrafe wird nach Vollstreckung von 2/3 der Strafe nicht zur Bewährung ausgesetzt.

4. Der Untergebrachte ist aus dem Vollzug der Maßregel zu entlassen und in die zuständige Justizvollzugsanstalt zu überstellen.

5. Die Dauer der kraft Gesetzes mit der Entlassung aus dem Vollzug der Unterbringung eintretenden Führungsaufsicht (§ 67d Abs. 5 S. 2 StGB) beträgt fünf Jahre. Für die Zeit der Führungsaufsicht wird der Verurteilte der Aufsicht und Leitung eines hauptamtlichen Bewährungshelfers unterstellt (§ 68a Abs. 1 Halbs. 2 StGB).

6. Der Verurteilte hat Weisungen und Ladungen, die von Seiten der Führungsaufsichtsstelle ergehen, Folge zu leisten.

7. Dem Verurteilten werden folgende Weisungen, soweit er sich in Freiheit befindet, erteilt:

a. Er hat nach Entlassung aus der Strafhaft seine Wohnanschrift unverzüglich der Führungsaufsichtsstelle mitzuteilen sowie jeden Wechsel des Wohnsitzes und/oder des Arbeitsplatzes der Führungsaufsichtsstelle binnen drei Tagen anzuzeigen (strafbewehrte Weisung nach § 68b Abs. 1 Nr. 8 StGB).

b. Er hat spätestens bis zum dritten Werktag nach der Entlassung aus der Strafhaft mit der Bewährungshilfe Kontakt aufzunehmen und sich mindestens einmal monatlich, jeweils in der ersten Woche des Monats, bei seinem Bewährungshelfer/seiner Bewährungshelferin zu melden (strafbewehrte Weisung nach § 68b Abs. 1 Nr. 7 StGB).

8. Die weitere Ausgestaltung der Führungsaufsicht bleibt der nach § 462a Abs. 1 StPO zuständigen Strafvollstreckungskammer vorbehalten.

9. Die Belehrung des Verurteilten über die Bedeutung der Führungsaufsicht und die Folgen eines Weisungsverstoßes wird der Leiterin der Unterbringungseinrichtung übertragen. Die Belehrung hat sich auch darauf zu erstrecken, dass es sich bei den Weisungen gemäß § 68b Abs. 1 StGB um solche Weisungen handelt, die gemäß § 145a StGB strafbewehrt sind.

10. Das weitergehende Rechtsmittel des Verurteilten wird verworfen.

11. Der Beschwerdeführer trägt die Kosten seines Rechtsmittels, allerdings wird die Gerichtsgebühr um 2/3 ermäßigt; in diesem Umfang trägt die Landeskasse auch die im Beschwerderechtszug angefallenen notwendigen Auslagen des Verurteilten.

Gründe

1

Die 1. Strafkammer - Große Jugendkammer - des Landgerichts Kaiserslautern hat den Beschwerdeführer mit Urteil vom 25. Mai 2004 des schweren sexuellen Missbrauchs von Kindern in elf Fällen sowie des sexuellen Missbrauchs von Kindern in vier Fällen schuldig gesprochen und gegen ihn eine Gesamtfreiheitsstrafe von fünf Jahren verhängt. Daneben hat sie die Unterbringung des Beschwerdeführers in einem psychiatrischen Krankenhaus angeordnet. Die Maßregel wurde vom 20. Oktober 2004 bis zum 16. Juli 2015 und wird - aufgrund Anordnung einer Krisenintervention gem. § 67h StGB und Widerruf der Bewährungsaussetzung - erneut seit dem 29. Juli 2015 in der Forensischen Klinik des Pfalzklinikums Klingenmünster vollstreckt.

2

Die Große Strafvollstreckungskammer des Landgerichts Landau in der Pfalz hat mit Beschluss vom 25. Oktober 2016 erneut die Fortdauer der Unterbringung des Beschwerdeführers angeordnet. Gegen diese, seinem Verteidiger am 10. November 2016 zugestellte Entscheidung wendet sich der Verurteilte mit seiner am 11. November 2016 beim Landgericht eingegangenen sofortigen Beschwerde.

3

Das in verfahrensrechtlicher Sicht unbedenkliche Rechtsmittel hat in dem aus der Entscheidungsformel ersichtlichen Umfang Erfolg; soweit es auf eine unmittelbare Entlassung des Verurteilten in Freiheit gerichtet ist, ist es indes nicht begründet.

I.

1.

4

a) Nach den im Anlassverfahren getroffenen Feststellungen fühlte sich der Verurteilte bereits ab dem Alter von ca. zehn Jahren sexuell zu jüngeren bzw. gleichaltrigen Jungen hingezogen. An dieser Präferenz hatte sich, auch was das Alter der Kinder betrifft, bis zum Zeitpunkt der Verurteilung nichts geändert. Erste sexualbezogene Kontakte zu unter 14 Jahre alten Jungen nahm der Verurteilte im Alter von ca. 13 Jahren auf. Auch im weiteren Lebensverlauf nahmen homo- oder heterosexuelle Beziehungen zu jeweils gleichaltrigen oder älteren Partnern in der sexuellen Ausrichtung des Verurteilten keinen wesentlichen Raum ein. Im Alter von ca. 20 Jahren verstärkte sich vielmehr der Drang, Beziehungen zu präpubertären Knaben aufzubauen und in diesem Rahmen nicht nur eine vermeintlich gleichberechtigte Partnerschaft zu erfahren, sondern darin auch sexuelle Wünsche und Begierden auszuleben.

5

b) Im Oktober des Jahres 2002 lernte der Verurteilte den damals 11-jährigen Sonderschüler S. H. über ein 15 bzw. 16 Jahre altes Bruderpaar kennen. Der Verurteilte unternahm mit S. H. und den beiden Jugendlichen zahlreiche Freizeitaktivitäten. Wiederholt kam es in der Wohnung des Verurteilten auch zu gegenseitigen sexuellen Handlungen, die sowohl manuellen, als auch oralen und analen Verkehr umfassten. Im Laufe der Zeit nahm die Häufigkeit der Besuche des Kindes bei dem Verurteilten zu, teilweise verbrachte es gesamte Wochenenden in dessen Wohnung. Erst als ihm seine Eltern im Januar 2003 den Umgang mit dem Verurteilten verboten, brach S. H. den Kontakt ab. Der Verurteilte reagierte auf die erzwungene Trennung mit depressiven Verstimmungen und übermäßigem Alkoholkonsum. Vom 18. Januar 2003 bis 18. Februar 2003 unterzog er sich deshalb einer stationären Behandlung im Pfalzklinikum, wo er gegenüber den dortigen Behandlern seine pädophilen Neigungen offenbarte. Nach der Entlassung suchte und fand der Verurteilte den erneuten Kontakt zu S. H. Obwohl er mittlerweile von der Polizei wegen des Verdachts des Kindesmissbrauchs vernommen worden war, gestaltete der Verurteilte die Beziehung zu dem Kind in gleicher Weise wie zuvor. Es kam zu weiteren sexuellen Handlungen zum Nachteil des S. H., wobei der Verurteilte teilweise noch einen gleichaltrigen Schulfreund des Kindes mit einbezog.

6

c) Die durch die Sachverständige Dr. S. sachverständig beratene Strafkammer ist davon ausgegangen, dass die Schuldfähigkeit des Verurteilten bei Begehung dieser Taten aufgrund einer sog. Kernpädophilie erheblich eingeschränkt gewesen war. Diese sei nicht allein durch das verfestigte Bestreben des Verurteilten gekennzeichnet, sexuelle Befriedigung durch Intimverkehr mit kindlichen Partnern zu erlangen. Ihm sei es vielmehr auch darum gegangen, in die kindliche Erlebniswelt "einzutauchen". Könne er aufgrund fehlender Möglichkeiten diese Bedürfnisse nicht stillen, reagiere er mit depressiven Verstimmungszuständen. Diese Persönlichkeitsstörung in Form einer sexuellen Deviation stelle in juristischer Hinsicht eine andere seelische Abartigkeit dar, die den Grad einer krankhaften seelischen Störung erreicht habe. Dass es dem Verurteilten erheblich schwerer falle, seinen Impulsen zu widerstehen, werde eindrücklich durch den Umstand belegt, dass er trotz Kenntnis des gegen ihn laufenden Ermittlungsverfahrens seine sexuelle Ausrichtung weiterhin mit S. H. und letztlich auch mit dessen Schulfreund ausgelebt habe. Dieser Einschätzung stehe das mit dem Anbahnen entsprechender Kontakte verbundene Planungsvermögen und koordinierte Vorgehen nicht entgegen. Zu verweisen sei auf die in zeitlicher Hinsicht langfristige Übung und Gewöhnung des Verurteilten entgegen seiner vorhandenen Unrechtseinsicht zu handeln und hierfür in rationalisierender Weise entschuldigende Erklärungsmodelle zur Rechtfertigung seiner Verhaltensweisen zu finden. Angesichts dessen, dass es dem Verurteilten ohnehin vergleichsweise schwerer falle, seinen Impulsen zu widerstehen, zeige sein ambivalentes Verhältnis zu seinen Handlungen, dass es ihm nicht gelungen sei, rationale Kontrollmechanismen aufzubauen, um eine zukünftige Wiederholung des gezeigten Verhaltens zu verhindern. In Folge dessen sei mit gleich gelagerten und damit erheblichen Straftaten des Verurteilten zu rechnen.

7

d) Das im Anlassverfahren erstattete schriftliche Gutachten der Sachverständigen Dr. S. vom 7. November 2003 (dort S. 38 f.) enthält zur psychiatrischen Einschätzung folgende Ausführungen:

8

"Insbesondere ist deutlich geworden, dass der Angeklagte sich in der kindlichen Erlebniswelt wohlfühlt, Kinder als ebenbürtig erlebt und dabei selber den Eindruck eines unreifen und auf seine egozentrische Bedürfnisbefriedigung fixierten jungen Mannes vermittelt. (..) Die pädosexuellen Neigungen sind seit sehr langer Zeit bei dem Probanden bekannt und haben früh dazu geführt, dass er mit dem Gesetz in Konflikt kam und dass er psychische Auffälligkeiten in Form von depressiven Verstimmungszuständen und Auffälligkeiten in der Impulskontrolle, wie bei den Brandstiftungsdelikten, und in Form eines Konflikttrinkens zeigte. Insofern ist aus psychiatrischer Sicht diese Erkrankung unter das Eingangsmerkmal der §§ 20, 21 StGB einer anderen schweren seelischen Abartigkeit zu subsumieren. Aus psychiatrischer Sicht liegen keine anderen Erkrankungen vor, durch die eines der anderen Eingangsmerkmale als erfüllt anzusehen wäre. (...) Im Hinblick auf die Steuerungsfähigkeit ergibt sich folgende Einschätzung: Sicherlich wird man einerseits annehmen können, dass das Herstellen der Kontakte zu den Kindern auch ein gewisses Planungsvermögen erfordert. Andererseits wird deutlich, dass man es hier mit einem devianten Verhalten zu tun hat, das bereits präpubertär bestand und sich in den letzten Jahren fixiert hat. Herr X selber erlebte sich als ohnmächtig gegenüber seinen pädophilen Neigungen, und hat mehrfach bekundet, dass er diese wie eine "Sucht" erlebt und bei sexuellen Kontakten mit Kindern "über Konsequenzen nicht mehr nachgedacht" hat. (..) Zu berücksichtigen ist insgesamt, dass bei Herrn X ein erhebliches Maß an Impulsivität vorliegt (...). Man wird davon ausgehen können, dass es ihm schwerer als der Durchschnittsbevölkerung fällt, seinen Impulsen zu widerstehen. Die Sachverständigen haben hier den Eindruck gewonnen, dass der Proband nicht in der Lage war, genügend Hemmungen aufzubauen, die ihn an der Ausübung seiner sexuellen Neigung hinderte."

2.

9

Die Große Strafvollstreckungskammer des Landgerichts Landau in der Pfalz hat nach Einholung und unter Verwertung eines externen Gutachtens des Sachverständigen Prof. Dr. K. (vom 18. Mai 2015) mit Beschluss vom 1. Juli 2015 die Maßregel zur Bewährung ausgesetzt und dem Verurteilten Führungsaufsichtsweisungen erteilt. Unter anderem wurde dem Verurteilten untersagt, Kontakt zu Minderjährigen aufzunehmen, der über das im Alltag übliche Maß hinausgeht, sowie mit ihnen zu verkehren, insbesondere Minderjährige persönlich anzusprechen oder mit ihnen über soziale Netzwerke zu kommunizieren. Nach der Entlassung aus dem Maßregelvollzug am 20. Juli 2015 nahm der Verurteilte zunächst Wohnung bei seiner Mutter. Bereits am 25. Juli 2015 bot der Verurteilte im Stadtbereich von Kaiserslautern einem 12-jährigen Jungen Geld an, wenn dieser ihn in seine Wohnung begleiten und sich von ihm fotografieren lassen würde. Noch am selben Tag sprach der Verurteilte einen 14-jährigen Jungen an und bot diesem ebenfalls Geld, wenn er mit zu ihm nach Hause komme. Der Verurteilte hat im Rahmen eines am 22. September 2015 durchgeführten Anhörungstermins gegenüber der Strafvollstreckungskammer die beiden Vorfälle eingeräumt und erklärt, er habe seine "Erfolgsaussichten ausloten" wollen. Am 28. Juli 2015 wurde der Verurteilte aufgrund eines Sicherungsunterbringungsbefehls der Strafvollstreckungskammer erneut in das Pfalzklinikum verbracht. Dort wird die Maßregel seitdem - zunächst auf Grundlage von § 67h Abs. 1 StGB und anschließend nach Widerruf der Bewährungsaussetzung - erneut ununterbrochen vollstreckt.

10

Am 25. Oktober 2016 hat die Große Strafvollstreckungskammer den Verurteilten durch den beauftragen Richter angehört und am selben Tag die Fortdauer seiner Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus angeordnet. Zur Begründung hat sie u.a. ausgeführt, es sei auch in Zukunft mit ähnlichen Verhaltensweisen zu rechnen, wie sie der Verurteilte im Juli 2015 gezeigt habe. Bei einer Entlassung in Freiheit sei davon auszugehen, dass seine emotionalen Bedürfnisse früher oder später wieder Oberhand gewönnen und rationale Aspekte immer weniger handlungsleitend würden. Es seien deshalb mit hoher Wahrscheinlichkeit erneute einschlägige Taten zu erwarten. Für eine Rückfallgefahr spreche das Vorliegen einer fixierten sexuellen Devianz, sexuelle Seriendelikte, falsche Selbsteinschätzung bezüglich Risikosituationen, die Unfähigkeit, angemessene stabile Partnerschaften einzugehen und ein früher Beginn der sexuellen Entwicklung.

11

Der Senat hat mit Beschluss vom 15. März 2017 ein schriftliches forensisch-psychiatrischen Sachverständigengutachten des Facharztes für Psychiatrie und Psychotherapie, Schwerpunkt Forensische Psychiatrie, Prof. Dr. S. eingeholt. Am 28. März 2018 hat der Senat den Sachverständigen mündlich angehört; auf den Vermerk des Senatsvorsitzenden vom 28. März 2018 wird Bezug genommen.

II.

12

Die Voraussetzungen des § 63 StGB für die Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus liegen nicht mehr vor, weshalb die Maßregel gemäß § 67d Abs. 6 S. 1 StGB für erledigt zu erklären ist.

1.

13

Die Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus als Maßregel der Besserung und Sicherung (§ 63 StGB) ist nach § 67d Abs. 6 S. 1 1. Alt. StGB für erledigt zu erklären, wenn im Vollstreckungsverfahren die Feststellung getroffen werden kann, dass die Voraussetzungen der Maßregel nicht mehr vorliegen. Die Erledigung setzt daher voraus, dass sich nach Beginn der Unterbringungsvollstreckung herausstellt, dass die tatsächlichen Voraussetzungen ihrer Anordnung entweder von Anfang an nicht bestanden haben oder nachträglich weggefallen sind (OLG Braunschweig, Beschluss vom 11.04.2017 - 1 Ws 66/17, juris Rn. 21; Rissing-van Saan/Peglau in LK-StGB, 12. Aufl., § 67d Rn. 49). Dies kann darauf beruhen, dass der Defektzustand, auf Grund dessen die Unterbringung angeordnet worden ist, überhaupt nicht vorgelegen hat oder (jedenfalls) im Zeitpunkt der Entscheidung nicht mehr besteht, oder dass die von § 63 StGB vorausgesetzte Gefährlichkeit des Untergebrachten nicht (mehr) besteht. Eine Erledigung wegen Fehlens der materiellen Unterbringungsvoraussetzungen hat jedoch nur zu erfolgen, wenn mit Sicherheit festgestellt werden kann, dass der im Anlassurteil zugrunde gelegte Zustand oder die hieraus gefolgerte Gefährlichkeit von Anfang an nicht bestanden haben oder jedenfalls im Überprüfungszeitpunkt nicht mehr bestehen. Ist dies dagegen lediglich zweifelhaft, kommt eine Erledigung nicht in Betracht (vgl. OLG Rostock, Beschluss vom 08.02.2007 - I Ws 438/06, juris Rn. 5; OLG Braunschweig, Beschluss vom 29.06.2015 - 1 Ws 133/15, juris Rn. 12 sowie nachfolgend: BVerfG, Kammerbeschluss vom 16.08.2017 - 2 BvR 1496/15, juris). Gleiches gilt, wenn im Unterbringungsverlauf lediglich eine graduelle Besserung des Zustandes mit der Folge entsprechend geringerer Gefährlichkeit eingetreten ist, der die Maßregelanordnung rechtfertigende Zustand dem Grunde nach aber fortbesteht (Senat, Beschluss vom 28. Juli 2010, 1 Ws 195/10, juris Rn. 6; Veh in MünchKomm-StGB, 2. Aufl., § 67d Rn. 27). In diesem Zusammenhang spielt es keine Rolle, ob der Zustand nach geänderter Wertung noch von einer Art und Dauer ist, dass er die Anordnung der Maßregel rechtfertigen kann bzw. gerechtfertigt hätte (Rissing-van Saan/Peglau aaO. § 67d Rn. 53). Auch eine Fehleinweisung, die allein auf Rechtsfehlern des Tatgerichts, nicht aber (zugleich) auf einer fehlerhaften Tatsachengrundlage fußt, kann nach der - jedenfalls überwiegenden - obergerichtlichen Rechtsprechung (vgl. die Nachweise bei Rissing-van Saan/Peglau aaO. § 67d Rn. 56 Fn. 97 sowie Veh aaO. § 67d Rn. 30 Rn. 145, dort auch zur Gegenansicht; s.a. EuGH, Urteil vom 16.05.2013 - 20084/07, NJW 2014, 369 sowie BVerfG, Beschluss vom 19.10.2006 - 2 BvR 1486/06, NStZ-RR 2007, 29, 30) eine Erledigung nach § 67d Abs. 6 StGB nicht tragen. Das Vollstreckungsgericht darf eine unveränderte Tatsachengrundlage nicht neu bewerten und so zu der Annahme gelangen, dass ein Defektzustand im Sinne der §§ 20, 21 StGB oder eine die Unterbringung rechtfertigende Gefährlichkeit nie bestanden haben (Thüringer Oberlandesgericht, Beschluss vom 10.09.2010 - 1 Ws 164/10, juris Rn. 14; OLG Braunschweig, Beschluss vom 11.04.2017 - 1 Ws 66/17, juris Rn. 22). Denn bei der rechtlichen Zuordnung der tatsächlichen Feststellungen zu den Merkmalen der §§ 20, 21 StGB handelt es sich um einen juristischen Subsumtionsvorgang, der der Rechtskraft fähig ist (BVerfG, Kammerbeschlüsse vom 20.11.2014 - 2 BvR 2774/12, juris Rn. 41 f. und vom 16.08.2017 - 2 BvR 1496/15, juris Rn. 25). Eine nachträgliche Korrektur solcher, auf rein rechtlichem Gebiet liegender Fehler im Anlassurteil erlaubt die Vorschrift bei im Wesentlichen unverändert gebliebener Tatsachengrundlage daher nicht.

2.

14

Nach diesen Maßstäben liegen die Voraussetzungen für eine Fortdauer der Maßregel nicht vor. Denn es steht unter Berücksichtigung der überzeugenden Ausführungen der Sachverständigen Prof. Dr. S. und Prof. Dr. K. sowie den Äußerungen der Unterbringungseinrichtung fest, dass der von der Strafkammer des Landgerichts Kaiserslautern der Unterbringungsanordnung tragend zugrunde gelegte Defektzustand nicht mehr besteht.

15

a) Zwar haben sämtliche der im Verfahren hinzugezogenen forensisch-psychiatrischen Sachverständigen einhellig hervorgehoben, dass an der im Anlassurteil festgestellten Diagnose einer Pädophilie (ICD-10: F65.4) mit homosexueller Ausrichtung und stabiler Präferenz für Jungen in der Pubertät festzuhalten ist (vgl. die schriftlichen Gutachten Dr. S. vom 31.07.2006, S. 54, Dr. L. vom 05.02.2010, S. 44 sowie Prof. Dr. K. vom 18.05.2015, S. 65 ff.). Diese hat auch gegenüber dem Umstand bestand, dass der Verurteilte - jedenfalls nach seinen Angaben - sporadische Beziehungen zu jüngeren, wenn auch erwachsenen Männern unterhalten und weibliche Prostituierte aufgesucht hat. Denn dass präpubertäre Jungen im Vordergrund seiner sexuellen Ausrichtung stehen, wird nach den schlüssigen Ausführungen des Sachverständigen Prof. Dr. S. sowohl durch die Eigenschilderungen des Verurteilten, als auch den Rückfall in alte Verhaltensweisen nur wenige Tage nach der Bewährungsentlassung belegt.

16

b) Die Strafkammer des Landgerichts Kaiserslautern hat in ihrem Urteil vom 25. April 2004 die Steuerungsfähigkeit des Verurteilten jedoch nicht (allein) wegen dessen sexueller Disposition und Fixierung auf präpubertäre Knaben für erheblich eingeschränkt gehalten. Den Gründen des Urteils und - dies noch in stärkerem Maße - den hierbei verwerteten Ausführungen der Sachverständigen Dr. S. im schriftlichen Gutachten vom 7. November 2003 ist vielmehr zu entnehmen, dass die Strafkammer die Annahme einer Beeinträchtigung des Hemmungsvermögens maßgeblich auf die im Tatzeitpunkt vorhandenen unreifen Persönlichkeitszüge des Verurteilten sowie dessen herabgesetzte Fähigkeit zur Impulskontrolle gestützt hat. Der Sachverständige Prof. Dr. S. hat in seinem schriftlichen Gutachten vom 21. Januar 2018 in überzeugender Weise erläutert, dass diese im Anlassurteil tragend herangezogenen Einschränkungen im Persönlichkeitsgefüge des Verurteilten in Bezug auf Reife und Impulskontrolle heute nicht mehr feststellbar sind. Auch im Übrigen ergäben sich aus der gegenwärtigen Analyse über die bei dem Verurteilten gegebene, recht tief eingeschliffene, dauerhafte und als ich-synton empfundene Pädophilie hinaus keine wesentlichen Deformierungen des Persönlichkeitsgefüges, welche die Annahme einer schweren anderen seelischen Abartigkeit i.S.v. §§ 20, 21 StGB tragen könnten. An dieser Auffassung hat der Sachverständigen auch im Rahmen seiner mündlichen Anhörung festgehalten.

17

c) Diesen Ausführungen des Sachverständigen Prof. Dr. S. schließt sich der Senat an. Sie beinhalten nicht lediglich eine geänderte diagnostische Bewertung derjenigen Anknüpfungstatsachen, die bereits dem Anlassurteil zugrunde gelegen haben.

18

aa) Ob bei ansonsten unveränderter Tatsachengrundlage eine gegenüber dem im Anlassverfahren erstatteten Gutachten geänderte diagnostische Bewertung der damals zugrunde gelegten Anknüpfungstatsachen für sich genommen bereits eine Erledigung rechtfertigen kann, erscheint - soweit ersichtlich - in der obergerichtlichen Rechtsprechung zwar nicht abschließend geklärt (verneinend: Hanseatisches OLG Bremen, Beschluss vom 24.09.2010 - Ws 90/10; inzident bejahend: OLG Rostock, Beschluss vom 16.01.2017 - 20 Ws 173/16, juris Rn. 27; OLG Hamm, Beschluss vom 18.07.2017 - 4 Ws 305/16, juris Rn. 12 sowie ähnlich: Thüringer OLG, Beschluss vom 10.09.2010 - 1 Ws 164/10, juris Rn. 15 und OLG Braunschweig, Beschluss vom 11.04.2017 - 1 Ws 66/17, juris Rn. 22). Der Senat neigt insoweit der Auffassung zu, dass es nicht darauf ankommt, ob die im Anlassurteil zugrunde gelegte diagnostische Bewertung zutreffend ist. Denn die diagnostische Einschätzung allein kann niemals Grundlage für die Beurteilung sein, ob die Schuldfähigkeit des Täters in rechtlich relevanter Weise beeinträchtigt gewesen war. Entscheidend sind vielmehr der Ausprägungsgrad der Störung und der Einfluss der dadurch bedingten psychopathologischen Verhaltensmuster auf die psychische Funktionsfähigkeit des Verurteilten bei Tatbegehung (st. Rspr. vgl. BGH, Beschluss vom 29.05.2012 - 2 StR 139/12, NStZ-RR 2012, 306; Urteil vom 25.03.2015 − 2 StR 409/14, NStZ 2015, 688). Nimmt das Gericht im Erkenntnisverfahren auf Grund einer - auch gegenüber neueren Erkenntnissen im Vollstreckungsverfahren - hinsichtlich Art und Umfang der Auswirkungen zutreffend erfassten Tatsachengrundlage einen Zustand im Sinne von §§ 20, 21 StGB an, so handelt es sich hierbei um eine Rechtsfrage, die im Vollstreckungsverfahren nicht abweichend beurteilt werden kann (Hanseatisches OLG Bremen aaO. Rn. 25; OLG Frankfurt a.M., Beschluss vom 22.10.2002 - 2 Ws 572/02, NStZ 2003, 222, 223). Die Frage kann letztlich aber dahinstehen. Denn das Zustandsbild des Verurteilten hat gegenüber dem Zeitpunkt der Anlasstaten signifikante Änderungen erfahren. Der Sachverständige Prof. Dr. S. hat seine gegenüber der im Anlassverfahren gehörten Sachverständigen abweichende forensisch-psychiatrische Beurteilung maßgeblich auf die im langjährigen Unterbringungsverlauf gezeigte Entwicklung des Verurteilten und die von der Maßregelvollzugseinrichtung in diesem Zusammenhang erhobenen Befunde gestützt.

19

bb) Der Senat hat seiner Entscheidung die im Ausgangsurteil getroffene Wertung zugrunde zu legen, dass es dem Verurteilten im Zeitpunkt der Anlasstaten "erheblich schwerer" fiel, seinen Impulsen zu widerstehen. Diese ist, in Verbund mit dem von der Sachverständigen Dr. S. im Gutachten vom 7. November 2003 beschriebenen Eindruck eines unreifen und egozentrisch fixierten Persönlichkeitsgefüges - aus der damaligen Perspektive -, auch durchaus nachvollziehbar und jedenfalls nicht mit Sicherheit widerlegbar. Auch der Sachverständige Prof. Dr. S. hat mit Blick auf die Sachbeschädigungs- und Brandlegungsdelikte der späteren Jugendzeit des Verurteilten, die zum Zeitpunkt der Taten erst vergleichsweise kurz zurücklagen, das im Anlassurteil zugrunde gelegte Störungsbild für zwar nicht überzeugend begründet, dennoch aber - aus der damaligen Perspektive heraus - für jedenfalls nicht "deutlich fehlerhaft" gehalten.

20

cc) Der Sachverständige hat unter sorgfältiger Auswertung der im Rahmen des langjährigen Unterbringungsverlaufs gefertigten Stellungnahmen der Maßregelvollzugseinrichtung aber auch zutreffend darauf hingewiesen, dass sich im Rahmen des mittlerweile über 13 Jahre dauernden Vollzugs bei dem Verurteilten keine Hinweise auf den Fortbestand einer relevanten Störung der Impulskontrolle in Bezug auf sexuelle Verhaltensweisen ergeben haben. Weder im Rahmen klinischer Beobachtungen noch bei den jeweils ausführlichen Erhebungen der mit dem Verurteilten befasst gewesenen externen Gutachter sind Auffälligkeiten zu Tage getreten, die die Annahme einer für die Schuldfähigkeit relevanten Persönlichkeitsstörung noch länger begründen können. Insbesondere ist der Verurteilte - trotz erkennbarer Schwierigkeiten im sozialen Umgang mit Dritten - befähigt, soziale Normen zu erkennen und einzuhalten. Anhaltspunkte für eine generelle Einschränkung der Impulskontrolle haben sich im Unterbringungsverlauf nicht gezeigt. Auch im Rahmen der sexuellen Kontakte, die der Verurteilte zu jüngeren Mitpatienten unterhalten hat, sind keine impulsiven bzw. ungesteuerten sexuellen Verhaltensweisen berichtet oder beobachtet worden (vgl. u.a. die Stellungnahme der Unterbringungseinrichtung vom 22.08.2006, Bl. 138 ff. d.A.). Etwas anderes ergibt sich auch nicht aus dem - allerdings auffälligen - Umstand, dass der Verurteilte nur wenige Tage nach seiner Bewährungsentlassung den Versuch unternommen hat, ein Kind in seine Wohnung zu locken. Sein diesbezügliches Verhalten war geprägt von einem planvollen, gesteuerten und zielgerichteten Vorgehen. Der Verurteilte war durchaus in der Lage, die Ablehnung des ersten von ihm angesprochenen Kindes zu akzeptieren und zuzuwarten, bis sich ihm eine günstigere Gelegenheit bot. Hinweise darauf, dass er bei diesen Handlungen einschießende Impulse nicht in ausreichendem Maß hat steuern können, lassen sich diesem Verhalten nach den überzeugenden Ausführungen des Sachverständigen Prof. Dr. S. nicht entnehmen. Diese Einschätzung korreliert mit den Ausführungen des Sachverständigen Prof. Dr. K. (Gutachten vom 18.05.2015, S. 69 ff.), der mit Blick auf das kontrollierte und zielgerichtet-manipulativ gefärbte Vorgehen des Verurteilten im Rahmen des Tatgeschehens abweichend von der Bewertung der Sachverständigen Dr. S. bereits für den Tatzeitpunkt eine Störung der Fähigkeit zur Impulskontrolle ausgeschlossen hat. Vor diesem Hintergrund bedurfte es der Einholung eines neurobiologischen Sachverständigengutachtens, wie vom Verurteilten in seiner Eingabe vom 28. November 2017 beantragt, nicht.

21

Soweit im Anlassurteil depressive Verstimmungszustände des Verurteilten beschrieben sind, ist im Verlauf der Unterbringung deutlich geworden, dass diesen nicht eine besondere emotionale Labilität zugrunde gelegen hat. Nachdem im Rahmen des Unterbringungsverlaufs solche Gemütszustände bei dem Verurteilten nicht mehr beobachtet werden konnten, sind sie aus heutiger Sicht als lediglich reaktive, rein situativ veranlasste Stimmungszustände zu bewerten, die nunmehr keinen Einfluss auf die Fähigkeit zur Selbstregulation des Verurteilten haben. Bereits der Sachverständige Dr. S. hat nachvollziehbar darauf hingewiesen, dass den vom Verurteilten geäußerten depressiv-anmutenden Gedanken ebenso wie den im späteren Freiheitsentzug gezeigten Agieren mit Suizidalität eine demonstrative Komponente beiwohnte (Gutachten vom 31.07.2006, S. 64). Bei dem Verurteilten ist damit im Laufe der Unterbringung mittlerweile ein Zustand eingetreten, der ihn gegenüber der im Anlassurteil beschriebenen Psychopathologie deutlich reifer, gefestigter, zielstrebiger und leistungsorientierter erscheinen lässt.

22

cc) Das damit einzig noch verbleibende Störungsbild einer Paraphilie rechtfertigt nicht die rechtliche Einordnung als schwere andere seelische Abartigkeit i.S.v. §§ 20, 21 StGB.

23

(a) Ob eine sexuelle Devianz - hier in Form einer Pädophilie - einen Ausprägungsgrad erreicht, der dem Eingangsmerkmal der schweren anderen seelischen Abartigkeit zugeordnet werden kann und dann regelmäßig eine erhebliche Einschränkung der Steuerungsfähigkeit nahelegt (dazu BGH, Urteil vom 25.03.2015 - 2 StR 409/14, NStZ 2015, 688), ist aufgrund einer Gesamtschau der Täterpersönlichkeit und seiner Taten zu beurteilen (BGH, Urteil vom 26.05.2010 - 2 StR 48/10, RuP 2010, 226 f.; ebenso bereits BGH, Beschluss vom 10.10.2000 - 1 StR 420/00, NStZ 2001, 243, 244). Dabei kommt es darauf an, ob die sexuellen Neigungen die Persönlichkeit des Täters so verändert haben, dass er zur Bekämpfung seiner Triebe nicht die erforderlichen Hemmungen aufzubringen vermag (BGH, Urteil vom 15.03.2016 - 1 StR 526/15, juris Rn. 14; Beschluss vom 12.12.2017 - 2 StR 414/17, juris Rn. 2; OLG Braunschweig, Beschluss vom 29.06.2015 - 1 Ws 133/15, juris Rn. 14; OLG Hamm, Beschluss vom 04.04.2016 - III-4 Ws 69/16, juris Rn. 26). Daher ist nicht jedes abweichende Sexualverhalten, selbst wenn es zwangsläufig nur unter Verletzung strafrechtlich geschützter Rechtsgüter umgesetzt werden kann, ohne Weiteres gleichzusetzen mit einer schweren anderen seelischen Abartigkeit im Sinne der §§ 20, 21 StGB. Es ist vielmehr abzugrenzen von einer lediglich gestörten sexuellen Entwicklung, die als allgemeine Störung der Persönlichkeit, des Sexualverhaltens oder der Anpassung nicht den Schweregrad einer schweren anderen seelischen Abartigkeit im Sinne des § 21 StGB erreicht. Hingegen kann die Steuerungsfähigkeit etwa dann beeinträchtigt sein, wenn abweichende Sexualpraktiken zu einer eingeschliffenen Verhaltensschablone geworden sind, die sich durch abnehmende Befriedigung, zunehmende Frequenz, durch Ausbau des Raffinements und durch gedankliche Einengung auf diese Praktiken auszeichnen (BGH, Beschluss vom 06. Juli 2010 - 4 StR 283/10, NStZ-RR 2010, 304, 305; vgl. a. Boetticher/Nedopil/Saß NStZ 2005, 57, 61).

