Sozialgericht Karlsruhe Urteil, 28. Juli 2017 - S 1 U 2602/16

bei uns veröffentlicht am28.07.2017

Tenor

Die Klage wird abgewiesen.

Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.

Tatbestand

 
Die Beteiligten streiten um die Gewährung von Verletztengeld wegen der Folgen eines Arbeitsunfalls über den 31.03.2016 hinaus.
Der 1964 geborene, als Verkäufer bei einer Werbeagentur beschäftigt gewesene Kläger, erlitt am 20.10.2014 auf einem Betriebsweg einen Arbeitsunfall, als er mit seinem Motorroller mit einem Pkw kollidierte und auf die rechte Seite stürzte. Der erstversorgende Arzt, der Chirurg Dr. F., diagnostizierte am Unfalltag als Gesundheitsstörungen eine Prellung des rechten Knies, eine Schürfwunde am rechten Bein sowie eine oberflächliche Verletzung (Prellung) des Rumpfes und verneinte eine Gehirnerschütterung (vgl. Durchgangsarztbericht vom 20.10.2014). Im Rahmen einer Nachuntersuchung am 27.10.2014 diagnostizierte Dr. F. als zusätzliche Gesundheitsstörungen eine Verstauchung und Zerrung des linken oberen Sprunggelenks und multiple oberflächliche Verletzungen (vgl. Nachschaubericht vom 28.10.2014). Zum Ausschluss einer Fraktur bzw. Thrombose am linken Unterschenkel befand sich der Kläger vom 29. bis zum 31.10.2014 stationär in der Klinik für Orthopädie und Unfallchirurgie des Klinikums Mi. (vgl. Entlassungsbericht vom 05.11.2014). Erstmals im Rahmen einer weiteren Nachuntersuchung durch Dr. F. am 12.11.2014 klagte der Kläger über Schwindelerscheinungen und Ohrgeräusche, die er auf das Unfallereignis zurückführte (vgl. Zwischenbericht vom 12.11.2014). Der HNO-Arzt Dr. M. diagnostizierte am 13.11.2014 als Gesundheitsstörungen einen beidseitigen Tinnitus. Nachfolgende Infusions- und Hochdosiscortisonstoß-Therapien erbrachten keine wesentliche Beschwerdebesserung (vgl. u.a. Bericht des Dr. M. vom 13.01.2015). Der Neurologe und Psychiater Dr. Sch. diagnostizierte aufgrund des Untersuchungsbefundes vom 14.11.2014 als Gesundheitsstörungen eine Schädelprellung und eine HWS-Distorsion (vgl. Arztbrief vom 15.11.2014). Aufgrund des Ergebnisses einer von Dr. F. veranlassten kernspintomographischen Untersuchung des Schädels und der Halswirbelsäule des Klägers schloss der Facharzt für Nuklearmedizin und diagnostische Radiologie Dr. L. eine intrakranielle Blutung und Raumforderung, insbesondere eine Neoplasie, aus. Die Kleinhirnrückenwinkel und die Vestibulocochlear-Nerven beidseits kamen unauffällig zur Darstellung. Im Bereich der Halswirbelsäule fand Dr. L. Bandscheibenprolabierungen in den Segmenten C5/6 und C6/7 mit möglichen Wurzelirritationen sowie weniger ausgeprägte Bandscheibenprolabierungen in den Segmenten Th2 bis 4, außerdem eine Streckfehlhaltung der Halswirbelsäule ohne Spinal- oder Foramensstenosierung. Eine Bandverletzung der Halswirbelsäule schloss er ebenso aus wie eine Verletzung knöcherner Strukturen der Halswirbelsäule (vgl. Arztbrief vom 24.11.2014). In seiner beratungsärztlichen Stellungnahme vom März 2015 äußerte der HNO-Arzt Dr. J. den Verdacht auf eine psychische Überlagerung als Ursache der geltend gemachten Ohrgeräusche bei beidseitigem Hörverlust von weniger als 10 %. Zur Heilverfahrenskontrolle befand sich der Kläger außerdem in der Berufsgenossenschaftlichen Unfallklinik Lu. in der Zeit vom 16. bis 20.03.2015. Die Klinikärzte diagnostizierten als Gesundheitsstörungen u.a. eine HWS-Distorsion, eine Schädelprellung sowie einen beidseitigen Tinnitus (Schadensanlage) und empfahlen in Bezug auf das Ohrgeräusch eine ambulante psychotherapeutische Behandlung des Klägers (vgl. Entlassungsbericht vom 20.03.2015). Der Neurologe und Psychiater Dr. H. verneinte auf seinem Fachgebiet objektivierbare Unfallfolgen bei Zustand nach HWS-Distorsion und Schädel-Gesichts-Prellung. Auch eine zervikal-radikuläre Symptomatik sei nicht darzustellen (vgl. Bericht vom 18.03.2015). Die Psychologische Psychotherapeutin G. erachtete den Kläger nach Abschluss der psychotherapeutischen Behandlung trotz seiner Gesundheitsstörung (Tinnitus, Anpassungsstörung) als uneingeschränkt arbeitsfähig und empfahl eine stationäre Tinnitusbehandlung (vgl. Abschlussbericht vom 13.07.2015).
Zur Feststellung von Art und Ausmaß der Unfallfolgen sowie der Dauer unfallbedingter Arbeitsunfähigkeit ließ die Beklagte den Kläger durch die HNO-Ärzte Dr. Gt. und Dr. M., den Neurologen und Psychiater Dr. B. und den Chirurgen Dr. F. untersuchen und begutachten. Außerdem veranlasste sie eine Heilverfahrenskontrolle durch die Neurologin und Psychiaterin Dr. Gr. .
Dr. Gt. objektivierte eine Hochtoninnenohrschwerhörigkeit mit Hörverlust beidseits von 0 % sowohl im Ton- als auch im Sprachaudiogramm, außerdem einen beidseitigen Tinnitus mit erheblichen psychovegetativen Begleiterscheinungen. Das Unfallereignis vom 20.10.2014 sei nicht mit Wahrscheinlichkeit Ursache der Tinnitusbeschwerden. Dagegen spreche insbesondere das beschwerdefreie Intervall von rund 10 Tagen nach dem Unfallgeschehen.
Dr. M. bestätigte die von Dr. Gt. erhobenen Befunde auf seinem Fachgebiet. Anhaltspunkte für einen peripher-vestibulären Schwindel habe er nicht feststellen können. Ein Schädeltrauma als mögliche Ursache der Tinnitusbeschwerden habe nicht stattgefunden, ebenso wenig eine HWS-Distorsion. Vielmehr leide der Kläger an unfallunabhängigen degenerativen Vorschäden der Halswirbelsäule im Sinne multipler Bandscheibenprotrusionen. Ein ursächlicher Zusammenhang zwischen dem Tinnitus und dem Unfallereignis bestehe nicht, zumal ein Tinnitus nach den anamnestischen Angaben des Klägers auch schon vor dem Unfallgeschehen gelegentlich und vorübergehend vorgelegen habe. Eventuell sei diese Gesundheitsstörung Folge einer unfallbedingten psychischen Belastung. Für einen Schwindel finde sich auf HNO-fachärztlichem Gebiet kein Korrelat.
Dr. Sch. teilte auf Anfrage der Beklagten mit, eine psychogene Ursache des Tinnitus durch eine unfallbedingte psychische Traumatisierung sei nicht sicher (vgl. Schreiben vom 11.10.2015).
Dr. B. führte zusammenfassend aus, bei dem Kläger sei allein eine leichtgradige Beeinträchtigung der Medianusnerven im Verlauf des Karpalkanals zu objektivieren. Insoweit sei ein ursächlicher Zusammenhang mit dem Unfallereignis mit Handgelenksextensionstrauma, Fraktur der Hand bzw. Distorsion der Handwurzelknochen rechts wahrscheinlich. Das beidseitige Ohrgeräusch, die subjektiv geklagte Konzentrationsstörung und der Schwankschwindel seien jedoch dem Unfallereignis „nicht ohne vernünftige Zweifel“ zuzuordnen. Eine unfallbedingte psychische Störung liege nicht vor
Dr. F. diagnostizierte als Unfallfolgen eine folgenlos ausgeheilte Prellung beider Kniegelenke, eine Bewegungseinschränkung nach Abriss des TFCC am rechten Handgelenk, eine Meniskusrissbildung am Innenmeniskushinterhorn im Übergang zur Pars intermedia, eine folgenlos ausgeheilte HWS-Distorsion und eine ebenfalls folgenlos ausgeheilte Abrissfraktur am Os hamatum. Unfallunabhängig leidet der Kläger an einem Sulcus-ulnaris-Syndrom beidseits und an einem vorbestehenden Tinnitus. Die unfallbedingte Minderung der Erwerbsfähigkeit (MdE) bewertete Dr. F. auf seinem Fachgebiet mit 10 v.H. In seiner ergänzenden Stellungnahme führte Dr. F. aus, spätestens seit dem 03.11.2015 bestehe von Seiten der chirurgischen Verletzungsfolgen keine Arbeitsunfähigkeit mehr; seither stehe die Tinnitusproblematik eindeutig im Vordergrund.
Dr. Gr. diagnostizierte als Gesundheitsstörung eine leichte Anpassungsstörung im Sinne einer ängstlichen Restsymptomatik beim Autofahren und einer verminderten Stresstoleranz. Außerdem klage der Kläger über ein Tinnitusleiden. Die Schwindelsymptomatik stelle sich eher als Benommenheits- und Anspannungs- bzw. Nervositätssyndrom dar, das überwiegend beim Autofahren auftrete. Insoweit bestehe ein kausaler Zusammenhang zu dem Arbeitsunfallereignis. Dagegen sei die Tinnitussymptomatik nicht eindeutig in einem kausalen Zusammenhang mit dem Unfallereignis zu bringen. Auf ihrem Fachgebiet bestehe weder eine messbare MdE noch Arbeitsunfähigkeit.
10 
Nach Anhörung des Klägers (vgl. Schreiben vom 09.03.2016) stellte die Beklagte die Zahlung von Verletztengeld mit Ablauf des 31.03.2016 mit der Begründung ein, die chirurgischen Verletzungsfolgen bedingten ab dem 03.11.2015 keine unfallbedingte Arbeitsunfähigkeit mehr. Seither stehe die Tinnitus-Problematik im Vordergrund. Diese sei jedoch nicht ursächlich auf das Unfallereignis zurückzuführen. Auch auf neurologisch-psychiatrischem Fachgebiet bestünden keine Unfallfolgen mit Arbeitsunfähigkeit mehr. Wegen der Tinnitusbeschwerden und der leicht ausgeprägten Anpassungsstörung seien ambulante psychotherapeutische Behandlungen ausreichend. Für die tinnitusspezifischen Behandlungsmaßnahmen sei die Krankenkasse des Klägers zuständig (Bescheid vom 01.04.2016).
11 
Zur Begründung seines dagegen erhobenen Widerspruchs trug der Kläger im Wesentlichen vor, er leide seit dem Unfall an erheblichen Tinnitusbeschwerden, die weiterer ärztlicher Behandlung bedürften. Zu Unrecht habe die Beklagte die Zahlung von Verletztengeld über den 31.03.2016 versagt. Zur Stützung seines Klagebegehrens verwies der Kläger auf den Arztbrief des Dr. Sch. vom 15.11.2014.
12 
Dr. F. erachtete den Kläger aufgrund der von ihm am 10.05.2016 erhobenen Befunde als weiterhin arbeitsfähig (vgl. Zwischenbericht vom 10.05.2016).
13 
Die Beklagte wies den Widerspruch zurück: Die Ohrgeräusche seien nicht Folge des Arbeitsunfalls. Das Ereignis habe die Ohrgeräusche auch nicht verschlimmert. Die Einstellung des Verletztengeldes mit Ablauf des 31.03.2016 sei daher zu Recht erfolgt (Widerspruchsbescheid vom 01.07.2016).
14 
Deswegen hat der Kläger am 02.08.2016 Klage zum Sozialgericht Karlsruhe erhoben, mit der er sein Begehren weiterverfolgt. Zur Begründung wiederholt und vertieft er sein Widerspruchsvorbringen und legt das Attest des Neurologen und Psychiaters Dr. van Q. vom 13.07.2017 vor.
15 
Das Gericht hat Beweis erhoben durch Einholung medizinischer Sachverständigengutachten des HNO-Arztes Prof. Dr. Si. und des Neurologen Dr. St.:
16 
Prof. Dr. Si. hat als Befunde (tonschwellen- und sprachaudiometrisch) einen beidseitigen Hörverlust von 0 % erhoben. Den Tinnitus habe der Kläger beidseits bei einer Frequenz von 10 kHz in einer Lautstärke rechts von 54 dB und links von 85 dB angegeben. Im Rahmen der Vestibularisprüfung habe er keine krankhaften Veränderungen und allein beim Tretversuch nach Unterberger eine leichte Abweichung nach rechts objektiviert. Zusammenfassend hat Prof. Dr. Si. ausgeführt, der Sturz vom Motorroller sei grundsätzlich geeignet gewesen, eine HWS-Distorsion zu verursachen und damit ein Tinnitusleiden hervorzurufen. Allerdings habe die kernspintomographische Untersuchung des Schädels im November 2014 keine Verletzungen des Felsenbeins oder der Halswirbelsäule ergeben. Eine HWS-Distorsion sei nach den ärztlichen Unterlagen überdies nicht dokumentiert. Gegen die Wahrscheinlichkeit eines ursächlichen Zusammenhangs zwischen dem Unfall und dem Tinnitus spreche bereits die Latenz von 24 Tagen oder auch anamnestisch von einigen Tagen bis zum Auftreten der Ohrgeräusche. Außerdem sei ein Tinnitus als alleiniges Symptom ohne unfallbedingte Hörminderung oder unfallbedingte Schäden des Gleichgewichtsapparates nicht wahrscheinlich zu machen. Hinweise auf eine Läsion der Vestibularisorgane fänden sich jedoch weder in den aktuellen Untersuchungsbefunden noch in den Gutachten der Dres. M. und Gt.. Die sensorineurale Hörminderung links sei am ehesten degenerativ bedingt. Die Auswirkungen des Tinnitus begründeten keine längerfristige Arbeitsunfähigkeit des Klägers.
17 
Dr. St. hat dargelegt, für den vom Kläger seit dem Unfallereignis angegebenen subjektiven Schwankschwindel bei Dunkelheit und geschlossenen Augen finde sich in der klinisch-neurologischen Untersuchung kein Korrelat. Auf seinem Fachgebiet sei eine Gefühlsstörung im Bereich der Narben am linken Schienbein und am rechten Handgelenk zu objektivieren. Diese Gesundheitsstörungen seien zweifelsfrei als unmittelbare Unfallfolge anzusehen. Die Frage nach einer unfallbedingten Arbeitsunfähigkeit wegen der von ihm diagnostizierten Unfallfolgen hat Dr. St. mit „entfällt“ beantwortet.
18 
Der Kläger beantragt,
19 
den Bescheid vom 01. April 2016 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 01. Juli 2016 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, ihm wegen der Folgen des Unfallereignisses vom 20. Oktober 2014 über den 31. März 2016 hinaus Verletztengeld in gesetzlichem Umfang zu gewähren.
20 
Die Beklagte beantragt,
21 
die Klage abzuweisen.
22 
Sie erachtet die angefochtenen Bescheide für zutreffend.
23 
Zur weiteren Darstellung des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf den Inhalt der vorliegenden Verwaltungsakten der Beklagten sowie den der Prozessakte Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

 
24 
Die Klage ist als kombinierte Anfechtungs- und Leistungsklage (§ 54 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 4 i.V.m. § 56 des Sozialgerichtsgesetzes) zulässig, aber unbegründet. Die angefochtenen Bescheide sind rechtmäßig und verletzen den Kläger nicht in seinen Rechten. Zu Recht hat die Beklagte die Gewährung von Verletztengeld wegen der Folgen des Arbeitsunfalles vom 20.10.2014 mit Ablauf des 31.03.2016 eingestellt.
25 
1. Dass der Kläger am 20.10.2014 in Ausübung seiner versicherten Tätigkeit als Verkäufer bei einer Werbeagentur auf einem Betriebsweg (§ 8 Abs. 1 SGB VII; vgl. hierzu u.a. BSG SozR 4-2700 § 8 Nr. 39, Rdnr. 20) einen Arbeitsunfall erlitten hat, ist zwischen den Beteiligten nicht umstritten. Dies hat die Beklagte in der Begründung des angefochtenen Widerspruchsbescheides vom 01.07.2016 auch - inzidenter - anerkannt.
26 
2. Nach § 26 Abs. 1 Satz 1 SGB VII haben Versicherte nach Eintritt eines Versicherungsfalls, u.a. eines Arbeitsunfalls, u.a. Anspruch auf Geldleistungen in Form von Verletztengeld (§ 45 ff. SGB VII).
27 
Verletztengeld wird nach § 45 Abs. 1 SGB VII erbracht, wenn Versicherte in Folge des Versicherungsfalls arbeitsunfähig sind oder wegen einer Maßnahme der Heilbehandlung eine ganztägige Erwerbstätigkeit nicht ausüben können (Nr. 1) und unmittelbar vor Beginn der Arbeitsunfähigkeit oder der Heilbehandlung u.a. Anspruch auf Arbeitsentgelt hatten (Nr. 2). Verletztengeld wird von dem Tag an gezahlt, ab dem die Arbeitsunfähigkeit ärztlich festgestellt wird (§ 46 Abs. 1 SGB VII) und endet u.a. mit dem letzten Tag der Arbeitsunfähigkeit oder der Hinderung an einer ganztägigen Erwerbstätigkeit durch eine Heilbehandlungsmaßnahme (§ 46 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 SGB VII).
28 
Arbeitsunfähigkeit infolge eines Versicherungsfalls liegt anknüpfend an die Rechtsprechung zum Begriff der Arbeitsunfähigkeit in der gesetzlichen Krankenversicherung vor, wenn ein Versicherter aufgrund der Folgen eines Versicherungsfalles nicht in der Lage ist, seiner zuletzt ausgeübten oder einer gleich oder ähnlich gearteten Tätigkeit nachzugehen (vgl. zur st. Rspr. in der gesetzlichen Krankenversicherung: BSGE 26, 288; BSGE 61, 66 und BSGE 85, 271, 273; zur Literatur: Schifferdecker in Kasseler Kommentar, Stand März 2017, § 44 SGB V, Rdnr. 41, 45 ff; zur Übernahme dieses Begriffs in die gesetzliche Unfallversicherung: vgl. BSG, USK 72181; BSG SozR 3-2200 § 560 Nr. 1; BSG SozR 3-2700 § 46 Nr. 1 und SozR 4-2700 § 46 Nr. 3; zur unfallversicherungsrechtlichen Literatur: Fischer in jurisPK-SGB VII, 2. Aufl. 2014, Stand: 24.05.2016, § 45, Rdnr. 15; Nehls in Hauck/Noftz, SGBVII, Stand 08/2012, § 45, Rdnr. 4 und Schmitt, SGB VII, 4. Aufl. 2009, § 45, Rdnr. 6). Arbeitsunfähigkeit ist danach gegeben, wenn der Versicherte seine zuletzt vor Eintritt des Versicherungsfalles konkret ausgeübte Tätigkeit wegen Krankheit nicht (weiter) verrichten kann. Dass er möglicherweise eine andere Tätigkeit trotz der gesundheitlichen Beeinträchtigung noch ausüben kann, ist unerheblich. Ohne Bedeutung ist es, ob die Heilbehandlung des Versicherten abgeschlossen ist oder nicht (vgl. Fischer, a.a.O. und § 46, Rdnr. 38; Köllner in LPK-SGB VII, 4. Aufl. 2014, § 45, Rdnr. 8 sowie Nehls, a.a.O., Rdnr. 6).
29 
3. Gemessen daran sind die angefochtenen Bescheide nicht zu beanstanden.
30 
Der Kläger hat über den 31.03.2016 hinaus keinen Anspruch auf Gewährung von Verletztengeld aus Mitteln der gesetzlichen Unfallversicherung. Denn aufgrund des Gesamtergebnisses des Verfahrens ist auch nicht zur Überzeugung der Kammer (§ 128 Abs. 1 S. 1 SGG) erwiesen, dass der Kläger über diesen Zeitpunkt hinaus wegen der Folgen des Arbeitsunfalls vom 20.10.2014 arbeitsunfähig krank war. Hierfür stützt sich das erkennende Gericht auf die wohlbegründeten, kompetenten und widerspruchsfreien Darlegungen der Sachverständigen Prof. Dr. Si. und Dr. St., die im Wege des Urkundenbeweises verwerteten Gutachten der Dres. Gt., M., B. und F., den Heilverfahrens-Bericht von Dr. Gr., das Schreiben des Dr. Sch. vom 11.10.2015 sowie das nach Erlass des Widerspruchsbescheides von der Beklagten eingeholte weitere Gutachten des Orthopäden Prof. Dr. Sp./PD Dr. He. vom Juni 2016.
31 
a) Wie Dr. F. und Prof. Dr. Sp./PD Dr. He. - im Ergebnis - übereinstimmend dargelegt haben, sind unfallbedingte Gesundheitsstörungen auf orthopädisch-chirurgischem Fachgebiet, mit Ausnahme einer leichten Bewegungseinschränkung am rechten Handgelenk nach Abriss des TFCC für die Streckung/Beugung um jeweils 10° und die Unterarmdrehung, folgenlos ausgeheilt. Sie bedingen mit Dr. F. seit dem 03.11.2015 keine unfallbedingte Arbeitsunfähigkeit mehr. Gegenteiliges macht auch der Kläger nicht geltend.
32 
b) Auf neurologisch-psychiatrischem Fachgebiet sind ebenfalls keine überdauernden Unfallfolgen zu objektivieren, die über den 31.03.2016 hinaus eine unfallbedingte Arbeitsunfähigkeit rechtfertigen würden. Dies ergibt sich zur Überzeugung der Kammer aus den Gutachten von Dr. B. , dem Heilverfahrensbericht von Dr. Gr. wie auch dem Bericht des Neurologen und Psychiaters Dr. H. bereits vom 18.03.2015. Bei Zustand nach HWS-Distorsion und Schädel-Gesichts-Prellung - wobei nach den zutreffenden Darlegungen des Prof. Dr. Sp./PD Dr. He., des Dr. M. und des Sachverständigen Prof. Dr. Si. eine HWS-Distorsion angesichts der insoweit blanden Befunde in den zeitnah zum Unfallereignis erstellten Berichten des Dr. F., insbesondere im Durchgangsarztbericht vom 20.10.2014, wie auch im Arztbrief des Dr. L. vom 24.11.2014 nicht erwiesen ist; auch Prof. Dr. Sp./PD Dr. He. halten eine unfallbedingte leichtgradige HWS-Distorsion im Ergebnis nur für möglich - hat Dr. H. objektive Unfallfolgen auf neurologischem Fachgebiet ausdrücklich verneint, ebenso eine zervikal-radikuläre Symptomatik. Auch Dr. B. hat aufgrund der von ihm erhobenen Befunde und Krankheitsäußerungen weitere Heilbehandlungsmaßnahmen als nicht erforderlich erachtet und zutreffend eine behandlungsbedürftige bzw. behandelbare psychische Störung verneint. Schließlich rechtfertigt auch die von Dr. Gr. diagnostizierte leichte Anpassungsstörung des Klägers im Sinne einer Restsymptomatik nicht die Annahme unfallbedingter Arbeitsunfähigkeit über den 31.03.2016 hinaus, wie die Ärztin überzeugend dargelegt hat. Dies gilt auch in Bezug auf den vom Kläger angegebenen Schwankschwindel, ungeachtet dessen, dass die Dres. M., Gt. und B. wie auch die Sachverständigen Prof. Dr. Si. und Dr. St. keinen Anhalt für eine unfallbedingte Schädigung der Vestibularisorgane oder ein klinisch-neurologisches Korrelat objektiveren konnten, weshalb ein ursächlicher Zusammenhang dieser Gesundheitsstörung mit dem Arbeitsunfall vom 20.01.2014 auch zur Überzeugung der Kammer nicht wahrscheinlich ist. Ursache der Schwindelerscheinungen dürften vielmehr die bildtechnisch von Dr. L. bereits am 24.11.2014 nachgewiesenen erheblichen degenerativen Veränderungen der Halswirbelsäule sein.
33 
c) Mit Dr. F. und in Übereinstimmung mit der Beklagten geht auch das erkennende Gericht davon aus, dass im Vordergrund der weiteren Behandlungsbedürftigkeit seit dem 03.11.2015 die Tinnitusproblematik des Klägers stand. Ob der Kläger deswegen über den 31.03.2016 hinaus arbeitsunfähig war, kann vorliegend indes offenbleiben. Denn der Tinnitus einschließlich evtl. psychischer Folgeerscheinungen ist nicht - wie erforderlich - mit Wahrscheinlichkeit ursächlich auf den Arbeitsunfall vom 20.10.2014 zurückzuführen. Insoweit schließt sich die Kammer nach eigener kritischer Würdigung den - im Ergebnis - übereinstimmenden Darlegungen der Dres. Gt. und M. und des Sachverständigen Prof. Dr. Si. an. Ungeachtet der Frage, ob ein Tinnitus Folge einer HWS-Distorsion sein kann und vorliegend eine unfallbedingte HWS-Distorsion tatsächlich vorgelegen hat - dagegen sprechen die Berichte des Dr. F. vom 20.10. 28.10. und vom 12.11.2014 wie auch der Entlassungsbericht des Klinikums Mi. vom 05.11.2014 und insbesondere der Arztbrief des Dr. L. vom 24.11.2014 -, spricht gegen die Wahrscheinlichkeit eines ursächlichen Zusammenhangs zwischen dem Arbeitsunfall vom Oktober 2014 und der Ohrgeräuschproblematik mit Prof. Dr. Si. und Dr. Gt. das beschwerdefreie Intervall von mehreren Tagen - hier: konkret von 24 Tagen - zwischen dem Unfall und dem Beschwerdevorbringen in Form von Ohrgeräuschen und Schwindelerscheinungen gegenüber Dr. F. erstmals bei der Nachuntersuchung am 12.11.2014. Entgegen dem Vorbringen des Klägers gehen Prof. Dr. Si. und Dr. Gt. insoweit auch nicht von unrichtigen Anknüpfungstatsachen aus. Denn gegenüber Dr. Gt. hat der Kläger bei der Untersuchung und Begutachtung am 03.06.2015 ausdrücklich angegeben, er sei unmittelbar nach dem Unfall hinsichtlich des HNO-Bereichs beschwerdefrei gewesen und habe nach dem Unfall für mehr als eine Woche weder Ohrgeräusche noch eine andere Hörstörung/Hörminderung noch Schwindelbeschwerden gehabt; den Tinnitus beidseits habe er vielmehr erst 10 Tage nach dem Unfall erstmals bemerkt. Diese Angaben hat er sowohl gegenüber Dr. B. („Entwicklung eines Ohrgeräusches, zeitliches Fenster nicht genau angegeben, im Verlauf“; „…etwa 3-4 Tage nach dem Unfall aufgetreten.“) und gegenüber Prof. Dr. Si. („... andauerndes hochfrequentes Geräusch auf beiden Ohren“ ...“ sei einige Tage nach dem Unfall neu aufgetreten.“) bestätigt. Auch gegenüber Dr. St. hat der Kläger anamnestisch angegeben, „kurz nach dem Unfall, möglicherweise während der drei Tage als er stationär im Krankenhaus lag, habe er ein Ohrgeräusch auf beiden Ohren festgestellt, genau könne er das gar nicht terminieren“. Sein nunmehr hiervon abweichendes Vorbringen, die Ohrgeräusche hätten bereits unmittelbar nach dem Unfall am 20.10.2014 bestanden, erachtet die Kammer deshalb als nicht glaubhaft, sondern als ziel- und zweckgerichtetes Vorbringen.
34 
Überdies setzt ein traumatischer Tinnitus nach medizinisch-wissenschaftlichen Erkenntnissen mit Prof. Dr. Si. voraus, dass gleichzeitig andere unfallbedingte Störungen des Innenohrs (Hörminderung, Schwindel) objektivierbar sind (vgl. hierzu Urteil des erkennenden Gerichts vom 20.04.2017 - S 1 U 3641/16 -, Rdnr. 35 m.w.N. ). Den isolierten unfallbedingten Tinnitus gibt es nicht. Bei den Untersuchungen durch die HNO-Ärzte Dres. Gt., M. und Prof. Dr. Si. konnten die genannten Ärzte eine Hörminderung, die das altersphysiologische Ausmaß überschreitet, jedoch nicht objektivieren. Vielmehr ergaben die von allen HNO-Ärzten durchgeführten ton- und sprachaudiometrischen Untersuchungen des Hörvermögens keine messbaren Hörverlust (= beidseits jeweils 0%). Auch Hinwiese auf eine Läsion der Vestibularisorgane konnten Dr. M., Dr. Gt. und Prof. Dr. Si. nicht objektivieren. Der Sachverständige Dr. St. hat für die vom Kläger angegebenen Schwindelbeschwerden ein klinisch-neurologisches Korrelat ausdrücklich verneint; denn der Kläger zeigte bei der Untersuchung und Begutachtung ein normales und flüssiges Gangbild. Den Romberg-Stehversuch wie auch die Gangvaria (Zehenspitzen- und Fersenstand) konnte er ohne Hilfestellung und ohne Gleichgewichtsstabilisierung regelrecht ausführen. Selbst die erschwerten Gangproben (Blind- und Seiltänzergang) waren sicher möglich.
35 
d) Eine evtl. traumatisch bedingte psychische Ursache des Tinnitusleidens, wie von Dr. M. angedacht, hat bereits Dr. Sch. in seinem Schreiben an die Beklagte vom 11.10.2015 nicht bestätigt. Dem hat sich Dr. B. in seinem neurologisch-psychiatrischen Zusatzgutachten ebenso angeschlossen wie Dr. Gr. im Heilverfahrenskontrollbericht vom März 2016. Schließlich hat auch der Sachverständige Dr. St. bei seiner Untersuchung und Begutachtung des Klägers keine Befunde und/oder Krankheitsäußerungen erhoben, die die Wahrscheinlichkeit eines ursächlichen Zusammenhangs zwischen einer traumatisch bedingten psychischen Überlagerung und den Tinnitusbeschwerden auch nur nahelegen könnte.
36 
e) Schließlich ist darauf hinzuweisen, dass ein rein zeitlicher Zusammenhang zwischen einem versicherten Unfallereignis und dem Auftreten von Gesundheitsstörungen nicht ausreicht, die Wahrscheinlichkeit eines ursächlichen Zusammenhangs im Rechtssinn zu begründen (vgl. BSG vom 17.12.2015 - B 2 U 8/14 R -, Rdnr. 20 und - im Ergebnis - BSG vom 24.07.2012 - B 2 U 9/11 R -, Rdnr. 53; ferner Sächs. LSG vom 13.08.2014 - L 6 U 142/11 -, Rdnr. 41 und Bayr. LSG vom 11.11.2014 - L 2 U 398/13 -, Rdnr. 54 - ), und zwar selbst dann nicht, wenn sich eine andere - nicht versicherte - Ursache nicht feststellen lässt.
37 
f) Das zuletzt noch vorgelegte Attest des Dr. van Q. ist nicht geeignet, das Klagebegehren zu stützen. Denn ungeachtet dessen, dass dessen Angaben: „Initial Kopfschmerzen und Schwindel, zudem … seither aufgetretenen … Tinnitus“ allein subjektives Vorbringen des Klägers wiederspiegeln, das zudem sowohl der Aktenlage wie auch den anamnestischen Angaben des Klägers gegenüber den behandelnden und untersuchenden Ärzten widersprechen, ist auch nicht ersichtlich, dass Dr. van Q. den Kläger im unmittelbaren zeitlichen Zusammenhang mit dem Arbeitsunfall behandelt und - ggf. welche - von den Gutachten der Dres. M., Gt. und B. sowie des Prof. Dr. Si. und des Dr. St. abweichende Befunde erhoben hat.
38 
4. Aus eben diesen Gründen hat es die Beklagte durch die angefochtenen Bescheide zu Recht abgelehnt, dem Kläger über den 31.03.2016 hinaus Verletztengeld aus Mitteln der gesetzlichen Unfallversicherung zu gewähren. Die angefochtenen Bescheide erweisen sich damit als rechtmäßig, weshalb das Begehren des Klägers erfolglos bleiben musste.
39 
Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 183, 193 Abs. 1 und 4 SGG.

Gründe

 
24 
Die Klage ist als kombinierte Anfechtungs- und Leistungsklage (§ 54 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 4 i.V.m. § 56 des Sozialgerichtsgesetzes) zulässig, aber unbegründet. Die angefochtenen Bescheide sind rechtmäßig und verletzen den Kläger nicht in seinen Rechten. Zu Recht hat die Beklagte die Gewährung von Verletztengeld wegen der Folgen des Arbeitsunfalles vom 20.10.2014 mit Ablauf des 31.03.2016 eingestellt.
25 
1. Dass der Kläger am 20.10.2014 in Ausübung seiner versicherten Tätigkeit als Verkäufer bei einer Werbeagentur auf einem Betriebsweg (§ 8 Abs. 1 SGB VII; vgl. hierzu u.a. BSG SozR 4-2700 § 8 Nr. 39, Rdnr. 20) einen Arbeitsunfall erlitten hat, ist zwischen den Beteiligten nicht umstritten. Dies hat die Beklagte in der Begründung des angefochtenen Widerspruchsbescheides vom 01.07.2016 auch - inzidenter - anerkannt.
26 
2. Nach § 26 Abs. 1 Satz 1 SGB VII haben Versicherte nach Eintritt eines Versicherungsfalls, u.a. eines Arbeitsunfalls, u.a. Anspruch auf Geldleistungen in Form von Verletztengeld (§ 45 ff. SGB VII).
27 
Verletztengeld wird nach § 45 Abs. 1 SGB VII erbracht, wenn Versicherte in Folge des Versicherungsfalls arbeitsunfähig sind oder wegen einer Maßnahme der Heilbehandlung eine ganztägige Erwerbstätigkeit nicht ausüben können (Nr. 1) und unmittelbar vor Beginn der Arbeitsunfähigkeit oder der Heilbehandlung u.a. Anspruch auf Arbeitsentgelt hatten (Nr. 2). Verletztengeld wird von dem Tag an gezahlt, ab dem die Arbeitsunfähigkeit ärztlich festgestellt wird (§ 46 Abs. 1 SGB VII) und endet u.a. mit dem letzten Tag der Arbeitsunfähigkeit oder der Hinderung an einer ganztägigen Erwerbstätigkeit durch eine Heilbehandlungsmaßnahme (§ 46 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 SGB VII).
28 
Arbeitsunfähigkeit infolge eines Versicherungsfalls liegt anknüpfend an die Rechtsprechung zum Begriff der Arbeitsunfähigkeit in der gesetzlichen Krankenversicherung vor, wenn ein Versicherter aufgrund der Folgen eines Versicherungsfalles nicht in der Lage ist, seiner zuletzt ausgeübten oder einer gleich oder ähnlich gearteten Tätigkeit nachzugehen (vgl. zur st. Rspr. in der gesetzlichen Krankenversicherung: BSGE 26, 288; BSGE 61, 66 und BSGE 85, 271, 273; zur Literatur: Schifferdecker in Kasseler Kommentar, Stand März 2017, § 44 SGB V, Rdnr. 41, 45 ff; zur Übernahme dieses Begriffs in die gesetzliche Unfallversicherung: vgl. BSG, USK 72181; BSG SozR 3-2200 § 560 Nr. 1; BSG SozR 3-2700 § 46 Nr. 1 und SozR 4-2700 § 46 Nr. 3; zur unfallversicherungsrechtlichen Literatur: Fischer in jurisPK-SGB VII, 2. Aufl. 2014, Stand: 24.05.2016, § 45, Rdnr. 15; Nehls in Hauck/Noftz, SGBVII, Stand 08/2012, § 45, Rdnr. 4 und Schmitt, SGB VII, 4. Aufl. 2009, § 45, Rdnr. 6). Arbeitsunfähigkeit ist danach gegeben, wenn der Versicherte seine zuletzt vor Eintritt des Versicherungsfalles konkret ausgeübte Tätigkeit wegen Krankheit nicht (weiter) verrichten kann. Dass er möglicherweise eine andere Tätigkeit trotz der gesundheitlichen Beeinträchtigung noch ausüben kann, ist unerheblich. Ohne Bedeutung ist es, ob die Heilbehandlung des Versicherten abgeschlossen ist oder nicht (vgl. Fischer, a.a.O. und § 46, Rdnr. 38; Köllner in LPK-SGB VII, 4. Aufl. 2014, § 45, Rdnr. 8 sowie Nehls, a.a.O., Rdnr. 6).
29 
3. Gemessen daran sind die angefochtenen Bescheide nicht zu beanstanden.
30 
Der Kläger hat über den 31.03.2016 hinaus keinen Anspruch auf Gewährung von Verletztengeld aus Mitteln der gesetzlichen Unfallversicherung. Denn aufgrund des Gesamtergebnisses des Verfahrens ist auch nicht zur Überzeugung der Kammer (§ 128 Abs. 1 S. 1 SGG) erwiesen, dass der Kläger über diesen Zeitpunkt hinaus wegen der Folgen des Arbeitsunfalls vom 20.10.2014 arbeitsunfähig krank war. Hierfür stützt sich das erkennende Gericht auf die wohlbegründeten, kompetenten und widerspruchsfreien Darlegungen der Sachverständigen Prof. Dr. Si. und Dr. St., die im Wege des Urkundenbeweises verwerteten Gutachten der Dres. Gt., M., B. und F., den Heilverfahrens-Bericht von Dr. Gr., das Schreiben des Dr. Sch. vom 11.10.2015 sowie das nach Erlass des Widerspruchsbescheides von der Beklagten eingeholte weitere Gutachten des Orthopäden Prof. Dr. Sp./PD Dr. He. vom Juni 2016.
31 
a) Wie Dr. F. und Prof. Dr. Sp./PD Dr. He. - im Ergebnis - übereinstimmend dargelegt haben, sind unfallbedingte Gesundheitsstörungen auf orthopädisch-chirurgischem Fachgebiet, mit Ausnahme einer leichten Bewegungseinschränkung am rechten Handgelenk nach Abriss des TFCC für die Streckung/Beugung um jeweils 10° und die Unterarmdrehung, folgenlos ausgeheilt. Sie bedingen mit Dr. F. seit dem 03.11.2015 keine unfallbedingte Arbeitsunfähigkeit mehr. Gegenteiliges macht auch der Kläger nicht geltend.
32 
b) Auf neurologisch-psychiatrischem Fachgebiet sind ebenfalls keine überdauernden Unfallfolgen zu objektivieren, die über den 31.03.2016 hinaus eine unfallbedingte Arbeitsunfähigkeit rechtfertigen würden. Dies ergibt sich zur Überzeugung der Kammer aus den Gutachten von Dr. B. , dem Heilverfahrensbericht von Dr. Gr. wie auch dem Bericht des Neurologen und Psychiaters Dr. H. bereits vom 18.03.2015. Bei Zustand nach HWS-Distorsion und Schädel-Gesichts-Prellung - wobei nach den zutreffenden Darlegungen des Prof. Dr. Sp./PD Dr. He., des Dr. M. und des Sachverständigen Prof. Dr. Si. eine HWS-Distorsion angesichts der insoweit blanden Befunde in den zeitnah zum Unfallereignis erstellten Berichten des Dr. F., insbesondere im Durchgangsarztbericht vom 20.10.2014, wie auch im Arztbrief des Dr. L. vom 24.11.2014 nicht erwiesen ist; auch Prof. Dr. Sp./PD Dr. He. halten eine unfallbedingte leichtgradige HWS-Distorsion im Ergebnis nur für möglich - hat Dr. H. objektive Unfallfolgen auf neurologischem Fachgebiet ausdrücklich verneint, ebenso eine zervikal-radikuläre Symptomatik. Auch Dr. B. hat aufgrund der von ihm erhobenen Befunde und Krankheitsäußerungen weitere Heilbehandlungsmaßnahmen als nicht erforderlich erachtet und zutreffend eine behandlungsbedürftige bzw. behandelbare psychische Störung verneint. Schließlich rechtfertigt auch die von Dr. Gr. diagnostizierte leichte Anpassungsstörung des Klägers im Sinne einer Restsymptomatik nicht die Annahme unfallbedingter Arbeitsunfähigkeit über den 31.03.2016 hinaus, wie die Ärztin überzeugend dargelegt hat. Dies gilt auch in Bezug auf den vom Kläger angegebenen Schwankschwindel, ungeachtet dessen, dass die Dres. M., Gt. und B. wie auch die Sachverständigen Prof. Dr. Si. und Dr. St. keinen Anhalt für eine unfallbedingte Schädigung der Vestibularisorgane oder ein klinisch-neurologisches Korrelat objektiveren konnten, weshalb ein ursächlicher Zusammenhang dieser Gesundheitsstörung mit dem Arbeitsunfall vom 20.01.2014 auch zur Überzeugung der Kammer nicht wahrscheinlich ist. Ursache der Schwindelerscheinungen dürften vielmehr die bildtechnisch von Dr. L. bereits am 24.11.2014 nachgewiesenen erheblichen degenerativen Veränderungen der Halswirbelsäule sein.
33 
c) Mit Dr. F. und in Übereinstimmung mit der Beklagten geht auch das erkennende Gericht davon aus, dass im Vordergrund der weiteren Behandlungsbedürftigkeit seit dem 03.11.2015 die Tinnitusproblematik des Klägers stand. Ob der Kläger deswegen über den 31.03.2016 hinaus arbeitsunfähig war, kann vorliegend indes offenbleiben. Denn der Tinnitus einschließlich evtl. psychischer Folgeerscheinungen ist nicht - wie erforderlich - mit Wahrscheinlichkeit ursächlich auf den Arbeitsunfall vom 20.10.2014 zurückzuführen. Insoweit schließt sich die Kammer nach eigener kritischer Würdigung den - im Ergebnis - übereinstimmenden Darlegungen der Dres. Gt. und M. und des Sachverständigen Prof. Dr. Si. an. Ungeachtet der Frage, ob ein Tinnitus Folge einer HWS-Distorsion sein kann und vorliegend eine unfallbedingte HWS-Distorsion tatsächlich vorgelegen hat - dagegen sprechen die Berichte des Dr. F. vom 20.10. 28.10. und vom 12.11.2014 wie auch der Entlassungsbericht des Klinikums Mi. vom 05.11.2014 und insbesondere der Arztbrief des Dr. L. vom 24.11.2014 -, spricht gegen die Wahrscheinlichkeit eines ursächlichen Zusammenhangs zwischen dem Arbeitsunfall vom Oktober 2014 und der Ohrgeräuschproblematik mit Prof. Dr. Si. und Dr. Gt. das beschwerdefreie Intervall von mehreren Tagen - hier: konkret von 24 Tagen - zwischen dem Unfall und dem Beschwerdevorbringen in Form von Ohrgeräuschen und Schwindelerscheinungen gegenüber Dr. F. erstmals bei der Nachuntersuchung am 12.11.2014. Entgegen dem Vorbringen des Klägers gehen Prof. Dr. Si. und Dr. Gt. insoweit auch nicht von unrichtigen Anknüpfungstatsachen aus. Denn gegenüber Dr. Gt. hat der Kläger bei der Untersuchung und Begutachtung am 03.06.2015 ausdrücklich angegeben, er sei unmittelbar nach dem Unfall hinsichtlich des HNO-Bereichs beschwerdefrei gewesen und habe nach dem Unfall für mehr als eine Woche weder Ohrgeräusche noch eine andere Hörstörung/Hörminderung noch Schwindelbeschwerden gehabt; den Tinnitus beidseits habe er vielmehr erst 10 Tage nach dem Unfall erstmals bemerkt. Diese Angaben hat er sowohl gegenüber Dr. B. („Entwicklung eines Ohrgeräusches, zeitliches Fenster nicht genau angegeben, im Verlauf“; „…etwa 3-4 Tage nach dem Unfall aufgetreten.“) und gegenüber Prof. Dr. Si. („... andauerndes hochfrequentes Geräusch auf beiden Ohren“ ...“ sei einige Tage nach dem Unfall neu aufgetreten.“) bestätigt. Auch gegenüber Dr. St. hat der Kläger anamnestisch angegeben, „kurz nach dem Unfall, möglicherweise während der drei Tage als er stationär im Krankenhaus lag, habe er ein Ohrgeräusch auf beiden Ohren festgestellt, genau könne er das gar nicht terminieren“. Sein nunmehr hiervon abweichendes Vorbringen, die Ohrgeräusche hätten bereits unmittelbar nach dem Unfall am 20.10.2014 bestanden, erachtet die Kammer deshalb als nicht glaubhaft, sondern als ziel- und zweckgerichtetes Vorbringen.
34 
Überdies setzt ein traumatischer Tinnitus nach medizinisch-wissenschaftlichen Erkenntnissen mit Prof. Dr. Si. voraus, dass gleichzeitig andere unfallbedingte Störungen des Innenohrs (Hörminderung, Schwindel) objektivierbar sind (vgl. hierzu Urteil des erkennenden Gerichts vom 20.04.2017 - S 1 U 3641/16 -, Rdnr. 35 m.w.N. ). Den isolierten unfallbedingten Tinnitus gibt es nicht. Bei den Untersuchungen durch die HNO-Ärzte Dres. Gt., M. und Prof. Dr. Si. konnten die genannten Ärzte eine Hörminderung, die das altersphysiologische Ausmaß überschreitet, jedoch nicht objektivieren. Vielmehr ergaben die von allen HNO-Ärzten durchgeführten ton- und sprachaudiometrischen Untersuchungen des Hörvermögens keine messbaren Hörverlust (= beidseits jeweils 0%). Auch Hinwiese auf eine Läsion der Vestibularisorgane konnten Dr. M., Dr. Gt. und Prof. Dr. Si. nicht objektivieren. Der Sachverständige Dr. St. hat für die vom Kläger angegebenen Schwindelbeschwerden ein klinisch-neurologisches Korrelat ausdrücklich verneint; denn der Kläger zeigte bei der Untersuchung und Begutachtung ein normales und flüssiges Gangbild. Den Romberg-Stehversuch wie auch die Gangvaria (Zehenspitzen- und Fersenstand) konnte er ohne Hilfestellung und ohne Gleichgewichtsstabilisierung regelrecht ausführen. Selbst die erschwerten Gangproben (Blind- und Seiltänzergang) waren sicher möglich.
35 
d) Eine evtl. traumatisch bedingte psychische Ursache des Tinnitusleidens, wie von Dr. M. angedacht, hat bereits Dr. Sch. in seinem Schreiben an die Beklagte vom 11.10.2015 nicht bestätigt. Dem hat sich Dr. B. in seinem neurologisch-psychiatrischen Zusatzgutachten ebenso angeschlossen wie Dr. Gr. im Heilverfahrenskontrollbericht vom März 2016. Schließlich hat auch der Sachverständige Dr. St. bei seiner Untersuchung und Begutachtung des Klägers keine Befunde und/oder Krankheitsäußerungen erhoben, die die Wahrscheinlichkeit eines ursächlichen Zusammenhangs zwischen einer traumatisch bedingten psychischen Überlagerung und den Tinnitusbeschwerden auch nur nahelegen könnte.
36 
e) Schließlich ist darauf hinzuweisen, dass ein rein zeitlicher Zusammenhang zwischen einem versicherten Unfallereignis und dem Auftreten von Gesundheitsstörungen nicht ausreicht, die Wahrscheinlichkeit eines ursächlichen Zusammenhangs im Rechtssinn zu begründen (vgl. BSG vom 17.12.2015 - B 2 U 8/14 R -, Rdnr. 20 und - im Ergebnis - BSG vom 24.07.2012 - B 2 U 9/11 R -, Rdnr. 53; ferner Sächs. LSG vom 13.08.2014 - L 6 U 142/11 -, Rdnr. 41 und Bayr. LSG vom 11.11.2014 - L 2 U 398/13 -, Rdnr. 54 - ), und zwar selbst dann nicht, wenn sich eine andere - nicht versicherte - Ursache nicht feststellen lässt.
37 
f) Das zuletzt noch vorgelegte Attest des Dr. van Q. ist nicht geeignet, das Klagebegehren zu stützen. Denn ungeachtet dessen, dass dessen Angaben: „Initial Kopfschmerzen und Schwindel, zudem … seither aufgetretenen … Tinnitus“ allein subjektives Vorbringen des Klägers wiederspiegeln, das zudem sowohl der Aktenlage wie auch den anamnestischen Angaben des Klägers gegenüber den behandelnden und untersuchenden Ärzten widersprechen, ist auch nicht ersichtlich, dass Dr. van Q. den Kläger im unmittelbaren zeitlichen Zusammenhang mit dem Arbeitsunfall behandelt und - ggf. welche - von den Gutachten der Dres. M., Gt. und B. sowie des Prof. Dr. Si. und des Dr. St. abweichende Befunde erhoben hat.
38 
4. Aus eben diesen Gründen hat es die Beklagte durch die angefochtenen Bescheide zu Recht abgelehnt, dem Kläger über den 31.03.2016 hinaus Verletztengeld aus Mitteln der gesetzlichen Unfallversicherung zu gewähren. Die angefochtenen Bescheide erweisen sich damit als rechtmäßig, weshalb das Begehren des Klägers erfolglos bleiben musste.
39 
Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 183, 193 Abs. 1 und 4 SGG.

Urteilsbesprechung zu Sozialgericht Karlsruhe Urteil, 28. Juli 2017 - S 1 U 2602/16

Urteilsbesprechungen zu Sozialgericht Karlsruhe Urteil, 28. Juli 2017 - S 1 U 2602/16

Referenzen - Gesetze

Gesetz über den Lastenausgleich


Lastenausgleichsgesetz - LAG

Sozialgerichtsgesetz - SGG | § 193


(1) Das Gericht hat im Urteil zu entscheiden, ob und in welchem Umfang die Beteiligten einander Kosten zu erstatten haben. Ist ein Mahnverfahren vorausgegangen (§ 182a), entscheidet das Gericht auch, welcher Beteiligte die Gerichtskosten zu tragen ha

Sozialgerichtsgesetz - SGG | § 183


Das Verfahren vor den Gerichten der Sozialgerichtsbarkeit ist für Versicherte, Leistungsempfänger einschließlich Hinterbliebenenleistungsempfänger, behinderte Menschen oder deren Sonderrechtsnachfolger nach § 56 des Ersten Buches Sozialgesetzbuch kos
Sozialgericht Karlsruhe Urteil, 28. Juli 2017 - S 1 U 2602/16 zitiert 12 §§.

Gesetz über den Lastenausgleich


Lastenausgleichsgesetz - LAG

Sozialgerichtsgesetz - SGG | § 193


(1) Das Gericht hat im Urteil zu entscheiden, ob und in welchem Umfang die Beteiligten einander Kosten zu erstatten haben. Ist ein Mahnverfahren vorausgegangen (§ 182a), entscheidet das Gericht auch, welcher Beteiligte die Gerichtskosten zu tragen ha

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Das Verfahren vor den Gerichten der Sozialgerichtsbarkeit ist für Versicherte, Leistungsempfänger einschließlich Hinterbliebenenleistungsempfänger, behinderte Menschen oder deren Sonderrechtsnachfolger nach § 56 des Ersten Buches Sozialgesetzbuch kos

Sozialgerichtsgesetz - SGG | § 128


(1) Das Gericht entscheidet nach seiner freien, aus dem Gesamtergebnis des Verfahrens gewonnenen Überzeugung. In dem Urteil sind die Gründe anzugeben, die für die richterliche Überzeugung leitend gewesen sind. (2) Das Urteil darf nur auf Tatsache

Siebtes Buch Sozialgesetzbuch - Gesetzliche Unfallversicherung - (Artikel 1 des Gesetzes vom 7. August 1996, BGBl. I S. 1254) - SGB 7 | § 8 Arbeitsunfall


(1) Arbeitsunfälle sind Unfälle von Versicherten infolge einer den Versicherungsschutz nach § 2, 3 oder 6 begründenden Tätigkeit (versicherte Tätigkeit). Unfälle sind zeitlich begrenzte, von außen auf den Körper einwirkende Ereignisse, die zu einem G

Sozialgerichtsgesetz - SGG | § 56


Mehrere Klagebegehren können vom Kläger in einer Klage zusammen verfolgt werden, wenn sie sich gegen denselben Beklagten richten, im Zusammenhang stehen und dasselbe Gericht zuständig ist.

Sozialgesetzbuch (SGB) Fünftes Buch (V) - Gesetzliche Krankenversicherung - (Artikel 1 des Gesetzes v. 20. Dezember 1988, BGBl. I S. 2477) - SGB 5 | § 44 Krankengeld


(1) Versicherte haben Anspruch auf Krankengeld, wenn die Krankheit sie arbeitsunfähig macht oder sie auf Kosten der Krankenkasse stationär in einem Krankenhaus, einer Vorsorge- oder Rehabilitationseinrichtung (§ 23 Abs. 4, §§ 24, 40 Abs. 2 und § 41)

Siebtes Buch Sozialgesetzbuch - Gesetzliche Unfallversicherung - (Artikel 1 des Gesetzes vom 7. August 1996, BGBl. I S. 1254) - SGB 7 | § 26 Grundsatz


(1) Versicherte haben nach Maßgabe der folgenden Vorschriften und unter Beachtung des Neunten Buches Anspruch auf Heilbehandlung einschließlich Leistungen zur medizinischen Rehabilitation, auf Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben und zur Sozialen

Siebtes Buch Sozialgesetzbuch - Gesetzliche Unfallversicherung - (Artikel 1 des Gesetzes vom 7. August 1996, BGBl. I S. 1254) - SGB 7 | § 45 Voraussetzungen für das Verletztengeld


(1) Verletztengeld wird erbracht, wenn Versicherte1.infolge des Versicherungsfalls arbeitsunfähig sind oder wegen einer Maßnahme der Heilbehandlung eine ganztägige Erwerbstätigkeit nicht ausüben können und2.unmittelbar vor Beginn der Arbeitsunfähigke

Siebtes Buch Sozialgesetzbuch - Gesetzliche Unfallversicherung - (Artikel 1 des Gesetzes vom 7. August 1996, BGBl. I S. 1254) - SGB 7 | § 46 Beginn und Ende des Verletztengeldes


(1) Verletztengeld wird von dem Tag an gezahlt, ab dem die Arbeitsunfähigkeit ärztlich festgestellt wird, oder mit dem Tag des Beginns einer Heilbehandlungsmaßnahme, die den Versicherten an der Ausübung einer ganztägigen Erwerbstätigkeit hindert.

Referenzen - Urteile

Sozialgericht Karlsruhe Urteil, 28. Juli 2017 - S 1 U 2602/16 zitiert oder wird zitiert von 4 Urteil(en).

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Tenor I. Die Berufung gegen das Urteil des Sozialgerichts München vom 14. August 2013 wird zurückgewiesen. II. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten. III. Die Revision wird nicht zugelassen. Tatbe

Sozialgericht Karlsruhe Urteil, 20. Apr. 2017 - S 1 U 3641/16

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Tenor Die Klage wird abgewiesen.Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten. Tatbestand   1 Die Beteiligten streiten um die Anerkennung weiterer Gesundheitsstörungen als Folge eines Arbeitsunfalls, um die Dauer unfallbedingter Arbeitsu

Bundessozialgericht Urteil, 17. Dez. 2015 - B 2 U 8/14 R

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Bundessozialgericht Urteil, 24. Juli 2012 - B 2 U 9/11 R

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Tenor Auf die Revision der Beklagten wird der Beschluss des Landessozialgerichts Baden-Württemberg vom 22. Dezember 2010 aufgehoben und die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das La

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Mehrere Klagebegehren können vom Kläger in einer Klage zusammen verfolgt werden, wenn sie sich gegen denselben Beklagten richten, im Zusammenhang stehen und dasselbe Gericht zuständig ist.

(1) Arbeitsunfälle sind Unfälle von Versicherten infolge einer den Versicherungsschutz nach § 2, 3 oder 6 begründenden Tätigkeit (versicherte Tätigkeit). Unfälle sind zeitlich begrenzte, von außen auf den Körper einwirkende Ereignisse, die zu einem Gesundheitsschaden oder zum Tod führen. Wird die versicherte Tätigkeit im Haushalt der Versicherten oder an einem anderen Ort ausgeübt, besteht Versicherungsschutz in gleichem Umfang wie bei Ausübung der Tätigkeit auf der Unternehmensstätte.

