Sozialgericht Gelsenkirchen Urteil, 02. Okt. 2014 - S 11 KR 180/14
Tenor
Die Beklagte wird unter Aufhebung des Bescheides vom 17.04.2014 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 06.06.2014 verurteilt, den Kläger mit dem Elekt-rorollstuhl C 1000 DS/S zu versorgen. Die Beklagte trägt die notwendigen außergerichtlichen Kosten des Klägers.
1
Tatbestand:
2Zwischen den Beteiligten ist ein Anspruch des Klägers auf Versorgung mit einem Elektrorollstuhl des Modells C 1000 DS/S streitig.
3Der 1982 geborene Kläger ist bei der Beklagten gesetzlich krankenversichert. Nachdem zunächst mit Kostenvoranschlag vom 01.07.2013 ein Elektrorollstuhl begehrt wurde, wur-de dem Kläger mit Schreiben vom 26.11.2013 geschildert, dass er nach Auffassung der Beklagten über einen für seine Bedürfnisse individuellen angepassten voll funktionstüchtigen Elektrorollstuhl verfüge. Da der zur Verfügung stehende Rollstuhl aktuell genutzt werden könne und keine Defekte aufweise, könne eine Ersatzbeschaffung nicht beauftragt werden. Vorrangig komme bei auftretenden Defekten immer eine Instandsetzung in Betracht. Die jetzige Ausstattung mit einem weiteren Elektrorollstuhl würde eine gesetzlich unzulässige Doppelversorgung darstellen.
4Mit einer auf den 22.01.2014, bei der Beklagten eingegangen am 24.01.2014, Verordnung des Facharztes für Allgemeinmedizin Dr. U. begehrt der Kläger erneut einen neuen Elektrorollstuhl als Austausch für den vorhandenen Elektrorollstuhl bei nicht näher als schlaff oder spastisch bezeichnete Aparese und Tetraplegie. Gleichzeitig wurde ein Kostenvoranschlag, datiert auf den 23.01.2014, für den Elektrorollstuhl C 1000 DS/S in Höhe von insgesamt 55.257,65 Euro eingereicht. Dem Kostenvoranschlag ist insbesondere zu entnehmen, dass für den vorhandenen Elektrorollstuhl keine Ersatzteile mehr lieferbar seien und dass der Kläger mit der neuen Steuerung mehr Selbständigkeit erreiche und damit eine bessere Teilnahme auf öffentlichen Leben gewährleistet werden könne. Ausweislich dem Inhalt der Verwaltungsakte hatte die Beklagte erstmalig am 31.01.2014 in der bei ihr zuständigen Fachabteilung nachgefragt, wie weiter vorzugehen sei, da es sich um eine Ersatzbeschaffung handele und extrem hohe Kosten in Rede stehen würden.
5Weiter ist der Verwaltungsakte eine erneute Erinnerung an die Fachabteilung vom 14.03.2014 zu entnehmen.
6Mit Schreiben vom 13.03.2014, bei der Beklagten eingegangen am 14.03.2014, erinnerte der Kläger nochmals an die Bearbeitung seines Antrages vom 23.01.2014. Das begehrte Modell sei mit Kopf- und Fußsteuerung ausgerüstet und sei auf dem derzeitigen Roll-stuhlmarkt das einzig erhältliche Modell, welches die schweren Einschränkungen des Klägers adaptieren könnte. Der Rollstuhl sei beispielsweise um 90 Grad drehbar und die Kurvengängigkeit sei größer. Zudem werde das Modell erstmalig eine Sitzhöhenverstel-lung und Sitzkippung mit elektronischer Regelung enthalten, welches für den Kläger eine neue Selbständigkeit bedeute. Das genutzte Modell sei 16 Jahre alt und erheblich störungsanfällig. Es werde nunmehr um Bearbeitung des Antrages binnen 3 Wochen gebeten; andernfalls müsse der Rechtsweg beschritten werden.