24

(b) Solche, im Ausprägungsgrad mit den Folgen psychischer Krankheit vergleichbare massive Störungen im Persönlichkeitsgefüge, hat der Sachverständige mit überzeugenden Gründen verneint. Weder ist noch war eine zunehmende Beherrschung des Erlebens durch eine progrediente Zunahme und "Überflutung" aufgrund dranghaft erlebter paraphiler Impulse mit einem Ausbleiben der Satisfaktion zu erkennen, noch fehlt es dem Verurteilten an anderen Formen der soziosexuellen Befriedigung. Der Alltag des Verurteilten war und ist nicht auf die Erfüllung der devianten Sexualität fixiert. Er war vor der Inhaftierung in der Lage, eine Ausbildung erfolgreich zu beenden und einer Berufstätigkeit nachzugehen. Auch im Vollzug war der Verurteilte nicht in auffallender Weise auf die Befriedigung seiner sexuellen Bedürfnisse eingeengt. Er war vielmehr in der Lage, im Vollzug die mittlere Reife und das Abitur zu erlangen sowie ein zeitintensives Fernstudium aufzunehmen. Jenseits des Umgangs mit devianten Phantasien zeigt der Verurteilte damit eine durchaus adäquate und in großen Teilen realistische Zukunftsplanung. Dass bei dem Verurteilten eine krankheitswertige Deformierung der Persönlichkeitsstruktur besteht, kann der Senat daher in Übereinstimmung mit den Ausführungen der externen Sachverständigen und der Maßregelvollzugseinrichtung ausschließen.

III.

1.

25

Mit der Entlassung des Verurteilten aus dem Vollzug der Unterbringung tritt von Gesetz wegen (§ 67d Abs. 6 S. 4 StGB) Führungsaufsicht ein. Die Anordnung ihres Nichteintritts kam nicht in Betracht. Denn es ist nicht zu erwarten, dass der Betroffene auch ohne Führungsaufsicht keine Straftaten begehen wird (hierzu unten III.3). Es handelt sich auch nicht um einen Fall der "von Anfang an" gegebenen Fehleinweisung, bei der die gesetzliche Führungsaufsicht nach § 67d Abs. 6 Satz 4 StGB nicht eintritt (vgl. Thüringer Oberlandesgericht, Beschluss vom 10.09.2010 - 1 Ws 164/10, juris Rn. 23 mwN.; OLG Braunschweig, Beschluss vom 11.04.2017 - 1 Ws 66/17, juris Rn. 25). Denn das der im Anlassurteil beschriebene Defektzustand von Anfang an nicht bestanden hat, steht - wie oben dargestellt - nicht sicher fest.

2.

26

Die Zeit des Vollzugs der Maßregel der Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus ist gem. § 67 Abs. 4 StGB auf die Freiheitsstrafe anzurechnen, bis 2/3 der Strafe infolge der Anrechnung erledigt ist. Eine darüber hinausreichende Anrechnung kommt nicht in Betracht.

27

Zwar wird verbreitet vertreten, dass die Zeit der Maßregelunterbrechung analog § 51 Abs. 1 S. 1 StGB vollständig auf eine im selben Erkenntnis verhängte Strafe anzurechnen ist, wenn die Erledigung wegen einer anfänglichen Fehleinweisung erklärt worden ist (KG Berlin, Beschluss vom 27.01.2015 - 2 Ws 3/15, juris Rn. 28; s.a. Maier in MünchKomm-StGB, 3. Aufl., § 67 Rn. 124 sowie Fischer, StGB, 65. Aufl., § 67d Rn. 24a). Dies gilt jedoch nicht in Fällen, in denen die Maßregel aus anderen Gründen, etwa wegen Unverhältnismäßigkeit ihres weiteren Vollzugs (vgl. OLG Düsseldorf, Beschluss vom 12.12.2013 - III-2 Ws 576-577/13, juris Rn. 17) oder wegen Wegfalls ihrer Voraussetzungen (vgl. OLG Braunschweig, Beschluss vom 16.05.2017 - 1 Ws 68/17, juris) ihre Erledigung gefunden hat. Letzteres ist hier der Fall. Denn der Erledigung liegt nicht die Feststellung zu Grunde, dass die Anordnungsvoraussetzungen im Zeitpunkt des Anlassurteils nicht vorgelegen hätten. Vielmehr ist davon auszugehen, dass die Anordnungsvoraussetzungen im Laufe der Unterbringungszeit - naheliegend aufgrund Nachreifung - nachträglich in Wegfall geraten sind.

28

Soweit der Beschwerdeführer eine vollständige Anrechnung einfordert und dabei auf die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts vom 27. März 2012 (2 BvR 2258/09, juris Rn. 65 ff. = BVerfGE 130, 372) Bezug nimmt, geht dieser Hinweis fehl. Das Bundesverfassungsgericht hat in der zu § 67 Abs. 4 StGB in der bis 31. Juli 2016 geltenden Fassung ergangenen Entscheidung festgestellt, dass diese Vorschrift insoweit verfassungswidrig war, als sie generell eine Anrechnung der Unterbringungszeit auf verfahrensfremde Strafhaft auch in Härtefällen nicht ermöglichte. Dass die Vorschrift eine Anrechnung grundsätzlich nur bis zum 2/3-Zeitpunkt erlaubte, hat das Bundesverfassungsgericht hingegen ausdrücklich nicht beanstandet (BVerfG aaO. Rn. 63). Auch der Gesetzgeber hat bei der Neufassung der Vorschrift durch das Gesetz zur Novellierung des Rechts der Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus gemäß § 63 des StGB und zur Änderung anderer Vorschriften vom 8. Juli 2016 (BGBl. I 1610) keinen Anlass gesehen, entsprechende Ausnahmen von der nur teilweisen Anrechnung der Unterbringungszeit einzuführen (BT-Drs. 18/7244, S. 27).

3.

29

Die Vollstreckung des nach Anrechnung verbleibenden Strafrests der Gesamtfreiheitsstrafe kann nicht zur Bewährung ausgesetzt werden.

30

a) Nach § 57 Abs. 1 StGB setzt das Gericht die Vollstreckung einer Restfreiheitsstrafe zur Bewährung aus, wenn es unter Abwägung der Persönlichkeit der verurteilten Person, ihres Vorlebens, der Umstände ihrer Tat, des Gewichts des bei einem Rückfall bedrohten Rechtsguts, des Verhalten der verurteilten Person im Vollzug, ihre Lebensverhältnisse und der Wirkungen, die von der Aussetzung für sie zu erwarten sind, dies unter Berücksichtigung des Sicherheitsinteresses der Allgemeinheit verantwortet werden kann. Bei dieser wertenden Entscheidung kommt in Fällen eines bereits langandauernden Vollzugs dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit besondere Bedeutung zu (OLG Düsseldorf, Beschluss vom 12.12.2013 - III-2 Ws 576-577/13, juris Rn. 21). Denn nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts (Kammerbeschluss vom 22.06.2012 - 2 BvR 22/12, juris Rn. 17 ff. = NStZ-RR 2012, 384) ist bei lang andauernden Unterbringungen der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit auch im Rahmen der Prüfung der Aussetzung des Strafrests zur Bewährung gem. § 57 Abs. 1 StGB zu berücksichtigen. Im Rahmen einer "integrativen Betrachtung" hat der Tatrichter nicht nur bei der Frage, ob die Maßregel mit Blick auf deren Dauer für erledigt zu erklären ist, sondern auch bei der Prüfung der Aussetzungsvoraussetzungen von Unterbringung und Freiheitsstrafe eine wertende Entscheidung unter Gesamtwürdigung der vom Täter ausgehenden Gefahren und der (bisherigen) Dauer des Freiheitsentzugs vorzunehmen. In Fällen langandauernden Freiheitsentzuges kann unter dem Gesichtspunkt der Verhältnismäßigkeit die negative Legalprognose allein die Ablehnung einer Bewährungsaussetzung nicht rechtfertigen. Ist die Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus mit Blick auf ihre bisherige Dauer erledigt, ist eine Strafrestaussetzung aber keineswegs obligatorisch (OLG Düsseldorf aaO. Rn. 22). Das Spannungsverhältnis zwischen dem Freiheitsanspruch des Untergebrachten und dem Sicherungsbedürfnis der Allgemeinheit vor zu erwartenden erheblichen Rechtsgutsverletzungen verlangt vielmehr nach einem gerechten und vertretbaren Ausgleich. Bei dieser Abwägung der widerstreitenden Interessen hängt das erforderliche Maß an Gewissheit für künftig straffreies Verhalten einerseits wesentlich vom Gewicht des bei einem Rückfall bedrohten Rechtsguts ab. Diese Gewissheit wird andererseits durch die Dauer der Unterbringung wieder dahin relativiert, dass bei einem bereits langdauernden Freiheitsentzug etwaige Zweifel an einer günstigen Kriminalprognose leichter überwunden und Risiken in Kauf genommen werden müssen, um damit dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit in der gebotenen Weise Rechnung zu tragen (OLG Braunschweig, Beschluss vom 16.05.2017 - 1 Ws 68/17, juris Rn. 34).

31

b) Die Prognose des Verurteilten ist negativ. Der Senat sieht keine realistische Chance, dass der Verurteilte bei Entlassung in Freiheit keine erheblichen Straftaten mehr begehen wird.

32

Aus den Berichten der Maßregelvollzugseinrichtung ergeben sich keine Hinweise darauf, dass im Rahmen des mehrjährigen Vollzugs ein erfolgsversprechender therapeutischer Prozess in Gang gesetzt worden wäre. Der Verurteilte hat zu keinem Zeitpunkt eine hinreichend stabile Motivation entwickelt, an problematischen eigenen Verhaltensweisen zu arbeiten. Durch die nur wenige Tage nach der Bewährungsentlassung gezeigten Weisungsverstöße (Ansprechen eines männlichen Kindes sowie eines Jugendlichen) hat er zudem nachdrücklich bewiesen, dass er nicht willens ist, sich an Kontaktverbote in Bezug auf Kinder und Jugendliche zu halten, und dazu neigt, pseudo-rationale Erklärungsmodelle für sein deliktrelevantes Verhalten zu suchen. Diese erachtet er als "schicksalhafte" Ereignisse und negiert Anteile eigener Verantwortlichkeit. Auch die mit der erneuten Inhaftierung verbundenen Einschränkungen haben dem Verurteilten nach den Ausführungen des behandelnden Therapeuten Dr. A. (Anhörung vom 14.12.2015, Bl. 1312 d.A.) nicht im Sinne eines "heilsamen Schocks" zu tieferer Einsicht in ein Behandlungserfordernis gebracht. An dieser, die Erfordernisse therapeutischer Einflussnahmen ablehnenden Grundhaltung des Verurteilten hat sich auch im weiteren Unterbringungsverlauf nichts geändert. Der Verurteilte hat sich lediglich dazu bereitgefunden, das Medikament Sertralin einzunehmen, dessen triebdämpfende (Neben-)Wirkung von Seiten der Maßregelvollzugseinrichtung aber als nicht ausreichend erachtet wird. Die Leiterin der Unterbringungseinrichtung hat im Rahmen der mündlichen Anhörung des Sachverständigen Prof. Dr. S. am 28. März 2018 bestätigt, dass der Verurteilte seine gegenüber einer therapeutischen Bearbeitung ablehnende Haltung bis zuletzt nicht aufgegeben hat. Dass es dem Verurteilten an einer tieferen Einsicht und Bereitschaft mangelt, sich mit seinen deliktsrelevanten Persönlichkeitsanteilen auseinanderzusetzen, zeigt sich ferner darin, dass er in einem an das Landgericht Kaiserslautern gerichteten Schreiben vom 5. Februar 2016 (Bl. 1358 d.A.) sein im Anlassverfahren erklärtes Geständnis teilweise widerrufen und dem damaligen Tatopfer eine Falschbeschuldigung unterstellt hat. Ferner hat er in der von ihm persönlich verfassten Beschwerdebegründung vom 24. November 2016 ausgeführt, er halte sexuelle Handlungen mit Kindern und Jugendlichen nur bedingt für verwerflich; gegen die ihm auferlegten Bewährungsweisungen habe er "aus einer substanziierten und vertretbaren inneren Haltung heraus" verstoßen. Diese Ausführungen sind zwar ersichtlich von dem Bestreben motiviert, hierdurch die in dem angefochtenen Beschluss getroffene Annahme weiterhin beeinträchtigter Steuerungsfähigkeit entkräften zu wollen. Sie zeigen jedoch eindrücklich, dass der Verurteilte weiterhin nicht bereit ist, sich ernsthaft mit dem bei ihm vorhandenen Störungsbild auseinanderzusetzen und dazu neigt, Äußerungen zu seiner inneren Haltung vordergründig in manipulativer und zweckgerichteter Weise vorzubringen. Gleiches gilt für das Bemühen des Verurteilten, die mit dem sexuellen Missbrauch verbundenen Folgen für die Tatopfer gänzlich in Abrede zu stellen oder zumindest zu relativieren (vgl. die Eingaben des Verurteilten vom 9. Juni 2017, mit denen er die Einholung von "psychotraumatischen Sachverständigengutachten" bezüglich der Geschädigten H. und H. beantragt hat). Der Verurteilte hat nach wie vor nicht verinnerlicht, dass Sexualstraftaten zum Nachteil von Kindern - auch ohne Gewaltanwendung - regelmäßig und typischerweise eine schwerwiegende Beeinträchtigung von deren sexueller Entwicklung besorgen lassen (vgl. BT-Drs. 18/7244, S. 34 m.w.N.) und es nicht darauf ankommt, ob solche Folgen im Einzelfall tatsächlich auch eingetreten sind. Prognostisch ungünstig fällt ferner ins Gewicht, dass - worauf bereits die Strafvollstreckungskammer zutreffend hingewiesen hat - zahlreiche allgemein risikoerhöhende Umstände vorhanden sind, wie das Vorliegen einer fixierten sexuellen Devianz, eine falsche Selbsteinschätzung in Bezug auf Risikosituationen, die Begehung sexueller Seriendelikte und die Unfähigkeit, angemessene stabile Partnerschaften einzugehen, wie auch der frühe Beginn sexueller Devianz.

33

c) Der Senat schließt sich daher der überzeugend begründeten Auffassung des Sachverständigen Prof. Dr. S. an, die in Einklang steht mit den Empfehlungen der Unterbringungseinrichtung, dass eine hohe Wahrscheinlichkeit dafür besteht, dass der Verurteilte in Freiheit innerhalb weniger Wochen im Rahmen seiner ausgeprägten pädophilen Neigungen in gleichartige Verhaltensweisen zurückfallen wird, wie sie der Anlassverurteilung zugrunde lagen. Im Ergebnis der gebotenen Abwägung der bisherigen Dauer des Freiheitsentzugs von ca. 14 Jahren mit dem Umstand, dass ein Rückfall in hohem Maße wahrscheinlich ist sowie dem hohen Gewicht der dabei bedrohten Rechtsgütern, der ungestörten sexuellen Entwicklung von Kindern und Jugendlichen, überwiegen die Sicherheitsinteressen der Allgemeinheit an einer Vollstreckung (auch) der restlichen Freiheitsstrafe. Mildere Maßnahmen in Form von Führungsaufsichtsweisungen reichen auch unter Beachtung der bisherigen Dauer des Freiheitsentzugs nicht aus. Der Verurteilte hat im Rahmen der Bewährungsphase eindrücklich gezeigt, dass er nicht gewillt ist, sich an Kontaktverbote oder andere geeignete Weisungen zu halten.

4.

34

Die Vollstreckung der Reststrafe hat in der Justizvollzugsanstalt zu erfolgen. Zwar ist in der obergerichtlichen Rechtsprechung umstritten, ob in Fällen der Erledigung der Maßregel eine (ggfs. entsprechende) Anwendung von § 67 Abs. 5 StGB erfolgen kann. Der Senat schließt sich aber der Rechtsansicht des OLG Koblenz (Beschluss vom 09.03.2015 - 1 Ws 91/15, juris Rn. 5 f.; s.a. OLG Braunschweig, Beschluss vom 16.05.2017 - 1 Ws 68/17, juris Rn. 16 ff., jew. auch zum Meinungsstand) sowie des OLG Celle (Beschluss vom 10.05.2017 - 3 Ws 240/17, juris Rn. 4) an, dass jedenfalls in der hier vorliegenden Konstellation einer wegen Wegfalls der tatsächlichen Anordnungsvoraussetzungen erfolgenden Erledigung eine Fortsetzung des "Vollzugs der Maßregel" nicht in Betracht kommt. Im Übrigen würden es auch Umstände, die in der Person des Verurteilten liegen, angezeigt erscheinen lassen, dass die Vollstreckung der restlichen Freiheitsstrafe im Strafvollzug erfolgt. Mit Blick auf die seit Jahren verfestigte ablehnende Haltung des Verurteilten gegenüber therapeutischen Bemühungen wäre durch eine Weiterbehandlung im Maßregelvollzug eine Besserung der Legalprognose nicht zu erwarten. Der Umstand, dass der Verurteilte die Vorzüge des Maßregelvollzugs im Hinblick auf das von ihm aufgenommene Fernstudium nicht verlieren möchte, ist in diesem Zusammenhang nicht von entscheidender Relevanz. Auch im Strafvollzug kann den Anforderungen der Berufsausbildung des Verurteilten angemessen Rechnung getragen werden.

IV.

35

Die Kostenentscheidung beruht auf § 473 Abs. 1 und 4 S. 1 StPO. Im Hinblick auf den Teilerfolg des Rechtsmittels wäre es unbillig, den Beschwerdeführer mit den gesamten Kosten des Beschwerdeverfahrens zu belasten.

Urteilsbesprechung zu Pfälzisches Oberlandesgericht Zweibrücken Beschluss, 23. Apr. 2018 - 1 Ws 328/16

Urteilsbesprechungen zu Pfälzisches Oberlandesgericht Zweibrücken Beschluss, 23. Apr. 2018 - 1 Ws 328/16

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(1) Die Kosten eines zurückgenommenen oder erfolglos eingelegten Rechtsmittels treffen den, der es eingelegt hat. Hat der Beschuldigte das Rechtsmittel erfolglos eingelegt oder zurückgenommen, so sind ihm die dadurch dem Nebenkläger oder dem zum Ansc

Strafgesetzbuch - StGB | § 21 Verminderte Schuldfähigkeit


Ist die Fähigkeit des Täters, das Unrecht der Tat einzusehen oder nach dieser Einsicht zu handeln, aus einem der in § 20 bezeichneten Gründe bei Begehung der Tat erheblich vermindert, so kann die Strafe nach § 49 Abs. 1 gemildert werden.

Strafgesetzbuch - StGB | § 20 Schuldunfähigkeit wegen seelischer Störungen


Ohne Schuld handelt, wer bei Begehung der Tat wegen einer krankhaften seelischen Störung, wegen einer tiefgreifenden Bewußtseinsstörung oder wegen einer Intelligenzminderung oder einer schweren anderen seelischen Störung unfähig ist, das Unrecht der

Strafgesetzbuch - StGB | § 63 Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus


Hat jemand eine rechtswidrige Tat im Zustand der Schuldunfähigkeit (§ 20) oder der verminderten Schuldfähigkeit (§ 21) begangen, so ordnet das Gericht die Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus an, wenn die Gesamtwürdigung des Täters und
Pfälzisches Oberlandesgericht Zweibrücken Beschluss, 23. Apr. 2018 - 1 Ws 328/16 zitiert 13 §§.

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(2) Ist keine Höchstfrist vorgesehen oder ist die Frist noch nicht abgelaufen, so setzt das Gericht die weitere Vollstreckung der Unterbringung zur Bewährung aus, wenn zu erwarten ist, daß der Untergebrachte außerhalb des Maßregelvollzugs keine erheblichen rechtswidrigen Taten mehr begehen wird. Gleiches gilt, wenn das Gericht nach Beginn der Vollstreckung der Unterbringung in der Sicherungsverwahrung feststellt, dass die weitere Vollstreckung unverhältnismäßig wäre, weil dem Untergebrachten nicht spätestens bis zum Ablauf einer vom Gericht bestimmten Frist von höchstens sechs Monaten ausreichende Betreuung im Sinne des § 66c Absatz 1 Nummer 1 angeboten worden ist; eine solche Frist hat das Gericht, wenn keine ausreichende Betreuung angeboten wird, unter Angabe der anzubietenden Maßnahmen bei der Prüfung der Aussetzung der Vollstreckung festzusetzen. Mit der Aussetzung nach Satz 1 oder 2 tritt Führungsaufsicht ein.

(3) Sind zehn Jahre der Unterbringung in der Sicherungsverwahrung vollzogen worden, so erklärt das Gericht die Maßregel für erledigt, wenn nicht die Gefahr besteht, daß der Untergebrachte erhebliche Straftaten begehen wird, durch welche die Opfer seelisch oder körperlich schwer geschädigt werden. Mit der Entlassung aus dem Vollzug der Unterbringung tritt Führungsaufsicht ein.

(4) Ist die Höchstfrist abgelaufen, so wird der Untergebrachte entlassen. Die Maßregel ist damit erledigt. Mit der Entlassung aus dem Vollzug der Unterbringung tritt Führungsaufsicht ein.

(5) Das Gericht erklärt die Unterbringung in einer Entziehungsanstalt für erledigt, wenn die Voraussetzungen des § 64 Satz 2 nicht mehr vorliegen. Mit der Entlassung aus dem Vollzug der Unterbringung tritt Führungsaufsicht ein.

(6) Stellt das Gericht nach Beginn der Vollstreckung der Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus fest, dass die Voraussetzungen der Maßregel nicht mehr vorliegen oder die weitere Vollstreckung der Maßregel unverhältnismäßig wäre, so erklärt es sie für erledigt. Dauert die Unterbringung sechs Jahre, ist ihre Fortdauer in der Regel nicht mehr verhältnismäßig, wenn nicht die Gefahr besteht, dass der Untergebrachte infolge seines Zustandes erhebliche rechtswidrige Taten begehen wird, durch welche die Opfer seelisch oder körperlich schwer geschädigt werden oder in die Gefahr einer schweren körperlichen oder seelischen Schädigung gebracht werden. Sind zehn Jahre der Unterbringung vollzogen, gilt Absatz 3 Satz 1 entsprechend. Mit der Entlassung aus dem Vollzug der Unterbringung tritt Führungsaufsicht ein. Das Gericht ordnet den Nichteintritt der Führungsaufsicht an, wenn zu erwarten ist, dass der Betroffene auch ohne sie keine Straftaten mehr begehen wird.

(1) Das Gericht kann die verurteilte Person für die Dauer der Führungsaufsicht oder für eine kürzere Zeit anweisen,

1.
den Wohn- oder Aufenthaltsort oder einen bestimmten Bereich nicht ohne Erlaubnis der Aufsichtsstelle zu verlassen,
2.
sich nicht an bestimmten Orten aufzuhalten, die ihr Gelegenheit oder Anreiz zu weiteren Straftaten bieten können,
3.
zu der verletzten Person oder bestimmten Personen oder Personen einer bestimmten Gruppe, die ihr Gelegenheit oder Anreiz zu weiteren Straftaten bieten können, keinen Kontakt aufzunehmen, mit ihnen nicht zu verkehren, sie nicht zu beschäftigen, auszubilden oder zu beherbergen,
4.
bestimmte Tätigkeiten nicht auszuüben, die sie nach den Umständen zu Straftaten missbrauchen kann,
5.
bestimmte Gegenstände, die ihr Gelegenheit oder Anreiz zu weiteren Straftaten bieten können, nicht zu besitzen, bei sich zu führen oder verwahren zu lassen,
6.
Kraftfahrzeuge oder bestimmte Arten von Kraftfahrzeugen oder von anderen Fahrzeugen nicht zu halten oder zu führen, die sie nach den Umständen zu Straftaten missbrauchen kann,
7.
sich zu bestimmten Zeiten bei der Aufsichtsstelle, einer bestimmten Dienststelle oder der Bewährungshelferin oder dem Bewährungshelfer zu melden,
8.
jeden Wechsel der Wohnung oder des Arbeitsplatzes unverzüglich der Aufsichtsstelle zu melden,
9.
sich im Fall der Erwerbslosigkeit bei der zuständigen Agentur für Arbeit oder einer anderen zur Arbeitsvermittlung zugelassenen Stelle zu melden,
10.
keine alkoholischen Getränke oder andere berauschende Mittel zu sich zu nehmen, wenn aufgrund bestimmter Tatsachen Gründe für die Annahme bestehen, dass der Konsum solcher Mittel zur Begehung weiterer Straftaten beitragen wird, und sich Alkohol- oder Suchtmittelkontrollen zu unterziehen, die nicht mit einem körperlichen Eingriff verbunden sind,
11.
sich zu bestimmten Zeiten oder in bestimmten Abständen bei einer Ärztin oder einem Arzt, einer Psychotherapeutin oder einem Psychotherapeuten oder einer forensischen Ambulanz vorzustellen oder
12.
die für eine elektronische Überwachung ihres Aufenthaltsortes erforderlichen technischen Mittel ständig in betriebsbereitem Zustand bei sich zu führen und deren Funktionsfähigkeit nicht zu beeinträchtigen.
Das Gericht hat in seiner Weisung das verbotene oder verlangte Verhalten genau zu bestimmen. Eine Weisung nach Satz 1 Nummer 12 ist, unbeschadet des Satzes 5, nur zulässig, wenn
1.
die Führungsaufsicht auf Grund der vollständigen Vollstreckung einer Freiheitsstrafe oder Gesamtfreiheitsstrafe von mindestens drei Jahren oder auf Grund einer erledigten Maßregel eingetreten ist,
2.
die Freiheitsstrafe oder Gesamtfreiheitsstrafe oder die Unterbringung wegen einer oder mehrerer Straftaten der in § 66 Absatz 3 Satz 1 genannten Art verhängt oder angeordnet wurde,
3.
die Gefahr besteht, dass die verurteilte Person weitere Straftaten der in § 66 Absatz 3 Satz 1 genannten Art begehen wird, und
4.
die Weisung erforderlich erscheint, um die verurteilte Person durch die Möglichkeit der Datenverwendung nach § 463a Absatz 4 Satz 2 der Strafprozessordnung, insbesondere durch die Überwachung der Erfüllung einer nach Satz 1 Nummer 1 oder 2 auferlegten Weisung, von der Begehung weiterer Straftaten der in § 66 Absatz 3 Satz 1 genannten Art abzuhalten.
Die Voraussetzungen von Satz 3 Nummer 1 in Verbindung mit Nummer 2 liegen unabhängig davon vor, ob die dort genannte Führungsaufsicht nach § 68e Absatz 1 Satz 1 beendet ist. Abweichend von Satz 3 Nummer 1 genügt eine Freiheits- oder Gesamtfreiheitsstrafe von zwei Jahren, wenn diese wegen einer oder mehrerer Straftaten verhängt worden ist, die unter den Ersten oder Siebenten Abschnitt des Besonderen Teils fallen; zu den in Satz 3 Nummer 2 bis 4 genannten Straftaten gehört auch eine Straftat nach § 129a Absatz 5 Satz 2, auch in Verbindung mit § 129b Absatz 1.

(2) Das Gericht kann der verurteilten Person für die Dauer der Führungsaufsicht oder für eine kürzere Zeit weitere Weisungen erteilen, insbesondere solche, die sich auf Ausbildung, Arbeit, Freizeit, die Ordnung der wirtschaftlichen Verhältnisse oder die Erfüllung von Unterhaltspflichten beziehen. Das Gericht kann die verurteilte Person insbesondere anweisen, sich psychiatrisch, psycho- oder sozialtherapeutisch betreuen und behandeln zu lassen (Therapieweisung). Die Betreuung und Behandlung kann durch eine forensische Ambulanz erfolgen. § 56c Abs. 3 gilt entsprechend, auch für die Weisung, sich Alkohol- oder Suchtmittelkontrollen zu unterziehen, die mit körperlichen Eingriffen verbunden sind.

(3) Bei den Weisungen dürfen an die Lebensführung der verurteilten Person keine unzumutbaren Anforderungen gestellt werden.

(4) Wenn mit Eintritt der Führungsaufsicht eine bereits bestehende Führungsaufsicht nach § 68e Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 endet, muss das Gericht auch die Weisungen in seine Entscheidung einbeziehen, die im Rahmen der früheren Führungsaufsicht erteilt worden sind.

(5) Soweit die Betreuung der verurteilten Person in den Fällen des Absatzes 1 Nr. 11 oder ihre Behandlung in den Fällen des Absatzes 2 nicht durch eine forensische Ambulanz erfolgt, gilt § 68a Abs. 8 entsprechend.

(1) Wird gegen den Verurteilten eine Freiheitsstrafe vollstreckt, so ist für die nach den §§ 453, 454, 454a und 462 zu treffenden Entscheidungen die Strafvollstreckungskammer zuständig, in deren Bezirk die Strafanstalt liegt, in die der Verurteilte zu dem Zeitpunkt, in dem das Gericht mit der Sache befaßt wird, aufgenommen ist. Diese Strafvollstreckungskammer bleibt auch zuständig für Entscheidungen, die zu treffen sind, nachdem die Vollstreckung einer Freiheitsstrafe unterbrochen oder die Vollstreckung des Restes der Freiheitsstrafe zur Bewährung ausgesetzt wurde. Die Strafvollstreckungskammer kann einzelne Entscheidungen nach § 462 in Verbindung mit § 458 Abs. 1 an das Gericht des ersten Rechtszuges abgeben; die Abgabe ist bindend.

(2) In anderen als den in Absatz 1 bezeichneten Fällen ist das Gericht des ersten Rechtszuges zuständig. Das Gericht kann die nach § 453 zu treffenden Entscheidungen ganz oder zum Teil an das Amtsgericht abgeben, in dessen Bezirk der Verurteilte seinen Wohnsitz oder in Ermangelung eines Wohnsitzes seinen gewöhnlichen Aufenthaltsort hat; die Abgabe ist bindend. Abweichend von Absatz 1 ist in den dort bezeichneten Fällen das Gericht des ersten Rechtszuges zuständig, wenn es die Anordnung der Sicherungsverwahrung vorbehalten hat und eine Entscheidung darüber gemäß § 66a Absatz 3 Satz 1 des Strafgesetzbuches noch möglich ist.

(3) In den Fällen des § 460 entscheidet das Gericht des ersten Rechtszuges. Waren die verschiedenen Urteile von verschiedenen Gerichten erlassen, so steht die Entscheidung dem Gericht zu, das auf die schwerste Strafart oder bei Strafen gleicher Art auf die höchste Strafe erkannt hat, und falls hiernach mehrere Gerichte zuständig sein würden, dem Gericht, dessen Urteil zuletzt ergangen ist. War das hiernach maßgebende Urteil von einem Gericht eines höheren Rechtszuges erlassen, so setzt das Gericht des ersten Rechtszuges die Gesamtstrafe fest; war eines der Urteile von einem Oberlandesgericht im ersten Rechtszuge erlassen, so setzt das Oberlandesgericht die Gesamtstrafe fest. Wäre ein Amtsgericht zur Bildung der Gesamtstrafe zuständig und reicht seine Strafgewalt nicht aus, so entscheidet die Strafkammer des ihm übergeordneten Landgerichts.

(4) Haben verschiedene Gerichte den Verurteilten in anderen als den in § 460 bezeichneten Fällen rechtskräftig zu Strafe verurteilt oder unter Strafvorbehalt verwarnt, so ist nur eines von ihnen für die nach den §§ 453, 454, 454a und 462 zu treffenden Entscheidungen zuständig. Absatz 3 Satz 2 und 3 gilt entsprechend. In den Fällen des Absatzes 1 entscheidet die Strafvollstreckungskammer; Absatz 1 Satz 3 bleibt unberührt.

(5) An Stelle der Strafvollstreckungskammer entscheidet das Gericht des ersten Rechtszuges, wenn das Urteil von einem Oberlandesgericht im ersten Rechtszuge erlassen ist. Das Oberlandesgericht kann die nach den Absätzen 1 und 3 zu treffenden Entscheidungen ganz oder zum Teil an die Strafvollstreckungskammer abgeben. Die Abgabe ist bindend; sie kann jedoch vom Oberlandesgericht widerrufen werden.

(6) Gericht des ersten Rechtszuges ist in den Fällen des § 354 Abs. 2 und des § 355 das Gericht, an das die Sache zurückverwiesen worden ist, und in den Fällen, in denen im Wiederaufnahmeverfahren eine Entscheidung nach § 373 ergangen ist, das Gericht, das diese Entscheidung getroffen hat.