(2) Versicherte Tätigkeiten sind auch

1.
das Zurücklegen des mit der versicherten Tätigkeit zusammenhängenden unmittelbaren Weges nach und von dem Ort der Tätigkeit,
2.
das Zurücklegen des von einem unmittelbaren Weg nach und von dem Ort der Tätigkeit abweichenden Weges, um
a)
Kinder von Versicherten (§ 56 des Ersten Buches), die mit ihnen in einem gemeinsamen Haushalt leben, wegen ihrer, ihrer Ehegatten oder ihrer Lebenspartner beruflichen Tätigkeit fremder Obhut anzuvertrauen oder
b)
mit anderen Berufstätigen oder Versicherten gemeinsam ein Fahrzeug zu benutzen,
2a.
das Zurücklegen des unmittelbaren Weges nach und von dem Ort, an dem Kinder von Versicherten nach Nummer 2 Buchstabe a fremder Obhut anvertraut werden, wenn die versicherte Tätigkeit an dem Ort des gemeinsamen Haushalts ausgeübt wird,
3.
das Zurücklegen des von einem unmittelbaren Weg nach und von dem Ort der Tätigkeit abweichenden Weges der Kinder von Personen (§ 56 des Ersten Buches), die mit ihnen in einem gemeinsamen Haushalt leben, wenn die Abweichung darauf beruht, daß die Kinder wegen der beruflichen Tätigkeit dieser Personen oder deren Ehegatten oder deren Lebenspartner fremder Obhut anvertraut werden,
4.
das Zurücklegen des mit der versicherten Tätigkeit zusammenhängenden Weges von und nach der ständigen Familienwohnung, wenn die Versicherten wegen der Entfernung ihrer Familienwohnung von dem Ort der Tätigkeit an diesem oder in dessen Nähe eine Unterkunft haben,
5.
das mit einer versicherten Tätigkeit zusammenhängende Verwahren, Befördern, Instandhalten und Erneuern eines Arbeitsgeräts oder einer Schutzausrüstung sowie deren Erstbeschaffung, wenn diese auf Veranlassung der Unternehmer erfolgt.

(3) Als Gesundheitsschaden gilt auch die Beschädigung oder der Verlust eines Hilfsmittels.

(1) Versicherte haben nach Maßgabe der folgenden Vorschriften und unter Beachtung des Neunten Buches Anspruch auf Heilbehandlung einschließlich Leistungen zur medizinischen Rehabilitation, auf Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben und zur Sozialen Teilhabe, auf ergänzende Leistungen, auf Leistungen bei Pflegebedürftigkeit sowie auf Geldleistungen. Die Leistungen werden auf Antrag durch ein Persönliches Budget nach § 29 des Neunten Buches erbracht; dies gilt im Rahmen des Anspruchs auf Heilbehandlung nur für die Leistungen zur medizinischen Rehabilitation.

(2) Der Unfallversicherungsträger hat mit allen geeigneten Mitteln möglichst frühzeitig

1.
den durch den Versicherungsfall verursachten Gesundheitsschaden zu beseitigen oder zu bessern, seine Verschlimmerung zu verhüten und seine Folgen zu mildern,
2.
den Versicherten einen ihren Neigungen und Fähigkeiten entsprechenden Platz im Arbeitsleben zu sichern,
3.
Hilfen zur Bewältigung der Anforderungen des täglichen Lebens und zur Teilhabe am Leben in der Gemeinschaft sowie zur Führung eines möglichst selbständigen Lebens unter Berücksichtigung von Art und Schwere des Gesundheitsschadens bereitzustellen,
4.
ergänzende Leistungen zur Heilbehandlung und zu Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben und zur Sozialen Teilhabe zu erbringen,
5.
Leistungen bei Pflegebedürftigkeit zu erbringen.

(3) Die Leistungen zur Heilbehandlung und zur Rehabilitation haben Vorrang vor Rentenleistungen.

(4) Qualität und Wirksamkeit der Leistungen zur Heilbehandlung und Teilhabe haben dem allgemein anerkannten Stand der medizinischen Erkenntnisse zu entsprechen und den medizinischen Fortschritt zu berücksichtigen. Sie werden als Dienst- und Sachleistungen zur Verfügung gestellt, soweit dieses oder das Neunte Buch keine Abweichungen vorsehen.

(5) Die Unfallversicherungsträger bestimmen im Einzelfall Art, Umfang und Durchführung der Heilbehandlung und der Leistungen zur Teilhabe sowie die Einrichtungen, die diese Leistungen erbringen, nach pflichtgemäßem Ermessen. Dabei prüfen sie auch, welche Leistungen geeignet und zumutbar sind, Pflegebedürftigkeit zu vermeiden, zu überwinden, zu mindern oder ihre Verschlimmerung zu verhüten.

(1) Verletztengeld wird erbracht, wenn Versicherte

1.
infolge des Versicherungsfalls arbeitsunfähig sind oder wegen einer Maßnahme der Heilbehandlung eine ganztägige Erwerbstätigkeit nicht ausüben können und
2.
unmittelbar vor Beginn der Arbeitsunfähigkeit oder der Heilbehandlung Anspruch auf Arbeitsentgelt, Arbeitseinkommen, Krankengeld, Pflegeunterstützungsgeld, Verletztengeld, Versorgungskrankengeld, Übergangsgeld, Unterhaltsgeld, Kurzarbeitergeld, Arbeitslosengeld, nicht nur darlehensweise gewährtes Bürgergeld nach § 19 Absatz 1 Satz 1 des Zweiten Buches oder nicht nur Leistungen für Erstausstattungen für Bekleidung bei Schwangerschaft und Geburt nach dem Zweiten Buch oder Mutterschaftsgeld hatten.

(2) Verletztengeld wird auch erbracht, wenn

1.
Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben erforderlich sind,
2.
diese Maßnahmen sich aus Gründen, die die Versicherten nicht zu vertreten haben, nicht unmittelbar an die Heilbehandlung anschließen,
3.
die Versicherten ihre bisherige berufliche Tätigkeit nicht wieder aufnehmen können oder ihnen eine andere zumutbare Tätigkeit nicht vermittelt werden kann oder sie diese aus wichtigem Grund nicht ausüben können und
4.
die Voraussetzungen des Absatzes 1 Nr. 2 erfüllt sind.
Das Verletztengeld wird bis zum Beginn der Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben erbracht. Die Sätze 1 und 2 gelten entsprechend für die Zeit bis zum Beginn und während der Durchführung einer Maßnahme der Berufsfindung und Arbeitserprobung.

(3) Werden in einer Einrichtung Maßnahmen der Heilbehandlung und gleichzeitig Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben für Versicherte erbracht, erhalten Versicherte Verletztengeld, wenn sie arbeitsunfähig sind oder wegen der Maßnahmen eine ganztägige Erwerbstätigkeit nicht ausüben können und die Voraussetzungen des Absatzes 1 Nr. 2 erfüllt sind.

(4) Im Fall der Beaufsichtigung, Betreuung oder Pflege eines durch einen Versicherungsfall verletzten Kindes gilt § 45 des Fünften Buches entsprechend mit der Maßgabe, dass

1.
das Verletztengeld 100 Prozent des ausgefallenen Nettoarbeitsentgelts beträgt und
2.
das Arbeitsentgelt bis zu einem Betrag in Höhe des 450. Teils des Höchstjahresarbeitsverdienstes zu berücksichtigen ist.
Erfolgt die Berechnung des Verletztengeldes aus Arbeitseinkommen, beträgt dies 80 Prozent des erzielten regelmäßigen Arbeitseinkommens bis zu einem Betrag in Höhe des 450. Teils des Höchstjahresarbeitsverdienstes.

(1) Verletztengeld wird von dem Tag an gezahlt, ab dem die Arbeitsunfähigkeit ärztlich festgestellt wird, oder mit dem Tag des Beginns einer Heilbehandlungsmaßnahme, die den Versicherten an der Ausübung einer ganztägigen Erwerbstätigkeit hindert.

(2) Die Satzung kann bestimmen, daß für Unternehmer, ihre Ehegatten oder ihre Lebenspartner und für den Unternehmern nach § 6 Abs. 1 Nr. 2 Gleichgestellte Verletztengeld längstens für die Dauer der ersten 13 Wochen nach dem sich aus Absatz 1 ergebenden Zeitpunkt ganz oder teilweise nicht gezahlt wird. Satz 1 gilt nicht für Versicherte, die bei einer Krankenkasse mit Anspruch auf Krankengeld versichert sind.

(3) Das Verletztengeld endet

1.
mit dem letzten Tag der Arbeitsunfähigkeit oder der Hinderung an einer ganztägigen Erwerbstätigkeit durch eine Heilbehandlungsmaßnahme,
2.
mit dem Tag, der dem Tag vorausgeht, an dem ein Anspruch auf Übergangsgeld entsteht.
Wenn mit dem Wiedereintritt der Arbeitsfähigkeit nicht zu rechnen ist und Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben nicht zu erbringen sind, endet das Verletztengeld
1.
mit dem Tag, an dem die Heilbehandlung so weit abgeschlossen ist, daß die Versicherten eine zumutbare, zur Verfügung stehende Berufs- oder Erwerbstätigkeit aufnehmen können,
2.
mit Beginn der in § 50 Abs. 1 Satz 1 des Fünften Buches genannten Leistungen, es sei denn, daß diese Leistungen mit dem Versicherungsfall im Zusammenhang stehen,
3.
im übrigen mit Ablauf der 78. Woche, gerechnet vom Tag des Beginns der Arbeitsunfähigkeit an, jedoch nicht vor dem Ende der stationären Behandlung.

(1) Versicherte haben Anspruch auf Krankengeld, wenn die Krankheit sie arbeitsunfähig macht oder sie auf Kosten der Krankenkasse stationär in einem Krankenhaus, einer Vorsorge- oder Rehabilitationseinrichtung (§ 23 Abs. 4, §§ 24, 40 Abs. 2 und § 41) behandelt werden.

(2) Keinen Anspruch auf Krankengeld haben

1.
die nach § 5 Abs. 1 Nr. 2a, 5, 6, 9, 10 oder 13 sowie die nach § 10 Versicherten; dies gilt nicht für die nach § 5 Abs. 1 Nr. 6 Versicherten, wenn sie Anspruch auf Übergangsgeld haben, und für Versicherte nach § 5 Abs. 1 Nr. 13, sofern sie abhängig beschäftigt und nicht nach den §§ 8 und 8a des Vierten Buches geringfügig beschäftigt sind oder sofern sie hauptberuflich selbständig erwerbstätig sind und eine Wahlerklärung nach Nummer 2 abgegeben haben,
2.
hauptberuflich selbständig Erwerbstätige, es sei denn, das Mitglied erklärt gegenüber der Krankenkasse, dass die Mitgliedschaft den Anspruch auf Krankengeld umfassen soll (Wahlerklärung),
3.
Versicherte nach § 5 Absatz 1 Nummer 1, die bei Arbeitsunfähigkeit nicht mindestens sechs Wochen Anspruch auf Fortzahlung des Arbeitsentgelts auf Grund des Entgeltfortzahlungsgesetzes, eines Tarifvertrags, einer Betriebsvereinbarung oder anderer vertraglicher Zusagen oder auf Zahlung einer die Versicherungspflicht begründenden Sozialleistung haben, es sei denn, das Mitglied gibt eine Wahlerklärung ab, dass die Mitgliedschaft den Anspruch auf Krankengeld umfassen soll. Dies gilt nicht für Versicherte, die nach § 10 des Entgeltfortzahlungsgesetzes Anspruch auf Zahlung eines Zuschlages zum Arbeitsentgelt haben,
4.
Versicherte, die eine Rente aus einer öffentlich-rechtlichen Versicherungseinrichtung oder Versorgungseinrichtung ihrer Berufsgruppe oder von anderen vergleichbaren Stellen beziehen, die ihrer Art nach den in § 50 Abs. 1 genannten Leistungen entspricht. Für Versicherte nach Satz 1 Nr. 4 gilt § 50 Abs. 2 entsprechend, soweit sie eine Leistung beziehen, die ihrer Art nach den in dieser Vorschrift aufgeführten Leistungen entspricht.
Für die Wahlerklärung nach Satz 1 Nummer 2 und 3 gilt § 53 Absatz 8 Satz 1 entsprechend. Für die nach Nummer 2 und 3 aufgeführten Versicherten bleibt § 53 Abs. 6 unberührt. Geht der Krankenkasse die Wahlerklärung nach Satz 1 Nummer 2 und 3 zum Zeitpunkt einer bestehenden Arbeitsunfähigkeit zu, wirkt die Wahlerklärung erst zu dem Tag, der auf das Ende dieser Arbeitsunfähigkeit folgt.

(3) Der Anspruch auf Fortzahlung des Arbeitsentgelts bei Arbeitsunfähigkeit richtet sich nach arbeitsrechtlichen Vorschriften.

(4) Versicherte haben Anspruch auf individuelle Beratung und Hilfestellung durch die Krankenkasse, welche Leistungen und unterstützende Angebote zur Wiederherstellung der Arbeitsfähigkeit erforderlich sind. Maßnahmen nach Satz 1 und die dazu erforderliche Verarbeitung personenbezogener Daten dürfen nur mit schriftlicher oder elektronischer Einwilligung und nach vorheriger schriftlicher oder elektronischer Information des Versicherten erfolgen. Die Einwilligung kann jederzeit schriftlich oder elektronisch widerrufen werden. Die Krankenkassen dürfen ihre Aufgaben nach Satz 1 an die in § 35 des Ersten Buches genannten Stellen übertragen.

(1) Das Gericht entscheidet nach seiner freien, aus dem Gesamtergebnis des Verfahrens gewonnenen Überzeugung. In dem Urteil sind die Gründe anzugeben, die für die richterliche Überzeugung leitend gewesen sind.

(2) Das Urteil darf nur auf Tatsachen und Beweisergebnisse gestützt werden, zu denen sich die Beteiligten äußern konnten.

Tenor

Die Klage wird abgewiesen.

Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.

Tatbestand

 
Die Beteiligten streiten um die Anerkennung weiterer Gesundheitsstörungen als Folge eines Arbeitsunfalls, um die Dauer unfallbedingter Arbeitsunfähigkeit und Behandlungsbedürftigkeit und um die Gewährung von Verletztenrente.
Der 19... geborene, seit Januar 20... als Kundenberater eines Versicherungsunternehmens beschäftigte Kläger erlitt am 17.09.2014 einen Arbeitsunfall: Auf dem Rückweg von einem Kunden und der Fahrt zu einem weiteren Kunden musste er an einer Ampel verkehrsbedingt anhalten, als ein anderes Fahrzeug von hinten auf seinen Pkw auffuhr. Am Unfallfolgetag suchte der Kläger den Orthopäden Dr. H. auf und klagte über Schmerzen im Nacken und Rücken und ein Ziehen im rechten Bein. Dr. H. erhob einen Muskelhartspann, Kopfschmerzen, eine schmerzhafte Beweglichkeit der Halswirbelsäule, Lumboischialgie-Schmerzen rechts und eine Stauchung von Wirbelsäule und des Beckens. Die Röntgenuntersuchung der Halswirbelsäule in zwei Ebenen belegte eine Steilstellung ohne Fraktur- oder Instabilitätszeichen. Dr. H. diagnostizierte als Gesundheitsstörungen Kopfschmerzen, Muskelhärte und eine HWS-Distorsion. Die Erstversorgung erfolgte mittels Zervikalstütze und Medikamenten gegen Muskelverspannungen und Schmerzen (vgl. H-Arzt-Bericht vom 18.09.2014). Am 14.10.2014 begab sich der Kläger in Behandlung der HNO-Ärztin Dr. M.. Diese diagnostizierte einen beidseitigen Tinnitus und Schwindel und äußerte den Verdacht auf eine Contusio labyrinthi. Der von ihr erhobene Ohrenbefund war beidseits „o.B.“ (vgl. HNO-Arztbericht vom 14.10.2014). In ihrer Auskunft vom 10.11.2014 teilte Dr. M. der Beklagten mit, der Kläger berichte seit dem Unfallereignis u.a. über ein beidseitiges Ohrensausen und Pfeifen, links etwas stärker ausgeprägt als rechts; er empfinde die Ohrgeräusche als sehr störend (Schlafstörungen). Aktuell finde insoweit keine Therapie ihrerseits mehr statt. Die unfallbedingte Minderung der Erwerbsfähigkeit (MdE) aufgrund des Tinnitusleidens bewertete Dr. M. mit 10 v.H..
Im Rahmen der weiteren Sachaufklärung zog die Beklagte Behandlungsunterlagen der HNO-Klinik des S. Klinikums K-Stadt (Behandlung dort wegen Neuropathia vestibularis links im Juli 2009), das Vorerkrankungsverzeichnis der AOK K-Stadt (u.a. Behandlung wegen Tinnitus aurium im April 2014) sowie das von Dr. M. am 12.12.2014 erstellte Ton- und Sprachaudiogramm bei. Außerdem holte sie Befundberichte des Neurologen Dr. R. und des Dr. H. ein. Ein von diesem veranlasstes MRT des Neurocraniums ergab keinen krankhaften Befund (vgl. Arztbrief des Radiologen Dr. F. vom 19.01.2015). Zur Feststellung von Art und Ausmaß der Unfallfolgen ließ die Beklagte den Kläger sodann durch den HNO-Arzt Dr. G. und den Orthopäden Dr. C. untersuchen und begutachten.
Dr. G. diagnostizierte als Gesundheitsstörungen eine Hochtoninnenohrschwerhörigkeit beidseits bei ton- und sprachaudiometrisch nachgewiesener Normalhörigkeit und einen chronischen Tinnitus mit psychovegetativen Begleiterscheinungen. Das Unfallereignis vom September 2014 sei mit Wahrscheinlichkeit Ursache oder wesentliche Teilursache des Tinnitusleidens. Die unfallbedingte MdE hierfür bewertete Dr. G. mit 10 v.H. .
Bei der Untersuchung und Begutachtung durch Dr. C. gelang die Rotation der Halswirbelsäule beidseits bis 60° und die Seitneigung bis jeweils 40°. Die Vor- und Rückbeugung des Kopfes konnte der Kläger bis zu einem Kinn-Brustbein-Abstand von 0/17 cm verrichten. Bei der Rumpfbeuge nach vorn verblieb ein Finger-Boden-Abstand von 13 cm. Dr. C. erhob ein Ott’sches-Zeichen von 30/31,5 cm und ein Schober’sches-Zeichen von 10/14,5 cm. Das Nervendehnungszeichen nach Lasègue war beidseits negativ. Die Nachbefundung der von Dr. H. am 18.09.2014 angefertigten Röntgenbilder der Halswirbelsäule ergab eine Steilstellung ohne knöchernen Verletzungsbefund und ohne Hinweise auf eine ventrale oder dorsale Instabilität. Auch bei der Nachbefundung von Röntgenbildern der Lendenwirbelsäule objektivierte Dr. C. einen im Wesentlichen unauffälligen Befund und diagnostizierte als Gesundheitsstörungen ein myalgisches HWS-Syndrom und rezidivierende Lumbalgien mit lumbalen und/oder thorakalen Blockierungen, jeweils ohne sensomotorische Ausfälle der Extremitäten und ohne relevante Funktionseinschränkung. Durch das Unfallereignis habe der Kläger eine Distorsion I. Grades der Hals- und wahrscheinlich auch der Lendenwirbelsäule erlitten. Die geklagten Beschwerden im Bereich der Wirbelsäule ließen sich jedoch nicht mehr mit Wahrscheinlichkeit auf das Unfallereignis zurückzuführen, weil keine substantiellen Schäden zu objektivieren seien, die eine derart lange Beschwerdedauer plausibel erklären könnten. Unfallbedingte Arbeitsunfähigkeit und Behandlungsbedürftigkeit habe längstens bis zum 09.11.2014 bestanden. Eine messbare MdE auf seinem Fachgebiet sei nicht verblieben.
Gestützt auf diese Gutachten und eine beratungsärztliche Stellungnahme des HNO-Arztes Dr. J. anerkannte die Beklagte das Unfallereignis als Arbeitsunfall und als dessen Folge
„Folgenlos ausgeheilte Distorsion der Hals- und Lendenwirbelsäule.“
Keine Folgen des Arbeitsunfalls, und zwar weder im Sinne der Entstehung noch der Verschlimmerung, seien eine Hochton-Innenohrschwerhörigkeit beidseits und ein chronischer Tinnitus des linken Ohres mit psychovegetativen Begleiterscheinungen: Der Unfallhergang sei nicht geeignet gewesen, diese Gesundheitsstörungen zu bewirken. Für die Anerkennung eines traumatischen Tinnitus als Unfallfolge sei schon ein geeigneter Gesundheitserstschaden nicht erwiesen. Allein ein zeitlicher Zusammenhang zwischen einem Tinnitus und einem Arbeitsunfallereignis begründe keinen ursächlichen Zusammenhang. Unfallbedingte Arbeitsunfähigkeit und Behandlungsbedürftigkeit habe bis zum 09.11.2014 bestanden. Anspruch auf Verletztenrente habe der Kläger nicht, weil seine Erwerbsfähigkeit über die 26. Woche nach dem Eintritt des Versicherungsfalls hinaus nicht um wenigstens 20 v.H. gemindert sei (Bescheid vom 22.09.2015).
Zur Begründung seines dagegen erhobenen Widerspruchs trug der Kläger im Wesentlichen vor, die Unfallfolgen im Bereich der Wirbelsäule seien nicht folgenlos ausgeheilt. Zu Unrecht habe die Beklagte auch die Anerkennung seines Tinnitus links mit psychovegetativen Begleiterscheinungen und die chronischen Schwindelanfällen als Unfallfolgen versagt. Seit Ende März 2015 befinde er sich in psychotherapeutischer Behandlung. Außerdem habe er wegen seiner Wirbelsäulenbeschwerden eine stationäre Schmerztherapie durchgeführt. Unfallbedingte Arbeitsunfähigkeit und Behandlungsbedürftigkeit hätten daher über dem 09.11.2014 hinaus bestanden. Zu Unrecht habe die Beklagte weiter einen Anspruch auf Verletztenrente versagt. Zur Stützung seines Widerspruchsbegehrens legte der Kläger das Attest des Psychologischen Psychotherapeuten S. vor.
10 
Die Beklagte veranlasste weitere Untersuchungen und Begutachtungen des Klägers durch den HNO-Arzt Dr. Z. und den Orthopäden Prof. Dr. Sch.:
11 
Dr. Z. gegenüber gab der Kläger u.a. an, der Unfall sei „eigentlich kein schwerer Unfall“ gewesen. Er sei danach aus seinem Fahrzeug gestiegen und habe mit dem Unfallverursacher „das Ganze geregelt“. Danach habe er noch einen weiteren Kundentermin wahrgenommen. In Auswertung der von ihm erhobenen Befunde und unter Einbeziehung des vom Kläger überreichten Attestes des Allgemeinmediziners Dr. W. führte Dr. Z. zusammenfassend aus, durch den Arbeitsunfall sei es nicht mit Wahrscheinlichkeit zu einem wesentlichen unfallbedingten Innenohrgeschehen gekommen. Bereits im November 2011 habe Dr. W. den Kläger wegen einer Hörstörung und Schwindel behandelt. Im Juli 2013 habe der Kläger diesem gegenüber einen durch Stress vermehrten Tinnitus angegeben; Dr. W. habe den Kläger außerdem im April 2014 wegen verstärkter Ohrgeräusche erneut behandelt. Damit habe bereits vor dem Arbeitsunfallereignis eine Tinnitussymptomatik vorgelegen. Weiter erfordere ein traumatischer Tinnitus den Nachweis anderer objektivierbarer Störungen des Innenohrs. Solche seien indes nicht nachzuweisen. Denn die vestibuläre Gleichgewichtsdiagnostik habe einen Normalbefund ergeben; das Hörvermögen des Klägers sei nicht altersübersteigernd gemindert. Auf seinem Fachgebiet lägen mithin keine Unfallfolgen vor. Das Unfallereignis habe auch nicht zu einer Verschlimmerung vorbestehender Gesundheitsstörungen geführt.
12 
Prof. Dr. Sch. legte zusammenfassend dar, er habe keine Bewegungseinschränkung der Wirbelsäule und keine neurologische Defizite objektiviert. Beschwerden bestünden allein bei endgradigen Rotations- und Inklinationsbewegungen. Unmittelbare Unfallfolgen seien eine HWS-Distorsion Grad I und eine Prellung der Lendenwirbelsäule. Beide Gesundheitsstörungen heilten nach ärztlichen Erfahrungen innerhalb von vier bis sechs Wochen folgenlos aus. Symptome wie überdauernder Schwindel, Tinnitus und Schlaf- oder Konzentrationsstörungen seien für eine HWS-Distorsion Grad I untypisch. Unfallbedingte Arbeitsunfähigkeit auf seinem Fachgebiet habe für etwa eine Woche vorgelegen, Behandlungsbedürftigkeit bis allenfalls sechs Wochen nach dem Unfallereignis. Darauf gestützt wies die Beklagte den Widerspruch zurück (Widerspruchsbescheid vom 26.09.2016).
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Deswegen hat der Kläger am 26.10.2016 Klage zum Sozialgericht Karlsruhe erhoben, mit der er unter Wiederholung seines Widerspruchsvorbringens sein Begehren weiterverfolgt.
14 
Mit Schriftsatz vom 19.01.2017 hat der Kläger beantragt, gemäß § 109 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) auf sein Kostenrisiko ein medizinisches Sachverständigengutachten bei Prof. Dr. P., K-Stadt, einzuholen. Mit Verfügung vom 23.01.2017 hat die Kammer dem Kläger über seine Prozessbevollmächtigten die Auflagen erteilt, bis zum 17.02.2017 einen näher bezeichneten Kostenvorschuss einzuzahlen, eine von ihm unterschriebene Kostenverpflichtungserklärung zurückzusenden und durch geeignete Unterlagen die Bereitschaft der als Sachverständige benannten Ärztin nachzuweisen, das Gutachten innerhalb von drei Monaten nach Erteilung des Gutachtenauftrags zu erstellen und vorzulegen. Innerhalb der Frist hat der Kläger zwar den Kostenvorschuss einbezahlt und die Kostenverpflichtungserklärung vorgelegt, nicht jedoch die Bereitschaftsanzeige von Prof. Dr. P..
15 
Der Kläger beantragt,
16 
den Bescheid vom 22. September 2015 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 26. September 2016 abzuändern und die Beklagte zu verurteilen, „Distorsion der Hals- und Lendenwirbelsäule mit Schwindelattacken, chronischer Tinnitus mit psychovegetativen Begleiterscheinungen, Somatisierungsstörungen, Reaktionen auf schwere Belastungen und Anpassungsstörungen sowie Ein- und Durchschlafstörungen“ als weitere Folgen des Arbeitsunfalls vom 17. September 2014, außerdem unfallbedingte Behandlungsbedürftigkeit über den 09. November 2014 hinaus anzuerkennen und ihm wegen der Unfallfolgen Verletztenrente nach einer MdE um wenigstens 20 v.H. der Vollrente zu gewähren,
17 
hilfsweise gemäß § 109 SGG bei Prof. Dr. P., K-Stadt, ein medizinisches Sachverständigengutachten einzuholen.
18 
Die Beklagte beantragt,
19 
die Klage abzuweisen.
20 
Sie erachtet die angefochtenen Bescheide für zutreffend.
21 
Zur weiteren Darstellung des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf den Inhalt der vorliegenden Verwaltungsakten der Beklagten sowie den der Prozessakte Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

 
22 
Die Klage ist als kombinierte Anfechtungs-, Verpflichtungs- und Leistungsklage (§ 54 Abs. 1 S. 1 i.V.m. Abs. 4 und § 56 SGG zulässig (zum Wahlrecht eines Unfallversicherten, den Anspruch auf Anerkennung von Gesundheitsstörungen als Folge eines Arbeitsunfalls im Wege einer kombinierten Anfechtungs- und Verpflichtungsklage oder einer Kombination aus Anfechtungs- und Feststellungsklage zu verfolgen: BSG SozR 4-2700 § 11 Nr. 1, Rdnr. 12 m.W. N.) zulässig, aber unbegründet. Die angefochtenen Bescheide sind rechtmäßig und verletzen den Kläger nicht in seinen Rechten (§ 54 Abs. 2 S. 1 SGG). Weder sind weitere Gesundheitsstörungen als Folge des streitgegenständlichen Arbeitsunfallereignisses anzuerkennen (dazu nachfolgend unter 3.) noch war der Kläger über den 09.11.2014 hinaus unfallbedingt arbeitsunfähig und/oder behandlungsbedürftig (dazu nachfolgend unter 4.). Er hat wegen der Folgen des Arbeitsunfalls auch keinen Anspruch auf Verletztenrente (dazu nachfolgend unter 5).
23 
1. Dass der Kläger am 17.09.2014 auf einem sogenannten Betriebsweg (vgl. hierzu BSG vom 05.07.2016 - B 2 U 5/15 R -, Rdnr. 20 m.W. N. und Wagner in jurisPK-SGB VII, Stand 30.06.2016, § 8, Rdnr. 78 m.W. N.) bei seiner versicherten Tätigkeit als Kundenberater (§ 2 Abs. 1 Nr. 1 des Sozialgesetzbuchs - Gesetzliche Unfallversicherung -) einen Arbeitsunfall (§ 8 Abs. 1 i.V.m. § 7 Abs. 1 SGB VII) erlitten hat, hat die Beklagte durch den streitgegenständlichen Bescheid vom 22.09.2015 ausdrücklich anerkannt. Dies ist zwischen den Beteiligten deshalb zu Recht nicht umstritten.
24 
2. Nach § 26 Abs. 1 S. 1 SGB VII haben Versicherte nach Maßgabe der folgenden Vorschriften des SGB VII und unter Beachtung des Neunten Buches Sozialgesetzbuch Anspruch auf Heilbehandlung, einschließlich Leistungen zur medizinischen Rehabilitation (§ 27 ff SGB VII) sowie auf Geldleistungen u.a. in Form von Verletztenrente (§ 56 SGB VII). Die Gewährung von Verletztenrente setzt voraus, dass die Erwerbsfähigkeit eines Versicherten infolge eines Versicherungsfalls über die 26. Woche nach dem Versicherungsfall hinaus um wenigstens 20 v.H. gemindert ist (§ 56 Abs. 1 S. 1 SGB VII).
25 
a) Dies setzt voraus, dass Schäden, die zu einer Erwerbsminderung geführt haben, „infolge“ Versicherungsfalls entstanden sind. Als Folge eines Arbeitsunfalls sind Gesundheitsstörungen deshalb (nur) zu berücksichtigen, wenn das Unfallereignis und das Vorliegen der konkreten Beeinträchtigung bzw. Gesundheitsstörung jeweils bewiesen und die Beeinträchtigung mit Wahrscheinlichkeit auf das Unfallereignis zurück zu führen ist. Für die Gewährung von Leistungen aus der gesetzlichen Unfallversicherung ist mithin ein ursächlicher Zusammenhang zwischen der versicherten Tätigkeit und dem Unfall (Unfallkausalität), zwischen dem Unfallereignis und einem Gesundheitserstschaden oder dem Tod des Versicherten (haftungsbegründende Kausalität) und ggf. länger anhaltenden Unfallfolgen aufgrund des Gesundheitserstschadens (haftungsausfüllende Kausalität) erforderlich. Dabei müssen die versicherte Tätigkeit, die Schädigung und die eingetretene Gesundheitsstörung mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit nachgewiesen sein (vgl. hierzu u.a. BSGE 45, 1, 9; 58, 80, 83 und 60, 58 ff.), während für den ursächlichen Zusammenhang als Voraussetzung der Entschädigungspflicht grundsätzlich die hinreichende Wahrscheinlichkeit, nicht aber die bloße Möglichkeit ausreicht (vgl. u.a. BSGE 60, 58 ff.; BSG SozR 3-5670 Anlage 1 Nr. 2108 Nr. 2 m.w.N.; BSG SozR 4-5671 Anlage 1 Nr. 4104 Nr. 2 und BSG SozR 4-2700 § 9 Nr. 9). „Hinreichend wahrscheinlich“ bedeutet, dass bei Abwägung aller Umstände des Einzelfalls mehr für als gegen den ursächlichen Zusammenhang spricht, d.h. dass den für den ursächlichen Zusammenhang sprechenden Gründen ein deutliches Übergewicht zukommt (vgl. BSGE 45, 285, 286 und BSG SozR 1300 § 45 Nr. 49).
26 
Ist ein Arbeitsunfall nicht nachgewiesen oder lässt sich der ursächliche Zusammenhang zwischen diesem und den geltend gemachten Gesundheitsstörungen nicht wahrscheinlich machen, geht dies nach dem in sozialgerichtlichen Verfahren geltenden Grundsatz der objektiven Beweislast zu Lasten des Versicherten (vgl. u.a. BSGE 6, 70, 72; 83, 279, 281; 96, 238, 245 und SozR 3-2200 § 548 Nrn. 11 und 14).
27 
b) Der Ursachenzusammenhang im Bereich der gesetzlichen Unfallversicherung beurteilt sich nach der im Sozialrecht geltenden Theorie der wesentlichen Bedingung (vgl. hierzu BSGE 1, 72, 76 und 1, 150, 156f; seither st. Rspr.). Diese Theorie beruht ebenso wie die im Zivilrecht geltende Adäquanztheorie (vgl. hierzu Grüneberg in Palandt, BGB, 76. Auflage 2017, Vorb. v. § 249, Rdnrn. 26 und 68 ff m.w.N. sowie zu den Unterschieden BSGE 63, 277, 280) auf der naturwissenschaftlich-philosophischen Bedingungstheorie als Ausgangsbasis. Nach dieser ist jedes Ereignis Ursache eines Erfolges, das nicht hinweg gedacht werden kann, ohne dass der konkrete Erfolg entfiele (conditio-sine-qua-non). Aufgrund der Unbegrenztheit der naturwissenschaftlich-philosophischen Ursachen für einen Erfolg ist für die praktische Rechtsanwendung im Sozialversicherungsrecht deshalb in einer zweiten Prüfungsstufe die Unterscheidung zwischen solchen Ursachen notwendig, die rechtlich für den Erfolg verantwortlich gemacht werden bzw. denen der Erfolg zugerechnet wird, und den anderen, für den Erfolg rechtlich unerheblichen Ursachen. Welche Ursache wesentlich ist und welche nicht, muss aus der Auffassung des praktischen Lebens über die besondere Beziehung der Ursache zum Eintritt des Erfolgs bzw. Gesundheitsschadens abgeleitet werden (vgl. BSGE 1, 72, 76).
28 
Für die wertende Entscheidung über die Wesentlichkeit einer Ursache hat die Rechtsprechung Grundsätze herausgearbeitet, die das BSG in zwei Entscheidungen vom 09.05.2006 (B 2 U 1/05 R <= SozR 4-2700 § 8 Nr. 17> und B 2 U 26/04 R<= UV-Recht Aktuell 2006, 497ff>) zusammenfassend wie folgt dargestellt hat:
29 
Für eine Gesundheitsstörung kann es mehrere rechtlich wesentliche Mitursachen geben. Sozialrechtlich ist allein relevant, ob das Unfallereignis wesentlich war. Ob eine konkurrierende Ursache es war, ist unerheblich. „Wesentlich“ ist dabei nicht gleichzusetzen mit „gleichwertig“ oder „annähernd gleichwertig“. Die Wertung zweier Mitursachen und damit des Arbeitsunfalls als rechtlich wesentlich neben z.B. einem anlagebedingten psychischen Vorschaden setzt deshalb nicht notwendig ein Verhältnis 50:50 voraus. Auch wenn der Arbeitsunfall eine nicht annähernd gleichwertige, sondern rechnerisch verhältnismäßig niedriger zu bewertende Ursache der körperlichen oder psychischen Erkrankung des Versicherten darstellt, kann er dennoch für diesen „Erfolg“ rechtlich wesentlich sein, solange die andere(n) Ursache(n) keine überragende Bedeutung hat (haben) (vgl. BSG SozR Nr. 69 zu § 542 a.F. RVO und BSG SozR Nr. 6 zu § 589 RVO; ferner Schönberger/Mehrtens/Valentin, Arbeitsunfall und Berufskrankheit, 9. Aufl. 2017, Seite 27 sowie Krasney in Brackmann, Handbuch der Sozialversicherung, Bd. 3, Gesetzliche Unfallversicherung, Stand Januar 2006, § 8 Rdnr. 314). Daher ist es auch zulässig, eine - rein naturwissenschaftlich betrachtet - nicht gleichwertige, d.h. prozentual also verhältnismäßig niedrig zu bewertende Ursache, rechtlich als „wesentlich“ anzusehen, weil gerade und nur durch ihr Hinzutreten zu der anderen wesentlichen Ursache „der Erfolg“ eintreten konnte. Ist jedoch eine Ursache oder sind mehrere Ursachen gemeinsam gegenüber einer anderen von überragender Bedeutung, so ist oder sind nur die erstgenannte(n) Ursache(n) "wesentlich" und damit Ursache(n) im Sinne des Sozialrechts (vgl. BSGE 12, 242, 245 und BSG SozR Nr. 6 zu § 589 RVO). Die naturwissenschaftliche Ursache, die nicht „wesentlich“ und damit keine Ursache i.S.d. der Theorie der wesentlichen Bedingung ist, kann als „Gelegenheitsursache“ oder „Auslöser“ bezeichnet werden (vgl. u.a. BSGE 62, 220, 222 f; BSG SozR 2200 § 548 Nr. 75; BSG SozR 4-2700 § 8 Nr. 15 und BSG, UV-Recht Aktuell 2007, 860 ff).
30 
3. Orientiert an diesen Rechtsgrundlagen und Beurteilungsmaßstäben sind die angefochtenen Bescheide nicht zu beanstanden.
31 
3.1. Die Beklagte hat es zu Recht abgelehnt, weitere Gesundheitsstörungen als Folge des Arbeitsunfalls vom 17.09.2014 anzuerkennen. Für diese Überzeugung stützt sich die Kammer auf die wohlbegründeten, kompetenten und widerspruchsfreien Darlegungen der Dres. Z. und C. und des Prof. Dr. Sch., deren Gutachten sie im Wege des Urkundenbeweises (vgl. BSG vom 08.12.1988 - 2/9b RU 66/87 -, Rdnr. 17 und LSG Baden-Württemberg vom 25.08.2016 - L 6 VG 3508/12, Rdnr. 61 ) verwertet, hinsichtlich der erhobenen Befunde auf HNO-fachärztlichem Gebiet ferner auf das ebenfalls urkundenbeweislich verwertete Gutachten von Dr. G. und das Attest des Allgemeinmediziners Dr. W. vom 15.12.2015.
32 
a) Auf orthopädischem Fachgebiet hat das Unfallereignis mit Dr. C. und Prof. Dr. Sch., deren - im Ergebnis - übereinstimmenden Darlegungen sich die Kammer nach eigener kritischer Würdigung anschließt, eine folgenlos ausgeheilte Distorsion der Halswirbelsäule I. Grades und eine allenfalls leichte Prellung der Lendenwirbelsäule bewirkt. Dies belegen bereits die von Dr. H. am Unfallfolgetag erhobenen Befunde im Sinne eines Muskelhartspanns, von Kopfschmerzen, einer schmerzhaften Beweglichkeit der Halswirbelsäule und von Schmerzen im Lendenwirbelsäulen- und Beckenbereich. Die an diesem Tag erhobenen Röntgenbefunde ergaben keinen Hinweis auf strukturelle Unfallschäden, insbesondere keine Frakturzeichen oder Instabilitäten. Eine unfallbedingte Dissektion (= Verletzung) der Halsgefäße hat Dr. R. bei der Untersuchung am 08.12.2014 ebenfalls ausgeschlossen. Auch das Kernspintomogramm des Neurocraniums war unauffällig und ohne Hinweis auf einen raumfordernden, entzündlichen oder ischämischen Prozess oder sonstige krankhafte Veränderungen, wie sich aus dem Arztbrief des Radiologen Dr. F. vom 19.01.2015 ergibt. Überdauernde Funktionseinschränkungen der Hals-, Brust- oder Lendenwirbelsäule haben oder substantielle Wirbelsäulenschäden Dr. C. und Prof. Dr Sch. nicht objektiviert. Vielmehr lagen die von ihnen erhobenen Bewegungsausmaße in allen Wirbelsäulenabschnitten innerhalb der physiologischen Normwerte und bestanden auch keine neurologischen Defizite der oberen und/oder unteren Extremitäten. Mit Dr. C. und Prof. Dr. Sch., deren übereinstimmenden Darlegungen sich die Kammer auch insoweit anschließt, waren die HWS-Distorsion und die Prellung der Lendenwirbelsäule nach allgemeinen ärztlichen Erfahrungen nach vier bis längstens sechs Wochen folgenlos ausgeheilt.
33 
b) Gesundheitsstörungen auf HNO-fachärztlichem Gebiet in Form eines chronischen Tinnitus links mit psychovegetativen Begleiterscheinungen (Somatisierungsstörungen, Belastungsreaktion, Anpassungsstörungen sowie Ein- und Durchschlafstörungen) sind ebenfalls nicht als weitere Unfallfolgen anzuerkennen. Denn der Tinnitus ist nicht mit Wahrscheinlichkeit ursächlich auf das Ereignis vom 17.09.2014 zurückzuführen. Insoweit fehlt es bereits am Nachweis eines unfallbedingten Gesundheitserstschadens. Mit Dr. C. und Prof. Dr. Sch. hat der Kläger - wie oben unter 3.1. a) bereits ausgeführt, unfallbedingt eine HWS-Distorsion Grad I erlitten. Diese Gesundheitsstörung geht nach den auch insoweit überzeugenden Darlegungen des Prof. Dr. Sch. anfangs zwar mit Schmerzen der Halsmuskulatur und gegebenenfalls begleitenden Bewegungseinschränkungen einher, wobei zumeist ein symptomfreies Intervall auftritt (vgl. Schönberger/Mehrtens/Valentin, Arbeitsunfall und Berufskrankheit, 9. Aufl. 2017, S. 480 ff). Symptome wie persistierender Schwindel, Tinnitus, Schlaf- oder Konzentrationsstörungen sind hierfür indes mit Prof. Dr. Sch. untypisch.
34 
Gegen die Wahrscheinlichkeit eines unfallbedingten Tinnitus und daraus resultierenden unfallbedingten psychovegetativen Begleitschäden spricht mit Dr. Z. außerdem der Umstand, dass der Kläger bereits zeitlich deutlich vor dem Unfallereignis am 17.09.2014, nämlich schon im November 2011, bei Dr. W. u.a. wegen Schwindelerscheinungen und im Juni 2013 und erneut im April 2014 auch wegen Tinnitusbeschwerden in Behandlung stand. Als Ursache der Tinnitusbeschwerden gab der Kläger Dr. W. gegenüber seinerzeit „Stress“ an, wie sich aus dessen Attest vom 15.12.2015 ergibt. Diese Umstände belegen, dass die Tinnitus-Symptomatik mit Schwindelerscheinungen schon vor dem streitgegenständlichen Arbeitsunfall bestand.
35 
Überdies setzt ein traumatischer Tinnitus nach medizinisch-wissenschaftlichen Erkenntnissen mit Dr. Z. voraus, dass gleichzeitig andere unfallbedingte Störungen des Innenohrs (Hörminderung, Schwindel) objektivierbar sind (vgl. hierzu u.a. LSG Baden-Württemberg vom 28.01.2011 - L 8 U 1205/10 -, Rdnr. 27, LSG Berlin-Brandenburg vom 09.01.2014 - L 3 U 57/11 -, Rdnr. 29 f. und LSG Schleswig-Holstein vom 14.04.2015 - L 1 U 168/03 -, Rdnr. 33 f. ; ferner Feldmann/Brusis, Das Gutachten des Hals-Nasen-Ohrenarztes, 7. Aufl. 2012, S. 361, 364 und 370). Dies entspricht auch den Erfahrungen des erkennenden Gerichts aus vergleichbaren Unfallversicherungsrechtstreitigkeiten (vgl. zuletzt Urteil vom 24.02.2017 - S 1 U 175/15 - ). Bei der Untersuchung durch die HNO-Ärztin Dr. M. am 14.10.2014, mithin zeitnah nach dem Unfallereignis, war der Befund an beiden Ohren indes normal („o.B.“). Auch die Dres. G. und Z. konnten bei ihren Untersuchungen und Begutachtungen des Klägers keine unfallbedingte Schädigung des Innenohrs objektivieren: Weder fand sich eine Hörminderung, die das altersphysiologische Ausmaß überschreitet, noch ergab die Gleichgewichtsdiagnostik einen krankhaften Befund. Insbesondere die von beiden Ärzten durchgeführten ton- und sprachaudiometrischen Untersuchungen des Hörvermögens erbrachten keinen messbaren Hörverlust.
36 
Typisch für ein traumatisches Tinnitusleiden ist außerdem dessen Ansiedlung im tief- bis mittelfrequenten Bereich (vgl. hierzu LSG Schleswig-Holstein vom 14.04.2005 - L 1 U 168/03 -, Rdnr. 33 und Urteil des erkennenden Gerichts vom 19.10.2015 - S 1 U 3219/14 - ). Das linksseitige Ohrgeräusch des Klägers ist indes nach den übereinstimmenden Darlegungen der Dres. G. und Z. bei 4 kHz, mithin im Hochtonbereich, zu lokalisieren.
37 
Weiter entspricht es medizinisch-wissenschaftlichem Erkenntnisstand, dass zwar nach einer - hier nicht nachgewiesenen - commotio labyrinthi ein Innenohrschaden im Sinne einer Hochtonsenke mit Begleittinnitus auftreten kann. Auch in diesem Fall ist jedoch ein alleiniger Tinnitus ohne gleichzeitigen Hörverlust nicht erklärbar. Letzteres gilt erst recht bei einem HWS-Beschleunigungstrauma, weil keine neuroanatomischen Verbindungen zwischen der Halswirbelsäule, insbesondere den Kapseln der Kopfgelenke, und den Cochleariskernen existieren bzw. nur schwer nachzuweisen sind (vgl. Feldmann/Brusis, a.a.O., S. 370 m.W. N.).
38 
Soweit Dr. G. gleichwohl das Unfallereignis mit Wahrscheinlichkeit als Ursache oder zumindest als Teilursache des Tinnitusleidens des Klägers erachtet, folgt ihm das erkennende Gericht aus den vorgenannten Gründen nicht. Ein - angesichts der Vorbehandlungen bei Dr. W. ohnedies nicht gegebener - rein zeitlicher Zusammenhang zwischen einem versicherten Unfallereignis und dem Auftreten von Gesundheitsstörungen reicht nämlich nicht aus, die Wahrscheinlichkeit eines ursächlichen Zusammenhangs im Rechtssinn zu begründen (vgl. BSG vom 17.12.2015 - B 2 U 8/14 R - Rdnr. 20 und - im Ergebnis - BSG vom 24.07.2012 - B 2 U 9/11 R -, Rdnr. 53; ferner Sächs. LSG vom 13.08.2014 - L 6 U 142/11 -, Rdnr. 41 und Bay. LSG vom 11.11.2014 - L 2 U 398/13 -, Rdnr. 54 ).
39 
Das Unfallereignis vom 17.09.2014 hat auch nicht zu einer Verschlimmerung des vorbestehenden Tinnitus geführt, weil eine unfallbedingte Verschlimmerung ebenfalls mit einer nachweisbaren akuten Hörminderung hätte einhergehen müssen, wie Dr. Z. auch insoweit zutreffend dargelegt hat. Eine unfallbedingte Hörminderung ist indes weder durch die Arztbriefe und Berichte der HNO-Ärztin Dr. M. noch durch die von den Dres. G. und Z. erhobenen Befunde und Krankheitsäußerungen belegt. Im Übrigen ließe sich eine Verschlimmerung eines vorbestehenden Tinnitus audiometrisch auch nicht messen (vgl. Feldmann/Brusis, a.a.O., S. 371).
40 
c) Die vom Kläger geltend gemachten psychischen Begleiterscheinungen sind auch im Übrigen nicht mit Wahrscheinlichkeit Folge des Arbeitsunfallereignisses vom 17.09.2014. Denn dieses war zur Überzeugung der Kammer schon dem Grunde nach nicht geeignet, entsprechende Gesundheitsstörungen zu bewirken. Dagegen sprechen bereits die eigenen Angaben des Klägers gegenüber Dr. Z.: Danach war das Unfallereignis „eigentlich kein schwerer Unfall“ gewesen. Auch das situationsgerechte Verhalten des Klägers an der Unfallstelle (Aussteigen aus dem Pkw, um mit dem Unfallverursacher „das Ganze“ zu regeln) und das Aufsuchen eines weiteren Kunden nach Beendigung der Unfallformalitäten spricht sehr deutlich gegen ein gravierendes traumatisches Ereignis. Eine posttraumatische Belastungsstörung hat - entgegen dem Attest des Psychologischen Psychotherapeuten S. vom 23.09.2015 - zu keinem Zeitpunkt vorgelegen, weil Art und Ausmaß des Unfallereignisses nicht das Traumakriterium im Sinne der ICD 10, des DSM-4 oder DSM-5 (belastendes Ereignis oder eine Situation kürzerer oder längerer Dauer mit außergewöhnlicher Bedrohung oder katastrophenartigem Ausmaß, die bei fast jedem eine tiefe Verzweiflung hervorrufen würde) erfüllten. Überdies waren die neurologischen, neuropsychologischen und psychischen Untersuchungsbefunde bei der Untersuchung des Klägers durch Dr. R. am 08.12.2014, und damit zeitnah nach dem Unfallereignis, nahezu unauffällig. Der von Dr. R. damals geäußerte „Verdacht auf Belastungsreaktion“ stellt keinen Nachweis einer solchen Gesundheitsstörung dar und begründet insbesondere nicht die Wahrscheinlichkeit eines ursächlichen Zusammenhangs mit dem Unfallereignis.
41 
Vor diesem Hintergrund hat es die Beklagte zu Recht abgelehnt, weitere Gesundheitsstörungen als Unfallfolgen anzuerkennen.
42 
3.2. Mit Dr. C. und Prof. Dr. Sch. ist die Kammer weiter davon überzeugt, dass unfallbedingte Behandlungsbedürftigkeit und Arbeitsunfähigkeit längstens bis zum 09.11.2014 vorgelegen haben. Denn eine HWS-Distorsion I. Grades heilt nach allgemeinen medizinischen Erkenntnissen innerhalb einer Zeitspanne von vier bis längstens sechs Wochen folgenlos aus, wie Prof. Dr. Sch. zutreffend dargelegt hat (vgl. auch Schönberger/Mehrtens/Valentin, a.a.O., S. 489). Auf HNO-fachärztlichem Gebiet hat mangels Nachweises unfallbedingter Gesundheitsstörungen zu keinem Zeitpunkt eine Behandlungsbedürftigkeit bestanden, wie Dr. Z. auch insoweit zutreffend ausgeführt hat.
43 
3.3. Schließlich steht dem Kläger auch kein Anspruch auf Verletztenrente aus Mitteln der gesetzlichen Unfallversicherung zu. Denn abgeheilte Unfallfolgen verursachen ersichtlich keine messbare MdE. Dies bedarf keiner weiteren Begründung.
44 
4. Aus eben diesen Gründen sind die angefochtenen Bescheide rechtmäßig und musste das Begehren des Klägers erfolglos bleiben.
45 
5. Dem Hilfsantrag auf Einholung eines medizinischen Sachverständigengutachtens gemäß § 109 SGG bei der HNO-Ärztin Prof. Dr. P., K-Stadt, war nicht stattzugeben. Denn der Kläger hat die ihm mit Verfügung des Gerichts vom 23.01.2017 erteilten Auflagen innerhalb der ihm hierzu eingeräumten Frist bis zum 17.02.2017 nicht vollständig erfüllt.
46 
Ungeschriebene Voraussetzung jeder Bestellung zum gerichtlichen Sachverständigen ist dessen Eignung für die Erstattung des Gutachtens. Diese Eignung fehlt, wenn der als Sachverständige benannte Arzt - aus welchen Gründen auch immer - nicht bereit und/oder nicht in der Lage ist, das Gutachten innerhalb einer angemessenen Frist, die die Kammer mit drei Monaten ab Erteilung des Gutachtensauftrags für ausreichend erachtet, zu erstatten und dem Gericht vorzulegen. Dies vor Benennung eines Arztes als gerichtlichen Sachverständigen nach § 109 SGG zu klären, ist Aufgabe des Antragstellers - hier: des Klägers (so im Ergebnis SG Karlsruhe vom 20.05.2014 - S 1 SB 2343/14 -, Rn. 33 und vom 12.01.2015 - S 4 U 1362/14 -, Rn. 40 f. ). Zu beachten ist weiter die Verpflichtung des Gerichts, den Rechtsstreit zügig zur Entscheidungsreife zu führen und eine Sachentscheidung zu treffen (Art. 6 Abs. 1 S. 1 der Europäischen Menschenrechtskonvention und § 198 des Gerichtsverfassungsgesetzes). Es hat deshalb u. a. vor der mündlichen Verhandlung alle Maßnahmen zu treffen, die notwendig sind, um den Rechtsstreit möglichst in einer mündlichen Verhandlung zu erledigen (§ 106 Abs. 2 SGG). Überdies hat das Gericht auch bei Gutachten nach § 109 SGG auf eine zügige Gutachtenserstattung hinzuwirken (vgl. EuGH vom 25.03.2010 - 901/05 - und Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 11. Aufl. 2014, § 109, Rn. 19 m.W. N.). Aus diesen Gründen erachtet es die Kammer für erforderlich, im Fall eines Antrags gemäß § 109 Abs. 1 SGG vor Erteilung des Gutachtensauftrags dem Antragsteller die Beibringung eines Nachweises über die Bereitschaft des als Sachverständigen benannten Arztes aufzugeben, das Gutachten innerhalb einer Frist von drei Monaten ab Erteilung des Gutachtensauftrags zu erstellen und dem Gericht vorzulegen (vgl. auch LSG Baden-Württemberg vom 21.11.2014 - L 4 R 4797/13 -, Rn. 35 ), und zwar unabhängig davon, ob der als Sachverständige benannte Arzt in der Vergangenheit ihm zur Gutachtenserstellung gesetzte Fristen (§ 118 Abs. 1 S. 1 SGG i.V.m. § 411 Abs. 1 der Zivilprozessordnung) eingehalten oder überschritten hat. Die Befugnis hierzu entnimmt das Gericht auch § 106 Abs. 3 SGG, dessen Regelungsinhalt nicht abschließend ist, wie sich aus der Verwendung des Wortes „ … insbesondere …“ ergibt (vgl. Urteile des erkennenden Gerichts vom 23.03.2017 - S 1 SB 2687/16 -, Rn. 40 und vom 20.04.2017 - S 1 U 2039/16 -).
47 
Vorliegend hat der sachkundig vertretene Kläger innerhalb der ihm hierzu eingeräumten Frist keinen Nachweis vorgelegt, dass Prof. Dr. P. bereit und in der Lage ist, das Gutachten innerhalb von drei Monaten nach Erteilung des Gutachtensauftrags zu erstellen und dem Gericht zu übermitteln. Er hat damit die für eine ordnungsgemäße Prozessführung erforderliche Sorgfalt im Zusammenhang mit dem Antrag nach § 109 SGG außer Acht gelassen, was eine grobe Nachlässigkeit darstellt und zur Ablehnung des hilfsweise aufrecht erhaltenen Beweisantrags führt (§ 109 Abs. 2 SGG). Denn ihm war seit der Verfügung vom 23.01.2017 bekannt, dass für das beantragte Gutachten nach § 109 SGG - auch - die Bestätigung der benannten Sachverständigen erforderlich war, das Gutachten binnen einer Frist von drei Monaten nach Zugang des Gutachtensauftrags zu erstellen und vorzulegen. Außerdem hatte ihn das Gericht - zudem durch Fettdruck textlich noch hervorgehoben - ausdrücklich darauf hingewiesen, dass es das Gutachten nicht in Auftrag gebe, wenn der Kläger die Auflagen nicht, nur teilweise oder nicht fristgerecht erfüllt. Wollte die Kammer dem Hilfsantrag gleichwohl stattgeben, hätte sie im Termin zur mündlichen Verhandlung am 20.04.2017 nicht in der Sache entscheiden können, vielmehr den Rechtsstreit vertagen und zunächst das Gutachten einholen müssen. Dadurch hätte sich die Erledigung des Rechtsstreits deutlich verzögert.
48 
6. Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 183, 193 Absätze 1 und 4 SGG.