7Mit der bei dem hiesigen Gericht am 14.04.2014 eingegangenen Leistungsklage verfolgt der Kläger sein Begehren fort. Unter Hinweis auf die bereits im Verwaltungsverfahren geschilderten Vorteile weist der Kläger darauf hin, dass die gesetzliche Frist zur Bearbeitung derartiger Anträge gemäß § 13 Abs. 3 a Sozialgesetzbuch Fünftes Buch – Gesetzliche Krankenversicherung – (SGB V) abgelaufen sei und die Beklagte auch nach einer weiteren Erinnerung vom 13.03.2014 nicht binnen Dreiwochenfrist auf den Antrag reagiert habe. Bei dem Rollstuhl handele es sich auch um eine Leistung innerhalb des Systems der gesetzlichen Krankenversicherung. Zudem entspreche die Leistung dem Qualitäts- als auch dem Wirtschaftlichkeitsgebot. Der Rollstuhl des Klägers sei in die Jahre gekommen und erfülle bestimmte Voraussetzungen nicht.
8Mit Bescheid vom 17.04.2014 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 06.06.2014 lehnte die Beklagte das Begehren des Klägers ab. Es bestehe keine Leis-tungspflicht, da das begehrte Hilfsmittel nicht dem Wirtschaftlichkeitsgebot des § 12 Abs. 1 SGB V entspreche. Die Mehrfachausstattung mit Hilfsmitteln könne nur dann erfolgen, wenn das Hilfsmittel aus hygienischen Gründen häufiger gewechselt werden müsse oder wenn sich dieses wegen der besonderen Beanspruchung als zweckmäßig und wirtschaftlich erweise. Diese Ausnahmetatbestände lägen nicht vor.
9Der Kläger beantragt,
101. die Beklagte zu verurteilen, den Kläger mit einem Rollstuhl der Fa. P. N. C 1000 DS/S zu versorgen,
112. die Beklagte unter Aufhebung des Bescheides vom 17.04.2014 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 06.06.2014 zu verurteilen, dem Kläger den Elektrorollstuhl der Fa. P. N. Modell C 1000 DS/S zu bewilligen.
12Die Beklagte beantragt,
13die Klage abzuweisen.
14Sie hält zunächst die Leistungsklage als unzulässig. Der neuerliche Antrag des Klägers sei mit Bescheid vom 17.04.2014 abgelehnt worden. Zwischen dem Kläger und der Be-klagten liege kein Gleichordnungsverhältnis vor, so dass eine Leistungsklage ausge-schlossen sei. Zudem müsse auch eine Leistung, die nicht innerhalb der gesetzlichen Frist genehmigt worden sei, dem Qualitätsgebot und dem Wirtschaftlichkeitsgebot ent-sprechen. Erst dann könne eine Leistung als genehmigt gelten. Das sei bei dem vorlie-genden Begehren des Klägers jedoch nicht der Fall. Die begehrte Versorgung entspreche nicht dem Wirtschaftlichkeitsgebot, da ein Anspruch auf Hilfsmittel grundsätzlich nur die Versorgung in einfacher Stückzahl umfasse.
15Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird verwiesen auf den Inhalt der Verwaltungsakte, die das Gericht beigezogen hat sowie auf den Inhalt der Ge-richtsakte.
16Entscheidungsgründe:
17Die als Leistungsklage gemäß § 54 Abs. 5 Sozialgerichtsgesetz (SGG) zulässige Leis-tungsklage ist begründet.
18Die Klage ist als Leistungsklage entgegen der Auffassung der Beklagten zunächst zuläs-sig. Mit der Leistungsklage kann eine Leistung begehrt werden, auf die ein Rechtsanspruch besteht, soweit ein Verwaltungsakt nicht zu ergehen hatte. Diese Prozesssituation ist vorliegend gegeben, da der Kläger seinen Versorgungsan-spruch auf die seit dem 26.02.2013 bestehende Regelung des § 13 Abs. 3 a Satz 6 SGB V stützt. Diese hat den Wortlaut, dass, soweit keine Mitteilung eines hinreichenden Grun-des erfolgt, die Leistung nach Ablauf der Frist als genehmigt gilt. Dies kann nur so ver-standen werden, dass mit Eintritt der Fiktion der Rechtsanspruch auf die beantragte Leis-tung besteht, ohne dass hierüber noch ein Bescheid der Beklagten zu erteilen wäre. Die Fiktion der Genehmigung ersetzt somit den Genehmigungsbescheid (siehe auch Sozial-gericht Augsburg, Urteil vom 03.06.2014, Az.: S 6 KR 339/13) sowie im Ergebnis Be-schluss des Landessozialgerichtes Nordrhein-Westfalen vom 23.05.2014, Az.: L 5 KR 222/14 B). Mit der Leistungsklage gemäß § 54 Abs. 5 SGG konnte auch eine Anfechtungsklage er-hoben werden, da dem Kläger der gerichtliche Rechtsschutz dafür zustehen muss, einen formellen Verwaltungsakt, also einen Verwaltungsakt, zu dem die Beklagte nicht (mehr) befugt war, zu beseitigen, um sich nicht mit dem Risiko zu belasten, dass dieser später einen anderen Zusammenhang unzutreffend als bestandskräftiger Verwaltungsakt qualifiziert wird.