(1) Das Gericht kann die verurteilte Person für die Dauer der Führungsaufsicht oder für eine kürzere Zeit anweisen,

1.
den Wohn- oder Aufenthaltsort oder einen bestimmten Bereich nicht ohne Erlaubnis der Aufsichtsstelle zu verlassen,
2.
sich nicht an bestimmten Orten aufzuhalten, die ihr Gelegenheit oder Anreiz zu weiteren Straftaten bieten können,
3.
zu der verletzten Person oder bestimmten Personen oder Personen einer bestimmten Gruppe, die ihr Gelegenheit oder Anreiz zu weiteren Straftaten bieten können, keinen Kontakt aufzunehmen, mit ihnen nicht zu verkehren, sie nicht zu beschäftigen, auszubilden oder zu beherbergen,
4.
bestimmte Tätigkeiten nicht auszuüben, die sie nach den Umständen zu Straftaten missbrauchen kann,
5.
bestimmte Gegenstände, die ihr Gelegenheit oder Anreiz zu weiteren Straftaten bieten können, nicht zu besitzen, bei sich zu führen oder verwahren zu lassen,
6.
Kraftfahrzeuge oder bestimmte Arten von Kraftfahrzeugen oder von anderen Fahrzeugen nicht zu halten oder zu führen, die sie nach den Umständen zu Straftaten missbrauchen kann,
7.
sich zu bestimmten Zeiten bei der Aufsichtsstelle, einer bestimmten Dienststelle oder der Bewährungshelferin oder dem Bewährungshelfer zu melden,
8.
jeden Wechsel der Wohnung oder des Arbeitsplatzes unverzüglich der Aufsichtsstelle zu melden,
9.
sich im Fall der Erwerbslosigkeit bei der zuständigen Agentur für Arbeit oder einer anderen zur Arbeitsvermittlung zugelassenen Stelle zu melden,
10.
keine alkoholischen Getränke oder andere berauschende Mittel zu sich zu nehmen, wenn aufgrund bestimmter Tatsachen Gründe für die Annahme bestehen, dass der Konsum solcher Mittel zur Begehung weiterer Straftaten beitragen wird, und sich Alkohol- oder Suchtmittelkontrollen zu unterziehen, die nicht mit einem körperlichen Eingriff verbunden sind,
11.
sich zu bestimmten Zeiten oder in bestimmten Abständen bei einer Ärztin oder einem Arzt, einer Psychotherapeutin oder einem Psychotherapeuten oder einer forensischen Ambulanz vorzustellen oder
12.
die für eine elektronische Überwachung ihres Aufenthaltsortes erforderlichen technischen Mittel ständig in betriebsbereitem Zustand bei sich zu führen und deren Funktionsfähigkeit nicht zu beeinträchtigen.
Das Gericht hat in seiner Weisung das verbotene oder verlangte Verhalten genau zu bestimmen. Eine Weisung nach Satz 1 Nummer 12 ist, unbeschadet des Satzes 5, nur zulässig, wenn
1.
die Führungsaufsicht auf Grund der vollständigen Vollstreckung einer Freiheitsstrafe oder Gesamtfreiheitsstrafe von mindestens drei Jahren oder auf Grund einer erledigten Maßregel eingetreten ist,
2.
die Freiheitsstrafe oder Gesamtfreiheitsstrafe oder die Unterbringung wegen einer oder mehrerer Straftaten der in § 66 Absatz 3 Satz 1 genannten Art verhängt oder angeordnet wurde,
3.
die Gefahr besteht, dass die verurteilte Person weitere Straftaten der in § 66 Absatz 3 Satz 1 genannten Art begehen wird, und
4.
die Weisung erforderlich erscheint, um die verurteilte Person durch die Möglichkeit der Datenverwendung nach § 463a Absatz 4 Satz 2 der Strafprozessordnung, insbesondere durch die Überwachung der Erfüllung einer nach Satz 1 Nummer 1 oder 2 auferlegten Weisung, von der Begehung weiterer Straftaten der in § 66 Absatz 3 Satz 1 genannten Art abzuhalten.
Die Voraussetzungen von Satz 3 Nummer 1 in Verbindung mit Nummer 2 liegen unabhängig davon vor, ob die dort genannte Führungsaufsicht nach § 68e Absatz 1 Satz 1 beendet ist. Abweichend von Satz 3 Nummer 1 genügt eine Freiheits- oder Gesamtfreiheitsstrafe von zwei Jahren, wenn diese wegen einer oder mehrerer Straftaten verhängt worden ist, die unter den Ersten oder Siebenten Abschnitt des Besonderen Teils fallen; zu den in Satz 3 Nummer 2 bis 4 genannten Straftaten gehört auch eine Straftat nach § 129a Absatz 5 Satz 2, auch in Verbindung mit § 129b Absatz 1.

(2) Das Gericht kann der verurteilten Person für die Dauer der Führungsaufsicht oder für eine kürzere Zeit weitere Weisungen erteilen, insbesondere solche, die sich auf Ausbildung, Arbeit, Freizeit, die Ordnung der wirtschaftlichen Verhältnisse oder die Erfüllung von Unterhaltspflichten beziehen. Das Gericht kann die verurteilte Person insbesondere anweisen, sich psychiatrisch, psycho- oder sozialtherapeutisch betreuen und behandeln zu lassen (Therapieweisung). Die Betreuung und Behandlung kann durch eine forensische Ambulanz erfolgen. § 56c Abs. 3 gilt entsprechend, auch für die Weisung, sich Alkohol- oder Suchtmittelkontrollen zu unterziehen, die mit körperlichen Eingriffen verbunden sind.

(3) Bei den Weisungen dürfen an die Lebensführung der verurteilten Person keine unzumutbaren Anforderungen gestellt werden.

(4) Wenn mit Eintritt der Führungsaufsicht eine bereits bestehende Führungsaufsicht nach § 68e Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 endet, muss das Gericht auch die Weisungen in seine Entscheidung einbeziehen, die im Rahmen der früheren Führungsaufsicht erteilt worden sind.

(5) Soweit die Betreuung der verurteilten Person in den Fällen des Absatzes 1 Nr. 11 oder ihre Behandlung in den Fällen des Absatzes 2 nicht durch eine forensische Ambulanz erfolgt, gilt § 68a Abs. 8 entsprechend.

Wer während der Führungsaufsicht gegen eine bestimmte Weisung der in § 68b Abs. 1 bezeichneten Art verstößt und dadurch den Zweck der Maßregel gefährdet, wird mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder mit Geldstrafe bestraft. Die Tat wird nur auf Antrag der Aufsichtsstelle (§ 68a) verfolgt.

(1) Während der Dauer der Führungsaufsicht kann das Gericht die ausgesetzte Unterbringung nach § 63 oder § 64 für eine Dauer von höchstens drei Monaten wieder in Vollzug setzen, wenn eine akute Verschlechterung des Zustands der aus der Unterbringung entlassenen Person oder ein Rückfall in ihr Suchtverhalten eingetreten ist und die Maßnahme erforderlich ist, um einen Widerruf nach § 67g zu vermeiden. Unter den Voraussetzungen des Satzes 1 kann es die Maßnahme erneut anordnen oder ihre Dauer verlängern; die Dauer der Maßnahme darf insgesamt sechs Monate nicht überschreiten. § 67g Abs. 4 gilt entsprechend.

(2) Das Gericht hebt die Maßnahme vor Ablauf der nach Absatz 1 gesetzten Frist auf, wenn ihr Zweck erreicht ist.

Ohne Schuld handelt, wer bei Begehung der Tat wegen einer krankhaften seelischen Störung, wegen einer tiefgreifenden Bewußtseinsstörung oder wegen einer Intelligenzminderung oder einer schweren anderen seelischen Störung unfähig ist, das Unrecht der Tat einzusehen oder nach dieser Einsicht zu handeln.

Ist die Fähigkeit des Täters, das Unrecht der Tat einzusehen oder nach dieser Einsicht zu handeln, aus einem der in § 20 bezeichneten Gründe bei Begehung der Tat erheblich vermindert, so kann die Strafe nach § 49 Abs. 1 gemildert werden.

(1) Während der Dauer der Führungsaufsicht kann das Gericht die ausgesetzte Unterbringung nach § 63 oder § 64 für eine Dauer von höchstens drei Monaten wieder in Vollzug setzen, wenn eine akute Verschlechterung des Zustands der aus der Unterbringung entlassenen Person oder ein Rückfall in ihr Suchtverhalten eingetreten ist und die Maßnahme erforderlich ist, um einen Widerruf nach § 67g zu vermeiden. Unter den Voraussetzungen des Satzes 1 kann es die Maßnahme erneut anordnen oder ihre Dauer verlängern; die Dauer der Maßnahme darf insgesamt sechs Monate nicht überschreiten. § 67g Abs. 4 gilt entsprechend.

(2) Das Gericht hebt die Maßnahme vor Ablauf der nach Absatz 1 gesetzten Frist auf, wenn ihr Zweck erreicht ist.

Hat jemand eine rechtswidrige Tat im Zustand der Schuldunfähigkeit (§ 20) oder der verminderten Schuldfähigkeit (§ 21) begangen, so ordnet das Gericht die Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus an, wenn die Gesamtwürdigung des Täters und seiner Tat ergibt, daß von ihm infolge seines Zustandes erhebliche rechtswidrige Taten, durch welche die Opfer seelisch oder körperlich erheblich geschädigt oder erheblich gefährdet werden oder schwerer wirtschaftlicher Schaden angerichtet wird, zu erwarten sind und er deshalb für die Allgemeinheit gefährlich ist. Handelt es sich bei der begangenen rechtswidrigen Tat nicht um eine im Sinne von Satz 1 erhebliche Tat, so trifft das Gericht eine solche Anordnung nur, wenn besondere Umstände die Erwartung rechtfertigen, dass der Täter infolge seines Zustandes derartige erhebliche rechtswidrige Taten begehen wird.

(1) Die Unterbringung in einer Entziehungsanstalt darf zwei Jahre nicht übersteigen. Die Frist läuft vom Beginn der Unterbringung an. Wird vor einer Freiheitsstrafe eine daneben angeordnete freiheitsentziehende Maßregel vollzogen, so verlängert sich die Höchstfrist um die Dauer der Freiheitsstrafe, soweit die Zeit des Vollzugs der Maßregel auf die Strafe angerechnet wird.

(2) Ist keine Höchstfrist vorgesehen oder ist die Frist noch nicht abgelaufen, so setzt das Gericht die weitere Vollstreckung der Unterbringung zur Bewährung aus, wenn zu erwarten ist, daß der Untergebrachte außerhalb des Maßregelvollzugs keine erheblichen rechtswidrigen Taten mehr begehen wird. Gleiches gilt, wenn das Gericht nach Beginn der Vollstreckung der Unterbringung in der Sicherungsverwahrung feststellt, dass die weitere Vollstreckung unverhältnismäßig wäre, weil dem Untergebrachten nicht spätestens bis zum Ablauf einer vom Gericht bestimmten Frist von höchstens sechs Monaten ausreichende Betreuung im Sinne des § 66c Absatz 1 Nummer 1 angeboten worden ist; eine solche Frist hat das Gericht, wenn keine ausreichende Betreuung angeboten wird, unter Angabe der anzubietenden Maßnahmen bei der Prüfung der Aussetzung der Vollstreckung festzusetzen. Mit der Aussetzung nach Satz 1 oder 2 tritt Führungsaufsicht ein.

(3) Sind zehn Jahre der Unterbringung in der Sicherungsverwahrung vollzogen worden, so erklärt das Gericht die Maßregel für erledigt, wenn nicht die Gefahr besteht, daß der Untergebrachte erhebliche Straftaten begehen wird, durch welche die Opfer seelisch oder körperlich schwer geschädigt werden. Mit der Entlassung aus dem Vollzug der Unterbringung tritt Führungsaufsicht ein.

(4) Ist die Höchstfrist abgelaufen, so wird der Untergebrachte entlassen. Die Maßregel ist damit erledigt. Mit der Entlassung aus dem Vollzug der Unterbringung tritt Führungsaufsicht ein.

(5) Das Gericht erklärt die Unterbringung in einer Entziehungsanstalt für erledigt, wenn die Voraussetzungen des § 64 Satz 2 nicht mehr vorliegen. Mit der Entlassung aus dem Vollzug der Unterbringung tritt Führungsaufsicht ein.

(6) Stellt das Gericht nach Beginn der Vollstreckung der Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus fest, dass die Voraussetzungen der Maßregel nicht mehr vorliegen oder die weitere Vollstreckung der Maßregel unverhältnismäßig wäre, so erklärt es sie für erledigt. Dauert die Unterbringung sechs Jahre, ist ihre Fortdauer in der Regel nicht mehr verhältnismäßig, wenn nicht die Gefahr besteht, dass der Untergebrachte infolge seines Zustandes erhebliche rechtswidrige Taten begehen wird, durch welche die Opfer seelisch oder körperlich schwer geschädigt werden oder in die Gefahr einer schweren körperlichen oder seelischen Schädigung gebracht werden. Sind zehn Jahre der Unterbringung vollzogen, gilt Absatz 3 Satz 1 entsprechend. Mit der Entlassung aus dem Vollzug der Unterbringung tritt Führungsaufsicht ein. Das Gericht ordnet den Nichteintritt der Führungsaufsicht an, wenn zu erwarten ist, dass der Betroffene auch ohne sie keine Straftaten mehr begehen wird.

Hat jemand eine rechtswidrige Tat im Zustand der Schuldunfähigkeit (§ 20) oder der verminderten Schuldfähigkeit (§ 21) begangen, so ordnet das Gericht die Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus an, wenn die Gesamtwürdigung des Täters und seiner Tat ergibt, daß von ihm infolge seines Zustandes erhebliche rechtswidrige Taten, durch welche die Opfer seelisch oder körperlich erheblich geschädigt oder erheblich gefährdet werden oder schwerer wirtschaftlicher Schaden angerichtet wird, zu erwarten sind und er deshalb für die Allgemeinheit gefährlich ist. Handelt es sich bei der begangenen rechtswidrigen Tat nicht um eine im Sinne von Satz 1 erhebliche Tat, so trifft das Gericht eine solche Anordnung nur, wenn besondere Umstände die Erwartung rechtfertigen, dass der Täter infolge seines Zustandes derartige erhebliche rechtswidrige Taten begehen wird.

Tenor

Die sofortige Beschwerde wird auf Kosten des Beschwerdeführers (§ 473 Abs. 1 Satz 1 StPO) als unbegründet verworfen.

Gründe

I.

1

Das gem. § 463 Abs. 3 StPO i. V. m. § 454 Abs. 3 Satz 1 StPO statthafte, binnen der Frist aus § 311 Abs. 2 StPO angebrachte und damit zulässige Rechtsmittel erweist sich aus den zutreffenden Gründen des angefochtenen landgerichtlichen Beschlusses und den ebenfalls zutreffenden Erwägungen der Generalstaatsanwaltschaft in ihrer Zuschrift vom 22.12.2006, die dem Untergebrachten und seinem Verteidiger bekannt gemacht worden ist, als unbegründet. Das Beschwerdevorbringen rechtfertigt keine andere Entscheidung.

2

Insbesondere hat die Große Strafvollstreckungskammer zu Recht darauf hingewiesen, dass die Voraussetzungen für eine Erledigung der Unterbringung des Verurteilten in einem psychiatrischen Krankenhaus nach § 67 d Abs. 6 Satz 1 StGB nicht vorliegen.

3

1. Nach der gesetzlichen Neuregelung des § 67 d Abs. 6 StGB ist die Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus für erledigt zu erklären, wenn feststeht, dass die Voraussetzungen der Maßregel nicht mehr vorliegen oder die weitere Vollstreckung der Maßregel unverhältnismäßig wäre. Diese mit dem Gesetz zur Einführung der nachträglichen Sicherungsverwahrung vom 28.07.2004 (BGBl I S. 1838) mit Wirkung zum 29.07.2004 in Kraft getretene Vorschrift ist - mangels anders lautender Übergangsvorschriften - ab Inkrafttreten auch für "Altfälle" wie den vorliegenden ohne Weiteres anzuwenden.

4

Ausweislich der Entwurfsbegründung (vgl. BT-Drucksache 15/2887 S. 10/14) übernimmt die Regelung dabei lediglich den von den Strafvollstreckungsgerichten bereits zuvor im Wege der Rechtsfortbildung und - im Wesentlichen - in analoger Anwendung des § 67 c Abs. 2 Satz 5 StGB entwickelten Rechtssatz, wonach bei nachträglichem Wegfall oder später festgestelltem anfänglichem Fehlen der gesetzlichen Voraussetzungen des § 63 StGB die Unterbringung erledigt und nicht weiter vollstreckt werden darf. Grundsätzlich will die gesetzliche Neuregelung nach der gesetzgeberischen Intention (vgl. BT-Drucksache 15/2887, S. 21) damit auch die Fälle der sogenannten Fehleinweisung erfassen und den Vorschriften über die Erledigung unterstellen (vgl. dazu OLG Frankfurt NStZ-RR 2005, 140; Tröndle/Fischer, StGB, 53. Aufl. § 67 d Rdz. 8; MK-Veh, StGB, § 67 d Rdz. 24, 26, 30 m. w. N.).

5

Nach der nunmehr in Gesetzesform vorliegenden, auf nahezu einhelliger früherer Rechtsprechung der Obergerichte und den überwiegenden Literaturstimmen beruhenden Rechtslage ist die Maßregel der Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus nach § 67 d Abs. 6 StGB für erledigt zu erklären, wennmit Sicherheit feststeht , dass der Verurteilte nicht oder nicht mehr an einem Zustand leidet, der durch die in § 20 StGB genannten seelischen Störungen oder Abartigkeiten gekennzeichnet ist. Hierbei kommt es nicht darauf an, ob die Voraussetzungen der Unterbringung von Anfang an nicht vorgelegen haben oder diese später weggefallen sind, weil sich etwa herausgestellt hat, dass der Verurteilte von seinem Leiden geheilt ist. Entscheidend ist allein, ob sich später im Vollstreckungsverfahren zweifelsfrei ergeben hat, dass die Voraussetzungen der Unterbringung entweder von vornherein nicht vorgelegen haben oder aber nachträglich weggefallen sind, da in beiden Fällen der Zweck der Unterbringung erreicht oder nicht - mehr - erreichbar ist (vgl. OLG Frankfurt NStZ-RR 2002, 58 m.w.N.; NStZ 2003, 222). Nur im Falle des zweifelsfreien Wegfalls oder Nichtvorliegens der Unterbringungsvoraussetzungen ist zudem die Durchbrechung der grundsätzlich eingetretenen Rechtskraft einer Unterbringungsentscheidung durch (bloße) Erledigungserklärung und nicht etwa im Wege der Wiederaufnahme des Verfahrens angezeigt. (ständige Rspr. des Senats, vgl. Beschluss vom 08.06.2006 - I Ws 131/06).

6

Diese Rechtsanwendung - die nunmehr in Gestalt des § 67 d Abs. 6 StGB in Gesetzesform vorliegt - hat vom Grundsatz her die ausdrückliche Billigung auch des Bundesverfassungsgerichts (NStZ 1995, 174 m. w. N.) gefunden.

7

2. Die danach zu fordernde zweifelsfreie Sicherheit , dass der Verurteilte nicht oder nicht mehr an einem Zustand leidet, der durch die in § 20 StGB genannten seelischen Störungen oder Abartigkeiten gekennzeichnet ist, besteht vorliegend nicht. Sie ergibt sich - jedenfalls mit der zu verlangenden Zweifelsfreiheit - nicht aus dem von der Großen Strafvollstreckungskammer eingeholten Gutachten des Sachverständigen Dr. med. R. vom 18.09.2006.

8

a) Zwar kommt der Sachverständige Dr. R. in seinem schriftlichen Gutachten, welches er in der Anhörung vor der Strafvollstreckungskammer am 20.10.2006 mündlich erläutert hat, zu dem - zusammengefassten - Ergebnis, bei dem Untergebrachten liege seines Erachtens keine Persönlichkeitsstörung von Krankheitswert vor, weswegen eine ausreichende medizinische Indikation einer Unterbringung nach § 63 StGB zu verneinen sei.

9

b) Das Gutachten des Sachverständigen Dr. R. vermag indes nicht zu überzeugen.

10

So erschließt sich dem Senat beispielsweise nicht, inwiefern die "nunmehr dritte Version der Einweisungstat", die der Untergebrachte im Rahmen der Exploration durch den Sachverständigen entworfen hat und die "mit einer erheblichen Intelligenzminderung völlig unvereinbar" sei, weil sie "eine (fast) in sich schlüssige und ihn entlastende Variante des Vortat- und Tatzeitraums der Einweisungstat" darstelle (Gutachten Bl. 38), auf ein gegenüber den vorgutachterlichen Erkenntnissen, die nicht zuletzt auch auf anerkannten Intelligenztesterhebungen beruhten, abweichend erhöhtes Intelligenzniveau schließen lassen könnte. Denn die "(fast) in sich schlüssige und ihn entlastende Variante" der Einweisungstat besteht ausweislich des Gutachtens nunmehr darin, dass der Untergebrachte vorgebracht hat, er habe sich in Wahrheit nicht einer zuvor von ihm beobachteten weiblichen Joggerin genähert, sondern sein "Erzfeind" G., für den er die junge Joggerin zunächst gehalten habe, habe "Prügel bekommen" sollen. Das sei ihm aber erst aufgefallen, als er sie verfolgt und sie - am Boden liegend - zu schreien angefangen habe. Um dies zu verhindern, und nachdem er bemerkt habe, dass es sich nicht um Gruse handele, habe er sie bis zur Bewusstlosigkeit gewürgt.

11

Diese - nach Ansicht des Sachverständigen "(fast) in sich schlüssige und ihn entlastende Variante des Vortat- und Tatzeitraums" - erachtet der Senat im Gegensatz zum Sachverständigen nicht für in sich schlüssig und entlastend, sondern für geradezu abstrus, unschlüssig und unglaubhaft. Die nunmehrige Sachdarstellung spricht - jedenfalls prima vista - eher nicht für die vom Gutachter angenommene erhöhte Intelligenz des Untergebrachten, sondern allenfalls dafür, dass der Untergebrachte bislang auch nicht ansatzweise erfolgreich an einer Tataufarbeitung gearbeitet hat. Überdies unterlässt der Sachverständige die sich aufdrängende Überprüfung der Tragfähigkeit seiner Schlussfolgerung durch einen wertenden Vergleich mit dem im vollstreckten Urteil und dem im sechsjährigen Vollzug belegten Befund (Debilität) Dieser Befund stützt sich auf im Urteil klar festgestellte Anknüpfungstatsachen, wissenschaftlich anerkannte testpsychologische Untersuchungsmethoden (u. a. HAWIE) und sechsjährige Beobachtung des Untergebrachten.

12

Auch soweit der Sachverständige seine Einschätzung, es lägen beim Untergebrachten keine gravierenden Persönlichkeitsstörungen von Krankheitswert vor, u. a. darauf stützt, dass er über "beträchtliche Ressourcen in der Beziehungsgestaltung" (insbesondere auch zu weiblichen Personen) verfüge (Gutachten Bl. 49, 50), vermag der Senat dies nicht nachzuvollziehen. Die im Gutachten (Bl. 20, 41) mitgeteilten, auch vom Sachverständigen als sehr wechselhaft angesehenen vagen Auskünfte des Untergebrachten zu seinen "Beziehungen" zu anderen, insbesondere zum weiblichen Geschlecht, lassen - auch und gerade im Lichte der gravierenden Sexualstraftaten aus dem Jahre 1992 sowie auch im Lichte der Anlasstat aus dem Jahre 1999 - bezogen auf die Gesamtpersönlichkeit des Untergebrachten viel eher auf ganz erhebliche Defizite in diesem Bereich schließen. Auch das Verhältnis zu seiner Mutter erscheint insgesamt eher ambivalent; hier erschließen sich aus dem Gutachten nämlich nicht nur fürsorgliche Komponenten (Bl. 24: er wird seine Mutter "nicht im Stich lassen"), sondern auch Umstände von Machtausübung (Bl. 25: "Zuhause (dagegen) da kann ich bestimmen"), die bei diesem Probanden als problematisch anzusehen sind. In diesem Zusammenhang erachtet der Senat auch für bedeutsam, dass bei dem Untergebrachten (bei dessen Exploration der Gutachter "wegen der nach Aktenlage raschen und nachhaltigen Kränkbarkeit des Probanden - nur selten Widerspruch anmeldete und auf Kritik völlig verzichtete", Bl. 31 des Gutachtens) nach Aussage des Gutachtens zwar nur "einmalig eine unkontrollierte emotionale Reaktion mäßiger Ausprägung" zu beobachten gewesen sei, habe als der Untergebrachte über eine weibliche (sic.) Pflegekraft berichtet, "die ihn - nach seiner Wahrnehmung - nicht nur ablehnt, sondern die auch für seine zunächst mit Ohnmacht hingenommene Sanktion verantwortlich war". Auch dieser Umstand ist nach Auffassung des Senats nicht geeignet, fehlende Schwierigkeiten in der Beziehungsgestaltung zu anderen, wie vom Gutachter angenommen, zu belegen, sondern spricht eher für erhebliche Probleme des Untergebrachten im Umgang mit Frauen.

13

Soweit der Sachverständige dem Untergebrachten eine normgerechte Auseinandersetzungsfähigkeit (er verfüge u. a. "über ihn befriedigende nicht aggressive Strategien zur Interessenrealisation, ... sodass er auf intensiv aggressive Strategien zur Interessenrealisation nicht angewiesen war", Gutachten Bl. 50) bescheinigt, vermag der Senat auch diese Einschätzung nicht hinreichend nachzuvollziehen. Denn der Untergebrachte selbst schildert im Rahmen seiner Exploration ausführlich seine Schwierigkeiten mit einem Mitpatienten namens G., in deren Verlaufe es "ein paar Handgreiflichkeiten" gegeben und er, der Untergebrachte, G. auch einmal "eine gedrückt" habe, da dieser ihn "provoziert" habe.

14

3. Danach ist das Gutachten des Sachverständigen Dr. R. keineswegs geeignet, die Unterbringung des Beschwerdeführers als "Fehleinweisung" zu klassifizieren. Das Gegenteil ist eher der Fall.

15

Nach alledem ist die seit dem 06.01.2001 andauernde Unterbringung des Verurteilten im Maßregelvollzug weiter zu vollziehen. Die Maßregel war weder nach § 67 d Abs. 6 StGB für erledigt zu erklären, noch kam die Aussetzung der Unterbringung zur Bewährung gem. § 67 d Abs. 2 StGB in Frage, da nicht zu erwarten ist, dass der Untergebrachte außerhalb des Maßregelvollzuges keine rechtswidrigen Taten mehr begehen wird.

16

Angesichts der - auch vom Sachverständigen Dr. R. hervorgehobenen - ganz erheblichen Gefährlichkeit des Untergebrachten ist der weitere Vollzug der Maßregel auch nicht unverhältnismäßig.

III.

17

Die Kostenentscheidung beruht auf § 473 Abs. 1 Satz 1 StPO.

IV.

18

Diese Entscheidung des Senats ist nicht weiter anfechtbar, § 304 Abs. 4 Satz 2 StPO.


Tenor

1. Auf die sofortige Beschwerde der Staatsanwaltschaft Kaiserslautern wird der Beschluss der Großen Strafvollstreckungskammer des Landgerichts Landau in der Pfalz vom 7. Juli 2010 geändert und wie folgt neu gefasst:

a) Die Maßregel der Unterbringung in einer Entziehungsanstalt ist mit Ablauf des 14. Juli 2010 erledigt.

b) Die Vollstreckung der Unterbringung des Verurteilten in einem psychiatrischen Krankenhaus wird zur Bewährung ausgesetzt.

c) Die Dauer der kraft Gesetzes eintretenden Führungsaufsicht beträgt 5 Jahre. Für diese Zeit wird der Verurteilte der Aufsicht und Leitung des zuständigen hauptamtlichen Bewährungshelfers unterstellt.

d) Dem Verurteilten werden folgende Weisungen erteilt:

aa) Er hat sich durch eine forensisch-psychiatrische Ambulanz weiter betreuen zu lassen;

bb) Er hat strikte Suchtmittelabstinenz einzuhalten.

cc) Zur Kontrolle der Suchtmittelabstinenz hat er einmal monatlich CDT-Kontrollen und Drogenurinkontrollen vornehmen zu lassen und das Ergebnis dieser Kontrollen unaufgefordert seinem Bewährungshelfer vorzulegen.

dd) Er hat an regelmäßigen Gesprächen in einer Suchtberatungsstelle teilzunehmen.

ee) Er hat für eine Tagesstrukturierung durch berufliche Beschäftigung zu sorgen.

ff) Ein Wohnortwechsel ist nur gemäß Rücksprache mit dem Bewährungshelfer zulässig.

e) Die Belehrung des Verurteilten über die Bedeutung der Führungsaufsicht und die Folgen eines Weisungsverstoßes wird dem Klinikum K. übertragen.

Die weitergehende Beschwerde wird als unbegründet verworfen.

2. Die Landeskasse hat zwei Drittel der im Beschwerdeverfahren entstandenen notwendigen Auslagen des Verurteilten zu tragen. Der Verurteilte hat ein Drittel der im Beschwerdeverfahren entstandenen gerichtlichen Auslagen zu tragen.

Gründe

1

Gegen den Verurteilten, der rechtswidrig, aber schuldlos die Tatbestände der Nötigung, Bedrohung und versuchten gefährlichen Körperverletzung verwirklicht hatte, hat das Landgericht Kaiserslautern durch das im Sicherungsverfahren ergangene Urteil vom 24. April 2008 die Unterbringung in einer Entziehungsanstalt und in einem psychiatrischen Krankenhaus angeordnet. Die Unterbringung in einer Entziehungsanstalt war nach dieser Entscheidung vorab zu vollziehen; insoweit hat die Strafvollstreckungskammer des Landgerichts Landau in der Pfalz seitdem regelmäßig die Fortdauer der Maßnahme angeordnet (§ 67e StGB). Durch den angefochtenen Beschluss vom 7. Juli 2010 wurde nunmehr die Erledigung beider Maßregeln festgestellt, da die Therapie nach § 64 StGB – nach Erreichen der Höchstfrist - zum Erfolg geführt habe und die der Maßnahme nach § 63 StGB zugrunde liegende bipolare affektive Störung stabil remittiert erscheine. Hiergegen richtet sich die sofortige Beschwerde der Staatsanwaltschaft, mit der die Fortdauer der Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus und der Wegfall der hierauf bezogenen Erledigungserklärung erstrebt wird.

2

Das zulässige Rechtsmittel hat in der Sache nur einen Teilerfolg.

3

Soweit die Strafvollstreckungskammer durch den angefochtenen Beschluss die Maßregel der Unterbringung in einer Entziehungsanstalt für erledigt erklärt hat, sind mit der Beschwerde Einwendungen nicht erhoben worden. Auch der Senat sieht insoweit keinen Grund zur Beanstandung.

4

Hinsichtlich der Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus ist entgegen der Auffassung der Beschwerdeführerin die Fortdauer des Vollzugs der Maßregel nicht anzuordnen. Allerdings ist insoweit von der durch die Strafvollstreckungskammer ausgesprochenen Erledigung abzusehen und stattdessen die weitere Vollstreckung zur Bewährung auszusetzen.

5

Gegenüber der angefochtenen Entscheidung kann nicht eingewandt werden, die Frage einer Persönlichkeitsstörung mit Krankheitswert sei nicht hinreichend geprüft worden. In dem von der Kammer zuletzt eingeholten externen Sachverständigengutachten S. vom 7. Juni 2010 wird ausgeführt, dass sich die im Ausgangsverfahren bei dem Verurteilten zugrunde gelegte bipolare Störung nunmehr in einem stabil remittierten Zustand befinde, wobei keine Hinweise auf einen häufigeren Phasenwechsel bestünden. Dieses Gutachten hat die Kammer zu Recht ihrer Entscheidung zugrunde gelegt. Der Senat sieht danach keine Anhaltspunkte, wonach der Gesundheitszustand und die Gefährlichkeit des Verurteilten unter dem Gesichtspunkt einer Persönlichkeitsstörung abweichend zu bewerten sein könnten.

6

Somit kann aber - entgegen der Auffassung der Strafvollstreckungskammer – die Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus nicht wegen Zweckerreichung für erledigt erklärt werden (§§ 72 Abs. 3 S. 2 und 3; 67c Abs. 2 S. 4 und 5 StGB). Nach Auffassung des Senat sind auch in diesem Zusammenhang die gesetzlichen Wertungen des § 67d Abs. 6 StGB zu berücksichtigen (vgl. etwa LK-StGB, 12. Aufl. § 67c Rn. 113; s.a. MK-StGB § 67c Rn. 9, 18). Danach aber kommt eine Erledigung nur dann in Betracht, wenn der im Ausgangsurteil festgestellte Zustand nachträglich vollständig entfallen ist; liegt lediglich eine graduelle Besserung des Zustandes mit der Folge entsprechend geringerer Gefährlichkeit vor, so ist allein Aussetzung der weiteren Vollstreckung zur Bewährung möglich (LK-StGB a.a.O., § 67d Rn. 52 f.). Dies gilt auch dann, wenn das Maß zustandsbedingter Gefährlichkeit in dieser Weise unter die Anordnungsschwelle des § 63 StGB gesunken ist (MK-StGB § 67d Rn. 27 f.).