Gründe

 
22 
Die Klage ist als kombinierte Anfechtungs-, Verpflichtungs- und Leistungsklage (§ 54 Abs. 1 S. 1 i.V.m. Abs. 4 und § 56 SGG zulässig (zum Wahlrecht eines Unfallversicherten, den Anspruch auf Anerkennung von Gesundheitsstörungen als Folge eines Arbeitsunfalls im Wege einer kombinierten Anfechtungs- und Verpflichtungsklage oder einer Kombination aus Anfechtungs- und Feststellungsklage zu verfolgen: BSG SozR 4-2700 § 11 Nr. 1, Rdnr. 12 m.W. N.) zulässig, aber unbegründet. Die angefochtenen Bescheide sind rechtmäßig und verletzen den Kläger nicht in seinen Rechten (§ 54 Abs. 2 S. 1 SGG). Weder sind weitere Gesundheitsstörungen als Folge des streitgegenständlichen Arbeitsunfallereignisses anzuerkennen (dazu nachfolgend unter 3.) noch war der Kläger über den 09.11.2014 hinaus unfallbedingt arbeitsunfähig und/oder behandlungsbedürftig (dazu nachfolgend unter 4.). Er hat wegen der Folgen des Arbeitsunfalls auch keinen Anspruch auf Verletztenrente (dazu nachfolgend unter 5).
23 
1. Dass der Kläger am 17.09.2014 auf einem sogenannten Betriebsweg (vgl. hierzu BSG vom 05.07.2016 - B 2 U 5/15 R -, Rdnr. 20 m.W. N. und Wagner in jurisPK-SGB VII, Stand 30.06.2016, § 8, Rdnr. 78 m.W. N.) bei seiner versicherten Tätigkeit als Kundenberater (§ 2 Abs. 1 Nr. 1 des Sozialgesetzbuchs - Gesetzliche Unfallversicherung -) einen Arbeitsunfall (§ 8 Abs. 1 i.V.m. § 7 Abs. 1 SGB VII) erlitten hat, hat die Beklagte durch den streitgegenständlichen Bescheid vom 22.09.2015 ausdrücklich anerkannt. Dies ist zwischen den Beteiligten deshalb zu Recht nicht umstritten.
24 
2. Nach § 26 Abs. 1 S. 1 SGB VII haben Versicherte nach Maßgabe der folgenden Vorschriften des SGB VII und unter Beachtung des Neunten Buches Sozialgesetzbuch Anspruch auf Heilbehandlung, einschließlich Leistungen zur medizinischen Rehabilitation (§ 27 ff SGB VII) sowie auf Geldleistungen u.a. in Form von Verletztenrente (§ 56 SGB VII). Die Gewährung von Verletztenrente setzt voraus, dass die Erwerbsfähigkeit eines Versicherten infolge eines Versicherungsfalls über die 26. Woche nach dem Versicherungsfall hinaus um wenigstens 20 v.H. gemindert ist (§ 56 Abs. 1 S. 1 SGB VII).
25 
a) Dies setzt voraus, dass Schäden, die zu einer Erwerbsminderung geführt haben, „infolge“ Versicherungsfalls entstanden sind. Als Folge eines Arbeitsunfalls sind Gesundheitsstörungen deshalb (nur) zu berücksichtigen, wenn das Unfallereignis und das Vorliegen der konkreten Beeinträchtigung bzw. Gesundheitsstörung jeweils bewiesen und die Beeinträchtigung mit Wahrscheinlichkeit auf das Unfallereignis zurück zu führen ist. Für die Gewährung von Leistungen aus der gesetzlichen Unfallversicherung ist mithin ein ursächlicher Zusammenhang zwischen der versicherten Tätigkeit und dem Unfall (Unfallkausalität), zwischen dem Unfallereignis und einem Gesundheitserstschaden oder dem Tod des Versicherten (haftungsbegründende Kausalität) und ggf. länger anhaltenden Unfallfolgen aufgrund des Gesundheitserstschadens (haftungsausfüllende Kausalität) erforderlich. Dabei müssen die versicherte Tätigkeit, die Schädigung und die eingetretene Gesundheitsstörung mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit nachgewiesen sein (vgl. hierzu u.a. BSGE 45, 1, 9; 58, 80, 83 und 60, 58 ff.), während für den ursächlichen Zusammenhang als Voraussetzung der Entschädigungspflicht grundsätzlich die hinreichende Wahrscheinlichkeit, nicht aber die bloße Möglichkeit ausreicht (vgl. u.a. BSGE 60, 58 ff.; BSG SozR 3-5670 Anlage 1 Nr. 2108 Nr. 2 m.w.N.; BSG SozR 4-5671 Anlage 1 Nr. 4104 Nr. 2 und BSG SozR 4-2700 § 9 Nr. 9). „Hinreichend wahrscheinlich“ bedeutet, dass bei Abwägung aller Umstände des Einzelfalls mehr für als gegen den ursächlichen Zusammenhang spricht, d.h. dass den für den ursächlichen Zusammenhang sprechenden Gründen ein deutliches Übergewicht zukommt (vgl. BSGE 45, 285, 286 und BSG SozR 1300 § 45 Nr. 49).
26 
Ist ein Arbeitsunfall nicht nachgewiesen oder lässt sich der ursächliche Zusammenhang zwischen diesem und den geltend gemachten Gesundheitsstörungen nicht wahrscheinlich machen, geht dies nach dem in sozialgerichtlichen Verfahren geltenden Grundsatz der objektiven Beweislast zu Lasten des Versicherten (vgl. u.a. BSGE 6, 70, 72; 83, 279, 281; 96, 238, 245 und SozR 3-2200 § 548 Nrn. 11 und 14).
27 
b) Der Ursachenzusammenhang im Bereich der gesetzlichen Unfallversicherung beurteilt sich nach der im Sozialrecht geltenden Theorie der wesentlichen Bedingung (vgl. hierzu BSGE 1, 72, 76 und 1, 150, 156f; seither st. Rspr.). Diese Theorie beruht ebenso wie die im Zivilrecht geltende Adäquanztheorie (vgl. hierzu Grüneberg in Palandt, BGB, 76. Auflage 2017, Vorb. v. § 249, Rdnrn. 26 und 68 ff m.w.N. sowie zu den Unterschieden BSGE 63, 277, 280) auf der naturwissenschaftlich-philosophischen Bedingungstheorie als Ausgangsbasis. Nach dieser ist jedes Ereignis Ursache eines Erfolges, das nicht hinweg gedacht werden kann, ohne dass der konkrete Erfolg entfiele (conditio-sine-qua-non). Aufgrund der Unbegrenztheit der naturwissenschaftlich-philosophischen Ursachen für einen Erfolg ist für die praktische Rechtsanwendung im Sozialversicherungsrecht deshalb in einer zweiten Prüfungsstufe die Unterscheidung zwischen solchen Ursachen notwendig, die rechtlich für den Erfolg verantwortlich gemacht werden bzw. denen der Erfolg zugerechnet wird, und den anderen, für den Erfolg rechtlich unerheblichen Ursachen. Welche Ursache wesentlich ist und welche nicht, muss aus der Auffassung des praktischen Lebens über die besondere Beziehung der Ursache zum Eintritt des Erfolgs bzw. Gesundheitsschadens abgeleitet werden (vgl. BSGE 1, 72, 76).
28 
Für die wertende Entscheidung über die Wesentlichkeit einer Ursache hat die Rechtsprechung Grundsätze herausgearbeitet, die das BSG in zwei Entscheidungen vom 09.05.2006 (B 2 U 1/05 R <= SozR 4-2700 § 8 Nr. 17> und B 2 U 26/04 R<= UV-Recht Aktuell 2006, 497ff>) zusammenfassend wie folgt dargestellt hat:
29 
Für eine Gesundheitsstörung kann es mehrere rechtlich wesentliche Mitursachen geben. Sozialrechtlich ist allein relevant, ob das Unfallereignis wesentlich war. Ob eine konkurrierende Ursache es war, ist unerheblich. „Wesentlich“ ist dabei nicht gleichzusetzen mit „gleichwertig“ oder „annähernd gleichwertig“. Die Wertung zweier Mitursachen und damit des Arbeitsunfalls als rechtlich wesentlich neben z.B. einem anlagebedingten psychischen Vorschaden setzt deshalb nicht notwendig ein Verhältnis 50:50 voraus. Auch wenn der Arbeitsunfall eine nicht annähernd gleichwertige, sondern rechnerisch verhältnismäßig niedriger zu bewertende Ursache der körperlichen oder psychischen Erkrankung des Versicherten darstellt, kann er dennoch für diesen „Erfolg“ rechtlich wesentlich sein, solange die andere(n) Ursache(n) keine überragende Bedeutung hat (haben) (vgl. BSG SozR Nr. 69 zu § 542 a.F. RVO und BSG SozR Nr. 6 zu § 589 RVO; ferner Schönberger/Mehrtens/Valentin, Arbeitsunfall und Berufskrankheit, 9. Aufl. 2017, Seite 27 sowie Krasney in Brackmann, Handbuch der Sozialversicherung, Bd. 3, Gesetzliche Unfallversicherung, Stand Januar 2006, § 8 Rdnr. 314). Daher ist es auch zulässig, eine - rein naturwissenschaftlich betrachtet - nicht gleichwertige, d.h. prozentual also verhältnismäßig niedrig zu bewertende Ursache, rechtlich als „wesentlich“ anzusehen, weil gerade und nur durch ihr Hinzutreten zu der anderen wesentlichen Ursache „der Erfolg“ eintreten konnte. Ist jedoch eine Ursache oder sind mehrere Ursachen gemeinsam gegenüber einer anderen von überragender Bedeutung, so ist oder sind nur die erstgenannte(n) Ursache(n) "wesentlich" und damit Ursache(n) im Sinne des Sozialrechts (vgl. BSGE 12, 242, 245 und BSG SozR Nr. 6 zu § 589 RVO). Die naturwissenschaftliche Ursache, die nicht „wesentlich“ und damit keine Ursache i.S.d. der Theorie der wesentlichen Bedingung ist, kann als „Gelegenheitsursache“ oder „Auslöser“ bezeichnet werden (vgl. u.a. BSGE 62, 220, 222 f; BSG SozR 2200 § 548 Nr. 75; BSG SozR 4-2700 § 8 Nr. 15 und BSG, UV-Recht Aktuell 2007, 860 ff).
30 
3. Orientiert an diesen Rechtsgrundlagen und Beurteilungsmaßstäben sind die angefochtenen Bescheide nicht zu beanstanden.
31 
3.1. Die Beklagte hat es zu Recht abgelehnt, weitere Gesundheitsstörungen als Folge des Arbeitsunfalls vom 17.09.2014 anzuerkennen. Für diese Überzeugung stützt sich die Kammer auf die wohlbegründeten, kompetenten und widerspruchsfreien Darlegungen der Dres. Z. und C. und des Prof. Dr. Sch., deren Gutachten sie im Wege des Urkundenbeweises (vgl. BSG vom 08.12.1988 - 2/9b RU 66/87 -, Rdnr. 17 und LSG Baden-Württemberg vom 25.08.2016 - L 6 VG 3508/12, Rdnr. 61 ) verwertet, hinsichtlich der erhobenen Befunde auf HNO-fachärztlichem Gebiet ferner auf das ebenfalls urkundenbeweislich verwertete Gutachten von Dr. G. und das Attest des Allgemeinmediziners Dr. W. vom 15.12.2015.
32 
a) Auf orthopädischem Fachgebiet hat das Unfallereignis mit Dr. C. und Prof. Dr. Sch., deren - im Ergebnis - übereinstimmenden Darlegungen sich die Kammer nach eigener kritischer Würdigung anschließt, eine folgenlos ausgeheilte Distorsion der Halswirbelsäule I. Grades und eine allenfalls leichte Prellung der Lendenwirbelsäule bewirkt. Dies belegen bereits die von Dr. H. am Unfallfolgetag erhobenen Befunde im Sinne eines Muskelhartspanns, von Kopfschmerzen, einer schmerzhaften Beweglichkeit der Halswirbelsäule und von Schmerzen im Lendenwirbelsäulen- und Beckenbereich. Die an diesem Tag erhobenen Röntgenbefunde ergaben keinen Hinweis auf strukturelle Unfallschäden, insbesondere keine Frakturzeichen oder Instabilitäten. Eine unfallbedingte Dissektion (= Verletzung) der Halsgefäße hat Dr. R. bei der Untersuchung am 08.12.2014 ebenfalls ausgeschlossen. Auch das Kernspintomogramm des Neurocraniums war unauffällig und ohne Hinweis auf einen raumfordernden, entzündlichen oder ischämischen Prozess oder sonstige krankhafte Veränderungen, wie sich aus dem Arztbrief des Radiologen Dr. F. vom 19.01.2015 ergibt. Überdauernde Funktionseinschränkungen der Hals-, Brust- oder Lendenwirbelsäule haben oder substantielle Wirbelsäulenschäden Dr. C. und Prof. Dr Sch. nicht objektiviert. Vielmehr lagen die von ihnen erhobenen Bewegungsausmaße in allen Wirbelsäulenabschnitten innerhalb der physiologischen Normwerte und bestanden auch keine neurologischen Defizite der oberen und/oder unteren Extremitäten. Mit Dr. C. und Prof. Dr. Sch., deren übereinstimmenden Darlegungen sich die Kammer auch insoweit anschließt, waren die HWS-Distorsion und die Prellung der Lendenwirbelsäule nach allgemeinen ärztlichen Erfahrungen nach vier bis längstens sechs Wochen folgenlos ausgeheilt.
33 
b) Gesundheitsstörungen auf HNO-fachärztlichem Gebiet in Form eines chronischen Tinnitus links mit psychovegetativen Begleiterscheinungen (Somatisierungsstörungen, Belastungsreaktion, Anpassungsstörungen sowie Ein- und Durchschlafstörungen) sind ebenfalls nicht als weitere Unfallfolgen anzuerkennen. Denn der Tinnitus ist nicht mit Wahrscheinlichkeit ursächlich auf das Ereignis vom 17.09.2014 zurückzuführen. Insoweit fehlt es bereits am Nachweis eines unfallbedingten Gesundheitserstschadens. Mit Dr. C. und Prof. Dr. Sch. hat der Kläger - wie oben unter 3.1. a) bereits ausgeführt, unfallbedingt eine HWS-Distorsion Grad I erlitten. Diese Gesundheitsstörung geht nach den auch insoweit überzeugenden Darlegungen des Prof. Dr. Sch. anfangs zwar mit Schmerzen der Halsmuskulatur und gegebenenfalls begleitenden Bewegungseinschränkungen einher, wobei zumeist ein symptomfreies Intervall auftritt (vgl. Schönberger/Mehrtens/Valentin, Arbeitsunfall und Berufskrankheit, 9. Aufl. 2017, S. 480 ff). Symptome wie persistierender Schwindel, Tinnitus, Schlaf- oder Konzentrationsstörungen sind hierfür indes mit Prof. Dr. Sch. untypisch.
34 
Gegen die Wahrscheinlichkeit eines unfallbedingten Tinnitus und daraus resultierenden unfallbedingten psychovegetativen Begleitschäden spricht mit Dr. Z. außerdem der Umstand, dass der Kläger bereits zeitlich deutlich vor dem Unfallereignis am 17.09.2014, nämlich schon im November 2011, bei Dr. W. u.a. wegen Schwindelerscheinungen und im Juni 2013 und erneut im April 2014 auch wegen Tinnitusbeschwerden in Behandlung stand. Als Ursache der Tinnitusbeschwerden gab der Kläger Dr. W. gegenüber seinerzeit „Stress“ an, wie sich aus dessen Attest vom 15.12.2015 ergibt. Diese Umstände belegen, dass die Tinnitus-Symptomatik mit Schwindelerscheinungen schon vor dem streitgegenständlichen Arbeitsunfall bestand.
35 
Überdies setzt ein traumatischer Tinnitus nach medizinisch-wissenschaftlichen Erkenntnissen mit Dr. Z. voraus, dass gleichzeitig andere unfallbedingte Störungen des Innenohrs (Hörminderung, Schwindel) objektivierbar sind (vgl. hierzu u.a. LSG Baden-Württemberg vom 28.01.2011 - L 8 U 1205/10 -, Rdnr. 27, LSG Berlin-Brandenburg vom 09.01.2014 - L 3 U 57/11 -, Rdnr. 29 f. und LSG Schleswig-Holstein vom 14.04.2015 - L 1 U 168/03 -, Rdnr. 33 f. ; ferner Feldmann/Brusis, Das Gutachten des Hals-Nasen-Ohrenarztes, 7. Aufl. 2012, S. 361, 364 und 370). Dies entspricht auch den Erfahrungen des erkennenden Gerichts aus vergleichbaren Unfallversicherungsrechtstreitigkeiten (vgl. zuletzt Urteil vom 24.02.2017 - S 1 U 175/15 - ). Bei der Untersuchung durch die HNO-Ärztin Dr. M. am 14.10.2014, mithin zeitnah nach dem Unfallereignis, war der Befund an beiden Ohren indes normal („o.B.“). Auch die Dres. G. und Z. konnten bei ihren Untersuchungen und Begutachtungen des Klägers keine unfallbedingte Schädigung des Innenohrs objektivieren: Weder fand sich eine Hörminderung, die das altersphysiologische Ausmaß überschreitet, noch ergab die Gleichgewichtsdiagnostik einen krankhaften Befund. Insbesondere die von beiden Ärzten durchgeführten ton- und sprachaudiometrischen Untersuchungen des Hörvermögens erbrachten keinen messbaren Hörverlust.
36 
Typisch für ein traumatisches Tinnitusleiden ist außerdem dessen Ansiedlung im tief- bis mittelfrequenten Bereich (vgl. hierzu LSG Schleswig-Holstein vom 14.04.2005 - L 1 U 168/03 -, Rdnr. 33 und Urteil des erkennenden Gerichts vom 19.10.2015 - S 1 U 3219/14 - ). Das linksseitige Ohrgeräusch des Klägers ist indes nach den übereinstimmenden Darlegungen der Dres. G. und Z. bei 4 kHz, mithin im Hochtonbereich, zu lokalisieren.
37 
Weiter entspricht es medizinisch-wissenschaftlichem Erkenntnisstand, dass zwar nach einer - hier nicht nachgewiesenen - commotio labyrinthi ein Innenohrschaden im Sinne einer Hochtonsenke mit Begleittinnitus auftreten kann. Auch in diesem Fall ist jedoch ein alleiniger Tinnitus ohne gleichzeitigen Hörverlust nicht erklärbar. Letzteres gilt erst recht bei einem HWS-Beschleunigungstrauma, weil keine neuroanatomischen Verbindungen zwischen der Halswirbelsäule, insbesondere den Kapseln der Kopfgelenke, und den Cochleariskernen existieren bzw. nur schwer nachzuweisen sind (vgl. Feldmann/Brusis, a.a.O., S. 370 m.W. N.).
38 
Soweit Dr. G. gleichwohl das Unfallereignis mit Wahrscheinlichkeit als Ursache oder zumindest als Teilursache des Tinnitusleidens des Klägers erachtet, folgt ihm das erkennende Gericht aus den vorgenannten Gründen nicht. Ein - angesichts der Vorbehandlungen bei Dr. W. ohnedies nicht gegebener - rein zeitlicher Zusammenhang zwischen einem versicherten Unfallereignis und dem Auftreten von Gesundheitsstörungen reicht nämlich nicht aus, die Wahrscheinlichkeit eines ursächlichen Zusammenhangs im Rechtssinn zu begründen (vgl. BSG vom 17.12.2015 - B 2 U 8/14 R - Rdnr. 20 und - im Ergebnis - BSG vom 24.07.2012 - B 2 U 9/11 R -, Rdnr. 53; ferner Sächs. LSG vom 13.08.2014 - L 6 U 142/11 -, Rdnr. 41 und Bay. LSG vom 11.11.2014 - L 2 U 398/13 -, Rdnr. 54 ).
39 
Das Unfallereignis vom 17.09.2014 hat auch nicht zu einer Verschlimmerung des vorbestehenden Tinnitus geführt, weil eine unfallbedingte Verschlimmerung ebenfalls mit einer nachweisbaren akuten Hörminderung hätte einhergehen müssen, wie Dr. Z. auch insoweit zutreffend dargelegt hat. Eine unfallbedingte Hörminderung ist indes weder durch die Arztbriefe und Berichte der HNO-Ärztin Dr. M. noch durch die von den Dres. G. und Z. erhobenen Befunde und Krankheitsäußerungen belegt. Im Übrigen ließe sich eine Verschlimmerung eines vorbestehenden Tinnitus audiometrisch auch nicht messen (vgl. Feldmann/Brusis, a.a.O., S. 371).
40 
c) Die vom Kläger geltend gemachten psychischen Begleiterscheinungen sind auch im Übrigen nicht mit Wahrscheinlichkeit Folge des Arbeitsunfallereignisses vom 17.09.2014. Denn dieses war zur Überzeugung der Kammer schon dem Grunde nach nicht geeignet, entsprechende Gesundheitsstörungen zu bewirken. Dagegen sprechen bereits die eigenen Angaben des Klägers gegenüber Dr. Z.: Danach war das Unfallereignis „eigentlich kein schwerer Unfall“ gewesen. Auch das situationsgerechte Verhalten des Klägers an der Unfallstelle (Aussteigen aus dem Pkw, um mit dem Unfallverursacher „das Ganze“ zu regeln) und das Aufsuchen eines weiteren Kunden nach Beendigung der Unfallformalitäten spricht sehr deutlich gegen ein gravierendes traumatisches Ereignis. Eine posttraumatische Belastungsstörung hat - entgegen dem Attest des Psychologischen Psychotherapeuten S. vom 23.09.2015 - zu keinem Zeitpunkt vorgelegen, weil Art und Ausmaß des Unfallereignisses nicht das Traumakriterium im Sinne der ICD 10, des DSM-4 oder DSM-5 (belastendes Ereignis oder eine Situation kürzerer oder längerer Dauer mit außergewöhnlicher Bedrohung oder katastrophenartigem Ausmaß, die bei fast jedem eine tiefe Verzweiflung hervorrufen würde) erfüllten. Überdies waren die neurologischen, neuropsychologischen und psychischen Untersuchungsbefunde bei der Untersuchung des Klägers durch Dr. R. am 08.12.2014, und damit zeitnah nach dem Unfallereignis, nahezu unauffällig. Der von Dr. R. damals geäußerte „Verdacht auf Belastungsreaktion“ stellt keinen Nachweis einer solchen Gesundheitsstörung dar und begründet insbesondere nicht die Wahrscheinlichkeit eines ursächlichen Zusammenhangs mit dem Unfallereignis.
41 
Vor diesem Hintergrund hat es die Beklagte zu Recht abgelehnt, weitere Gesundheitsstörungen als Unfallfolgen anzuerkennen.
42 
3.2. Mit Dr. C. und Prof. Dr. Sch. ist die Kammer weiter davon überzeugt, dass unfallbedingte Behandlungsbedürftigkeit und Arbeitsunfähigkeit längstens bis zum 09.11.2014 vorgelegen haben. Denn eine HWS-Distorsion I. Grades heilt nach allgemeinen medizinischen Erkenntnissen innerhalb einer Zeitspanne von vier bis längstens sechs Wochen folgenlos aus, wie Prof. Dr. Sch. zutreffend dargelegt hat (vgl. auch Schönberger/Mehrtens/Valentin, a.a.O., S. 489). Auf HNO-fachärztlichem Gebiet hat mangels Nachweises unfallbedingter Gesundheitsstörungen zu keinem Zeitpunkt eine Behandlungsbedürftigkeit bestanden, wie Dr. Z. auch insoweit zutreffend ausgeführt hat.
43 
3.3. Schließlich steht dem Kläger auch kein Anspruch auf Verletztenrente aus Mitteln der gesetzlichen Unfallversicherung zu. Denn abgeheilte Unfallfolgen verursachen ersichtlich keine messbare MdE. Dies bedarf keiner weiteren Begründung.
44 
4. Aus eben diesen Gründen sind die angefochtenen Bescheide rechtmäßig und musste das Begehren des Klägers erfolglos bleiben.
45 
5. Dem Hilfsantrag auf Einholung eines medizinischen Sachverständigengutachtens gemäß § 109 SGG bei der HNO-Ärztin Prof. Dr. P., K-Stadt, war nicht stattzugeben. Denn der Kläger hat die ihm mit Verfügung des Gerichts vom 23.01.2017 erteilten Auflagen innerhalb der ihm hierzu eingeräumten Frist bis zum 17.02.2017 nicht vollständig erfüllt.
46 
Ungeschriebene Voraussetzung jeder Bestellung zum gerichtlichen Sachverständigen ist dessen Eignung für die Erstattung des Gutachtens. Diese Eignung fehlt, wenn der als Sachverständige benannte Arzt - aus welchen Gründen auch immer - nicht bereit und/oder nicht in der Lage ist, das Gutachten innerhalb einer angemessenen Frist, die die Kammer mit drei Monaten ab Erteilung des Gutachtensauftrags für ausreichend erachtet, zu erstatten und dem Gericht vorzulegen. Dies vor Benennung eines Arztes als gerichtlichen Sachverständigen nach § 109 SGG zu klären, ist Aufgabe des Antragstellers - hier: des Klägers (so im Ergebnis SG Karlsruhe vom 20.05.2014 - S 1 SB 2343/14 -, Rn. 33 und vom 12.01.2015 - S 4 U 1362/14 -, Rn. 40 f. ). Zu beachten ist weiter die Verpflichtung des Gerichts, den Rechtsstreit zügig zur Entscheidungsreife zu führen und eine Sachentscheidung zu treffen (Art. 6 Abs. 1 S. 1 der Europäischen Menschenrechtskonvention und § 198 des Gerichtsverfassungsgesetzes). Es hat deshalb u. a. vor der mündlichen Verhandlung alle Maßnahmen zu treffen, die notwendig sind, um den Rechtsstreit möglichst in einer mündlichen Verhandlung zu erledigen (§ 106 Abs. 2 SGG). Überdies hat das Gericht auch bei Gutachten nach § 109 SGG auf eine zügige Gutachtenserstattung hinzuwirken (vgl. EuGH vom 25.03.2010 - 901/05 - und Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 11. Aufl. 2014, § 109, Rn. 19 m.W. N.). Aus diesen Gründen erachtet es die Kammer für erforderlich, im Fall eines Antrags gemäß § 109 Abs. 1 SGG vor Erteilung des Gutachtensauftrags dem Antragsteller die Beibringung eines Nachweises über die Bereitschaft des als Sachverständigen benannten Arztes aufzugeben, das Gutachten innerhalb einer Frist von drei Monaten ab Erteilung des Gutachtensauftrags zu erstellen und dem Gericht vorzulegen (vgl. auch LSG Baden-Württemberg vom 21.11.2014 - L 4 R 4797/13 -, Rn. 35 ), und zwar unabhängig davon, ob der als Sachverständige benannte Arzt in der Vergangenheit ihm zur Gutachtenserstellung gesetzte Fristen (§ 118 Abs. 1 S. 1 SGG i.V.m. § 411 Abs. 1 der Zivilprozessordnung) eingehalten oder überschritten hat. Die Befugnis hierzu entnimmt das Gericht auch § 106 Abs. 3 SGG, dessen Regelungsinhalt nicht abschließend ist, wie sich aus der Verwendung des Wortes „ … insbesondere …“ ergibt (vgl. Urteile des erkennenden Gerichts vom 23.03.2017 - S 1 SB 2687/16 -, Rn. 40 und vom 20.04.2017 - S 1 U 2039/16 -).
47 
Vorliegend hat der sachkundig vertretene Kläger innerhalb der ihm hierzu eingeräumten Frist keinen Nachweis vorgelegt, dass Prof. Dr. P. bereit und in der Lage ist, das Gutachten innerhalb von drei Monaten nach Erteilung des Gutachtensauftrags zu erstellen und dem Gericht zu übermitteln. Er hat damit die für eine ordnungsgemäße Prozessführung erforderliche Sorgfalt im Zusammenhang mit dem Antrag nach § 109 SGG außer Acht gelassen, was eine grobe Nachlässigkeit darstellt und zur Ablehnung des hilfsweise aufrecht erhaltenen Beweisantrags führt (§ 109 Abs. 2 SGG). Denn ihm war seit der Verfügung vom 23.01.2017 bekannt, dass für das beantragte Gutachten nach § 109 SGG - auch - die Bestätigung der benannten Sachverständigen erforderlich war, das Gutachten binnen einer Frist von drei Monaten nach Zugang des Gutachtensauftrags zu erstellen und vorzulegen. Außerdem hatte ihn das Gericht - zudem durch Fettdruck textlich noch hervorgehoben - ausdrücklich darauf hingewiesen, dass es das Gutachten nicht in Auftrag gebe, wenn der Kläger die Auflagen nicht, nur teilweise oder nicht fristgerecht erfüllt. Wollte die Kammer dem Hilfsantrag gleichwohl stattgeben, hätte sie im Termin zur mündlichen Verhandlung am 20.04.2017 nicht in der Sache entscheiden können, vielmehr den Rechtsstreit vertagen und zunächst das Gutachten einholen müssen. Dadurch hätte sich die Erledigung des Rechtsstreits deutlich verzögert.
48 
6. Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 183, 193 Absätze 1 und 4 SGG.

Tenor

Die Revision des Klägers gegen das Urteil des Landessozialgerichts Nordrhein-Westfalen vom 6. Mai 2014 wird zurückgewiesen.

Kosten sind nicht zu erstatten.

Tatbestand

1

Zwischen den Beteiligten ist die Feststellung eines Arbeitsunfalls streitig.

2

Der Kläger war an der Universität B. als Student eingeschrieben. Am 15.12.2008 fiel er auf einem Bahnsteig des Hauptbahnhofs B., an dem die zur Universität führende Bahn abfährt, um. Er prallte mit dem Kopf auf den Boden und blieb liegen. Durch den Aufprall erlitt er ein Schädel-Hirntrauma mit Blutungen im Gehirn. Die Beklagte lehnte die Anerkennung dieses Ereignisses als Arbeitsunfall ab (Bescheid vom 29.4.2009) und wies den Widerspruch des Klägers zurück (Widerspruchsbescheid vom 9.3.2010). Der Kläger habe keinen Arbeitsunfall erlitten. Zwar habe eine innere Ursache für den Sturz nicht festgestellt werden können, dies lasse aber nicht den Schluss zu, dass eine versicherte Tätigkeit oder andere betrieblich bedingte Umstände für das Unfallereignis ursächlich gewesen seien.

3

Das SG hat die Beklagte unter Aufhebung ihrer Bescheide verurteilt, das Ereignis vom 15.12.2008 als Arbeitsunfall anzuerkennen (Urteil vom 30.7.2012). Neben der versicherten Tätigkeit des Zurücklegens des Weges zur Universität sei keine weitere Ursache feststellbar, sondern allenfalls denkbar, sodass mangels Konkurrenzursache keine Zweifel an der Unfallkausalität bestünden. Auf die Berufung der Beklagten hat das LSG das Urteil des SG aufgehoben und die Klage abgewiesen (Urteil vom 6.5.2014). Zur Begründung hat es ausgeführt, der Kläger habe zwar einen Unfall iS des § 8 Abs 1 Satz 2 SGB VII erlitten. Der Unfall sei jedoch nicht "infolge" einer versicherten Tätigkeit eingetreten. Die Einwirkung auf den Körper des Klägers sei zwar objektiv, dh im naturwissenschaftlich-philosophischen Sinn, nicht aber rechtlich wesentlich durch dessen zuvor verrichtete Tätigkeit (Zurücklegen des Weges von der Wohnung zur Universität) verursacht worden. Weshalb der Kläger umgefallen sei, sei nicht aufklärbar. Das BSG fordere im Kontext der Wegeunfallversicherung bei der Wesentlichkeitsprüfung, dass sich bei dem Geschehen eine dem Schutzzweck der Wegeversicherung entsprechende, spezifische Gefahr realisiere. Die Wesentlichkeit der Wirkursache sei eigenständig nach Maßgabe des Schutzzwecks der jeweils begründeten Versicherung zu beurteilen. Wie und warum der Kläger umgefallen sei, sei nach Ausschöpfung aller Beweismittel nicht mehr feststellbar. Damit könne auch die Verwirklichung einer spezifischen Verkehrsgefahr nicht festgestellt werden. Allein im Umfallen und Aufschlagen auf dem Boden habe sich kein spezifisches Wegerisiko verwirklicht.

4

Mit der vom LSG zugelassenen Revision rügt der Kläger die Verletzung des § 8 Abs 1 SGB VII. Die Unfallkausalität sei immer gegeben, wenn neben der versicherten Tätigkeit keine weiteren konkurrierenden Ursachen festgestellt werden könnten. Die Prüfung, ob die versicherte Tätigkeit rechtlich wesentlich gewesen sei, habe nur zu erfolgen, wenn noch weitere Ursachen festgestellt würden. Dies folge aus dem Schutzzweck der gesetzlichen Unfallversicherung, weil bei vielen Unfällen der genaue Hergang nicht geklärt werden könne. Das Vorliegen einer inneren Ursache oder anderer konkurrierender Ursachen habe das LSG gerade nicht festgestellt.

5

Der Kläger beantragt,

        

das Urteil des Landessozialgerichts Nordrhein-Westfalen vom 6. Mai 2014 aufzuheben und die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Sozialgerichts Detmold vom 30. Juli 2012 zurückzuweisen.

6

Die Beklagte beantragt,

        

die Revision zurückzuweisen.

7

Sie hält das angefochtene Urteil im Ergebnis für zutreffend.

Entscheidungsgründe

8

Die zulässige Revision des Klägers ist unbegründet. Das LSG hat zu Recht das Urteil des SG aufgehoben und die Klagen abgewiesen. Die Ablehnung der Feststellung des Ereignisses vom 15.12.2008 als Arbeitsunfall in den angefochtenen Bescheiden der Beklagten ist rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten. Der Kläger hat keinen Arbeitsunfall iS des § 8 Abs 1 iVm Abs 2 Nr 1 SGB VII erlitten.

9

Nach § 8 Abs 1 Satz 1 SGB VII sind Arbeitsunfälle Unfälle von Versicherten infolge einer den Versicherungsschutz nach §§ 2, 3 oder 6 SGB VII begründenden Tätigkeit (versicherte Tätigkeit). Zu den versicherten Tätigkeiten zählt gemäß § 8 Abs 2 Nr 1 SGB VII auch das Zurücklegen des mit der nach den §§ 2, 3 oder 6 SGB VII versicherten Tätigkeit zusammenhängenden unmittelbaren Weges nach und von dem Ort der Tätigkeit. Unfälle sind nach § 8 Abs 1 Satz 2 SGB VII zeitlich begrenzte, von außen auf den Körper einwirkende Ereignisse, die zu einem Gesundheitsschaden oder zum Tod führen. Ein Arbeitsunfall setzt daher voraus, dass der Verletzte durch eine Verrichtung vor dem fraglichen Unfallereignis den gesetzlichen Tatbestand einer versicherten Tätigkeit erfüllt hat und deshalb "Versicherter" ist. Die Verrichtung muss ein zeitlich begrenztes, von außen auf den Körper einwirkendes Ereignis und dadurch einen Gesundheitserstschaden oder den Tod des Versicherten objektiv und rechtlich wesentlich verursacht haben (Unfallkausalität und haftungsbegründende Kausalität; stRspr, vgl zuletzt BSG vom 4.12.2014 - B 2 U 18/13 R - SozR 4-2700 § 101 Nr 2 RdNr 16 ff mwN, zur Veröffentlichung in BSGE vorgesehen; vgl auch BSG vom 13.11.2012 - B 2 U 19/11 R - BSGE 112, 177 = SozR 4-2700 § 8 Nr 46, RdNr 20).

10

Diese Voraussetzungen sind nicht erfüllt. Zwar erlitt der Kläger einen Unfall iS des § 8 Abs 1 Satz 2 SGB VII(dazu unter 1.). Den Feststellungen des LSG ist jedoch bereits nicht zu entnehmen, welche konkrete Verrichtung mit welcher Handlungstendenz der Kläger in dem Moment des Unfalls ausübte, sodass schon fraglich ist, ob der Kläger unmittelbar vor dem Unfall als Studierender iS des § 2 Abs 1 Nr 8 Buchst c SGB VII in der Wegeunfallversicherung des § 8 Abs 2 Nr 1 SGB VII auf einem Weg nach dem Ort seiner Studientätigkeit versichert war(dazu 2.). Dies kann aber letztlich offen bleiben, denn der Unfall stellt jedenfalls schon deshalb keinen Arbeitsunfall iS des § 8 SGB VII dar, weil das Unfallereignis dem allein hier als versicherte Tätigkeit in Betracht kommenden Zurücklegen eines solchen Weges rechtlich nicht zugerechnet werden kann(dazu 3.).

11

1. Der Kläger erlitt am 15.12.2008 auf dem Bahnsteig eine zeitlich begrenzte, von außen kommende Einwirkung auf seinen Körper und damit einen Unfall iS des § 8 Abs 1 Satz 2 SGB VII. Er schlug mit dem Kopf auf den Boden auf, wodurch ein Teil der Außenwelt auf den Körper einwirkte (vgl BSG vom 29.11.2011 - B 2 U 10/11 R - SozR 4-2700 § 8 Nr 42 RdNr 14). Dies führte zu einem seine körperliche Unversehrtheit verletzenden Schädel-Hirntrauma mit Blutungen im Bereich des Gehirns.

12

2. Offen bleiben kann, ob der Kläger unmittelbar vor dem Unfall einer versicherten Verrichtung iS des § 8 Abs 2 Nr 1 iVm § 2 Abs 1 Nr 8 Buchst c SGB VII nachgegangen ist. Als eingeschriebener Student einer Universität war der Kläger am 15.12.2008 Studierender iS des § 2 Abs 1 Nr 8 Buchst c SGB VII(vgl zu diesem Begriff BSG vom 13.2.2013 - B 2 U 24/11 R - SozR 4-2200 § 539 Nr 2 RdNr 13 ff) und damit während seiner Ausbildung an der Hochschule in der gesetzlichen Unfallversicherung versichert (vgl zur versicherten Tätigkeit zuletzt BSG vom 4.12.2014 - B 2 U 14/13 R - SozR 4-2700 § 2 Nr 30 RdNr 13 ff und - B 2 U 10/13 R - SozR 4-2700 § 2 Nr 32 RdNr 15 ff, zur Veröffentlichung in BSGE vorgesehen, sowie - B 2 U 13/13 R - SozR 4-2700 § 2 Nr 31 RdNr 15 f; vgl auch BSG vom 26.9.1996 - 2 RU 12/96 - SozR 3-2200 § 539 Nr 36 und vom 4.7.1995 - 2 RU 45/94 - HVBG-INFO 1995, 2377 jeweils mit weiteren Nachweisen). Damit stand er grundsätzlich gemäß § 8 Abs 2 Nr 1 SGB VII auf einem mit dieser versicherten Tätigkeit zusammenhängenden unmittelbaren Weg nach und von dem Ort dieser Tätigkeit unter Versicherungsschutz. Nach den bindenden Feststellungen des LSG (§ 163 SGG) befand sich der Kläger auf dem unmittelbaren Weg von seiner Wohnung zum Ort seiner versicherten Tätigkeit, der Universität. Der Unfall ereignete sich auf dem Bahnsteig, von dem eine zur Universität führende Bahn abfuhr.

13

Dass der Versicherte sich auf dem unmittelbaren Weg zwischen dem Ort seiner versicherten Tätigkeit und seiner Wohnung befindet, reicht jedoch für den Versicherungsschutz nach § 8 Abs 2 Nr 1 SGB VII nicht aus. Vielmehr muss auch die Verrichtung zur Zeit des Unfallereignisses in einem sachlichen Zusammenhang mit dem versicherten Zurücklegen des Weges stehen. Ein solcher sachlicher Zusammenhang besteht, wenn das konkrete Handeln des Versicherten zur Fortbewegung auf dem Weg zur oder von der versicherten Tätigkeit gehört (BSG vom 17.2.2009 - B 2 U 26/07 R - SozR 4-2700 § 8 Nr 32 RdNr 11 mwN). Andernfalls wäre jede Handlung auf einem Weg iS des § 8 Abs 2 Nr 1 SGB VII vom Versicherungsschutz umfasst. Einen solchen "Wegebann" kennt die gesetzliche Unfallversicherung hingegen nicht.

14

Wie das BSG seit seiner Entscheidung vom 9.12.2003 (B 2 U 23/03 R - BSGE 91, 293 = SozR 4-2700 § 8 Nr 3) in ständiger Rechtsprechung betont hat (vgl nur Urteile vom 30.10.2007 - B 2 U 29/06 R - SozR 4-2700 § 8 Nr 25, vom 2.12.2008 - B 2 U 17/07 R - SozR 4-2700 § 8 Nr 28 und - B 2 U 26/06 R - BSGE 102, 111 = SozR 4-2700 § 8 Nr 29, RdNr 22 f sowie vom 17.2.2009 - B 2 U 26/07 R - SozR 4-2700 § 8 Nr 32), ist maßgebend für die Beurteilung, ob eine konkrete Verrichtung der grundsätzlich versicherten Fortbewegung dient, die Handlungstendenz des Versicherten (zuletzt Urteile vom 4.7.2013 - B 2 U 3/13 R - SozR 4-2700 § 8 Nr 50 RdNr 12 und - B 2 U 12/12 R - SozR 4-2700 § 8 Nr 49 RdNr 18). Das Handeln muss subjektiv - zumindest auch - auf die Erfüllung des Tatbestands der jeweiligen Tätigkeit ausgerichtet sein (vgl BSG vom 24.7.2012 - B 2 U 9/11 R - SozR 4-2700 § 8 Nr 44 RdNr 31 und vom 26.6.2014 - B 2 U 4/13 R - SozR 4-2700 § 8 Nr 52 RdNr 14). Darüber hinaus muss sich die subjektive Handlungstendenz als von den Instanzgerichten festzustellende Tatsache im äußeren Verhalten des Handelnden (Verrichtung), so wie es objektiv beobachtbar ist, widerspiegeln (vgl BSG vom 17.2.2009 - B 2 U 26/07 R - SozR 4-2700 § 8 Nr 32 RdNr 11 mwN). Eine Verrichtung in diesem Sinne ist jedes konkrete, räumlich und zeitlich bestimmte Verhalten eines Verletzten, das (objektiv) seiner Art nach von Dritten beobachtbar ist. Für die Prüfung ist dabei regelmäßig die kleinste beobachtbare Handlungssequenz maßgebend (vgl Spellbrink, WzS 2011, 351, 354).

15

Das LSG hat offen gelassen, ob der Kläger unmittelbar vor dem Sturz gestanden hat oder gegangen ist. Auch eine andere Verrichtung ist den Feststellungen des LSG nicht zu entnehmen. Selbst wenn der Aufenthalt des Klägers auf dem Bahnsteig an sich - allerdings als dann nicht mehr kleinste beobachtbare Handlungssequenz - ausnahmsweise als die maßgebliche Verrichtung angesehen würde, bleibt dennoch die objektivierte Handlungstendenz im Zeitpunkt des Unfallereignisses, zu dem Ort der Tätigkeit - hier der Universität - zu gelangen, mangels entsprechender Feststellungen durch das LSG offen. Daher kann schon nicht beurteilt werden, ob ein sachlicher Zusammenhang der zur Zeit des Unfallereignisses ausgeübten Verrichtung mit dem grundsätzlich versicherten Zurücklegen des Weges bestand.

16

Ungeachtet dessen, ob sich die Verrichtung und Handlungstendenz überhaupt noch aufklären lassen, kann im vorliegenden Fall aber dahinstehen, ob der soeben dargestellte sachliche Zusammenhang mit der Verrichtung im Zeitpunkt des Unfallereignisses gegeben war. Denn selbst wenn ein solcher sachlicher Zusammenhang angenommen würde, scheitert der Anspruch des Klägers auf Feststellung eines Arbeitsunfalls jedenfalls daran, dass der Unfall nicht "infolge" des Zurücklegens dieses Weges eingetreten und ihm deshalb rechtlich nicht zuzurechnen ist.

17

3. Der Unfall ist nicht einer versicherten Tätigkeit iS des § 8 Abs 1 Satz 1 SGB VII zuzurechnen, weil sich nicht feststellen lässt, dass sich mit dem Aufprall auf dem Bahnsteig eine Gefahr verwirklicht hat, die in den Schutzbereich der Wegeunfallversicherung fällt.

18

a) Die Träger der gesetzlichen Unfallversicherung haben Schutz gegen Gefahren zu gewähren, die sich durch die ihre Verbandszuständigkeit, den Versicherungsschutz und das Versichertsein des Verletzten begründende Verrichtung von im jeweiligen Versicherungstatbestand konkret umschriebenen Tätigkeiten realisieren können. Ihre Einstandspflicht besteht nur dann, wenn sich durch eine Handlung des Geschädigten, die den gesetzlichen Tatbestand einer versicherten Tätigkeit erfüllt, ein Risiko verwirklicht hat, gegen dessen Eintritt nicht die Unfallversicherung "allgemein", sondern der jeweils durch die Handlung erfüllte Versicherungstatbestand schützen soll. Die Zurechnung des Schadens eines Versicherten zum Versicherungsträger erfordert daher zweistufig die Erfüllung erstens tatsächlicher und zweitens darauf aufbauender rechtlicher Voraussetzungen. Die Verrichtung der versicherten Tätigkeit muss die Einwirkung und in gleicher Weise muss die Einwirkung den Gesundheitserstschaden oder den Tod sowohl objektiv (1. Stufe) als auch rechtlich wesentlich (2. Stufe) verursacht haben (vgl BSG vom 13.11.2012 - B 2 U 19/11 R - BSGE 112, 177 = SozR 4-2700 § 8 Nr 46, RdNr 32 ff mwN).

19

Auf der ersten Stufe setzt die Zurechnung mithin voraus, dass die Einwirkung durch die versicherte Verrichtung objektiv (mit-)verursacht wurde. Für Einbußen des Verletzten, für welche die versicherte Tätigkeit keine Wirkursache war, besteht schlechthin kein Versicherungsschutz und hat der Unfallversicherungsträger nicht einzustehen. Wirkursachen sind nur solche Bedingungen, die erfahrungsgemäß die infrage stehende Wirkung ihrer Art nach notwendig oder hinreichend herbeiführen. In der gesetzlichen Unfallversicherung muss eine versicherte Verrichtung, die im Sinne der "conditio-Formel" eine erforderliche Bedingung des Erfolges war, in einer besonderen tatsächlichen und rechtlichen Beziehung zu diesem Erfolg stehen. Sie muss Wirkursache des Erfolges gewesen sein, muss ihn tatsächlich mitbewirkt haben und darf nicht nur eine bloß im Einzelfall nicht wegdenkbare zufällige Randbedingung gewesen sein. Ob die versicherte Verrichtung eine Wirkursache für die festgestellte Einwirkung war, ist eine rein tatsächliche Frage. Wie bereits ausgeführt, ist die Verrichtung des Klägers vor dem Unfallereignis vom LSG nicht festgestellt worden, sodass die Annahme eines Ursachenzusammenhangs bereits an der ersten Stufe scheitert. Dies kann - wie bereits angedeutet - aber letztlich dahinstehen, weil sich jedenfalls bei dem Unfall des Klägers kein spezifisches Wegerisiko verwirklicht hat.

20

Selbst wenn eine versicherte Tätigkeit als Wirkursache feststeht, muss auf der zweiten Stufe die Einwirkung rechtlich unter Würdigung auch aller auf der ersten Stufe festgestellten weiteren mitwirkenden unversicherten Ursachen die Realisierung einer in den Schutzbereich des jeweils erfüllten Versicherungstatbestandes fallenden Gefahr sein. Bei dieser reinen Rechtsfrage nach der "Wesentlichkeit" der versicherten Verrichtung für den Erfolg der Einwirkung muss entschieden werden, ob sich durch das versicherte Handeln ein Risiko verwirklicht hat, gegen das der jeweils erfüllte Versicherungstatbestand gerade Schutz gewähren soll. Eine Rechtsvermutung dafür, dass eine versicherte Verrichtung - wie hier ggf das Stehen auf dem Bahnsteig - wegen ihrer objektiven (Mit-)Verursachung der Einwirkung - die hier gerade nicht festgestellt ist - auch rechtlich wesentlich war, besteht nicht. Die Wesentlichkeit der Wirkursache ist vielmehr zusätzlich und eigenständig nach Maßgabe des Schutzzwecks der jeweils begründeten Versicherung zu beurteilen (vgl BSG vom 13.11.2012 - B 2 U 19/11 R, aaO, RdNr 33 ff).

21

Ob eine Ursache rechtlich wesentlich ist, ist auch dann zu prüfen, wenn sie als alleinige Ursache festgestellt ist, weil andere (Mit-)Ursachen nicht erwiesen oder nicht in Betracht zu ziehen sind. Denn auch in diesem Fall wird die Einstandspflicht des Unfallversicherungsträgers nur begründet, wenn sich durch den Unfall, der durch die versicherte Verrichtung objektiv verursacht wurde, eine Gefahr verwirklicht hat, gegen die die Versicherung schützen soll. Diese Voraussetzung wird zumeist erfüllt sein, bedarf aber stets der Entscheidung (vgl BSG vom 13.11.2012 - B 2 U 19/11 R, aaO, RdNr 42). Dem stehen die vom Kläger benannten Urteile des Senats vom 30.1.2007 (B 2 U 23/05 R - BSGE 98, 79 = SozR 4-2700 § 8 Nr 22) und vom 17.2.2009 (B 2 U 18/07 R - SozR 4-2700 § 8 Nr 31) nicht entgegen. Nach den diesen Entscheidungen zugrunde liegenden Sachverhalten waren die dort vom LSG festgestellten Verrichtungen unmittelbar vor dem Unfall der jeweiligen versicherten Tätigkeit zuzurechnen und die nichtversicherten Ursachen waren lediglich mögliche Wirkursachen. Entscheidend war aber auch dort, dass sich durch den Unfall jeweils eine Gefahr verwirklicht hatte, vor der der jeweilige Versicherungstatbestand gerade schützen sollte, nämlich die Gefahr eines Sturzes während des der versicherten Tätigkeit zuzurechnenden Laufens bzw eines Verkehrsunfalls während des dem Zurücklegen des Weges zuzurechnenden Steuerns eines Kraftfahrzeugs. Somit war dort die im vorliegenden Fall zu verneinende Frage, ob sich jeweils im Hinblick auf diese Verrichtung durch das Unfallereignis eine Gefahr verwirklicht hatte, vor der die gesetzliche Unfallversicherung schützen soll, unproblematisch zu bejahen.

22

b) Das Umfallen und der Aufprall des Klägers auf den Bahnsteig war danach jedenfalls nicht rechtlich wesentlich durch eine zuvor versicherte Tätigkeit verursacht worden. Wie ausgeführt, ist den nicht mit zulässigen und begründeten Verfahrensrügen angegriffenen und damit für den Senat gemäß § 163 SGG bindenden Feststellungen des LSG lediglich zu entnehmen, dass sich der Kläger auf dem Bahnsteig befand. Das LSG konnte jedoch nicht feststellen, von welchen konkreten Umständen das Unfallereignis begleitet war. Insbesondere steht nicht fest und ist nach den insoweit unangegriffenen Beweiswürdigungen des LSG auch nicht mehr feststellbar, ob der Kläger unmittelbar vor dem Ereignis sich bewegt hat, sodass er dabei möglicherweise stolperte oder ausrutschte, oder ob er aus dem Stand umfiel, ob er angerempelt wurde, gegen eine Vitrine stieß, ob die Bodenverhältnisse auf dem Bahnsteig den Sturz bewirkten oder ob ggf eine (innere) Erkrankung bestand. Mithin ist nicht feststellbar, welche Faktoren im Zeitpunkt des Sturzes und Aufpralls auf den Kläger eingewirkt haben. Damit kann auch nicht mit der erforderlichen hinreichenden Wahrscheinlichkeit davon ausgegangen werden, dass sich durch das Unfallereignis ein Risiko verwirklicht hat, vor dem gerade die Wegeunfallversicherung Schutz gewähren soll.

23

Die Wegeunfallversicherung schützt, wie der Senat zuletzt entschieden hat, vor Gefahren für Gesundheit und Leben, die aus der Teilnahme am öffentlichen Verkehr als Fußgänger oder Benutzer eines Verkehrsmittels, also aus eigenem oder fremdem Verkehrsverhalten oder äußeren Einflüssen während der Zurücklegung des Weges hervorgehen (BSG vom 18.6.2013 - B 2 U 10/12 R - SozR 4-2700 § 8 Nr 47 RdNr 20 und vom 13.11.2012 - B 2 U 19/11 R - BSGE 112, 177 = SozR 4-2700 § 8 Nr 46, RdNr 45). Zwar könnte das Risiko, beim Gehen durch Stolpern oder Ausrutschen, durch einen Zusammenstoß mit einer Vitrine oder durch den Anstoß anderer Personen zu stürzen, jeweils von dem Schutzzweck der Wegeunfallversicherung umfasst sein. Solche äußeren Einwirkungen auf den Körper des Klägers müssten als solche aber zunächst konkret festgestellt sein, was hier gerade nicht der Fall ist. Ihre Nichterweislichkeit geht zu Lasten des Klägers.

24

c) Die Tatsachen, die die Tatbestandsmerkmale "versicherte Tätigkeit", "Verrichtung", "Unfallereignis" sowie "Gesundheitsschaden" erfüllen sollen, müssen im Grad des Vollbeweises, also mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit, feststehen. Demgegenüber genügt für den Nachweis der naturphilosophischen Ursachenzusammenhänge zwischen diesen Voraussetzungen der Grad der (hinreichenden) Wahrscheinlichkeit, nicht allerdings die Glaubhaftmachung und erst Recht nicht die bloße Möglichkeit (vgl BSG vom 2.4.2009 - B 2 U 30/07 R - BSGE 103, 45 = SozR 4-5671 Anl 1 Nr 3101 Nr 4 mwN). In der Wegeunfallversicherung wie auch sonst bei anderen Versicherungstatbeständen der gesetzlichen Unfallversicherung besteht keine Vermutungsregel, dass bei Verrichtung einer versicherten Tätigkeit unmittelbar vor dem Unfallereignis der Unfall objektiv und rechtlich wesentlich durch diese versicherte Tätigkeit verursacht wurde. Sind - wie hier - die Umstände, die vor dem Unfallereignis unmittelbar auf den Kläger eingewirkt haben, unbekannt, kann nicht mit dem erforderlichen Grad der Wahrscheinlichkeit festgestellt werden, dass der Sturz durch ein Risiko verursacht wurde, gegen das die gesetzliche Unfallversicherung beim Zurücklegen des Weges nach § 8 Abs 2 Nr 1 SGB VII Schutz gewähren soll.

25

Den Nachteil aus der tatsächlichen Unaufklärbarkeit anspruchsbegründender Tatsachen hat nach den Regeln der objektiven Beweislast der Kläger zu tragen. Für die erforderlichen Feststellungen der Tatsachen können ua die Angaben des Versicherten, Bekundungen von Zeugen und Sachverständigen sowie sonstige Umstände herangezogen werden. Die Beklagte und die Vorinstanzen haben - soweit ersichtlich - alle denkbaren Beweismittel ausgeschöpft. Insofern werden auch von der Revision keine Rügen erhoben. Ist danach dennoch das zum Unfallereignis führende Geschehen und insbesondere - wie hier - die zum Unfallereignis führende Kausalkette nicht aufklärbar, geht dies zu Lasten des Versicherten (vgl hierzu BSG vom 27.3.1990 - 2 RU 45/89 - HV-INFO 1990, 1181 mwN; vgl auch BSG vom 28.6.1984 - 2 RU 54/83 - HV-INFO 1984, Nr 15, 40 bis 44). Wie bereits oben ausgeführt, kann ohne Feststellung der konkreten Kausalkette nicht aus der bloßen Tatsache des "auf dem Wege seins" abgeleitet werden, dass sich auch eine Gefahr realisiert hat, die in den Schutzbereich der Wegeunfallversicherung fällt. Ein solcher "Wegebann" entspricht nicht dem Recht der gesetzlichen Unfallversicherung. Entgegen der Auffassung der Revision führt auch der allgemeine Zweck der gesetzlichen Unfallversicherung nicht dazu, dass die Nichterweislichkeit der Ursache bei ungeklärtem Unfallhergang jeweils zu Lasten des Unfallversicherungsträgers geht. Denn die Einstandspflicht und damit der Schutz der gesetzlichen Unfallversicherung besteht auch in der Wegeunfallversicherung nach § 8 Abs 2 Nr 1 SGB VII nur dann, wenn sich durch eine Handlung des Geschädigten, die den gesetzlichen Tatbestand dieser versicherten Tätigkeit erfüllt, ein Risiko verwirklicht hat, gegen dessen Eintritt nicht die Unfallversicherung "allgemein", sondern der jeweils durch die Verrichtung erfüllte Versicherungstatbestand der Wegeunfallversicherung schützen soll. Ein solches spezifisches Wegerisiko als Unfallursache ist hier aber nicht feststellbar, was zu Lasten des Klägers geht.

26

Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 183, 193 SGG.

Tenor

Auf die Revision der Beklagten wird der Beschluss des Landessozialgerichts Baden-Württemberg vom 22. Dezember 2010 aufgehoben und die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das Landessozialgericht zurückverwiesen.

Tatbestand

1

Der Kläger begehrt die gerichtliche Feststellung, dass sein Bandscheibenvorfall im Bereich C 6/7 seiner Halswirbelsäule (HWS) ein weiterer Gesundheitserstschaden seines von der Beklagten anerkannten Arbeitsunfalls vom 3.7.2005 ist.

2

Der Kläger absolvierte an diesem Tag als Arbeitnehmer eines Automobilherstellers aufgabengemäß eine Testfahrt auf einer Hochgeschwindigkeitsstrecke in Italien. Dabei platzte bei einer Geschwindigkeit von 295 km/h ein Hinterreifen seines Fahrzeugs. Es kam von der Fahrbahn ab, durchbrach die Leitplanke und kam in einem Wäldchen zum Stehen.

3

Bei der Erstuntersuchung des Klägers erbrachten die Röntgenaufnahmen keinen Anhalt für Frakturen. Am 6.7.2005 diagnostizierte ein Facharzt für Chirurgie ua eine Halswirbelsäulen-Distorsion (Verstauchung, Zerrung). In der Kernspintomographie der HWS vom 4.8.2005 wurden erhebliche degenerative Veränderungen bei multisegmentaler Osteochondrose sowie für den Bereich von C 6/7 eine fast normal hohe Bandscheibe mit normal weiten Neuroforamina (Wurzelkanälen) beschrieben. Eine weitere Kernspintomographie der HWS vom 30.8.2005 ergab zwischen den Halswirbelkörpern C 6/7 einen links gelegenen Bandscheibenvorfall mit intraforaminaler Vorfallskomponente. Eine Begleitverletzung wurde nicht benannt.

4

Im Bescheid vom 18.10.2007 anerkannte die Beklagte den Unfall vom 3.7.2005 als Arbeitsunfall. Als "Unfallfolgen" wurden "Druck- und Klopfschmerz über der oberen Brustwirbelsäule nach unter keilförmiger Deformierung knöchern verheilter Deckplattenimpressionsfraktur des 2. Brustwirbelkörpers" anerkannt.