19Die Klage ist auch begründet.
20Der Anspruch des Klägers auf Versorgung mit dem begehrten Elektrorollstuhl beruht auf § 13 Abs. 3 a Satz 6 i.V.m. Satz 1 und Satz 5 SGB V.
21Zunächst begehrt der Kläger nach Überzeugung des Gerichtes eine Leistung, auf die er grundsätzlich im Rahmen des gesetzlichen Krankenversicherungsrechts einen Anspruch haben könnte. Hierbei kann das Gericht offen lassen, ob es sich, so die Auffassung der Beklagten, um eine Doppelversorgung handelt, oder aber um eine Neuversorgung mit einem den Ansprüchen des Klägers besser gerecht werdenden Hilfsmittel. Denn auch eine Doppelversorgung ist gegebenenfalls im Recht der gesetzlichen Krankenversicherung durchaus möglich und nicht von vorn herein ausgeschlossen.
22Zwischen den Beteiligten ist unstreitig, dass die Beklagte die gesetzliche Frist von drei Wochen überschritten hat. Die Beklagte hat selbst auf eine weitere Erinnerung des Klä-gers mit erneuter Fristsetzung nicht reagiert. Hieraus resultierend tritt die Genehmigungsfiktion des § 13 Abs. 3 a Satz 6 SGB V ein.
23Das Erfordernis einer Leistungsgenehmigung ist in dem auf Sach- und Naturalleistungs-verschaffung ausgerichteten System der gesetzlichen Krankenversicherung auf Ausnahmefälle beschränkt, in denen die Prüfung aller formellen und materiellen Anspruchsvoraussetzungen vorab erfolgt. Der Verfügungssatz eines genehmigenden begünstigenden Verwaltungsaktes regelt, dass der Antragsteller die beantragte Leistung in Anspruch nehmen darf und sich die Kasse unter Ausschlusse aller Einwendungen zur Leistung verpflichtet; die Regelung wird mit der Bekanntgabe des Verwaltungsaktes gemäß § 39 Abs. 1 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch – Sozialverwaltungsverfahren und Sozialdatenschutz – (SGB X) gegenüber dem Adressaten wirksam. Durch die Genehmigungsfiktion des § 13 Abs. 3 a Satz 6 SGB V gilt die Genehmigung der beantragten Leistung durch einen fingierten Verwaltungsakt als erlassen. Fingierte Verwaltungsakte haben die gleiche Rechtswirkung wie tatsächlich erlassene Verwal-tungsakte und sind dem Sozialrecht nicht fremd. Durch die Fiktion der Genehmigung ist die Leistungsberechtigung des Antragstellers wirksam verfügt und die Krankenkasse mit allen Einwendungen (wie hier, ob es sich ggfs. um eine Doppelversorgung handele) ausgeschlossen.