7

Hier ist bei dem Verurteilten lediglich von einer Besserung des Zustandes und nicht von einer vollständigen Ausheilung auszugehen. Bereits die im Ausgangsverfahren tätige Sachverständige T. hat angenommen, dass die von ihr festgestellte bipolare Störung allein durch eine ambulante Behandlung hätte ausreichend beherrscht werden können; nur durch den beim Verurteilten hinzutretenden Alkoholmissbrauch seien stationäre Maßnahmen erforderlich. Hieran anknüpfend hat die Sachverständige S. nunmehr ausgeführt, auch wenn der Verurteilte im Verlauf seiner Unterbringung im Maßregelvollzug keine eindeutig abgrenzbaren affektiven Erkrankungsphasen gezeigt haben möge, würde dies nicht ergeben, dass die damals erhobene Diagnose nicht zutreffend gewesen sei. Zur Meidung einer erneuten Krankheitsphase sei erforderlich, dass der Verurteilte sich nach wie vor suchtstoffabstinent halte; daneben sei die bisherige Behandlung mit dem Medikament Trimipramin längerfristig beizubehalten, was auch eine entsprechende fachärztliche Betreuung voraussetzt. Dies zeigt, dass die Erkrankung des Verurteilten weiterhin latent vorhanden ist und sich unter ungünstigen Umständen, insbesondere bei weichender Behandlungseinsicht, erneut verschärfen kann.

8

Der Senat ändert daher die angefochtene Entscheidung dahin ab, dass die Vollstreckung der Unterbringung zur Bewährung ausgesetzt wird. Die von der Kammer zutreffend vorgesehenen Weisungen und sonstigen Anordnungen, mit denen sich der Verurteilte ausdrücklich einverstanden erklärt hat, können auch für diesen Fall aufrecht erhalten bleiben. Der Verurteilte wird sich in enger Abstimmung mit Bewährungshelfer und Aufsichtsstelle um eine zuverlässige Erfüllung zu bemühen haben. Die Kostenentscheidung ergibt sich aus § 473 Abs. 2 und 4 StPO.

(1) Die Unterbringung in einer Entziehungsanstalt darf zwei Jahre nicht übersteigen. Die Frist läuft vom Beginn der Unterbringung an. Wird vor einer Freiheitsstrafe eine daneben angeordnete freiheitsentziehende Maßregel vollzogen, so verlängert sich die Höchstfrist um die Dauer der Freiheitsstrafe, soweit die Zeit des Vollzugs der Maßregel auf die Strafe angerechnet wird.

(2) Ist keine Höchstfrist vorgesehen oder ist die Frist noch nicht abgelaufen, so setzt das Gericht die weitere Vollstreckung der Unterbringung zur Bewährung aus, wenn zu erwarten ist, daß der Untergebrachte außerhalb des Maßregelvollzugs keine erheblichen rechtswidrigen Taten mehr begehen wird. Gleiches gilt, wenn das Gericht nach Beginn der Vollstreckung der Unterbringung in der Sicherungsverwahrung feststellt, dass die weitere Vollstreckung unverhältnismäßig wäre, weil dem Untergebrachten nicht spätestens bis zum Ablauf einer vom Gericht bestimmten Frist von höchstens sechs Monaten ausreichende Betreuung im Sinne des § 66c Absatz 1 Nummer 1 angeboten worden ist; eine solche Frist hat das Gericht, wenn keine ausreichende Betreuung angeboten wird, unter Angabe der anzubietenden Maßnahmen bei der Prüfung der Aussetzung der Vollstreckung festzusetzen. Mit der Aussetzung nach Satz 1 oder 2 tritt Führungsaufsicht ein.

(3) Sind zehn Jahre der Unterbringung in der Sicherungsverwahrung vollzogen worden, so erklärt das Gericht die Maßregel für erledigt, wenn nicht die Gefahr besteht, daß der Untergebrachte erhebliche Straftaten begehen wird, durch welche die Opfer seelisch oder körperlich schwer geschädigt werden. Mit der Entlassung aus dem Vollzug der Unterbringung tritt Führungsaufsicht ein.

(4) Ist die Höchstfrist abgelaufen, so wird der Untergebrachte entlassen. Die Maßregel ist damit erledigt. Mit der Entlassung aus dem Vollzug der Unterbringung tritt Führungsaufsicht ein.

(5) Das Gericht erklärt die Unterbringung in einer Entziehungsanstalt für erledigt, wenn die Voraussetzungen des § 64 Satz 2 nicht mehr vorliegen. Mit der Entlassung aus dem Vollzug der Unterbringung tritt Führungsaufsicht ein.

(6) Stellt das Gericht nach Beginn der Vollstreckung der Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus fest, dass die Voraussetzungen der Maßregel nicht mehr vorliegen oder die weitere Vollstreckung der Maßregel unverhältnismäßig wäre, so erklärt es sie für erledigt. Dauert die Unterbringung sechs Jahre, ist ihre Fortdauer in der Regel nicht mehr verhältnismäßig, wenn nicht die Gefahr besteht, dass der Untergebrachte infolge seines Zustandes erhebliche rechtswidrige Taten begehen wird, durch welche die Opfer seelisch oder körperlich schwer geschädigt werden oder in die Gefahr einer schweren körperlichen oder seelischen Schädigung gebracht werden. Sind zehn Jahre der Unterbringung vollzogen, gilt Absatz 3 Satz 1 entsprechend. Mit der Entlassung aus dem Vollzug der Unterbringung tritt Führungsaufsicht ein. Das Gericht ordnet den Nichteintritt der Führungsaufsicht an, wenn zu erwarten ist, dass der Betroffene auch ohne sie keine Straftaten mehr begehen wird.

Ohne Schuld handelt, wer bei Begehung der Tat wegen einer krankhaften seelischen Störung, wegen einer tiefgreifenden Bewußtseinsstörung oder wegen einer Intelligenzminderung oder einer schweren anderen seelischen Störung unfähig ist, das Unrecht der Tat einzusehen oder nach dieser Einsicht zu handeln.

Ist die Fähigkeit des Täters, das Unrecht der Tat einzusehen oder nach dieser Einsicht zu handeln, aus einem der in § 20 bezeichneten Gründe bei Begehung der Tat erheblich vermindert, so kann die Strafe nach § 49 Abs. 1 gemildert werden.

Ohne Schuld handelt, wer bei Begehung der Tat wegen einer krankhaften seelischen Störung, wegen einer tiefgreifenden Bewußtseinsstörung oder wegen einer Intelligenzminderung oder einer schweren anderen seelischen Störung unfähig ist, das Unrecht der Tat einzusehen oder nach dieser Einsicht zu handeln.

Ist die Fähigkeit des Täters, das Unrecht der Tat einzusehen oder nach dieser Einsicht zu handeln, aus einem der in § 20 bezeichneten Gründe bei Begehung der Tat erheblich vermindert, so kann die Strafe nach § 49 Abs. 1 gemildert werden.

Tenor

Der Beschluss des Brandenburgischen Oberlandesgerichts vom 1. November 2012 - 1 Ws 183/12 - verletzt den Beschwerdeführer in seinem Grundrecht aus Artikel 2 Absatz 2 Satz 2 in Verbindung mit Artikel 20 Absatz 3 des Grundgesetzes.

Das Land Brandenburg hat dem Beschwerdeführer seine notwendigen Auslagen zu erstatten.

Damit erledigt sich der Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe und Beiordnung des Rechtsanwalts D.

Gründe

A.

1

Die mit dem Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe und Beiordnung eines Rechtsanwalts verbundene Verfassungsbeschwerde betrifft die Anordnung der Fortdauer der Unterbringung des Beschwerdeführers in einem psychiatrischen Krankenhaus.

I.

2

1. a) Das Landgericht Neuruppin verurteilte den bereits zuvor mehrfach einschlägig in Erscheinung getretenen Beschwerdeführer mit Urteil vom 15. April 1994 wegen sexuellen Missbrauchs von Kindern in vier Fällen und wegen Bedrohung zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von vier Jahren und ordnete zugleich seine Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus gemäß § 63 StGB an.

3

Der Beschwerdeführer hatte zwei zur Tatzeit 10- beziehungsweise 11-jährige Jungen mehrfach unter Androhung von Gewalt gegenüber deren Eltern oder Versprechungen dazu veranlasst, sexuelle Handlungen des Beschwerdeführers und die Anfertigung von Fotos ihrer Geschlechtsteile zu dulden.

4

b) Das sachverständig beratene Landgericht Neuruppin ging von einer erheblich verminderten Schuldfähigkeit des Beschwerdeführers im Sinne von § 21 StGB zur Tatzeit aus. Die bei dem Beschwerdeführer diagnostizierte Persönlichkeitsstörung, die sich primär durch eine Störung der Bindungsfähigkeit und eine intellektuelle Retardierung entwickelt habe und durch dissoziale, paranoide und querulatorische Züge sowie eine psychosexuelle Beeinträchtigung begleitet werde, erfülle die Voraussetzungen einer schweren anderen seelischen Abartigkeit im Sinne von § 20 StGB. Der Beschwerdeführer sei aufgrund dieser Erkrankung nicht in der Lage gewesen, nach einer vorhandenen Unrechtseinsicht zu handeln. Von ihm seien infolge seines Zustandes auch zukünftig erhebliche rechtswidrige Taten zu erwarten, da er in seinen sexuellen Vorstellungen und Wünschen auf 9- bis 13-jährige Kinder fixiert sei und sich jeder Therapiemöglichkeit verweigere.

5

c) Nach vollständiger Verbüßung der Gesamtfreiheitsstrafe befindet sich der Beschwerdeführer seit dem 24. Juli 1998 im Maßregelvollzug, derzeit im A. Fachklinikum B.

6

2. Nachdem das Landgericht Potsdam mit Beschluss vom 16. März 2011 die Fortdauer der Unterbringung des Beschwerdeführers in einem psychiatrischen Krankenhaus angeordnet hatte, erging ein erneuter Fortdauerbeschluss nach der mündlichen Anhörung des Beschwerdeführers am 6. März 2012. Der Beschluss wurde am 16. August 2012 zur Zustellung an die Beteiligten abgesandt und am 17. August 2012 zugestellt. Zur Begründung seiner Fortdauerentscheidung führte das Landgericht aus:

7

Die Voraussetzungen des § 67d Abs. 2 StGB lägen nicht vor, weil nicht zu erwarten sei, dass der Beschwerdeführer außerhalb des Maßregelvollzugs keine erheblichen rechtswidrigen Taten mehr begehen werde.

8

a) aa) Die behandelnden Ärzte hätten im Rahmen ihrer Stellungnahme die Ausgangsdiagnosen einer leichten Intelligenzminderung mit deutlichen Verhaltensstörungen (ICD 10 F 70.1), die Beobachtung und Behandlung erfordere, sowie einer homosexuellen Pädophilie (ICD 10 F 65.4) bestätigt. Der Beschwerdeführer habe aufgrund seiner bekannten Frustrationsintoleranz auf verschiedenen Stationen untergebracht werden müssen. Er verweigere nach wie vor die Teilnahme an sämtlichen Therapien, insbesondere einer Kriminaltherapie, und bringe zudem deutlich zum Ausdruck, dass er, soweit er die Gelegenheit dazu erhalte, wieder den Kontakt zu Kindern suchen werde.

9

bb) Der Beschwerdeführer sei im Berichtszeitraum auch durch einen externen Gutachter, den die behandelnde Klinik gemäß § 37 des Gesetzes über Hilfen und Schutzmaßnahmen sowie über den Vollzug gerichtlich angeordneter Unterbringung für psychisch kranke und seelisch behinderte Menschen im Land Brandenburg (Brandenburgisches Psychisch-Kranken-Gesetz - BbgPsychKG) beauftragt habe, untersucht worden. In seinem Gutachten sei dieser zu dem Ergebnis gelangt, dass der Beschwerdeführer zum Tatzeitpunkt nicht vermindert schuldfähig gewesen sei. Er habe dem Handlungsimpuls Widerstand entgegensetzen können, es jedoch nicht gewollt. Prognostisch seien Straftaten allerdings nur zu vermeiden, wenn der Beschwerdeführer lebenslang triebdämpfende Medikamente einnehme oder eine chirurgische Kastration vornehmen lasse. Da der Beschwerdeführer beides ablehne, sei er für Kinder weiterhin gefährlich.

10

cc) Die behandelnde Klinik vertrete demgegenüber die Auffassung, dass der Beschwerdeführer nicht in der Lage sei, seine Bedürfnisse aufzuschieben, so dass seine Steuerungsfähigkeit erheblich vermindert sei.

11

b) aa) Soweit das Gutachten nach § 37 BbgPsychKG - unter Bestätigung der Diagnosen - zu dem Ergebnis gelangt sei, dass der Beschwerdeführer zum Tatzeitpunkt nicht im Zustand verminderter Schuldfähigkeit gehandelt habe, könne diese Auffassung keine Berücksichtigung finden, weil das Landgericht die rechtliche Würdigung des Tatgerichts, dass die Störung die Anwendung der §§ 20, 21 StGB rechtfertige, hinnehmen müsse. Insoweit verbiete die materielle Rechtskraft des Urteils eine andere Bewertung. Vor diesem Hintergrund habe es auch nicht der mündlichen Anhörung des Sachverständigen und einer Auseinandersetzung mit seinen lediglich in diesem Punkt von den Ärzten abweichenden Ansichten bedurft.

12

bb) Der Beschwerdeführer sei nach wie vor nicht zur therapeutischen Aufarbeitung seiner devianten sexuellen Entwicklung sowie der durch ihn begangenen Straftaten bereit. Aufgrund des unveränderten Therapiestandes sei daher von einem hohen Rückfallrisiko bezüglich sexueller Übergriffe auf Kinder und mithin von der fortbestehenden Gefährlichkeit des Beschwerdeführers für die Allgemeinheit auszugehen, so dass die Fortdauer der Unterbringung unabdingbar sei. Diese sei trotz ihrer bereits langen Dauer angesichts des bei einem Rückfall bedrohten Rechtsgutes auch nicht unverhältnismäßig.

13

3. Das Brandenburgische Oberlandesgericht verwarf die gegen diesen Beschluss gerichtete sofortige Beschwerde des Beschwerdeführers mit angegriffenem Beschluss vom 1. November 2012 als unbegründet.

14

a) aa) Eine positive Kriminalprognose, wie sie § 67d Abs. 2 StGB fordere, habe das Landgericht Potsdam dem Beschwerdeführer mit ausführlicher und überzeugender Begründung, auf die Bezug genommen werde, nicht gestellt. Es habe seine Entscheidung dabei auf die Stellungnahme der behandelnden Klinik stützen dürfen, da diese eine hinreichend gesicherte Tatsachengrundlage schaffe. In Ansehung der von dem Beschwerdeführer begangenen gravierenden Straftaten erweise sich die Dauer der bisherigen Unterbringung zudem als verhältnismäßig.

15

bb) (1) Soweit der Beschwerdeführer geltend mache, aus dem Gutachten des externen Sachverständigen ergebe sich, dass das Landgericht Neuruppin bei seiner Verurteilung zu Unrecht von einer verminderten Schuldfähigkeit ausgegangen sei und die Voraussetzungen des § 63 StGB damit von Anfang an nicht vorgelegen hätten, sei dies im vorliegenden Verfahren ohne Bedeutung. Das Landgericht habe es zu Recht abgelehnt, die Maßregel nach § 67d Abs. 6 StGB für erledigt zu erklären. Auf den Fall, dass bereits die Anordnung der Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus auf einer Fehldiagnose beruhe, also eine Fehleinweisung vorliege, sei die Vorschrift nicht anwendbar.

16

(2) Einer mündlichen Anhörung des externen Sachverständigen habe es daher nicht bedurft. Die Vorschriften der § 463 Abs. 4 Satz 4, § 454 Abs. 2 Satz 2 StPO, die eine Anhörung des externen Sachverständigen vorsähen, seien unmittelbar nur auf vom Gericht veranlasste Begutachtungen anwendbar. Von der behandelnden Klinik aufgrund landesrechtlicher Vorschriften in Auftrag gegebene Gutachten zögen allenfalls eine Anhörungspflicht nach sich, wenn das Gericht seine Entscheidung maßgeblich auf ein solches Gutachten stütze. Vorliegend habe das Landgericht sich jedoch aus den dargestellten Gründen nicht auf das Gutachten des externen Sachverständigen gestützt.

17

b) Der Beschluss des Landgerichts unterliege auch nicht wegen einer Überschreitung der Jahresfrist des § 67e Abs. 1 Satz 2, Abs. 2 StGB der Aufhebung.

18

Im Zeitpunkt der mündlichen Anhörung des Beschwerdeführers am 6. März 2012 sei die Jahresfrist des § 67e Abs. 2 StGB noch nicht abgelaufen gewesen. Das spätere Versäumnis des Landgerichts, die angefochtene Entscheidung erst über fünf Monate nach Ablauf der Jahresfrist abzufassen und zuzustellen, sei nicht geeignet, die Aufhebung des Beschlusses zu begründen. Eine nicht mehr vertretbare Fehlhaltung gegenüber dem das Grundrecht sichernden Verfahrensrecht, die auf eine grundsätzlich unrichtige Anschauung von der Bedeutung des Grundrechts schließen lasse, sei der Sachbehandlung durch das Landgericht nicht zu entnehmen, zumal die Fristüberschreitung als relativ mäßig anzusehen sei und die Situation des Beschwerdeführers sich seit März 2012 nicht entscheidend verändert habe.

19

4. Die Fortdauer der Unterbringung wurde zwischenzeitlich erneut mit Beschluss des Landgerichts Potsdam vom 12. April 2013 angeordnet. Die hiergegen gerichtete sofortige Beschwerde hat das Brandenburgische Oberlandesgericht mit Beschluss vom 27. Juni 2013 verworfen.

II.

20

Der Beschwerdeführer sieht sich durch den angegriffenen Beschluss in seinem Grundrecht aus Art. 2 Abs. 2 Satz 2 GG verletzt.

21

Für das Verfahren der Überprüfung der Unterbringung gelte das Gebot bestmöglicher Sachaufklärung, welches insbesondere die Pflicht zur Hinzuziehung eines erfahrenen Sachverständigen begründe, soweit es um Prognoseentscheidungen gehe, bei denen geistige und seelische Anomalien in Frage stünden. Insoweit sei die Hinzuziehung eines externen Sachverständigen umso dringender notwendig, wenn - wie vorliegend - nicht nur die Frage der aktuellen Gefährlichkeit des Untergebrachten einzuschätzen, sondern sogar die Frage nach einer möglichen Fehleinweisung zu klären sei. Da die Gerichte - obwohl zureichende tatsächliche Anhaltspunkte für das Vorliegen einer Fehleinweisung vorgelegen hätten - auf die mündliche Anhörung des durch die Klinik beauftragten externen Sachverständigen verzichtet hätten, sei ein Verstoß gegen Art. 2 Abs. 2 Satz 2 GG zu bejahen.

III.

22

1. a) Der Generalbundesanwalt beim Bundesgerichtshof hält die Verfassungsbeschwerde für aussichtsreich. Die Ausführungen des Oberlandesgerichts, mit denen es die Überschreitung der Prüfungsfrist des § 67e Abs. 2 StGB gebilligt habe, würden den von der Schutzfunktion dieser Obliegenheit für das Freiheitsrecht geprägten verfassungsrechtlichen Anforderungen nicht gerecht (aa). Darüber hinaus unterlägen die Darlegungen zur Begründung des Absehens von einer mündlichen Anhörung des externen Sachverständigen im Hinblick auf die umfassende Pflicht zur Sachaufklärung Bedenken (bb).

23

aa) Die im Hinblick auf die fünfmonatige Überschreitung der Prüffrist des § 67e Abs. 2 StGB durch das Oberlandesgericht getätigten Ausführungen trügen weder der besonderen grundrechtssichernden Funktion der Prüffrist als solcher hinreichend Rechnung noch gingen sie näher auf den Gehalt der spezifischen Ursache für die Verzögerung und deren beträchtliche Dauer ein.

24

bb) Darüber hinaus habe es weiterer Aufklärung bedurft, ob der externe Sachverständige seine Aussagen zur Schuldfähigkeit des Beschwerdeführers nur auf den Zeitpunkt der Begehung der Anlasstaten bezogen oder ihnen Gültigkeit auch für die jetzige Einschätzung des Zustandes des Beschwerdeführers habe zugestehen wollen. Auf diese Frage sei das Oberlandesgericht indes nicht eingegangen, sondern habe das Gutachten bereits aus rechtlichen Gründen als irrelevant angesehen. Infolgedessen habe es aber eine umfassende Würdigung des Gutachtens in seinem möglichen Einfluss auf die aktuell zu treffende Bewertung nicht vorgenommen. Dies lege eine Verkürzung des Anspruchs des Beschwerdeführers auf umfassende Sachaufklärung nahe.

25

b) Das Ministerium der Justiz des Landes Brandenburg hat von einer Stellungnahme abgesehen.

26

2. Dem Bundesverfassungsgericht haben die Akten A130d Js 894/93 der Staatsanwaltschaft Neuruppin vorgelegen.

B.

27

Die Kammer nimmt die Verfassungsbeschwerde zur Entscheidung an und gibt ihr statt. Die Voraussetzungen für eine stattgebende Kammerentscheidung nach § 93c Abs. 1 Satz 1 in Verbindung mit § 93a Abs. 2 BVerfGG sind erfüllt. Das Bundesverfassungsgericht hat die für die Beurteilung der Verfassungsbeschwerde maßgeblichen verfassungsrechtlichen Fragen - insbesondere die sich aus dem Verhältnismäßigkeitsgrundsatz ergebenden Anforderungen an die Anordnung der Fortdauer lang andauernder Unterbringungen in einem psychiatrischen Krankenhaus - bereits entschieden (§ 93c Abs. 1 Satz 1 BVerfGG; vgl. BVerfGE 70, 297). Die Annahme der Verfassungsbeschwerde ist auch zur Durchsetzung des Grundrechts des Beschwerdeführers aus Art. 2 Abs. 2 Satz 2 in Verbindung mit Art. 20 Abs. 3 GG angezeigt (§ 93a Abs. 2 Buchstabe b BVerfGG). Die zulässige Verfassungsbeschwerde ist offensichtlich begründet (§ 93c Abs. 1 Satz 1 BVerfGG).

I.

28

Der Zulässigkeit der Verfassungsbeschwerde steht nicht entgegen, dass der angegriffene Beschluss des Brandenburgischen Oberlandesgerichts vom 1. November 2012 sowie der diesem zugrunde liegende Beschluss des Landgerichts Potsdam vom 6. März 2012 nicht mehr die aktuelle Grundlage der Vollstreckung bilden, sondern prozessual überholt sind. Denn die angegriffene Entscheidung war - in Verbindung mit dem Beschluss des Landgerichts Potsdam vom 6. März 2012 - Grundlage eines tiefgreifenden Eingriffs in das Grundrecht des Beschwerdeführers auf Freiheit der Person aus Art. 2 Abs. 2 Satz 2 GG (vgl. BVerfGE 128, 326 <389>). Der Beschwerdeführer hat daher ein fortbestehendes schutzwürdiges Interesse an einer nachträglichen verfassungsrechtlichen Überprüfung und gegebenenfalls einer hierauf bezogenen Feststellung der Verfassungswidrigkeit dieses Grundrechtseingriffs durch das Bundesverfassungsgericht (vgl. BVerfGE 9, 89 <92 ff.>; 32, 87 <92>; 53, 152 <157 f.>; 91, 125 <133>; 104, 220 <234 f.>).

II.

29

Der angegriffene Beschluss des Brandenburgischen Oberlandesgerichts vom 1. November 2012 verletzt den Beschwerdeführer in seinem Freiheitsgrundrecht aus Art. 2 Abs. 2 Satz 2 in Verbindung mit Art. 20 Abs. 3 GG, weil er den Anforderungen, die sich aus dem Verhältnismäßigkeitsgrundsatz für die Anordnung der Fortdauer der Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus ergeben, nicht genügt. Weder weist der Beschluss die verfassungsrechtlich gebotene Begründungstiefe auf (1), noch kann ihm entnommen werden, dass die Überschreitung der Frist des § 67e Abs. 2 StGB hinreichend gerechtfertigt ist (2).

30

1. a) aa) Art. 2 Abs. 2 Satz 2 GG gewährleistet jedermann die Freiheit der Person und nimmt einen hohen Rang unter den Grundrechten ein. Das kommt darin zum Ausdruck, dass Art. 2 Abs. 2 Satz 2 GG die Freiheit der Person als "unverletzlich" bezeichnet, Art. 104 Abs. 1 Satz 1 GG ihre Beschränkung nur aufgrund eines förmlichen Gesetzes zulässt und Art. 104 Abs. 2 bis 4 GG besondere Verfahrensgarantien für ihre Beschränkung statuiert (vgl. BVerfGE 35, 185 <190>; 109, 133 <157>; 128, 326 <372>).

31

Die Freiheit der Person darf nur aus besonders gewichtigen Gründen und unter strengen formellen Gewährleistungen eingeschränkt werden. Zu diesen Gründen gehören in erster Linie solche des Strafrechts und des Strafverfahrensrechts. Eingriffe in die persönliche Freiheit auf diesem Gebiet dienen vor allem dem Schutz der Allgemeinheit (vgl. BVerfGE 22, 180 <219>; 45, 187 <223>; 58, 208 <224 f.>); zugleich haben die gesetzlichen Eingriffstatbestände freiheitsgewährleistende Funktion, da sie die Grenzen zulässiger Einschränkung der Freiheit der Person bestimmen. Das gilt auch für die Regelung der Unterbringung eines schuldunfähigen oder erheblich vermindert schuldfähigen Straftäters, von dem infolge seines Zustandes erhebliche rechtswidrige Taten zu erwarten sind, in einem psychiatrischen Krankenhaus gemäß § 63 StGB (vgl. BVerfGE 70, 297 <307>).

32

bb) Die freiheitssichernde Funktion des Art. 2 Abs. 2 GG hat auch verfahrensrechtliche Bedeutung. Unverzichtbare Voraussetzung eines rechtsstaatlichen Verfahrens ist, dass Entscheidungen, die den Entzug der persönlichen Freiheit betreffen, auf zureichender richterlicher Sachaufklärung beruhen (vgl. BVerfGE 58, 208 <222>) und eine in tatsächlicher Hinsicht genügende Grundlage haben, die der Bedeutung der Freiheitsgarantie entspricht (vgl. BVerfGE 58, 208 <230>).

33

cc) Der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit beherrscht Anordnung und Fortdauer der Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus. Das hier bestehende Spannungsverhältnis zwischen dem Freiheitsanspruch des betroffenen Einzelnen und dem Sicherungsbedürfnis der Allgemeinheit vor zu erwartenden erheblichen Rechtsgutverletzungen verlangt nach gerechtem und vertretbarem Ausgleich. Dieser lässt sich für die Entscheidung über die Aussetzung der Maßregelvollstreckung nur dadurch bewirken, dass die Sicherungsbelange und der Freiheitsanspruch des Untergebrachten als wechselseitiges Korrektiv gesehen und im Einzelfall gegeneinander abgewogen werden (BVerfGE 70, 297 <311>). Der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit ist in die Prüfung der Aussetzungsreife der Maßregel nach § 67d Abs. 2 StGB einzubeziehen (integrative Betrachtung). Die darauf aufbauende Gesamtwürdigung hat die von dem Täter ausgehenden Gefahren zur Schwere des mit der Maßregel verbundenen Eingriffs ins Verhältnis zu setzen (vgl. BVerfGE 70, 297 <312 f.>).

34

dd) Je länger die Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus gemäß § 63 StGB andauert, umso strenger sind die Voraussetzungen für die Verhältnismäßigkeit des Freiheitsentzugs. Bei langdauernden Unterbringungen in einem psychiatrischen Krankenhaus (§ 63 StGB) wirkt sich das zunehmende Gewicht des Freiheitsanspruchs bei der Verhältnismäßigkeitsprüfung auch auf die an die Begründung einer Entscheidung zu stellenden Anforderungen aus. In diesen Fällen engt sich der Bewertungsrahmen des Strafvollstreckungsrichters ein; mit wachsender Intensität des Freiheitseingriffs wächst auch die verfassungsgerichtliche Kontrolldichte. Dem lässt sich dadurch Rechnung tragen, dass der Richter seine Würdigung eingehender abfasst, sich also nicht etwa mit knappen, allgemeinen Wendungen begnügt, sondern seine Bewertung anhand der dargestellten einfachrechtlichen Kriterien substantiiert offenlegt. Erst dadurch wird es möglich, im Rahmen verfassungsgerichtlicher Kontrolle nachzuvollziehen, ob die von dem Täter ausgehende Gefahr seinen Freiheitsanspruch gleichsam aufzuwiegen vermag (vgl. BVerfGE 70, 297 <315 f.>; BVerfG, Beschluss der 2. Kammer des Zweiten Senats vom 4. Oktober 2012 - 2 BvR 442/12 -, NStZ-RR 2013, S. 72 <73>).

35

Zu verlangen ist die Konkretisierung der Art und des Grades der Wahrscheinlichkeit zukünftiger rechtswidriger Taten, die von dem Untergebrachten drohen (vgl. BVerfGE 70, 297 <315 f.>; BVerfG, Beschluss der 2. Kammer des Zweiten Senats vom 17. Februar 2014 - 2 BvR 1795/12, 2 BvR 12 BvR 1852/13 -, juris, Rn. 42). Dabei ist auf die Besonderheiten des jeweiligen Einzelfalles einzugehen. Zu erwägen sind das frühere Verhalten des Untergebrachten und von ihm bislang begangene Taten. Abzuheben ist aber auch auf die seit Anordnung der Maßregel eingetretenen Umstände, die für die künftige Entwicklung bestimmend sind. Dazu gehören der Zustand des Untergebrachten und die künftig zu erwartenden Lebensumstände (vgl. BVerfGE 70, 297 <314 f.>; BVerfGK 16, 501 <506>; BVerfG, Beschluss der 2. Kammer des Zweiten Senats vom 17. Februar 2014 - 2 BvR 1795/12, 2 BvR 12 BvR 1852/13 -, juris, Rn. 40; BVerfG, Beschluss der 2. Kammer des Zweiten Senats vom 4. Oktober 2012 - 2 BvR 442/12 -, juris, Rn. 15).

36

Genügen die Gründe einer Entscheidung über die Fortdauer einer bereits außergewöhnlich lange währenden Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus diesen Maßstäben nicht, so führt dies dazu, dass die Freiheit der Person des Untergebrachten nicht rechtmäßig eingeschränkt werden kann; sein Grundrecht aus Art. 2 Abs. 2 Satz 2 GG ist verletzt, weil es an einer verfassungsrechtlich tragfähigen Grundlage für die Unterbringung fehlt (vgl. BVerfGE 70, 297 <316 f.>).

37

b) Die Vorschriften über die regelmäßige Überprüfung der weiteren Vollstreckung der Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus (§ 67d Abs. 2 und Abs. 6, § 67e StGB) dienen der Wahrung des Übermaßverbots bei der Beschränkung des Grundrechts aus Art. 2 Abs. 2 Satz 2 GG (vgl. BVerfGK 4, 176 <181>; 5, 67 <68>). Zwar führt nicht jede Verzögerung des Geschäftsablaufs, die eine Überschreitung der Frist zur Folge hat, automatisch auch zu einer Grundrechtsverletzung, weil es zu solchen Verzögerungen auch bei sorgfältiger Führung des Verfahrens kommen kann (vgl. BVerfGK 4, 176 <181>). Die Missachtung der Vorschriften zur regelmäßigen Überprüfung der Fortdauer einer Unterbringung kann aber gegen das Grundrecht aus Art. 2 Abs. 2 Satz 2 GG verstoßen, wenn sie auf einer Fehlhaltung gegenüber dem das Grundrecht sichernden Verfahrensrecht beruht, die auf eine grundsätzlich unrichtige Anschauung von der Bedeutung des Grundrechts schließen lässt (vgl. BVerfGE 18, 85 <93>; 72, 105 <114 f.>; 109, 133 <163>). Gründe für eine etwaige Fristüberschreitung sind zur verfahrensrechtlichen Absicherung des Grundrechts aus Art. 2 Abs. 2 Satz 2 GG in der Fortdauerentscheidung darzulegen (vgl. BVerfG, Beschluss der 3. Kammer des Zweiten Senats vom 22. November 2011 - 2 BvR 1334/10 -, juris, Rn. 16).

38

2. Nach diesen Maßstäben verletzt der angegriffene Beschluss des Brandenburgischen Oberlandesgerichts vom 1. November 2012 den Beschwerdeführer in seinem Grundrecht aus Art. 2 Abs. 2 Satz 2 in Verbindung mit Art. 20 Abs. 3 GG.

39

a) Das Oberlandesgericht hat sich mit den Ausführungen des Sachverständigen in dem nach § 37 BbgPsychKG erstellten Gutachten vom 31. Oktober 2011, wonach eine erhebliche Verminderung der Einsichts- und Steuerungsfähigkeit des Beschwerdeführers im Sinne von § 21 StGB bereits bei Begehung der dem Ausgangsurteil zugrundeliegenden Delikte nicht bestanden habe und daher das Vorliegen der Voraussetzungen des § 63 StGB höchst fraglich sei, gleichwohl aber eine hohe Rückfallgefahr für den Anlassdelikten vergleichbare sexuelle Übergriffe bestehe, nicht hinreichend auseinandergesetzt. Zwar ist die Auffassung des Oberlandesgerichts, in Fällen einer "rechtlichen Fehleinweisung" sei für eine Erledigterklärung der Unterbringung gemäß § 67d Abs. 6 StGB kein Raum, verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden (aa). Bei der Prüfung der Aussetzungsreife der Maßregel gemäß § 67d Abs. 2 StGB hätte das Gericht sich aber im Rahmen der durch den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit gebotenen Abwägung der Sicherungsbelange der Allgemeinheit und des Freiheitsanspruchs des Beschwerdeführers mit den Ausführungen des Sachverständigen zur Einsichts- und Steuerungsfähigkeit des Beschwerdeführers befassen müssen. Da es dies nicht getan hat, fehlt der angegriffenen Entscheidung die verfassungsrechtlich erforderliche Begründungstiefe (bb).