5

Ferner wurde festgestellt, der Bandscheibenvorfall zwischen dem 6. und 7. Halswirbelkörper sei keine "Folge des Arbeitsunfalls", weder im Sinne der Entstehung noch im Sinne der Verschlimmerung. Ein traumatischer Bandscheibenvorfall sei angesichts des MRT-Befundes vom 4.8.2005, in dem eine Traumatisierung des Segments C 6/7 nicht beschrieben sei, zu verneinen. Der dagegen eingelegte Widerspruch des Klägers blieb erfolglos (Widerspruchsbescheid vom 28.2.2008).

6

Das SG Karlsruhe hat mit Urteil vom 14.7.2010 festgestellt, dass "die Versteifung im Bewegungssegment C 6/7 mit daraus resultierender Schmerzsymptomatik … Folge des Arbeitsunfalls vom 03.07.2005" sei.

7

Die Beklagte hat mit ihrer Berufung geltend gemacht, das Urteil sei in seiner Kausalitätsbeurteilung mit dem aktuellen Stand der medizinischen Wissenschaft nicht vereinbar. Im Standardwerk der gesetzlichen Unfallversicherung von Schönberger/Mehrtens/Valentin, das den anerkannten neuesten medizinischen Kenntnisstand dokumentiere, werde seit der 7. Auflage ausgeführt, dass die traumatische Verursachung eines isolierten Bandscheibenschadens ohne Begleitverletzung nicht möglich sei. Dazu sei Beweis zu erheben durch Einholung eines Sachverständigengutachtens.

8

Das LSG hat die Berufung durch Beschluss vom 22.12.2010 zurückgewiesen. Es sei vorliegend zumindest wahrscheinlich, dass der Unfall vom 3.7.2005 naturwissenschaftliche Ursache des beim Kläger aufgetretenen Bandscheibenvorfalls im Bewegungssegment C 6/7 gewesen sei. Hierfür sprächen vor allem jene Indizien, die auf eine akute Schädigung im Bereich des Bewegungssegments C 6/7 und damit eine Substanzschädigung der betreffenden Bandscheibe in unmittelbarem zeitlichem Zusammenhang mit dem Unfallereignis hinwiesen. Vor dem Unfall sei der Kläger trotz bestehender degenerativer Veränderungen gerade auch im Bereich der HWS beschwerdefrei gewesen. Der Unfall habe zu einer Einwirkung auf den oberen Bereich der Wirbelsäule geführt. Umstände, die üblicherweise gegen einen naturwissenschaftlichen Zusammenhang sprächen, hätten im vorliegenden Fall keine durchgreifende Bedeutung.

9

Zu Unrecht berufe sich die Beklagte auf das Werk von Schönberger/Mehrtens/Valentin und meine, es sei dort dokumentierter neuester medizinischer Kenntnisstand, dass ein traumatischer Bandscheibenvorfall immer mit knöchernen oder ligamentären Begleitverletzungen einhergehe. Diesen Ausführungen könne aus Rechtsgründen nicht gefolgt werden. Denn dieses Standardwerk der unfallmedizinischen Literatur vermenge die Prüfung der naturwissenschaftlichen Kausalität auf der ersten Stufe mit der wertenden Entscheidung der zweiten Stufe der Kausalitätsprüfung (Wesentlichkeit). Bei der Prüfung der Wesentlichkeit handele es sich um eine wertende Entscheidung, die dem juristischen Betrachter vorbehalten sei.

10

Der Antrag der Beklagten auf Einholung eines Sachverständigengutachtens werde abgelehnt. Selbst wenn die von Schönberger/Mehrtens/Valentin vertretene Auffassung den herrschenden medizinischen Kenntnisstand der Kausalitätsbetrachtung wiedergeben sollte, ändere dies nichts daran, dass dieser Kenntnisstand der Kausalitätsbetrachtung nicht zugrunde gelegt werden dürfe, weil er die maßgebenden rechtlichen Vorgaben der höchstrichterlichen Rechtsprechung des BSG vernachlässige.

11

Lägen - wie hier - Hinweise auf eine traumatische Schädigung vor, ohne dass eine andere Schädigung als der Arbeitsunfall "örtlich-zeitlich in Rede" stehe, sei ein naturwissenschaftlicher Zusammenhang regelmäßig als wahrscheinlich anzusehen.

12

Sei der naturwissenschaftliche Zusammenhang zu bejahen, stelle sich die Frage (zweite Stufe der Kausalitätsprüfung), ob das Unfallereignis auch wesentlich gewesen sei. Hierbei sei vor dem Hintergrund der Schwere des Unfalltraumas mit einer plötzlichen unphysiologischen Belastung der HWS den bereits vorliegenden degenerativen Veränderungen im Hinblick auf den aufgetretenen Bandscheibenvorfall keine überragende Bedeutung beizumessen gewesen. Demnach sei das Unfallereignis wesentliche Mitursache des erlittenen Bandscheibenvorfalls und die beim Kläger in der Folge erforderlich gewordene Versteifung im Bewegungssegment einschließlich der fortbestehenden Schmerzsymptomatik als Unfallfolge festzustellen.

13

Mit der vom BSG zugelassenen Revision rügt die Beklagte die Verletzung des § 8 Abs 1 Satz 1 SGB VII und einen Verstoß gegen den Grundsatz der freien richterlichen Beweiswürdigung(§ 128 Abs 1 Satz 1 SGG). Der erforderliche ursächliche Zusammenhang zwischen dem Unfallereignis und dem Bandscheibenvorfall liege nicht vor. Das LSG habe nicht den aktuellen wissenschaftlichen Erkenntnisstand ermittelt.

14

Die Beklagte beantragt,
den Beschluss des Landessozialgerichts Baden-Württemberg vom 22. Dezember 2010 und das Urteil des Sozialgerichts Karlsruhe vom 14. Juli 2010 aufzuheben und die Klagen abzuweisen.

15

Der Kläger beantragt,
die Revision zurückzuweisen.

Entscheidungsgründe

16

Die zulässige Revision der Beklagten ist im Sinne der Aufhebung des Beschlusses des LSG und der Zurückverweisung der Sache an das LSG (§ 170 Abs 2 Satz 2 SGG) begründet.

17

1. Aufgrund der tatsächlichen Feststellungen des LSG kann das BSG nicht abschließend darüber befinden, ob die Verrichtung der versicherten Tätigkeit, die die Verbandszuständigkeit der Beklagten begründet und eine Einwirkung auf die HWS des Klägers wesentlich mitverursacht hat (dazu unter 3.), dadurch auch eine objektive und zudem rechtlich wesentliche Mitursache des Bandscheibenvorfalls auf der Höhe des 6./7. Halswirbelkörpers geworden ist. Nur dann wäre dieser ein Gesundheitserstschaden des anerkannten Arbeitsunfalls.

18

Das LSG hat nicht festgestellt, ob dieser Schaden nach Maßgabe des derzeit anerkannten Standes der medizinischen Wissenschaft durch die verrichtungsbedingte und deshalb versicherte Einwirkung unmittelbar objektiv mitverursacht wurde (dazu unter 4.). Seine Ansicht, dies könne durch "eine wertende Entscheidung …, die … dem juristischen Betrachter vorbehalten" sei, im Rahmen der rechtlichen "Wesentlichkeitsbeurteilung" ersetzt werden, verfehlt den Rechtsbegriff der unfallversicherungsrechtlichen "Wesentlichkeit" einer Ursache für eine bestimmte Wirkung (dazu unter 3. und 5.).

19

2. Die Beklagte wendet sich mit ihrer Revision gegen die Zurückweisung ihrer zulässigen Berufung durch das LSG. Mit ihr wandte sie sich erstens gegen die Aufhebung ihres Verwaltungsakts durch das SG, der Kläger habe gegen sie keinen Anspruch auf Feststellung seines Bandscheibenvorfalls C 6/7 als "Folge des Arbeitsunfalls". Zweitens begehrte sie die Aufhebung des Feststellungsurteils des SG, dass die "Versteifung im Bewegungssegment C 6/7 mit daraus resultierender Schmerzsymptomatik … Folge des Arbeitsunfalls vom 03.07.2005" sei. Der Erfolg ihrer Rechtsmittel hängt davon ab, ob die zulässige Kombination der zulässigen Anfechtungs- mit der zulässigen Feststellungsklage des Klägers begründet ist. Das wäre dann der Fall, wenn sie durch ihren negativ feststellenden Verwaltungsakt einen Anspruch des Klägers auf die Feststellung eines Bandscheibenvorfalls C 6/7 als Gesundheitserstschaden zu Unrecht abgelehnt hätte. Dann wäre dieser (insoweit unter klarstellender Änderung des bisherigen Ausspruchs des SG) durch Feststellungsurteil als weiterer Erstschaden des anerkannten Arbeitsunfalls festzustellen. Andernfalls hätte ihre Revision durchgreifenden Erfolg.

20

Wie in der mündlichen Verhandlung vor dem BSG zwischen den Beteiligten klargestellt werden konnte, richtete sich das Begehren des Klägers von Anfang an nicht auf die Feststellung seines Bandscheibenvorfalls als eine (unmittelbare) Unfallfolge. Ihm kam es vielmehr stets auf die Feststellung dieses Gesundheitsschadens als weiteren Erstschaden des anerkannten Arbeitsunfalls an. Eine unmittelbare Unfallfolge kann sich hingegen nur infolge eines Gesundheitserstschadens einstellen, der selbst als Tatbestandsvoraussetzung des Unfallbegriffs iS des § 8 Abs 1 Satz 2 SGB VII dem Begriff des Arbeitsunfalls unterfällt. Der Bandscheibenvorfall war zudem ersichtlich keine Wirkung eines bereits anerkannten Erstschadens. Bei sachgerechter Auslegung war auch die angefochtene negative Feststellung der Beklagten auf die Ablehnung der Anerkennung eines Erstschadens gerichtet.

21

3. Nach den bisherigen tatsächlichen Feststellungen des LSG ist nicht abschließend beurteilbar, aber möglich, dass dem Kläger der erhobene Feststellungsanspruch gegen die Beklagte zusteht. Jeder Versicherte hat nämlich das Recht, vom zuständigen Unfallversicherungsträger gemäß § 102 SGB VII die Feststellung aller Erstschäden (Gesundheitserstschäden oder Tod) eines Arbeitsunfalls iS von § 8 Abs 1 SGB VII zu verlangen, wenn ein solcher eingetreten ist(vgl BSG vom 31.1.2012 - B 2 U 2/11 R - zur Veröffentlichung in SozR 4-2700 § 8 Nr 43 vorgesehen, Juris RdNr 15 sowie BSG vom 5.7.2011 - B 2 U 17/10 R - SozR 4-2700 § 11 Nr 1 RdNr 15 f).

22

a) Der Anspruch scheitert nicht schon daran, dass die Beklagte eine insoweit unanfechtbar gewordene Feststellung getroffen hat, der Kläger habe infolge seiner versicherten Testfahrt einen Arbeitsunfall mit folgenden Gesundheitserstschäden erlitten: "Druck- und Klopfschmerz über der oberen Brustwirbelsäule nach unter keilförmiger Deformierung knöchern verheilter Deckplattenimpressionsfraktur des 2. Brustwirbelkörpers".

23

Die rechtliche Bindungswirkung dieses Verwaltungsakts erstreckt sich nicht auf die hier umstrittene Frage, ob die infolge der Testfahrt eingetretene Einwirkung auf den Körper des Klägers weitere Gesundheitserstschäden (objektiv und unfallversicherungsrechtlich wesentlich) mitverursacht hat. Werden die Erstschäden anfangs nur unvollständig anerkannt, hat der Versicherte Anspruch auf eine vollständige Feststellung aller objektiv vom Arbeitsunfall umfassten Gesundheitserstschäden. Entscheidet der Versicherungsträgerbei seiner Feststellung eines Arbeitsunfalls, wie hier, dass der Versicherte keinen Anspruch auf Feststellung bestimmter weiterer Erstschäden habe, oder stellt er die Gesundheitserstschäden ausdrücklich abschließend (positiv oder negativ) fest, ist dagegen der Widerspruch gegeben (nach Fristablauf allein §§ 44 f SGB X). Da hier erstmals um einen weiteren, von der Beklagten abgelehnten Gesundheitserstschaden gestritten wird, erfasst die rechtliche Bindungswirkung des den Arbeitsunfall feststellenden Verwaltungsakts den hier rechtshängigen Streitgegenstand nicht.

24

b) Die Feststellungen des LSG lassen erkennen, dass der Kläger möglicherweise einen Anspruch auf Feststellung der umstrittenen Gesundheitserstschäden hat. Denn danach hat er eine versicherte Tätigkeit als Beschäftigter verrichtet und infolge dessen ein Unfallereignis erlitten (dazu sogleich).

25

Nach § 8 Abs 1 Satz 1 SGB VII sind Arbeitsunfälle Unfälle von Versicherten infolge einer den Versicherungsschutz nach §§ 2, 3 oder 6 (oder 8 Abs 2) SGB VII begründenden Tätigkeit(versicherte Tätigkeit). Unfälle sind zeitlich begrenzte, von außen auf den Körper einwirkende Ereignisse, die zu einem Gesundheitsschaden oder zum Tod führen (Abs 1 Satz 2).

26

Daher muss eine Verrichtung des Verletzten vor dem fraglichen Unfallereignis, das "infolge" also ua nach dieser Verrichtung eingetreten sein muss, den gesetzlichen Tatbestand einer versicherten Tätigkeit erfüllt haben. Nur dies begründet seine Versichertenstellung in und seinen Versicherungsschutz aus der jeweiligen Versicherung.

27

Diese (versicherte) Verrichtung muss ein zeitlich begrenztes, von außen auf den Körper einwirkendes Ereignis (Unfallereignis), kurz gesagt: eine Einwirkung, objektiv und rechtlich wesentlich verursacht haben (Unfallkausalität). Diese (versicherte) Einwirkung muss einen Gesundheitserstschaden oder den Tod des Versicherten objektiv und rechtlich wesentlich verursacht haben (haftungsbegründende Kausalität).

28

Die den Versicherungsschutz in der jeweiligen Versicherung begründende "Verrichtung", die (möglicherweise dadurch verursachte) "Einwirkung" und der (möglicherweise dadurch verursachte) "Erstschaden" müssen (vom Richter im Überzeugungsgrad des Vollbeweises) festgestellt sein.

29

aa) § 8 Abs 1 Satz 1 SGB VII setzt voraus, dass der Verletzte eine "den Versicherungsschutz" begründende "Tätigkeit (versicherte Tätigkeit)" verrichtet hat und dass der Unfall (iS von Satz 2 aaO) "infolge" dieser versicherten Tätigkeit eingetreten ist.

30

Diese gesetzlichen Tatbestandsvoraussetzungen umschreiben den Rechtsgrund, aufgrund dessen der wegen einer Verrichtung einer versicherten Tätigkeit durch den Verletzten verbandszuständige Unfallversicherungsträger überhaupt versicherungsrechtlich für die Schäden, Nachteile und Bedarfe des verunfallten Verletzten einstehen soll. Er soll nur verpflichtet sein, soweit der Versicherungsschutz durch die Verrichtung der versicherten Tätigkeit in der jeweiligen Versicherung begründet ist. Er soll deshalb (grundsätzlich) nur einstehen müssen für Gesundheitsschäden (oder Tod und ggf wirtschaftliche Folgen etc), die "infolge" der versicherten Verrichtung eingetreten sind und ein Risiko realisieren, gegen das die jeweils begründete Versicherung schützen soll. Zurechnungsvoraussetzungen sind somit auf der ersten Stufe die (faktisch-objektive) Wirkursächlichkeit der versicherten Verrichtung des Verletzten für den Schaden und auf der darauf aufbauenden zweiten Stufe dessen rechtliche Erfassung vom jeweiligen Schutzzweck der begründeten Versicherung.

31

bb) Die Zurechnung setzt somit erstens voraus, dass die Verrichtung der versicherten Tätigkeit den Schaden (ggf neben anderen konkret festgestellten unversicherten Wirkursachen) objektiv mitverursacht hat. Denn für Einbußen des Verletzten, für welche die versicherte Verrichtung keine Wirkursache war, ist schlechthin kein Versicherungsschutz begründet, hat also der Versicherungsträger nicht einzustehen. Eine Verrichtung ist jedes konkrete Handeln eines Verletzten, das (objektiv) seiner Art nach von Dritten beobachtbar (BSG vom 9.11.2010 - B 2 U 14/10 R - SozR 4-2700 § 8 Nr 39 RdNr 22) und (subjektiv, also jedenfalls in laienhafter Sicht) - zumindest auch - auf die Erfüllung des Tatbestandes der jeweiligen versicherten Tätigkeit ausgerichtet ist (innere Tatsache). Als (objektives) Handeln des Verletzten kann es erste Ursache einer objektiven Verursachungskette sein. Diese kann über die Einwirkung auf den Körper, über Gesundheitserstschäden oder Tod hinaus bis zu unmittelbaren oder iS von § 11 SGB VII, der für die zweite Stufe andere Zurechnungsgründe als die "Wesentlichkeit" regelt, mittelbaren Unfallfolgen sowie ua zur Minderung der Erwerbsfähigkeit und zu den Bedarfen reichen, derentwegen das SGB VII Leistungsrechte vorsieht.

32

Erst dann, wenn die "Verrichtung", die (möglicherweise dadurch verursachte) "Einwirkung" und der (möglicherweise dadurch verursachte) "Erstschaden" festgestellt sind, kann und darf (auf der ersten Stufe der Zurechnung) über die tatsächliche Kausalitätsbeziehung (objektive Verursachung) zwischen der Verrichtung und der Einwirkung (mit dem richterlichen Überzeugungsgrad mindestens der Wahrscheinlichkeit) entschieden werden. Es geht hierbei ausschließlich um die rein tatsächliche Frage, ob und ggf mit welchem Mitwirkungsanteil die versicherte Verrichtung (ggf neben anderen konkret festgestellten unversicherten Wirkursachen) eine Wirkursache der von außen kommenden, zeitlich begrenzten Einwirkung auf den Körper des Versicherten war.

33

cc) Zweitens muss der (letztlich) durch die versicherte Verrichtung mitbewirkte Schaden rechtlich auch unter Würdigung unversicherter Mitursachen als Realisierung einer in den Schutzbereich der begründeten Versicherung fallenden Gefahr, eines dort versicherten Risikos, zu bewerten sein. Denn der Versicherungsschutz greift nur ein, wenn sich ein Risiko verwirklicht hat, gegen das die jeweils begründete Versicherung Schutz gewähren soll.

34

Wird auf der ersten Stufe die objektive (Mit-)Verursachung bejaht, indiziert dies in keiner Weise die auf der zweiten Stufe der Zurechnung rechtlich zu gebende Antwort auf die Rechtsfrage (so schon BSG vom 9.5.2006 - B 2 U 1/05 R - BSGE 96, 196 = SozR 4-2700 § 8 Nr 17), ob die Mitverursachung der Einwirkung durch die versicherte Verrichtung unfallversicherungsrechtlich rechtserheblich, "wesentlich", war. Denn die unfallversicherungsrechtliche Wesentlichkeit der Wirkursächlichkeit der versicherten Verrichtung für die Einwirkung (etc) muss eigenständig rechtlich nach Maßgabe des Schutzzwecks der jeweils begründeten Versicherung beurteilt werden.

35

Sie setzt rechtlich voraus, dass der Schutzbereich und der Schutzzweck der jeweiligen durch die versicherte Verrichtung begründeten Versicherung durch juristische Auslegung des Versicherungstatbestandes nach den anerkannten Auslegungsmethoden erkannt werden. Insbesondere ist festzuhalten, ob und wie weit der Versicherungstatbestand gegen Gefahren aus von ihm versicherten Tätigkeiten schützen soll (vgl hierzu BSG vom 15.5.2012 - B 2 U 16/11 R - zur Veröffentlichung in SozR 4-2700 § 2 Nr 21 vorgesehen - RdNr 21 ff - Lebendnierenspende).

36

Bei der folgenden Subsumtion muss vorab entschieden werden, ob die versicherte Verrichtung durch ihren auf der ersten Stufe festgestellten Verursachungsbeitrag überhaupt ein Risiko verwirklicht hat, das in den Schutzbereich der begründeten Versicherung fällt. Nur wenn dies, wie zumeist, zu bejahen ist, kommt es darauf an, ob ggf konkret festgestellte unversicherte Mitursachen, die selbst die Zurechnung zum Unfallversicherungsträger nie begründen können, gleichwohl die Zurechnung ausschließen. Das ist der Fall, wenn die unversicherten Wirkursachen das gesamte Unfallgeschehen derart geprägt haben, dass die Wirkung insgesamt trotz des Mitwirkungsanteils der versicherten Verrichtung nicht mehr unter den Schutzbereich der jeweiligen Versicherung fällt. Bei dieser Subsumtion sind alle auf der ersten Stufe im Einzelfall konkret festgestellten versicherten und unversicherten Wirkursachen mit ihren ggf festgestellten Mitwirkungsanteilen in einer rechtlichen Gesamtabwägung nach Maßgabe des jeweilig festgestellten Schutzzwecks des Versicherungstatbestandes zu bewerten.

37

Nur wenn beide Zurechnungskriterien bejaht sind, erweist sich die versicherte Verrichtung als "wesentliche Ursache" (vgl schon RVA vom 24.5.1912, AN 1912, 930 = Breithaupt 1912, 212; GS RVA vom 26.2.1914, AN 1914, 411 <2690>; vgl BSG vom 29.11.2011 - B 2 U 26/10 R -; BSG vom 5.7.2011 - B 2 U 17/10 R - BSGE 108, 274 = SozR 4-2700 § 11 Nr 1; BSG vom 17.2.2009 - B 2 U 18/07 R - SozR 4-2700 § 8 Nr 31; BSG vom 9.5.2006 - B 2 U 1/05 R - BSGE 96, 196 = SozR 4-2700 § 8 Nr 17; BSG vom 12.4.2005 - B 2 U 11/04 R - BSGE 94, 262 = SozR 4-2700 § 8 Nr 14, RdNr 17).

38

dd) In gleicher Weise muss zum Vorliegen eines Arbeitsunfalls ggf die versicherte Einwirkung den Erstschaden (ggf den Tod) a) objektiv und b) rechtlich wesentlich verursacht haben. Dabei kommt es schon wegen der Einheit des jeweiligen Versicherungsfalls stets auch darauf an, dass die Zurechnungskette auf ein- und dieselbe versicherte und den Versicherungsschutz bei dem Unfallversicherungsträger begründende Verrichtung zurückzuführen ist.

39

ee) Diese Voraussetzungen müssen für jeden einzelnen Gesundheitserstschaden erfüllt sein. "Gesundheitserstschaden" ist jeder abgrenzbare Gesundheitsschaden, der unmittelbar durch eine versicherte Einwirkung objektiv und rechtlich wesentlich verursacht wurde, die durch ein- und dieselbe versicherte Verrichtung objektiv und rechtlich wesentlich verursacht wurde. Es handelt sich also um die ersten voneinander medizinisch abgrenzbaren Gesundheitsschäden (oder den Tod), die "infolge" ein- und derselben versicherten Verrichtung eintreten.

40

c) Nach den Feststellungen des LSG liegt eine versicherte Verrichtung des Klägers vor, die eine Einwirkung objektiv und rechtlich wesentlich verursacht hat.

41

aa) Der Kläger hat durch seine Testfahrt den Tatbestand der versicherten Tätigkeit als "Beschäftigter" iS des § 2 Abs 1 Nr 1 SGB VII erfüllt(zu den Voraussetzungen dieses Tatbestandes näher BSG Urteil vom 15.5.2012 - B 2 U 8/11 R - zur Veröffentlichung in BSGE und SozR 4-2700 § 2 Nr 20 vorgesehen). Denn er hat dadurch zur Erfüllung einer Hauptpflicht aus seinem Beschäftigungsverhältnis mit dem Automobilhersteller zumindest angesetzt, wie in der mündlichen Verhandlung vor dem BSG auch in tatsächlicher Hinsicht abschließend außer Streit gestellt werden konnte. Er war daher in der Beschäftigtenversicherung grundsätzlich gegen alle Gefahren unfallversichert, die sich "infolge" der versicherten Testfahrt verwirklichten.

42

bb) Das LSG hat ferner bindend festgestellt, dass es infolge der Testfahrt zu einer "Einwirkung auf den oberen Bereich der Wirbelsäule" gekommen ist. Unter "Einwirkung" (als Kurzbezeichnung für das von außen kommende, zeitlich begrenzt einwirkende Unfallereignis) ist die durch einen solchen Vorgang ausgelöste Änderung des physiologischen Körperzustandes zu verstehen, die von dem (möglicherweise zeitnah danach eintretenden) Gesundheitserstschaden zu unterscheiden ist. Das LSG hat zur Natur der körperlichen Veränderung festgestellt, dass ein Chirurg am 6.7.2005 beim Kläger eine "HWS-Distorsion" diagnostiziert habe. Nach dem Gesamtzusammenhang des Beschlusses des LSG hat es sich diese Diagnose zu eigen gemacht. Eine solche HWS-Verstauchung genügt jedenfalls dem (weiten) Einwirkungsbegriff.

43

cc) Das LSG hat auch noch festgestellt, dass die versicherte Testfahrt mit äußerst hoher Geschwindigkeit, das Platzen des Autoreifens, das Abkommen von der Testbahn, das Durchbrechen der Leitplanke und das Abstoppen im Wäldchen diese Einwirkung auf die HWS objektiv mitverursacht haben. Auch wenn das LSG keine näheren Feststellungen zur Ursache des Platzens des Reifens (ua Materialfehler, äußere Ursache) und auch nicht dazu getroffen hat, ob es bei der Testfahrt gerade um die Prüfung der Belastbarkeit der Reifen ging, ist seine Feststellung rechtlich nicht zu beanstanden, dass die versicherte Testfahrt als Grundvoraussetzung des Unfallhergangs eine mitwirkende Ursache für die Einwirkung war. Wie zudem vor dem BSG zur Gehörsgewährung eingeführt und von den Beteiligten bestätigt wurde, entspricht es dem heutigen allgemeinkundigen Stand der Erfahrung, dass ein solcher Ablauf einer Autofahrt Ursache eines starken Aufpralls mit der Wirkung ua einer Verstauchung der HWS sein kann und nach den konkreten Umständen des Falles hier auch war. Weitere Mitursachen wurden vom LSG nicht festgestellt und von der Beklagten nicht behauptet.

44

dd) Das LSG hat sinngemäß auch die rechtliche Beurteilung geäußert, dass das versicherte Handeln des Klägers eine mit der Erfüllung dieser Pflicht aus seinem Beschäftigungsverhältnis verbundene Gefahr für seine Gesundheit verwirklicht hat. Das trifft bundesrechtlich zu. Denn die Beschäftigtenversicherung soll grundsätzlich in allen Lebens- und Gesundheitsgefahren schützen, die sich aus dem Handeln zur Erfüllung von Pflichten oder zur Wahrnehmung unternehmensbezogener Rechte aus dem Beschäftigungsverhältnis unter Eingliederung in einen vom Unternehmer bestimmten Gefahrenbereich ergeben. Der Kläger hat infolge der ihm aufgetragenen Testfahrt mit äußerst hoher Geschwindigkeit Gesundheitsgefahren eingehen müssen, die sich in der Einwirkung realisiert haben. Damit fällt die durch die versicherte Verrichtung mitbewirkte Einwirkung auf die HWS unter den Schutzbereich der hier begründeten Beschäftigtenversicherung. Die konkret festgestellten Mitursachen der Einwirkung, das Platzen des Reifens, der Widerstand der durchbrochenen Leitplanke schließen in der gebotenen rechtlichen Gesamtabwägung die Zuordnung der HWS-Verstauchung zum Schutzbereich der Beschäftigtenversicherung nicht aus. Denn in ihnen hat sich gerade die besondere Gefahr verwirklicht, die mit der vom Kläger zu erfüllenden Pflicht verbunden war.

45

ee) Das LSG hat schließlich bindend festgestellt, dass der vom Kläger als Gesundheitserstschaden geltend gemachte Bandscheibenvorfall C 6/7 vorliegt.

46

d) Damit sind die Voraussetzungen für den vom Kläger erhobenen Anspruch auf Feststellung dieses Vorfalls C 6/7 als weiteren Gesundheitserstschaden des anerkannten Arbeitsunfalls mit der Ausnahme erfüllt, dass das BSG noch nicht entscheiden kann, ob die Testfahrt mit der durch sie rechtlich wesentlich mitverursachten Einwirkung auf die HWS des Klägers auch rechtserhebliche (Mit-)Wirkursache dieses Bandscheibenvorfalls war.

47

4. Das LSG hat zwar ausgeführt, die versicherte Einwirkung und letztlich die versicherte Testfahrt hätten auch den Bandscheibenvorfall objektiv und wesentlich verursacht. Dies ist jedoch für das BSG nicht bindend. Es darf dies seiner Entscheidung nicht zugrunde legen.

48

a) Dies folgt für die Rechtsfrage der unfallversicherungsrechtlichen Wesentlichkeit schon daraus, dass es hier allein um Rechtsanwendung, also um die rechtliche Subsumtion der auf der ersten Stufe der Zurechnung festgestellten Tatsachen unter den Schutzbereich der für die konkrete Beschäftigung begründeten Beschäftigtenversicherung geht. Hier muss das Revisionsgericht in vollem Umfang die Beachtung des Bundesrechts überprüfen. Das LSG hat hierbei den Rechtsbegriff der unfallversicherungsrechtlichen "Wesentlichkeit" einer Ursache unzutreffend angewandt (dazu unter 5.).

49

b) Auf der ersten Stufe der Zurechnung hat das LSG keine das BSG bindenden tatsächlichen Feststellungen zur objektiven Verursachung des Bandscheibenvorfalls durch die versicherte Einwirkung/versicherte Verrichtung getroffen.

50

Allerdings hat das LSG ausdrücklich festgestellt, dass die (versicherte) Einwirkung auf die HWS des Klägers "naturwissenschaftliche Ursache des beim Kläger aufgetretenen Bandscheibenvorfalls im Bewegungssegment C 6/7" gewesen ist.

51

aa) Grundsätzlich ist das Revisionsgericht an eine solche Tatsachenfeststellung, zu der auch der konkrete objektive Kausalzusammenhang im Einzelfall gehört, gebunden (§ 163 SGG). Hier tritt diese Bindung jedoch nicht ein, weil das LSG zum einen von einem unzutreffenden Rechtsbegriff der objektiven ("wissenschaftlich-philosophischen") Kausalität ausgegangen ist. Zum anderen hat es, wie die Beklagte zulässig und begründet rügt, die Grenzen der Befugnis zur freien richterlichen Beweiswürdigung (§ 128 Abs 1 Satz 1 SGG) überschritten. Es hat seinem Beschluss einen nicht existierenden Erfahrungssatz zugrunde gelegt und deshalb davon abgesehen aufzuklären, ob es einen nach dem neuesten Stand der medizinischen Wissenschaft anerkannten Erfahrungssatz gibt, nach dem isolierte Bandscheibenvorfälle durch Unfalleinwirkungen nur verursacht werden können, wenn ein unfallbedingter Begleitschaden vorliegt.

52

bb) Das LSG hat seine Kausalitätsbeurteilung auch auf folgenden nicht existierenden Erfahrungssatz gestützt: Liegen - wie hier - Hinweise auf eine traumatische Schädigung vor, ohne dass eine andere Schädigung als der Arbeitsunfall örtlich-zeitlich in Rede steht, ist ein naturwissenschaftlicher Zusammenhang regelmäßig als wahrscheinlich anzusehen.

53

Daran ist das BSG nicht gebunden. Ein solcher Erfahrungssatz ist nicht allgemeinkundig oder dem BSG gerichtsbekannt. Die Revisionsführerin bestreitet seine Existenz. Das LSG hat nicht mitgeteilt, woher es diese Erkenntnis gewonnen hat. Soweit die Formulierung auch als generelle weitere "Beweiserleichterung" bei der richterlichen Überzeugungsbildung zum Grad der (juristischen) Wahrscheinlichkeit gemeint sein könnte, wäre sie bundesrechtswidrig. Denn der juristische Überzeugungsgrad der Wahrscheinlichkeit knüpft an die Würdigung der Einzelfallumstände nach Maßgabe der im jeweiligen Lebensbereich vorhandenen aktuell anerkannten wissenschaftlichen Erfahrung, hilfsweise der sonstigen einschlägigen Fachkunde, und deren ggf vorhandene Unsicherheiten an. Er erlaubt es aber nicht, an dem vorhandenen Erfahrungswissen durch "juristische Betrachtungen" vorbeizugehen.

54

c) Das LSG hat auch im Übrigen einen unzutreffenden Rechtsbegriff der objektiven Verursachung (der "philosophisch-wissenschaftlichen Kausalität") zugrunde gelegt.

55

Objektive Verursachung bedeutet einen nach dem jeweils neuesten anerkannten Stand der einschlägigen Erfahrung (insbesondere der Wissenschaft, hilfsweise der sonstigen Fachkunde) geprüften und festgestellten Wirkungszusammenhang zwischen einer bestimmten Wirkursache und ihrer Wirkung. Dabei gibt es keine Ursache ohne Wirkung und keine Wirkung ohne Ursache.

56

Die versicherte Verrichtung muss also eine Wirkursache (ggf neben anderen Wirkursachen) der Einwirkung, die Einwirkung eine Wirkursache (ggf neben anderen Wirkursachen) des Gesundheitserstschadens sein. Ob die Verrichtung Wirkursache der Einwirkung (etc) war, ist eine Frage, die nur auf der Grundlage von Erfahrung über Kausalbeziehungen beantwortet werden kann.

57

Auch der Satz der Bedingungstheorie, ein tatsächlicher Umstand sei "notwendige Bedingung" (nicht: Ursache) eines anderen Umstandes, wenn der erste nicht "hinweggedacht" werden könne, ohne dass der zweite (der "Erfolg") entfiele ("conditio sine qua non"), ist kein logischer Schluss. Er verlangt eine hypothetische, dem Recht der gesetzlichen Unfallversicherung grundsätzlich fremde, alternative Zusammenhangserwägung ohne Berücksichtigung eines in Wirklichkeit vorhandenen Umstandes und mit Unterstellung eines in Wirklichkeit nicht erfolgten Geschehensablaufs. Darüber hinaus verweist er auf Erfahrungswissen über den Zusammenhang von Bedingungen.

58

Die Erwägung nach dieser Formel führt zur Unbeachtlichkeit von Bedingungen, die nach Erfahrung die Wirkung nicht mitverursacht haben können. Insoweit kann sie zur ersten negativen Vorklärung, dem Ausscheiden von als Ursachen von vornherein nicht in Betracht kommender Bedingungen, beitragen. Sie erfasst aber alle Bedingungen, die nach Erfahrung möglicherweise die fragliche Wirkung (den "Erfolg") verursacht haben könnten. Aus sich heraus gibt sie aber keinen Maßstab dafür, ob ein solcher als für das Geschehen erforderliche (und nur in diesem Sinne "notwendige") Bedingung erkannter Umstand den "Erfolg" wirklich bewirkt, also die Wirkung mitverursacht hat, worauf schon der große Senat des RVA (aaO) hingewiesen hat. Eine solche Bedingung kann Wirkursache sein, muss es aber nicht. Sie kann auch bloße Randbedingung sein. Die Formel schließt nur "Bedingungen" aus, die nach Erfahrung unmöglich Wirkursachen sein können.

59

Entscheidend ist aber, ob die versicherte Verrichtung die Einwirkung und ob diese den Erstschaden bewirkt hat. Wenn die festgestellte versicherte Verrichtung nach Erfahrung eine "Bedingung eines Erfolgs", also einer Einwirkung und des Gesundheitserstschadens (etc) ist, wären diese (hypothetisch) ohne sie nicht eingetreten. Gleiches gilt für eine kaum abzählbare Menge anderer Bedingungen für den konkreten Unfall. Die Verrichtung war aber nur dann eine Wirkursache der Einwirkung/des Gesundheitserstschadens, wenn sie das Unfallereignis hervorgerufen oder in Gang gehalten und dadurch die Einwirkung herbeigeführt hat, welche den Körper des Verletzten, seinen physiologischen Zustand verändert und dadurch den Gesundheitsschaden mitbewirkt hat. Ob dies der Fall war, ist nach dem neuesten anerkannten Stand des einschlägigen Fachwissens zu beurteilen.

60

aa) Dies gilt auch für die Beantwortung der Frage, ob der festgestellte Bandscheibenvorfall des Klägers Wirkung der festgestellten versicherten Einwirkung/versicherten Testfahrt als Ursache war. Dafür kommt es, weil es sich um eine in den Fachbereich der medizinischen Wissenschaft fallende Frage handelt, allein darauf an, ob ein Wirkungszusammenhang zwischen dieser Testfahrt und dieser Einwirkung auf die HWS des Klägers und diesem Bandscheibenvorfall nach dem aktuellen Stand des anerkannten medizinischen Erfahrungswissens vorliegt. Dafür reicht ein bloßer örtlicher und zeitlicher Zusammenhang nicht aus.

61

Vielmehr ist der jeweils neueste anerkannte Stand des einschlägigen Erfahrungswissens zugrunde zu legen. Dies wird in der Regel die Auffassung der Mehrheit der im jeweiligen Fragenbereich veröffentlichenden Wissenschaftler/Fachkundigen eines Fachgebiets sein. Lässt sich eine solche "herrschende Meinung" nicht feststellen, so darf der Richter nicht gleichsam als Schiedsrichter im Streit einer Wissenschaft fungieren und selbst eine (von ihm anerkannte) Ansicht zur maßgeblichen des jeweiligen für ihn fachfremden Wissenschaftsgebietes erklären. Vielmehr kommt, falls auch durch staatliche Merkblätter, Empfehlungen der Fachverbände etc kein von den Fachkreisen mehrheitlich anerkannter neuester Erfahrungsstand festgestellt werden kann, eine Entscheidung nach Beweislastgrundsätzen in Betracht (anders offenbar noch BSG vom 9.5.2006 - B 2 U 1/05 R - BSGE 96, 196 = SozR 4-2700 § 8 Nr 17, RdNr 18).

62

Dazu muss dieser Erfahrungsstand inhaltlich festgestellt und so rechtzeitig mit seiner Erkenntnisquelle (zB medizinisches Fachbuch) in das Gerichtsverfahren eingeführt werden, dass die Beteiligten sich darüber fachkundig machen und ggf konkrete Beweiserhebungen beantragen können. Das gilt auch dann, wenn das Gericht meint, der Stand des einschlägigen Erfahrungswissens sei gerichtsbekannt, allgemeinkundig oder könne vom Gericht aus eigener, stets rechtzeitig offenzulegender Fachkompetenz beurteilt werden.

63

bb) Soweit ein nicht allgemeinkundiges oder gerichtsbekanntes Erfahrungswissen Gegenstand einer staatlich anerkannten Wissenschaft, hilfsweise einer sonstigen fachkundigen Profession, ist, muss das Gericht, sofern es keine nachweisbare eigene Fachkompetenz oder Gerichtskenntnis auf diesem Gebiet hat, aufgrund der Ermessensreduktion im Rahmen seiner Sachaufklärung nach § 103 SGG sich die erforderliche Kenntnis durch Sachverständige verschaffen. Es ist gerade Aufgabe der Sachverständigen, dem Richter den aktuellen anerkannten Stand des Wissens darüber zu vermitteln, ob es Erfahrungssätze über Ursache-Wirkung-Beziehungen der fraglichen Art gibt und ggf welche Anwendungsbedingungen für die Anwendung dieser Sätze im Einzelfall erfüllt sein müssen. Soweit auch die Anwendung der Erfahrungssätze im Einzelfall, wie häufig, ebenfalls besondere Sachkunde erfordert, kann der Sachverständige auch damit beauftragt werden.

64

Gegenstand solcher Erfahrungssätze und ihrer generellen Anwendungsbedingungen ist, ob Vorgänge der Art des vorderen Kausalgliedes - hier: die Einwirkung auf den HWS-Bereich durch den Aufprall unter Absehung von bloßen Randbedingungen des konkreten Falles - allein oder im Zusammenwirken mit anderen nach dieser Erfahrung ursächlichen Bedingungen Vorgänge der Art des zweiten Kausalgliedes - hier: Bandscheibenvorfall C 6/7 als Gesundheitserstschaden - bewirken. Sofern diese Kausalbeziehung zwischen den beiden Arten der Kausalglieder besteht, ist das vordere eine hinreichende Ursache des folgenden Kausalgliedes. Tritt das zweite Kausalglied (hier: der Gesundheitserstschaden) immer und nur dann auf, wenn das vordere Kausalglied vorliegt, handelt es sich bei diesem um eine notwendige Ursache, bei dem zweiten um eine notwendige Wirkung. Bedingungen im Sinne der Bedingungstheorie, die erfahrungsgemäß keine solchen hinreichenden oder sogar notwendigen Wirkursachen sind, bleiben schon deshalb bei der Zurechnung außer Betracht.

65

cc) Allerdings darf das Gericht die jeweils einschlägige Wissenschaft (oder Fachkunde) auch nicht mit gebietsfremden Anforderungen überfordern, welchen dieser Erfahrungsbereich nicht genügen kann. Das Rechtssystem knüpft in den Grenzen der Rechtslogik an den jeweiligen aktuell anerkannten Stand der einschlägigen empirischen Wissenschaft (oder Fachkunde) an.

66

Es sind - gerade auch im Bereich der Medizin - nicht immer deterministische Erfahrungssätze vorhanden oder anerkannt. Sehr häufig werden nur wissenschaftlich begründete Wahrscheinlichkeitssätze (die nichts mit dem juristischen Beweisgrad der Wahrscheinlichkeit zu tun haben) festgestellt werden können. Dabei gibt es in den verschiedenen Wissenschaften unterschiedliche Begriffe von empirischer Wahrscheinlichkeit bis hin zu probabilistischen Erfahrungssätzen. Sie werden nach entsprechenden Untersuchungen gelegentlich mathematisch formuliert, häufig aber allein durch tradierte Erfahrung im jeweiligen Fachkreis mit geringer Überprüfungsdichte gelehrt und/oder bloß unausgesprochen in der Praxis vorausgesetzt (begründete Vermutungen). Hier sind Unterschiede ferner zwischen Fachbereichen zu beachten, in denen es wissenschaftliche Fachdisziplinen gibt, und solchen, in denen es überwiegend nur die tradierte Erfahrung des Kreises der professionell im jeweiligen Gebiet Tätigen gibt.

67

dd) Maßstab für die objektive Kausalitätsbeurteilung ist also der neueste anerkannte Stand des Erfahrungswissens (vgl hierzu zuletzt auch BSG Urteil vom 15.9.2011 - B 2 U 25/10 R - SozR 4-5671 Anl 1 Nr 4111 Nr 3 RdNr 23 f "in der Regel 100 Feinstaubjahre"). Als Maßstäbe sind jeweils, soweit vorhanden, die aktuell anerkannten Erfahrungssätze festzustellen und anzuwenden. Dies ist eine reine Tatsachenfeststellung bei der der Richter der Hilfe des Sachverständigen bedarf. Hinsichtlich der richterlichen Feststellung des Inhalts der Erfahrungssätze genügt der richterliche Beweisgrad der juristischen Wahrscheinlichkeit. Der Sachverständige muss bei seiner Begutachtung also gerade verdeutlichen, welche Erfahrungssätze er seiner Begutachtung zugrunde legt und dass dieses Erfahrungswissen in der einschlägigen Wissenschaft (oder Fachkunde) aktuell als neuester Stand anerkannt ist.

68

ee) Die Feststellung des jeweils aktuellen wissenschaftlichen Erkenntnisstandes ist für eine objektive Urteilsfindung unerlässlich (BSG vom 9.5.2006 - B 2 U 1/05 R - BSGE 96, 196 = SozR 4-2700 § 8 Nr 17, RdNr 24 ff). Ausgangsbasis der richterlichen Erkenntnisbildung über wissenschaftliche Erfahrungssätze sind auch bei Fragen der objektiven Verursachung die Fachbücher und Standardwerke insbesondere zur Begutachtung im jeweiligen Bereich. Außerdem sind die jeweiligen Leitlinien der Arbeitsgemeinschaft der wissenschaftlich-medizinischen Fachgesellschaften (AWMF) zu berücksichtigen. Hinzu kommen andere aktuelle wissenschaftliche Veröffentlichungen. Diese Quellen hat der Richter jeweils kritisch zu würdigen.

69

Eine bloße Literaturauswertung durch auf dem einschlägigen Gebiet nicht fachgerecht ausgebildete Richter genügt zur Feststellung des (nicht allgemeinkundigen oder gerichtsbekannten) aktuellen wissenschaftlichen Erkenntnisstandes über Kausalbeziehungen in der Regel nicht. Vielmehr wird dessen Klärung im Rahmen des ohnehin benötigten Gutachtens erfolgen. Dieser Erkenntnisstand ist aber die Basis für die Beurteilung durch den Sachverständigen, die er stets zugrunde legen muss und von der er nur durch zusätzliche Ausführungen, weshalb er ihr nicht folgt, mit wissenschaftlicher Begründung abweichen darf.

70

Bestreitet nach rechtzeitiger Einführung eines solchen Erfahrungssatzes in den Prozess einer der Beteiligten dessen Vorliegen oder Tragweite mit nicht offenkundig fernliegenden Sachargumenten, so wird das Gericht im Regelfall diesem Vorbingen durch (zumindest schriftliche) Befragung eines Sachverständigen nachzugehen haben (vgl BSG Beschluss vom 24.7.2012 - B 2 U 100/12 B - zur Veröffentlichung in SozR vorgesehen).

71

d) Das LSG hat hinsichtlich der strittigen Verursachung des Bandscheibenvorfalls schon keinen neuesten anerkannten Stand der medizinischen Wissenschaft festgestellt, sondern einen anderen Verursachungsbegriff zugrunde gelegt.

72

aa) Die Beklagte hatte unter Zitierung des Werks von Schönberger/Mehrtens/Valentin dargelegt, dass es dem dort dokumentierten Stand der medizinischen Wissenschaft entspreche, dass ein traumatischer Bandscheibenvorfall nur mit knöchernen oder ligamentären Begleitverletzungen vorkommen könne. Das LSG hätte hierauf selbst die Existenz oder Nichtexistenz dieses oder eines anderen anerkannten Erfahrungssatzes in der medizinischen Wissenschaft feststellen müssen.

73

bb) Dies war nicht etwa deshalb gerechtfertigt, weil das LSG davon ausgegangen ist, dass sich eine Feststellung des einschlägigen medizinischen Erfahrungssatzes erübrige, weil die Autoren Schönberger/Mehrtens/Valentin von einem unzutreffenden rechtlichen Maßstab bei der Kausalitätsbetrachtung ausgegangen seien. Sie hätten Aspekte der rechtlichen Wesentlichkeit im Sinne der Rechtsprechung des BSG mit naturwissenschaftlichen Aussagen verquickt.

74

Es ist hier nicht darauf einzugehen, ob diese Behauptungen zutreffen. Beiläufig ist darauf hinzuweisen, dass nicht jeder Gebrauch des Wortes "wesentlich" zugleich eine Äußerung zur "Theorie der wesentlichen Bedingung" sein muss. Soweit Nichtjuristen sich zu solchen juristischen Problemen äußern, liegen keine Stellungnahmen eines Sachverständigen, möglicherweise aber dennoch bedenkenswerte oder richtige Argumente vor. In keinem Fall durfte das LSG davon absehen, den aktuellen Stand der anerkannten medizinischen Erfahrung über durch Unfälle verursachte Bandscheibenvorfälle festzustellen.

75

e) Es ist nicht tunlich (§ 170 Abs 2 Satz 2 SGG), dass das BSG das Bestehen und den Inhalt des von der Beklagten behaupteten oder eines sonstigen aktuell anerkannten medizinischen Erfahrungssatzes über die Verursachung von Bandscheibenvorfällen durch Unfalleinwirkungen und dessen generelle Anwendungsbedingungen selbst feststellt. Zwar gehören solche generellen Erfahrungssätze dem revisiblen Bundesrecht (§ 162 SGG) an. Jedoch bedürfte es zu einer Entscheidung darüber, ob im Fall des Klägers die Vorgaben eines solchen Erfahrungssatzes erfüllt sind, der Feststellung von Einzelfalltatsachen und deren fachgerechte Zuordnung zum generellen medizinischen Erfahrungssatz. Das BSG müsste daher voraussichtlich nach Klärung des generellen Standes der anerkannten Erfahrung die Sache dennoch an das LSG zurückverweisen, dem die Feststellung von Tatsachen des Einzelfalles grundsätzlich vorbehalten ist.

76

Das LSG wird folglich nach der Zurückverweisung durch Einholung von Sachverständigengutachten und die anderen aufgezeigten Ermittlungsmöglichkeiten festzustellen haben, ob der von der Beklagten behauptete wissenschaftliche Erfahrungssatz oder ein anderer von der Mehrheit der Wissenschaftler des einschlägigen medizinischen Wissenschaftszweiges vertreten wird.

77

Lässt sich dies zur vollen richterlichen Überzeugung bejahen, so ist er nebst seinen in gleicher Weise wissenschaftlich anerkannten generellen Anwendungsbedingungen der (mindestens im richterlichen Beweisgrad der juristischen Wahrscheinlichkeit zu treffenden) Feststellung zwingend zugrunde zu legen, ob im vorliegenden Fall die versicherte Einwirkung faktische Mitursache des Bandscheibenvorfalls C 6/7 war. Stellt das LSG hingegen fest, dass nicht dieser Erfahrungssatz, sondern ein anderer entsprechend anerkannt ist, ist dieser zwingend maßgeblich. In jedem Fall ist dann über die Mitursächlichkeit der Testfahrt und der durch sie verursachten Einwirkung für den Vorfall C 6/7 und dabei auch der Mitverursachungsanteil anderer Wirkursachen zu entscheiden.

78

5. Von diesen Feststellungen darf das LSG nicht wegen der zweiten Zurechnungsstufe, der rechtlichen "Wesentlichkeit" der Wirkursache für den Schaden, absehen. Das LSG hat nämlich in seinem Beschluss den dargelegten bundesrechtlichen Begriff der Wesentlichkeit unzutreffend auf den Bereich der objektiven Verursachung angewandt. Er betrifft aber allein die zweite Stufe der Zurechnung. Auf ihr geht es ausschließlich um die Rechtsfrage, ob die auf der ersten Stufe abschließend festzustellende faktische Mitverursachung des Gesundheitsschadens durch die versicherte Verrichtung/versicherte Einwirkung überhaupt ein versichertes Risiko der Beschäftigtenversicherung verwirklicht hat. Ggf hängt - wie oben gezeigt - diese Rechtserheblichkeit davon ab, ob unversicherte Mitursachen und ihr Mitwirkungsanteil nach Maßgabe des Schutzzwecks der jeweiligen Versicherung in einer Gesamtabwägung dieser Umstände des Einzelfalls die Schadensverursachung derart prägen, dass dieser nicht mehr dem Schutzbereich der Versicherung, sondern dem allgemeinen Lebensrisiko unterfällt.

79

Hierbei geht es ausschließlich um rechtliche Bewertungen (Auslegung und Subsumtion). Die Wirkursachen und ihre Mitwirkungsanteile (Tatsachenfrage) sind bereits auf der ersten Stufe der objektiven Verursachung abschließend festzustellen. Insbesondere kann die ordnungsgemäße Tatsachenfeststellung auf der ersten Stufe nicht durch Wertungen auf der zweiten ersetzt werden.

80

Das LSG wird daher, falls es auf der ersten Stufe die objektive Verursachung des Bandscheibenvorfalls durch die versicherte Verrichtung/Einwirkung nach neuer Prüfung bejahen wird, auf der zweiten Stufe erstmals die vorgenannte Rechtsfrage beantworten müssen.

81

6. Das LSG wird auch abschließend über die Kosten des Rechtsstreits zu befinden haben.

Tenor

I.

Die Berufung gegen das Urteil des Sozialgerichts München vom 14. August 2013 wird zurückgewiesen.

II.

Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.

III.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand

Streitig ist, ob dem Kläger aufgrund des Unfallereignisses vom 20. Juli 2006 eine Verletztenrente zu gewähren ist.

Der 1971 geborene Kläger war zum Unfallzeitpunkt bei der A. AG bei der Karosserie-Aufbaulinie A3 beschäftigt. Er verletzte sich am 20. Juli 2006 am Handgelenk und an der Schulter, als sich ein verklemmter Kappenfräser löste. Er wurde von dem schweren Maschinenteil an der linken Schulter und am Rücken getroffen und zu Boden geworfen. Nach dem Bericht des Durchgangsarztes Dr. L. vom 20. Juli 2006 bestanden eine Prellung des rechten Unterarms, eine Prellung des linken Schulterblattes sowie eine Schürfwunde. Eine Fraktur wurde nicht diagnostiziert. Es bestand weiter Arbeitsfähigkeit. Im Nachschaubericht vom 12. Oktober 2006 gab Dr. L. als Befund eine Prellung rechter Unterarm, linkes Schulterblatt, eine Schürfwunde sowie eine Myogelose Schulter und Rücken an. Seit zwei Wochen übe der Kläger eine neue Tätigkeit mit regelmäßigem Heben von 5 kg aus; es seien jetzt Schmerzen und eine Verspannung im Bereich der mittleren Brustwirbelsäule (BWS) und Reibegeräusche in der rechten Schulter mit gelegentlichen ziehenden Schmerzen aufgetreten. Im Bericht vom 6. Januar 2007 werden nach Angabe des Klägers immer wieder Schmerzen und Verspannungen der BWS und des rechten Schultergelenks, die sich mit wechselnder Arbeitstätigkeit Anfang Oktober 2006 verstärkt hätten, berichtet.

Eine Kernspintomographie der HWS vom 2. Oktober 2007 zeigte einen kleinen rechtsparamedianen Bandscheibenvorfall im Segment HWK 3/4 ohne Nachweis einer Myelpathie oder einer Einengung des Spinalkanals. Dr. D. diagnostizierte am 4. Oktober 2007 ein leichtgradiges Sulcus-Ulnaris-Syndrom rechts/links eher als Radikulopathie C 8. Mit Nachschaubericht des Dr. L. vom 10. Januar 2008 wird von der Angabe des Klägers über Schmerzen seit dem Unfall in beiden Schulterblättern berichtet, beide Schultern waren im Befund mit normaler Funktion, die Halswirbelsäule (HWS) frei, leichte Verspannung paravertebral. Mit Krankheitsbericht des Dr. L. vom 28. Januar 2008 wird auf ein Begehren des Klägers, eine neu entdeckte BWS-Verletzung von der Beklagten anerkannt zu bekommen, hingewiesen.

Eine Kernspintomographie der HWS vom 30. Januar 2008 ergab einen im Vergleich zur Voruntersuchung vom 2. Juli 2007 unveränderten Befund mit unverändert kleinem rechtsparamedian betontem Bandscheibenprolaps im Segment HWK 3/4 mit initialen ossären Abstützreaktionen.

In dem Bericht über die Kernspintomographie des linken Schultergelenks vom 13. März 2008 wird über aktivierte AC-Gelenksarthrose, deutliche Auftreibung des AC-Gelenks berichtet. Hierbei könne es sich auch um eine posttraumatische Veränderung handeln. Laut Unfallklinik M. vom 14. April 2008 bestand eine Gelenksprengung Typ Rockwood I rechts, eine Ruptur des Diskus articularis, aufgrund derer sich im Laufe der Zeit eine AC-Gelenksarthrose ausbilden würde. Ferner bestünden eine Bandscheibenprotrusion BWK 7/8 und ein Bandscheibenprolaps HWK 3/4. Im Abschlussbericht vom 28. April 2008 der Unfallklinik M. wird über eine arthroskopische AC-Gelenksresektion linke Schulter vom 21.04.2008 berichtet. Intraartikulär habe sich eine Auffaserung des superioren Labrumkomplexes im Sinne einer SLAP 1-Läsion gezeigt, die wahrscheinlich nicht unfallbedingt sei. Des Weiteren sei eine arthroskopische AC-Gelenksresektion erfolgt. Der Kläger habe während des gesamten Aufenthalts fortwährend Schmerzen im Halswirbelsäulenbereich mit Kribbelparästhesien des rechten Unterarms und der Hand geklagt.

Es folgten weitere ärztliche Behandlungen, insbesondere auch der Schulter, u. a. bei Dr. H., in der Unfallklinik M., bei Herrn Dr. S. und in den Kliniken Dr. E. in den Jahren 2008 und 2009. Im Bericht über ein MRT linkes Schultergelenk vom 3. September 2008 des Dr. P. wird der postoperative Zustand mit Veränderungen im AC-Gelenk beschrieben. Bzgl. MRT der HWS vom 3. September 2008 wird von Dr. P. über einen Diskusprolaps HWK 3 /4 berichtet, Streckhaltung der oberen und mittleren HWS im Liegen, keine das Altersmaß überschreitenden degenerativen Veränderungen. Weiter liegt ein Bericht über die Kernspintomographie des Neurocraniums vom 30. September 2008 vor.