24Mit dem eindeutigen Wortlaut der Vorschrift und dem Sinn und Zweck des Gesetzes ist es nicht vereinbar, die Vorschrift dahingehend auszulegen, dass hier, wie im Falle einer Selbstbeschaffung, noch zu prüfen wäre, ob die Leistung erforderlich ist. Der Gesetzgeber spricht in § 13 Abs. 3 a Satz 6 SGB V nicht von einer erforderlichen Leistung. Es dient dem offensichtlichen Sinn und Zweck des Gesetzes zur Verbesserung der Rechte von Patientinnen und Patienten. Der Gesetzgeber wollte offenbar innerhalb der genannten Fristen zugunsten der Versicherten zügige Rechtsklarheit und Rechtssicherheit schaffen. Mit diesem Ziel ist es nicht vereinbar, dass die selbe Rechtssituation eintritt bzw. eintreten wird, wie sie bestanden hat, als die Regelung des § 13 Abs. 3 a Satz 6 SGB V noch nicht geschaffen war. Entsprechend hätte die Neuregelung in der Praxis keinen spürbar positiven Effekt für den gewollten Schutz der Patientenrechte. Das Ziel würde ins Leere laufen, könnte die Genehmigungsfiktion durch eine (außerhalb der Frist erfolgende) nachträgliche Prüfung der einzelnen Leistungsvoraussetzungen wieder erlöschen (siehe Landessozialgericht Nordrhein-Westfalen a.a.O.).
25Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
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(1) Die Leistungen müssen ausreichend, zweckmäßig und wirtschaftlich sein; sie dürfen das Maß des Notwendigen nicht überschreiten. Leistungen, die nicht notwendig oder unwirtschaftlich sind, können Versicherte nicht beanspruchen, dürfen die Leistungserbringer nicht bewirken und die Krankenkassen nicht bewilligen.
(2) Ist für eine Leistung ein Festbetrag festgesetzt, erfüllt die Krankenkasse ihre Leistungspflicht mit dem Festbetrag.
(3) Hat die Krankenkasse Leistungen ohne Rechtsgrundlage oder entgegen geltendem Recht erbracht und hat ein Vorstandsmitglied hiervon gewußt oder hätte es hiervon wissen müssen, hat die zuständige Aufsichtsbehörde nach Anhörung des Vorstandsmitglieds den Verwaltungsrat zu veranlassen, das Vorstandsmitglied auf Ersatz des aus der Pflichtverletzung entstandenen Schadens in Anspruch zu nehmen, falls der Verwaltungsrat das Regreßverfahren nicht bereits von sich aus eingeleitet hat.
Tatbestand
Zwischen den Beteiligten ist ein Anspruch des Klägers auf Versorgung mit einem Genium-Kniegelenk streitig.
Der am 1979 geborene Kläger ist Mitglied der Beklagten. Er ist oberschenkelamputiert und derzeit mit einem C-Leg-Beinprothesensystem und einem C-Walk-Prothesenfuß versorgt.
Am 16.05.2013 beantragte er die Versorgung mit dem Beinprothesensystem Genium Bionic Prosthetic System 3B1 und einem Triton Prothesenfuß 1C60 unter Einreichung eines Kostenvoranschlags der Firma H. in Höhe von 47.652,45 EUR. Beigefügt war dem Antrag auch eine entsprechende ärztliche Verordnung vom 23.04.2013.
Mit Schreiben vom 27.05.2013 teilte die Beklagte dem Kläger hierauf mit, dass sie die eingereichten Unterlagen an den MDK weitergeleitet habe.
In seinem Gutachten vom 21.06.2013, eingegangen bei der Beklagten am 03.07.2013, kam dieser zu dem Ergebnis, dass die beantragte Versorgung nicht notwendig sei. Mit Bescheid vom 10.07.2013 lehnte die Beklagte hierauf den Antrag ab. Dagegen richtet sich der Widerspruch des Klägers vom 16.07.2013, über den bislang nicht entschieden worden ist.