40

aa) Gemäß § 67d Abs. 6 StGB ist die weitere Vollstreckung einer Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus für erledigt zu erklären, wenn das Gericht nach Beginn der Vollstreckung der Unterbringung feststellt, dass die Voraussetzungen der Maßregel nicht mehr vorliegen oder die weitere Vollstreckung der Maßregel unverhältnismäßig wäre. Nach Auffassung des Oberlandesgerichts ist diese Vorschrift selbst für den Fall, dass entsprechend den Feststellungen des Sachverständigen in seinem Gutachten gemäß § 37 BbgPsychKG die Einsichts- und Steuerungsfähigkeit des Beschwerdeführers im Tatzeitpunkt nicht vermindert war und daher eine "rechtliche Fehleinweisung" vorlag, vorliegend nicht anwendbar. Hiergegen ist verfassungsrechtlich nichts zu erinnern.

41

(1) Mit der Einführung des § 67d Abs. 6 StGB wollte der Gesetzgeber der in der Rechtsprechung vertretenen Auffassung Rechnung tragen, dass sich bei Wegfall einer gesetzlichen Voraussetzung des § 63 StGB die Unterbringung erledigt und nicht weiter vollstreckt werden darf. Die Frage, ob möglicherweise die Unterbringungsdiagnose fehlerhaft war, stelle sich demgegenüber im Erledigungsverfahren nicht. Das Gericht habe sich in diesem Verfahren nur mit der Frage zu befassen, ob im Zeitpunkt seiner Entscheidung ein schuldausschließender oder -vermindernder Zustand im Sinne der §§ 20, 21 StGB besteht (vgl. Entwurf eines Gesetzes zur Einführung der nachträglichen Sicherungsverwahrung vom 2. April 2004, BTDrucks 15/2887, S. 14).

42

(2) Vor diesem Hintergrund hat das Bundesverfassungsgericht festgestellt, dass es von Verfassungs wegen - auch unter Berücksichtigung des besonderen Gewichts des Freiheitsgrundrechts - nicht zu beanstanden ist, dass § 67d Abs. 6 StGB in Fällen ausschließlich fehlerhafter Rechtsanwendung in einem die Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus anordnenden Urteil keine Anwendung findet (vgl. BVerfG, Beschluss der 3. Kammer des Zweiten Senats vom 19. Oktober 2006 - 2 BvR 1486/06 -, juris, Rn. 3). Bei der rechtlichen Zuordnung der unstreitigen tatsächlichen Feststellungen zu den Eingangsmerkmalen der §§ 20, 21 StGB handele es sich um einen juristischen Subsumtionsvorgang, der der Rechtskraft fähig sei, und für den als solchen keine Wiederaufnahmemöglichkeit bestehe. Es sei fernliegend anzunehmen, dass der Gesetzgeber trotz der Rechtskraftproblematik eine zur bisherigen Praxis gegenteilige Behandlung rechtsfehlerhafter Einweisungen gleichsam nebenher habe mitregeln wollen (vgl. BVerfG, Beschluss der 3. Kammer des Zweiten Senats vom 19. Oktober 2006 - 2 BvR 1486/06 -, juris, Rn. 4).

43

Demgemäß ist vorliegend, selbst wenn - wovon der Sachverständige in seinem Gutachten gemäß § 37 BbgPsychKG auszugehen scheint - eine rechtliche Fehleinweisung vorläge, für eine Erledigterklärung der Unterbringung gemäß § 67d Abs. 6 StGB kein Raum.

44

bb) Das Oberlandesgericht hätte sich aber mit den Ausführungen des Sachverständigen zur Einsichts- und Steuerungsfähigkeit des Beschwerdeführers im Rahmen der Prüfung der Aussetzungsreife der Maßregel gemäß § 67d Abs. 2 StGB befassen müssen.

45

Aufgrund der Einbeziehung des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit in diese Prüfung (integrative Betrachtung) hatte das Oberlandesgericht in einer Gesamtwürdigung die vom Beschwerdeführer zum Zeitpunkt der Fortdauerentscheidung ausgehenden Gefahren zur Schwere des mit der Fortdauer der Unterbringung verbundenen Eingriffs in sein Freiheitsrecht ins Verhältnis zu setzen. Dabei war zu berücksichtigen, dass die Unterbringung des Beschwerdeführers bereits mehr als 14 Jahre andauerte und demgemäß die Strafobergrenze der begangenen und nach Darstellung des Gerichts künftig zu erwartenden Delikte von zehn Jahren Freiheitsstrafe überschritten war. Angesichts dieser langen Dauer der Unterbringung und des daraus resultierenden Gewichts des Freiheitsrechts des Beschwerdeführers war das Oberlandesgericht verpflichtet, in einer der gesteigerten gerichtlichen Kontrolldichte Rechnung tragenden Weise unter Berücksichtigung sämtlicher Umstände des vorliegenden Falles die Art und den Grad der Wahrscheinlichkeit zukünftiger rechtswidriger Taten des Beschwerdeführers zu bestimmen und auf dieser Grundlage eine Abwägung des Freiheitsgrundrechts des Beschwerdeführers mit den Sicherungsinteressen der Allgemeinheit vorzunehmen und nachvollziehbar darzulegen.

46

Dabei kann die Frage, ob und inwieweit der Beschwerdeführer zum Zeitpunkt der Entscheidung über die Fortdauer der Unterbringung in der Lage ist, das Unrecht künftiger Taten einzusehen und nach dieser Einsicht zu handeln, nicht außer Betracht bleiben. Demgemäß hätte es einer Auseinandersetzung mit den diesbezüglichen Ausführungen des Sachverständigen in seinem Gutachten gemäß § 37 BbgPsychKG vom 31. Oktober 2011 bedurft. Insbesondere hätte das Oberlandesgericht sich mit der Frage befassen müssen, ob die Behauptung des Sachverständigen, eine erhebliche Verminderung der Steuerungsfähigkeit des Beschwerdeführers sei nicht anzunehmen, lediglich auf den Zeitpunkt der Begehung der Ausgangsdelikte oder auch auf den Zeitpunkt der Fortdauerentscheidung zu beziehen ist. Gegebenenfalls hätte es insoweit weiterer Sachaufklärung bedurft. Sodann wäre zu klären gewesen, welche Konsequenzen sich hieraus für die Wahrscheinlichkeit künftiger rechtswidriger Taten und die Verhältnismäßigkeit der Fortdauer der Unterbringung ergeben. Soweit das Gericht seine Entscheidung lediglich auf die Stellungnahme der Unterbringungseinrichtung hätte stützen wollen, hätte es zumindest nachvollziehbar begründen müssen, warum die entgegenstehenden Ausführungen des Sachverständigen zur Einsichts- und Steuerungsfähigkeit des Beschwerdeführers außer Betracht bleiben können. Zu all diesen Fragen verhält sich das Oberlandesgericht nicht. Damit wird es den verfassungsrechtlichen Anforderungen an die Begründung seiner Entscheidung im Rahmen des § 67d Abs. 2 StGB nicht gerecht.

47

b) Auch die Billigung der bis zur Zustellung des Fortdauerbeschlusses mehr als fünfmonatigen Überschreitung der Prüfungsfrist des § 67e StGB im angegriffenen Beschluss des Oberlandesgerichts verletzt den Beschwerdeführer in seinem Grundrecht aus Art. 2 Abs. 2 Satz 2 GG. Die Gründe, die das Gericht für die Überschreitung der Frist des § 67e Abs. 2 StGB anführt, sind nicht geeignet, die Verzögerung der Entscheidung zu rechtfertigen, und sprechen dafür, dass die Missachtung dieser Frist auf einer Fehlhaltung gegenüber dem Freiheitsgrundrecht des Beschwerdeführers beruht.

48

aa) Soweit das Oberlandesgericht geltend macht, im Zeitpunkt der Anhörung des Beschwerdeführers und der mündlichen Beschlussfassung am 6. März 2012 sei die Jahresfrist des § 67e Abs. 2 StGB noch nicht abgelaufen gewesen, lässt das Gericht außer Acht, dass die rechtzeitige Abfassung der schriftlichen Beschlussgründe für das Verfahren von wesentlicher Bedeutung ist. Mit dem Betreiben des Verfahrens bis zur Entscheidungsreife und der mündlichen Entscheidung ist die Frist des § 67e Abs. 2 StGB nicht gewahrt, da erst mit der Zustellung der schriftlichen Beschlussgründe die Beschwerdefrist des § 311 Abs. 2 StPO in Lauf gesetzt wird. Mit Blick auf das Freiheitsgrundrecht aus Art. 2 Abs. 2 Satz 2 GG macht es keinen Unterschied, ob die Beschlussfassung als solche oder die Mitteilung der Beschlussgründe verspätet erfolgt, weil der Untergebrachte sich in beiden Fällen - bei andauernder Freiheitsentziehung - nicht in der Lage sieht, über seine weiteren Rechtsschutzmöglichkeiten zur Durchsetzung seines möglicherweise verletzten Freiheitsanspruchs zu entscheiden.

49

bb) Soweit das Oberlandesgericht ausführt, dass die über fünfmonatige Fristüberschreitung noch "relativ mäßig" sei, ist dies vor dem Hintergrund, dass die gesamte Prüffrist lediglich ein Jahr beträgt, nicht nachvollziehbar.

50

cc) Schließlich kann auch die Feststellung, dass sich die Situation des Beschwerdeführers seit Ablauf der Prüffrist im März 2012 nicht entscheidend geändert habe, die Fristüberschreitung nicht rechtfertigen. Durch die Frist soll gerade eine fortlaufende und regelmäßige Überprüfung der Unterbringungsvoraussetzungen gesichert werden. Eine rückwirkende Betrachtung des Überschreitungszeitraums ist nicht geeignet, ein Kontrolldefizit auszugleichen.

III.

51

Es ist daher festzustellen, dass der angegriffene Beschluss des Brandenburgischen Oberlandesgerichts vom 1. November 2012 den Beschwerdeführer in seinem Grundrecht aus Art. 2 Abs. 2 Satz 2 in Verbindung mit Art. 20 Abs. 3 GG verletzt. Er ist jedoch nicht aufzuheben, da er durch die Fortdauerentscheidung des Landgerichts Potsdam vom 12. April 2013 und die Beschwerdeentscheidung des Brandenburgischen Oberlandesgerichts vom 27. Juni 2013 mittlerweile prozessual überholt ist.

52

Die Entscheidung über die Erstattung der notwendigen Auslagen beruht auf § 34a Abs. 2 BVerfGG.

53

Damit erledigt sich der Antrag des Beschwerdeführers auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe und Beiordnung von Rechtsanwalt Martin D. (vgl. BVerfGE 105, 1 <17> m.w.N.).

Tenor

Die Verfassungsbeschwerde wird nicht zur Entscheidung angenommen.

Gründe

1

Die Verfassungsbeschwerde richtet sich gegen die Fortdauer der Unterbringung des Beschwerdeführers in einem psychiatrischen Krankenhaus.

I.

2

1. Gegen den Beschwerdeführer wurde durch Urteil des Landgerichts Hannover vom 24. September 2004 wegen schweren sexuellen Missbrauchs eines Kindes in Tateinheit mit sexueller Nötigung eine Freiheitsstrafe von zwei Jahren und neun Monaten verhängt und die Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus angeordnet. Die Unterbringung wird seit dem 22. November 2004 vollstreckt.

3

2. Nach Einholung einer Stellungnahme der Maßregelvollzugseinrichtung und eines Gutachtens sowie einer ergänzenden gutachterlichen Stellungnahme des Sachverständigen Prof. K. ordnete das Landgericht Göttingen mit angegriffenem Beschluss vom 16. April 2015 die Fortdauer der Unterbringung an. Eine Erledigung der Maßregel gemäß § 67d Abs. 6 Satz 1 StGB komme nicht in Betracht, weil die Voraussetzungen des § 63 StGB weiterhin vorlägen. Die Kammer könne nicht mit Sicherheit feststellen, dass bei dem Beschwerdeführer von Anfang an kein Störungsbild vorgelegen habe oder jetzt nicht mehr vorliege, das eine Einordnung als schwere andere seelische Abartigkeit im Sinne des § 20 StGB rechtfertige.

4

Der Sachverständige Prof. K. habe zwar erklärt, bei dem Verurteilten liege lediglich eine Pädophilie und keine Persönlichkeitsstörung vor, wobei die Pädophilie die Einstufung als schwere andere seelische Abartigkeit im Sinne der §§ 20, 21 StGB nicht rechtfertige. Seine Ausführungen seien aber nicht ausreichend, um die sichere Überzeugung eines Fehlens oder Wegfalls der Voraussetzungen des § 63 StGB zu gewinnen.

5

Einzuräumen sei, dass eine Pädophilie nicht ohne Weiteres, sondern nur dann als schwere seelische Abartigkeit einzustufen sei, wenn die sexuelle Präferenz den Täter in seiner Persönlichkeit so nachhaltig verändert habe, dass sein Hemmungsvermögen in Bezug auf strafrechtlich relevantes Sexualverhalten erheblich herabgesetzt sei. Hierfür spreche vorliegend aber, dass es sich bei der Pädophilie des Beschwerdeführers - wie bereits vom Sachverständigen Dr. J. in seinem Gutachten 2009 festgestellt - um eine Hauptströmung handele und dieser trotz einschlägiger Vorverurteilung und Vollverbüßung einer vierjährigen Jugendstrafe bis zum 1. Juli 2003 bereits am 25. Februar 2004 die Anlasstat begangen habe. Außerdem habe der Beschwerdeführer während der gesamten Zeit seiner Unterbringung Verhaltensauffälligkeiten gezeigt, die die Unterbringungseinrichtung nachvollziehbar als passiv-aggressive Persönlichkeitsstörung eingestuft habe. Dies passe zum Gutachten des Sachverständigen Dr. J., der von einer dissozialen Persönlichkeitsstörung ausgegangen sei, bei welcher der Beschwerdeführer in "passiv-aggressiver Weise" Schuld nach außen trage. Die Kammer halte die Sichtweise des Sachverständigen Prof. K. nicht für überzeugender als die der behandelnden Therapeuten. Sie könne daher nicht ausschließen, dass bei dem Beschwerdeführer eine passiv-aggressive Persönlichkeitsstörung und eine Pädophilie im Sinne der §§ 20, 21 StGB vorliege. Auch eine Aussetzung der weiteren Vollstreckung der Unterbringung zur Bewährung komme nicht in Betracht, da von dem Beschwerdeführer weiterhin Straftaten wie die Anlasstat, durch die das Rechtsgut der sexuellen Integrität von Kindern massiv beeinträchtigt werde, zu erwarten seien.

6

3. Die hiergegen eingelegte sofortige Beschwerde verwarf das Oberlandesgericht Braunschweig mit angegriffenem Beschluss vom 29. Juni 2015 als unbegründet. Die Voraussetzungen für eine Erledigung oder Aussetzung der Maßregel zur Bewährung seien nicht erfüllt. Der Senat habe sich nicht mit der erforderlichen Sicherheit davon zu überzeugen vermocht, dass die vorliegende Pädophilie nicht als schwere andere seelische Abhängigkeit einzustufen sei. Darüber hinaus könne nicht mit der erforderlichen Sicherheit festgestellt werden, dass beim Beschwerdeführer keine Persönlichkeitsstörung mehr bestehe. Die Ausführungen des Sachverständigen Prof. K. seien nicht geeignet, mit der für die Erledigung der Maßregel erforderlichen Sicherheit festzustellen, dass die (entgegenstehenden) Diagnosen der Sachverständigen Dr. B. und Dr. J. sowie der Ärzte der Maßregelvollzugsanstalt unzutreffend seien. Von dem Beschwerdeführer drohten im Falle einer Entlassung wahrscheinlich erhebliche Straftaten in Form eines (schweren) sexuellen Missbrauchs von Kindern (§§ 176, 176a StGB) beziehungsweise einer Vergewaltigung (§ 177 StGB). Die vom Beschwerdeführer ausgehende Gefahr sei besonders hoch, so dass das Allgemeininteresse am Schutz von Kindern vor (schwerem) sexuellen Missbrauch trotz der Dauer der Unterbringung das Freiheitsinteresse des Beschwerdeführers überwiege.

7

4. Mit seiner Verfassungsbeschwerde rügt der Beschwerdeführer die Verletzung seines Freiheitsrechts aus Art. 2 Abs. 2 Satz 2 in Verbindung mit Art. 104 Abs. 1 GG. Der Sachverständige Prof. K. komme in seinem Gutachten und der ergänzenden Stellungnahme in sehr gut nachvollziehbarer Weise zu dem Ergebnis, dass die Unterbringungsvoraussetzungen nicht (mehr) vorlägen. Die Unterbringungseinrichtung habe darauf gekränkt reagiert. Wenn sich die Gerichte anhand des Gutachtens von Prof. K. nicht davon hätten überzeugen können, dass die Unterbringungsvoraussetzungen nicht mehr vorlägen, wären sie verpflichtet gewesen, ein Obergutachten einzuholen, um die "Patt-Situation" aufzulösen. Der stattdessen postulierte Grundsatz "Zweifel gehen zu Lasten des Untergebrachten" überzeuge nicht.

8

5. Mit Beschluss vom 13. April 2016 hat das Landgericht Göttingen erneut die Fortdauer der Unterbringung angeordnet, das Oberlandesgericht Braunschweig hat mit Beschluss vom 7. Juni 2016 die sofortige Beschwerde als unbegründet verworfen.

II.

9

1. Das Justizministerium des Landes Niedersachsen hat ausgeführt, die Gerichte hätten ihre Auffassung auf der Grundlage einer umfangreichen Sachverhaltsaufklärung und Auswertung aller vorliegenden Erkenntnismittel sorgfältig und einzelfallbezogen begründet. Dass die Tatgerichte dem Sachverständigen in seinen Einschätzungen nicht gefolgt seien, stelle keinen Verfassungsverstoß dar. Die Beurteilung, ob ein Störungsbild unter die Eingangsmerkmale des § 20 StGB falle, obliege dem Gericht. Es sei im Übrigen ein allgemeiner Grundsatz des Straf- und Maßregelvollstreckungsrechts, dass sich Zweifel, die nach bestmöglicher Sachverhaltsaufklärung verblieben, im Anwendungsbereich des § 67d Abs. 6 Satz 1 StGB zu Lasten eines Untergebrachten auswirkten.

10

2. Der Generalbundesanwalt beim Bundesgerichtshof hält die Verfassungsbeschwerde nicht für aussichtsreich. Das Oberlandesgericht habe die Voraussetzungen einer weiteren Unterbringung bejahen und dabei insbesondere das fortdauernde Vorliegen einer schweren seelischen Abartigkeit des Beschwerdeführers im Sinne des § 20 StGB zugrunde legen dürfen.

11

Es sei verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden, wenn das Oberlandesgericht für erforderlich angesehen habe, dass der Wegfall des Defektzustandes mit Sicherheit feststehen müsse, um eine Erledigung der Maßregel nach § 67d Abs. 6 StGB zur Folge haben zu können. Auch wenn die Rechtfertigung der Freiheitsentziehung fortlaufender Kontrolle unterliegen müsse, könne die Rechtskraft des Ausgangsurteils nicht durch nachfolgende Entscheidungen unterlaufen werden. Dementsprechend sei bei unveränderter Sachlage von einem Fortbestehen des bei der Anlasstat zutage getretenen spezifischen Defektzustandes auszugehen. Unwägbarkeiten hinsichtlich des Ausmaßes des Defektzustandes und insbesondere eine daraus abgeleitete Herabsetzung der vom Untergebrachten ausgehenden Gefahr fänden im Rahmen der erforderlichen Prüfung der Aussetzungsreife nach § 67d Abs. 2 StGB Berücksichtigung.

12

Das Gericht habe nicht von der beim Beschwerdeführer diagnostizierten Pädophilie ohne Weiteres auf das Vorliegen einer schweren seelischen Abartigkeit geschlossen, sondern seine Einschätzung auf der Grundlage einer umfassenden Betrachtung getroffen. Dabei sei es an die rechtliche Beurteilung des Sachverständigen Prof. K. nicht gebunden gewesen und habe auch kein weiteres Sachverständigengutachten einholen müssen. Auch die Versagung der Aussetzung der Unterbringung zur Bewährung begegne keinen Bedenken. Ausgehend von einer zutreffenden Gefahrenprognose habe das Oberlandesgericht die Verhältnismäßigkeit der weiteren Unterbringung ordnungsgemäß festgestellt.

13

3. Dem Bundesverfassungsgericht hat das Vollstreckungsheft vorgelegen.

III.

14

Die Verfassungsbeschwerde wird nicht zur Entscheidung angenommen. Annahmegründe nach § 93a Abs. 2 BVerfGG liegen nicht vor. Der Verfassungsbeschwerde kommt keine grundsätzliche Bedeutung zu (§ 93a Abs. 2 Buchstabe a BVerfGG), da die für ihre Beurteilung maßgeblichen verfassungsrechtlichen Fragen - insbesondere die sich aus dem Verhältnismäßigkeitsgrundsatz ergebenden Anforderungen an die Anordnung der Fortdauer langanhaltender Unterbringungen in einem psychiatrischen Krankenhaus - bereits entschieden sind (vgl. BVerfGE 70, 297). Die Annahme der Verfassungsbeschwerde zur Entscheidung ist mangels hinreichender Aussicht auf Erfolg auch nicht zur Durchsetzung der in § 90 Abs. 1 BVerfGG bezeichneten Rechte angezeigt (§ 93a Abs. 2 Buchstabe b BVerfGG). Dabei kann offen bleiben, ob die Verfassungsbeschwerde den sich aus § 23 Abs. 1 Satz 2, § 92 BVerfGG ergebenden Anforderungen an eine Behauptung der Verletzung des Beschwerdeführers in dem von ihm aufgeführten Grundrecht genügt. Die Verfassungsbeschwerde ist jedenfalls unbegründet.

15

1. a) Art. 2 Abs. 2 Satz 2 GG gewährleistet jedermann die Freiheit der Person und nimmt einen hohen Rang unter den Grundrechten ein. Das kommt darin zum Ausdruck, dass Art. 2 Abs. 2 Satz 2 GG die Freiheit der Person als unverletzlich bezeichnet, Art. 104 Abs. 1 Satz 1 GG ihre Beschränkung nur aufgrund eines förmlichen Gesetzes zulässt und Art. 104 Abs. 2 bis 4 GG besondere Verfahrensgarantien für ihre Beschränkung statuiert (vgl. BVerfGE 35, 185 <190>; 109, 133 <157>; 128, 326 <372>; BVerfG, Beschluss der 3. Kammer des Zweiten Senats vom 22. Januar 2015 - 2 BvR 2049/13, 2 BvR 22 BvR 2445/14 -, juris, Rn. 26).

16

Die Freiheit der Person darf nur aus besonders gewichtigen Gründen und unter strengen formellen Gewährleistungen eingeschränkt werden. Zu diesen wichtigen Gründen gehören in erster Linie solche des Strafrechts und des Strafverfahrensrechts. Eingriffe in die persönliche Freiheit auf diesem Gebiet dienen vor allem dem Schutz der Allgemeinheit (vgl. BVerfGE 22, 180 <219>; 45, 187 <223>; 58, 208 <224 f.>); dabei haben die gesetzlichen Eingriffstatbestände auch freiheitsgewährleistende Funktion, da sie die Grenzen zulässiger Einschränkung der Freiheit der Person bestimmen. Das gilt auch für die Regelung der Unterbringung eines schuldunfähigen oder erheblich vermindert schuldfähigen Straftäters, von dem infolge seines Zustandes erhebliche rechtswidrige Taten zu erwarten sind, in einem psychiatrischen Krankenhaus gemäß § 63 StGB (vgl. BVerfGE 70, 297 <307>; BVerfG, Beschluss der 3. Kammer des Zweiten Senats vom 22. Januar 2015 - 2 BvR 2049/13, 2 BvR 22 BvR 2445/14 -, juris, Rn. 27).

17

b) Die freiheitssichernde Funktion des Art. 2 Abs. 2 Satz 2 GG hat auch verfahrensrechtliche Bedeutung. Unverzichtbare Voraussetzung eines rechtsstaatlichen Verfahrens ist, dass Entscheidungen, die den Entzug der persönlichen Freiheit betreffen, auf zureichender richterlicher Sachaufklärung beruhen (vgl. BVerfGE 58, 208 <222>) und eine in tatsächlicher Hinsicht genügende Grundlage haben, die der Bedeutung der Freiheitsgarantie entspricht (vgl. BVerfGE 58, 208 <230>; 70, 297 <308>; BVerfGK 15, 287 <294 f.>; BVerfG, Beschluss der 2. Kammer des Zweiten Senats vom 4. März 2014 - 2 BvR 1020/13 -, juris, Rn. 28 m.w.N.; Beschluss der 3. Kammer des Zweiten Senats vom 22. Januar 2015 - 2 BvR 2049/13, 2 BvR 22 BvR 2445/14 -, juris, Rn. 28).

18

Das Gebot bestmöglicher Sachaufklärung gilt auch für den Straf- und Maßregelvollzug (vgl. BVerfGE 70, 297 <309>; BVerfGK 15, 287 <295>). Im Rahmen dieses Gebotes besteht bei Prognoseentscheidungen, bei denen geistige und seelische Anomalien in Frage stehen, in der Regel die Pflicht, einen erfahrenen Sachverständigen hinzuzuziehen. Dies gilt insbesondere dort, wo die Gefährlichkeit eines in einem psychiatrischen Krankenhaus Untergebrachten zu beurteilen ist; denn die Umstände, die diese bestimmen, sind für den Richter oft schwer erkennbar und abzuwägen (vgl. BVerfGE 70, 297 <309>; BVerfG, Beschluss der 2. Kammer des Zweiten Senats vom 4. März 2014 - 2 BvR 1020/13 -, juris, Rn. 29). Daraus folgt zwar noch nicht, dass bei jeder nach § 67e Abs. 2 StGB vorzunehmenden Überprüfung der Unterbringung von Verfassungs wegen zwingend ein ärztliches Sachverständigengutachten einzuholen wäre (vgl. BVerfGK 15, 287 <295>; BVerfG, Beschluss der 1. Kammer des Zweiten Senats vom 16. Juni 2008 - 2 BvR 598/08 -, juris, Rn. 4). Nicht bei jeder Überprüfung der Unterbringung muss der gleiche Aufwand veranlasst sein (vgl. BVerfGE 70, 297 <309>). Bestehen keine zwingenden gesetzlichen Vorgaben, hängt es von dem sich nach den Umständen des einzelnen Falles bestimmenden pflichtgemäßen Ermessen des Richters ab, in welcher Weise er die Aussetzungsreife prüft. Immer ist allerdings eine für den Einzelfall hinreichende Gründlichkeit für die Entscheidungsfindung zu gewährleisten (vgl. BVerfGE 70, 297 <309 f.>; BVerfGK 15, 287 <295>; BVerfG, Beschluss der 2. Kammer des Zweiten Senats vom 4. März 2014 - 2 BvR 1020/13 -, juris, Rn. 29; Beschluss der 3. Kammer des Zweiten Senats vom 22. Januar 2015 - 2 BvR 2049/13, 2 BvR 22 BvR 2445/14 -, juris, Rn. 29).

19

Dabei hat der Strafvollstreckungsrichter die Aussagen oder Gutachten des Sachverständigen selbstständig zu beurteilen. Er darf die Prognoseentscheidung nicht dem Sachverständigen überlassen, sondern hat diese selbst zu treffen (vgl. BVerfGE 58, 208 <223>; 70, 297 <310>). Es ist darauf Bedacht zu nehmen, dass das ärztliche Gutachten hinreichend substantiiert ist und den Richter in den Stand setzt, sich die tatsächlichen Voraussetzungen für seine Entscheidung zu erarbeiten (vgl. BVerfGE 70, 297 <310>; BVerfG, Beschluss der 3. Kammer des Zweiten Senats vom 22. Januar 2015 - 2 BvR 2049/13, 2 BvR 22 BvR 2445/14 -, juris, Rn. 31).

20

c) Das an den Tatrichter gerichtete Gebot bestmöglicher Sachaufklärung ist jedenfalls dann verletzt, wenn das Tatgericht unter Berücksichtigung der Beweislage zu einer bestimmten Überzeugung noch nicht hätte gelangen dürfen, weil es bei verständiger Würdigung aller Umstände des zu entscheidenden Falles damit rechnen musste, dass ihm bekannte oder erkennbare, nicht verwertete weitere Beweismittel einen Sachverhalt erbringen, der im Gegensatz zu seiner bisherigen Überzeugung eine Tatsache widerlegt, in Frage stellt oder bestätigt. Ergibt eine umfassende, verständige und allgemeiner Lebenserfahrung Rechnung tragende Würdigung der Sachlage, dass das Gebot umfassender Sachaufklärung danach drängt, ein bekanntes oder erkennbares weiteres Beweismittel zu nutzen oder ein bereits genutztes Beweismittel weiter auszuschöpfen, so ist entsprechend zu verfahren (vgl. Becker, in: Löwe/Rosenberg, StPO, 26. Aufl. 2009, § 244 Rn. 47 m.w.N.).

21

Dabei hängt es auch von den Umständen des jeweiligen Falles ab, ob sich das Gericht im Rahmen der Erhebung eines Sachverständigenbeweises mit dem oder den zugezogenen Sachverständigen begnügen darf (vgl. Becker, in: Löwe/ Rosenberg, StPO, 26. Aufl. 2009, § 244 Rn. 76 m.w.N.). Das Gericht hat von Amts wegen oder auf Antrag insbesondere einen weiteren Sachverständigen beizuziehen, wenn die Beweisfrage nach wie vor offen oder (möglicherweise) unzulänglich beantwortet ist und die Befragung eines anderen Sachverständigen Klärung erwarten lässt (vgl. Krehl, in: Karlsruher Kommentar zur StPO, 7. Aufl. 2013, § 244 Rn. 57 m.w.N.). Insbesondere ist ein weiterer Sachverständiger regelmäßig dann zu bestellen, wenn das erstattete Gutachten erkennbar Mängel aufweist und der bisherige Sachverständige nicht in der Lage oder willens ist, diese auf Nachfrage des Gerichts zu beheben (vgl. Becker, in: Löwe/Rosenberg, StPO, 26. Aufl. 2009, § 244 Rn. 77 m.w.N.).

22

2. Nach diesen Maßstäben ist eine Verletzung des Freiheitsgrundrechts des Beschwerdeführers aus Art. 2 Abs. 2 Satz 2, Art. 104 Abs. 1 GG vorliegend nicht ersichtlich.

23

Der knappe Sachvortrag des Beschwerdeführers erschöpft sich in dem Verweis auf die Feststellungen des Sachverständigen Prof. K. und der Behauptung, angesichts der unterschiedlichen Auffassungen des Sachverständigen und der Maßregelvollzugseinrichtung habe die Verpflichtung zur Einholung eines weiteren (Ober-)Gutachtens bestanden. Damit rügt der Beschwerdeführer - ohne auf die diesbezüglichen verfassungsgerichtlichen Maßstäbe Bezug zu nehmen - eine Verletzung des Verfassungsgebotes bestmöglicher Sachaufklärung. Entgegen seiner Auffassung war vorliegend aber die Einholung eines weiteren Sachverständigengutachtens nicht geboten. Vielmehr haben die Gerichte sowohl die Feststellung einer Erledigung der Unterbringung gemäß § 67d Abs. 6 StGB (a), als auch die Aussetzung der weiteren Vollstreckung der Unterbringung zur Bewährung gemäß § 67d Abs. 2 StGB (b) in verfassungsrechtlich nicht zu beanstandender Weise abgelehnt.

24

a) Nach Auffassung der Gerichte in den angegriffenen Beschlüssen steht einer Erledigung der Unterbringung gemäß § 67d Abs. 6 Satz 1 Alternative 1 StGB entgegen, dass nicht mit der erforderlichen Sicherheit festgestellt werden kann, dass bei dem Beschwerdeführer kein Defektzustand vorliegt, der als schwere andere seelische Abartigkeit im Sinne der §§ 20, 21 StGB einzuordnen ist. Verfassungsrechtlich ist dagegen nichts zu erinnern.

25

aa) Eine Erledigungserklärung gemäß § 67d Abs. 6 Satz 1 StGB erfordert, dass "die Voraussetzungen der Maßregel nicht mehr vorliegen". Demgemäß kann dahinstehen, ob die Ausführungen des Sachverständigen Prof. K. das Vorliegen einer "schweren anderen seelischen Abartigkeit" im Sinne der §§ 20, 21 StGB bereits im Tatzeitpunkt in Zweifel ziehen. Bei der rechtlichen Zuordnung der tatsächlichen Feststellungen zu den Merkmalen der §§ 20, 21 StGB handelt es sich um einen juristischen Subsumtionsvorgang, der der Rechtskraft fähig ist. Demgemäß ist in Fällen rechtlicher Fehleinweisung für eine Erledigterklärung der Unterbringung gemäß § 67d Abs. 6 StGB kein Raum (vgl. BVerfG, Beschluss der 3. Kammer des Zweiten Senats vom 20. November 2014 - 2 BvR 2774/12 -, juris, Rn. 41, 42.