Auf weitere Berichte v.a. des Dr. H., Kliniken Dr. E., vom 9. Oktober 2008, der Klinik B. F. vom 7. Oktober 2008 über berufliche Rehabilitation seit 5. August 2008, des Neurologen und Psychiaters Prof. Dr. G. vom 3. November 2008, des Neurochirurgen Dr. C. vom 23. April 2008, den vorläufigen Entlassungsbericht der B.-Klinik vom 19. Januar 2009 über stationäre Reha-Behandlung vom 5. August 2008 bis 20. Januar 2009 sowie den ärztlichen Entlassungsbericht der Klinik B. vom 25. Februar 2009 (als Diagnosen werden neben den Reha-Diagnosen bzgl. der linken Schulter als weitere Diagnosen kleiner Bandscheibenprolaps C 3 /4 sowie Anpassungsstörung im Rahmen Persönlichkeitsstörung genannt) wird verwiesen.

Die Beklagte holte im Rahmen der ersten Rentengutachten ein neurologisches Zusatzgutachten zum Rentengutachten vom 27. März 2009 der Dipl.Med. B. R. ein. Als wesentliche Unfallfolgen bestünde ein Zustand nach Acromioclavikularruptur Tossy links mit ACG-Arthrose. Aus neurologischer Sicht bestehe keine unfallbedingte Minderung der Erwerbsfähigkeit (MdE).

In dem von der Beklagten eingeholten Gutachten auf psychiatrischem Gebiet des Prof. Dr. P. vom 17. Juli 2009 werden als Diagnosen für die Zeit nach dem Arbeitsunfall bis zu einem zweiten Arbeitsunfall am 8. Dezember 2007, bei dem sich der Kläger den Kopf bei einem Sprung nach oben an einer Absaugung gestoßen hat, eine depressive Episode leichten Grades, für die Zeit danach eine depressive Episode mittleren bis schweren Grades beschrieben. Die MdE betrage hierfür 15 v. H. bzw. 60 v. H. Durch die Geburt der jüngsten Tochter (mit gesundheitlicher Einschränkung) im Juli 2007 sei es zu einer geringfügigen Befundverschlechterung gekommen. Die Befundverschlechterung stehe jedoch nicht in kausalem Zusammenhang mit den Arbeitsunfällen. Eine somatoforme Schmerzstörung sei nicht gegeben.

Im unfallchirurgischen Gutachten des Dr. S. vom 27. Juli 2009 wird eine seitengleich ausgebildete Muskulatur an Ober- und Unterarmen geschildert, auch die Handflächenbeschwielung sei seitengleich. Aus den aktuellen Röntgenaufnahmen der linken Schulter ergebe sich kein Hinweis auf ein auffälliges Impingement, die Knochenstruktur sei regelrecht. Der Gutachter nannte als Diagnosen eine AC-Gelenksverletzung Typ Rockwood I linke Schulter, AC-Gelenksarthrose posttraumatisch und unfallunabhängig eine SLAP 1-Läsion linke Schulter sowie eine Bandscheibenprotrusion HWK 3/4. Es lägen Unfallfolgen vor bzgl. Bewegungseinschränkung linke Schulter, Kraftverlust linker Arm, röntgenologische Veränderungen mit lateraler Clavikularesektion bei deutlichen Aggravationstendenzen. Die MdE wurde auf 10 v. H. eingeschätzt. Der Sachverständige wies auf eine deutliche Diskrepanz zwischen angegebenen Beschwerden und tatsächlich objektivierbaren Unfallverletzungsfolgen hin.

Mit beratungsärztlicher Stellungnahme des Prof. Dr. G. wurde eine erneute Begutachtung auf psychiatrischem Fachgebiet empfohlen. Der Klägerbevollmächtigte teilte am 14. Oktober 2009 mit, es werde keine neue Begutachtung im Verwaltungsverfahren gewünscht.

Mit ergänzender Stellungnahme des Dr. P. vom 29. Dezember 2009 wies dieser auf das Fehlen psychiatrischer Vorerkrankungen vor dem ersten Arbeitsunfall hin. Beide Unfallgeschehen seien generell geeignet, psychiatrische Erkrankungen auszulösen. Das erste Unfallereignis sei mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit ursächlich und wesentlich für die depressive Episode leichten Grades. Der zweite Arbeitsunfall sei lediglich Gelegenheitsursache für die Verschlechterung. Zu diesem Zeitpunkt habe eine psychiatrische Vorerkrankung nach dem ersten Arbeitsunfall bestanden. Bislang bestehe keine ausreichende psychiatrische Behandlung. Es liege zum Nachuntersuchungszeitpunkt eine Besserung der MdE auf 50 v. H. vor, anzustreben sei ein rehabilitative Wiedereinstieg am Arbeitsplatz mit dem Ziel leichterer Tätigkeiten.

In der beratungsärztlichen Stellungnahme des Dr. K. vom 8. April 2010 wird ein im Vollbeweis vorliegender psychischer Primärschaden in Abrede gestellt. Eine messbare unfallbedingte MdE auf psychiatrischem Fachgebiet bestehe bzgl. des Unfalls vom 20. Juli 2006 und auch bzgl. des Unfalls vom 8. Dezember 2007 nicht.

Mit Bescheid vom 12. Mai 2010 erkannte die Beklagte den Arbeitsunfall vom 20. Juli 2006 an mit den Unfallfolgen: „Linke Schulter: Nach einer Verrenkung des Schultereckgelenkes mit Zerrung des Kapsel-/Bandapparates (Rockwood I) bestehen noch: Bewegungseinschränkungen des Schultergelenkes, röntgenologische Veränderungen des Schultereckgelenkes mit Teilentfernung des äußeren Anteils des Schlüsselbeins, Kraftverlust des Armes, belastungsabhängige Beschwerden.“ Nicht als Folgen des Arbeitsunfalls wurden anerkannt die Folgen des Arbeitsunfalls vom 8. Dezember 2007, eine depressive Episode mittleren bis schweren Grades, eine Verletzung der Knorpellippe am oberen Rand der Schulterpfanne (SLAP Läsion), Bandscheibenschädigungen zwischen dem 3. und 4. HWK. Eine Verletztenrente sei nicht zu gewähren.

Den Widerspruch wies die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 24. Februar 2011 zurück. Zu den im Widerspruchsverfahren vorgelegten MRT-Bildern der linken und rechten Schulter hatte die Beklagte eine Stellungnahme des Prof. Dr. B. vom 18. Januar 2011 eingeholt. Anlässlich der MRT-Untersuchungen im September 2010 habe ein leichtgradiger Reizzustand des Schulterdachgleitbeutels (Bursitis subacromialis) und ein leichter Reizzustand des ehemaligen Schultereckgelenks vorgelegen.

Hinsichtlich des Arbeitsunfalls vom 8. Dezember 2007 lehnte die Beklagte mit Bescheid vom 12. Mai 2010 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 24. Februar 2011 die Anerkennung eines Arbeitsunfalls und die Feststellung von Unfallfolgen ab. Die hiergegen gerichtete Klage vor dem Sozialgericht München (Az.: S 9 U 187/11) hat der Kläger in der mündlichen Verhandlung vom 14. August 2013 zurückgenommen.

Hinsichtlich des Bescheides vom 12. Mai 2010 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 24. Februar 2011, der den Arbeitsunfall vom 20. Juli 2006 betraf, hat der Kläger ebenfalls Klage zum Sozialgericht München erhoben. Er hat zur Begründung eine Darstellung des Unfallhergangs (Schleudern mit Oberkörper, Kopf und Nackenbereich gegen Robotersockel, Bewusstlosigkeit nach dem Unfall) und der nachfolgenden Behandlungen vorgelegt.

Das Sozialgericht hat aktuelle Befundberichte eingeholt und den Orthopäden Dr. K. sowie den Arzt für Neurologie und Psychiatrie Dr. D. mit der Erstellung eines Gutachtens beauftragt.

Dr. K. hat in seinem Gutachten vom 5. November 2011 die Ansicht vertreten, dass die MdE weniger als 10 v. H. betrage. Allerdings sei bereits der Unfallhergang bzw. -zusammenhang fraglich, wegen der wohl großen Gewalteinwirkung sei jedoch der Unfall als wesentliche Teilursache der aufgetretenen Schultereckgelenksschädigung anzusehen.

Dr. D. hat in seinem Gutachten auf neurologisch-psychiatrischem Fachgebiet vom

3. März 2012 dargelegt, dass bei dem Unfall Gesundheitsstörungen als Unfallfolgen auf neurologisch-psychiatrischem Fachgebiet nicht aufgetreten seien. Erstmals etwa zwei Jahre nach dem Unfall seien psychische Auffälligkeiten zu beobachten gewesen, zu werten als Zeichen einer beginnenden psychogenen Fehlverarbeitung tendenzieller Ausrichtung. Diese seien nicht als Unfallfolgen anzusehen, sondern als Folge von Persönlichkeitseigentümlichkeiten. Vorbestehende Leiden seien durch den Unfall auch nicht verschlimmert worden. Hinsichtlich der MdE hat der Sachverständige auf das Gutachten des Dr. K. verwiesen.

Mit Bericht vom 30. Juli 2012 der BG-Unfallklinik M. wird über Behandlung am gleichen Tag berichtet. Es wird angeführt, dass nach der letzten MRT-Untersuchung wesentliche Unfallfolgen nicht mehr nachzuweisen seien. Es liege eine erhebliche psychosomatische Überlagerung vor. Es erging Empfehlung einer psychosomatischen Behandlung, allerdings zulasten der Krankenkasse.

Das Sozialgericht hat auf Antrag des Klägers nach § 109 Sozialgerichtsgesetz (SGG) ein Gutachten des Prof. Dr. W. auf neurologischem und psychiatrischem Fachgebiet vom 25. Januar 2013 eingeholt. Bei nach dem Unfall fortbestehenden Schmerzen sei eine Gelenksprengung Typ Rockwood I links diagnostiziert worden. Eine valide diagnostische Einordnung der neuropsychologischen Untersuchungsergebnisse sei nicht möglich. Aufgrund der Schmerzen habe sich eine somatoforme Schmerzstörung entwickelt. Die MdE sei deshalb mit 20 v. H. auf psychiatrischem Fachgebiet anzusetzen. Dabei sei berücksichtigt, dass auch Aggraviationstendenzen vorhanden seien - was jedoch nicht untypisch für somatoforme Schmerzstörungen sei. Im Gegensatz zur Begutachtung bei Herrn

Dr. B./Dr. P. fänden sich keine Hinweise auf Depression oder depressive Phasen. Auf neurologischem Fachgebiet sei keine Schädigung nachzuweisen. Das vom Kläger angeführte Schädelhirntrauma mit sechzehnminütiger Bewusstlosigkeit im Rahmen des Unfalls sei in den Unterlagen nicht dokumentiert.

Im weiterhin übersandten neuropsychologischen Zusatzgutachten vom 14. September 2012 des Prof. Dr. Z. wird hervorgehoben, dass sich insgesamt in den Bereichen Aufmerksamkeit, Lernen, Gedächtnis, exekutive Funktionen durchwegs deutlich beeinträchtigte Leistungen ergeben hätten. Sprach- und Instruktionsverständnis wäre gut gegeben gewesen, die erhaltenen Ergebnisse seien nicht interpretierbar.

Die Kammer hat ferner das in dem Verfahren eingeholte Gutachten des Prof. Dr. W. vom 23. April 2013, das den Arbeitsunfall vom 8. Dezember 2007 betroffen hat, sowie das im Rentenverfahren (Az. S 25 R 174/13) eingeholte sozialgerichtliche Gutachten des Dr. M. vom 16. Juli 2013 beigezogen. Dr. M. hat neben einer leichtgradigen depressiven Episode eine anhaltende somatoforme Schmerzstörung diagnostiziert.

In der mündlichen Verhandlung vom 14. August 2013 hat die Beklagte einen Anspruch des Klägers auf Verletztengeld für den Zeitraum vom 14. April 2008 bis 20. Januar 2009 anerkannt. Im Übrigen hat das Sozialgericht die Klage mit Urteil abgewiesen. Unter Berücksichtigung des Erstschadensbildes, dem Gutachten des Dr. K. und der Fachliteratur werde aus orthopädischer Sicht keine rentenberechtigende MdE von wenigstens 20 v. H. erreicht. Auch weitere Unfallfolgen in Form der von Prof. Dr. W. befürworteten somatoformen Schmerzstörung seien zur Überzeugung des Gerichts nicht anzuerkennen. Diese Diagnose sei nicht gesichert.

Dagegen hat der Kläger Berufung eingelegt und die Einholung eines „Obergutachtens“ auf neurologisch-psychiatrischem Fachgebiet angeregt.

Der gemäß § 109 SGG gehörte Orthopäde Dr. C. hat als Unfallfolgen in seinem Gutachten vom 5. Mai 2014 lediglich eine Prellung des rechten Armes und der rechten Schulter sowie eine Prellung des linken Schulterblattes mit begleitender Schürfverletzung angenommen. Es gelinge nicht der Beweis einer stattgehabten Schultereckgelenksverletzung links. Der festgestellte Bandscheibenvorfall im Bereich der HWS müsse als degenerativ bewertet werden. Sämtliche Unfallfolgen seien bis 12. Oktober 2006 folgenlos ausgeheilt. Eine MdE bestehe nicht.

Zu dem Gutachten des Prof. Dr. W. hat der Senat eine ergänzende Stellungnahme des Dr. D. vom Juli 2014 eingeholt. Dieser hat an seinem Gutachtensergebnis festgehalten. Weder eine undifferenzierte somatoforme Schmerzstörung noch eine somatoforme Schmerzstörung seien in der Diagnosestellung und erst recht nicht als Unfallfolge belegt. Eine psychische Störung sei erst ca. zwei Jahre nach dem Unfall dokumentiert. Daraus allein könne zwar nicht geschlossen werden, dass keine unfallbedingte psychische Störung vorliege und vorgelegen habe. Dies sei aber im Hinblick auf den fachärztlichen Vorbefund (kein auffälliger psychischer Befund bei der Untersuchung durch den Neurologen und Psychiater Dr. D. am 4. Oktober 2007) spekulativ. Soweit Dr. M. neben einer leichtgradigen depressiven Episode eine anhaltende somatoforme Schmerzstörung diagnostiziert habe, sei aus den Befunden nur bedingt nachvollziehbar, wie er zu dieser Diagnose gekommen sei, zumal er in der Beurteilung immer wieder auf erhebliche Aggraviationstendenzen des Klägers hinweise.

Der Durchgangsarzt Dr. S. hat in seinem Befundbericht vom 17. Februar 2014 ein chronisches Schmerzsyndrom an der linken Schulter (ICD 10) diagnostiziert. Die Neurologin und Psychiaterin Dr. W. hat am 5. März 2014 eine Anpassungsstörung und eine anhaltende somatoforme Schmerzstörung festgestellt. Eine konsequente psychiatrisch-psychotherapeutische Behandlung sei nicht erfolgt. Hinsichtlich eines Zusammenhangs mit den Unfallereignissen hat die Ärztin auf die Diskussion in den Gutachten verwiesen.

In der mündlichen Verhandlung vom 11. November 2014 hat der Kläger nochmals den Unfallhergang geschildert und auf seitdem bestehende gravierende gesundheitliche Beeinträchtigungen hingewiesen. Auf die Sitzungsniederschrift wird verwiesen.

Der Kläger beantragt,

das Urteil des Sozialgerichts München vom 14. August 2013 und den Bescheid der Beklagten vom 12. Mai 2010 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 24. Februar 2011 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, ihm für die Folgen des Arbeitsunfalls vom 20. Juli 2006 eine Verletztenrente nach einer MdE von mindestens 20 v. H. zu gewähren.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Im Übrigen wird gemäß § 136 Abs. 2 SGG auf den Inhalt der Akten der Beklagten, der Gerichtsakte des Sozialgerichts sowie der Klage- und Berufungsakte Bezug genommen.

Gründe

Die Berufung des Klägers ist zulässig (§§ 143, 151 SGG), aber unbegründet.

Nicht streitig ist das Vorliegen eines Arbeitsunfalls nach §§ 7 Abs. 1, 8 Abs. 1 des Siebten Buchs Sozialgesetzbuch (SGB VII), der in dem Ereignis vom 20. Juli 2006 zu sehen ist. Die Schilderung des Unfallereignisses durch den Kläger, vor allem in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat, deckt sich im Wesentlichen mit der Schilderung der Arbeitgeberin in der Unfallanzeige. Der Kläger wurde an Rücken und Schulter von dem schweren Maschinenteil getroffen und stürzte zu Boden, wobei er sich auch an der rechten Schulter stieß. Zu Recht weist z. B. auch der vom Kläger benannte Gutachter Prof. Dr. W. darauf hin, dass ein Schädelhirntrauma mit sechzehnminütiger Bewusstlosigkeit nach Aktenlage nicht dokumentiert ist. Es bestehen erhebliche Differenzen zwischen den vorliegenden Befunden - ausgehend von dem Durchgangsarztbericht des Dr. L. vom Unfalltag - und der späteren Darstellung der Schwere des Unfallereignisses durch den Kläger. Mehrere Gutachter verweisen auf die deutlichen Aggravationstendenzen des Klägers; auch objektiv ist festzuhalten, dass der Kläger weiterarbeiten konnte und vom Durchgangsarzt Arbeitsfähigkeit bescheinigt wurde.

Die Beklagte hat mit streitgegenständlichem Bescheid den Arbeitsunfall sowie als Unfallfolgen betreffend der linken Schulter festgestellt: „Nach einer Verrenkung des Schultereckgelenkes mit Zerrung des Kapsel-/Bandapparates (Rockwood I) bestehen noch: Bewegungseinschränkungen des Schultergelenkes, röntgenologische Veränderungen des Schultereckgelenkes mit Teilentfernung des äußeren Anteils des Schlüsselbeins, Kraftverlust des Armes, belastungsabhängige Beschwerden“. Von diesen Unfallfolgen ist zunächst auszugehen, auch wenn nach dem Gutachten des Dr. C. der Nachweis einer Schultereckgelenksverletzung links nicht als Unfallfolge gelingt.

Nach allen Gutachten ergibt sich darüber hinaus übereinstimmend, dass der festgestellte Bandscheibenvorfall BWK 3/4 keine Unfallfolge ist. Auch ergibt sich aus den orthopädischen Gutachten übereinstimmend, dass keine weiteren Unfallfolgen auf diesem Fachgebiet anzuerkennen sind.

Zu entscheiden ist über die Frage, ob sich hieraus ein Anspruch auf eine Rente nach einer MdE um mindestens 20 v. H. ergibt. Das Vorliegen eines Stützrententatbestandes wird von den Beteiligten verneint. Darüber hinaus ist maßgebend, ob auch eine somatoforme Schmerzstörung besteht, die ebenfalls für die Bewertung der MdE zu berücksichtigen wäre.

Versicherte, deren Erwerbsfähigkeit infolge eines Versicherungsfalls über die 26. Woche nach dem Versicherungsfall hinaus um wenigstens 20 v. H. gemindert ist, haben Anspruch auf eine Rente, § 56 Abs. 1 S. 1 SGB VII. Die MdE richtet sich nach dem Umfang der sich aus der Beeinträchtigung des körperlichen und geistigen Leistungsvermögens ergebenden verminderten Arbeitsmöglichkeiten auf dem gesamten Gebiet des Erwerbslebens, § 56 Abs. 2 S. 2 SGB VII. Es ist auf den Maßstab der individuellen Erwerbsfähigkeit des Verletzten vor Eintritt des Versicherungsfalls abzustellen (BSGE 21, 63, 66; vom 26. November 1987, SozR 2200 § 581 Nr. 27; vom 30. Mai 1988, a. a. O., Nr. 28).

Dabei muss die Gesundheitsbeeinträchtigung in einem notwendigen ursächlichen Zusammenhang mit der schädigenden Einwirkung stehen. Die Beurteilung, ob und in welchem Umfang die körperlichen und geistigen Fähigkeiten des Verletzten durch Unfallfolgen beeinträchtigt sind, liegt in erster Linie auf ärztlich-wissenschaftlichem Gebiet. Dabei ist allerdings die Beurteilung der Kausalität im Ergebnis eine Frage der richterlichen Würdigung. Verursacht sind die Gesundheitsstörungen, wenn der Unfall gegenüber sonstigen schädigungsfremden Faktoren wie z. B. Vorerkrankungen nach der medizinisch-wissenschaftlichen Lehrmeinung von überragender Bedeutung für die Entstehung der Gesundheitsstörung war oder zumindest von annähernd gleichwertiger Bedeutung (wesentliche Mitursache). Eine wesentliche Mitursache liegt dann nicht vor, wenn beim Versicherten eine Anlage so stark und leicht ansprechbar war, dass es zur Auslösung akuter Erscheinungen keiner besonderen, in ihrer Art unersetzlicher äußerer Einwirkungen bedurfte, sondern jedes andere alltäglich vorkommende ähnlich gelagerte Ereignis zu derselben Zeit die Erscheinungen ausgelöst hätte. Die für die Bejahung des Zusammenhangs der Gesundheitsstörungen mit dem Arbeitsunfall notwendige Wahrscheinlichkeit liegt vor, wenn nach der medizinisch-wissenschaftlichen Lehrmeinung zu Ätiologie und Pathogenese den für den Zusammenhang sprechenden Umständen ein deutliches Übergewicht zukommt.

Das Sozialgericht hat unter Berücksichtigung der Gutachten des Dr. K. dargelegt, dass auf orthopädischem Fachgebiet eine MdE von 20 v. H. nicht gegeben ist. Das Vorliegen einer somatoformen Schmerzstörung hat das Sozialgericht unter Auswertung der Gutachten des Dr. D. und Prof. Dr. W. als nicht nachgewiesen beurteilt. Der Senat folgt dieser Einschätzung durch das Sozialgericht. Von einer weiteren Darstellung der Entscheidungsgründe wird abgesehen, da der Senat die Berufung aus den Gründen der angefochtenen Entscheidung als unbegründet zurückweist (§ 153 Abs. 2 SGG).

Dies bestätigte sich auch durch die Ermittlungen des Senats im Berufungsverfahren.

Auf orthopädischem Fachgebiet hat der Senat auf Antrag des Klägers das Gutachten des Dr. C. eingeholt, der nur als unfallbedingt eine Prellung des rechten Armes und der rechten Schulter sowie eine Prellung des linken Schulterblattes mit begleitender Schürfverletzung angenommen hat und deshalb im Ergebnis zu keiner MdE gelangt. Sämtliche Unfallfolgen sind nach Ansicht dieses Sachverständigen bis 12. Oktober 2006 folgenlos ausgeheilt. Eine stattgehabte Zerrverletzung des Schultereckgelenks vom Typ Rockwood I hat der Sachverständige als rein hypothetisch angesehen bzw. aufgrund der offensichtlich unfallzeitpunktnahen Beschwerdefreiheit am linken Schultereckgelenk ausgeschlossen. Diese stringente medizinische Bewertung steht, wie dargelegt, im Widerspruch zu den orthopädischen Vorgutachten des Dr. S., der als unfallbedingte Folge eine AC-Gelenksverletzung Typ Rockwood I linke Schulter sowie eine AC-Gelenksarthrose posttraumatisch ansah, und des Dr. K.. Letztere sah die im Unfall aufgetretene deutliche Gewalteinwirkung wenigstens als wesentliche Teilursache der aufgetretenen Schultereckgelenksschädigung an. Gemäß dem Gutachten des Dr. S. hat die Beklagte auch die orthopädischen Unfallfolgen anerkannt. Auch nach diesen beiden Gutachten ergibt sich jedoch keine MdE in Höhe von 20 v. H.

Diese Einschätzung deckt sich auch mit der Fachliteratur. Während unkomplizierte Schultergelenksverrenkungen regelmäßig ohne nennenswerte Schäden ausheilen, ist bei den darüber hinausgehenden Beeinträchtigungen vor allem auf die Bewegungseinschränkungen abzustellen (Schönberger/Mehrtens/Valentin (abgekürzt S/M/V), Arbeitsunfall und Berufskrankheit, 8. Aufl., S. 520 und 523). Beim Kläger besteht ein Impingementsyndrom, d. h. ein Engpasssyndrom. Dr. K. konnte im Rahmen der Untersuchung keine reproduzierbare Bewegungseinschränkung insbesondere hinsichtlich der Überkopfbewegungen feststellen. Auch wenn der Kläger den linken Arm in Schonhaltung am Körper adduziert geführt hat, waren die gemessenen Bewegungsausmaße der Schultergelenke rechts und links identisch. Dr. C. stellte lediglich eine Abweichung bei Seithebung mit Schultergürtel fest (rechts 90 Grad, links 70 Grad); die aktive Schultervorhebung, nach S/M/V das Hauptkriterium (S/M/V, a. a. O; S. 523), war mit 90 Grad seitengleich. Die Entwicklung des Deltamuskels war seitengleich normal. Es zeigte sich links auch keine auffallende Atrophie oder Mindertonisierung. Eine MdE - zumindest in Höhe von 20 v. H. - lässt sich hieraus somit nicht ableiten.

Auf psychiatrischem Fachgebiet ist fraglich, ob eine unfallbedingte somatoforme Schmerzstörung nachgewiesen ist. Nach den im Berufungsverfahren vorgelegten ärztlichen Berichten wie des Dr. S. hat der Kläger Schmerzen im Bereich der linken Schulter; Dr. S. geht von einem chronischen Schmerzsyndrom an der linken Schulter aus. Die Beklagte hat auch belastungsabhängige Beschwerden - neben Bewegungseinschränkungen des Schultergelenks - anerkannt.

Es finden sich auch einige ärztliche Dokumentationen wie das Gutachten des Prof. Dr. W., das Rentengutachten des Dr. M. oder der Arztbrief der Dr. W. vom 5. März 2014, die eine anhaltende somatoforme Schmerzstörung beschreiben. Dabei ergibt sich aber andererseits auch aus diversen Ausführungen, dass eine deutliche Aggraviationstendenz des Klägers besteht. Ferner erfolgt nach Auskunft der behandelnden Neurologin Dr. W. entgegen der Empfehlungen der Gutachter bislang keine konsequente psychiatrisch-psychotherapeutische Behandlung.

Dr. D. hat in seiner ergänzenden Stellungnahme ausgeführt, dass weder die Diagnose einer undifferenzierten somatoformen Schmerzstörung noch einer somatoformen Schmerzstörung belegt ist und erst recht nicht als Unfallfolge anzuerkennen ist. Eine psychische Störung ist erst ca. zwei Jahre nach dem Unfall dokumentiert. Die fachärztlichen Vorbefunde waren zwischen dem Unfallereignis und der ersten Befunderhebung unauffällig, so bei der Untersuchung durch den Neurologen und Psychiater Dr. D. am 4. Oktober 2007. Auch aus dem Gutachten des Prof. Dr. W. ergeben sich hinsichtlich der Frage der Unfallkausalität - bei Annahme der Diagnose einer somatoformen Schmerzstörung - Anhaltspunkte für Zweifel auch des Sachverständigen, wenn er auf S. 84 seines Gutachtens ausführt: „Soweit der Kausalzusammenhang bejaht wird“. Darüber hinaus stellt der Sachverständige z. B. im Rahmen des strukturierten klinischen Interviews stark auf die Angaben des Klägers (z. B. auf S. 59: (...)“nach seinen Aussagen“) ab. Die Ursachen somatoformer Schmerzstörungen sind, wie Prof. Dr. W. auch ausführt, vielfältig. Es spielen die genetische Vulnerabilität sowie die Persönlichkeitseigenschaften eine wichtige Rolle. Der Unfall stellt somit auch nach Prof. Dr. W. nur eine Teilursache, wenn auch eine wesentliche, dar.

Die Neurologin und Psychiaterin Dr. R. diagnostizierte am 4. August 2008 erstmals eine somatoforme Schmerzstörung, es fiel aber bereits eine deutliche Somatisierungstendenz auf, die Beschwerdeschilderung war teils demonstrativ und kaum nachvollziehbar, Aggravationstendenzen waren nicht auszuschließen. Vor dem Hintergrund der erst spät dokumentierten psychischen Befunde und den Verdeutlichungstendenzen hält der Senat die Ausführung des Dr. D. für überzeugend, dass es sich insgesamt nicht um eine unfallbedingte Gesundheitsstörung, sondern um tendenzielle Verhaltensweisen im Sinne einer psychogenen Fehlverarbeitung tendenzieller Ausrichtung handelt. Der Sachverständige sieht hier die wesentliche Ursache nicht in dem Unfallereignis, sondern in den Persönlichkeitseigentümlichkeiten, so dass eine Berücksichtigung bei der MdE-Bewertung nicht erfolgen kann.

Auch die Unfallklinik M. ist bereits im Juli 2012 zu dem Ergebnis gelangt, nachdem die letzte MRT-Untersuchung ergeben hat, dass wesentliche Unfallfolgen nicht mehr nachgewiesen werden können, dass ein vernünftiger Behandlungsansatz fehlt. Es konnten weder Reizzustände noch andersartige Gewebeveränderungen festgestellt werden, die als Erklärung für die vorgetragene Schmerzhaftigkeit in der Schulter in Betracht kommen. Das Ausmaß der verbliebenen Unfallfolgen war objektiv aufgrund unverkennbarer Verdeutlichungstendenzen nur sehr schwer zu messen. Es wurde im Ergebnis eine erhebliche psychosomatische Überlagerung angenommen, so dass als der einzige denkbare Therapieansatz eine psychosomatische Behandlung vorgeschlagen wurde, allerdings zulasten der Krankenkasse.

Der Senat ist daher zu der Überzeugung gelangt, dass keine unfallbedingte somatoforme Schmerzstörung vorliegt, sondern eine Persönlichkeitseigentümlichkeit im Vordergrund steht. Aber auch bei Annahme einer Schmerzstörung ergäbe sich bei der Bewertung der MdE kein abweichendes Ergebnis, wie dies oben unter Bezugnahme auf die Fachliteratur bereits dargelegt wurde. Die beim Kläger festgestellten Bewegungsmaße lassen nur eine geringfügige Bewegungseinschränkung erkennen. Eine Muskeldifferenz im Bereich der Oberarme ist nicht gegeben. Dabei ist der Kläger von kräftiger Statur, der Muskelumfang 15 cm oberhalb des Gelenkspaltes wurde von Dr. C. mit jeweils 35 cm seitengleich gemessen. Dies spricht nicht für ein Ausmaß der Schmerzen, das zu einer MdE in Höhe von 20 v. H. führen würde.

Eine depressive Episode, wie von Dr. B./Dr. P. beschrieben, bestätigte sich in den letzten Gutachten nicht. Ausdrücklich weist hierauf auch Prof. Dr. W. hin.

Nicht ausreichend für die Gewährung einer Verletztenrente ist ein Vorbringen, vor dem Unfallereignis gesund gewesen zu sein und seitdem unter verschiedenen gesundheitlichen Beeinträchtigungen zu leiden. Allein der zeitliche Zusammenhang zwischen einem Unfallereignis und Gesundheitsschäden ist nicht ausreichend.

Die Berufung des Klägers war daher zurückzuweisen.

Die Kostenfolge stützt sich auf § 193 SGG.

Die Revision war nicht zuzulassen, weil Gründe nach § 160 Abs. 2 Nrn. 1 und 2 SGG nicht vorliegen.

Das Verfahren vor den Gerichten der Sozialgerichtsbarkeit ist für Versicherte, Leistungsempfänger einschließlich Hinterbliebenenleistungsempfänger, behinderte Menschen oder deren Sonderrechtsnachfolger nach § 56 des Ersten Buches Sozialgesetzbuch kostenfrei, soweit sie in dieser jeweiligen Eigenschaft als Kläger oder Beklagte beteiligt sind. Nimmt ein sonstiger Rechtsnachfolger das Verfahren auf, bleibt das Verfahren in dem Rechtszug kostenfrei. Den in Satz 1 und 2 genannten Personen steht gleich, wer im Falle des Obsiegens zu diesen Personen gehören würde. Leistungsempfängern nach Satz 1 stehen Antragsteller nach § 55a Absatz 2 Satz 1 zweite Alternative gleich. § 93 Satz 3, § 109 Abs. 1 Satz 2, § 120 Absatz 1 Satz 2 und § 192 bleiben unberührt. Die Kostenfreiheit nach dieser Vorschrift gilt nicht in einem Verfahren wegen eines überlangen Gerichtsverfahrens (§ 202 Satz 2).

(1) Das Gericht hat im Urteil zu entscheiden, ob und in welchem Umfang die Beteiligten einander Kosten zu erstatten haben. Ist ein Mahnverfahren vorausgegangen (§ 182a), entscheidet das Gericht auch, welcher Beteiligte die Gerichtskosten zu tragen hat. Das Gericht entscheidet auf Antrag durch Beschluß, wenn das Verfahren anders beendet wird.

(2) Kosten sind die zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung notwendigen Aufwendungen der Beteiligten.

(3) Die gesetzliche Vergütung eines Rechtsanwalts oder Rechtsbeistands ist stets erstattungsfähig.

(4) Nicht erstattungsfähig sind die Aufwendungen der in § 184 Abs. 1 genannten Gebührenpflichtigen.

Mehrere Klagebegehren können vom Kläger in einer Klage zusammen verfolgt werden, wenn sie sich gegen denselben Beklagten richten, im Zusammenhang stehen und dasselbe Gericht zuständig ist.

(1) Arbeitsunfälle sind Unfälle von Versicherten infolge einer den Versicherungsschutz nach § 2, 3 oder 6 begründenden Tätigkeit (versicherte Tätigkeit). Unfälle sind zeitlich begrenzte, von außen auf den Körper einwirkende Ereignisse, die zu einem Gesundheitsschaden oder zum Tod führen. Wird die versicherte Tätigkeit im Haushalt der Versicherten oder an einem anderen Ort ausgeübt, besteht Versicherungsschutz in gleichem Umfang wie bei Ausübung der Tätigkeit auf der Unternehmensstätte.

(2) Versicherte Tätigkeiten sind auch

1.
das Zurücklegen des mit der versicherten Tätigkeit zusammenhängenden unmittelbaren Weges nach und von dem Ort der Tätigkeit,
2.
das Zurücklegen des von einem unmittelbaren Weg nach und von dem Ort der Tätigkeit abweichenden Weges, um
a)
Kinder von Versicherten (§ 56 des Ersten Buches), die mit ihnen in einem gemeinsamen Haushalt leben, wegen ihrer, ihrer Ehegatten oder ihrer Lebenspartner beruflichen Tätigkeit fremder Obhut anzuvertrauen oder
b)
mit anderen Berufstätigen oder Versicherten gemeinsam ein Fahrzeug zu benutzen,
2a.
das Zurücklegen des unmittelbaren Weges nach und von dem Ort, an dem Kinder von Versicherten nach Nummer 2 Buchstabe a fremder Obhut anvertraut werden, wenn die versicherte Tätigkeit an dem Ort des gemeinsamen Haushalts ausgeübt wird,
3.
das Zurücklegen des von einem unmittelbaren Weg nach und von dem Ort der Tätigkeit abweichenden Weges der Kinder von Personen (§ 56 des Ersten Buches), die mit ihnen in einem gemeinsamen Haushalt leben, wenn die Abweichung darauf beruht, daß die Kinder wegen der beruflichen Tätigkeit dieser Personen oder deren Ehegatten oder deren Lebenspartner fremder Obhut anvertraut werden,
4.
das Zurücklegen des mit der versicherten Tätigkeit zusammenhängenden Weges von und nach der ständigen Familienwohnung, wenn die Versicherten wegen der Entfernung ihrer Familienwohnung von dem Ort der Tätigkeit an diesem oder in dessen Nähe eine Unterkunft haben,
5.
das mit einer versicherten Tätigkeit zusammenhängende Verwahren, Befördern, Instandhalten und Erneuern eines Arbeitsgeräts oder einer Schutzausrüstung sowie deren Erstbeschaffung, wenn diese auf Veranlassung der Unternehmer erfolgt.

(3) Als Gesundheitsschaden gilt auch die Beschädigung oder der Verlust eines Hilfsmittels.

(1) Versicherte haben nach Maßgabe der folgenden Vorschriften und unter Beachtung des Neunten Buches Anspruch auf Heilbehandlung einschließlich Leistungen zur medizinischen Rehabilitation, auf Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben und zur Sozialen Teilhabe, auf ergänzende Leistungen, auf Leistungen bei Pflegebedürftigkeit sowie auf Geldleistungen. Die Leistungen werden auf Antrag durch ein Persönliches Budget nach § 29 des Neunten Buches erbracht; dies gilt im Rahmen des Anspruchs auf Heilbehandlung nur für die Leistungen zur medizinischen Rehabilitation.

(2) Der Unfallversicherungsträger hat mit allen geeigneten Mitteln möglichst frühzeitig

1.
den durch den Versicherungsfall verursachten Gesundheitsschaden zu beseitigen oder zu bessern, seine Verschlimmerung zu verhüten und seine Folgen zu mildern,
2.
den Versicherten einen ihren Neigungen und Fähigkeiten entsprechenden Platz im Arbeitsleben zu sichern,
3.
Hilfen zur Bewältigung der Anforderungen des täglichen Lebens und zur Teilhabe am Leben in der Gemeinschaft sowie zur Führung eines möglichst selbständigen Lebens unter Berücksichtigung von Art und Schwere des Gesundheitsschadens bereitzustellen,
4.
ergänzende Leistungen zur Heilbehandlung und zu Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben und zur Sozialen Teilhabe zu erbringen,
5.
Leistungen bei Pflegebedürftigkeit zu erbringen.

(3) Die Leistungen zur Heilbehandlung und zur Rehabilitation haben Vorrang vor Rentenleistungen.

(4) Qualität und Wirksamkeit der Leistungen zur Heilbehandlung und Teilhabe haben dem allgemein anerkannten Stand der medizinischen Erkenntnisse zu entsprechen und den medizinischen Fortschritt zu berücksichtigen. Sie werden als Dienst- und Sachleistungen zur Verfügung gestellt, soweit dieses oder das Neunte Buch keine Abweichungen vorsehen.

(5) Die Unfallversicherungsträger bestimmen im Einzelfall Art, Umfang und Durchführung der Heilbehandlung und der Leistungen zur Teilhabe sowie die Einrichtungen, die diese Leistungen erbringen, nach pflichtgemäßem Ermessen. Dabei prüfen sie auch, welche Leistungen geeignet und zumutbar sind, Pflegebedürftigkeit zu vermeiden, zu überwinden, zu mindern oder ihre Verschlimmerung zu verhüten.

(1) Verletztengeld wird erbracht, wenn Versicherte

1.
infolge des Versicherungsfalls arbeitsunfähig sind oder wegen einer Maßnahme der Heilbehandlung eine ganztägige Erwerbstätigkeit nicht ausüben können und
2.
unmittelbar vor Beginn der Arbeitsunfähigkeit oder der Heilbehandlung Anspruch auf Arbeitsentgelt, Arbeitseinkommen, Krankengeld, Pflegeunterstützungsgeld, Verletztengeld, Versorgungskrankengeld, Übergangsgeld, Unterhaltsgeld, Kurzarbeitergeld, Arbeitslosengeld, nicht nur darlehensweise gewährtes Bürgergeld nach § 19 Absatz 1 Satz 1 des Zweiten Buches oder nicht nur Leistungen für Erstausstattungen für Bekleidung bei Schwangerschaft und Geburt nach dem Zweiten Buch oder Mutterschaftsgeld hatten.

(2) Verletztengeld wird auch erbracht, wenn

1.
Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben erforderlich sind,
2.
diese Maßnahmen sich aus Gründen, die die Versicherten nicht zu vertreten haben, nicht unmittelbar an die Heilbehandlung anschließen,
3.
die Versicherten ihre bisherige berufliche Tätigkeit nicht wieder aufnehmen können oder ihnen eine andere zumutbare Tätigkeit nicht vermittelt werden kann oder sie diese aus wichtigem Grund nicht ausüben können und
4.
die Voraussetzungen des Absatzes 1 Nr. 2 erfüllt sind.
Das Verletztengeld wird bis zum Beginn der Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben erbracht. Die Sätze 1 und 2 gelten entsprechend für die Zeit bis zum Beginn und während der Durchführung einer Maßnahme der Berufsfindung und Arbeitserprobung.

(3) Werden in einer Einrichtung Maßnahmen der Heilbehandlung und gleichzeitig Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben für Versicherte erbracht, erhalten Versicherte Verletztengeld, wenn sie arbeitsunfähig sind oder wegen der Maßnahmen eine ganztägige Erwerbstätigkeit nicht ausüben können und die Voraussetzungen des Absatzes 1 Nr. 2 erfüllt sind.

(4) Im Fall der Beaufsichtigung, Betreuung oder Pflege eines durch einen Versicherungsfall verletzten Kindes gilt § 45 des Fünften Buches entsprechend mit der Maßgabe, dass

1.
das Verletztengeld 100 Prozent des ausgefallenen Nettoarbeitsentgelts beträgt und
2.
das Arbeitsentgelt bis zu einem Betrag in Höhe des 450. Teils des Höchstjahresarbeitsverdienstes zu berücksichtigen ist.
Erfolgt die Berechnung des Verletztengeldes aus Arbeitseinkommen, beträgt dies 80 Prozent des erzielten regelmäßigen Arbeitseinkommens bis zu einem Betrag in Höhe des 450. Teils des Höchstjahresarbeitsverdienstes.

(1) Verletztengeld wird von dem Tag an gezahlt, ab dem die Arbeitsunfähigkeit ärztlich festgestellt wird, oder mit dem Tag des Beginns einer Heilbehandlungsmaßnahme, die den Versicherten an der Ausübung einer ganztägigen Erwerbstätigkeit hindert.

(2) Die Satzung kann bestimmen, daß für Unternehmer, ihre Ehegatten oder ihre Lebenspartner und für den Unternehmern nach § 6 Abs. 1 Nr. 2 Gleichgestellte Verletztengeld längstens für die Dauer der ersten 13 Wochen nach dem sich aus Absatz 1 ergebenden Zeitpunkt ganz oder teilweise nicht gezahlt wird. Satz 1 gilt nicht für Versicherte, die bei einer Krankenkasse mit Anspruch auf Krankengeld versichert sind.

(3) Das Verletztengeld endet

1.
mit dem letzten Tag der Arbeitsunfähigkeit oder der Hinderung an einer ganztägigen Erwerbstätigkeit durch eine Heilbehandlungsmaßnahme,
2.
mit dem Tag, der dem Tag vorausgeht, an dem ein Anspruch auf Übergangsgeld entsteht.
Wenn mit dem Wiedereintritt der Arbeitsfähigkeit nicht zu rechnen ist und Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben nicht zu erbringen sind, endet das Verletztengeld
1.
mit dem Tag, an dem die Heilbehandlung so weit abgeschlossen ist, daß die Versicherten eine zumutbare, zur Verfügung stehende Berufs- oder Erwerbstätigkeit aufnehmen können,
2.
mit Beginn der in § 50 Abs. 1 Satz 1 des Fünften Buches genannten Leistungen, es sei denn, daß diese Leistungen mit dem Versicherungsfall im Zusammenhang stehen,
3.
im übrigen mit Ablauf der 78. Woche, gerechnet vom Tag des Beginns der Arbeitsunfähigkeit an, jedoch nicht vor dem Ende der stationären Behandlung.

(1) Versicherte haben Anspruch auf Krankengeld, wenn die Krankheit sie arbeitsunfähig macht oder sie auf Kosten der Krankenkasse stationär in einem Krankenhaus, einer Vorsorge- oder Rehabilitationseinrichtung (§ 23 Abs. 4, §§ 24, 40 Abs. 2 und § 41) behandelt werden.

(2) Keinen Anspruch auf Krankengeld haben

1.
die nach § 5 Abs. 1 Nr. 2a, 5, 6, 9, 10 oder 13 sowie die nach § 10 Versicherten; dies gilt nicht für die nach § 5 Abs. 1 Nr. 6 Versicherten, wenn sie Anspruch auf Übergangsgeld haben, und für Versicherte nach § 5 Abs. 1 Nr. 13, sofern sie abhängig beschäftigt und nicht nach den §§ 8 und 8a des Vierten Buches geringfügig beschäftigt sind oder sofern sie hauptberuflich selbständig erwerbstätig sind und eine Wahlerklärung nach Nummer 2 abgegeben haben,
2.
hauptberuflich selbständig Erwerbstätige, es sei denn, das Mitglied erklärt gegenüber der Krankenkasse, dass die Mitgliedschaft den Anspruch auf Krankengeld umfassen soll (Wahlerklärung),
3.
Versicherte nach § 5 Absatz 1 Nummer 1, die bei Arbeitsunfähigkeit nicht mindestens sechs Wochen Anspruch auf Fortzahlung des Arbeitsentgelts auf Grund des Entgeltfortzahlungsgesetzes, eines Tarifvertrags, einer Betriebsvereinbarung oder anderer vertraglicher Zusagen oder auf Zahlung einer die Versicherungspflicht begründenden Sozialleistung haben, es sei denn, das Mitglied gibt eine Wahlerklärung ab, dass die Mitgliedschaft den Anspruch auf Krankengeld umfassen soll. Dies gilt nicht für Versicherte, die nach § 10 des Entgeltfortzahlungsgesetzes Anspruch auf Zahlung eines Zuschlages zum Arbeitsentgelt haben,
4.
Versicherte, die eine Rente aus einer öffentlich-rechtlichen Versicherungseinrichtung oder Versorgungseinrichtung ihrer Berufsgruppe oder von anderen vergleichbaren Stellen beziehen, die ihrer Art nach den in § 50 Abs. 1 genannten Leistungen entspricht. Für Versicherte nach Satz 1 Nr. 4 gilt § 50 Abs. 2 entsprechend, soweit sie eine Leistung beziehen, die ihrer Art nach den in dieser Vorschrift aufgeführten Leistungen entspricht.
Für die Wahlerklärung nach Satz 1 Nummer 2 und 3 gilt § 53 Absatz 8 Satz 1 entsprechend. Für die nach Nummer 2 und 3 aufgeführten Versicherten bleibt § 53 Abs. 6 unberührt. Geht der Krankenkasse die Wahlerklärung nach Satz 1 Nummer 2 und 3 zum Zeitpunkt einer bestehenden Arbeitsunfähigkeit zu, wirkt die Wahlerklärung erst zu dem Tag, der auf das Ende dieser Arbeitsunfähigkeit folgt.

(3) Der Anspruch auf Fortzahlung des Arbeitsentgelts bei Arbeitsunfähigkeit richtet sich nach arbeitsrechtlichen Vorschriften.

(4) Versicherte haben Anspruch auf individuelle Beratung und Hilfestellung durch die Krankenkasse, welche Leistungen und unterstützende Angebote zur Wiederherstellung der Arbeitsfähigkeit erforderlich sind. Maßnahmen nach Satz 1 und die dazu erforderliche Verarbeitung personenbezogener Daten dürfen nur mit schriftlicher oder elektronischer Einwilligung und nach vorheriger schriftlicher oder elektronischer Information des Versicherten erfolgen. Die Einwilligung kann jederzeit schriftlich oder elektronisch widerrufen werden. Die Krankenkassen dürfen ihre Aufgaben nach Satz 1 an die in § 35 des Ersten Buches genannten Stellen übertragen.

(1) Das Gericht entscheidet nach seiner freien, aus dem Gesamtergebnis des Verfahrens gewonnenen Überzeugung. In dem Urteil sind die Gründe anzugeben, die für die richterliche Überzeugung leitend gewesen sind.

(2) Das Urteil darf nur auf Tatsachen und Beweisergebnisse gestützt werden, zu denen sich die Beteiligten äußern konnten.

Tenor

Die Klage wird abgewiesen.

Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.

Tatbestand

 
Die Beteiligten streiten um die Anerkennung weiterer Gesundheitsstörungen als Folge eines Arbeitsunfalls, um die Dauer unfallbedingter Arbeitsunfähigkeit und Behandlungsbedürftigkeit und um die Gewährung von Verletztenrente.
Der 19... geborene, seit Januar 20... als Kundenberater eines Versicherungsunternehmens beschäftigte Kläger erlitt am 17.09.2014 einen Arbeitsunfall: Auf dem Rückweg von einem Kunden und der Fahrt zu einem weiteren Kunden musste er an einer Ampel verkehrsbedingt anhalten, als ein anderes Fahrzeug von hinten auf seinen Pkw auffuhr. Am Unfallfolgetag suchte der Kläger den Orthopäden Dr. H. auf und klagte über Schmerzen im Nacken und Rücken und ein Ziehen im rechten Bein. Dr. H. erhob einen Muskelhartspann, Kopfschmerzen, eine schmerzhafte Beweglichkeit der Halswirbelsäule, Lumboischialgie-Schmerzen rechts und eine Stauchung von Wirbelsäule und des Beckens. Die Röntgenuntersuchung der Halswirbelsäule in zwei Ebenen belegte eine Steilstellung ohne Fraktur- oder Instabilitätszeichen. Dr. H. diagnostizierte als Gesundheitsstörungen Kopfschmerzen, Muskelhärte und eine HWS-Distorsion. Die Erstversorgung erfolgte mittels Zervikalstütze und Medikamenten gegen Muskelverspannungen und Schmerzen (vgl. H-Arzt-Bericht vom 18.09.2014). Am 14.10.2014 begab sich der Kläger in Behandlung der HNO-Ärztin Dr. M.. Diese diagnostizierte einen beidseitigen Tinnitus und Schwindel und äußerte den Verdacht auf eine Contusio labyrinthi. Der von ihr erhobene Ohrenbefund war beidseits „o.B.“ (vgl. HNO-Arztbericht vom 14.10.2014). In ihrer Auskunft vom 10.11.2014 teilte Dr. M. der Beklagten mit, der Kläger berichte seit dem Unfallereignis u.a. über ein beidseitiges Ohrensausen und Pfeifen, links etwas stärker ausgeprägt als rechts; er empfinde die Ohrgeräusche als sehr störend (Schlafstörungen). Aktuell finde insoweit keine Therapie ihrerseits mehr statt. Die unfallbedingte Minderung der Erwerbsfähigkeit (MdE) aufgrund des Tinnitusleidens bewertete Dr. M. mit 10 v.H..
Im Rahmen der weiteren Sachaufklärung zog die Beklagte Behandlungsunterlagen der HNO-Klinik des S. Klinikums K-Stadt (Behandlung dort wegen Neuropathia vestibularis links im Juli 2009), das Vorerkrankungsverzeichnis der AOK K-Stadt (u.a. Behandlung wegen Tinnitus aurium im April 2014) sowie das von Dr. M. am 12.12.2014 erstellte Ton- und Sprachaudiogramm bei. Außerdem holte sie Befundberichte des Neurologen Dr. R. und des Dr. H. ein. Ein von diesem veranlasstes MRT des Neurocraniums ergab keinen krankhaften Befund (vgl. Arztbrief des Radiologen Dr. F. vom 19.01.2015). Zur Feststellung von Art und Ausmaß der Unfallfolgen ließ die Beklagte den Kläger sodann durch den HNO-Arzt Dr. G. und den Orthopäden Dr. C. untersuchen und begutachten.
Dr. G. diagnostizierte als Gesundheitsstörungen eine Hochtoninnenohrschwerhörigkeit beidseits bei ton- und sprachaudiometrisch nachgewiesener Normalhörigkeit und einen chronischen Tinnitus mit psychovegetativen Begleiterscheinungen. Das Unfallereignis vom September 2014 sei mit Wahrscheinlichkeit Ursache oder wesentliche Teilursache des Tinnitusleidens. Die unfallbedingte MdE hierfür bewertete Dr. G. mit 10 v.H. .
Bei der Untersuchung und Begutachtung durch Dr. C. gelang die Rotation der Halswirbelsäule beidseits bis 60° und die Seitneigung bis jeweils 40°. Die Vor- und Rückbeugung des Kopfes konnte der Kläger bis zu einem Kinn-Brustbein-Abstand von 0/17 cm verrichten. Bei der Rumpfbeuge nach vorn verblieb ein Finger-Boden-Abstand von 13 cm. Dr. C. erhob ein Ott’sches-Zeichen von 30/31,5 cm und ein Schober’sches-Zeichen von 10/14,5 cm. Das Nervendehnungszeichen nach Lasègue war beidseits negativ. Die Nachbefundung der von Dr. H. am 18.09.2014 angefertigten Röntgenbilder der Halswirbelsäule ergab eine Steilstellung ohne knöchernen Verletzungsbefund und ohne Hinweise auf eine ventrale oder dorsale Instabilität. Auch bei der Nachbefundung von Röntgenbildern der Lendenwirbelsäule objektivierte Dr. C. einen im Wesentlichen unauffälligen Befund und diagnostizierte als Gesundheitsstörungen ein myalgisches HWS-Syndrom und rezidivierende Lumbalgien mit lumbalen und/oder thorakalen Blockierungen, jeweils ohne sensomotorische Ausfälle der Extremitäten und ohne relevante Funktionseinschränkung. Durch das Unfallereignis habe der Kläger eine Distorsion I. Grades der Hals- und wahrscheinlich auch der Lendenwirbelsäule erlitten. Die geklagten Beschwerden im Bereich der Wirbelsäule ließen sich jedoch nicht mehr mit Wahrscheinlichkeit auf das Unfallereignis zurückzuführen, weil keine substantiellen Schäden zu objektivieren seien, die eine derart lange Beschwerdedauer plausibel erklären könnten. Unfallbedingte Arbeitsunfähigkeit und Behandlungsbedürftigkeit habe längstens bis zum 09.11.2014 bestanden. Eine messbare MdE auf seinem Fachgebiet sei nicht verblieben.
Gestützt auf diese Gutachten und eine beratungsärztliche Stellungnahme des HNO-Arztes Dr. J. anerkannte die Beklagte das Unfallereignis als Arbeitsunfall und als dessen Folge
„Folgenlos ausgeheilte Distorsion der Hals- und Lendenwirbelsäule.“
Keine Folgen des Arbeitsunfalls, und zwar weder im Sinne der Entstehung noch der Verschlimmerung, seien eine Hochton-Innenohrschwerhörigkeit beidseits und ein chronischer Tinnitus des linken Ohres mit psychovegetativen Begleiterscheinungen: Der Unfallhergang sei nicht geeignet gewesen, diese Gesundheitsstörungen zu bewirken. Für die Anerkennung eines traumatischen Tinnitus als Unfallfolge sei schon ein geeigneter Gesundheitserstschaden nicht erwiesen. Allein ein zeitlicher Zusammenhang zwischen einem Tinnitus und einem Arbeitsunfallereignis begründe keinen ursächlichen Zusammenhang. Unfallbedingte Arbeitsunfähigkeit und Behandlungsbedürftigkeit habe bis zum 09.11.2014 bestanden. Anspruch auf Verletztenrente habe der Kläger nicht, weil seine Erwerbsfähigkeit über die 26. Woche nach dem Eintritt des Versicherungsfalls hinaus nicht um wenigstens 20 v.H. gemindert sei (Bescheid vom 22.09.2015).
Zur Begründung seines dagegen erhobenen Widerspruchs trug der Kläger im Wesentlichen vor, die Unfallfolgen im Bereich der Wirbelsäule seien nicht folgenlos ausgeheilt. Zu Unrecht habe die Beklagte auch die Anerkennung seines Tinnitus links mit psychovegetativen Begleiterscheinungen und die chronischen Schwindelanfällen als Unfallfolgen versagt. Seit Ende März 2015 befinde er sich in psychotherapeutischer Behandlung. Außerdem habe er wegen seiner Wirbelsäulenbeschwerden eine stationäre Schmerztherapie durchgeführt. Unfallbedingte Arbeitsunfähigkeit und Behandlungsbedürftigkeit hätten daher über dem 09.11.2014 hinaus bestanden. Zu Unrecht habe die Beklagte weiter einen Anspruch auf Verletztenrente versagt. Zur Stützung seines Widerspruchsbegehrens legte der Kläger das Attest des Psychologischen Psychotherapeuten S. vor.
10 
Die Beklagte veranlasste weitere Untersuchungen und Begutachtungen des Klägers durch den HNO-Arzt Dr. Z. und den Orthopäden Prof. Dr. Sch.:
11 
Dr. Z. gegenüber gab der Kläger u.a. an, der Unfall sei „eigentlich kein schwerer Unfall“ gewesen. Er sei danach aus seinem Fahrzeug gestiegen und habe mit dem Unfallverursacher „das Ganze geregelt“. Danach habe er noch einen weiteren Kundentermin wahrgenommen. In Auswertung der von ihm erhobenen Befunde und unter Einbeziehung des vom Kläger überreichten Attestes des Allgemeinmediziners Dr. W. führte Dr. Z. zusammenfassend aus, durch den Arbeitsunfall sei es nicht mit Wahrscheinlichkeit zu einem wesentlichen unfallbedingten Innenohrgeschehen gekommen. Bereits im November 2011 habe Dr. W. den Kläger wegen einer Hörstörung und Schwindel behandelt. Im Juli 2013 habe der Kläger diesem gegenüber einen durch Stress vermehrten Tinnitus angegeben; Dr. W. habe den Kläger außerdem im April 2014 wegen verstärkter Ohrgeräusche erneut behandelt. Damit habe bereits vor dem Arbeitsunfallereignis eine Tinnitussymptomatik vorgelegen. Weiter erfordere ein traumatischer Tinnitus den Nachweis anderer objektivierbarer Störungen des Innenohrs. Solche seien indes nicht nachzuweisen. Denn die vestibuläre Gleichgewichtsdiagnostik habe einen Normalbefund ergeben; das Hörvermögen des Klägers sei nicht altersübersteigernd gemindert. Auf seinem Fachgebiet lägen mithin keine Unfallfolgen vor. Das Unfallereignis habe auch nicht zu einer Verschlimmerung vorbestehender Gesundheitsstörungen geführt.
12 
Prof. Dr. Sch. legte zusammenfassend dar, er habe keine Bewegungseinschränkung der Wirbelsäule und keine neurologische Defizite objektiviert. Beschwerden bestünden allein bei endgradigen Rotations- und Inklinationsbewegungen. Unmittelbare Unfallfolgen seien eine HWS-Distorsion Grad I und eine Prellung der Lendenwirbelsäule. Beide Gesundheitsstörungen heilten nach ärztlichen Erfahrungen innerhalb von vier bis sechs Wochen folgenlos aus. Symptome wie überdauernder Schwindel, Tinnitus und Schlaf- oder Konzentrationsstörungen seien für eine HWS-Distorsion Grad I untypisch. Unfallbedingte Arbeitsunfähigkeit auf seinem Fachgebiet habe für etwa eine Woche vorgelegen, Behandlungsbedürftigkeit bis allenfalls sechs Wochen nach dem Unfallereignis. Darauf gestützt wies die Beklagte den Widerspruch zurück (Widerspruchsbescheid vom 26.09.2016).
13 
Deswegen hat der Kläger am 26.10.2016 Klage zum Sozialgericht Karlsruhe erhoben, mit der er unter Wiederholung seines Widerspruchsvorbringens sein Begehren weiterverfolgt.
14 
Mit Schriftsatz vom 19.01.2017 hat der Kläger beantragt, gemäß § 109 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) auf sein Kostenrisiko ein medizinisches Sachverständigengutachten bei Prof. Dr. P., K-Stadt, einzuholen. Mit Verfügung vom 23.01.2017 hat die Kammer dem Kläger über seine Prozessbevollmächtigten die Auflagen erteilt, bis zum 17.02.2017 einen näher bezeichneten Kostenvorschuss einzuzahlen, eine von ihm unterschriebene Kostenverpflichtungserklärung zurückzusenden und durch geeignete Unterlagen die Bereitschaft der als Sachverständige benannten Ärztin nachzuweisen, das Gutachten innerhalb von drei Monaten nach Erteilung des Gutachtenauftrags zu erstellen und vorzulegen. Innerhalb der Frist hat der Kläger zwar den Kostenvorschuss einbezahlt und die Kostenverpflichtungserklärung vorgelegt, nicht jedoch die Bereitschaftsanzeige von Prof. Dr. P..
15 
Der Kläger beantragt,
16 
den Bescheid vom 22. September 2015 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 26. September 2016 abzuändern und die Beklagte zu verurteilen, „Distorsion der Hals- und Lendenwirbelsäule mit Schwindelattacken, chronischer Tinnitus mit psychovegetativen Begleiterscheinungen, Somatisierungsstörungen, Reaktionen auf schwere Belastungen und Anpassungsstörungen sowie Ein- und Durchschlafstörungen“ als weitere Folgen des Arbeitsunfalls vom 17. September 2014, außerdem unfallbedingte Behandlungsbedürftigkeit über den 09. November 2014 hinaus anzuerkennen und ihm wegen der Unfallfolgen Verletztenrente nach einer MdE um wenigstens 20 v.H. der Vollrente zu gewähren,
17 
hilfsweise gemäß § 109 SGG bei Prof. Dr. P., K-Stadt, ein medizinisches Sachverständigengutachten einzuholen.
18 
Die Beklagte beantragt,
19 
die Klage abzuweisen.
20 
Sie erachtet die angefochtenen Bescheide für zutreffend.
21 
Zur weiteren Darstellung des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf den Inhalt der vorliegenden Verwaltungsakten der Beklagten sowie den der Prozessakte Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