Am 31.07.2013 hat der Bevollmächtigte des Klägers Klage zum Sozialgericht Augsburg erhoben. Zur Klagebegründung ist vorgetragen worden, dass der Kläger einen Versorgungsanspruch aufgrund der Genehmigungsfiktion des § 13 Abs. 3a Sozialgesetzbuch Fünftes Buch (SGB V) habe. Er habe bei der Beklagten mit Kostenvoranschlag vom 06.05.2013 des Sanitätshauses H. Technische Orthopädie GmbH die Kostenübernahme für eine Versorgung mit einem Knie-Genium-Gelenk beantragt. Eine Entscheidung oder Mitteilung eines hinreichenden Grundes, warum über den Leistungsantrag nicht entschieden werden könne, sei nicht erfolgt. Auch habe die Beklagte dem Kläger nicht unmittelbar mitgeteilt, dass die Einschaltung des MDK erfolgen solle. Der Gesetzgeber setze nunmehr mit Inkrafttreten des Patientenrechtegesetz gemäß § 13 Abs. 3a SGB V eine Frist von drei Wochen zur Genehmigung von Leistungsansprüchen. Werde dem Versicherten mitgeteilt, dass ein Gutachten eingeholt werden solle, verlängere sich die Frist auf fünf Wochen. Die Leistung gelte durch Fristablauf als genehmigt. Ein Widerspruchsverfahren sei für den Fall der Fiktion nicht vorgesehen, da ein rechtsmittelfähiger Bescheid gerade nicht vorliege. Eine Feststellungsklage sei daher zulässig.
Dazu hat die Beklagte mit Schreiben vom 13.08.2013 erwidert, dass die Klage formalrechtlich unzulässig sei, da die Voraussetzungen der §§ 54 ff. Sozialgerichtsgesetz (SGG) und § 88 SGG nicht vorlägen. Das Schreiben des Bevollmächtigten vom 18.07.2013 sei im Zusammenhang mit dem § 13 Abs. 3a SGB V als Antrag zur Erbringung bzw. Übernahme der vollen Kosten des beantragten Genium-Prothesen-Kniegelenks zu verstehen. Über diesen Antrag sei aus Sicht der Beklagten im Verwaltungs- bzw. Widerspruchsverfahren noch keine Entscheidung getroffen worden. Die Frist zur Möglichkeit einer Untätigkeitsklage sei ebenfalls noch nicht verstrichen. Die Feststellungsklage sei daher als unzulässig abzuweisen. Zudem bestehe kein Versorgungsanspruch. In Anlehnung an § 13 Abs. 3a S. 7 SGB V sei die Krankenkasse zur Erstattung der selbstbeschafften Leistung nur dann verpflichtet, wenn es sich um eine erforderliche Leistung handle. Erforderlich im genannten Sinne sei nur etwas, das für einen bestimmten Zweck unbedingt notwendig bzw. unerlässlich sei. Dementsprechend könne aus der vom Gesetzgeber vorgenommenen Koppelung an die Voraussetzung, dass es sich bei der vom Versicherten selbstbeschaffen Leistung um eine erforderliche Leistung handeln müsse, geschlossen werden, dass die Maßstäbe des § 12 Abs. 1 SGB V Anwendung fänden. Kosten für unnötige oder unwirtschaftliche Leistungen könnten demzufolge auch im Rahmen des § 13 Abs. 3a S. 7 SGB V nicht durch die Krankenkasse erstattet werden. Denn diese schulde ihren Versicherten nur die zur Erkennung, Heilung, Eindämmung oder Linderung der Krankheit notwendigen und ausreichenden Leistungen, während auf nicht notwendige oder unwirtschaftliche Maßnahmen weder in Form von Dienst- oder Sachleistungen noch im Wege der Kostenerstattung ein Anspruch bestehe. Mit Bescheid vom 10.07.2013 und nochmaligem Schreiben vom 29.07.2013 sei den Bevollmächtigten des Klägers mitgeteilt worden, dass mit dem vorhandenen C-Leg-Prothesenkniegelenk der Kläger ausreichend und zweckmäßig versorgt sei und deshalb eine Kostenübernahme des beantragten Genium-Prothesenkniegelenks nicht möglich sei. Das Verwaltungs- bzw. Widerspruchsverfahren sei noch nicht abgeschlossen, da eine Entscheidung des Widerspruchsausschusses noch nicht vorliege.
Mit Schreiben vom 21.10.2013 hat der Bevollmächtigte des Klägers die Feststellungsklage auf eine Leistungsklage umgestellt und vorgetragen, dass aufgrund der Genehmigungsfiktion es keinen Ablehnungsbescheid gebe, so dass die Klage auch ohne Widerspruchsbescheid statthaft sei.