26

bb) (1) Hinsichtlich des nachträglichen Wegfalls der Unterbringungsvoraussetzungen kommt der Sachverständige Prof. K. in seinem Gutachten und der ergänzenden Stellungnahme zwar zu dem Ergebnis, bei dem Beschwerdeführer habe im Explorationszeitpunkt weder eine klinisch relevante Persönlichkeitsstörung vorgelegen, noch sei die vorliegende Pädophilie als schwere andere seelische Abartigkeit im Sinne der §§ 20, 21 StGB zu qualifizieren. Diese Darlegungen stehen aber im Gegensatz zu den Ergebnissen der Gutachten der Sachverständigen Dr. B. vom 23. September 2004 und Dr. J. vom 9. September 2009 sowie der Stellungnahme der Maßregelvollzugseinrichtung vom 1. Dezember 2014, die hinsichtlich des Vorliegens der Unterbringungsvoraussetzungen neben einer Pädophilie auch auf den Bestand einer "Persönlichkeitsstörung mit emotional-instabilen und unreifen Elementen" (B.) beziehungsweise einer "unreifen dissozialen Persönlichkeitsstörung" (J.) sowie einer "passiv-aggressiven Persönlichkeitsstörung (ICD-10: F 60.8)" (Maßregelvollzugseinrichtung) abstellen.

27

(2) Vor diesem Hintergrund setzen sich die Gerichte in den angegriffenen Beschlüssen ausführlich und detailliert mit der Frage auseinander, ob bei dem Beschwerdeführer die Voraussetzungen der Unterbringung im Sinne von § 67d Abs. 6 Satz 1 StGB weggefallen sind. Sie stellen dabei in Rechnung, dass eine Pädophilie den Grad einer schweren anderen seelischen Abartigkeit im Sinne der §§ 20, 21 StGB nur erreicht, wenn aufgrund einer Gesamtschau von Täterpersönlichkeit und Tat festgestellt werden kann, dass die pädophile Neigung den Täter im Wesen seiner Persönlichkeit so verändert hat, dass er zur Bekämpfung seiner Triebe nicht die erforderlichen Hemmungen aufbringt. Darüber hinaus stellen sie die Ausführungen der Sachverständigen und der behandelnden Ärzte der Unterbringungseinrichtung umfänglich dar und wägen sie gegeneinander ab.

28

Unter Berücksichtigung der Auffälligkeiten des Vollzugsverhaltens des Beschwerdeführers, des bisherigen Fehlens einer vertrauensvollen therapeutischen Beziehung und der kurzfristigen Rückfälligkeit des Beschwerdeführers nach Vollverbüßung einer einschlägigen Vorverurteilung kommen die Gerichte in den angegriffenen Beschlüssen zu dem Ergebnis, dass von einem Wegfall der Unterbringungsvoraussetzungen sowohl hinsichtlich der unstreitig vorliegenden Pädophilie als auch bezogen auf eine sonstige Persönlichkeitsstörung nicht ausgegangen werden kann.

29

(3) Verfassungsrechtliche Bedenken bestehen insoweit nicht.

30

(a) Zwar haben die Gerichte die Ausführungen des beauftragten Sachverständigen Prof. K. zur Kenntnis zu nehmen und sich mit diesen auseinanderzusetzen. Sie sind jedoch nicht an dessen Bewertungen hinsichtlich des Wegfalls der Voraussetzungen der Unterbringung des Beschwerdeführers gebunden. Vielmehr haben sie die Aussagen des Gutachtens und der ergänzenden Stellungnahme sowie die Ausführung des Sachverständigen im Rahmen der mündlichen Anhörung vom 8. April 2015 selbst zu beurteilen und die gemäß § 67d Abs. 6 Satz 1 StGB erforderliche Entscheidung, ob die der Unterbringung des Beschwerdeführers zugrunde liegende "schwere andere seelische Abartigkeit" entfallen ist, selbst zu treffen (vgl. BVerfGE 70, 297 <310>; 109, 133 <164>). Dabei bedarf die Abweichung von den Feststellungen eines Sachverständigengutachtens regelmäßig sorgfältiger Begründung (vgl. BVerfG, Beschluss der 2. Kammer des Zweiten Senats vom 5. Juli 2013 - 2 BvR 2957/12 -, juris, Rn. 35). Daran fehlt es vorliegend jedoch nicht, da die Gerichte sich in den angegriffenen Beschlüssen mit den Ausführungen des Sachverständigen Prof. K. intensiv befasst und ihre abweichende Bewertung nachvollziehbar dargelegt haben.

31

(b) Ein Verstoß gegen den Grundsatz bestmöglicher Sachaufklärung ist nicht gegeben. Entgegen der Auffassung des Beschwerdeführers war die Einholung eines weiteren Sachverständigengutachtens vorliegend nicht veranlasst, da hiervon ein zusätzlicher Erkenntnisgewinn nicht zu erwarten war. Die Gerichte stützen ihre Entscheidung auf die vorliegenden Gutachten der Sachverständigen Dr. B., Dr. J. und Prof. K. sowie auf die Stellungnahme der Maßregelvollzugseinrichtung vom 1. Dezember 2014. Vor dem Hintergrund der dem Gutachten des Sachverständigen Prof. K. widersprechenden Feststellungen in dieser Stellungnahme hat das Landgericht eine ergänzende gutachterliche Äußerung dieses Sachverständigen eingeholt. Außerdem hat es den Sachverhalt in der mündlichen Anhörung vom 8. April 2015 mit dem Sachverständigen Prof. K. und behandelnden Ärzten der Maßregelvollzugseinrichtung erörtert. Dabei hat der Sachverständige Prof. K. erklärt, dass es vorliegend im Wesentlichen um Wertungsunterschiede gehe und er bei dem Beschwerdeführer keine verminderte Steuerungsfähigkeit sehe. Vorstellen könne er sich, dass man vor dem Einweisungsdelikt eine dissoziale Persönlichkeitsstörung habe diagnostizieren können. Ansonsten wurden die unterschiedlichen Bewertungen seitens des Sachverständigen Prof. K. und des ärztlichen Direktors der Maßregelvollzugseinrichtung aufrechterhalten.

32

Vor diesem Hintergrund erscheint es ausgeschlossen, im Wege der Einholung eines weiteren Sachverständigengutachtens eine Beseitigung der bestehenden Wertungsunterschiede herbeizuführen. Vielmehr waren die Gerichte gehalten, auf der Basis der voneinander abweichenden Darlegungen der Sachverständigen und unter Berücksichtigung der sonstigen Umstände des vorliegenden Falls eine eigenständige Entscheidung über die Erledigung der Unterbringung des Beschwerdeführers gemäß § 67d Abs. 1 Satz 1 StGB zu treffen.

33

b) Auch im Übrigen begegnet die Anordnung der Fortdauer der Unterbringung in den angegriffenen Beschlüssen keinen verfassungsrechtlichen Bedenken. Dies gilt insbesondere, soweit die Gerichte darauf verweisen, dass einer Aussetzung der weiteren Vollstreckung der Unterbringung zur Bewährung gemäß § 67d Abs. 2 StGB die erhebliche Gefahr weiterer Straftaten des Beschwerdeführers in Form des (schweren) sexuellen Missbrauchs von Kindern entgegenstehe. Das Risiko derartiger Taten im Falle einer Entlassung des Beschwerdeführers hat auch der Sachverständige Prof. K. nicht ausgeschlossen. Die hieran anschließenden Ausführungen der Gerichte zur Verhältnismäßigkeit der Fortdauer der Unterbringung geben keinen Anlass zu verfassungsrechtlicher Beanstandung. Dabei können auch die Hinweise des Beschwerdeführers auf die Annahme von Therapiedefiziten zum Nachteil des Beschwerdeführers durch den Sachverständigen Prof. K. dahinstehen. Nach den Feststellungen des Oberlandesgerichts liegen die Gründe dafür in der Person des Beschwerdeführers selbst, der sich im Ergebnis - insbesondere bedingt durch seine Persönlichkeitsproblematik - nicht auf eine erfolgreiche Behandlung einlassen könne. Gleichzeitig hat es aber die Möglichkeit gesehen, dass durch den Maßregelvollzug die Voraussetzungen für eine Entlassung mit vertretbarem Risiko noch geschaffen werden können, weil bei dem Beschwerdeführer eine Nachreifung erfolgt sei und die bisherigen therapeutischen Bemühungen immerhin zu einer leichten Milderung der Persönlichkeitsstörung geführt hätten. Dass das Oberlandesgericht vor diesem Hintergrund angesichts der Bedeutung der geschützten Rechtsgüter auch unter Berücksichtigung der Dauer der Unterbringung ein Überwiegen des Freiheitsinteresses des Beschwerdeführers gegenüber den Sicherungsinteressen der Allgemeinheit und eine darauf gestützte Beendigung der Unterbringung im Maßregelvollzug verneint hat, ist von Verfassungs wegen nicht zu beanstanden.

34

3. Von einer weiteren Begründung wird nach § 93d Abs. 1 Satz 3 BVerfGG abgesehen.

35

Diese Entscheidung ist unanfechtbar.

Ohne Schuld handelt, wer bei Begehung der Tat wegen einer krankhaften seelischen Störung, wegen einer tiefgreifenden Bewußtseinsstörung oder wegen einer Intelligenzminderung oder einer schweren anderen seelischen Störung unfähig ist, das Unrecht der Tat einzusehen oder nach dieser Einsicht zu handeln.

Ist die Fähigkeit des Täters, das Unrecht der Tat einzusehen oder nach dieser Einsicht zu handeln, aus einem der in § 20 bezeichneten Gründe bei Begehung der Tat erheblich vermindert, so kann die Strafe nach § 49 Abs. 1 gemildert werden.

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
2 StR 139/12
vom
29. Mai 2012
in der Strafsache
gegen
wegen Diebstahls u.a.
Der 2. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat nach Anhörung des Generalbundesanwalts
und des Beschwerdeführers am 29. Mai 2012 gemäß § 349
Abs. 4 StPO beschlossen:
Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Bonn vom 13. Oktober 2011 mit den zugehörigen Feststellungen aufgehoben. Die Sache wird zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.

Gründe:

1
Das Landgericht hat den Angeklagten vom Vorwurf der vorsätzlichen Körperverletzung in sieben Fällen, davon in zwei Fällen in Tateinheit mit Widerstand gegen Vollstreckungsbeamte, sowie des versuchten Diebstahls freigesprochen und seine Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus angeordnet. Die Revision des Angeklagten hat mit der Sachrüge Erfolg.
2
1. Nach Überzeugung der sachverständig beratenen Strafkammer befand sich der Angeklagte aufgrund einer chronifizierten und zur Tatzeit akuten schizophrenen Psychose bei Begehung der Körperverletzungsdelikte und des in zwei Fällen tateinheitlich begangenen Widerstands gegen Vollstreckungsbeamte in einem Zustand, in dem sowohl seine Einsichts- als auch seine Steue- rungsfähigkeit auf motivationaler Ebene vollständig aufgehoben waren (§ 20 StGB), während er sich bei Begehung des versuchten Diebstahls in einem Zustand erheblich verminderter Steuerungsfähigkeit befand, wobei eine völlige Aufhebung nicht ausgeschlossen werden konnte. Infolge seines Zustandes und des dadurch bedingten Wahnerlebens seien auch in Zukunft erhebliche Straftaten , auch im Bereich von Gewalttaten, zu erwarten. Eine psychiatrische Behandlung des Angeklagten könne nur unter den geschützten Bedingungen des Maßregelvollzuges erfolgen.
3
2. Die Voraussetzungen des § 63 StGB werden durch die Urteilsfeststellungen nicht hinreichend belegt.
4
Das Landgericht hat bereits nicht hinreichend dargelegt, dass der Angeklagte bei Begehung der Anlasstaten sicher schuldunfähig bzw. erheblich vermindert schuldfähig war. Dabei ist noch nicht ausschlaggebend, dass die Strafkammer bei Begehung der Körperverletzungsdelikte und des tateinheitlich begangenen Widerstands gegen Vollstreckungsbeamte einen Ausschluss der Einsichts- und der Steuerungsfähigkeit angenommen hat (BGHR StGB § 63 Schuldfähigkeit 1; Fischer StGB 59. Aufl. § 21 Rn. 5; vgl. aber auch BGH NStZRR 2006, 167, 168). Es fehlt jedenfalls an einer tatsächlichen Grundlage für die Annahme eines jeweils akuten Schubs der Erkrankung und insbesondere auch eines spezifischen Zusammenhangs zwischen der Erkrankung und den einzelnen Taten.
5
Allein die Diagnose einer schizophrenen Psychose führt für sich genommen nicht zur Feststellung einer generellen oder zumindest längere Zeiträume überdauernden gesicherten Beeinträchtigung bzw. Aufhebung der Schuldfähigkeit (vgl. BGH, NStZ-RR 2008, 39). Erforderlich ist vielmehr stets die konkretisierende Darlegung, in welcher Weise sich die festgestellte psychische Störung bei Begehung der Taten auf die Einsichts- oder Steuerungsfähigkeit ausgewirkt hat (vgl. BGH, StraFo 2004, 390 mwN). Die Strafkammer schließt sich insoweit der Beurteilung des Sachverständigen an, ohne dessen dafür wesentlichen Anknüpfungs - und Befundtatsachen im Urteil so wiederzugeben, wie es zum Verständnis des Gutachtens und zur Beurteilung seiner Schlüssigkeit erforderlich wäre (vgl. BGH, Beschluss vom 14. April 2010 - 5 StR 123/10 mwN). Soweit der Sachverständige und ihm folgend die Kammer darauf abgestellt haben, der Angeklagte habe aufgrund eines zum jeweiligen Tatzeitpunkt bestehenden "Wahnerlebens" (UA S. 18) bzw. er habe auf eine "subjektiv empfundene, gegebenenfalls auch wahnhaft wahrgenommene, Provokation hin" sein Verhalten nicht mehr "steuern" können, bzw. projiziere seine eigenen Aggressionen "in (vermeintlich) feindselige Handlungsformen anderer Personen" (UA S. 19), wird dies in den Urteilsgründen nicht belegt. Auch aus dem Gesamtzusammenhang der Urteilsgründe ergeben sich insoweit keine hinreichenden Anhaltpunkte. Die festgestellten Taten des Angeklagten richteten sich gegen seine vormalige Freundin, die ihm eine gewünschte Aussprache verweigerte, gegen einen Passanten , der ihr beistehen wollte, gegen zwei Schüler, die zuvor Steinchen gegen das Auto des Angeklagten geworfen bzw. ihm Zigarettenrauch ins Gesicht geblasen hatten, sowie gegen zwei Polizeibeamte, die in zwei Fällen hinzu kamen und den Angeklagten festnehmen wollten. Lediglich im Fall des versuchten Diebstahls lassen die Feststellungen erkennen, dass der Angeklagte offenkundig davon ausging, dass er ein Fahrzeug, das nicht erkennbar gebraucht werde, mitnehmen dürfe; auch dies weist entgegen der Annahme der Kammer aber nicht auf eine Beeinträchtigung der Steuerungsfähigkeit hin.
6
3. Die Sache bedarf daher insgesamt der neuen Verhandlung und Entscheidung. Der Senat war durch den Umstand, dass allein der Angeklagte Revision eingelegt hat, nicht gehindert, auch den Freispruch aufzuheben (§ 358 Abs. 2 Satz 2 StPO; vgl. BGH StraFo 2011, 55 mwN).
Fischer Berger Krehl Eschelbach Ott

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
2 S t R 4 0 9 / 1 4
vom
25. März 2015
in der Strafsache
gegen
wegen schweren sexuellen Missbrauchs von Kindern u.a.
Der 2. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat in der Sitzung vom 25. März
2015, an der teilgenommen haben:
Richter am Bundesgerichtshof
Dr. Appl
als Vorsitzender,
die Richter am Bundesgerichtshof
Prof. Dr. Krehl,
Dr. Eschelbach,
die Richterin am Bundesgerichtshof
Dr. Ott,
der Richter am Bundesgerichtshof
Zeng,
Oberstaatsanwalt beim Bundesgerichtshof
als Vertreter der Bundesanwaltschaft,
Rechtsanwalt
als Verteidiger,
Rechtsanwalt
als Vertreter der Nebenklägerinnen O. ,
Rechtsanwalt
als Vertreter der Nebenklägerin W. ,
Rechtsanwalt
als Vertreter der Nebenklägerin D. ,
Justizhauptsekretärin in der Verhandlung,
Justizangestellte bei der Verkündung
als Urkundsbeamtinnen der Geschäftsstelle,

für Recht erkannt:
I. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Kassel vom 17. Februar 2014 1. im Schuldspruch dahin abgeändert, dass der Angeklagte des sexuellen Missbrauchs von Kindern in 119 Fällen, davon - in zwei Fällen in Tateinheit mit versuchtem schweren sexuellen Missbrauch von Kindern, - in elf Fällen in Tateinheit mit versuchtem sexuellen Missbrauch Widerstandsunfähiger und - in einem Fall in Tateinheit mit Verletzung des höchstpersönlichen Lebensbereichs durch Bildaufnahmen, des schweren sexuellen Missbrauchs von Kindern in 22 Fällen, davon - in zwölf Fällen in Tateinheit mit versuchtem schweren sexuellen Missbrauch Widerstandsunfähiger, - in sieben Fällen in Tateinheit mit Verletzung des höchstpersönlichen Lebensbereichs durch Bildaufnahmen, des Zugänglichmachens kinderpornographischer Schriften in sieben Fällen und des Besitzes kinderpornographischer Schriften schuldig ist, 2. im Straf- und Maßregelausspruch mit den zugehörigen Feststellungen aufgehoben. II. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels , an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen. III. Die weitergehende Revision des Angeklagten wird verworfen.

Von Rechts wegen

Gründe:

1
Das Landgericht hat den Angeklagten unter Freisprechung im Übrigen wegen sexuellen Missbrauchs von Kindern in 119 Fällen, davon in zwei Fällen in Tateinheit mit versuchtem schweren sexuellen Missbrauch von Kindern, in elf Fällen in Tateinheit mit versuchtem sexuellen Missbrauch Widerstandsunfähiger und in zwei Fällen in Tateinheit mit Verletzung des höchstpersönlichen Lebensbereichs durch Bildaufnahmen, ferner wegen schweren sexuellen Missbrauchs von Kindern in 22 Fällen, davon in zwölf Fällen in Tateinheit mit versuchtem schweren sexuellen Missbrauch Widerstandsunfähiger und in neun Fällen in Tateinheit mit Verletzung des höchstpersönlichen Lebensbereichs durch Bildaufnahmen , außerdem wegen Zugänglichmachens kinderpornographischer Schriften in sieben Fällen und wegen Besitzes kinderpornographischer Schriften zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von zwölf Jahren und anschließender Unterbringung in der Sicherungsverwahrung verurteilt. Außerdem hat es ausgesprochen , dass der Angeklagte allen Nebenklägerinnen jeweils ein Schmerzensgeld von 15.000 Euro nebst "5 % Zinsen über dem Basiszinssatz" zu zahlen hat, für die Nebenklägerinnen A. und S. O. ab dem 29. Januar 2014, für die Nebenklägerinnen W. und Or. ab dem 14. Februar 2014. Gegen dieses Urteil richtet sich die auf Verfahrensrügen und die Sachbeschwerde gestützte Revision des Angeklagten. Das Rechtsmittel hat in dem aus der Entscheidungsformel ersichtlichen Umfang Erfolg; im Übrigen ist es unbegründet.

I.

2
Nach den Feststellungen des Landgerichts leidet der Angeklagte an einer sexuellen Deviation im Sinne einer Kernpädophilie. Seit Anfang der 1980er Jahre empfindet er sexuelles Interesse an Mädchen im vorpubertären Alter. Im Herbst 1980 kam es zu einem ersten sexuellen Übergriff auf die damals fünf oder sechs Jahre alte Schwester seiner Freundin. Es folgte eine Vielzahl sexueller Übergriffe auf Mädchen aus dem Umfeld des Angeklagten.
3
Im Zeitraum von 1994 bis 1996 beging der Angeklagte mehrfach sexuellen Missbrauch der Nebenklägerin D. dadurch, dass er das Kind an der Scheide streichelte. Ab 1998 missbrauchte er die Nebenklägerin Or. , indem er das Kind an der Scheide streichelte, es dazu veranlasste, an seinem Glied zu reiben oder versuchte, mit seinem Glied einzudringen. Ab 2003 beging er ähnliche Taten zum Nachteil der Nebenklägerin W. , wobei er in einem Teil der Fälle mit seinem Glied oder mit einem Finger in sie eindrang und in einer Reihe von Fällen den Missbrauch beging, während sich das Kind schlafend stellte. Von 2007 bis 2013 missbrauchte der Angeklagte die Nebenklägerin A. O. und von 2009 bis 2013 auch die Nebenklägerin S. O. . Einige der Vorfälle filmte er mit einer Kamera.
4
Vom 5. April 2011 bis zum 31. Juli 2012 machte der Angeklagte kinderpornographische Filmdateien über eine Internettauschbörse anderen Internetnutzern zugänglich. Weil der Angeklagte seinen Computer über ein bis zwei Wochen hinweg durchgängig laufen ließ, hat das Landgericht sieben selbständige Handlungen des Zugänglichmachens kinderpornographischer Schriften angenommen.
5
Der Angeklagte verfügte zurzeit der Durchsuchung seiner Wohnung über mindestens 2.000 kinderpornographische Dateien.

II.

6
Die Revision des Angeklagten ist teilweise begründet.
7
1. Die Verfahrensrügen bleiben aus den vom Generalbundesanwalt in seiner Antragsschrift vom 24. Oktober 2014 genannten Gründen ohne Erfolg.
8
2. Soweit sich die Revision mit der Sachrüge gegen den Schuldspruch richtet, führt sie nur zu einer geringfügigen Änderung des Schuldspruchs, weil das Landgericht übersehen hat, dass § 201a StGB erst nach Begehung der Taten in den Fällen 59 bis 61 in Kraft getreten ist. Insoweit muss die tateinheitliche Verurteilung wegen dieses Tatbestands in diesen Fällen entfallen.
9
3. Der Rechtsfolgenausspruch hat keinen Bestand.
10
a) Das Landgericht ist davon ausgegangen, dass der Angeklagte bei keiner der Taten gemäß § 21 StGB in seiner Unrechtseinsichts- oder Steuerungsfähigkeit erheblich beeinträchtigt war.
11
Die Strafkammer hat sich bei ihrer Einschätzung auf den gerichtlichen Sachverständigen gestützt. Dieser ist zunächst davon ausgegangen, eine schwere andere seelische Abartigkeit des Angeklagten sei nicht anzunehmen. Zu den Auswirkungen der festgestellten Pädophilie hat er später angemerkt, es sei nicht auszuschließen, dass die sexuelle Deviation das Ausmaß einer schweren anderen seelischen Abartigkeit erreicht habe; jedoch sei nicht von einer erheblichen Beeinträchtigung der Steuerungsfähigkeit auszugehen. Daraus hat das Landgericht entnommen, selbst wenn man die Pädophilie "als schwere andere seelische Abartigkeit einstufe", habe diese "keine Auswirkungen auf die Einsichts- und Steuerungsfähigkeit" des Angeklagten gehabt.
12
Diese Ausführungen lassen besorgen, dass das Landgericht von einem falschen rechtlichen Maßstab ausgegangen ist. Die richterliche Entscheidung, ob die Fähigkeit des Täters, das Unrecht seiner Tat einzusehen oder nach dieser Einsicht zu handeln, bei der Begehung der jeweiligen Tat erheblich vermindert war, besteht in einem aus mehreren Schritten bestehenden Verfahren (vgl. BGH, Beschluss vom 12. März 2013 - 4 StR 42/13, NStZ 2013, 519, 520). Zuerst ist die Feststellung erforderlich, dass bei dem Angeklagten eine psychische Störung vorliegt, die ein solches Ausmaß erreicht hat, dass sie unter eines der Eingangsmerkmale des § 20 StGB zu subsumieren ist. Sodann sind der Ausprägungsgrad der Störung und deren Einfluss auf die soziale Anpassungsfähigkeit des Täters zu untersuchen. Durch die festgestellten psychopathologischen Verhaltensmuster muss die psychische Funktionsfähigkeit des Täters bei der Tatbegehung beeinträchtigt worden sein. Die anschließende Frage der Erheblichkeit der Beeinträchtigung des Hemmungsvermögens ist eine Rechtsfrage, die das Tatgericht selbst zu beantworten hat, nicht der Sachverständige (vgl. BGH, Urteil vom 29. April 1997 - 1 StR 511/95, BGHSt 43, 66, 77; Urteil vom 21. Januar 2004 - 1 StR 346/03, BGHSt 49, 45, 53).
13
Wird im Einzelfall eine schwere andere seelische Abartigkeit als Eingangsmerkmal im Sinne von § 20 StGB bejaht, so liegt wegen der damit festgestellten Schwere der Abartigkeit auch eine erhebliche Beeinträchtigung des Steuerungsvermögens gemäß § 21 StGB nahe (vgl. BGH, Beschluss vom 16. Mai 1991 - 4 StR 204/91, BGHR StGB § 21 seelische Abartigkeit 20; Beschluss vom 6. Mai 1997 - 1 StR 17/97, BGHR StGB § 21 seelische Abartigkeit 31; Fischer, StGB, 62. Aufl., § 21 Rn. 8). Dies hat das Landgericht nicht bedacht , als es die Frage nach dem Vorliegen eines Eingangsmerkmals offen gelassen und die Frage der Erheblichkeit einer hieraus gegebenenfalls resultierenden Beeinträchtigung der Steuerungsfähigkeit verneint hat.
14
Der Senat kann nicht ausschließen, dass bei ordnungsgemäßer Prüfung jedenfalls für einen Teil der abgeurteilten Taten eine erhebliche Beeinträchtigung der Steuerungsfähigkeit des Angeklagten anzunehmen ist. Eine festgestellte Pädophilie kann im Einzelfall die Annahme einer schweren anderen seelischen Abartigkeit und einer hierdurch erheblich beeinträchtigten Steuerungsfähigkeit rechtfertigen, wenn Sexualpraktiken zu einer eingeschliffenen Verhaltensschablone geworden sind, die sich durch abnehmende Befriedigung, zunehmende Frequenz der devianten Handlungen, Ausbau des Raffinements beim Vorgehen und gedankliche Einengung des Täters auf diese Praktik auszeichnen (vgl. BGH, Beschluss vom 17. Juli 2007 - 4 StR 242/07, NStZ-RR 2007, 337; Beschluss vom 20. Mai 2010 - 5 StR 104/10; NStZ-RR 2011, 170; Beschluss vom 6. Juli 2010 - 4 StR 283/10, NStZ-RR 2010, 304, 305; Beschluss vom 10. September 2013 - 2 StR 321/13, NStZ-RR 2014, 8, 9). Insoweit könnten entgegen der Auffassung des Landgerichts eine gedankliche Einengung des Angeklagten auf sexuelle Handlungen mit Kindern und eine Progredienz der lange andauernden Fehlentwicklung festzustellen sein, die in den letzten Jahren, in denen der Angeklagte zur gleichen Zeit sexuelle Handlungen an mehreren sehr jungen Kindern vornahm und auch nicht mehr mit seiner Ehe- frau sexuell verkehrte, zum Vorliegen der Voraussetzungen des § 21 StGB geführt haben. Ob und in welchem zeitlichen Umfang dies der Fall ist, kann der Senat anhand der Urteilsgründe nicht feststellen, weshalb er den Strafausspruch im Ganzen aufhebt.
15
b) Es ist nicht auszuschließen, dass der Rechtsfehler bei der Prüfung von § 21 StGB auch Auswirkungen auf die Anordnung der Unterbringung des Angeklagten in der Sicherungsverwahrung hat, die gemäß § 66 Abs. 2 StGB eine Ermessensentscheidung anhand aller wesentlichen Umstände des Einzelfalls erfordert. Der neue Tatrichter wird gegebenenfalls zu erwägen haben, ob der Angeklagte bei Eingreifen von § 21 StGB gemäß § 63 StGB in einem psychiatrischen Krankenhaus unterzubringen ist (vgl. BGH, Beschluss vom 20. Mai 2010 - 5 StR 104/10; NStZ-RR 2011, 170).
16
4. Der Ausspruch über die Adhäsionsanträge bleibt von der Aufhebung des strafrechtlichen Rechtsfolgenausspruchs unberührt. Über seine Aufhebung ist vom neuen Tatrichter auf der Grundlage der Ergebnisse der neuen Hauptverhandlung zu entscheiden (vgl. Senat, Beschluss vom 17. Dezember 2014 - 2 StR 78/14, StV 2015, 292, 293).
17
Der Senat weist darauf hin, dass er mit Beschluss vom 8. Oktober 2014 - 2 StR 137/14 und 2 StR 337/14 (ZfSch 2015, 203 ff.) bei den anderen Strafsenaten und bei dem Großen Senat des Bundegerichtshofs für Zivilsachen gemäß § 132 GVG angefragt hat, ob an Rechtsprechung festgehalten wird, die bei der Bemessung des Schmerzensgeldes eine Berücksichtigung der Vermö- gensverhältnisse von Schädiger und Geschädigtem fordert. Der Senat beabsichtigt , diese Rechtsprechung, von der das Landgericht ausgegangen ist, aufzugeben. Nach seiner Ansicht kommt es auf die wirtschaftlichen Verhältnisse von Täter und Opfer für die Bemessung des Schmerzensgeldes nicht an. RiBGH Dr. Appl ist Krehl Eschelbach an der Beifügung seiner Unterschrift gehindert. Krehl Ott RiBGH Zeng ist an der Beifügung seiner Unterschrift gehindert. Krehl

Ohne Schuld handelt, wer bei Begehung der Tat wegen einer krankhaften seelischen Störung, wegen einer tiefgreifenden Bewußtseinsstörung oder wegen einer Intelligenzminderung oder einer schweren anderen seelischen Störung unfähig ist, das Unrecht der Tat einzusehen oder nach dieser Einsicht zu handeln.

Ist die Fähigkeit des Täters, das Unrecht der Tat einzusehen oder nach dieser Einsicht zu handeln, aus einem der in § 20 bezeichneten Gründe bei Begehung der Tat erheblich vermindert, so kann die Strafe nach § 49 Abs. 1 gemildert werden.

Ohne Schuld handelt, wer bei Begehung der Tat wegen einer krankhaften seelischen Störung, wegen einer tiefgreifenden Bewußtseinsstörung oder wegen einer Intelligenzminderung oder einer schweren anderen seelischen Störung unfähig ist, das Unrecht der Tat einzusehen oder nach dieser Einsicht zu handeln.

Ist die Fähigkeit des Täters, das Unrecht der Tat einzusehen oder nach dieser Einsicht zu handeln, aus einem der in § 20 bezeichneten Gründe bei Begehung der Tat erheblich vermindert, so kann die Strafe nach § 49 Abs. 1 gemildert werden.

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
2 S t R 4 0 9 / 1 4
vom
25. März 2015
in der Strafsache
gegen
wegen schweren sexuellen Missbrauchs von Kindern u.a.
Der 2. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat in der Sitzung vom 25. März
2015, an der teilgenommen haben:
Richter am Bundesgerichtshof
Dr. Appl
als Vorsitzender,
die Richter am Bundesgerichtshof
Prof. Dr. Krehl,
Dr. Eschelbach,
die Richterin am Bundesgerichtshof
Dr. Ott,
der Richter am Bundesgerichtshof
Zeng,
Oberstaatsanwalt beim Bundesgerichtshof
als Vertreter der Bundesanwaltschaft,
Rechtsanwalt
als Verteidiger,
Rechtsanwalt
als Vertreter der Nebenklägerinnen O. ,
Rechtsanwalt
als Vertreter der Nebenklägerin W. ,
Rechtsanwalt
als Vertreter der Nebenklägerin D. ,
Justizhauptsekretärin in der Verhandlung,
Justizangestellte bei der Verkündung
als Urkundsbeamtinnen der Geschäftsstelle,

für Recht erkannt:
I. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Kassel vom 17. Februar 2014 1. im Schuldspruch dahin abgeändert, dass der Angeklagte des sexuellen Missbrauchs von Kindern in 119 Fällen, davon - in zwei Fällen in Tateinheit mit versuchtem schweren sexuellen Missbrauch von Kindern, - in elf Fällen in Tateinheit mit versuchtem sexuellen Missbrauch Widerstandsunfähiger und - in einem Fall in Tateinheit mit Verletzung des höchstpersönlichen Lebensbereichs durch Bildaufnahmen, des schweren sexuellen Missbrauchs von Kindern in 22 Fällen, davon - in zwölf Fällen in Tateinheit mit versuchtem schweren sexuellen Missbrauch Widerstandsunfähiger, - in sieben Fällen in Tateinheit mit Verletzung des höchstpersönlichen Lebensbereichs durch Bildaufnahmen, des Zugänglichmachens kinderpornographischer Schriften in sieben Fällen und des Besitzes kinderpornographischer Schriften schuldig ist, 2. im Straf- und Maßregelausspruch mit den zugehörigen Feststellungen aufgehoben. II. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels , an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen. III. Die weitergehende Revision des Angeklagten wird verworfen.