 
22 
Die Klage ist als kombinierte Anfechtungs-, Verpflichtungs- und Leistungsklage (§ 54 Abs. 1 S. 1 i.V.m. Abs. 4 und § 56 SGG zulässig (zum Wahlrecht eines Unfallversicherten, den Anspruch auf Anerkennung von Gesundheitsstörungen als Folge eines Arbeitsunfalls im Wege einer kombinierten Anfechtungs- und Verpflichtungsklage oder einer Kombination aus Anfechtungs- und Feststellungsklage zu verfolgen: BSG SozR 4-2700 § 11 Nr. 1, Rdnr. 12 m.W. N.) zulässig, aber unbegründet. Die angefochtenen Bescheide sind rechtmäßig und verletzen den Kläger nicht in seinen Rechten (§ 54 Abs. 2 S. 1 SGG). Weder sind weitere Gesundheitsstörungen als Folge des streitgegenständlichen Arbeitsunfallereignisses anzuerkennen (dazu nachfolgend unter 3.) noch war der Kläger über den 09.11.2014 hinaus unfallbedingt arbeitsunfähig und/oder behandlungsbedürftig (dazu nachfolgend unter 4.). Er hat wegen der Folgen des Arbeitsunfalls auch keinen Anspruch auf Verletztenrente (dazu nachfolgend unter 5).
23 
1. Dass der Kläger am 17.09.2014 auf einem sogenannten Betriebsweg (vgl. hierzu BSG vom 05.07.2016 - B 2 U 5/15 R -, Rdnr. 20 m.W. N. und Wagner in jurisPK-SGB VII, Stand 30.06.2016, § 8, Rdnr. 78 m.W. N.) bei seiner versicherten Tätigkeit als Kundenberater (§ 2 Abs. 1 Nr. 1 des Sozialgesetzbuchs - Gesetzliche Unfallversicherung -) einen Arbeitsunfall (§ 8 Abs. 1 i.V.m. § 7 Abs. 1 SGB VII) erlitten hat, hat die Beklagte durch den streitgegenständlichen Bescheid vom 22.09.2015 ausdrücklich anerkannt. Dies ist zwischen den Beteiligten deshalb zu Recht nicht umstritten.
24 
2. Nach § 26 Abs. 1 S. 1 SGB VII haben Versicherte nach Maßgabe der folgenden Vorschriften des SGB VII und unter Beachtung des Neunten Buches Sozialgesetzbuch Anspruch auf Heilbehandlung, einschließlich Leistungen zur medizinischen Rehabilitation (§ 27 ff SGB VII) sowie auf Geldleistungen u.a. in Form von Verletztenrente (§ 56 SGB VII). Die Gewährung von Verletztenrente setzt voraus, dass die Erwerbsfähigkeit eines Versicherten infolge eines Versicherungsfalls über die 26. Woche nach dem Versicherungsfall hinaus um wenigstens 20 v.H. gemindert ist (§ 56 Abs. 1 S. 1 SGB VII).
25 
a) Dies setzt voraus, dass Schäden, die zu einer Erwerbsminderung geführt haben, „infolge“ Versicherungsfalls entstanden sind. Als Folge eines Arbeitsunfalls sind Gesundheitsstörungen deshalb (nur) zu berücksichtigen, wenn das Unfallereignis und das Vorliegen der konkreten Beeinträchtigung bzw. Gesundheitsstörung jeweils bewiesen und die Beeinträchtigung mit Wahrscheinlichkeit auf das Unfallereignis zurück zu führen ist. Für die Gewährung von Leistungen aus der gesetzlichen Unfallversicherung ist mithin ein ursächlicher Zusammenhang zwischen der versicherten Tätigkeit und dem Unfall (Unfallkausalität), zwischen dem Unfallereignis und einem Gesundheitserstschaden oder dem Tod des Versicherten (haftungsbegründende Kausalität) und ggf. länger anhaltenden Unfallfolgen aufgrund des Gesundheitserstschadens (haftungsausfüllende Kausalität) erforderlich. Dabei müssen die versicherte Tätigkeit, die Schädigung und die eingetretene Gesundheitsstörung mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit nachgewiesen sein (vgl. hierzu u.a. BSGE 45, 1, 9; 58, 80, 83 und 60, 58 ff.), während für den ursächlichen Zusammenhang als Voraussetzung der Entschädigungspflicht grundsätzlich die hinreichende Wahrscheinlichkeit, nicht aber die bloße Möglichkeit ausreicht (vgl. u.a. BSGE 60, 58 ff.; BSG SozR 3-5670 Anlage 1 Nr. 2108 Nr. 2 m.w.N.; BSG SozR 4-5671 Anlage 1 Nr. 4104 Nr. 2 und BSG SozR 4-2700 § 9 Nr. 9). „Hinreichend wahrscheinlich“ bedeutet, dass bei Abwägung aller Umstände des Einzelfalls mehr für als gegen den ursächlichen Zusammenhang spricht, d.h. dass den für den ursächlichen Zusammenhang sprechenden Gründen ein deutliches Übergewicht zukommt (vgl. BSGE 45, 285, 286 und BSG SozR 1300 § 45 Nr. 49).
26 
Ist ein Arbeitsunfall nicht nachgewiesen oder lässt sich der ursächliche Zusammenhang zwischen diesem und den geltend gemachten Gesundheitsstörungen nicht wahrscheinlich machen, geht dies nach dem in sozialgerichtlichen Verfahren geltenden Grundsatz der objektiven Beweislast zu Lasten des Versicherten (vgl. u.a. BSGE 6, 70, 72; 83, 279, 281; 96, 238, 245 und SozR 3-2200 § 548 Nrn. 11 und 14).
27 
b) Der Ursachenzusammenhang im Bereich der gesetzlichen Unfallversicherung beurteilt sich nach der im Sozialrecht geltenden Theorie der wesentlichen Bedingung (vgl. hierzu BSGE 1, 72, 76 und 1, 150, 156f; seither st. Rspr.). Diese Theorie beruht ebenso wie die im Zivilrecht geltende Adäquanztheorie (vgl. hierzu Grüneberg in Palandt, BGB, 76. Auflage 2017, Vorb. v. § 249, Rdnrn. 26 und 68 ff m.w.N. sowie zu den Unterschieden BSGE 63, 277, 280) auf der naturwissenschaftlich-philosophischen Bedingungstheorie als Ausgangsbasis. Nach dieser ist jedes Ereignis Ursache eines Erfolges, das nicht hinweg gedacht werden kann, ohne dass der konkrete Erfolg entfiele (conditio-sine-qua-non). Aufgrund der Unbegrenztheit der naturwissenschaftlich-philosophischen Ursachen für einen Erfolg ist für die praktische Rechtsanwendung im Sozialversicherungsrecht deshalb in einer zweiten Prüfungsstufe die Unterscheidung zwischen solchen Ursachen notwendig, die rechtlich für den Erfolg verantwortlich gemacht werden bzw. denen der Erfolg zugerechnet wird, und den anderen, für den Erfolg rechtlich unerheblichen Ursachen. Welche Ursache wesentlich ist und welche nicht, muss aus der Auffassung des praktischen Lebens über die besondere Beziehung der Ursache zum Eintritt des Erfolgs bzw. Gesundheitsschadens abgeleitet werden (vgl. BSGE 1, 72, 76).
28 
Für die wertende Entscheidung über die Wesentlichkeit einer Ursache hat die Rechtsprechung Grundsätze herausgearbeitet, die das BSG in zwei Entscheidungen vom 09.05.2006 (B 2 U 1/05 R <= SozR 4-2700 § 8 Nr. 17> und B 2 U 26/04 R<= UV-Recht Aktuell 2006, 497ff>) zusammenfassend wie folgt dargestellt hat:
29 
Für eine Gesundheitsstörung kann es mehrere rechtlich wesentliche Mitursachen geben. Sozialrechtlich ist allein relevant, ob das Unfallereignis wesentlich war. Ob eine konkurrierende Ursache es war, ist unerheblich. „Wesentlich“ ist dabei nicht gleichzusetzen mit „gleichwertig“ oder „annähernd gleichwertig“. Die Wertung zweier Mitursachen und damit des Arbeitsunfalls als rechtlich wesentlich neben z.B. einem anlagebedingten psychischen Vorschaden setzt deshalb nicht notwendig ein Verhältnis 50:50 voraus. Auch wenn der Arbeitsunfall eine nicht annähernd gleichwertige, sondern rechnerisch verhältnismäßig niedriger zu bewertende Ursache der körperlichen oder psychischen Erkrankung des Versicherten darstellt, kann er dennoch für diesen „Erfolg“ rechtlich wesentlich sein, solange die andere(n) Ursache(n) keine überragende Bedeutung hat (haben) (vgl. BSG SozR Nr. 69 zu § 542 a.F. RVO und BSG SozR Nr. 6 zu § 589 RVO; ferner Schönberger/Mehrtens/Valentin, Arbeitsunfall und Berufskrankheit, 9. Aufl. 2017, Seite 27 sowie Krasney in Brackmann, Handbuch der Sozialversicherung, Bd. 3, Gesetzliche Unfallversicherung, Stand Januar 2006, § 8 Rdnr. 314). Daher ist es auch zulässig, eine - rein naturwissenschaftlich betrachtet - nicht gleichwertige, d.h. prozentual also verhältnismäßig niedrig zu bewertende Ursache, rechtlich als „wesentlich“ anzusehen, weil gerade und nur durch ihr Hinzutreten zu der anderen wesentlichen Ursache „der Erfolg“ eintreten konnte. Ist jedoch eine Ursache oder sind mehrere Ursachen gemeinsam gegenüber einer anderen von überragender Bedeutung, so ist oder sind nur die erstgenannte(n) Ursache(n) "wesentlich" und damit Ursache(n) im Sinne des Sozialrechts (vgl. BSGE 12, 242, 245 und BSG SozR Nr. 6 zu § 589 RVO). Die naturwissenschaftliche Ursache, die nicht „wesentlich“ und damit keine Ursache i.S.d. der Theorie der wesentlichen Bedingung ist, kann als „Gelegenheitsursache“ oder „Auslöser“ bezeichnet werden (vgl. u.a. BSGE 62, 220, 222 f; BSG SozR 2200 § 548 Nr. 75; BSG SozR 4-2700 § 8 Nr. 15 und BSG, UV-Recht Aktuell 2007, 860 ff).
30 
3. Orientiert an diesen Rechtsgrundlagen und Beurteilungsmaßstäben sind die angefochtenen Bescheide nicht zu beanstanden.
31 
3.1. Die Beklagte hat es zu Recht abgelehnt, weitere Gesundheitsstörungen als Folge des Arbeitsunfalls vom 17.09.2014 anzuerkennen. Für diese Überzeugung stützt sich die Kammer auf die wohlbegründeten, kompetenten und widerspruchsfreien Darlegungen der Dres. Z. und C. und des Prof. Dr. Sch., deren Gutachten sie im Wege des Urkundenbeweises (vgl. BSG vom 08.12.1988 - 2/9b RU 66/87 -, Rdnr. 17 und LSG Baden-Württemberg vom 25.08.2016 - L 6 VG 3508/12, Rdnr. 61 ) verwertet, hinsichtlich der erhobenen Befunde auf HNO-fachärztlichem Gebiet ferner auf das ebenfalls urkundenbeweislich verwertete Gutachten von Dr. G. und das Attest des Allgemeinmediziners Dr. W. vom 15.12.2015.
32 
a) Auf orthopädischem Fachgebiet hat das Unfallereignis mit Dr. C. und Prof. Dr. Sch., deren - im Ergebnis - übereinstimmenden Darlegungen sich die Kammer nach eigener kritischer Würdigung anschließt, eine folgenlos ausgeheilte Distorsion der Halswirbelsäule I. Grades und eine allenfalls leichte Prellung der Lendenwirbelsäule bewirkt. Dies belegen bereits die von Dr. H. am Unfallfolgetag erhobenen Befunde im Sinne eines Muskelhartspanns, von Kopfschmerzen, einer schmerzhaften Beweglichkeit der Halswirbelsäule und von Schmerzen im Lendenwirbelsäulen- und Beckenbereich. Die an diesem Tag erhobenen Röntgenbefunde ergaben keinen Hinweis auf strukturelle Unfallschäden, insbesondere keine Frakturzeichen oder Instabilitäten. Eine unfallbedingte Dissektion (= Verletzung) der Halsgefäße hat Dr. R. bei der Untersuchung am 08.12.2014 ebenfalls ausgeschlossen. Auch das Kernspintomogramm des Neurocraniums war unauffällig und ohne Hinweis auf einen raumfordernden, entzündlichen oder ischämischen Prozess oder sonstige krankhafte Veränderungen, wie sich aus dem Arztbrief des Radiologen Dr. F. vom 19.01.2015 ergibt. Überdauernde Funktionseinschränkungen der Hals-, Brust- oder Lendenwirbelsäule haben oder substantielle Wirbelsäulenschäden Dr. C. und Prof. Dr Sch. nicht objektiviert. Vielmehr lagen die von ihnen erhobenen Bewegungsausmaße in allen Wirbelsäulenabschnitten innerhalb der physiologischen Normwerte und bestanden auch keine neurologischen Defizite der oberen und/oder unteren Extremitäten. Mit Dr. C. und Prof. Dr. Sch., deren übereinstimmenden Darlegungen sich die Kammer auch insoweit anschließt, waren die HWS-Distorsion und die Prellung der Lendenwirbelsäule nach allgemeinen ärztlichen Erfahrungen nach vier bis längstens sechs Wochen folgenlos ausgeheilt.
33 
b) Gesundheitsstörungen auf HNO-fachärztlichem Gebiet in Form eines chronischen Tinnitus links mit psychovegetativen Begleiterscheinungen (Somatisierungsstörungen, Belastungsreaktion, Anpassungsstörungen sowie Ein- und Durchschlafstörungen) sind ebenfalls nicht als weitere Unfallfolgen anzuerkennen. Denn der Tinnitus ist nicht mit Wahrscheinlichkeit ursächlich auf das Ereignis vom 17.09.2014 zurückzuführen. Insoweit fehlt es bereits am Nachweis eines unfallbedingten Gesundheitserstschadens. Mit Dr. C. und Prof. Dr. Sch. hat der Kläger - wie oben unter 3.1. a) bereits ausgeführt, unfallbedingt eine HWS-Distorsion Grad I erlitten. Diese Gesundheitsstörung geht nach den auch insoweit überzeugenden Darlegungen des Prof. Dr. Sch. anfangs zwar mit Schmerzen der Halsmuskulatur und gegebenenfalls begleitenden Bewegungseinschränkungen einher, wobei zumeist ein symptomfreies Intervall auftritt (vgl. Schönberger/Mehrtens/Valentin, Arbeitsunfall und Berufskrankheit, 9. Aufl. 2017, S. 480 ff). Symptome wie persistierender Schwindel, Tinnitus, Schlaf- oder Konzentrationsstörungen sind hierfür indes mit Prof. Dr. Sch. untypisch.
34 
Gegen die Wahrscheinlichkeit eines unfallbedingten Tinnitus und daraus resultierenden unfallbedingten psychovegetativen Begleitschäden spricht mit Dr. Z. außerdem der Umstand, dass der Kläger bereits zeitlich deutlich vor dem Unfallereignis am 17.09.2014, nämlich schon im November 2011, bei Dr. W. u.a. wegen Schwindelerscheinungen und im Juni 2013 und erneut im April 2014 auch wegen Tinnitusbeschwerden in Behandlung stand. Als Ursache der Tinnitusbeschwerden gab der Kläger Dr. W. gegenüber seinerzeit „Stress“ an, wie sich aus dessen Attest vom 15.12.2015 ergibt. Diese Umstände belegen, dass die Tinnitus-Symptomatik mit Schwindelerscheinungen schon vor dem streitgegenständlichen Arbeitsunfall bestand.
35 
Überdies setzt ein traumatischer Tinnitus nach medizinisch-wissenschaftlichen Erkenntnissen mit Dr. Z. voraus, dass gleichzeitig andere unfallbedingte Störungen des Innenohrs (Hörminderung, Schwindel) objektivierbar sind (vgl. hierzu u.a. LSG Baden-Württemberg vom 28.01.2011 - L 8 U 1205/10 -, Rdnr. 27, LSG Berlin-Brandenburg vom 09.01.2014 - L 3 U 57/11 -, Rdnr. 29 f. und LSG Schleswig-Holstein vom 14.04.2015 - L 1 U 168/03 -, Rdnr. 33 f. ; ferner Feldmann/Brusis, Das Gutachten des Hals-Nasen-Ohrenarztes, 7. Aufl. 2012, S. 361, 364 und 370). Dies entspricht auch den Erfahrungen des erkennenden Gerichts aus vergleichbaren Unfallversicherungsrechtstreitigkeiten (vgl. zuletzt Urteil vom 24.02.2017 - S 1 U 175/15 - ). Bei der Untersuchung durch die HNO-Ärztin Dr. M. am 14.10.2014, mithin zeitnah nach dem Unfallereignis, war der Befund an beiden Ohren indes normal („o.B.“). Auch die Dres. G. und Z. konnten bei ihren Untersuchungen und Begutachtungen des Klägers keine unfallbedingte Schädigung des Innenohrs objektivieren: Weder fand sich eine Hörminderung, die das altersphysiologische Ausmaß überschreitet, noch ergab die Gleichgewichtsdiagnostik einen krankhaften Befund. Insbesondere die von beiden Ärzten durchgeführten ton- und sprachaudiometrischen Untersuchungen des Hörvermögens erbrachten keinen messbaren Hörverlust.
36 
Typisch für ein traumatisches Tinnitusleiden ist außerdem dessen Ansiedlung im tief- bis mittelfrequenten Bereich (vgl. hierzu LSG Schleswig-Holstein vom 14.04.2005 - L 1 U 168/03 -, Rdnr. 33 und Urteil des erkennenden Gerichts vom 19.10.2015 - S 1 U 3219/14 - ). Das linksseitige Ohrgeräusch des Klägers ist indes nach den übereinstimmenden Darlegungen der Dres. G. und Z. bei 4 kHz, mithin im Hochtonbereich, zu lokalisieren.
37 
Weiter entspricht es medizinisch-wissenschaftlichem Erkenntnisstand, dass zwar nach einer - hier nicht nachgewiesenen - commotio labyrinthi ein Innenohrschaden im Sinne einer Hochtonsenke mit Begleittinnitus auftreten kann. Auch in diesem Fall ist jedoch ein alleiniger Tinnitus ohne gleichzeitigen Hörverlust nicht erklärbar. Letzteres gilt erst recht bei einem HWS-Beschleunigungstrauma, weil keine neuroanatomischen Verbindungen zwischen der Halswirbelsäule, insbesondere den Kapseln der Kopfgelenke, und den Cochleariskernen existieren bzw. nur schwer nachzuweisen sind (vgl. Feldmann/Brusis, a.a.O., S. 370 m.W. N.).
38 
Soweit Dr. G. gleichwohl das Unfallereignis mit Wahrscheinlichkeit als Ursache oder zumindest als Teilursache des Tinnitusleidens des Klägers erachtet, folgt ihm das erkennende Gericht aus den vorgenannten Gründen nicht. Ein - angesichts der Vorbehandlungen bei Dr. W. ohnedies nicht gegebener - rein zeitlicher Zusammenhang zwischen einem versicherten Unfallereignis und dem Auftreten von Gesundheitsstörungen reicht nämlich nicht aus, die Wahrscheinlichkeit eines ursächlichen Zusammenhangs im Rechtssinn zu begründen (vgl. BSG vom 17.12.2015 - B 2 U 8/14 R - Rdnr. 20 und - im Ergebnis - BSG vom 24.07.2012 - B 2 U 9/11 R -, Rdnr. 53; ferner Sächs. LSG vom 13.08.2014 - L 6 U 142/11 -, Rdnr. 41 und Bay. LSG vom 11.11.2014 - L 2 U 398/13 -, Rdnr. 54 ).
39 
Das Unfallereignis vom 17.09.2014 hat auch nicht zu einer Verschlimmerung des vorbestehenden Tinnitus geführt, weil eine unfallbedingte Verschlimmerung ebenfalls mit einer nachweisbaren akuten Hörminderung hätte einhergehen müssen, wie Dr. Z. auch insoweit zutreffend dargelegt hat. Eine unfallbedingte Hörminderung ist indes weder durch die Arztbriefe und Berichte der HNO-Ärztin Dr. M. noch durch die von den Dres. G. und Z. erhobenen Befunde und Krankheitsäußerungen belegt. Im Übrigen ließe sich eine Verschlimmerung eines vorbestehenden Tinnitus audiometrisch auch nicht messen (vgl. Feldmann/Brusis, a.a.O., S. 371).
40 
c) Die vom Kläger geltend gemachten psychischen Begleiterscheinungen sind auch im Übrigen nicht mit Wahrscheinlichkeit Folge des Arbeitsunfallereignisses vom 17.09.2014. Denn dieses war zur Überzeugung der Kammer schon dem Grunde nach nicht geeignet, entsprechende Gesundheitsstörungen zu bewirken. Dagegen sprechen bereits die eigenen Angaben des Klägers gegenüber Dr. Z.: Danach war das Unfallereignis „eigentlich kein schwerer Unfall“ gewesen. Auch das situationsgerechte Verhalten des Klägers an der Unfallstelle (Aussteigen aus dem Pkw, um mit dem Unfallverursacher „das Ganze“ zu regeln) und das Aufsuchen eines weiteren Kunden nach Beendigung der Unfallformalitäten spricht sehr deutlich gegen ein gravierendes traumatisches Ereignis. Eine posttraumatische Belastungsstörung hat - entgegen dem Attest des Psychologischen Psychotherapeuten S. vom 23.09.2015 - zu keinem Zeitpunkt vorgelegen, weil Art und Ausmaß des Unfallereignisses nicht das Traumakriterium im Sinne der ICD 10, des DSM-4 oder DSM-5 (belastendes Ereignis oder eine Situation kürzerer oder längerer Dauer mit außergewöhnlicher Bedrohung oder katastrophenartigem Ausmaß, die bei fast jedem eine tiefe Verzweiflung hervorrufen würde) erfüllten. Überdies waren die neurologischen, neuropsychologischen und psychischen Untersuchungsbefunde bei der Untersuchung des Klägers durch Dr. R. am 08.12.2014, und damit zeitnah nach dem Unfallereignis, nahezu unauffällig. Der von Dr. R. damals geäußerte „Verdacht auf Belastungsreaktion“ stellt keinen Nachweis einer solchen Gesundheitsstörung dar und begründet insbesondere nicht die Wahrscheinlichkeit eines ursächlichen Zusammenhangs mit dem Unfallereignis.
41 
Vor diesem Hintergrund hat es die Beklagte zu Recht abgelehnt, weitere Gesundheitsstörungen als Unfallfolgen anzuerkennen.
42 
3.2. Mit Dr. C. und Prof. Dr. Sch. ist die Kammer weiter davon überzeugt, dass unfallbedingte Behandlungsbedürftigkeit und Arbeitsunfähigkeit längstens bis zum 09.11.2014 vorgelegen haben. Denn eine HWS-Distorsion I. Grades heilt nach allgemeinen medizinischen Erkenntnissen innerhalb einer Zeitspanne von vier bis längstens sechs Wochen folgenlos aus, wie Prof. Dr. Sch. zutreffend dargelegt hat (vgl. auch Schönberger/Mehrtens/Valentin, a.a.O., S. 489). Auf HNO-fachärztlichem Gebiet hat mangels Nachweises unfallbedingter Gesundheitsstörungen zu keinem Zeitpunkt eine Behandlungsbedürftigkeit bestanden, wie Dr. Z. auch insoweit zutreffend ausgeführt hat.
43 
3.3. Schließlich steht dem Kläger auch kein Anspruch auf Verletztenrente aus Mitteln der gesetzlichen Unfallversicherung zu. Denn abgeheilte Unfallfolgen verursachen ersichtlich keine messbare MdE. Dies bedarf keiner weiteren Begründung.
44 
4. Aus eben diesen Gründen sind die angefochtenen Bescheide rechtmäßig und musste das Begehren des Klägers erfolglos bleiben.
45 
5. Dem Hilfsantrag auf Einholung eines medizinischen Sachverständigengutachtens gemäß § 109 SGG bei der HNO-Ärztin Prof. Dr. P., K-Stadt, war nicht stattzugeben. Denn der Kläger hat die ihm mit Verfügung des Gerichts vom 23.01.2017 erteilten Auflagen innerhalb der ihm hierzu eingeräumten Frist bis zum 17.02.2017 nicht vollständig erfüllt.
46 
Ungeschriebene Voraussetzung jeder Bestellung zum gerichtlichen Sachverständigen ist dessen Eignung für die Erstattung des Gutachtens. Diese Eignung fehlt, wenn der als Sachverständige benannte Arzt - aus welchen Gründen auch immer - nicht bereit und/oder nicht in der Lage ist, das Gutachten innerhalb einer angemessenen Frist, die die Kammer mit drei Monaten ab Erteilung des Gutachtensauftrags für ausreichend erachtet, zu erstatten und dem Gericht vorzulegen. Dies vor Benennung eines Arztes als gerichtlichen Sachverständigen nach § 109 SGG zu klären, ist Aufgabe des Antragstellers - hier: des Klägers (so im Ergebnis SG Karlsruhe vom 20.05.2014 - S 1 SB 2343/14 -, Rn. 33 und vom 12.01.2015 - S 4 U 1362/14 -, Rn. 40 f. ). Zu beachten ist weiter die Verpflichtung des Gerichts, den Rechtsstreit zügig zur Entscheidungsreife zu führen und eine Sachentscheidung zu treffen (Art. 6 Abs. 1 S. 1 der Europäischen Menschenrechtskonvention und § 198 des Gerichtsverfassungsgesetzes). Es hat deshalb u. a. vor der mündlichen Verhandlung alle Maßnahmen zu treffen, die notwendig sind, um den Rechtsstreit möglichst in einer mündlichen Verhandlung zu erledigen (§ 106 Abs. 2 SGG). Überdies hat das Gericht auch bei Gutachten nach § 109 SGG auf eine zügige Gutachtenserstattung hinzuwirken (vgl. EuGH vom 25.03.2010 - 901/05 - und Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 11. Aufl. 2014, § 109, Rn. 19 m.W. N.). Aus diesen Gründen erachtet es die Kammer für erforderlich, im Fall eines Antrags gemäß § 109 Abs. 1 SGG vor Erteilung des Gutachtensauftrags dem Antragsteller die Beibringung eines Nachweises über die Bereitschaft des als Sachverständigen benannten Arztes aufzugeben, das Gutachten innerhalb einer Frist von drei Monaten ab Erteilung des Gutachtensauftrags zu erstellen und dem Gericht vorzulegen (vgl. auch LSG Baden-Württemberg vom 21.11.2014 - L 4 R 4797/13 -, Rn. 35 ), und zwar unabhängig davon, ob der als Sachverständige benannte Arzt in der Vergangenheit ihm zur Gutachtenserstellung gesetzte Fristen (§ 118 Abs. 1 S. 1 SGG i.V.m. § 411 Abs. 1 der Zivilprozessordnung) eingehalten oder überschritten hat. Die Befugnis hierzu entnimmt das Gericht auch § 106 Abs. 3 SGG, dessen Regelungsinhalt nicht abschließend ist, wie sich aus der Verwendung des Wortes „ … insbesondere …“ ergibt (vgl. Urteile des erkennenden Gerichts vom 23.03.2017 - S 1 SB 2687/16 -, Rn. 40 und vom 20.04.2017 - S 1 U 2039/16 -).
47 
Vorliegend hat der sachkundig vertretene Kläger innerhalb der ihm hierzu eingeräumten Frist keinen Nachweis vorgelegt, dass Prof. Dr. P. bereit und in der Lage ist, das Gutachten innerhalb von drei Monaten nach Erteilung des Gutachtensauftrags zu erstellen und dem Gericht zu übermitteln. Er hat damit die für eine ordnungsgemäße Prozessführung erforderliche Sorgfalt im Zusammenhang mit dem Antrag nach § 109 SGG außer Acht gelassen, was eine grobe Nachlässigkeit darstellt und zur Ablehnung des hilfsweise aufrecht erhaltenen Beweisantrags führt (§ 109 Abs. 2 SGG). Denn ihm war seit der Verfügung vom 23.01.2017 bekannt, dass für das beantragte Gutachten nach § 109 SGG - auch - die Bestätigung der benannten Sachverständigen erforderlich war, das Gutachten binnen einer Frist von drei Monaten nach Zugang des Gutachtensauftrags zu erstellen und vorzulegen. Außerdem hatte ihn das Gericht - zudem durch Fettdruck textlich noch hervorgehoben - ausdrücklich darauf hingewiesen, dass es das Gutachten nicht in Auftrag gebe, wenn der Kläger die Auflagen nicht, nur teilweise oder nicht fristgerecht erfüllt. Wollte die Kammer dem Hilfsantrag gleichwohl stattgeben, hätte sie im Termin zur mündlichen Verhandlung am 20.04.2017 nicht in der Sache entscheiden können, vielmehr den Rechtsstreit vertagen und zunächst das Gutachten einholen müssen. Dadurch hätte sich die Erledigung des Rechtsstreits deutlich verzögert.
48 
6. Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 183, 193 Absätze 1 und 4 SGG.

Gründe

 
22 
Die Klage ist als kombinierte Anfechtungs-, Verpflichtungs- und Leistungsklage (§ 54 Abs. 1 S. 1 i.V.m. Abs. 4 und § 56 SGG zulässig (zum Wahlrecht eines Unfallversicherten, den Anspruch auf Anerkennung von Gesundheitsstörungen als Folge eines Arbeitsunfalls im Wege einer kombinierten Anfechtungs- und Verpflichtungsklage oder einer Kombination aus Anfechtungs- und Feststellungsklage zu verfolgen: BSG SozR 4-2700 § 11 Nr. 1, Rdnr. 12 m.W. N.) zulässig, aber unbegründet. Die angefochtenen Bescheide sind rechtmäßig und verletzen den Kläger nicht in seinen Rechten (§ 54 Abs. 2 S. 1 SGG). Weder sind weitere Gesundheitsstörungen als Folge des streitgegenständlichen Arbeitsunfallereignisses anzuerkennen (dazu nachfolgend unter 3.) noch war der Kläger über den 09.11.2014 hinaus unfallbedingt arbeitsunfähig und/oder behandlungsbedürftig (dazu nachfolgend unter 4.). Er hat wegen der Folgen des Arbeitsunfalls auch keinen Anspruch auf Verletztenrente (dazu nachfolgend unter 5).
23 
1. Dass der Kläger am 17.09.2014 auf einem sogenannten Betriebsweg (vgl. hierzu BSG vom 05.07.2016 - B 2 U 5/15 R -, Rdnr. 20 m.W. N. und Wagner in jurisPK-SGB VII, Stand 30.06.2016, § 8, Rdnr. 78 m.W. N.) bei seiner versicherten Tätigkeit als Kundenberater (§ 2 Abs. 1 Nr. 1 des Sozialgesetzbuchs - Gesetzliche Unfallversicherung -) einen Arbeitsunfall (§ 8 Abs. 1 i.V.m. § 7 Abs. 1 SGB VII) erlitten hat, hat die Beklagte durch den streitgegenständlichen Bescheid vom 22.09.2015 ausdrücklich anerkannt. Dies ist zwischen den Beteiligten deshalb zu Recht nicht umstritten.
24 
2. Nach § 26 Abs. 1 S. 1 SGB VII haben Versicherte nach Maßgabe der folgenden Vorschriften des SGB VII und unter Beachtung des Neunten Buches Sozialgesetzbuch Anspruch auf Heilbehandlung, einschließlich Leistungen zur medizinischen Rehabilitation (§ 27 ff SGB VII) sowie auf Geldleistungen u.a. in Form von Verletztenrente (§ 56 SGB VII). Die Gewährung von Verletztenrente setzt voraus, dass die Erwerbsfähigkeit eines Versicherten infolge eines Versicherungsfalls über die 26. Woche nach dem Versicherungsfall hinaus um wenigstens 20 v.H. gemindert ist (§ 56 Abs. 1 S. 1 SGB VII).
25 
a) Dies setzt voraus, dass Schäden, die zu einer Erwerbsminderung geführt haben, „infolge“ Versicherungsfalls entstanden sind. Als Folge eines Arbeitsunfalls sind Gesundheitsstörungen deshalb (nur) zu berücksichtigen, wenn das Unfallereignis und das Vorliegen der konkreten Beeinträchtigung bzw. Gesundheitsstörung jeweils bewiesen und die Beeinträchtigung mit Wahrscheinlichkeit auf das Unfallereignis zurück zu führen ist. Für die Gewährung von Leistungen aus der gesetzlichen Unfallversicherung ist mithin ein ursächlicher Zusammenhang zwischen der versicherten Tätigkeit und dem Unfall (Unfallkausalität), zwischen dem Unfallereignis und einem Gesundheitserstschaden oder dem Tod des Versicherten (haftungsbegründende Kausalität) und ggf. länger anhaltenden Unfallfolgen aufgrund des Gesundheitserstschadens (haftungsausfüllende Kausalität) erforderlich. Dabei müssen die versicherte Tätigkeit, die Schädigung und die eingetretene Gesundheitsstörung mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit nachgewiesen sein (vgl. hierzu u.a. BSGE 45, 1, 9; 58, 80, 83 und 60, 58 ff.), während für den ursächlichen Zusammenhang als Voraussetzung der Entschädigungspflicht grundsätzlich die hinreichende Wahrscheinlichkeit, nicht aber die bloße Möglichkeit ausreicht (vgl. u.a. BSGE 60, 58 ff.; BSG SozR 3-5670 Anlage 1 Nr. 2108 Nr. 2 m.w.N.; BSG SozR 4-5671 Anlage 1 Nr. 4104 Nr. 2 und BSG SozR 4-2700 § 9 Nr. 9). „Hinreichend wahrscheinlich“ bedeutet, dass bei Abwägung aller Umstände des Einzelfalls mehr für als gegen den ursächlichen Zusammenhang spricht, d.h. dass den für den ursächlichen Zusammenhang sprechenden Gründen ein deutliches Übergewicht zukommt (vgl. BSGE 45, 285, 286 und BSG SozR 1300 § 45 Nr. 49).
26 
Ist ein Arbeitsunfall nicht nachgewiesen oder lässt sich der ursächliche Zusammenhang zwischen diesem und den geltend gemachten Gesundheitsstörungen nicht wahrscheinlich machen, geht dies nach dem in sozialgerichtlichen Verfahren geltenden Grundsatz der objektiven Beweislast zu Lasten des Versicherten (vgl. u.a. BSGE 6, 70, 72; 83, 279, 281; 96, 238, 245 und SozR 3-2200 § 548 Nrn. 11 und 14).
27 
b) Der Ursachenzusammenhang im Bereich der gesetzlichen Unfallversicherung beurteilt sich nach der im Sozialrecht geltenden Theorie der wesentlichen Bedingung (vgl. hierzu BSGE 1, 72, 76 und 1, 150, 156f; seither st. Rspr.). Diese Theorie beruht ebenso wie die im Zivilrecht geltende Adäquanztheorie (vgl. hierzu Grüneberg in Palandt, BGB, 76. Auflage 2017, Vorb. v. § 249, Rdnrn. 26 und 68 ff m.w.N. sowie zu den Unterschieden BSGE 63, 277, 280) auf der naturwissenschaftlich-philosophischen Bedingungstheorie als Ausgangsbasis. Nach dieser ist jedes Ereignis Ursache eines Erfolges, das nicht hinweg gedacht werden kann, ohne dass der konkrete Erfolg entfiele (conditio-sine-qua-non). Aufgrund der Unbegrenztheit der naturwissenschaftlich-philosophischen Ursachen für einen Erfolg ist für die praktische Rechtsanwendung im Sozialversicherungsrecht deshalb in einer zweiten Prüfungsstufe die Unterscheidung zwischen solchen Ursachen notwendig, die rechtlich für den Erfolg verantwortlich gemacht werden bzw. denen der Erfolg zugerechnet wird, und den anderen, für den Erfolg rechtlich unerheblichen Ursachen. Welche Ursache wesentlich ist und welche nicht, muss aus der Auffassung des praktischen Lebens über die besondere Beziehung der Ursache zum Eintritt des Erfolgs bzw. Gesundheitsschadens abgeleitet werden (vgl. BSGE 1, 72, 76).
28 
Für die wertende Entscheidung über die Wesentlichkeit einer Ursache hat die Rechtsprechung Grundsätze herausgearbeitet, die das BSG in zwei Entscheidungen vom 09.05.2006 (B 2 U 1/05 R <= SozR 4-2700 § 8 Nr. 17> und B 2 U 26/04 R<= UV-Recht Aktuell 2006, 497ff>) zusammenfassend wie folgt dargestellt hat:
29 
Für eine Gesundheitsstörung kann es mehrere rechtlich wesentliche Mitursachen geben. Sozialrechtlich ist allein relevant, ob das Unfallereignis wesentlich war. Ob eine konkurrierende Ursache es war, ist unerheblich. „Wesentlich“ ist dabei nicht gleichzusetzen mit „gleichwertig“ oder „annähernd gleichwertig“. Die Wertung zweier Mitursachen und damit des Arbeitsunfalls als rechtlich wesentlich neben z.B. einem anlagebedingten psychischen Vorschaden setzt deshalb nicht notwendig ein Verhältnis 50:50 voraus. Auch wenn der Arbeitsunfall eine nicht annähernd gleichwertige, sondern rechnerisch verhältnismäßig niedriger zu bewertende Ursache der körperlichen oder psychischen Erkrankung des Versicherten darstellt, kann er dennoch für diesen „Erfolg“ rechtlich wesentlich sein, solange die andere(n) Ursache(n) keine überragende Bedeutung hat (haben) (vgl. BSG SozR Nr. 69 zu § 542 a.F. RVO und BSG SozR Nr. 6 zu § 589 RVO; ferner Schönberger/Mehrtens/Valentin, Arbeitsunfall und Berufskrankheit, 9. Aufl. 2017, Seite 27 sowie Krasney in Brackmann, Handbuch der Sozialversicherung, Bd. 3, Gesetzliche Unfallversicherung, Stand Januar 2006, § 8 Rdnr. 314). Daher ist es auch zulässig, eine - rein naturwissenschaftlich betrachtet - nicht gleichwertige, d.h. prozentual also verhältnismäßig niedrig zu bewertende Ursache, rechtlich als „wesentlich“ anzusehen, weil gerade und nur durch ihr Hinzutreten zu der anderen wesentlichen Ursache „der Erfolg“ eintreten konnte. Ist jedoch eine Ursache oder sind mehrere Ursachen gemeinsam gegenüber einer anderen von überragender Bedeutung, so ist oder sind nur die erstgenannte(n) Ursache(n) "wesentlich" und damit Ursache(n) im Sinne des Sozialrechts (vgl. BSGE 12, 242, 245 und BSG SozR Nr. 6 zu § 589 RVO). Die naturwissenschaftliche Ursache, die nicht „wesentlich“ und damit keine Ursache i.S.d. der Theorie der wesentlichen Bedingung ist, kann als „Gelegenheitsursache“ oder „Auslöser“ bezeichnet werden (vgl. u.a. BSGE 62, 220, 222 f; BSG SozR 2200 § 548 Nr. 75; BSG SozR 4-2700 § 8 Nr. 15 und BSG, UV-Recht Aktuell 2007, 860 ff).
30 
3. Orientiert an diesen Rechtsgrundlagen und Beurteilungsmaßstäben sind die angefochtenen Bescheide nicht zu beanstanden.
31 
3.1. Die Beklagte hat es zu Recht abgelehnt, weitere Gesundheitsstörungen als Folge des Arbeitsunfalls vom 17.09.2014 anzuerkennen. Für diese Überzeugung stützt sich die Kammer auf die wohlbegründeten, kompetenten und widerspruchsfreien Darlegungen der Dres. Z. und C. und des Prof. Dr. Sch., deren Gutachten sie im Wege des Urkundenbeweises (vgl. BSG vom 08.12.1988 - 2/9b RU 66/87 -, Rdnr. 17 und LSG Baden-Württemberg vom 25.08.2016 - L 6 VG 3508/12, Rdnr. 61 ) verwertet, hinsichtlich der erhobenen Befunde auf HNO-fachärztlichem Gebiet ferner auf das ebenfalls urkundenbeweislich verwertete Gutachten von Dr. G. und das Attest des Allgemeinmediziners Dr. W. vom 15.12.2015.
32 
a) Auf orthopädischem Fachgebiet hat das Unfallereignis mit Dr. C. und Prof. Dr. Sch., deren - im Ergebnis - übereinstimmenden Darlegungen sich die Kammer nach eigener kritischer Würdigung anschließt, eine folgenlos ausgeheilte Distorsion der Halswirbelsäule I. Grades und eine allenfalls leichte Prellung der Lendenwirbelsäule bewirkt. Dies belegen bereits die von Dr. H. am Unfallfolgetag erhobenen Befunde im Sinne eines Muskelhartspanns, von Kopfschmerzen, einer schmerzhaften Beweglichkeit der Halswirbelsäule und von Schmerzen im Lendenwirbelsäulen- und Beckenbereich. Die an diesem Tag erhobenen Röntgenbefunde ergaben keinen Hinweis auf strukturelle Unfallschäden, insbesondere keine Frakturzeichen oder Instabilitäten. Eine unfallbedingte Dissektion (= Verletzung) der Halsgefäße hat Dr. R. bei der Untersuchung am 08.12.2014 ebenfalls ausgeschlossen. Auch das Kernspintomogramm des Neurocraniums war unauffällig und ohne Hinweis auf einen raumfordernden, entzündlichen oder ischämischen Prozess oder sonstige krankhafte Veränderungen, wie sich aus dem Arztbrief des Radiologen Dr. F. vom 19.01.2015 ergibt. Überdauernde Funktionseinschränkungen der Hals-, Brust- oder Lendenwirbelsäule haben oder substantielle Wirbelsäulenschäden Dr. C. und Prof. Dr Sch. nicht objektiviert. Vielmehr lagen die von ihnen erhobenen Bewegungsausmaße in allen Wirbelsäulenabschnitten innerhalb der physiologischen Normwerte und bestanden auch keine neurologischen Defizite der oberen und/oder unteren Extremitäten. Mit Dr. C. und Prof. Dr. Sch., deren übereinstimmenden Darlegungen sich die Kammer auch insoweit anschließt, waren die HWS-Distorsion und die Prellung der Lendenwirbelsäule nach allgemeinen ärztlichen Erfahrungen nach vier bis längstens sechs Wochen folgenlos ausgeheilt.
33 
b) Gesundheitsstörungen auf HNO-fachärztlichem Gebiet in Form eines chronischen Tinnitus links mit psychovegetativen Begleiterscheinungen (Somatisierungsstörungen, Belastungsreaktion, Anpassungsstörungen sowie Ein- und Durchschlafstörungen) sind ebenfalls nicht als weitere Unfallfolgen anzuerkennen. Denn der Tinnitus ist nicht mit Wahrscheinlichkeit ursächlich auf das Ereignis vom 17.09.2014 zurückzuführen. Insoweit fehlt es bereits am Nachweis eines unfallbedingten Gesundheitserstschadens. Mit Dr. C. und Prof. Dr. Sch. hat der Kläger - wie oben unter 3.1. a) bereits ausgeführt, unfallbedingt eine HWS-Distorsion Grad I erlitten. Diese Gesundheitsstörung geht nach den auch insoweit überzeugenden Darlegungen des Prof. Dr. Sch. anfangs zwar mit Schmerzen der Halsmuskulatur und gegebenenfalls begleitenden Bewegungseinschränkungen einher, wobei zumeist ein symptomfreies Intervall auftritt (vgl. Schönberger/Mehrtens/Valentin, Arbeitsunfall und Berufskrankheit, 9. Aufl. 2017, S. 480 ff). Symptome wie persistierender Schwindel, Tinnitus, Schlaf- oder Konzentrationsstörungen sind hierfür indes mit Prof. Dr. Sch. untypisch.
34 
Gegen die Wahrscheinlichkeit eines unfallbedingten Tinnitus und daraus resultierenden unfallbedingten psychovegetativen Begleitschäden spricht mit Dr. Z. außerdem der Umstand, dass der Kläger bereits zeitlich deutlich vor dem Unfallereignis am 17.09.2014, nämlich schon im November 2011, bei Dr. W. u.a. wegen Schwindelerscheinungen und im Juni 2013 und erneut im April 2014 auch wegen Tinnitusbeschwerden in Behandlung stand. Als Ursache der Tinnitusbeschwerden gab der Kläger Dr. W. gegenüber seinerzeit „Stress“ an, wie sich aus dessen Attest vom 15.12.2015 ergibt. Diese Umstände belegen, dass die Tinnitus-Symptomatik mit Schwindelerscheinungen schon vor dem streitgegenständlichen Arbeitsunfall bestand.
35 
Überdies setzt ein traumatischer Tinnitus nach medizinisch-wissenschaftlichen Erkenntnissen mit Dr. Z. voraus, dass gleichzeitig andere unfallbedingte Störungen des Innenohrs (Hörminderung, Schwindel) objektivierbar sind (vgl. hierzu u.a. LSG Baden-Württemberg vom 28.01.2011 - L 8 U 1205/10 -, Rdnr. 27, LSG Berlin-Brandenburg vom 09.01.2014 - L 3 U 57/11 -, Rdnr. 29 f. und LSG Schleswig-Holstein vom 14.04.2015 - L 1 U 168/03 -, Rdnr. 33 f. ; ferner Feldmann/Brusis, Das Gutachten des Hals-Nasen-Ohrenarztes, 7. Aufl. 2012, S. 361, 364 und 370). Dies entspricht auch den Erfahrungen des erkennenden Gerichts aus vergleichbaren Unfallversicherungsrechtstreitigkeiten (vgl. zuletzt Urteil vom 24.02.2017 - S 1 U 175/15 - ). Bei der Untersuchung durch die HNO-Ärztin Dr. M. am 14.10.2014, mithin zeitnah nach dem Unfallereignis, war der Befund an beiden Ohren indes normal („o.B.“). Auch die Dres. G. und Z. konnten bei ihren Untersuchungen und Begutachtungen des Klägers keine unfallbedingte Schädigung des Innenohrs objektivieren: Weder fand sich eine Hörminderung, die das altersphysiologische Ausmaß überschreitet, noch ergab die Gleichgewichtsdiagnostik einen krankhaften Befund. Insbesondere die von beiden Ärzten durchgeführten ton- und sprachaudiometrischen Untersuchungen des Hörvermögens erbrachten keinen messbaren Hörverlust.
36 
Typisch für ein traumatisches Tinnitusleiden ist außerdem dessen Ansiedlung im tief- bis mittelfrequenten Bereich (vgl. hierzu LSG Schleswig-Holstein vom 14.04.2005 - L 1 U 168/03 -, Rdnr. 33 und Urteil des erkennenden Gerichts vom 19.10.2015 - S 1 U 3219/14 - ). Das linksseitige Ohrgeräusch des Klägers ist indes nach den übereinstimmenden Darlegungen der Dres. G. und Z. bei 4 kHz, mithin im Hochtonbereich, zu lokalisieren.
37 
Weiter entspricht es medizinisch-wissenschaftlichem Erkenntnisstand, dass zwar nach einer - hier nicht nachgewiesenen - commotio labyrinthi ein Innenohrschaden im Sinne einer Hochtonsenke mit Begleittinnitus auftreten kann. Auch in diesem Fall ist jedoch ein alleiniger Tinnitus ohne gleichzeitigen Hörverlust nicht erklärbar. Letzteres gilt erst recht bei einem HWS-Beschleunigungstrauma, weil keine neuroanatomischen Verbindungen zwischen der Halswirbelsäule, insbesondere den Kapseln der Kopfgelenke, und den Cochleariskernen existieren bzw. nur schwer nachzuweisen sind (vgl. Feldmann/Brusis, a.a.O., S. 370 m.W. N.).
38 
Soweit Dr. G. gleichwohl das Unfallereignis mit Wahrscheinlichkeit als Ursache oder zumindest als Teilursache des Tinnitusleidens des Klägers erachtet, folgt ihm das erkennende Gericht aus den vorgenannten Gründen nicht. Ein - angesichts der Vorbehandlungen bei Dr. W. ohnedies nicht gegebener - rein zeitlicher Zusammenhang zwischen einem versicherten Unfallereignis und dem Auftreten von Gesundheitsstörungen reicht nämlich nicht aus, die Wahrscheinlichkeit eines ursächlichen Zusammenhangs im Rechtssinn zu begründen (vgl. BSG vom 17.12.2015 - B 2 U 8/14 R - Rdnr. 20 und - im Ergebnis - BSG vom 24.07.2012 - B 2 U 9/11 R -, Rdnr. 53; ferner Sächs. LSG vom 13.08.2014 - L 6 U 142/11 -, Rdnr. 41 und Bay. LSG vom 11.11.2014 - L 2 U 398/13 -, Rdnr. 54 ).
39 
Das Unfallereignis vom 17.09.2014 hat auch nicht zu einer Verschlimmerung des vorbestehenden Tinnitus geführt, weil eine unfallbedingte Verschlimmerung ebenfalls mit einer nachweisbaren akuten Hörminderung hätte einhergehen müssen, wie Dr. Z. auch insoweit zutreffend dargelegt hat. Eine unfallbedingte Hörminderung ist indes weder durch die Arztbriefe und Berichte der HNO-Ärztin Dr. M. noch durch die von den Dres. G. und Z. erhobenen Befunde und Krankheitsäußerungen belegt. Im Übrigen ließe sich eine Verschlimmerung eines vorbestehenden Tinnitus audiometrisch auch nicht messen (vgl. Feldmann/Brusis, a.a.O., S. 371).
40 
c) Die vom Kläger geltend gemachten psychischen Begleiterscheinungen sind auch im Übrigen nicht mit Wahrscheinlichkeit Folge des Arbeitsunfallereignisses vom 17.09.2014. Denn dieses war zur Überzeugung der Kammer schon dem Grunde nach nicht geeignet, entsprechende Gesundheitsstörungen zu bewirken. Dagegen sprechen bereits die eigenen Angaben des Klägers gegenüber Dr. Z.: Danach war das Unfallereignis „eigentlich kein schwerer Unfall“ gewesen. Auch das situationsgerechte Verhalten des Klägers an der Unfallstelle (Aussteigen aus dem Pkw, um mit dem Unfallverursacher „das Ganze“ zu regeln) und das Aufsuchen eines weiteren Kunden nach Beendigung der Unfallformalitäten spricht sehr deutlich gegen ein gravierendes traumatisches Ereignis. Eine posttraumatische Belastungsstörung hat - entgegen dem Attest des Psychologischen Psychotherapeuten S. vom 23.09.2015 - zu keinem Zeitpunkt vorgelegen, weil Art und Ausmaß des Unfallereignisses nicht das Traumakriterium im Sinne der ICD 10, des DSM-4 oder DSM-5 (belastendes Ereignis oder eine Situation kürzerer oder längerer Dauer mit außergewöhnlicher Bedrohung oder katastrophenartigem Ausmaß, die bei fast jedem eine tiefe Verzweiflung hervorrufen würde) erfüllten. Überdies waren die neurologischen, neuropsychologischen und psychischen Untersuchungsbefunde bei der Untersuchung des Klägers durch Dr. R. am 08.12.2014, und damit zeitnah nach dem Unfallereignis, nahezu unauffällig. Der von Dr. R. damals geäußerte „Verdacht auf Belastungsreaktion“ stellt keinen Nachweis einer solchen Gesundheitsstörung dar und begründet insbesondere nicht die Wahrscheinlichkeit eines ursächlichen Zusammenhangs mit dem Unfallereignis.
41 
Vor diesem Hintergrund hat es die Beklagte zu Recht abgelehnt, weitere Gesundheitsstörungen als Unfallfolgen anzuerkennen.
42 
3.2. Mit Dr. C. und Prof. Dr. Sch. ist die Kammer weiter davon überzeugt, dass unfallbedingte Behandlungsbedürftigkeit und Arbeitsunfähigkeit längstens bis zum 09.11.2014 vorgelegen haben. Denn eine HWS-Distorsion I. Grades heilt nach allgemeinen medizinischen Erkenntnissen innerhalb einer Zeitspanne von vier bis längstens sechs Wochen folgenlos aus, wie Prof. Dr. Sch. zutreffend dargelegt hat (vgl. auch Schönberger/Mehrtens/Valentin, a.a.O., S. 489). Auf HNO-fachärztlichem Gebiet hat mangels Nachweises unfallbedingter Gesundheitsstörungen zu keinem Zeitpunkt eine Behandlungsbedürftigkeit bestanden, wie Dr. Z. auch insoweit zutreffend ausgeführt hat.
43 
3.3. Schließlich steht dem Kläger auch kein Anspruch auf Verletztenrente aus Mitteln der gesetzlichen Unfallversicherung zu. Denn abgeheilte Unfallfolgen verursachen ersichtlich keine messbare MdE. Dies bedarf keiner weiteren Begründung.
44 
4. Aus eben diesen Gründen sind die angefochtenen Bescheide rechtmäßig und musste das Begehren des Klägers erfolglos bleiben.
45 
5. Dem Hilfsantrag auf Einholung eines medizinischen Sachverständigengutachtens gemäß § 109 SGG bei der HNO-Ärztin Prof. Dr. P., K-Stadt, war nicht stattzugeben. Denn der Kläger hat die ihm mit Verfügung des Gerichts vom 23.01.2017 erteilten Auflagen innerhalb der ihm hierzu eingeräumten Frist bis zum 17.02.2017 nicht vollständig erfüllt.
46 
Ungeschriebene Voraussetzung jeder Bestellung zum gerichtlichen Sachverständigen ist dessen Eignung für die Erstattung des Gutachtens. Diese Eignung fehlt, wenn der als Sachverständige benannte Arzt - aus welchen Gründen auch immer - nicht bereit und/oder nicht in der Lage ist, das Gutachten innerhalb einer angemessenen Frist, die die Kammer mit drei Monaten ab Erteilung des Gutachtensauftrags für ausreichend erachtet, zu erstatten und dem Gericht vorzulegen. Dies vor Benennung eines Arztes als gerichtlichen Sachverständigen nach § 109 SGG zu klären, ist Aufgabe des Antragstellers - hier: des Klägers (so im Ergebnis SG Karlsruhe vom 20.05.2014 - S 1 SB 2343/14 -, Rn. 33 und vom 12.01.2015 - S 4 U 1362/14 -, Rn. 40 f. ). Zu beachten ist weiter die Verpflichtung des Gerichts, den Rechtsstreit zügig zur Entscheidungsreife zu führen und eine Sachentscheidung zu treffen (Art. 6 Abs. 1 S. 1 der Europäischen Menschenrechtskonvention und § 198 des Gerichtsverfassungsgesetzes). Es hat deshalb u. a. vor der mündlichen Verhandlung alle Maßnahmen zu treffen, die notwendig sind, um den Rechtsstreit möglichst in einer mündlichen Verhandlung zu erledigen (§ 106 Abs. 2 SGG). Überdies hat das Gericht auch bei Gutachten nach § 109 SGG auf eine zügige Gutachtenserstattung hinzuwirken (vgl. EuGH vom 25.03.2010 - 901/05 - und Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 11. Aufl. 2014, § 109, Rn. 19 m.W. N.). Aus diesen Gründen erachtet es die Kammer für erforderlich, im Fall eines Antrags gemäß § 109 Abs. 1 SGG vor Erteilung des Gutachtensauftrags dem Antragsteller die Beibringung eines Nachweises über die Bereitschaft des als Sachverständigen benannten Arztes aufzugeben, das Gutachten innerhalb einer Frist von drei Monaten ab Erteilung des Gutachtensauftrags zu erstellen und dem Gericht vorzulegen (vgl. auch LSG Baden-Württemberg vom 21.11.2014 - L 4 R 4797/13 -, Rn. 35 ), und zwar unabhängig davon, ob der als Sachverständige benannte Arzt in der Vergangenheit ihm zur Gutachtenserstellung gesetzte Fristen (§ 118 Abs. 1 S. 1 SGG i.V.m. § 411 Abs. 1 der Zivilprozessordnung) eingehalten oder überschritten hat. Die Befugnis hierzu entnimmt das Gericht auch § 106 Abs. 3 SGG, dessen Regelungsinhalt nicht abschließend ist, wie sich aus der Verwendung des Wortes „ … insbesondere …“ ergibt (vgl. Urteile des erkennenden Gerichts vom 23.03.2017 - S 1 SB 2687/16 -, Rn. 40 und vom 20.04.2017 - S 1 U 2039/16 -).
47 
Vorliegend hat der sachkundig vertretene Kläger innerhalb der ihm hierzu eingeräumten Frist keinen Nachweis vorgelegt, dass Prof. Dr. P. bereit und in der Lage ist, das Gutachten innerhalb von drei Monaten nach Erteilung des Gutachtensauftrags zu erstellen und dem Gericht zu übermitteln. Er hat damit die für eine ordnungsgemäße Prozessführung erforderliche Sorgfalt im Zusammenhang mit dem Antrag nach § 109 SGG außer Acht gelassen, was eine grobe Nachlässigkeit darstellt und zur Ablehnung des hilfsweise aufrecht erhaltenen Beweisantrags führt (§ 109 Abs. 2 SGG). Denn ihm war seit der Verfügung vom 23.01.2017 bekannt, dass für das beantragte Gutachten nach § 109 SGG - auch - die Bestätigung der benannten Sachverständigen erforderlich war, das Gutachten binnen einer Frist von drei Monaten nach Zugang des Gutachtensauftrags zu erstellen und vorzulegen. Außerdem hatte ihn das Gericht - zudem durch Fettdruck textlich noch hervorgehoben - ausdrücklich darauf hingewiesen, dass es das Gutachten nicht in Auftrag gebe, wenn der Kläger die Auflagen nicht, nur teilweise oder nicht fristgerecht erfüllt. Wollte die Kammer dem Hilfsantrag gleichwohl stattgeben, hätte sie im Termin zur mündlichen Verhandlung am 20.04.2017 nicht in der Sache entscheiden können, vielmehr den Rechtsstreit vertagen und zunächst das Gutachten einholen müssen. Dadurch hätte sich die Erledigung des Rechtsstreits deutlich verzögert.
48 
6. Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 183, 193 Absätze 1 und 4 SGG.