In der mündlichen Verhandlung vom 03.06.2014 beantragt der Bevollmächtigte des Klägers,
die Beklagte unter Aufhebung des Bescheids vom 10.07.2013 zu verurteilen, den Kläger mit einem Genium-Kniegelenk zu versorgen.
Der Bevollmächtigte der Beklagten beantragt,
die Klage abzuweisen.
Gründe
Die zulässige Klage ist begründet.
Entgegen der Annahme der Beklagten ist hier gemäß § 54 Abs. 5 SGG die Klage als echte Leistungsklage zulässig. Mit dieser Klageart kann nämlich die Verurteilung zu einer Leistung begehrt werden, auf die ein Rechtsanspruch besteht, wenn ein Verwaltungsakt nicht zu ergehen hatte. Diese Prozesssituation ist vorliegend gegeben, da der Kläger seinen Versorgungsanspruch auf die seit dem 26.02.2013 bestehende Regelung des § 13 Abs. 3a S. 6 SGB V stützt. Diese hat den Wortlaut, dass, soweit keine Mitteilung eines hinreichenden Grundes erfolgt, die Leistung nach Ablauf der Frist als genehmigt gilt. Dies kann nur so verstanden werden, dass mit Eintritt der Fiktion der Rechtsanspruch auf die beantragte Leistung besteht, ohne dass hierüber noch ein Bescheid der Beklagten zu erteilen wäre. Die Fiktion ersetzt somit den Genehmigungsbescheid (so auch Urteil des SG Nürnberg
Die Klage ist auch begründet. Der Rechtsanspruch des Klägers ergibt sich hier nämlich aus § 13 Abs. 3a S. 6 i. V. m. S. 1 und S. 5 SGB V. So hat der Kläger bei der Beklagten einen Antrag im Sinne des § 13 Abs. 3a S. 1 SGB V gestellt, da er auf eine Leistung gerichtet war, die grundsätzlich in das Leistungsspektrum der Beklagten fallen kann gemäß § 33 Abs. 1 SGB V. Die Beklagte hat den Antrag auch nicht als Rehabilitationsantrag im Sinne der §§ 14 und 15 Sozialgesetzbuch Neuntes Buch (SGB IX) behandelt, so dass nicht auf die damit verbundenen Rechtsfolgen entsprechend § 13 Abs. 3a S. 9 SGB V abzustellen war. Die Beklagte hat sodann dem Kläger nicht mitgeteilt, dass sie die Fristen nach Satz 1 nicht einhalten kann, wie dies § 13 Abs. 3a S. 5 SGB V fordert. Dies ist unstreitig. Damit tritt nach dem klaren Wortlaut des § 13 Abs. 3a S. 6 SGB V die Genehmigungsfiktion ein. Mit dem eindeutigen Wortlaut dieser Vorschrift und dem Sinn und Zweck des Gesetzes ist es sodann nicht vereinbar, die Vorschrift dahingehend auszulegen, dass hier wie im Fall einer Selbstbeschaffung nach § 13 Abs. 3a S. 7 SGB V noch zu prüfen wäre, ob die Leistung erforderlich ist. Der Gesetzgeber hat hier genau zwischen einem Versorgungsanspruch - geregelt durch § 13 Abs. 3a S. 6 SGB V - und einem Kostenerstattungsanspruch - geregelt in § 13 Abs. 3a S. 7 SGB V - unterschieden. Dass er bei dem Versorgungsanspruch nach Satz 6 nicht von einer erforderlichen Leistung spricht, dient nämlich dem offensichtlichen Sinn und Zweck des Gesetzes zur Verbesserung der Rechte von Patientinnen und Patienten. Damit wollte der Gesetzgeber nämlich offenbar innerhalb der genannten Fristen zugunsten der Versicherten zügige Rechtsklarheit und Rechtssicherheit schaffen. Mit diesem Ziel ist dagegen nicht vereinbar, dass dieselbe Rechtssituation eintritt bzw. eintreten kann, wie sie bestanden hat, als die Regelung des § 13 Abs. 3a S. 6 SGB V noch nicht geschaffen war. Denn sollte auch im Rahmen des § 13 Abs. 3a Abs. 6 SGB V es wiederum notwendig sein, zu überprüfen, ob die beantragte Leistung erforderlich sei, wäre der Prüfungsumfang und die Zeitdauer des Verfahrens identisch mit den Verfahren vor Inkrafttreten der Regelung. Die Neuregelung hätte somit in der Praxis keinerlei spürbare positive Effekte für den gewollten Schutz der Patientenrechte. Es ist jedoch nicht anzunehmen, dass der Gesetzgeber eine Regelung schaffen wollte, die an der bestehenden Rechtslage nichts ändert. Entsprechend den juristischen Grundsätzen zur Auslegung eines Gesetzes mithilfe des Wortlauts und Sinn und Zweck kann daher die Norm nur so zu verstehen sein, dass nach Ablauf der Fristen der geltend gemachte Anspruch von der Beklagten ohne weitere Prüfung zu erfüllen ist.