Von Rechts wegen

Gründe:

1
Das Landgericht hat den Angeklagten unter Freisprechung im Übrigen wegen sexuellen Missbrauchs von Kindern in 119 Fällen, davon in zwei Fällen in Tateinheit mit versuchtem schweren sexuellen Missbrauch von Kindern, in elf Fällen in Tateinheit mit versuchtem sexuellen Missbrauch Widerstandsunfähiger und in zwei Fällen in Tateinheit mit Verletzung des höchstpersönlichen Lebensbereichs durch Bildaufnahmen, ferner wegen schweren sexuellen Missbrauchs von Kindern in 22 Fällen, davon in zwölf Fällen in Tateinheit mit versuchtem schweren sexuellen Missbrauch Widerstandsunfähiger und in neun Fällen in Tateinheit mit Verletzung des höchstpersönlichen Lebensbereichs durch Bildaufnahmen , außerdem wegen Zugänglichmachens kinderpornographischer Schriften in sieben Fällen und wegen Besitzes kinderpornographischer Schriften zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von zwölf Jahren und anschließender Unterbringung in der Sicherungsverwahrung verurteilt. Außerdem hat es ausgesprochen , dass der Angeklagte allen Nebenklägerinnen jeweils ein Schmerzensgeld von 15.000 Euro nebst "5 % Zinsen über dem Basiszinssatz" zu zahlen hat, für die Nebenklägerinnen A. und S. O. ab dem 29. Januar 2014, für die Nebenklägerinnen W. und Or. ab dem 14. Februar 2014. Gegen dieses Urteil richtet sich die auf Verfahrensrügen und die Sachbeschwerde gestützte Revision des Angeklagten. Das Rechtsmittel hat in dem aus der Entscheidungsformel ersichtlichen Umfang Erfolg; im Übrigen ist es unbegründet.

I.

2
Nach den Feststellungen des Landgerichts leidet der Angeklagte an einer sexuellen Deviation im Sinne einer Kernpädophilie. Seit Anfang der 1980er Jahre empfindet er sexuelles Interesse an Mädchen im vorpubertären Alter. Im Herbst 1980 kam es zu einem ersten sexuellen Übergriff auf die damals fünf oder sechs Jahre alte Schwester seiner Freundin. Es folgte eine Vielzahl sexueller Übergriffe auf Mädchen aus dem Umfeld des Angeklagten.
3
Im Zeitraum von 1994 bis 1996 beging der Angeklagte mehrfach sexuellen Missbrauch der Nebenklägerin D. dadurch, dass er das Kind an der Scheide streichelte. Ab 1998 missbrauchte er die Nebenklägerin Or. , indem er das Kind an der Scheide streichelte, es dazu veranlasste, an seinem Glied zu reiben oder versuchte, mit seinem Glied einzudringen. Ab 2003 beging er ähnliche Taten zum Nachteil der Nebenklägerin W. , wobei er in einem Teil der Fälle mit seinem Glied oder mit einem Finger in sie eindrang und in einer Reihe von Fällen den Missbrauch beging, während sich das Kind schlafend stellte. Von 2007 bis 2013 missbrauchte der Angeklagte die Nebenklägerin A. O. und von 2009 bis 2013 auch die Nebenklägerin S. O. . Einige der Vorfälle filmte er mit einer Kamera.
4
Vom 5. April 2011 bis zum 31. Juli 2012 machte der Angeklagte kinderpornographische Filmdateien über eine Internettauschbörse anderen Internetnutzern zugänglich. Weil der Angeklagte seinen Computer über ein bis zwei Wochen hinweg durchgängig laufen ließ, hat das Landgericht sieben selbständige Handlungen des Zugänglichmachens kinderpornographischer Schriften angenommen.
5
Der Angeklagte verfügte zurzeit der Durchsuchung seiner Wohnung über mindestens 2.000 kinderpornographische Dateien.

II.

6
Die Revision des Angeklagten ist teilweise begründet.
7
1. Die Verfahrensrügen bleiben aus den vom Generalbundesanwalt in seiner Antragsschrift vom 24. Oktober 2014 genannten Gründen ohne Erfolg.
8
2. Soweit sich die Revision mit der Sachrüge gegen den Schuldspruch richtet, führt sie nur zu einer geringfügigen Änderung des Schuldspruchs, weil das Landgericht übersehen hat, dass § 201a StGB erst nach Begehung der Taten in den Fällen 59 bis 61 in Kraft getreten ist. Insoweit muss die tateinheitliche Verurteilung wegen dieses Tatbestands in diesen Fällen entfallen.
9
3. Der Rechtsfolgenausspruch hat keinen Bestand.
10
a) Das Landgericht ist davon ausgegangen, dass der Angeklagte bei keiner der Taten gemäß § 21 StGB in seiner Unrechtseinsichts- oder Steuerungsfähigkeit erheblich beeinträchtigt war.
11
Die Strafkammer hat sich bei ihrer Einschätzung auf den gerichtlichen Sachverständigen gestützt. Dieser ist zunächst davon ausgegangen, eine schwere andere seelische Abartigkeit des Angeklagten sei nicht anzunehmen. Zu den Auswirkungen der festgestellten Pädophilie hat er später angemerkt, es sei nicht auszuschließen, dass die sexuelle Deviation das Ausmaß einer schweren anderen seelischen Abartigkeit erreicht habe; jedoch sei nicht von einer erheblichen Beeinträchtigung der Steuerungsfähigkeit auszugehen. Daraus hat das Landgericht entnommen, selbst wenn man die Pädophilie "als schwere andere seelische Abartigkeit einstufe", habe diese "keine Auswirkungen auf die Einsichts- und Steuerungsfähigkeit" des Angeklagten gehabt.
12
Diese Ausführungen lassen besorgen, dass das Landgericht von einem falschen rechtlichen Maßstab ausgegangen ist. Die richterliche Entscheidung, ob die Fähigkeit des Täters, das Unrecht seiner Tat einzusehen oder nach dieser Einsicht zu handeln, bei der Begehung der jeweiligen Tat erheblich vermindert war, besteht in einem aus mehreren Schritten bestehenden Verfahren (vgl. BGH, Beschluss vom 12. März 2013 - 4 StR 42/13, NStZ 2013, 519, 520). Zuerst ist die Feststellung erforderlich, dass bei dem Angeklagten eine psychische Störung vorliegt, die ein solches Ausmaß erreicht hat, dass sie unter eines der Eingangsmerkmale des § 20 StGB zu subsumieren ist. Sodann sind der Ausprägungsgrad der Störung und deren Einfluss auf die soziale Anpassungsfähigkeit des Täters zu untersuchen. Durch die festgestellten psychopathologischen Verhaltensmuster muss die psychische Funktionsfähigkeit des Täters bei der Tatbegehung beeinträchtigt worden sein. Die anschließende Frage der Erheblichkeit der Beeinträchtigung des Hemmungsvermögens ist eine Rechtsfrage, die das Tatgericht selbst zu beantworten hat, nicht der Sachverständige (vgl. BGH, Urteil vom 29. April 1997 - 1 StR 511/95, BGHSt 43, 66, 77; Urteil vom 21. Januar 2004 - 1 StR 346/03, BGHSt 49, 45, 53).
13
Wird im Einzelfall eine schwere andere seelische Abartigkeit als Eingangsmerkmal im Sinne von § 20 StGB bejaht, so liegt wegen der damit festgestellten Schwere der Abartigkeit auch eine erhebliche Beeinträchtigung des Steuerungsvermögens gemäß § 21 StGB nahe (vgl. BGH, Beschluss vom 16. Mai 1991 - 4 StR 204/91, BGHR StGB § 21 seelische Abartigkeit 20; Beschluss vom 6. Mai 1997 - 1 StR 17/97, BGHR StGB § 21 seelische Abartigkeit 31; Fischer, StGB, 62. Aufl., § 21 Rn. 8). Dies hat das Landgericht nicht bedacht , als es die Frage nach dem Vorliegen eines Eingangsmerkmals offen gelassen und die Frage der Erheblichkeit einer hieraus gegebenenfalls resultierenden Beeinträchtigung der Steuerungsfähigkeit verneint hat.
14
Der Senat kann nicht ausschließen, dass bei ordnungsgemäßer Prüfung jedenfalls für einen Teil der abgeurteilten Taten eine erhebliche Beeinträchtigung der Steuerungsfähigkeit des Angeklagten anzunehmen ist. Eine festgestellte Pädophilie kann im Einzelfall die Annahme einer schweren anderen seelischen Abartigkeit und einer hierdurch erheblich beeinträchtigten Steuerungsfähigkeit rechtfertigen, wenn Sexualpraktiken zu einer eingeschliffenen Verhaltensschablone geworden sind, die sich durch abnehmende Befriedigung, zunehmende Frequenz der devianten Handlungen, Ausbau des Raffinements beim Vorgehen und gedankliche Einengung des Täters auf diese Praktik auszeichnen (vgl. BGH, Beschluss vom 17. Juli 2007 - 4 StR 242/07, NStZ-RR 2007, 337; Beschluss vom 20. Mai 2010 - 5 StR 104/10; NStZ-RR 2011, 170; Beschluss vom 6. Juli 2010 - 4 StR 283/10, NStZ-RR 2010, 304, 305; Beschluss vom 10. September 2013 - 2 StR 321/13, NStZ-RR 2014, 8, 9). Insoweit könnten entgegen der Auffassung des Landgerichts eine gedankliche Einengung des Angeklagten auf sexuelle Handlungen mit Kindern und eine Progredienz der lange andauernden Fehlentwicklung festzustellen sein, die in den letzten Jahren, in denen der Angeklagte zur gleichen Zeit sexuelle Handlungen an mehreren sehr jungen Kindern vornahm und auch nicht mehr mit seiner Ehe- frau sexuell verkehrte, zum Vorliegen der Voraussetzungen des § 21 StGB geführt haben. Ob und in welchem zeitlichen Umfang dies der Fall ist, kann der Senat anhand der Urteilsgründe nicht feststellen, weshalb er den Strafausspruch im Ganzen aufhebt.
15
b) Es ist nicht auszuschließen, dass der Rechtsfehler bei der Prüfung von § 21 StGB auch Auswirkungen auf die Anordnung der Unterbringung des Angeklagten in der Sicherungsverwahrung hat, die gemäß § 66 Abs. 2 StGB eine Ermessensentscheidung anhand aller wesentlichen Umstände des Einzelfalls erfordert. Der neue Tatrichter wird gegebenenfalls zu erwägen haben, ob der Angeklagte bei Eingreifen von § 21 StGB gemäß § 63 StGB in einem psychiatrischen Krankenhaus unterzubringen ist (vgl. BGH, Beschluss vom 20. Mai 2010 - 5 StR 104/10; NStZ-RR 2011, 170).
16
4. Der Ausspruch über die Adhäsionsanträge bleibt von der Aufhebung des strafrechtlichen Rechtsfolgenausspruchs unberührt. Über seine Aufhebung ist vom neuen Tatrichter auf der Grundlage der Ergebnisse der neuen Hauptverhandlung zu entscheiden (vgl. Senat, Beschluss vom 17. Dezember 2014 - 2 StR 78/14, StV 2015, 292, 293).
17
Der Senat weist darauf hin, dass er mit Beschluss vom 8. Oktober 2014 - 2 StR 137/14 und 2 StR 337/14 (ZfSch 2015, 203 ff.) bei den anderen Strafsenaten und bei dem Großen Senat des Bundegerichtshofs für Zivilsachen gemäß § 132 GVG angefragt hat, ob an Rechtsprechung festgehalten wird, die bei der Bemessung des Schmerzensgeldes eine Berücksichtigung der Vermö- gensverhältnisse von Schädiger und Geschädigtem fordert. Der Senat beabsichtigt , diese Rechtsprechung, von der das Landgericht ausgegangen ist, aufzugeben. Nach seiner Ansicht kommt es auf die wirtschaftlichen Verhältnisse von Täter und Opfer für die Bemessung des Schmerzensgeldes nicht an. RiBGH Dr. Appl ist Krehl Eschelbach an der Beifügung seiner Unterschrift gehindert. Krehl Ott RiBGH Zeng ist an der Beifügung seiner Unterschrift gehindert. Krehl

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
2 StR 48/10
vom
26. Mai 2010
in der Strafsache
gegen
wegen schweren sexuellen Missbrauchs von Kindern u. a.
Der 2. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat in der Sitzung vom 26. Mai 2010,
an der teilgenommen haben:
Richter am Bundesgerichtshof
Prof. Dr. Fischer
als Vorsitzender,
Richterin am Bundesgerichtshof
Roggenbuck,
Richter am Bundesgerichtshof
Dr. Appl,
Cierniak,
Prof. Dr. Schmitt,
Staatsanwältin
als Vertreterin der Bundesanwaltschaft,
Justizangestellte
als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle,

für Recht erkannt:
Die Revision der Staatsanwaltschaft gegen das Urteil des Landgerichts Bad Kreuznach vom 30. September 2009 wird mit der Maßgabe als unbegründet verworfen, dass für die Tat II.5 der Urteilsgründe eine Einzelgeldstrafe von 90 Tagessätzen zu je 5 Euro festgesetzt wird. Die Kosten des Rechtsmittels und die dem Angeklagten hierdurch entstandenen notwendigen Auslagen hat die Staatskasse zu tragen.
Von Rechts wegen

Gründe:

1
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen schweren sexuellen Missbrauchs von Kindern und wegen vorsätzlicher Körperverletzung in jeweils vier Fällen, wegen Freiheitsberaubung in zwei Fällen sowie wegen Sichverschaffens kinderpornographischer Schriften zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von vier Jahren und zehn Monaten verurteilt und dessen Laptop nebst externer Festplatte eingezogen. Mit ihrer vom Generalbundesanwalt nicht vertretenen Revision beanstandet die Staatsanwaltschaft die Nichtverurteilung des Angeklagten auch wegen Besitzes von kinderpornographischen Schriften, den Strafausspruch sowie die unterbliebene Anordnung der Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus; sie rügt die Verletzung formellen und materiellen Rechts. Das Rechtsmittel führt auf die Sachrüge zur Nachholung eines unterbliebenen Einzelstrafausspruchs ; im Übrigen ist es unbegründet.

I.

2
1. Nach den Feststellungen des Landgerichts hatte der heute 24jährige nicht vorbestrafte Angeklagte vor seinem 18. Lebensjahr alterstypische, mit Geschlechtsverkehr einhergehende Beziehungen zu geringfügig jüngeren Mädchen. Von Oktober 2003 bis Juni 2008 lebte er in einer festen Beziehung mit der gleichaltrigen H. . Im Anschluss hatte er ein sexuelles Verhältnis mit einem 17jährigen Mädchen. Während des Zusammenlebens mit H. war es zu Spannungen gekommen, weil der Angeklagte pornographisches, zum Teil kinderpornographisches Bildmaterial konsumiert hatte und sich zu jüngeren Mädchen, auch unter 14 Jahren, hingezogen fühlte.
3
a) Im November 2007 führte der damals 22jährige Angeklagte mit einem 13 Jahre und zehn Monate alten, sexuell noch unerfahrenen Mädchen, das er bereits seit längerem kannte, einvernehmlich Geschlechtsverkehr durch.
4
b) Im Frühjahr 2008 steigerten sich die Spannungen zwischen dem Angeklagten und seiner Lebensgefährtin und mündeten bei vier Gelegenheiten in körperlichen Auseinandersetzungen. Während dieses Zeitraums lud der Angeklagte zwei Bilddateien mit kinderpornographischen Darstellungen aus dem Internet auf seinen Rechner. In zwei Fällen schloss der Angeklagte seine Lebensgefährtin nach Streitigkeiten in der Wohnung ein.
5
c) Im Frühjahr 2009 schließlich führte der Angeklagte mit einem sexuell bereits erfahrenen, 13 Jahre und zwei Monate alten Mädchen, das er seit ca. einem halben Jahr kannte, bei drei Gelegenheiten jeweils einverständlich Geschlechtsverkehr durch.
6
2. In Übereinstimmung mit dem gehörten psychiatrischen Sachverständigen stellte die Strafkammer bei dem geständigen, sein Verhalten bedauernden Angeklagten pädophile Neigungen fest, zu denen dieser sich auch bekennt. Die bei dem Angeklagten vorliegende Pädophilie sei jedoch - anders als der Sachverständige meine - nicht von solchem Ausmaß, dass sie als schwere andere seelische Abartigkeit im Sinne von § 20 StGB zu werten sei. Vielmehr handele es sich um eine allgemeine Störung der Persönlichkeit, die keinen Einfluss auf die strafrechtliche Verantwortung i.S.d. §§ 20, 21 StGB habe.

II.

7
1. Die Rüge, das Landgericht habe gegen seine Aufklärungs- und Fürsorgepflicht verstoßen, in dem es ohne vorherigen Hinweis dem Sachverständigen hinsichtlich der Frage des Vorliegens einer erheblich verminderten Steuerungsfähigkeit i.S.d. § 21 StGB nicht gefolgt sei, ist unbegründet. Das Gericht war unter keinem rechtlichen Gesichtspunkt gehalten, die Prozessbeteiligten über die vorläufige Bewertung von Beweismitteln - hier des Sachverständigengutachtens - zu informieren. Erst in der Urteilsberatung hat der Tatrichter darüber zu befinden, wie er die erhobenen Beweise einschätzt. Ein Zwischenverfahren , in dem sich das Gericht zu Inhalt und Ergebnis einzelner Beweiserhebungen erklären müsste, ist nicht vorgesehen (vgl. BGHSt 43, 212, 214; BGH NStZ-RR 2008, 180).
8
2. Auch die Sachrüge deckt keinen Rechtsfehler des Urteils zum Vorteil des Angeklagten auf.
9
a) Der Schuldspruch ist nicht zu beanstanden. Die im Fall II.8 der Urteilsgründe zwar erfüllte Tatbestandsalternative des Besitzes kinderpornogra- phischer Schriften gemäß § 184 b Abs. 4 Satz 2 StGB ist ein Auffangtatbestand , der - was die Revision verkennt - hinter dem hier ausgeurteilten Tatbestand des Sichverschaffens dieser Schriften gemäß § 184 b Abs. 4 Satz 1 StGB zurücktritt (BGH NStZ 2009, 208; Fischer, StGB 57. Aufl. § 184 b Rdn. 28).
10
b) Ebenso wenig ist der Rechtsfolgenausspruch zu beanstanden. Ohne Rechtsfehler ist das Landgericht zu dem Ergebnis gelangt, dass bei dem Angeklagten die Voraussetzungen des § 21 StGB nicht vorlagen, womit die Verhängung einer Maßregel nach § 63 StGB ausgeschlossen war. Es ist dem Sachverständigen in dessen Einschätzung gefolgt, dass bei dem Angeklagten pädophile Neigungen vorliegen. Ob dieses Störungsbild unter eines der Eingangsmerkmale der §§ 20, 21 StGB zu subsumieren ist und dadurch die Schuldfähigkeit des Angeklagten erheblich eingeschränkt ist, entscheidet nach sachverständiger Beratung das Gericht (BGH NStZ-RR 2006, 73). Bei seiner Beurteilung ist der Tatrichter nicht gehindert, von dem Gutachten eines vernommenen Sachverständigen abzuweichen. Dabei ist er - wie vorliegend geschehen - gehalten, sich mit dessen Darlegungen in einer Weise auseinanderzusetzen , die erkennen lässt, dass er mit Recht eigene Sachkunde in Anspruch genommen hat (BGH NStZ 2007, 114). Hier hat das Landgericht die Ausführungen des psychiatrischen Sachverständigen in nachprüfbarer Weise wiedergegeben , sich damit auseinandergesetzt und seine abweichende Auffassung nachvollziehbar begründet. Da nicht jede Devianz in Form einer Pädophilie ohne Weiteres gleichzusetzen ist mit einer schweren anderen seelischen Abhängigkeit (BGH StV 2005, 20), war aufgrund einer Gesamtschau von Täterpersönlichkeit und Taten darauf abzustellen, ob seine Neigungen den Angeklagten im Wesen seiner Persönlichkeit so verändert haben, dass er zur Bekämpfung seiner Triebe nicht die erforderlichen Hemmungen aufbringt. Eine solche Prüfung hat die Strafkammer vorgenommen und im Einzelnen begründet, weshalb sie bei dem Angeklagten eine zwanghafte gedankliche Einengung auf Sexualver- kehr mit Kindern ebenso wenig zu erkennen vermochte wie eine süchtige Entwicklung bzw. einen Ausbau des Raffinements zur Erlangung ungestörter Kontakte mit Kindern. Vielmehr sei der Angeklagte in der Lage, seine pädophilen Neigungen zu beherrschen. Diese gut und nachvollziehbar begründete Einschätzung ist möglich und damit revisionsrechtlich nicht zu beanstanden. Die dagegen und gegen die Strafzumessung im Übrigen erhobenen Einwände der Revision erschöpfen sich in dem revisionsrechtlich unbeachtlichen Versuch, eine eigene Beweiswürdigung - teils sogar auf urteilsfremder Grundlage - an die Stelle derjenigen des Landgerichts zu setzen.
11
c) Die fehlende Festsetzung der Einzelstrafe im Fall II.5 der Urteilsgründe war vom Senat in entsprechender Anwendung von § 354 Abs. 1 StPO nachzuholen. Das Verbot der Schlechterstellung (§ 358 Abs. 2 StPO) steht der Nachholung der Festsetzung nicht entgegen (BGHR StPO § 354 Abs. 1 Strafausspruch 10 m.w.N.). Auf Antrag des Generalbundesanwalts verhängt der Senat mit Blick auf die in jeder Hinsicht vergleichbaren Fälle II.2 bis 4 der Urteilsgründe im Fall II.5 ebenfalls eine Geldstrafe von 90 Tagessätzen zu je 5 Euro. Fischer Roggenbuck Appl Cierniak Schmitt

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
1 StR 420/00
vom
10. Oktober 2000
in der Strafsache
gegen
wegen sexuellen Mißbrauchs von Kindern u.a.
Der 1. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat am 10. Oktober 2000 beschlossen
:
1. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts
Heilbronn vom 13. Juni 2000 im gesamten Rechtsfolgenausspruch
mit den Feststellungen aufgehoben.
2. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung
und Entscheidung, auch über die Kosten des
Rechtsmittels, an eine andere Jugendkammer des Landgerichts
zurückverwiesen.
3. Die weitergehende Revision wird verworfen.

Gründe:


Das Landgericht hat den Angeklagten wegen sexuellen Mißbrauchs von Kindern in zwei Fällen sowie wegen schweren sexuellen Mißbrauchs von Kindern zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von drei Jahren und sechs Monaten verurteilt. Darüber hinaus hat es die Unterbringung des Angeklagten in der Sicherungsverwahrung angeordnet. Gegen dieses Urteil wendet sich der Angeklagte mit seiner auf eine Verfahrensrüge und die Sachrüge gestützten Revision. Das Rechtsmittel hat im Rechtsfolgenausspruch Erfolg; im übrigen ist es unbegründet im Sinne von § 349 Abs. 2 StPO.
1. Die Rüge der Verletzung der Vorschriften über die Mitteilung der Gerichtsbesetzung (§§ 220a, 338 Nr. 1 StPO) ist unzulässig (§ 344 Abs. 2 Satz 2
StPO). Wie der Generalbundesanwalt in seiner Zuschrift zutreffend darlegt, hätte es der Behauptung der unrichtigen Besetzung des Gerichts bedurft und nicht nur des Vortrags, dieses habe die Mitteilung einer Ä nderung der Besetzung unterlassen (BGH, Beschl. v. 25. November 1997 - 1 StR 675/97; Beschl. v. 16. Dezember 1994 - 2 StR 652/94).
2. Die Überprüfung des Schuldspruchs aufgrund der Sachrüge hat keinen Rechtsfehler zum Nachteil des Angeklagten ergeben.
3. Dagegen kann der gesamte Rechtsfolgenausspruch nicht bestehen bleiben, weil die Urteilsgründe dem Senat nicht die Nachprüfung ermöglichen, ob das Landgericht eine erhebliche Verminderung der Steuerungsfähigkeit nach § 21 StGB in rechtlich zutreffender Weise ausgeschlossen hat. Dadurch ist der Angeklagte beschwert, denn bei Annahme einer schweren anderen seelischen Abartigkeit könnte die Tatschuld geringer zu bewerten sein und es könnte eine Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus nach § 63 StGB in Betracht kommen.

a) Das Landgericht ist, die Ergebnisse des Gutachtens des psychiatrischen Sachverständigen referierend, zu der sicheren Überzeugung gelangt, bei dem Angeklagten sei zwar eine sexuelle Devianz im Sinne einer “Pädophilie” gegeben. Es handele sich aber nicht um eine suchtartige Einengung des sexuellen Verhaltens. Es seien durchaus auch dissoziale Persönlichkeitszüge vorhanden, ohne daß jedoch das Vollbild einer dissozialen Persönlichkeitsstörung im Sinne des aktuellen psychiatrischen Klassifikationssystems ICD 10 F 65. 4 (vgl. Internationale Klassifikation psychischer Störungen, Dilling /Mombour/Schmidt (Hrsg.) 3. Aufl. [1999]) vorliege.
Die Jugendkammer hat zur Entwicklung des abweichenden Sexualverhaltens des jetzt 58jährigen Angeklagten folgendes festgestellt: Bereits im Alter von zwölf oder dreizehn Jahren traten die ersten sexuellen Impulse auf. Mit vierzehn Jahren kam es zu gelegentlichen sexuellen Kontakten zu Jungen. Im 18. Lebensjahr hatte der Angeklagte wiederum sexuelle Kontakte zu einem gleichaltrigen Jungen und im selben Jahr den ersten heterosexuellen Geschlechtsverkehr mit einer etwa zehn Jahre älteren Frau. Etwa zu dieser Zeit hatte der Angeklagte einen ersten pädophilen Kontakt zu zwei sechs- und siebenjährigen Nachbarsmädchen und einem siebenjährigen Jungen. 1959, 1963, 1976 und 1991 wurde er jeweils wegen sexuellen Mißbrauchs von Kindern verurteilt. Nachdem sein Sexualverhalten in der Zeit von Dezember 1992 bis April 1993 darin gipfelte, daß er sich an seiner leiblichen Tochter verging, unterzog er sich – zunächst freiwillig und dann im Rahmen einer gerichtlichen Weisung – einer Sexualtherapie. Im Rahmen dieser Therapie wurde auch ein sexualdämpfendes Medikament mit antiandrogener Wirkung (Androcur) verabreicht. Diese medikamentöse Behandlung wurde in Form von vierzehntägigen Depotspritzen bis 1996 fortgeführt. Aufgrund der mehrjährigen Einnahme des Medikaments kam es beim Angeklagten zu einer erektilen Dysfunktion, die dazu führte, daß sexuelle Kontakte zu seiner langjährigen Bekannten erfolglos blieben. Da er jedoch weiterhin einen starken Sexualtrieb verspürte, kam etwa ab Mitte 1999 seine pädophile Neigung wieder stärker zum Ausbruch. An eine Wiederaufnahme der Sexualtherapie einschließlich der Medikation dachte der Angeklagte nicht.
Diese Feststellungen hätten dazu drängen müssen, in einer Gesamtschau von Täterpersönlichkeit und Taten der Frage besonders kritisch nachzugehen , ob die “Pädophilie” aufgrund der bereits lang andauernden pathologi-
schen Entwicklung beim Angeklagten nicht zu Symptomen geführt hat, die zunehmend seine Persönlichkeit besetzt, d.h. “führend” geworden sind, oder sogar bei ihm zu einer schweren und umfassenden Persönlichkeitsdeformierung geführt haben (Rasch, Forensische Psychiatrie 2. Aufl. S. 279). Dann liegen in der Regel die psychiatrischen Voraussetzungen für eine schwere andere seelische Abartigkeit vor, die auch strafrechtlich die Beeinträchtigung seiner Verantwortlichkeit nahe legt (Rasch, Die psychiatrisch-psychologische Beurteilung der sogenannten schweren anderen seelischen Abartigkeit, StV 1991, 126, 131).

b) Allerdings ist nicht jedes abweichende Sexualverhalten in Form einer “Pädophilie” ohne weiteres einer schweren Persönlichkeitsstörung gleichzusetzen , die als Merkmal des § 20 StGB einer schweren anderen seelischen Abartigkeit zuzuordnen ist und zu einer Schuldmilderung nach §§ 21, 49 Abs. 1 StGB führen muß (BGH NStZ 1999, 126 mit Anm. Winckler/Foerster). Liegt ausreichendes Anknüpfungsmaterial für ein umfassendes Persönlichkeitsbild vor, kann aus psychiatrischer Sicht auch der Schluß gerechtfertigt sein, daß nur eine gestörte sexuelle Entwicklung vorliegt, die als eine allgemeine Störung der Persönlichkeit, des Sexualverhaltens oder der Anpassung kein krankheitswertiges Ausmaß aufweist und damit keinen Einfluß auf die strafrechtliche Verantwortlichkeit des Angeklagten hat.
Dagegen kann die Steuerungsfähigkeit beeinträchtigt sein, wenn Sexualpraktiken zu einer eingeschliffenen Verhaltensschablone werden, die sich durch abnehmende Befriedigung, zunehmende Frequenz, durch Ausbau des Raffinements und durch gedankliche Einengung auf diese Praktiken auszeichnen (Nedopil, Forensische Psychiatrie 2. Aufl. [2000] S. 165, 168).
Der vom Landgericht verwendete psychiatrische Begriff “Pädophilie” ist dabei nur eine Sammelbezeichnung, die alle sexuell betonten Neigungen zu Kindern umfaßt (Nedopil aaO S. 165). Eine Einordnung in die für die Begutachtung übliche Typologie nach Schorsch, Sexualstraftäter [1971], ist nicht erfolgt. Damit bleibt offen, ob die aktuellen strafbaren sexuellen Handlungen auf Verhaltensmustern beruhen, die sich bereits im jugendlichen Alter verfestigt haben, ob sie Folge einer Destabilisierung und sozialen Desintegration im mittleren Lebensbereich oder ob sie bereits Ausdruck einer beginnenden Alterspädophilie sind (vgl. zur Typologie Venzlaff/Foerster, Psychiatrische Begutachtung , 3. Aufl. S. 254 f.). Wichtiger als die Feststellung der Art der sexuellen Deviation sind allerdings Ausführungen über die Verlaufsformen des sexuellen Verlangens beim Angeklagten. Das Urteil enthält keine näheren Darlegungen darüber, ob die Wünsche und das Verlangen nach pädophilen Kontakten krisenhaft entstanden und über welche Möglichkeiten der inneren Auseinandersetzung mit seiner Deviation der Angeklagte verfügte. Damit fehlt auch das Ergebnis der sachverständigen Beurteilung des Maßes der Determiniertheit der sexuellen Handlungen (Venzlaff/Foerster aaO S. 252; vgl. auch die Anm. von Winckler/Foerster zu BGH NStZ 1999, 126, 128). Schließlich fehlt die Wiedergabe der Beurteilung dafür, welchen Einfluß die langjährige Behandlung mit Androcur und das Absetzen des Medikaments auf die aktuellen Verlaufsformen der sexuellen Deviation und den Entschluß des Angeklagten zur erneuten Begehung strafbarer Handlungen des sexuellen Mißbrauchs an Kindern gehabt hat.
Erst auf der Grundlage einer angesichts der Gesamtumstände gebotenen ausführlichen psychiatrischen Diagnose kann der Tatrichter im Rahmen der Erheblichkeitsprüfung die Wertung treffen, ob die von der Norm abwei-
chende sexuelle Präferenz den Täter - nicht anders als bei den sonstigen Persönlichkeitsstörungen – in seiner Persönlichkeit so nachhaltig verändert hat, daß er selbst bei Aufbietung aller ihm eigenen Willenskräfte dem Trieb nicht ausreichend zu widerstehen vermag oder ob sie - in Folge seiner Abartigkeit – den Täter in seiner gesamten inneren Grundlage und damit im Wesen seiner Persönlichkeit so verändert, daß er zur Bekämpfung seiner Triebe nicht die erforderlichen Hemmungen aufbringt (BGH NStZ 1998, 30, 31; 1996, 401, 402; Jähnke in LK StGB 11. Aufl. § 20 Rdn. 64). Steht fest, daß der Täter aus einem mehr oder weniger unwiderstehlichen Zwang heraus gehandelt hat und drohen weitere erhebliche Straftaten, hat der Tatrichter zu prüfen, ob eine Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus notwendig ist (BGHSt 42, 385, 388).

d) Eine solche Gesamtbetrachtung der Taten und der Persönlichkeit des Täters fehlt hier. Die Darlegungen des Landgerichts zum bisherigen Werdegang des Angeklagten und zu seinem abweichenden Sexualverhalten legen es eher nahe, daß er seine pädophile Neigung nicht beherrschen kann. Dem Urteil ist zu entnehmen, daß der Angeklagte bereits seit vielen Jahren immer wieder in einschlägiger Weise in Erscheinung getreten ist und daß er zumindest in den Jahren von 1993 bis 1996 Hilfe in der Medikation mit Androcur gesucht hat. Die mitgeteilten Beziehungen zu erwachsenen Frauen legen nahe, daß erhebliche Schwierigkeiten bei normalen Sexualkontakten bestanden haben. Die Wiederaufnahme von pädophilen Sexualkontakten nach dem Scheitern der letzten Beziehung, der Ausbau des Raffinements zur Erlangung ungestörter Kontakte zu den Kindern und die Hinwendung zu drei Tatopfern während der Zeit von Juli bis Ende November 1999 deuten auf eine sich steigernde Frequenz der Sexualkontakte und damit auf eine süchtige Entwicklung hin (BGH
NJW 1982, 2009; BGHR StGB § 21 seelische Abartigkeit 22 m.w.N.). Dies erfordert eine vertiefte Auseinandersetzung damit, ob der Angeklagte infolge seiner pädophilen Veranlagung in seiner Persönlichkeit derart beeinträchtigt ist, daß er die Anforderungen an normgemäßes Verhalten nicht oder nur in erheblich geringerem Maße erfüllen konnte als andere Menschen (vgl. BGHR StGB § 63 Zustand 23, 28). Weshalb der vom Landgericht gehörte Sachverständige davon ausgegangen ist, “es handele sich dabei aber nicht um eine suchtartige Verengung des sexuellen Verhaltens gerade auf diesen Sektor sexueller Betätigung” , ist für den Senat aus den Urteilsgründen nicht nachzuvollziehen. Dies gilt nicht zuletzt deshalb, weil der Sachverständige zur Begründung der für die Sicherungsverwahrung erforderliche Feststellung eines Hanges im Sinne des § 66 Abs. 1 Nr. 3 StGB ausgeführt hat, beim Angeklagten sei ein erheblicher Mangel an Empathie und Frustrationstoleranz festzustellen. Diese Merkmale hätten sich beim Angeklagten so verfestigt, daß die Taten “allesamt dasselbe Verhaltensmuster zeigen und auf eine fest verwurzelte Neigung schließen lassen”.
4. Für das weitere Verfahren weist der Senat vorsorglich darauf hin, daß der Tatrichter seiner Aufgabe, sich eine eigene Überzeugung über den Zustand des Angeklagten zu bilden, grundsätzlich nicht dadurch gerecht wird, daß er lediglich die Befunde des Sachverständigen wiedergibt, ohne sich mit diesen auseinanderzusetzen (BGHR StPO § 261 Überzeugungsbildung 17).
Jedenfalls müssen, wenn der Tatrichter dem Ergebnis eines Sachverständigengutachtens ohne Angaben eigener Erwägungen folgt, die wesentlichen Anknüpfungstatsachen und Darlegungen des Sachverständigen im Urteil so wiedergegeben werden, wie dies zum Verständnis des Gutachtens und zur Beurteilung seiner Schlüssigkeit erforderlich ist (BGH NStZ 1999, 610, 611).
Schäfer Boetticher Schluckebier Kolz Hebenstreit
14
Ob die sexuelle Devianz in Form einer Pädophilie einen Ausprägungsgrad erreicht, der dem Eingangsmerkmal der schweren anderen seelischen Abartigkeit zugeordnet werden kann und dann regelmäßig eine erhebliche Einschränkung der Steuerungsfähigkeit nahelegt (dazu BGH, Urteil vom 25. März 2015 – 2 StR 409/14, NStZ 2015, 688), ist aufgrund einer Gesamtschau der Täterpersönlichkeit und seiner Taten zu beurteilen (BGH, Urteil vom 26. Mai 2010 – 2 StR 48/10, RuP 2010, 226 f.; ebenso bereits BGH, Beschluss vom 10. Oktober 2000 – 1 StR 420/00, NStZ 2001, 243, 244). Dabei kommt es darauf an, ob die sexuellen Neigungen die Persönlichkeit des Täters so verändert haben, dass er zur Bekämpfung seiner Triebe nicht die erforderlichen Hemmungen aufzubringen vermag (vgl. BGH, Urteil vom 26. Mai 2010 – 2 StR 48/10, RuP 2010, 226 f.; siehe auch BGH, Beschluss vom 10. Oktober 2000 – 1 StR 420/00, NStZ 2001, 243, 244 sowie Rosenau/Schreiber in Venzlaff/Foerster/Dreßing/Habermeyer, Psychiatrische Begutachtung, 6. Aufl., S. 106).
2
Der Generalbundesanwalt hat ausgeführt: "Die rechtsfehlerfrei getroffenen Feststellungen tragen den Schuldspruch.