Tenor

Die Revision des Klägers gegen das Urteil des Landessozialgerichts Nordrhein-Westfalen vom 6. Mai 2014 wird zurückgewiesen.

Kosten sind nicht zu erstatten.

Tatbestand

1

Zwischen den Beteiligten ist die Feststellung eines Arbeitsunfalls streitig.

2

Der Kläger war an der Universität B. als Student eingeschrieben. Am 15.12.2008 fiel er auf einem Bahnsteig des Hauptbahnhofs B., an dem die zur Universität führende Bahn abfährt, um. Er prallte mit dem Kopf auf den Boden und blieb liegen. Durch den Aufprall erlitt er ein Schädel-Hirntrauma mit Blutungen im Gehirn. Die Beklagte lehnte die Anerkennung dieses Ereignisses als Arbeitsunfall ab (Bescheid vom 29.4.2009) und wies den Widerspruch des Klägers zurück (Widerspruchsbescheid vom 9.3.2010). Der Kläger habe keinen Arbeitsunfall erlitten. Zwar habe eine innere Ursache für den Sturz nicht festgestellt werden können, dies lasse aber nicht den Schluss zu, dass eine versicherte Tätigkeit oder andere betrieblich bedingte Umstände für das Unfallereignis ursächlich gewesen seien.

3

Das SG hat die Beklagte unter Aufhebung ihrer Bescheide verurteilt, das Ereignis vom 15.12.2008 als Arbeitsunfall anzuerkennen (Urteil vom 30.7.2012). Neben der versicherten Tätigkeit des Zurücklegens des Weges zur Universität sei keine weitere Ursache feststellbar, sondern allenfalls denkbar, sodass mangels Konkurrenzursache keine Zweifel an der Unfallkausalität bestünden. Auf die Berufung der Beklagten hat das LSG das Urteil des SG aufgehoben und die Klage abgewiesen (Urteil vom 6.5.2014). Zur Begründung hat es ausgeführt, der Kläger habe zwar einen Unfall iS des § 8 Abs 1 Satz 2 SGB VII erlitten. Der Unfall sei jedoch nicht "infolge" einer versicherten Tätigkeit eingetreten. Die Einwirkung auf den Körper des Klägers sei zwar objektiv, dh im naturwissenschaftlich-philosophischen Sinn, nicht aber rechtlich wesentlich durch dessen zuvor verrichtete Tätigkeit (Zurücklegen des Weges von der Wohnung zur Universität) verursacht worden. Weshalb der Kläger umgefallen sei, sei nicht aufklärbar. Das BSG fordere im Kontext der Wegeunfallversicherung bei der Wesentlichkeitsprüfung, dass sich bei dem Geschehen eine dem Schutzzweck der Wegeversicherung entsprechende, spezifische Gefahr realisiere. Die Wesentlichkeit der Wirkursache sei eigenständig nach Maßgabe des Schutzzwecks der jeweils begründeten Versicherung zu beurteilen. Wie und warum der Kläger umgefallen sei, sei nach Ausschöpfung aller Beweismittel nicht mehr feststellbar. Damit könne auch die Verwirklichung einer spezifischen Verkehrsgefahr nicht festgestellt werden. Allein im Umfallen und Aufschlagen auf dem Boden habe sich kein spezifisches Wegerisiko verwirklicht.

4

Mit der vom LSG zugelassenen Revision rügt der Kläger die Verletzung des § 8 Abs 1 SGB VII. Die Unfallkausalität sei immer gegeben, wenn neben der versicherten Tätigkeit keine weiteren konkurrierenden Ursachen festgestellt werden könnten. Die Prüfung, ob die versicherte Tätigkeit rechtlich wesentlich gewesen sei, habe nur zu erfolgen, wenn noch weitere Ursachen festgestellt würden. Dies folge aus dem Schutzzweck der gesetzlichen Unfallversicherung, weil bei vielen Unfällen der genaue Hergang nicht geklärt werden könne. Das Vorliegen einer inneren Ursache oder anderer konkurrierender Ursachen habe das LSG gerade nicht festgestellt.

5

Der Kläger beantragt,

        

das Urteil des Landessozialgerichts Nordrhein-Westfalen vom 6. Mai 2014 aufzuheben und die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Sozialgerichts Detmold vom 30. Juli 2012 zurückzuweisen.

6

Die Beklagte beantragt,

        

die Revision zurückzuweisen.

7

Sie hält das angefochtene Urteil im Ergebnis für zutreffend.

Entscheidungsgründe

8

Die zulässige Revision des Klägers ist unbegründet. Das LSG hat zu Recht das Urteil des SG aufgehoben und die Klagen abgewiesen. Die Ablehnung der Feststellung des Ereignisses vom 15.12.2008 als Arbeitsunfall in den angefochtenen Bescheiden der Beklagten ist rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten. Der Kläger hat keinen Arbeitsunfall iS des § 8 Abs 1 iVm Abs 2 Nr 1 SGB VII erlitten.

9

Nach § 8 Abs 1 Satz 1 SGB VII sind Arbeitsunfälle Unfälle von Versicherten infolge einer den Versicherungsschutz nach §§ 2, 3 oder 6 SGB VII begründenden Tätigkeit (versicherte Tätigkeit). Zu den versicherten Tätigkeiten zählt gemäß § 8 Abs 2 Nr 1 SGB VII auch das Zurücklegen des mit der nach den §§ 2, 3 oder 6 SGB VII versicherten Tätigkeit zusammenhängenden unmittelbaren Weges nach und von dem Ort der Tätigkeit. Unfälle sind nach § 8 Abs 1 Satz 2 SGB VII zeitlich begrenzte, von außen auf den Körper einwirkende Ereignisse, die zu einem Gesundheitsschaden oder zum Tod führen. Ein Arbeitsunfall setzt daher voraus, dass der Verletzte durch eine Verrichtung vor dem fraglichen Unfallereignis den gesetzlichen Tatbestand einer versicherten Tätigkeit erfüllt hat und deshalb "Versicherter" ist. Die Verrichtung muss ein zeitlich begrenztes, von außen auf den Körper einwirkendes Ereignis und dadurch einen Gesundheitserstschaden oder den Tod des Versicherten objektiv und rechtlich wesentlich verursacht haben (Unfallkausalität und haftungsbegründende Kausalität; stRspr, vgl zuletzt BSG vom 4.12.2014 - B 2 U 18/13 R - SozR 4-2700 § 101 Nr 2 RdNr 16 ff mwN, zur Veröffentlichung in BSGE vorgesehen; vgl auch BSG vom 13.11.2012 - B 2 U 19/11 R - BSGE 112, 177 = SozR 4-2700 § 8 Nr 46, RdNr 20).

10

Diese Voraussetzungen sind nicht erfüllt. Zwar erlitt der Kläger einen Unfall iS des § 8 Abs 1 Satz 2 SGB VII(dazu unter 1.). Den Feststellungen des LSG ist jedoch bereits nicht zu entnehmen, welche konkrete Verrichtung mit welcher Handlungstendenz der Kläger in dem Moment des Unfalls ausübte, sodass schon fraglich ist, ob der Kläger unmittelbar vor dem Unfall als Studierender iS des § 2 Abs 1 Nr 8 Buchst c SGB VII in der Wegeunfallversicherung des § 8 Abs 2 Nr 1 SGB VII auf einem Weg nach dem Ort seiner Studientätigkeit versichert war(dazu 2.). Dies kann aber letztlich offen bleiben, denn der Unfall stellt jedenfalls schon deshalb keinen Arbeitsunfall iS des § 8 SGB VII dar, weil das Unfallereignis dem allein hier als versicherte Tätigkeit in Betracht kommenden Zurücklegen eines solchen Weges rechtlich nicht zugerechnet werden kann(dazu 3.).

11

1. Der Kläger erlitt am 15.12.2008 auf dem Bahnsteig eine zeitlich begrenzte, von außen kommende Einwirkung auf seinen Körper und damit einen Unfall iS des § 8 Abs 1 Satz 2 SGB VII. Er schlug mit dem Kopf auf den Boden auf, wodurch ein Teil der Außenwelt auf den Körper einwirkte (vgl BSG vom 29.11.2011 - B 2 U 10/11 R - SozR 4-2700 § 8 Nr 42 RdNr 14). Dies führte zu einem seine körperliche Unversehrtheit verletzenden Schädel-Hirntrauma mit Blutungen im Bereich des Gehirns.

12

2. Offen bleiben kann, ob der Kläger unmittelbar vor dem Unfall einer versicherten Verrichtung iS des § 8 Abs 2 Nr 1 iVm § 2 Abs 1 Nr 8 Buchst c SGB VII nachgegangen ist. Als eingeschriebener Student einer Universität war der Kläger am 15.12.2008 Studierender iS des § 2 Abs 1 Nr 8 Buchst c SGB VII(vgl zu diesem Begriff BSG vom 13.2.2013 - B 2 U 24/11 R - SozR 4-2200 § 539 Nr 2 RdNr 13 ff) und damit während seiner Ausbildung an der Hochschule in der gesetzlichen Unfallversicherung versichert (vgl zur versicherten Tätigkeit zuletzt BSG vom 4.12.2014 - B 2 U 14/13 R - SozR 4-2700 § 2 Nr 30 RdNr 13 ff und - B 2 U 10/13 R - SozR 4-2700 § 2 Nr 32 RdNr 15 ff, zur Veröffentlichung in BSGE vorgesehen, sowie - B 2 U 13/13 R - SozR 4-2700 § 2 Nr 31 RdNr 15 f; vgl auch BSG vom 26.9.1996 - 2 RU 12/96 - SozR 3-2200 § 539 Nr 36 und vom 4.7.1995 - 2 RU 45/94 - HVBG-INFO 1995, 2377 jeweils mit weiteren Nachweisen). Damit stand er grundsätzlich gemäß § 8 Abs 2 Nr 1 SGB VII auf einem mit dieser versicherten Tätigkeit zusammenhängenden unmittelbaren Weg nach und von dem Ort dieser Tätigkeit unter Versicherungsschutz. Nach den bindenden Feststellungen des LSG (§ 163 SGG) befand sich der Kläger auf dem unmittelbaren Weg von seiner Wohnung zum Ort seiner versicherten Tätigkeit, der Universität. Der Unfall ereignete sich auf dem Bahnsteig, von dem eine zur Universität führende Bahn abfuhr.

13

Dass der Versicherte sich auf dem unmittelbaren Weg zwischen dem Ort seiner versicherten Tätigkeit und seiner Wohnung befindet, reicht jedoch für den Versicherungsschutz nach § 8 Abs 2 Nr 1 SGB VII nicht aus. Vielmehr muss auch die Verrichtung zur Zeit des Unfallereignisses in einem sachlichen Zusammenhang mit dem versicherten Zurücklegen des Weges stehen. Ein solcher sachlicher Zusammenhang besteht, wenn das konkrete Handeln des Versicherten zur Fortbewegung auf dem Weg zur oder von der versicherten Tätigkeit gehört (BSG vom 17.2.2009 - B 2 U 26/07 R - SozR 4-2700 § 8 Nr 32 RdNr 11 mwN). Andernfalls wäre jede Handlung auf einem Weg iS des § 8 Abs 2 Nr 1 SGB VII vom Versicherungsschutz umfasst. Einen solchen "Wegebann" kennt die gesetzliche Unfallversicherung hingegen nicht.

14

Wie das BSG seit seiner Entscheidung vom 9.12.2003 (B 2 U 23/03 R - BSGE 91, 293 = SozR 4-2700 § 8 Nr 3) in ständiger Rechtsprechung betont hat (vgl nur Urteile vom 30.10.2007 - B 2 U 29/06 R - SozR 4-2700 § 8 Nr 25, vom 2.12.2008 - B 2 U 17/07 R - SozR 4-2700 § 8 Nr 28 und - B 2 U 26/06 R - BSGE 102, 111 = SozR 4-2700 § 8 Nr 29, RdNr 22 f sowie vom 17.2.2009 - B 2 U 26/07 R - SozR 4-2700 § 8 Nr 32), ist maßgebend für die Beurteilung, ob eine konkrete Verrichtung der grundsätzlich versicherten Fortbewegung dient, die Handlungstendenz des Versicherten (zuletzt Urteile vom 4.7.2013 - B 2 U 3/13 R - SozR 4-2700 § 8 Nr 50 RdNr 12 und - B 2 U 12/12 R - SozR 4-2700 § 8 Nr 49 RdNr 18). Das Handeln muss subjektiv - zumindest auch - auf die Erfüllung des Tatbestands der jeweiligen Tätigkeit ausgerichtet sein (vgl BSG vom 24.7.2012 - B 2 U 9/11 R - SozR 4-2700 § 8 Nr 44 RdNr 31 und vom 26.6.2014 - B 2 U 4/13 R - SozR 4-2700 § 8 Nr 52 RdNr 14). Darüber hinaus muss sich die subjektive Handlungstendenz als von den Instanzgerichten festzustellende Tatsache im äußeren Verhalten des Handelnden (Verrichtung), so wie es objektiv beobachtbar ist, widerspiegeln (vgl BSG vom 17.2.2009 - B 2 U 26/07 R - SozR 4-2700 § 8 Nr 32 RdNr 11 mwN). Eine Verrichtung in diesem Sinne ist jedes konkrete, räumlich und zeitlich bestimmte Verhalten eines Verletzten, das (objektiv) seiner Art nach von Dritten beobachtbar ist. Für die Prüfung ist dabei regelmäßig die kleinste beobachtbare Handlungssequenz maßgebend (vgl Spellbrink, WzS 2011, 351, 354).

15

Das LSG hat offen gelassen, ob der Kläger unmittelbar vor dem Sturz gestanden hat oder gegangen ist. Auch eine andere Verrichtung ist den Feststellungen des LSG nicht zu entnehmen. Selbst wenn der Aufenthalt des Klägers auf dem Bahnsteig an sich - allerdings als dann nicht mehr kleinste beobachtbare Handlungssequenz - ausnahmsweise als die maßgebliche Verrichtung angesehen würde, bleibt dennoch die objektivierte Handlungstendenz im Zeitpunkt des Unfallereignisses, zu dem Ort der Tätigkeit - hier der Universität - zu gelangen, mangels entsprechender Feststellungen durch das LSG offen. Daher kann schon nicht beurteilt werden, ob ein sachlicher Zusammenhang der zur Zeit des Unfallereignisses ausgeübten Verrichtung mit dem grundsätzlich versicherten Zurücklegen des Weges bestand.

16

Ungeachtet dessen, ob sich die Verrichtung und Handlungstendenz überhaupt noch aufklären lassen, kann im vorliegenden Fall aber dahinstehen, ob der soeben dargestellte sachliche Zusammenhang mit der Verrichtung im Zeitpunkt des Unfallereignisses gegeben war. Denn selbst wenn ein solcher sachlicher Zusammenhang angenommen würde, scheitert der Anspruch des Klägers auf Feststellung eines Arbeitsunfalls jedenfalls daran, dass der Unfall nicht "infolge" des Zurücklegens dieses Weges eingetreten und ihm deshalb rechtlich nicht zuzurechnen ist.

17

3. Der Unfall ist nicht einer versicherten Tätigkeit iS des § 8 Abs 1 Satz 1 SGB VII zuzurechnen, weil sich nicht feststellen lässt, dass sich mit dem Aufprall auf dem Bahnsteig eine Gefahr verwirklicht hat, die in den Schutzbereich der Wegeunfallversicherung fällt.

18

a) Die Träger der gesetzlichen Unfallversicherung haben Schutz gegen Gefahren zu gewähren, die sich durch die ihre Verbandszuständigkeit, den Versicherungsschutz und das Versichertsein des Verletzten begründende Verrichtung von im jeweiligen Versicherungstatbestand konkret umschriebenen Tätigkeiten realisieren können. Ihre Einstandspflicht besteht nur dann, wenn sich durch eine Handlung des Geschädigten, die den gesetzlichen Tatbestand einer versicherten Tätigkeit erfüllt, ein Risiko verwirklicht hat, gegen dessen Eintritt nicht die Unfallversicherung "allgemein", sondern der jeweils durch die Handlung erfüllte Versicherungstatbestand schützen soll. Die Zurechnung des Schadens eines Versicherten zum Versicherungsträger erfordert daher zweistufig die Erfüllung erstens tatsächlicher und zweitens darauf aufbauender rechtlicher Voraussetzungen. Die Verrichtung der versicherten Tätigkeit muss die Einwirkung und in gleicher Weise muss die Einwirkung den Gesundheitserstschaden oder den Tod sowohl objektiv (1. Stufe) als auch rechtlich wesentlich (2. Stufe) verursacht haben (vgl BSG vom 13.11.2012 - B 2 U 19/11 R - BSGE 112, 177 = SozR 4-2700 § 8 Nr 46, RdNr 32 ff mwN).

19

Auf der ersten Stufe setzt die Zurechnung mithin voraus, dass die Einwirkung durch die versicherte Verrichtung objektiv (mit-)verursacht wurde. Für Einbußen des Verletzten, für welche die versicherte Tätigkeit keine Wirkursache war, besteht schlechthin kein Versicherungsschutz und hat der Unfallversicherungsträger nicht einzustehen. Wirkursachen sind nur solche Bedingungen, die erfahrungsgemäß die infrage stehende Wirkung ihrer Art nach notwendig oder hinreichend herbeiführen. In der gesetzlichen Unfallversicherung muss eine versicherte Verrichtung, die im Sinne der "conditio-Formel" eine erforderliche Bedingung des Erfolges war, in einer besonderen tatsächlichen und rechtlichen Beziehung zu diesem Erfolg stehen. Sie muss Wirkursache des Erfolges gewesen sein, muss ihn tatsächlich mitbewirkt haben und darf nicht nur eine bloß im Einzelfall nicht wegdenkbare zufällige Randbedingung gewesen sein. Ob die versicherte Verrichtung eine Wirkursache für die festgestellte Einwirkung war, ist eine rein tatsächliche Frage. Wie bereits ausgeführt, ist die Verrichtung des Klägers vor dem Unfallereignis vom LSG nicht festgestellt worden, sodass die Annahme eines Ursachenzusammenhangs bereits an der ersten Stufe scheitert. Dies kann - wie bereits angedeutet - aber letztlich dahinstehen, weil sich jedenfalls bei dem Unfall des Klägers kein spezifisches Wegerisiko verwirklicht hat.

20

Selbst wenn eine versicherte Tätigkeit als Wirkursache feststeht, muss auf der zweiten Stufe die Einwirkung rechtlich unter Würdigung auch aller auf der ersten Stufe festgestellten weiteren mitwirkenden unversicherten Ursachen die Realisierung einer in den Schutzbereich des jeweils erfüllten Versicherungstatbestandes fallenden Gefahr sein. Bei dieser reinen Rechtsfrage nach der "Wesentlichkeit" der versicherten Verrichtung für den Erfolg der Einwirkung muss entschieden werden, ob sich durch das versicherte Handeln ein Risiko verwirklicht hat, gegen das der jeweils erfüllte Versicherungstatbestand gerade Schutz gewähren soll. Eine Rechtsvermutung dafür, dass eine versicherte Verrichtung - wie hier ggf das Stehen auf dem Bahnsteig - wegen ihrer objektiven (Mit-)Verursachung der Einwirkung - die hier gerade nicht festgestellt ist - auch rechtlich wesentlich war, besteht nicht. Die Wesentlichkeit der Wirkursache ist vielmehr zusätzlich und eigenständig nach Maßgabe des Schutzzwecks der jeweils begründeten Versicherung zu beurteilen (vgl BSG vom 13.11.2012 - B 2 U 19/11 R, aaO, RdNr 33 ff).

21

Ob eine Ursache rechtlich wesentlich ist, ist auch dann zu prüfen, wenn sie als alleinige Ursache festgestellt ist, weil andere (Mit-)Ursachen nicht erwiesen oder nicht in Betracht zu ziehen sind. Denn auch in diesem Fall wird die Einstandspflicht des Unfallversicherungsträgers nur begründet, wenn sich durch den Unfall, der durch die versicherte Verrichtung objektiv verursacht wurde, eine Gefahr verwirklicht hat, gegen die die Versicherung schützen soll. Diese Voraussetzung wird zumeist erfüllt sein, bedarf aber stets der Entscheidung (vgl BSG vom 13.11.2012 - B 2 U 19/11 R, aaO, RdNr 42). Dem stehen die vom Kläger benannten Urteile des Senats vom 30.1.2007 (B 2 U 23/05 R - BSGE 98, 79 = SozR 4-2700 § 8 Nr 22) und vom 17.2.2009 (B 2 U 18/07 R - SozR 4-2700 § 8 Nr 31) nicht entgegen. Nach den diesen Entscheidungen zugrunde liegenden Sachverhalten waren die dort vom LSG festgestellten Verrichtungen unmittelbar vor dem Unfall der jeweiligen versicherten Tätigkeit zuzurechnen und die nichtversicherten Ursachen waren lediglich mögliche Wirkursachen. Entscheidend war aber auch dort, dass sich durch den Unfall jeweils eine Gefahr verwirklicht hatte, vor der der jeweilige Versicherungstatbestand gerade schützen sollte, nämlich die Gefahr eines Sturzes während des der versicherten Tätigkeit zuzurechnenden Laufens bzw eines Verkehrsunfalls während des dem Zurücklegen des Weges zuzurechnenden Steuerns eines Kraftfahrzeugs. Somit war dort die im vorliegenden Fall zu verneinende Frage, ob sich jeweils im Hinblick auf diese Verrichtung durch das Unfallereignis eine Gefahr verwirklicht hatte, vor der die gesetzliche Unfallversicherung schützen soll, unproblematisch zu bejahen.

22

b) Das Umfallen und der Aufprall des Klägers auf den Bahnsteig war danach jedenfalls nicht rechtlich wesentlich durch eine zuvor versicherte Tätigkeit verursacht worden. Wie ausgeführt, ist den nicht mit zulässigen und begründeten Verfahrensrügen angegriffenen und damit für den Senat gemäß § 163 SGG bindenden Feststellungen des LSG lediglich zu entnehmen, dass sich der Kläger auf dem Bahnsteig befand. Das LSG konnte jedoch nicht feststellen, von welchen konkreten Umständen das Unfallereignis begleitet war. Insbesondere steht nicht fest und ist nach den insoweit unangegriffenen Beweiswürdigungen des LSG auch nicht mehr feststellbar, ob der Kläger unmittelbar vor dem Ereignis sich bewegt hat, sodass er dabei möglicherweise stolperte oder ausrutschte, oder ob er aus dem Stand umfiel, ob er angerempelt wurde, gegen eine Vitrine stieß, ob die Bodenverhältnisse auf dem Bahnsteig den Sturz bewirkten oder ob ggf eine (innere) Erkrankung bestand. Mithin ist nicht feststellbar, welche Faktoren im Zeitpunkt des Sturzes und Aufpralls auf den Kläger eingewirkt haben. Damit kann auch nicht mit der erforderlichen hinreichenden Wahrscheinlichkeit davon ausgegangen werden, dass sich durch das Unfallereignis ein Risiko verwirklicht hat, vor dem gerade die Wegeunfallversicherung Schutz gewähren soll.

23

Die Wegeunfallversicherung schützt, wie der Senat zuletzt entschieden hat, vor Gefahren für Gesundheit und Leben, die aus der Teilnahme am öffentlichen Verkehr als Fußgänger oder Benutzer eines Verkehrsmittels, also aus eigenem oder fremdem Verkehrsverhalten oder äußeren Einflüssen während der Zurücklegung des Weges hervorgehen (BSG vom 18.6.2013 - B 2 U 10/12 R - SozR 4-2700 § 8 Nr 47 RdNr 20 und vom 13.11.2012 - B 2 U 19/11 R - BSGE 112, 177 = SozR 4-2700 § 8 Nr 46, RdNr 45). Zwar könnte das Risiko, beim Gehen durch Stolpern oder Ausrutschen, durch einen Zusammenstoß mit einer Vitrine oder durch den Anstoß anderer Personen zu stürzen, jeweils von dem Schutzzweck der Wegeunfallversicherung umfasst sein. Solche äußeren Einwirkungen auf den Körper des Klägers müssten als solche aber zunächst konkret festgestellt sein, was hier gerade nicht der Fall ist. Ihre Nichterweislichkeit geht zu Lasten des Klägers.

24

c) Die Tatsachen, die die Tatbestandsmerkmale "versicherte Tätigkeit", "Verrichtung", "Unfallereignis" sowie "Gesundheitsschaden" erfüllen sollen, müssen im Grad des Vollbeweises, also mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit, feststehen. Demgegenüber genügt für den Nachweis der naturphilosophischen Ursachenzusammenhänge zwischen diesen Voraussetzungen der Grad der (hinreichenden) Wahrscheinlichkeit, nicht allerdings die Glaubhaftmachung und erst Recht nicht die bloße Möglichkeit (vgl BSG vom 2.4.2009 - B 2 U 30/07 R - BSGE 103, 45 = SozR 4-5671 Anl 1 Nr 3101 Nr 4 mwN). In der Wegeunfallversicherung wie auch sonst bei anderen Versicherungstatbeständen der gesetzlichen Unfallversicherung besteht keine Vermutungsregel, dass bei Verrichtung einer versicherten Tätigkeit unmittelbar vor dem Unfallereignis der Unfall objektiv und rechtlich wesentlich durch diese versicherte Tätigkeit verursacht wurde. Sind - wie hier - die Umstände, die vor dem Unfallereignis unmittelbar auf den Kläger eingewirkt haben, unbekannt, kann nicht mit dem erforderlichen Grad der Wahrscheinlichkeit festgestellt werden, dass der Sturz durch ein Risiko verursacht wurde, gegen das die gesetzliche Unfallversicherung beim Zurücklegen des Weges nach § 8 Abs 2 Nr 1 SGB VII Schutz gewähren soll.

25

Den Nachteil aus der tatsächlichen Unaufklärbarkeit anspruchsbegründender Tatsachen hat nach den Regeln der objektiven Beweislast der Kläger zu tragen. Für die erforderlichen Feststellungen der Tatsachen können ua die Angaben des Versicherten, Bekundungen von Zeugen und Sachverständigen sowie sonstige Umstände herangezogen werden. Die Beklagte und die Vorinstanzen haben - soweit ersichtlich - alle denkbaren Beweismittel ausgeschöpft. Insofern werden auch von der Revision keine Rügen erhoben. Ist danach dennoch das zum Unfallereignis führende Geschehen und insbesondere - wie hier - die zum Unfallereignis führende Kausalkette nicht aufklärbar, geht dies zu Lasten des Versicherten (vgl hierzu BSG vom 27.3.1990 - 2 RU 45/89 - HV-INFO 1990, 1181 mwN; vgl auch BSG vom 28.6.1984 - 2 RU 54/83 - HV-INFO 1984, Nr 15, 40 bis 44). Wie bereits oben ausgeführt, kann ohne Feststellung der konkreten Kausalkette nicht aus der bloßen Tatsache des "auf dem Wege seins" abgeleitet werden, dass sich auch eine Gefahr realisiert hat, die in den Schutzbereich der Wegeunfallversicherung fällt. Ein solcher "Wegebann" entspricht nicht dem Recht der gesetzlichen Unfallversicherung. Entgegen der Auffassung der Revision führt auch der allgemeine Zweck der gesetzlichen Unfallversicherung nicht dazu, dass die Nichterweislichkeit der Ursache bei ungeklärtem Unfallhergang jeweils zu Lasten des Unfallversicherungsträgers geht. Denn die Einstandspflicht und damit der Schutz der gesetzlichen Unfallversicherung besteht auch in der Wegeunfallversicherung nach § 8 Abs 2 Nr 1 SGB VII nur dann, wenn sich durch eine Handlung des Geschädigten, die den gesetzlichen Tatbestand dieser versicherten Tätigkeit erfüllt, ein Risiko verwirklicht hat, gegen dessen Eintritt nicht die Unfallversicherung "allgemein", sondern der jeweils durch die Verrichtung erfüllte Versicherungstatbestand der Wegeunfallversicherung schützen soll. Ein solches spezifisches Wegerisiko als Unfallursache ist hier aber nicht feststellbar, was zu Lasten des Klägers geht.

26

Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 183, 193 SGG.

Tenor

Auf die Revision der Beklagten wird der Beschluss des Landessozialgerichts Baden-Württemberg vom 22. Dezember 2010 aufgehoben und die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das Landessozialgericht zurückverwiesen.

Tatbestand

1

Der Kläger begehrt die gerichtliche Feststellung, dass sein Bandscheibenvorfall im Bereich C 6/7 seiner Halswirbelsäule (HWS) ein weiterer Gesundheitserstschaden seines von der Beklagten anerkannten Arbeitsunfalls vom 3.7.2005 ist.

2

Der Kläger absolvierte an diesem Tag als Arbeitnehmer eines Automobilherstellers aufgabengemäß eine Testfahrt auf einer Hochgeschwindigkeitsstrecke in Italien. Dabei platzte bei einer Geschwindigkeit von 295 km/h ein Hinterreifen seines Fahrzeugs. Es kam von der Fahrbahn ab, durchbrach die Leitplanke und kam in einem Wäldchen zum Stehen.

3

Bei der Erstuntersuchung des Klägers erbrachten die Röntgenaufnahmen keinen Anhalt für Frakturen. Am 6.7.2005 diagnostizierte ein Facharzt für Chirurgie ua eine Halswirbelsäulen-Distorsion (Verstauchung, Zerrung). In der Kernspintomographie der HWS vom 4.8.2005 wurden erhebliche degenerative Veränderungen bei multisegmentaler Osteochondrose sowie für den Bereich von C 6/7 eine fast normal hohe Bandscheibe mit normal weiten Neuroforamina (Wurzelkanälen) beschrieben. Eine weitere Kernspintomographie der HWS vom 30.8.2005 ergab zwischen den Halswirbelkörpern C 6/7 einen links gelegenen Bandscheibenvorfall mit intraforaminaler Vorfallskomponente. Eine Begleitverletzung wurde nicht benannt.

4

Im Bescheid vom 18.10.2007 anerkannte die Beklagte den Unfall vom 3.7.2005 als Arbeitsunfall. Als "Unfallfolgen" wurden "Druck- und Klopfschmerz über der oberen Brustwirbelsäule nach unter keilförmiger Deformierung knöchern verheilter Deckplattenimpressionsfraktur des 2. Brustwirbelkörpers" anerkannt.

5

Ferner wurde festgestellt, der Bandscheibenvorfall zwischen dem 6. und 7. Halswirbelkörper sei keine "Folge des Arbeitsunfalls", weder im Sinne der Entstehung noch im Sinne der Verschlimmerung. Ein traumatischer Bandscheibenvorfall sei angesichts des MRT-Befundes vom 4.8.2005, in dem eine Traumatisierung des Segments C 6/7 nicht beschrieben sei, zu verneinen. Der dagegen eingelegte Widerspruch des Klägers blieb erfolglos (Widerspruchsbescheid vom 28.2.2008).

6

Das SG Karlsruhe hat mit Urteil vom 14.7.2010 festgestellt, dass "die Versteifung im Bewegungssegment C 6/7 mit daraus resultierender Schmerzsymptomatik … Folge des Arbeitsunfalls vom 03.07.2005" sei.

7

Die Beklagte hat mit ihrer Berufung geltend gemacht, das Urteil sei in seiner Kausalitätsbeurteilung mit dem aktuellen Stand der medizinischen Wissenschaft nicht vereinbar. Im Standardwerk der gesetzlichen Unfallversicherung von Schönberger/Mehrtens/Valentin, das den anerkannten neuesten medizinischen Kenntnisstand dokumentiere, werde seit der 7. Auflage ausgeführt, dass die traumatische Verursachung eines isolierten Bandscheibenschadens ohne Begleitverletzung nicht möglich sei. Dazu sei Beweis zu erheben durch Einholung eines Sachverständigengutachtens.

8

Das LSG hat die Berufung durch Beschluss vom 22.12.2010 zurückgewiesen. Es sei vorliegend zumindest wahrscheinlich, dass der Unfall vom 3.7.2005 naturwissenschaftliche Ursache des beim Kläger aufgetretenen Bandscheibenvorfalls im Bewegungssegment C 6/7 gewesen sei. Hierfür sprächen vor allem jene Indizien, die auf eine akute Schädigung im Bereich des Bewegungssegments C 6/7 und damit eine Substanzschädigung der betreffenden Bandscheibe in unmittelbarem zeitlichem Zusammenhang mit dem Unfallereignis hinwiesen. Vor dem Unfall sei der Kläger trotz bestehender degenerativer Veränderungen gerade auch im Bereich der HWS beschwerdefrei gewesen. Der Unfall habe zu einer Einwirkung auf den oberen Bereich der Wirbelsäule geführt. Umstände, die üblicherweise gegen einen naturwissenschaftlichen Zusammenhang sprächen, hätten im vorliegenden Fall keine durchgreifende Bedeutung.

9

Zu Unrecht berufe sich die Beklagte auf das Werk von Schönberger/Mehrtens/Valentin und meine, es sei dort dokumentierter neuester medizinischer Kenntnisstand, dass ein traumatischer Bandscheibenvorfall immer mit knöchernen oder ligamentären Begleitverletzungen einhergehe. Diesen Ausführungen könne aus Rechtsgründen nicht gefolgt werden. Denn dieses Standardwerk der unfallmedizinischen Literatur vermenge die Prüfung der naturwissenschaftlichen Kausalität auf der ersten Stufe mit der wertenden Entscheidung der zweiten Stufe der Kausalitätsprüfung (Wesentlichkeit). Bei der Prüfung der Wesentlichkeit handele es sich um eine wertende Entscheidung, die dem juristischen Betrachter vorbehalten sei.

10

Der Antrag der Beklagten auf Einholung eines Sachverständigengutachtens werde abgelehnt. Selbst wenn die von Schönberger/Mehrtens/Valentin vertretene Auffassung den herrschenden medizinischen Kenntnisstand der Kausalitätsbetrachtung wiedergeben sollte, ändere dies nichts daran, dass dieser Kenntnisstand der Kausalitätsbetrachtung nicht zugrunde gelegt werden dürfe, weil er die maßgebenden rechtlichen Vorgaben der höchstrichterlichen Rechtsprechung des BSG vernachlässige.

11

Lägen - wie hier - Hinweise auf eine traumatische Schädigung vor, ohne dass eine andere Schädigung als der Arbeitsunfall "örtlich-zeitlich in Rede" stehe, sei ein naturwissenschaftlicher Zusammenhang regelmäßig als wahrscheinlich anzusehen.

12

Sei der naturwissenschaftliche Zusammenhang zu bejahen, stelle sich die Frage (zweite Stufe der Kausalitätsprüfung), ob das Unfallereignis auch wesentlich gewesen sei. Hierbei sei vor dem Hintergrund der Schwere des Unfalltraumas mit einer plötzlichen unphysiologischen Belastung der HWS den bereits vorliegenden degenerativen Veränderungen im Hinblick auf den aufgetretenen Bandscheibenvorfall keine überragende Bedeutung beizumessen gewesen. Demnach sei das Unfallereignis wesentliche Mitursache des erlittenen Bandscheibenvorfalls und die beim Kläger in der Folge erforderlich gewordene Versteifung im Bewegungssegment einschließlich der fortbestehenden Schmerzsymptomatik als Unfallfolge festzustellen.

13

Mit der vom BSG zugelassenen Revision rügt die Beklagte die Verletzung des § 8 Abs 1 Satz 1 SGB VII und einen Verstoß gegen den Grundsatz der freien richterlichen Beweiswürdigung(§ 128 Abs 1 Satz 1 SGG). Der erforderliche ursächliche Zusammenhang zwischen dem Unfallereignis und dem Bandscheibenvorfall liege nicht vor. Das LSG habe nicht den aktuellen wissenschaftlichen Erkenntnisstand ermittelt.

14

Die Beklagte beantragt,
den Beschluss des Landessozialgerichts Baden-Württemberg vom 22. Dezember 2010 und das Urteil des Sozialgerichts Karlsruhe vom 14. Juli 2010 aufzuheben und die Klagen abzuweisen.

15

Der Kläger beantragt,
die Revision zurückzuweisen.

Entscheidungsgründe

16

Die zulässige Revision der Beklagten ist im Sinne der Aufhebung des Beschlusses des LSG und der Zurückverweisung der Sache an das LSG (§ 170 Abs 2 Satz 2 SGG) begründet.

17

1. Aufgrund der tatsächlichen Feststellungen des LSG kann das BSG nicht abschließend darüber befinden, ob die Verrichtung der versicherten Tätigkeit, die die Verbandszuständigkeit der Beklagten begründet und eine Einwirkung auf die HWS des Klägers wesentlich mitverursacht hat (dazu unter 3.), dadurch auch eine objektive und zudem rechtlich wesentliche Mitursache des Bandscheibenvorfalls auf der Höhe des 6./7. Halswirbelkörpers geworden ist. Nur dann wäre dieser ein Gesundheitserstschaden des anerkannten Arbeitsunfalls.

18

Das LSG hat nicht festgestellt, ob dieser Schaden nach Maßgabe des derzeit anerkannten Standes der medizinischen Wissenschaft durch die verrichtungsbedingte und deshalb versicherte Einwirkung unmittelbar objektiv mitverursacht wurde (dazu unter 4.). Seine Ansicht, dies könne durch "eine wertende Entscheidung …, die … dem juristischen Betrachter vorbehalten" sei, im Rahmen der rechtlichen "Wesentlichkeitsbeurteilung" ersetzt werden, verfehlt den Rechtsbegriff der unfallversicherungsrechtlichen "Wesentlichkeit" einer Ursache für eine bestimmte Wirkung (dazu unter 3. und 5.).

19

2. Die Beklagte wendet sich mit ihrer Revision gegen die Zurückweisung ihrer zulässigen Berufung durch das LSG. Mit ihr wandte sie sich erstens gegen die Aufhebung ihres Verwaltungsakts durch das SG, der Kläger habe gegen sie keinen Anspruch auf Feststellung seines Bandscheibenvorfalls C 6/7 als "Folge des Arbeitsunfalls". Zweitens begehrte sie die Aufhebung des Feststellungsurteils des SG, dass die "Versteifung im Bewegungssegment C 6/7 mit daraus resultierender Schmerzsymptomatik … Folge des Arbeitsunfalls vom 03.07.2005" sei. Der Erfolg ihrer Rechtsmittel hängt davon ab, ob die zulässige Kombination der zulässigen Anfechtungs- mit der zulässigen Feststellungsklage des Klägers begründet ist. Das wäre dann der Fall, wenn sie durch ihren negativ feststellenden Verwaltungsakt einen Anspruch des Klägers auf die Feststellung eines Bandscheibenvorfalls C 6/7 als Gesundheitserstschaden zu Unrecht abgelehnt hätte. Dann wäre dieser (insoweit unter klarstellender Änderung des bisherigen Ausspruchs des SG) durch Feststellungsurteil als weiterer Erstschaden des anerkannten Arbeitsunfalls festzustellen. Andernfalls hätte ihre Revision durchgreifenden Erfolg.

20

Wie in der mündlichen Verhandlung vor dem BSG zwischen den Beteiligten klargestellt werden konnte, richtete sich das Begehren des Klägers von Anfang an nicht auf die Feststellung seines Bandscheibenvorfalls als eine (unmittelbare) Unfallfolge. Ihm kam es vielmehr stets auf die Feststellung dieses Gesundheitsschadens als weiteren Erstschaden des anerkannten Arbeitsunfalls an. Eine unmittelbare Unfallfolge kann sich hingegen nur infolge eines Gesundheitserstschadens einstellen, der selbst als Tatbestandsvoraussetzung des Unfallbegriffs iS des § 8 Abs 1 Satz 2 SGB VII dem Begriff des Arbeitsunfalls unterfällt. Der Bandscheibenvorfall war zudem ersichtlich keine Wirkung eines bereits anerkannten Erstschadens. Bei sachgerechter Auslegung war auch die angefochtene negative Feststellung der Beklagten auf die Ablehnung der Anerkennung eines Erstschadens gerichtet.

21

3. Nach den bisherigen tatsächlichen Feststellungen des LSG ist nicht abschließend beurteilbar, aber möglich, dass dem Kläger der erhobene Feststellungsanspruch gegen die Beklagte zusteht. Jeder Versicherte hat nämlich das Recht, vom zuständigen Unfallversicherungsträger gemäß § 102 SGB VII die Feststellung aller Erstschäden (Gesundheitserstschäden oder Tod) eines Arbeitsunfalls iS von § 8 Abs 1 SGB VII zu verlangen, wenn ein solcher eingetreten ist(vgl BSG vom 31.1.2012 - B 2 U 2/11 R - zur Veröffentlichung in SozR 4-2700 § 8 Nr 43 vorgesehen, Juris RdNr 15 sowie BSG vom 5.7.2011 - B 2 U 17/10 R - SozR 4-2700 § 11 Nr 1 RdNr 15 f).

22

a) Der Anspruch scheitert nicht schon daran, dass die Beklagte eine insoweit unanfechtbar gewordene Feststellung getroffen hat, der Kläger habe infolge seiner versicherten Testfahrt einen Arbeitsunfall mit folgenden Gesundheitserstschäden erlitten: "Druck- und Klopfschmerz über der oberen Brustwirbelsäule nach unter keilförmiger Deformierung knöchern verheilter Deckplattenimpressionsfraktur des 2. Brustwirbelkörpers".

23

Die rechtliche Bindungswirkung dieses Verwaltungsakts erstreckt sich nicht auf die hier umstrittene Frage, ob die infolge der Testfahrt eingetretene Einwirkung auf den Körper des Klägers weitere Gesundheitserstschäden (objektiv und unfallversicherungsrechtlich wesentlich) mitverursacht hat. Werden die Erstschäden anfangs nur unvollständig anerkannt, hat der Versicherte Anspruch auf eine vollständige Feststellung aller objektiv vom Arbeitsunfall umfassten Gesundheitserstschäden. Entscheidet der Versicherungsträgerbei seiner Feststellung eines Arbeitsunfalls, wie hier, dass der Versicherte keinen Anspruch auf Feststellung bestimmter weiterer Erstschäden habe, oder stellt er die Gesundheitserstschäden ausdrücklich abschließend (positiv oder negativ) fest, ist dagegen der Widerspruch gegeben (nach Fristablauf allein §§ 44 f SGB X). Da hier erstmals um einen weiteren, von der Beklagten abgelehnten Gesundheitserstschaden gestritten wird, erfasst die rechtliche Bindungswirkung des den Arbeitsunfall feststellenden Verwaltungsakts den hier rechtshängigen Streitgegenstand nicht.

24

b) Die Feststellungen des LSG lassen erkennen, dass der Kläger möglicherweise einen Anspruch auf Feststellung der umstrittenen Gesundheitserstschäden hat. Denn danach hat er eine versicherte Tätigkeit als Beschäftigter verrichtet und infolge dessen ein Unfallereignis erlitten (dazu sogleich).

25

Nach § 8 Abs 1 Satz 1 SGB VII sind Arbeitsunfälle Unfälle von Versicherten infolge einer den Versicherungsschutz nach §§ 2, 3 oder 6 (oder 8 Abs 2) SGB VII begründenden Tätigkeit(versicherte Tätigkeit). Unfälle sind zeitlich begrenzte, von außen auf den Körper einwirkende Ereignisse, die zu einem Gesundheitsschaden oder zum Tod führen (Abs 1 Satz 2).

26

Daher muss eine Verrichtung des Verletzten vor dem fraglichen Unfallereignis, das "infolge" also ua nach dieser Verrichtung eingetreten sein muss, den gesetzlichen Tatbestand einer versicherten Tätigkeit erfüllt haben. Nur dies begründet seine Versichertenstellung in und seinen Versicherungsschutz aus der jeweiligen Versicherung.

27

Diese (versicherte) Verrichtung muss ein zeitlich begrenztes, von außen auf den Körper einwirkendes Ereignis (Unfallereignis), kurz gesagt: eine Einwirkung, objektiv und rechtlich wesentlich verursacht haben (Unfallkausalität). Diese (versicherte) Einwirkung muss einen Gesundheitserstschaden oder den Tod des Versicherten objektiv und rechtlich wesentlich verursacht haben (haftungsbegründende Kausalität).

28

Die den Versicherungsschutz in der jeweiligen Versicherung begründende "Verrichtung", die (möglicherweise dadurch verursachte) "Einwirkung" und der (möglicherweise dadurch verursachte) "Erstschaden" müssen (vom Richter im Überzeugungsgrad des Vollbeweises) festgestellt sein.

29

aa) § 8 Abs 1 Satz 1 SGB VII setzt voraus, dass der Verletzte eine "den Versicherungsschutz" begründende "Tätigkeit (versicherte Tätigkeit)" verrichtet hat und dass der Unfall (iS von Satz 2 aaO) "infolge" dieser versicherten Tätigkeit eingetreten ist.

30

Diese gesetzlichen Tatbestandsvoraussetzungen umschreiben den Rechtsgrund, aufgrund dessen der wegen einer Verrichtung einer versicherten Tätigkeit durch den Verletzten verbandszuständige Unfallversicherungsträger überhaupt versicherungsrechtlich für die Schäden, Nachteile und Bedarfe des verunfallten Verletzten einstehen soll. Er soll nur verpflichtet sein, soweit der Versicherungsschutz durch die Verrichtung der versicherten Tätigkeit in der jeweiligen Versicherung begründet ist. Er soll deshalb (grundsätzlich) nur einstehen müssen für Gesundheitsschäden (oder Tod und ggf wirtschaftliche Folgen etc), die "infolge" der versicherten Verrichtung eingetreten sind und ein Risiko realisieren, gegen das die jeweils begründete Versicherung schützen soll. Zurechnungsvoraussetzungen sind somit auf der ersten Stufe die (faktisch-objektive) Wirkursächlichkeit der versicherten Verrichtung des Verletzten für den Schaden und auf der darauf aufbauenden zweiten Stufe dessen rechtliche Erfassung vom jeweiligen Schutzzweck der begründeten Versicherung.

31

bb) Die Zurechnung setzt somit erstens voraus, dass die Verrichtung der versicherten Tätigkeit den Schaden (ggf neben anderen konkret festgestellten unversicherten Wirkursachen) objektiv mitverursacht hat. Denn für Einbußen des Verletzten, für welche die versicherte Verrichtung keine Wirkursache war, ist schlechthin kein Versicherungsschutz begründet, hat also der Versicherungsträger nicht einzustehen. Eine Verrichtung ist jedes konkrete Handeln eines Verletzten, das (objektiv) seiner Art nach von Dritten beobachtbar (BSG vom 9.11.2010 - B 2 U 14/10 R - SozR 4-2700 § 8 Nr 39 RdNr 22) und (subjektiv, also jedenfalls in laienhafter Sicht) - zumindest auch - auf die Erfüllung des Tatbestandes der jeweiligen versicherten Tätigkeit ausgerichtet ist (innere Tatsache). Als (objektives) Handeln des Verletzten kann es erste Ursache einer objektiven Verursachungskette sein. Diese kann über die Einwirkung auf den Körper, über Gesundheitserstschäden oder Tod hinaus bis zu unmittelbaren oder iS von § 11 SGB VII, der für die zweite Stufe andere Zurechnungsgründe als die "Wesentlichkeit" regelt, mittelbaren Unfallfolgen sowie ua zur Minderung der Erwerbsfähigkeit und zu den Bedarfen reichen, derentwegen das SGB VII Leistungsrechte vorsieht.

32

Erst dann, wenn die "Verrichtung", die (möglicherweise dadurch verursachte) "Einwirkung" und der (möglicherweise dadurch verursachte) "Erstschaden" festgestellt sind, kann und darf (auf der ersten Stufe der Zurechnung) über die tatsächliche Kausalitätsbeziehung (objektive Verursachung) zwischen der Verrichtung und der Einwirkung (mit dem richterlichen Überzeugungsgrad mindestens der Wahrscheinlichkeit) entschieden werden. Es geht hierbei ausschließlich um die rein tatsächliche Frage, ob und ggf mit welchem Mitwirkungsanteil die versicherte Verrichtung (ggf neben anderen konkret festgestellten unversicherten Wirkursachen) eine Wirkursache der von außen kommenden, zeitlich begrenzten Einwirkung auf den Körper des Versicherten war.

33

cc) Zweitens muss der (letztlich) durch die versicherte Verrichtung mitbewirkte Schaden rechtlich auch unter Würdigung unversicherter Mitursachen als Realisierung einer in den Schutzbereich der begründeten Versicherung fallenden Gefahr, eines dort versicherten Risikos, zu bewerten sein. Denn der Versicherungsschutz greift nur ein, wenn sich ein Risiko verwirklicht hat, gegen das die jeweils begründete Versicherung Schutz gewähren soll.

34

Wird auf der ersten Stufe die objektive (Mit-)Verursachung bejaht, indiziert dies in keiner Weise die auf der zweiten Stufe der Zurechnung rechtlich zu gebende Antwort auf die Rechtsfrage (so schon BSG vom 9.5.2006 - B 2 U 1/05 R - BSGE 96, 196 = SozR 4-2700 § 8 Nr 17), ob die Mitverursachung der Einwirkung durch die versicherte Verrichtung unfallversicherungsrechtlich rechtserheblich, "wesentlich", war. Denn die unfallversicherungsrechtliche Wesentlichkeit der Wirkursächlichkeit der versicherten Verrichtung für die Einwirkung (etc) muss eigenständig rechtlich nach Maßgabe des Schutzzwecks der jeweils begründeten Versicherung beurteilt werden.

35

Sie setzt rechtlich voraus, dass der Schutzbereich und der Schutzzweck der jeweiligen durch die versicherte Verrichtung begründeten Versicherung durch juristische Auslegung des Versicherungstatbestandes nach den anerkannten Auslegungsmethoden erkannt werden. Insbesondere ist festzuhalten, ob und wie weit der Versicherungstatbestand gegen Gefahren aus von ihm versicherten Tätigkeiten schützen soll (vgl hierzu BSG vom 15.5.2012 - B 2 U 16/11 R - zur Veröffentlichung in SozR 4-2700 § 2 Nr 21 vorgesehen - RdNr 21 ff - Lebendnierenspende).

36

Bei der folgenden Subsumtion muss vorab entschieden werden, ob die versicherte Verrichtung durch ihren auf der ersten Stufe festgestellten Verursachungsbeitrag überhaupt ein Risiko verwirklicht hat, das in den Schutzbereich der begründeten Versicherung fällt. Nur wenn dies, wie zumeist, zu bejahen ist, kommt es darauf an, ob ggf konkret festgestellte unversicherte Mitursachen, die selbst die Zurechnung zum Unfallversicherungsträger nie begründen können, gleichwohl die Zurechnung ausschließen. Das ist der Fall, wenn die unversicherten Wirkursachen das gesamte Unfallgeschehen derart geprägt haben, dass die Wirkung insgesamt trotz des Mitwirkungsanteils der versicherten Verrichtung nicht mehr unter den Schutzbereich der jeweiligen Versicherung fällt. Bei dieser Subsumtion sind alle auf der ersten Stufe im Einzelfall konkret festgestellten versicherten und unversicherten Wirkursachen mit ihren ggf festgestellten Mitwirkungsanteilen in einer rechtlichen Gesamtabwägung nach Maßgabe des jeweilig festgestellten Schutzzwecks des Versicherungstatbestandes zu bewerten.

37

Nur wenn beide Zurechnungskriterien bejaht sind, erweist sich die versicherte Verrichtung als "wesentliche Ursache" (vgl schon RVA vom 24.5.1912, AN 1912, 930 = Breithaupt 1912, 212; GS RVA vom 26.2.1914, AN 1914, 411 <2690>; vgl BSG vom 29.11.2011 - B 2 U 26/10 R -; BSG vom 5.7.2011 - B 2 U 17/10 R - BSGE 108, 274 = SozR 4-2700 § 11 Nr 1; BSG vom 17.2.2009 - B 2 U 18/07 R - SozR 4-2700 § 8 Nr 31; BSG vom 9.5.2006 - B 2 U 1/05 R - BSGE 96, 196 = SozR 4-2700 § 8 Nr 17; BSG vom 12.4.2005 - B 2 U 11/04 R - BSGE 94, 262 = SozR 4-2700 § 8 Nr 14, RdNr 17).

38

dd) In gleicher Weise muss zum Vorliegen eines Arbeitsunfalls ggf die versicherte Einwirkung den Erstschaden (ggf den Tod) a) objektiv und b) rechtlich wesentlich verursacht haben. Dabei kommt es schon wegen der Einheit des jeweiligen Versicherungsfalls stets auch darauf an, dass die Zurechnungskette auf ein- und dieselbe versicherte und den Versicherungsschutz bei dem Unfallversicherungsträger begründende Verrichtung zurückzuführen ist.

39

ee) Diese Voraussetzungen müssen für jeden einzelnen Gesundheitserstschaden erfüllt sein. "Gesundheitserstschaden" ist jeder abgrenzbare Gesundheitsschaden, der unmittelbar durch eine versicherte Einwirkung objektiv und rechtlich wesentlich verursacht wurde, die durch ein- und dieselbe versicherte Verrichtung objektiv und rechtlich wesentlich verursacht wurde. Es handelt sich also um die ersten voneinander medizinisch abgrenzbaren Gesundheitsschäden (oder den Tod), die "infolge" ein- und derselben versicherten Verrichtung eintreten.