Damit war die Beklagte antragsgemäß zu verurteilen.
Die Kostentscheidung beruht auf § 193 SGG.
(1) Durch Klage kann die Aufhebung eines Verwaltungsakts oder seine Abänderung sowie die Verurteilung zum Erlaß eines abgelehnten oder unterlassenen Verwaltungsakts begehrt werden. Soweit gesetzlich nichts anderes bestimmt ist, ist die Klage zulässig, wenn der Kläger behauptet, durch den Verwaltungsakt oder durch die Ablehnung oder Unterlassung eines Verwaltungsakts beschwert zu sein.
(2) Der Kläger ist beschwert, wenn der Verwaltungsakt oder die Ablehnung oder Unterlassung eines Verwaltungsakts rechtswidrig ist. Soweit die Behörde, Körperschaft oder Anstalt des öffentlichen Rechts ermächtigt ist, nach ihrem Ermessen zu handeln, ist Rechtswidrigkeit auch gegeben, wenn die gesetzlichen Grenzen dieses Ermessens überschritten sind oder von dem Ermessen in einer dem Zweck der Ermächtigung nicht entsprechenden Weise Gebrauch gemacht ist.
(3) Eine Körperschaft oder eine Anstalt des öffentlichen Rechts kann mit der Klage die Aufhebung einer Anordnung der Aufsichtsbehörde begehren, wenn sie behauptet, daß die Anordnung das Aufsichtsrecht überschreite.
(4) Betrifft der angefochtene Verwaltungsakt eine Leistung, auf die ein Rechtsanspruch besteht, so kann mit der Klage neben der Aufhebung des Verwaltungsakts gleichzeitig die Leistung verlangt werden.
(5) Mit der Klage kann die Verurteilung zu einer Leistung, auf die ein Rechtsanspruch besteht, auch dann begehrt werden, wenn ein Verwaltungsakt nicht zu ergehen hatte.
(1) Ein Verwaltungsakt wird gegenüber demjenigen, für den er bestimmt ist oder der von ihm betroffen wird, in dem Zeitpunkt wirksam, in dem er ihm bekannt gegeben wird. Der Verwaltungsakt wird mit dem Inhalt wirksam, mit dem er bekannt gegeben wird.
(2) Ein Verwaltungsakt bleibt wirksam, solange und soweit er nicht zurückgenommen, widerrufen, anderweitig aufgehoben oder durch Zeitablauf oder auf andere Weise erledigt ist.
(3) Ein nichtiger Verwaltungsakt ist unwirksam.
(1) Das Gericht hat im Urteil zu entscheiden, ob und in welchem Umfang die Beteiligten einander Kosten zu erstatten haben. Ist ein Mahnverfahren vorausgegangen (§ 182a), entscheidet das Gericht auch, welcher Beteiligte die Gerichtskosten zu tragen hat. Das Gericht entscheidet auf Antrag durch Beschluß, wenn das Verfahren anders beendet wird.
(2) Kosten sind die zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung notwendigen Aufwendungen der Beteiligten.
(3) Die gesetzliche Vergütung eines Rechtsanwalts oder Rechtsbeistands ist stets erstattungsfähig.
(4) Nicht erstattungsfähig sind die Aufwendungen der in § 184 Abs. 1 genannten Gebührenpflichtigen.