Ohne Schuld handelt, wer bei Begehung der Tat wegen einer krankhaften seelischen Störung, wegen einer tiefgreifenden Bewußtseinsstörung oder wegen einer Intelligenzminderung oder einer schweren anderen seelischen Störung unfähig ist, das Unrecht der Tat einzusehen oder nach dieser Einsicht zu handeln.

Ist die Fähigkeit des Täters, das Unrecht der Tat einzusehen oder nach dieser Einsicht zu handeln, aus einem der in § 20 bezeichneten Gründe bei Begehung der Tat erheblich vermindert, so kann die Strafe nach § 49 Abs. 1 gemildert werden.

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
4 StR 283/10
vom
6. Juli 2010
in der Strafsache
gegen
wegen sexuellen Missbrauchs eines Kindes
Der 4. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat auf Antrag des Generalbundesanwalts
und nach Anhörung des Beschwerdeführers am 6. Juli 2010 gemäß
§ 349 Abs. 2 und 4 StPO beschlossen:
1. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Saarbrücken vom 8. März 2010 im Maßregelausspruch mit den zugehörigen Feststellungen aufgehoben. 2. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Jugendschutzkammer des Landgerichts zurückverwiesen. 3. Die weiter gehende Revision wird verworfen.

Gründe:


1
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen sexuellen Missbrauchs eines Kindes zu einer Freiheitsstrafe von zwei Jahren und neun Monaten verurteilt und seine Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus angeordnet. Gegen dieses Urteil wendet sich der Angeklagte mit seiner Revision, mit der er die Verletzung sachlichen Rechts rügt.
2
Die Nachprüfung des Urteils auf Grund der Revisionsrechtfertigung hat zum Schuld- und Strafausspruch keinen Rechtsfehler zum Nachteil des Angeklagten ergeben. Der Maßregelausspruch hat hingegen keinen Bestand.
3
Das Landgericht hat - den Ausführungen des Sachverständigen folgend - angenommen, dass der Angeklagte die Tat im Zustand erheblich verminderter Schuldfähigkeit begangen habe. Bei dem Angeklagten bestehe eine Störung der Sexualpräferenz mit einer homosexuellen Orientierung auf junge, pubertierende Geschlechtspartner. Diese spezielle Ausrichtung werde von der Diagnose Pädophilie zwar nicht explizit ausgenommen, betreffe jedoch eine besondere sexuelle Neigung, die in der Literatur auch als Hebephilie bzw. als Ephebophilie bezeichnet werde. Die Persönlichkeitsstörung erfülle die Kriterien der schweren anderen seelischen Abartigkeit im Sinne der §§ 20, 21 StGB. Zwar unterläge die Alltagskompetenz des Angeklagten durch die Störung generell keiner Beeinträchtigung , im Beziehungsbereich gäbe es aber erkennbare Defizite, die auch durch mehrjährige therapeutische Zuwendung nicht aufgelöst werden konnten und immer wieder in einförmiger Weise zu sexuellen Handlungen an unter 14Jährigen geführt hätten. Insofern sei eine Einengung der Lebensbezüge des Angeklagten auf die Befriedigung seiner sexuellen Bedürfnisse unübersehbar. Deshalb sei im Sinne des § 21 StGB von ausgeprägten Steuerungsmängeln hinsichtlich der Triebbefriedigung des Angeklagten auszugehen.
4
Die Ausführungen des Landgerichts zur - für eine Anordnung nach § 63 StGB positiv festzustellenden - verminderten Schuldfähigkeit des Angeklagten infolge einer schweren anderen seelischen Abartigkeit halten rechtlicher Prüfung nicht stand. Sie belegen nicht, dass die Störung den Angeklagten so nachhaltig in seiner Persönlichkeit geprägt hat, dass sie den für die Annahme erheblich verminderter Schuldfähigkeit erforderlichen Schweregrad erreicht hat. Steht, wie hier, für die Beurteilung der Schuldfähigkeit eine von der Norm abweichende sexuelle Präferenz im Vordergrund, muss diese den Täter im Wesen seiner Persönlichkeit so verändert haben, dass er zur Bekämpfung seiner Triebe nicht die erforderlichen Hemmungen aufbringt (vgl. BGH NStZ-RR 2007, 337; StV 2005, 20; BGHR StGB § 21 seelische Abartigkeit 33, 37 und § 63 Zustand 23). Daher ist nicht jedes abweichende Sexualverhalten, auch nicht eine Devianz in Form einer Pädophilie (zum Begriff: Internationale Klassifikation psychischer Störungen ICD-10 F 65.4; Venzlaff/Foerster, Psychiatrische Begutachtung 5. Aufl. S. 343 f.), die zwangsläufig nur unter Verletzung strafrechtlich geschützter Rechtsgüter verwirklicht werden kann, ohne Weiteres gleichzusetzen mit einer schweren anderen seelischen Abartigkeit im Sinne der §§ 20, 21 StGB. Vielmehr kann auch nur eine gestörte sexuelle Entwicklung vorliegen, die als allgemeine Störung der Persönlichkeit, des Sexualverhaltens oder der Anpassung nicht den Schweregrad einer schweren anderen seelischen Abartigkeit im Sinne des § 21 StGB erreicht. Hingegen kann die Steuerungsfähigkeit etwa dann beeinträchtigt sein, wenn abweichende Sexualpraktiken zu einer eingeschliffenen Verhaltensschablone geworden sind, die sich durch abnehmende Befriedigung, zunehmende Frequenz, durch Ausbau des Raffinements und durch gedankliche Einengung auf diese Praktiken auszeichnen (vgl. Nedopil, Forensische Psychiatrie 3. Aufl. S. 204 f.).
5
Den dargelegten Anforderungen an die Beurteilung der Schuldfähigkeit des Angeklagten wird das angefochtene Urteil nicht gerecht. Die Ausführungen des Sachverständigen belegen nicht, dass beim Angeklagten eine Einengung auf ein deviantes Sexualverhalten in Gestalt einer schuldrelevanten süchtigen Entwicklung vorliegt. Eine solche Annahme wird von den Urteilsfeststellungen nicht getragen. Das Landgericht teilt die Anknüpfungstatsachen des Sachverständigen nicht mit. Nach den sonstigen Urteilsfeststellungen war der Angeklagte zuletzt im August 1997 einschlägig in Erscheinung getreten. Zum Zeitpunkt der letzten Vorverurteilung im Januar 2000 unterhielt er Sexualkontakte zu einem jungen Mann Anfang 20. Von 1998 bis 2002 ist er von dem Dipl.Psychologen und Psychotherapeuten S. psychotherapeutisch behandelt worden. Der Therapeut hat ihm im Jahre 2002 eine positive Entwicklung bescheinigt , die allerdings einen Rückfall nicht generell ausschließe. Seither ist der Angeklagte offenbar bis zu der hier abgeurteilten Tat am 31. Mai 2009 nicht mehr strafrechtlich in Erscheinung getreten. Diese Umstände, die eher zeigen, dass der Angeklagte sein Sexualverhalten über viele Jahre unter Kontrolle hatte , hätten zu der Erörterung gedrängt, weshalb der Angeklagte im Tatzeitraum nur erheblich eingeschränkt in der Lage gewesen sein soll, seinen pädophilen Neigungen zu widerstehen.
6
Der aufgezeigte Rechtsfehler bei der Schuldfähigkeitsbeurteilung lässt den Schuld- und Strafausspruch des angefochtenen Urteils unberührt, da eine vollständige Aufhebung der Schuldfähigkeit hier von vornherein ausscheidet. Durch die Annahme der Voraussetzungen des § 21 StGB bei der Strafzumessung ist der Angeklagte nicht beschwert.
Ernemann Solin-Stojanović Roggenbuck Mutzbauer Bender

(1) Die Unterbringung in einer Entziehungsanstalt darf zwei Jahre nicht übersteigen. Die Frist läuft vom Beginn der Unterbringung an. Wird vor einer Freiheitsstrafe eine daneben angeordnete freiheitsentziehende Maßregel vollzogen, so verlängert sich die Höchstfrist um die Dauer der Freiheitsstrafe, soweit die Zeit des Vollzugs der Maßregel auf die Strafe angerechnet wird.

(2) Ist keine Höchstfrist vorgesehen oder ist die Frist noch nicht abgelaufen, so setzt das Gericht die weitere Vollstreckung der Unterbringung zur Bewährung aus, wenn zu erwarten ist, daß der Untergebrachte außerhalb des Maßregelvollzugs keine erheblichen rechtswidrigen Taten mehr begehen wird. Gleiches gilt, wenn das Gericht nach Beginn der Vollstreckung der Unterbringung in der Sicherungsverwahrung feststellt, dass die weitere Vollstreckung unverhältnismäßig wäre, weil dem Untergebrachten nicht spätestens bis zum Ablauf einer vom Gericht bestimmten Frist von höchstens sechs Monaten ausreichende Betreuung im Sinne des § 66c Absatz 1 Nummer 1 angeboten worden ist; eine solche Frist hat das Gericht, wenn keine ausreichende Betreuung angeboten wird, unter Angabe der anzubietenden Maßnahmen bei der Prüfung der Aussetzung der Vollstreckung festzusetzen. Mit der Aussetzung nach Satz 1 oder 2 tritt Führungsaufsicht ein.

(3) Sind zehn Jahre der Unterbringung in der Sicherungsverwahrung vollzogen worden, so erklärt das Gericht die Maßregel für erledigt, wenn nicht die Gefahr besteht, daß der Untergebrachte erhebliche Straftaten begehen wird, durch welche die Opfer seelisch oder körperlich schwer geschädigt werden. Mit der Entlassung aus dem Vollzug der Unterbringung tritt Führungsaufsicht ein.

(4) Ist die Höchstfrist abgelaufen, so wird der Untergebrachte entlassen. Die Maßregel ist damit erledigt. Mit der Entlassung aus dem Vollzug der Unterbringung tritt Führungsaufsicht ein.

(5) Das Gericht erklärt die Unterbringung in einer Entziehungsanstalt für erledigt, wenn die Voraussetzungen des § 64 Satz 2 nicht mehr vorliegen. Mit der Entlassung aus dem Vollzug der Unterbringung tritt Führungsaufsicht ein.

(6) Stellt das Gericht nach Beginn der Vollstreckung der Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus fest, dass die Voraussetzungen der Maßregel nicht mehr vorliegen oder die weitere Vollstreckung der Maßregel unverhältnismäßig wäre, so erklärt es sie für erledigt. Dauert die Unterbringung sechs Jahre, ist ihre Fortdauer in der Regel nicht mehr verhältnismäßig, wenn nicht die Gefahr besteht, dass der Untergebrachte infolge seines Zustandes erhebliche rechtswidrige Taten begehen wird, durch welche die Opfer seelisch oder körperlich schwer geschädigt werden oder in die Gefahr einer schweren körperlichen oder seelischen Schädigung gebracht werden. Sind zehn Jahre der Unterbringung vollzogen, gilt Absatz 3 Satz 1 entsprechend. Mit der Entlassung aus dem Vollzug der Unterbringung tritt Führungsaufsicht ein. Das Gericht ordnet den Nichteintritt der Führungsaufsicht an, wenn zu erwarten ist, dass der Betroffene auch ohne sie keine Straftaten mehr begehen wird.

(1) Wird die Unterbringung in einer Anstalt nach den §§ 63 und 64 neben einer Freiheitsstrafe angeordnet, so wird die Maßregel vor der Strafe vollzogen.

(2) Das Gericht bestimmt jedoch, daß die Strafe oder ein Teil der Strafe vor der Maßregel zu vollziehen ist, wenn der Zweck der Maßregel dadurch leichter erreicht wird. Bei Anordnung der Unterbringung in einer Entziehungsanstalt neben einer zeitigen Freiheitsstrafe von über drei Jahren soll das Gericht bestimmen, dass ein Teil der Strafe vor der Maßregel zu vollziehen ist. Dieser Teil der Strafe ist so zu bemessen, dass nach seiner Vollziehung und einer anschließenden Unterbringung eine Entscheidung nach Absatz 5 Satz 1 möglich ist. Das Gericht soll ferner bestimmen, dass die Strafe vor der Maßregel zu vollziehen ist, wenn die verurteilte Person vollziehbar zur Ausreise verpflichtet und zu erwarten ist, dass ihr Aufenthalt im räumlichen Geltungsbereich dieses Gesetzes während oder unmittelbar nach Verbüßung der Strafe beendet wird.

(3) Das Gericht kann eine Anordnung nach Absatz 2 Satz 1 oder Satz 2 nachträglich treffen, ändern oder aufheben, wenn Umstände in der Person des Verurteilten es angezeigt erscheinen lassen. Eine Anordnung nach Absatz 2 Satz 4 kann das Gericht auch nachträglich treffen. Hat es eine Anordnung nach Absatz 2 Satz 4 getroffen, so hebt es diese auf, wenn eine Beendigung des Aufenthalts der verurteilten Person im räumlichen Geltungsbereich dieses Gesetzes während oder unmittelbar nach Verbüßung der Strafe nicht mehr zu erwarten ist.

(4) Wird die Maßregel ganz oder zum Teil vor der Strafe vollzogen, so wird die Zeit des Vollzugs der Maßregel auf die Strafe angerechnet, bis zwei Drittel der Strafe erledigt sind.

(5) Wird die Maßregel vor der Strafe oder vor einem Rest der Strafe vollzogen, so kann das Gericht die Vollstreckung des Strafrestes unter den Voraussetzungen des § 57 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 und 3 zur Bewährung aussetzen, wenn die Hälfte der Strafe erledigt ist. Wird der Strafrest nicht ausgesetzt, so wird der Vollzug der Maßregel fortgesetzt; das Gericht kann jedoch den Vollzug der Strafe anordnen, wenn Umstände in der Person des Verurteilten es angezeigt erscheinen lassen.

(6) Das Gericht bestimmt, dass eine Anrechnung nach Absatz 4 auch auf eine verfahrensfremde Strafe erfolgt, wenn deren Vollzug für die verurteilte Person eine unbillige Härte wäre. Bei dieser Entscheidung sind insbesondere das Verhältnis der Dauer des bisherigen Freiheitsentzugs zur Dauer der verhängten Strafen, der erzielte Therapieerfolg und seine konkrete Gefährdung sowie das Verhalten der verurteilten Person im Vollstreckungsverfahren zu berücksichtigen. Die Anrechnung ist in der Regel ausgeschlossen, wenn die der verfahrensfremden Strafe zugrunde liegende Tat nach der Anordnung der Maßregel begangen worden ist. Absatz 5 Satz 2 gilt entsprechend.

(1) Hat der Verurteilte aus Anlaß einer Tat, die Gegenstand des Verfahrens ist oder gewesen ist, Untersuchungshaft oder eine andere Freiheitsentziehung erlitten, so wird sie auf zeitige Freiheitsstrafe und auf Geldstrafe angerechnet. Das Gericht kann jedoch anordnen, daß die Anrechnung ganz oder zum Teil unterbleibt, wenn sie im Hinblick auf das Verhalten des Verurteilten nach der Tat nicht gerechtfertigt ist.

(2) Wird eine rechtskräftig verhängte Strafe in einem späteren Verfahren durch eine andere Strafe ersetzt, so wird auf diese die frühere Strafe angerechnet, soweit sie vollstreckt oder durch Anrechnung erledigt ist.

(3) Ist der Verurteilte wegen derselben Tat im Ausland bestraft worden, so wird auf die neue Strafe die ausländische angerechnet, soweit sie vollstreckt ist. Für eine andere im Ausland erlittene Freiheitsentziehung gilt Absatz 1 entsprechend.

(4) Bei der Anrechnung von Geldstrafe oder auf Geldstrafe entspricht ein Tag Freiheitsentziehung einem Tagessatz. Wird eine ausländische Strafe oder Freiheitsentziehung angerechnet, so bestimmt das Gericht den Maßstab nach seinem Ermessen.

(5) Für die Anrechnung der Dauer einer vorläufigen Entziehung der Fahrerlaubnis (§ 111a der Strafprozeßordnung) auf das Fahrverbot nach § 44 gilt Absatz 1 entsprechend. In diesem Sinne steht der vorläufigen Entziehung der Fahrerlaubnis die Verwahrung, Sicherstellung oder Beschlagnahme des Führerscheins (§ 94 der Strafprozeßordnung) gleich.

(1) Wird die Unterbringung in einer Anstalt nach den §§ 63 und 64 neben einer Freiheitsstrafe angeordnet, so wird die Maßregel vor der Strafe vollzogen.

(2) Das Gericht bestimmt jedoch, daß die Strafe oder ein Teil der Strafe vor der Maßregel zu vollziehen ist, wenn der Zweck der Maßregel dadurch leichter erreicht wird. Bei Anordnung der Unterbringung in einer Entziehungsanstalt neben einer zeitigen Freiheitsstrafe von über drei Jahren soll das Gericht bestimmen, dass ein Teil der Strafe vor der Maßregel zu vollziehen ist. Dieser Teil der Strafe ist so zu bemessen, dass nach seiner Vollziehung und einer anschließenden Unterbringung eine Entscheidung nach Absatz 5 Satz 1 möglich ist. Das Gericht soll ferner bestimmen, dass die Strafe vor der Maßregel zu vollziehen ist, wenn die verurteilte Person vollziehbar zur Ausreise verpflichtet und zu erwarten ist, dass ihr Aufenthalt im räumlichen Geltungsbereich dieses Gesetzes während oder unmittelbar nach Verbüßung der Strafe beendet wird.

(3) Das Gericht kann eine Anordnung nach Absatz 2 Satz 1 oder Satz 2 nachträglich treffen, ändern oder aufheben, wenn Umstände in der Person des Verurteilten es angezeigt erscheinen lassen. Eine Anordnung nach Absatz 2 Satz 4 kann das Gericht auch nachträglich treffen. Hat es eine Anordnung nach Absatz 2 Satz 4 getroffen, so hebt es diese auf, wenn eine Beendigung des Aufenthalts der verurteilten Person im räumlichen Geltungsbereich dieses Gesetzes während oder unmittelbar nach Verbüßung der Strafe nicht mehr zu erwarten ist.

(4) Wird die Maßregel ganz oder zum Teil vor der Strafe vollzogen, so wird die Zeit des Vollzugs der Maßregel auf die Strafe angerechnet, bis zwei Drittel der Strafe erledigt sind.

(5) Wird die Maßregel vor der Strafe oder vor einem Rest der Strafe vollzogen, so kann das Gericht die Vollstreckung des Strafrestes unter den Voraussetzungen des § 57 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 und 3 zur Bewährung aussetzen, wenn die Hälfte der Strafe erledigt ist. Wird der Strafrest nicht ausgesetzt, so wird der Vollzug der Maßregel fortgesetzt; das Gericht kann jedoch den Vollzug der Strafe anordnen, wenn Umstände in der Person des Verurteilten es angezeigt erscheinen lassen.

(6) Das Gericht bestimmt, dass eine Anrechnung nach Absatz 4 auch auf eine verfahrensfremde Strafe erfolgt, wenn deren Vollzug für die verurteilte Person eine unbillige Härte wäre. Bei dieser Entscheidung sind insbesondere das Verhältnis der Dauer des bisherigen Freiheitsentzugs zur Dauer der verhängten Strafen, der erzielte Therapieerfolg und seine konkrete Gefährdung sowie das Verhalten der verurteilten Person im Vollstreckungsverfahren zu berücksichtigen. Die Anrechnung ist in der Regel ausgeschlossen, wenn die der verfahrensfremden Strafe zugrunde liegende Tat nach der Anordnung der Maßregel begangen worden ist. Absatz 5 Satz 2 gilt entsprechend.

Hat jemand eine rechtswidrige Tat im Zustand der Schuldunfähigkeit (§ 20) oder der verminderten Schuldfähigkeit (§ 21) begangen, so ordnet das Gericht die Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus an, wenn die Gesamtwürdigung des Täters und seiner Tat ergibt, daß von ihm infolge seines Zustandes erhebliche rechtswidrige Taten, durch welche die Opfer seelisch oder körperlich erheblich geschädigt oder erheblich gefährdet werden oder schwerer wirtschaftlicher Schaden angerichtet wird, zu erwarten sind und er deshalb für die Allgemeinheit gefährlich ist. Handelt es sich bei der begangenen rechtswidrigen Tat nicht um eine im Sinne von Satz 1 erhebliche Tat, so trifft das Gericht eine solche Anordnung nur, wenn besondere Umstände die Erwartung rechtfertigen, dass der Täter infolge seines Zustandes derartige erhebliche rechtswidrige Taten begehen wird.

(1) Das Gericht setzt die Vollstreckung des Restes einer zeitigen Freiheitsstrafe zur Bewährung aus, wenn

1.
zwei Drittel der verhängten Strafe, mindestens jedoch zwei Monate, verbüßt sind,
2.
dies unter Berücksichtigung des Sicherheitsinteresses der Allgemeinheit verantwortet werden kann, und
3.
die verurteilte Person einwilligt.
Bei der Entscheidung sind insbesondere die Persönlichkeit der verurteilten Person, ihr Vorleben, die Umstände ihrer Tat, das Gewicht des bei einem Rückfall bedrohten Rechtsguts, das Verhalten der verurteilten Person im Vollzug, ihre Lebensverhältnisse und die Wirkungen zu berücksichtigen, die von der Aussetzung für sie zu erwarten sind.

(2) Schon nach Verbüßung der Hälfte einer zeitigen Freiheitsstrafe, mindestens jedoch von sechs Monaten, kann das Gericht die Vollstreckung des Restes zur Bewährung aussetzen, wenn

1.
die verurteilte Person erstmals eine Freiheitsstrafe verbüßt und diese zwei Jahre nicht übersteigt oder
2.
die Gesamtwürdigung von Tat, Persönlichkeit der verurteilten Person und ihrer Entwicklung während des Strafvollzugs ergibt, daß besondere Umstände vorliegen,
und die übrigen Voraussetzungen des Absatzes 1 erfüllt sind.

(3) Die §§ 56a bis 56e gelten entsprechend; die Bewährungszeit darf, auch wenn sie nachträglich verkürzt wird, die Dauer des Strafrestes nicht unterschreiten. Hat die verurteilte Person mindestens ein Jahr ihrer Strafe verbüßt, bevor deren Rest zur Bewährung ausgesetzt wird, unterstellt sie das Gericht in der Regel für die Dauer oder einen Teil der Bewährungszeit der Aufsicht und Leitung einer Bewährungshelferin oder eines Bewährungshelfers.

(4) Soweit eine Freiheitsstrafe durch Anrechnung erledigt ist, gilt sie als verbüßte Strafe im Sinne der Absätze 1 bis 3.

(5) Die §§ 56f und 56g gelten entsprechend. Das Gericht widerruft die Strafaussetzung auch dann, wenn die verurteilte Person in der Zeit zwischen der Verurteilung und der Entscheidung über die Strafaussetzung eine Straftat begangen hat, die von dem Gericht bei der Entscheidung über die Strafaussetzung aus tatsächlichen Gründen nicht berücksichtigt werden konnte und die im Fall ihrer Berücksichtigung zur Versagung der Strafaussetzung geführt hätte; als Verurteilung gilt das Urteil, in dem die zugrunde liegenden tatsächlichen Feststellungen letztmals geprüft werden konnten.

(6) Das Gericht kann davon absehen, die Vollstreckung des Restes einer zeitigen Freiheitsstrafe zur Bewährung auszusetzen, wenn die verurteilte Person unzureichende oder falsche Angaben über den Verbleib von Gegenständen macht, die der Einziehung von Taterträgen unterliegen.

(7) Das Gericht kann Fristen von höchstens sechs Monaten festsetzen, vor deren Ablauf ein Antrag der verurteilten Person, den Strafrest zur Bewährung auszusetzen, unzulässig ist.

(1) Wird die Unterbringung in einer Anstalt nach den §§ 63 und 64 neben einer Freiheitsstrafe angeordnet, so wird die Maßregel vor der Strafe vollzogen.

(2) Das Gericht bestimmt jedoch, daß die Strafe oder ein Teil der Strafe vor der Maßregel zu vollziehen ist, wenn der Zweck der Maßregel dadurch leichter erreicht wird. Bei Anordnung der Unterbringung in einer Entziehungsanstalt neben einer zeitigen Freiheitsstrafe von über drei Jahren soll das Gericht bestimmen, dass ein Teil der Strafe vor der Maßregel zu vollziehen ist. Dieser Teil der Strafe ist so zu bemessen, dass nach seiner Vollziehung und einer anschließenden Unterbringung eine Entscheidung nach Absatz 5 Satz 1 möglich ist. Das Gericht soll ferner bestimmen, dass die Strafe vor der Maßregel zu vollziehen ist, wenn die verurteilte Person vollziehbar zur Ausreise verpflichtet und zu erwarten ist, dass ihr Aufenthalt im räumlichen Geltungsbereich dieses Gesetzes während oder unmittelbar nach Verbüßung der Strafe beendet wird.

(3) Das Gericht kann eine Anordnung nach Absatz 2 Satz 1 oder Satz 2 nachträglich treffen, ändern oder aufheben, wenn Umstände in der Person des Verurteilten es angezeigt erscheinen lassen. Eine Anordnung nach Absatz 2 Satz 4 kann das Gericht auch nachträglich treffen. Hat es eine Anordnung nach Absatz 2 Satz 4 getroffen, so hebt es diese auf, wenn eine Beendigung des Aufenthalts der verurteilten Person im räumlichen Geltungsbereich dieses Gesetzes während oder unmittelbar nach Verbüßung der Strafe nicht mehr zu erwarten ist.

(4) Wird die Maßregel ganz oder zum Teil vor der Strafe vollzogen, so wird die Zeit des Vollzugs der Maßregel auf die Strafe angerechnet, bis zwei Drittel der Strafe erledigt sind.

(5) Wird die Maßregel vor der Strafe oder vor einem Rest der Strafe vollzogen, so kann das Gericht die Vollstreckung des Strafrestes unter den Voraussetzungen des § 57 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 und 3 zur Bewährung aussetzen, wenn die Hälfte der Strafe erledigt ist. Wird der Strafrest nicht ausgesetzt, so wird der Vollzug der Maßregel fortgesetzt; das Gericht kann jedoch den Vollzug der Strafe anordnen, wenn Umstände in der Person des Verurteilten es angezeigt erscheinen lassen.

(6) Das Gericht bestimmt, dass eine Anrechnung nach Absatz 4 auch auf eine verfahrensfremde Strafe erfolgt, wenn deren Vollzug für die verurteilte Person eine unbillige Härte wäre. Bei dieser Entscheidung sind insbesondere das Verhältnis der Dauer des bisherigen Freiheitsentzugs zur Dauer der verhängten Strafen, der erzielte Therapieerfolg und seine konkrete Gefährdung sowie das Verhalten der verurteilten Person im Vollstreckungsverfahren zu berücksichtigen. Die Anrechnung ist in der Regel ausgeschlossen, wenn die der verfahrensfremden Strafe zugrunde liegende Tat nach der Anordnung der Maßregel begangen worden ist. Absatz 5 Satz 2 gilt entsprechend.

(1) Die Kosten eines zurückgenommenen oder erfolglos eingelegten Rechtsmittels treffen den, der es eingelegt hat. Hat der Beschuldigte das Rechtsmittel erfolglos eingelegt oder zurückgenommen, so sind ihm die dadurch dem Nebenkläger oder dem zum Anschluß als Nebenkläger Berechtigten in Wahrnehmung seiner Befugnisse nach § 406h erwachsenen notwendigen Auslagen aufzuerlegen. Hat im Falle des Satzes 1 allein der Nebenkläger ein Rechtsmittel eingelegt oder durchgeführt, so sind ihm die dadurch erwachsenen notwendigen Auslagen des Beschuldigten aufzuerlegen. Für die Kosten des Rechtsmittels und die notwendigen Auslagen der Beteiligten gilt § 472a Abs. 2 entsprechend, wenn eine zulässig erhobene sofortige Beschwerde nach § 406a Abs. 1 Satz 1 durch eine den Rechtszug abschließende Entscheidung unzulässig geworden ist.

(2) Hat im Falle des Absatzes 1 die Staatsanwaltschaft das Rechtsmittel zuungunsten des Beschuldigten oder eines Nebenbeteiligten (§ 424 Absatz 1, §§ 439, 444 Abs. 1 Satz 1) eingelegt, so sind die ihm erwachsenen notwendigen Auslagen der Staatskasse aufzuerlegen. Dasselbe gilt, wenn das von der Staatsanwaltschaft zugunsten des Beschuldigten oder eines Nebenbeteiligten eingelegte Rechtsmittel Erfolg hat.

(3) Hat der Beschuldigte oder ein anderer Beteiligter das Rechtsmittel auf bestimmte Beschwerdepunkte beschränkt und hat ein solches Rechtsmittel Erfolg, so sind die notwendigen Auslagen des Beteiligten der Staatskasse aufzuerlegen.

(4) Hat das Rechtsmittel teilweise Erfolg, so hat das Gericht die Gebühr zu ermäßigen und die entstandenen Auslagen teilweise oder auch ganz der Staatskasse aufzuerlegen, soweit es unbillig wäre, die Beteiligten damit zu belasten. Dies gilt entsprechend für die notwendigen Auslagen der Beteiligten.

(5) Ein Rechtsmittel gilt als erfolglos, soweit eine Anordnung nach § 69 Abs. 1 oder § 69b Abs. 1 des Strafgesetzbuches nur deshalb nicht aufrechterhalten wird, weil ihre Voraussetzungen wegen der Dauer einer vorläufigen Entziehung der Fahrerlaubnis (§ 111a Abs. 1) oder einer Verwahrung, Sicherstellung oder Beschlagnahme des Führerscheins (§ 69a Abs. 6 des Strafgesetzbuches) nicht mehr vorliegen.

(6) Die Absätze 1 bis 4 gelten entsprechend für die Kosten und die notwendigen Auslagen, die durch einen Antrag

1.
auf Wiederaufnahme des durch ein rechtskräftiges Urteil abgeschlossenen Verfahrens oder
2.
auf ein Nachverfahren (§ 433)
verursacht worden sind.

(7) Die Kosten der Wiedereinsetzung in den vorigen Stand fallen dem Antragsteller zur Last, soweit sie nicht durch einen unbegründeten Widerspruch des Gegners entstanden sind.