40

c) Nach den Feststellungen des LSG liegt eine versicherte Verrichtung des Klägers vor, die eine Einwirkung objektiv und rechtlich wesentlich verursacht hat.

41

aa) Der Kläger hat durch seine Testfahrt den Tatbestand der versicherten Tätigkeit als "Beschäftigter" iS des § 2 Abs 1 Nr 1 SGB VII erfüllt(zu den Voraussetzungen dieses Tatbestandes näher BSG Urteil vom 15.5.2012 - B 2 U 8/11 R - zur Veröffentlichung in BSGE und SozR 4-2700 § 2 Nr 20 vorgesehen). Denn er hat dadurch zur Erfüllung einer Hauptpflicht aus seinem Beschäftigungsverhältnis mit dem Automobilhersteller zumindest angesetzt, wie in der mündlichen Verhandlung vor dem BSG auch in tatsächlicher Hinsicht abschließend außer Streit gestellt werden konnte. Er war daher in der Beschäftigtenversicherung grundsätzlich gegen alle Gefahren unfallversichert, die sich "infolge" der versicherten Testfahrt verwirklichten.

42

bb) Das LSG hat ferner bindend festgestellt, dass es infolge der Testfahrt zu einer "Einwirkung auf den oberen Bereich der Wirbelsäule" gekommen ist. Unter "Einwirkung" (als Kurzbezeichnung für das von außen kommende, zeitlich begrenzt einwirkende Unfallereignis) ist die durch einen solchen Vorgang ausgelöste Änderung des physiologischen Körperzustandes zu verstehen, die von dem (möglicherweise zeitnah danach eintretenden) Gesundheitserstschaden zu unterscheiden ist. Das LSG hat zur Natur der körperlichen Veränderung festgestellt, dass ein Chirurg am 6.7.2005 beim Kläger eine "HWS-Distorsion" diagnostiziert habe. Nach dem Gesamtzusammenhang des Beschlusses des LSG hat es sich diese Diagnose zu eigen gemacht. Eine solche HWS-Verstauchung genügt jedenfalls dem (weiten) Einwirkungsbegriff.

43

cc) Das LSG hat auch noch festgestellt, dass die versicherte Testfahrt mit äußerst hoher Geschwindigkeit, das Platzen des Autoreifens, das Abkommen von der Testbahn, das Durchbrechen der Leitplanke und das Abstoppen im Wäldchen diese Einwirkung auf die HWS objektiv mitverursacht haben. Auch wenn das LSG keine näheren Feststellungen zur Ursache des Platzens des Reifens (ua Materialfehler, äußere Ursache) und auch nicht dazu getroffen hat, ob es bei der Testfahrt gerade um die Prüfung der Belastbarkeit der Reifen ging, ist seine Feststellung rechtlich nicht zu beanstanden, dass die versicherte Testfahrt als Grundvoraussetzung des Unfallhergangs eine mitwirkende Ursache für die Einwirkung war. Wie zudem vor dem BSG zur Gehörsgewährung eingeführt und von den Beteiligten bestätigt wurde, entspricht es dem heutigen allgemeinkundigen Stand der Erfahrung, dass ein solcher Ablauf einer Autofahrt Ursache eines starken Aufpralls mit der Wirkung ua einer Verstauchung der HWS sein kann und nach den konkreten Umständen des Falles hier auch war. Weitere Mitursachen wurden vom LSG nicht festgestellt und von der Beklagten nicht behauptet.

44

dd) Das LSG hat sinngemäß auch die rechtliche Beurteilung geäußert, dass das versicherte Handeln des Klägers eine mit der Erfüllung dieser Pflicht aus seinem Beschäftigungsverhältnis verbundene Gefahr für seine Gesundheit verwirklicht hat. Das trifft bundesrechtlich zu. Denn die Beschäftigtenversicherung soll grundsätzlich in allen Lebens- und Gesundheitsgefahren schützen, die sich aus dem Handeln zur Erfüllung von Pflichten oder zur Wahrnehmung unternehmensbezogener Rechte aus dem Beschäftigungsverhältnis unter Eingliederung in einen vom Unternehmer bestimmten Gefahrenbereich ergeben. Der Kläger hat infolge der ihm aufgetragenen Testfahrt mit äußerst hoher Geschwindigkeit Gesundheitsgefahren eingehen müssen, die sich in der Einwirkung realisiert haben. Damit fällt die durch die versicherte Verrichtung mitbewirkte Einwirkung auf die HWS unter den Schutzbereich der hier begründeten Beschäftigtenversicherung. Die konkret festgestellten Mitursachen der Einwirkung, das Platzen des Reifens, der Widerstand der durchbrochenen Leitplanke schließen in der gebotenen rechtlichen Gesamtabwägung die Zuordnung der HWS-Verstauchung zum Schutzbereich der Beschäftigtenversicherung nicht aus. Denn in ihnen hat sich gerade die besondere Gefahr verwirklicht, die mit der vom Kläger zu erfüllenden Pflicht verbunden war.

45

ee) Das LSG hat schließlich bindend festgestellt, dass der vom Kläger als Gesundheitserstschaden geltend gemachte Bandscheibenvorfall C 6/7 vorliegt.

46

d) Damit sind die Voraussetzungen für den vom Kläger erhobenen Anspruch auf Feststellung dieses Vorfalls C 6/7 als weiteren Gesundheitserstschaden des anerkannten Arbeitsunfalls mit der Ausnahme erfüllt, dass das BSG noch nicht entscheiden kann, ob die Testfahrt mit der durch sie rechtlich wesentlich mitverursachten Einwirkung auf die HWS des Klägers auch rechtserhebliche (Mit-)Wirkursache dieses Bandscheibenvorfalls war.

47

4. Das LSG hat zwar ausgeführt, die versicherte Einwirkung und letztlich die versicherte Testfahrt hätten auch den Bandscheibenvorfall objektiv und wesentlich verursacht. Dies ist jedoch für das BSG nicht bindend. Es darf dies seiner Entscheidung nicht zugrunde legen.

48

a) Dies folgt für die Rechtsfrage der unfallversicherungsrechtlichen Wesentlichkeit schon daraus, dass es hier allein um Rechtsanwendung, also um die rechtliche Subsumtion der auf der ersten Stufe der Zurechnung festgestellten Tatsachen unter den Schutzbereich der für die konkrete Beschäftigung begründeten Beschäftigtenversicherung geht. Hier muss das Revisionsgericht in vollem Umfang die Beachtung des Bundesrechts überprüfen. Das LSG hat hierbei den Rechtsbegriff der unfallversicherungsrechtlichen "Wesentlichkeit" einer Ursache unzutreffend angewandt (dazu unter 5.).

49

b) Auf der ersten Stufe der Zurechnung hat das LSG keine das BSG bindenden tatsächlichen Feststellungen zur objektiven Verursachung des Bandscheibenvorfalls durch die versicherte Einwirkung/versicherte Verrichtung getroffen.

50

Allerdings hat das LSG ausdrücklich festgestellt, dass die (versicherte) Einwirkung auf die HWS des Klägers "naturwissenschaftliche Ursache des beim Kläger aufgetretenen Bandscheibenvorfalls im Bewegungssegment C 6/7" gewesen ist.

51

aa) Grundsätzlich ist das Revisionsgericht an eine solche Tatsachenfeststellung, zu der auch der konkrete objektive Kausalzusammenhang im Einzelfall gehört, gebunden (§ 163 SGG). Hier tritt diese Bindung jedoch nicht ein, weil das LSG zum einen von einem unzutreffenden Rechtsbegriff der objektiven ("wissenschaftlich-philosophischen") Kausalität ausgegangen ist. Zum anderen hat es, wie die Beklagte zulässig und begründet rügt, die Grenzen der Befugnis zur freien richterlichen Beweiswürdigung (§ 128 Abs 1 Satz 1 SGG) überschritten. Es hat seinem Beschluss einen nicht existierenden Erfahrungssatz zugrunde gelegt und deshalb davon abgesehen aufzuklären, ob es einen nach dem neuesten Stand der medizinischen Wissenschaft anerkannten Erfahrungssatz gibt, nach dem isolierte Bandscheibenvorfälle durch Unfalleinwirkungen nur verursacht werden können, wenn ein unfallbedingter Begleitschaden vorliegt.

52

bb) Das LSG hat seine Kausalitätsbeurteilung auch auf folgenden nicht existierenden Erfahrungssatz gestützt: Liegen - wie hier - Hinweise auf eine traumatische Schädigung vor, ohne dass eine andere Schädigung als der Arbeitsunfall örtlich-zeitlich in Rede steht, ist ein naturwissenschaftlicher Zusammenhang regelmäßig als wahrscheinlich anzusehen.

53

Daran ist das BSG nicht gebunden. Ein solcher Erfahrungssatz ist nicht allgemeinkundig oder dem BSG gerichtsbekannt. Die Revisionsführerin bestreitet seine Existenz. Das LSG hat nicht mitgeteilt, woher es diese Erkenntnis gewonnen hat. Soweit die Formulierung auch als generelle weitere "Beweiserleichterung" bei der richterlichen Überzeugungsbildung zum Grad der (juristischen) Wahrscheinlichkeit gemeint sein könnte, wäre sie bundesrechtswidrig. Denn der juristische Überzeugungsgrad der Wahrscheinlichkeit knüpft an die Würdigung der Einzelfallumstände nach Maßgabe der im jeweiligen Lebensbereich vorhandenen aktuell anerkannten wissenschaftlichen Erfahrung, hilfsweise der sonstigen einschlägigen Fachkunde, und deren ggf vorhandene Unsicherheiten an. Er erlaubt es aber nicht, an dem vorhandenen Erfahrungswissen durch "juristische Betrachtungen" vorbeizugehen.

54

c) Das LSG hat auch im Übrigen einen unzutreffenden Rechtsbegriff der objektiven Verursachung (der "philosophisch-wissenschaftlichen Kausalität") zugrunde gelegt.

55

Objektive Verursachung bedeutet einen nach dem jeweils neuesten anerkannten Stand der einschlägigen Erfahrung (insbesondere der Wissenschaft, hilfsweise der sonstigen Fachkunde) geprüften und festgestellten Wirkungszusammenhang zwischen einer bestimmten Wirkursache und ihrer Wirkung. Dabei gibt es keine Ursache ohne Wirkung und keine Wirkung ohne Ursache.

56

Die versicherte Verrichtung muss also eine Wirkursache (ggf neben anderen Wirkursachen) der Einwirkung, die Einwirkung eine Wirkursache (ggf neben anderen Wirkursachen) des Gesundheitserstschadens sein. Ob die Verrichtung Wirkursache der Einwirkung (etc) war, ist eine Frage, die nur auf der Grundlage von Erfahrung über Kausalbeziehungen beantwortet werden kann.

57

Auch der Satz der Bedingungstheorie, ein tatsächlicher Umstand sei "notwendige Bedingung" (nicht: Ursache) eines anderen Umstandes, wenn der erste nicht "hinweggedacht" werden könne, ohne dass der zweite (der "Erfolg") entfiele ("conditio sine qua non"), ist kein logischer Schluss. Er verlangt eine hypothetische, dem Recht der gesetzlichen Unfallversicherung grundsätzlich fremde, alternative Zusammenhangserwägung ohne Berücksichtigung eines in Wirklichkeit vorhandenen Umstandes und mit Unterstellung eines in Wirklichkeit nicht erfolgten Geschehensablaufs. Darüber hinaus verweist er auf Erfahrungswissen über den Zusammenhang von Bedingungen.

58

Die Erwägung nach dieser Formel führt zur Unbeachtlichkeit von Bedingungen, die nach Erfahrung die Wirkung nicht mitverursacht haben können. Insoweit kann sie zur ersten negativen Vorklärung, dem Ausscheiden von als Ursachen von vornherein nicht in Betracht kommender Bedingungen, beitragen. Sie erfasst aber alle Bedingungen, die nach Erfahrung möglicherweise die fragliche Wirkung (den "Erfolg") verursacht haben könnten. Aus sich heraus gibt sie aber keinen Maßstab dafür, ob ein solcher als für das Geschehen erforderliche (und nur in diesem Sinne "notwendige") Bedingung erkannter Umstand den "Erfolg" wirklich bewirkt, also die Wirkung mitverursacht hat, worauf schon der große Senat des RVA (aaO) hingewiesen hat. Eine solche Bedingung kann Wirkursache sein, muss es aber nicht. Sie kann auch bloße Randbedingung sein. Die Formel schließt nur "Bedingungen" aus, die nach Erfahrung unmöglich Wirkursachen sein können.

59

Entscheidend ist aber, ob die versicherte Verrichtung die Einwirkung und ob diese den Erstschaden bewirkt hat. Wenn die festgestellte versicherte Verrichtung nach Erfahrung eine "Bedingung eines Erfolgs", also einer Einwirkung und des Gesundheitserstschadens (etc) ist, wären diese (hypothetisch) ohne sie nicht eingetreten. Gleiches gilt für eine kaum abzählbare Menge anderer Bedingungen für den konkreten Unfall. Die Verrichtung war aber nur dann eine Wirkursache der Einwirkung/des Gesundheitserstschadens, wenn sie das Unfallereignis hervorgerufen oder in Gang gehalten und dadurch die Einwirkung herbeigeführt hat, welche den Körper des Verletzten, seinen physiologischen Zustand verändert und dadurch den Gesundheitsschaden mitbewirkt hat. Ob dies der Fall war, ist nach dem neuesten anerkannten Stand des einschlägigen Fachwissens zu beurteilen.

60

aa) Dies gilt auch für die Beantwortung der Frage, ob der festgestellte Bandscheibenvorfall des Klägers Wirkung der festgestellten versicherten Einwirkung/versicherten Testfahrt als Ursache war. Dafür kommt es, weil es sich um eine in den Fachbereich der medizinischen Wissenschaft fallende Frage handelt, allein darauf an, ob ein Wirkungszusammenhang zwischen dieser Testfahrt und dieser Einwirkung auf die HWS des Klägers und diesem Bandscheibenvorfall nach dem aktuellen Stand des anerkannten medizinischen Erfahrungswissens vorliegt. Dafür reicht ein bloßer örtlicher und zeitlicher Zusammenhang nicht aus.

61

Vielmehr ist der jeweils neueste anerkannte Stand des einschlägigen Erfahrungswissens zugrunde zu legen. Dies wird in der Regel die Auffassung der Mehrheit der im jeweiligen Fragenbereich veröffentlichenden Wissenschaftler/Fachkundigen eines Fachgebiets sein. Lässt sich eine solche "herrschende Meinung" nicht feststellen, so darf der Richter nicht gleichsam als Schiedsrichter im Streit einer Wissenschaft fungieren und selbst eine (von ihm anerkannte) Ansicht zur maßgeblichen des jeweiligen für ihn fachfremden Wissenschaftsgebietes erklären. Vielmehr kommt, falls auch durch staatliche Merkblätter, Empfehlungen der Fachverbände etc kein von den Fachkreisen mehrheitlich anerkannter neuester Erfahrungsstand festgestellt werden kann, eine Entscheidung nach Beweislastgrundsätzen in Betracht (anders offenbar noch BSG vom 9.5.2006 - B 2 U 1/05 R - BSGE 96, 196 = SozR 4-2700 § 8 Nr 17, RdNr 18).

62

Dazu muss dieser Erfahrungsstand inhaltlich festgestellt und so rechtzeitig mit seiner Erkenntnisquelle (zB medizinisches Fachbuch) in das Gerichtsverfahren eingeführt werden, dass die Beteiligten sich darüber fachkundig machen und ggf konkrete Beweiserhebungen beantragen können. Das gilt auch dann, wenn das Gericht meint, der Stand des einschlägigen Erfahrungswissens sei gerichtsbekannt, allgemeinkundig oder könne vom Gericht aus eigener, stets rechtzeitig offenzulegender Fachkompetenz beurteilt werden.

63

bb) Soweit ein nicht allgemeinkundiges oder gerichtsbekanntes Erfahrungswissen Gegenstand einer staatlich anerkannten Wissenschaft, hilfsweise einer sonstigen fachkundigen Profession, ist, muss das Gericht, sofern es keine nachweisbare eigene Fachkompetenz oder Gerichtskenntnis auf diesem Gebiet hat, aufgrund der Ermessensreduktion im Rahmen seiner Sachaufklärung nach § 103 SGG sich die erforderliche Kenntnis durch Sachverständige verschaffen. Es ist gerade Aufgabe der Sachverständigen, dem Richter den aktuellen anerkannten Stand des Wissens darüber zu vermitteln, ob es Erfahrungssätze über Ursache-Wirkung-Beziehungen der fraglichen Art gibt und ggf welche Anwendungsbedingungen für die Anwendung dieser Sätze im Einzelfall erfüllt sein müssen. Soweit auch die Anwendung der Erfahrungssätze im Einzelfall, wie häufig, ebenfalls besondere Sachkunde erfordert, kann der Sachverständige auch damit beauftragt werden.

64

Gegenstand solcher Erfahrungssätze und ihrer generellen Anwendungsbedingungen ist, ob Vorgänge der Art des vorderen Kausalgliedes - hier: die Einwirkung auf den HWS-Bereich durch den Aufprall unter Absehung von bloßen Randbedingungen des konkreten Falles - allein oder im Zusammenwirken mit anderen nach dieser Erfahrung ursächlichen Bedingungen Vorgänge der Art des zweiten Kausalgliedes - hier: Bandscheibenvorfall C 6/7 als Gesundheitserstschaden - bewirken. Sofern diese Kausalbeziehung zwischen den beiden Arten der Kausalglieder besteht, ist das vordere eine hinreichende Ursache des folgenden Kausalgliedes. Tritt das zweite Kausalglied (hier: der Gesundheitserstschaden) immer und nur dann auf, wenn das vordere Kausalglied vorliegt, handelt es sich bei diesem um eine notwendige Ursache, bei dem zweiten um eine notwendige Wirkung. Bedingungen im Sinne der Bedingungstheorie, die erfahrungsgemäß keine solchen hinreichenden oder sogar notwendigen Wirkursachen sind, bleiben schon deshalb bei der Zurechnung außer Betracht.

65

cc) Allerdings darf das Gericht die jeweils einschlägige Wissenschaft (oder Fachkunde) auch nicht mit gebietsfremden Anforderungen überfordern, welchen dieser Erfahrungsbereich nicht genügen kann. Das Rechtssystem knüpft in den Grenzen der Rechtslogik an den jeweiligen aktuell anerkannten Stand der einschlägigen empirischen Wissenschaft (oder Fachkunde) an.

66

Es sind - gerade auch im Bereich der Medizin - nicht immer deterministische Erfahrungssätze vorhanden oder anerkannt. Sehr häufig werden nur wissenschaftlich begründete Wahrscheinlichkeitssätze (die nichts mit dem juristischen Beweisgrad der Wahrscheinlichkeit zu tun haben) festgestellt werden können. Dabei gibt es in den verschiedenen Wissenschaften unterschiedliche Begriffe von empirischer Wahrscheinlichkeit bis hin zu probabilistischen Erfahrungssätzen. Sie werden nach entsprechenden Untersuchungen gelegentlich mathematisch formuliert, häufig aber allein durch tradierte Erfahrung im jeweiligen Fachkreis mit geringer Überprüfungsdichte gelehrt und/oder bloß unausgesprochen in der Praxis vorausgesetzt (begründete Vermutungen). Hier sind Unterschiede ferner zwischen Fachbereichen zu beachten, in denen es wissenschaftliche Fachdisziplinen gibt, und solchen, in denen es überwiegend nur die tradierte Erfahrung des Kreises der professionell im jeweiligen Gebiet Tätigen gibt.

67

dd) Maßstab für die objektive Kausalitätsbeurteilung ist also der neueste anerkannte Stand des Erfahrungswissens (vgl hierzu zuletzt auch BSG Urteil vom 15.9.2011 - B 2 U 25/10 R - SozR 4-5671 Anl 1 Nr 4111 Nr 3 RdNr 23 f "in der Regel 100 Feinstaubjahre"). Als Maßstäbe sind jeweils, soweit vorhanden, die aktuell anerkannten Erfahrungssätze festzustellen und anzuwenden. Dies ist eine reine Tatsachenfeststellung bei der der Richter der Hilfe des Sachverständigen bedarf. Hinsichtlich der richterlichen Feststellung des Inhalts der Erfahrungssätze genügt der richterliche Beweisgrad der juristischen Wahrscheinlichkeit. Der Sachverständige muss bei seiner Begutachtung also gerade verdeutlichen, welche Erfahrungssätze er seiner Begutachtung zugrunde legt und dass dieses Erfahrungswissen in der einschlägigen Wissenschaft (oder Fachkunde) aktuell als neuester Stand anerkannt ist.

68

ee) Die Feststellung des jeweils aktuellen wissenschaftlichen Erkenntnisstandes ist für eine objektive Urteilsfindung unerlässlich (BSG vom 9.5.2006 - B 2 U 1/05 R - BSGE 96, 196 = SozR 4-2700 § 8 Nr 17, RdNr 24 ff). Ausgangsbasis der richterlichen Erkenntnisbildung über wissenschaftliche Erfahrungssätze sind auch bei Fragen der objektiven Verursachung die Fachbücher und Standardwerke insbesondere zur Begutachtung im jeweiligen Bereich. Außerdem sind die jeweiligen Leitlinien der Arbeitsgemeinschaft der wissenschaftlich-medizinischen Fachgesellschaften (AWMF) zu berücksichtigen. Hinzu kommen andere aktuelle wissenschaftliche Veröffentlichungen. Diese Quellen hat der Richter jeweils kritisch zu würdigen.

69

Eine bloße Literaturauswertung durch auf dem einschlägigen Gebiet nicht fachgerecht ausgebildete Richter genügt zur Feststellung des (nicht allgemeinkundigen oder gerichtsbekannten) aktuellen wissenschaftlichen Erkenntnisstandes über Kausalbeziehungen in der Regel nicht. Vielmehr wird dessen Klärung im Rahmen des ohnehin benötigten Gutachtens erfolgen. Dieser Erkenntnisstand ist aber die Basis für die Beurteilung durch den Sachverständigen, die er stets zugrunde legen muss und von der er nur durch zusätzliche Ausführungen, weshalb er ihr nicht folgt, mit wissenschaftlicher Begründung abweichen darf.

70

Bestreitet nach rechtzeitiger Einführung eines solchen Erfahrungssatzes in den Prozess einer der Beteiligten dessen Vorliegen oder Tragweite mit nicht offenkundig fernliegenden Sachargumenten, so wird das Gericht im Regelfall diesem Vorbingen durch (zumindest schriftliche) Befragung eines Sachverständigen nachzugehen haben (vgl BSG Beschluss vom 24.7.2012 - B 2 U 100/12 B - zur Veröffentlichung in SozR vorgesehen).

71

d) Das LSG hat hinsichtlich der strittigen Verursachung des Bandscheibenvorfalls schon keinen neuesten anerkannten Stand der medizinischen Wissenschaft festgestellt, sondern einen anderen Verursachungsbegriff zugrunde gelegt.

72

aa) Die Beklagte hatte unter Zitierung des Werks von Schönberger/Mehrtens/Valentin dargelegt, dass es dem dort dokumentierten Stand der medizinischen Wissenschaft entspreche, dass ein traumatischer Bandscheibenvorfall nur mit knöchernen oder ligamentären Begleitverletzungen vorkommen könne. Das LSG hätte hierauf selbst die Existenz oder Nichtexistenz dieses oder eines anderen anerkannten Erfahrungssatzes in der medizinischen Wissenschaft feststellen müssen.

73

bb) Dies war nicht etwa deshalb gerechtfertigt, weil das LSG davon ausgegangen ist, dass sich eine Feststellung des einschlägigen medizinischen Erfahrungssatzes erübrige, weil die Autoren Schönberger/Mehrtens/Valentin von einem unzutreffenden rechtlichen Maßstab bei der Kausalitätsbetrachtung ausgegangen seien. Sie hätten Aspekte der rechtlichen Wesentlichkeit im Sinne der Rechtsprechung des BSG mit naturwissenschaftlichen Aussagen verquickt.

74

Es ist hier nicht darauf einzugehen, ob diese Behauptungen zutreffen. Beiläufig ist darauf hinzuweisen, dass nicht jeder Gebrauch des Wortes "wesentlich" zugleich eine Äußerung zur "Theorie der wesentlichen Bedingung" sein muss. Soweit Nichtjuristen sich zu solchen juristischen Problemen äußern, liegen keine Stellungnahmen eines Sachverständigen, möglicherweise aber dennoch bedenkenswerte oder richtige Argumente vor. In keinem Fall durfte das LSG davon absehen, den aktuellen Stand der anerkannten medizinischen Erfahrung über durch Unfälle verursachte Bandscheibenvorfälle festzustellen.

75

e) Es ist nicht tunlich (§ 170 Abs 2 Satz 2 SGG), dass das BSG das Bestehen und den Inhalt des von der Beklagten behaupteten oder eines sonstigen aktuell anerkannten medizinischen Erfahrungssatzes über die Verursachung von Bandscheibenvorfällen durch Unfalleinwirkungen und dessen generelle Anwendungsbedingungen selbst feststellt. Zwar gehören solche generellen Erfahrungssätze dem revisiblen Bundesrecht (§ 162 SGG) an. Jedoch bedürfte es zu einer Entscheidung darüber, ob im Fall des Klägers die Vorgaben eines solchen Erfahrungssatzes erfüllt sind, der Feststellung von Einzelfalltatsachen und deren fachgerechte Zuordnung zum generellen medizinischen Erfahrungssatz. Das BSG müsste daher voraussichtlich nach Klärung des generellen Standes der anerkannten Erfahrung die Sache dennoch an das LSG zurückverweisen, dem die Feststellung von Tatsachen des Einzelfalles grundsätzlich vorbehalten ist.

76

Das LSG wird folglich nach der Zurückverweisung durch Einholung von Sachverständigengutachten und die anderen aufgezeigten Ermittlungsmöglichkeiten festzustellen haben, ob der von der Beklagten behauptete wissenschaftliche Erfahrungssatz oder ein anderer von der Mehrheit der Wissenschaftler des einschlägigen medizinischen Wissenschaftszweiges vertreten wird.

77

Lässt sich dies zur vollen richterlichen Überzeugung bejahen, so ist er nebst seinen in gleicher Weise wissenschaftlich anerkannten generellen Anwendungsbedingungen der (mindestens im richterlichen Beweisgrad der juristischen Wahrscheinlichkeit zu treffenden) Feststellung zwingend zugrunde zu legen, ob im vorliegenden Fall die versicherte Einwirkung faktische Mitursache des Bandscheibenvorfalls C 6/7 war. Stellt das LSG hingegen fest, dass nicht dieser Erfahrungssatz, sondern ein anderer entsprechend anerkannt ist, ist dieser zwingend maßgeblich. In jedem Fall ist dann über die Mitursächlichkeit der Testfahrt und der durch sie verursachten Einwirkung für den Vorfall C 6/7 und dabei auch der Mitverursachungsanteil anderer Wirkursachen zu entscheiden.

78

5. Von diesen Feststellungen darf das LSG nicht wegen der zweiten Zurechnungsstufe, der rechtlichen "Wesentlichkeit" der Wirkursache für den Schaden, absehen. Das LSG hat nämlich in seinem Beschluss den dargelegten bundesrechtlichen Begriff der Wesentlichkeit unzutreffend auf den Bereich der objektiven Verursachung angewandt. Er betrifft aber allein die zweite Stufe der Zurechnung. Auf ihr geht es ausschließlich um die Rechtsfrage, ob die auf der ersten Stufe abschließend festzustellende faktische Mitverursachung des Gesundheitsschadens durch die versicherte Verrichtung/versicherte Einwirkung überhaupt ein versichertes Risiko der Beschäftigtenversicherung verwirklicht hat. Ggf hängt - wie oben gezeigt - diese Rechtserheblichkeit davon ab, ob unversicherte Mitursachen und ihr Mitwirkungsanteil nach Maßgabe des Schutzzwecks der jeweiligen Versicherung in einer Gesamtabwägung dieser Umstände des Einzelfalls die Schadensverursachung derart prägen, dass dieser nicht mehr dem Schutzbereich der Versicherung, sondern dem allgemeinen Lebensrisiko unterfällt.

79

Hierbei geht es ausschließlich um rechtliche Bewertungen (Auslegung und Subsumtion). Die Wirkursachen und ihre Mitwirkungsanteile (Tatsachenfrage) sind bereits auf der ersten Stufe der objektiven Verursachung abschließend festzustellen. Insbesondere kann die ordnungsgemäße Tatsachenfeststellung auf der ersten Stufe nicht durch Wertungen auf der zweiten ersetzt werden.

80

Das LSG wird daher, falls es auf der ersten Stufe die objektive Verursachung des Bandscheibenvorfalls durch die versicherte Verrichtung/Einwirkung nach neuer Prüfung bejahen wird, auf der zweiten Stufe erstmals die vorgenannte Rechtsfrage beantworten müssen.

81

6. Das LSG wird auch abschließend über die Kosten des Rechtsstreits zu befinden haben.

Tenor

I.

Die Berufung gegen das Urteil des Sozialgerichts München vom 14. August 2013 wird zurückgewiesen.

II.

Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.

III.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand

Streitig ist, ob dem Kläger aufgrund des Unfallereignisses vom 20. Juli 2006 eine Verletztenrente zu gewähren ist.

Der 1971 geborene Kläger war zum Unfallzeitpunkt bei der A. AG bei der Karosserie-Aufbaulinie A3 beschäftigt. Er verletzte sich am 20. Juli 2006 am Handgelenk und an der Schulter, als sich ein verklemmter Kappenfräser löste. Er wurde von dem schweren Maschinenteil an der linken Schulter und am Rücken getroffen und zu Boden geworfen. Nach dem Bericht des Durchgangsarztes Dr. L. vom 20. Juli 2006 bestanden eine Prellung des rechten Unterarms, eine Prellung des linken Schulterblattes sowie eine Schürfwunde. Eine Fraktur wurde nicht diagnostiziert. Es bestand weiter Arbeitsfähigkeit. Im Nachschaubericht vom 12. Oktober 2006 gab Dr. L. als Befund eine Prellung rechter Unterarm, linkes Schulterblatt, eine Schürfwunde sowie eine Myogelose Schulter und Rücken an. Seit zwei Wochen übe der Kläger eine neue Tätigkeit mit regelmäßigem Heben von 5 kg aus; es seien jetzt Schmerzen und eine Verspannung im Bereich der mittleren Brustwirbelsäule (BWS) und Reibegeräusche in der rechten Schulter mit gelegentlichen ziehenden Schmerzen aufgetreten. Im Bericht vom 6. Januar 2007 werden nach Angabe des Klägers immer wieder Schmerzen und Verspannungen der BWS und des rechten Schultergelenks, die sich mit wechselnder Arbeitstätigkeit Anfang Oktober 2006 verstärkt hätten, berichtet.

Eine Kernspintomographie der HWS vom 2. Oktober 2007 zeigte einen kleinen rechtsparamedianen Bandscheibenvorfall im Segment HWK 3/4 ohne Nachweis einer Myelpathie oder einer Einengung des Spinalkanals. Dr. D. diagnostizierte am 4. Oktober 2007 ein leichtgradiges Sulcus-Ulnaris-Syndrom rechts/links eher als Radikulopathie C 8. Mit Nachschaubericht des Dr. L. vom 10. Januar 2008 wird von der Angabe des Klägers über Schmerzen seit dem Unfall in beiden Schulterblättern berichtet, beide Schultern waren im Befund mit normaler Funktion, die Halswirbelsäule (HWS) frei, leichte Verspannung paravertebral. Mit Krankheitsbericht des Dr. L. vom 28. Januar 2008 wird auf ein Begehren des Klägers, eine neu entdeckte BWS-Verletzung von der Beklagten anerkannt zu bekommen, hingewiesen.

Eine Kernspintomographie der HWS vom 30. Januar 2008 ergab einen im Vergleich zur Voruntersuchung vom 2. Juli 2007 unveränderten Befund mit unverändert kleinem rechtsparamedian betontem Bandscheibenprolaps im Segment HWK 3/4 mit initialen ossären Abstützreaktionen.

In dem Bericht über die Kernspintomographie des linken Schultergelenks vom 13. März 2008 wird über aktivierte AC-Gelenksarthrose, deutliche Auftreibung des AC-Gelenks berichtet. Hierbei könne es sich auch um eine posttraumatische Veränderung handeln. Laut Unfallklinik M. vom 14. April 2008 bestand eine Gelenksprengung Typ Rockwood I rechts, eine Ruptur des Diskus articularis, aufgrund derer sich im Laufe der Zeit eine AC-Gelenksarthrose ausbilden würde. Ferner bestünden eine Bandscheibenprotrusion BWK 7/8 und ein Bandscheibenprolaps HWK 3/4. Im Abschlussbericht vom 28. April 2008 der Unfallklinik M. wird über eine arthroskopische AC-Gelenksresektion linke Schulter vom 21.04.2008 berichtet. Intraartikulär habe sich eine Auffaserung des superioren Labrumkomplexes im Sinne einer SLAP 1-Läsion gezeigt, die wahrscheinlich nicht unfallbedingt sei. Des Weiteren sei eine arthroskopische AC-Gelenksresektion erfolgt. Der Kläger habe während des gesamten Aufenthalts fortwährend Schmerzen im Halswirbelsäulenbereich mit Kribbelparästhesien des rechten Unterarms und der Hand geklagt.

Es folgten weitere ärztliche Behandlungen, insbesondere auch der Schulter, u. a. bei Dr. H., in der Unfallklinik M., bei Herrn Dr. S. und in den Kliniken Dr. E. in den Jahren 2008 und 2009. Im Bericht über ein MRT linkes Schultergelenk vom 3. September 2008 des Dr. P. wird der postoperative Zustand mit Veränderungen im AC-Gelenk beschrieben. Bzgl. MRT der HWS vom 3. September 2008 wird von Dr. P. über einen Diskusprolaps HWK 3 /4 berichtet, Streckhaltung der oberen und mittleren HWS im Liegen, keine das Altersmaß überschreitenden degenerativen Veränderungen. Weiter liegt ein Bericht über die Kernspintomographie des Neurocraniums vom 30. September 2008 vor.

Auf weitere Berichte v.a. des Dr. H., Kliniken Dr. E., vom 9. Oktober 2008, der Klinik B. F. vom 7. Oktober 2008 über berufliche Rehabilitation seit 5. August 2008, des Neurologen und Psychiaters Prof. Dr. G. vom 3. November 2008, des Neurochirurgen Dr. C. vom 23. April 2008, den vorläufigen Entlassungsbericht der B.-Klinik vom 19. Januar 2009 über stationäre Reha-Behandlung vom 5. August 2008 bis 20. Januar 2009 sowie den ärztlichen Entlassungsbericht der Klinik B. vom 25. Februar 2009 (als Diagnosen werden neben den Reha-Diagnosen bzgl. der linken Schulter als weitere Diagnosen kleiner Bandscheibenprolaps C 3 /4 sowie Anpassungsstörung im Rahmen Persönlichkeitsstörung genannt) wird verwiesen.

Die Beklagte holte im Rahmen der ersten Rentengutachten ein neurologisches Zusatzgutachten zum Rentengutachten vom 27. März 2009 der Dipl.Med. B. R. ein. Als wesentliche Unfallfolgen bestünde ein Zustand nach Acromioclavikularruptur Tossy links mit ACG-Arthrose. Aus neurologischer Sicht bestehe keine unfallbedingte Minderung der Erwerbsfähigkeit (MdE).

In dem von der Beklagten eingeholten Gutachten auf psychiatrischem Gebiet des Prof. Dr. P. vom 17. Juli 2009 werden als Diagnosen für die Zeit nach dem Arbeitsunfall bis zu einem zweiten Arbeitsunfall am 8. Dezember 2007, bei dem sich der Kläger den Kopf bei einem Sprung nach oben an einer Absaugung gestoßen hat, eine depressive Episode leichten Grades, für die Zeit danach eine depressive Episode mittleren bis schweren Grades beschrieben. Die MdE betrage hierfür 15 v. H. bzw. 60 v. H. Durch die Geburt der jüngsten Tochter (mit gesundheitlicher Einschränkung) im Juli 2007 sei es zu einer geringfügigen Befundverschlechterung gekommen. Die Befundverschlechterung stehe jedoch nicht in kausalem Zusammenhang mit den Arbeitsunfällen. Eine somatoforme Schmerzstörung sei nicht gegeben.

Im unfallchirurgischen Gutachten des Dr. S. vom 27. Juli 2009 wird eine seitengleich ausgebildete Muskulatur an Ober- und Unterarmen geschildert, auch die Handflächenbeschwielung sei seitengleich. Aus den aktuellen Röntgenaufnahmen der linken Schulter ergebe sich kein Hinweis auf ein auffälliges Impingement, die Knochenstruktur sei regelrecht. Der Gutachter nannte als Diagnosen eine AC-Gelenksverletzung Typ Rockwood I linke Schulter, AC-Gelenksarthrose posttraumatisch und unfallunabhängig eine SLAP 1-Läsion linke Schulter sowie eine Bandscheibenprotrusion HWK 3/4. Es lägen Unfallfolgen vor bzgl. Bewegungseinschränkung linke Schulter, Kraftverlust linker Arm, röntgenologische Veränderungen mit lateraler Clavikularesektion bei deutlichen Aggravationstendenzen. Die MdE wurde auf 10 v. H. eingeschätzt. Der Sachverständige wies auf eine deutliche Diskrepanz zwischen angegebenen Beschwerden und tatsächlich objektivierbaren Unfallverletzungsfolgen hin.

Mit beratungsärztlicher Stellungnahme des Prof. Dr. G. wurde eine erneute Begutachtung auf psychiatrischem Fachgebiet empfohlen. Der Klägerbevollmächtigte teilte am 14. Oktober 2009 mit, es werde keine neue Begutachtung im Verwaltungsverfahren gewünscht.

Mit ergänzender Stellungnahme des Dr. P. vom 29. Dezember 2009 wies dieser auf das Fehlen psychiatrischer Vorerkrankungen vor dem ersten Arbeitsunfall hin. Beide Unfallgeschehen seien generell geeignet, psychiatrische Erkrankungen auszulösen. Das erste Unfallereignis sei mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit ursächlich und wesentlich für die depressive Episode leichten Grades. Der zweite Arbeitsunfall sei lediglich Gelegenheitsursache für die Verschlechterung. Zu diesem Zeitpunkt habe eine psychiatrische Vorerkrankung nach dem ersten Arbeitsunfall bestanden. Bislang bestehe keine ausreichende psychiatrische Behandlung. Es liege zum Nachuntersuchungszeitpunkt eine Besserung der MdE auf 50 v. H. vor, anzustreben sei ein rehabilitative Wiedereinstieg am Arbeitsplatz mit dem Ziel leichterer Tätigkeiten.

In der beratungsärztlichen Stellungnahme des Dr. K. vom 8. April 2010 wird ein im Vollbeweis vorliegender psychischer Primärschaden in Abrede gestellt. Eine messbare unfallbedingte MdE auf psychiatrischem Fachgebiet bestehe bzgl. des Unfalls vom 20. Juli 2006 und auch bzgl. des Unfalls vom 8. Dezember 2007 nicht.

Mit Bescheid vom 12. Mai 2010 erkannte die Beklagte den Arbeitsunfall vom 20. Juli 2006 an mit den Unfallfolgen: „Linke Schulter: Nach einer Verrenkung des Schultereckgelenkes mit Zerrung des Kapsel-/Bandapparates (Rockwood I) bestehen noch: Bewegungseinschränkungen des Schultergelenkes, röntgenologische Veränderungen des Schultereckgelenkes mit Teilentfernung des äußeren Anteils des Schlüsselbeins, Kraftverlust des Armes, belastungsabhängige Beschwerden.“ Nicht als Folgen des Arbeitsunfalls wurden anerkannt die Folgen des Arbeitsunfalls vom 8. Dezember 2007, eine depressive Episode mittleren bis schweren Grades, eine Verletzung der Knorpellippe am oberen Rand der Schulterpfanne (SLAP Läsion), Bandscheibenschädigungen zwischen dem 3. und 4. HWK. Eine Verletztenrente sei nicht zu gewähren.

Den Widerspruch wies die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 24. Februar 2011 zurück. Zu den im Widerspruchsverfahren vorgelegten MRT-Bildern der linken und rechten Schulter hatte die Beklagte eine Stellungnahme des Prof. Dr. B. vom 18. Januar 2011 eingeholt. Anlässlich der MRT-Untersuchungen im September 2010 habe ein leichtgradiger Reizzustand des Schulterdachgleitbeutels (Bursitis subacromialis) und ein leichter Reizzustand des ehemaligen Schultereckgelenks vorgelegen.

Hinsichtlich des Arbeitsunfalls vom 8. Dezember 2007 lehnte die Beklagte mit Bescheid vom 12. Mai 2010 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 24. Februar 2011 die Anerkennung eines Arbeitsunfalls und die Feststellung von Unfallfolgen ab. Die hiergegen gerichtete Klage vor dem Sozialgericht München (Az.: S 9 U 187/11) hat der Kläger in der mündlichen Verhandlung vom 14. August 2013 zurückgenommen.

Hinsichtlich des Bescheides vom 12. Mai 2010 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 24. Februar 2011, der den Arbeitsunfall vom 20. Juli 2006 betraf, hat der Kläger ebenfalls Klage zum Sozialgericht München erhoben. Er hat zur Begründung eine Darstellung des Unfallhergangs (Schleudern mit Oberkörper, Kopf und Nackenbereich gegen Robotersockel, Bewusstlosigkeit nach dem Unfall) und der nachfolgenden Behandlungen vorgelegt.

Das Sozialgericht hat aktuelle Befundberichte eingeholt und den Orthopäden Dr. K. sowie den Arzt für Neurologie und Psychiatrie Dr. D. mit der Erstellung eines Gutachtens beauftragt.

Dr. K. hat in seinem Gutachten vom 5. November 2011 die Ansicht vertreten, dass die MdE weniger als 10 v. H. betrage. Allerdings sei bereits der Unfallhergang bzw. -zusammenhang fraglich, wegen der wohl großen Gewalteinwirkung sei jedoch der Unfall als wesentliche Teilursache der aufgetretenen Schultereckgelenksschädigung anzusehen.

Dr. D. hat in seinem Gutachten auf neurologisch-psychiatrischem Fachgebiet vom

3. März 2012 dargelegt, dass bei dem Unfall Gesundheitsstörungen als Unfallfolgen auf neurologisch-psychiatrischem Fachgebiet nicht aufgetreten seien. Erstmals etwa zwei Jahre nach dem Unfall seien psychische Auffälligkeiten zu beobachten gewesen, zu werten als Zeichen einer beginnenden psychogenen Fehlverarbeitung tendenzieller Ausrichtung. Diese seien nicht als Unfallfolgen anzusehen, sondern als Folge von Persönlichkeitseigentümlichkeiten. Vorbestehende Leiden seien durch den Unfall auch nicht verschlimmert worden. Hinsichtlich der MdE hat der Sachverständige auf das Gutachten des Dr. K. verwiesen.

Mit Bericht vom 30. Juli 2012 der BG-Unfallklinik M. wird über Behandlung am gleichen Tag berichtet. Es wird angeführt, dass nach der letzten MRT-Untersuchung wesentliche Unfallfolgen nicht mehr nachzuweisen seien. Es liege eine erhebliche psychosomatische Überlagerung vor. Es erging Empfehlung einer psychosomatischen Behandlung, allerdings zulasten der Krankenkasse.

Das Sozialgericht hat auf Antrag des Klägers nach § 109 Sozialgerichtsgesetz (SGG) ein Gutachten des Prof. Dr. W. auf neurologischem und psychiatrischem Fachgebiet vom 25. Januar 2013 eingeholt. Bei nach dem Unfall fortbestehenden Schmerzen sei eine Gelenksprengung Typ Rockwood I links diagnostiziert worden. Eine valide diagnostische Einordnung der neuropsychologischen Untersuchungsergebnisse sei nicht möglich. Aufgrund der Schmerzen habe sich eine somatoforme Schmerzstörung entwickelt. Die MdE sei deshalb mit 20 v. H. auf psychiatrischem Fachgebiet anzusetzen. Dabei sei berücksichtigt, dass auch Aggraviationstendenzen vorhanden seien - was jedoch nicht untypisch für somatoforme Schmerzstörungen sei. Im Gegensatz zur Begutachtung bei Herrn

Dr. B./Dr. P. fänden sich keine Hinweise auf Depression oder depressive Phasen. Auf neurologischem Fachgebiet sei keine Schädigung nachzuweisen. Das vom Kläger angeführte Schädelhirntrauma mit sechzehnminütiger Bewusstlosigkeit im Rahmen des Unfalls sei in den Unterlagen nicht dokumentiert.

Im weiterhin übersandten neuropsychologischen Zusatzgutachten vom 14. September 2012 des Prof. Dr. Z. wird hervorgehoben, dass sich insgesamt in den Bereichen Aufmerksamkeit, Lernen, Gedächtnis, exekutive Funktionen durchwegs deutlich beeinträchtigte Leistungen ergeben hätten. Sprach- und Instruktionsverständnis wäre gut gegeben gewesen, die erhaltenen Ergebnisse seien nicht interpretierbar.

Die Kammer hat ferner das in dem Verfahren eingeholte Gutachten des Prof. Dr. W. vom 23. April 2013, das den Arbeitsunfall vom 8. Dezember 2007 betroffen hat, sowie das im Rentenverfahren (Az. S 25 R 174/13) eingeholte sozialgerichtliche Gutachten des Dr. M. vom 16. Juli 2013 beigezogen. Dr. M. hat neben einer leichtgradigen depressiven Episode eine anhaltende somatoforme Schmerzstörung diagnostiziert.

In der mündlichen Verhandlung vom 14. August 2013 hat die Beklagte einen Anspruch des Klägers auf Verletztengeld für den Zeitraum vom 14. April 2008 bis 20. Januar 2009 anerkannt. Im Übrigen hat das Sozialgericht die Klage mit Urteil abgewiesen. Unter Berücksichtigung des Erstschadensbildes, dem Gutachten des Dr. K. und der Fachliteratur werde aus orthopädischer Sicht keine rentenberechtigende MdE von wenigstens 20 v. H. erreicht. Auch weitere Unfallfolgen in Form der von Prof. Dr. W. befürworteten somatoformen Schmerzstörung seien zur Überzeugung des Gerichts nicht anzuerkennen. Diese Diagnose sei nicht gesichert.

Dagegen hat der Kläger Berufung eingelegt und die Einholung eines „Obergutachtens“ auf neurologisch-psychiatrischem Fachgebiet angeregt.

Der gemäß § 109 SGG gehörte Orthopäde Dr. C. hat als Unfallfolgen in seinem Gutachten vom 5. Mai 2014 lediglich eine Prellung des rechten Armes und der rechten Schulter sowie eine Prellung des linken Schulterblattes mit begleitender Schürfverletzung angenommen. Es gelinge nicht der Beweis einer stattgehabten Schultereckgelenksverletzung links. Der festgestellte Bandscheibenvorfall im Bereich der HWS müsse als degenerativ bewertet werden. Sämtliche Unfallfolgen seien bis 12. Oktober 2006 folgenlos ausgeheilt. Eine MdE bestehe nicht.

Zu dem Gutachten des Prof. Dr. W. hat der Senat eine ergänzende Stellungnahme des Dr. D. vom Juli 2014 eingeholt. Dieser hat an seinem Gutachtensergebnis festgehalten. Weder eine undifferenzierte somatoforme Schmerzstörung noch eine somatoforme Schmerzstörung seien in der Diagnosestellung und erst recht nicht als Unfallfolge belegt. Eine psychische Störung sei erst ca. zwei Jahre nach dem Unfall dokumentiert. Daraus allein könne zwar nicht geschlossen werden, dass keine unfallbedingte psychische Störung vorliege und vorgelegen habe. Dies sei aber im Hinblick auf den fachärztlichen Vorbefund (kein auffälliger psychischer Befund bei der Untersuchung durch den Neurologen und Psychiater Dr. D. am 4. Oktober 2007) spekulativ. Soweit Dr. M. neben einer leichtgradigen depressiven Episode eine anhaltende somatoforme Schmerzstörung diagnostiziert habe, sei aus den Befunden nur bedingt nachvollziehbar, wie er zu dieser Diagnose gekommen sei, zumal er in der Beurteilung immer wieder auf erhebliche Aggraviationstendenzen des Klägers hinweise.

Der Durchgangsarzt Dr. S. hat in seinem Befundbericht vom 17. Februar 2014 ein chronisches Schmerzsyndrom an der linken Schulter (ICD 10) diagnostiziert. Die Neurologin und Psychiaterin Dr. W. hat am 5. März 2014 eine Anpassungsstörung und eine anhaltende somatoforme Schmerzstörung festgestellt. Eine konsequente psychiatrisch-psychotherapeutische Behandlung sei nicht erfolgt. Hinsichtlich eines Zusammenhangs mit den Unfallereignissen hat die Ärztin auf die Diskussion in den Gutachten verwiesen.

In der mündlichen Verhandlung vom 11. November 2014 hat der Kläger nochmals den Unfallhergang geschildert und auf seitdem bestehende gravierende gesundheitliche Beeinträchtigungen hingewiesen. Auf die Sitzungsniederschrift wird verwiesen.

Der Kläger beantragt,

das Urteil des Sozialgerichts München vom 14. August 2013 und den Bescheid der Beklagten vom 12. Mai 2010 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 24. Februar 2011 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, ihm für die Folgen des Arbeitsunfalls vom 20. Juli 2006 eine Verletztenrente nach einer MdE von mindestens 20 v. H. zu gewähren.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Im Übrigen wird gemäß § 136 Abs. 2 SGG auf den Inhalt der Akten der Beklagten, der Gerichtsakte des Sozialgerichts sowie der Klage- und Berufungsakte Bezug genommen.

Gründe

Die Berufung des Klägers ist zulässig (§§ 143, 151 SGG), aber unbegründet.

Nicht streitig ist das Vorliegen eines Arbeitsunfalls nach §§ 7 Abs. 1, 8 Abs. 1 des Siebten Buchs Sozialgesetzbuch (SGB VII), der in dem Ereignis vom 20. Juli 2006 zu sehen ist. Die Schilderung des Unfallereignisses durch den Kläger, vor allem in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat, deckt sich im Wesentlichen mit der Schilderung der Arbeitgeberin in der Unfallanzeige. Der Kläger wurde an Rücken und Schulter von dem schweren Maschinenteil getroffen und stürzte zu Boden, wobei er sich auch an der rechten Schulter stieß. Zu Recht weist z. B. auch der vom Kläger benannte Gutachter Prof. Dr. W. darauf hin, dass ein Schädelhirntrauma mit sechzehnminütiger Bewusstlosigkeit nach Aktenlage nicht dokumentiert ist. Es bestehen erhebliche Differenzen zwischen den vorliegenden Befunden - ausgehend von dem Durchgangsarztbericht des Dr. L. vom Unfalltag - und der späteren Darstellung der Schwere des Unfallereignisses durch den Kläger. Mehrere Gutachter verweisen auf die deutlichen Aggravationstendenzen des Klägers; auch objektiv ist festzuhalten, dass der Kläger weiterarbeiten konnte und vom Durchgangsarzt Arbeitsfähigkeit bescheinigt wurde.

Die Beklagte hat mit streitgegenständlichem Bescheid den Arbeitsunfall sowie als Unfallfolgen betreffend der linken Schulter festgestellt: „Nach einer Verrenkung des Schultereckgelenkes mit Zerrung des Kapsel-/Bandapparates (Rockwood I) bestehen noch: Bewegungseinschränkungen des Schultergelenkes, röntgenologische Veränderungen des Schultereckgelenkes mit Teilentfernung des äußeren Anteils des Schlüsselbeins, Kraftverlust des Armes, belastungsabhängige Beschwerden“. Von diesen Unfallfolgen ist zunächst auszugehen, auch wenn nach dem Gutachten des Dr. C. der Nachweis einer Schultereckgelenksverletzung links nicht als Unfallfolge gelingt.

Nach allen Gutachten ergibt sich darüber hinaus übereinstimmend, dass der festgestellte Bandscheibenvorfall BWK 3/4 keine Unfallfolge ist. Auch ergibt sich aus den orthopädischen Gutachten übereinstimmend, dass keine weiteren Unfallfolgen auf diesem Fachgebiet anzuerkennen sind.

Zu entscheiden ist über die Frage, ob sich hieraus ein Anspruch auf eine Rente nach einer MdE um mindestens 20 v. H. ergibt. Das Vorliegen eines Stützrententatbestandes wird von den Beteiligten verneint. Darüber hinaus ist maßgebend, ob auch eine somatoforme Schmerzstörung besteht, die ebenfalls für die Bewertung der MdE zu berücksichtigen wäre.

Versicherte, deren Erwerbsfähigkeit infolge eines Versicherungsfalls über die 26. Woche nach dem Versicherungsfall hinaus um wenigstens 20 v. H. gemindert ist, haben Anspruch auf eine Rente, § 56 Abs. 1 S. 1 SGB VII. Die MdE richtet sich nach dem Umfang der sich aus der Beeinträchtigung des körperlichen und geistigen Leistungsvermögens ergebenden verminderten Arbeitsmöglichkeiten auf dem gesamten Gebiet des Erwerbslebens, § 56 Abs. 2 S. 2 SGB VII. Es ist auf den Maßstab der individuellen Erwerbsfähigkeit des Verletzten vor Eintritt des Versicherungsfalls abzustellen (BSGE 21, 63, 66; vom 26. November 1987, SozR 2200 § 581 Nr. 27; vom 30. Mai 1988, a. a. O., Nr. 28).

Dabei muss die Gesundheitsbeeinträchtigung in einem notwendigen ursächlichen Zusammenhang mit der schädigenden Einwirkung stehen. Die Beurteilung, ob und in welchem Umfang die körperlichen und geistigen Fähigkeiten des Verletzten durch Unfallfolgen beeinträchtigt sind, liegt in erster Linie auf ärztlich-wissenschaftlichem Gebiet. Dabei ist allerdings die Beurteilung der Kausalität im Ergebnis eine Frage der richterlichen Würdigung. Verursacht sind die Gesundheitsstörungen, wenn der Unfall gegenüber sonstigen schädigungsfremden Faktoren wie z. B. Vorerkrankungen nach der medizinisch-wissenschaftlichen Lehrmeinung von überragender Bedeutung für die Entstehung der Gesundheitsstörung war oder zumindest von annähernd gleichwertiger Bedeutung (wesentliche Mitursache). Eine wesentliche Mitursache liegt dann nicht vor, wenn beim Versicherten eine Anlage so stark und leicht ansprechbar war, dass es zur Auslösung akuter Erscheinungen keiner besonderen, in ihrer Art unersetzlicher äußerer Einwirkungen bedurfte, sondern jedes andere alltäglich vorkommende ähnlich gelagerte Ereignis zu derselben Zeit die Erscheinungen ausgelöst hätte. Die für die Bejahung des Zusammenhangs der Gesundheitsstörungen mit dem Arbeitsunfall notwendige Wahrscheinlichkeit liegt vor, wenn nach der medizinisch-wissenschaftlichen Lehrmeinung zu Ätiologie und Pathogenese den für den Zusammenhang sprechenden Umständen ein deutliches Übergewicht zukommt.

Das Sozialgericht hat unter Berücksichtigung der Gutachten des Dr. K. dargelegt, dass auf orthopädischem Fachgebiet eine MdE von 20 v. H. nicht gegeben ist. Das Vorliegen einer somatoformen Schmerzstörung hat das Sozialgericht unter Auswertung der Gutachten des Dr. D. und Prof. Dr. W. als nicht nachgewiesen beurteilt. Der Senat folgt dieser Einschätzung durch das Sozialgericht. Von einer weiteren Darstellung der Entscheidungsgründe wird abgesehen, da der Senat die Berufung aus den Gründen der angefochtenen Entscheidung als unbegründet zurückweist (§ 153 Abs. 2 SGG).

Dies bestätigte sich auch durch die Ermittlungen des Senats im Berufungsverfahren.

Auf orthopädischem Fachgebiet hat der Senat auf Antrag des Klägers das Gutachten des Dr. C. eingeholt, der nur als unfallbedingt eine Prellung des rechten Armes und der rechten Schulter sowie eine Prellung des linken Schulterblattes mit begleitender Schürfverletzung angenommen hat und deshalb im Ergebnis zu keiner MdE gelangt. Sämtliche Unfallfolgen sind nach Ansicht dieses Sachverständigen bis 12. Oktober 2006 folgenlos ausgeheilt. Eine stattgehabte Zerrverletzung des Schultereckgelenks vom Typ Rockwood I hat der Sachverständige als rein hypothetisch angesehen bzw. aufgrund der offensichtlich unfallzeitpunktnahen Beschwerdefreiheit am linken Schultereckgelenk ausgeschlossen. Diese stringente medizinische Bewertung steht, wie dargelegt, im Widerspruch zu den orthopädischen Vorgutachten des Dr. S., der als unfallbedingte Folge eine AC-Gelenksverletzung Typ Rockwood I linke Schulter sowie eine AC-Gelenksarthrose posttraumatisch ansah, und des Dr. K.. Letztere sah die im Unfall aufgetretene deutliche Gewalteinwirkung wenigstens als wesentliche Teilursache der aufgetretenen Schultereckgelenksschädigung an. Gemäß dem Gutachten des Dr. S. hat die Beklagte auch die orthopädischen Unfallfolgen anerkannt. Auch nach diesen beiden Gutachten ergibt sich jedoch keine MdE in Höhe von 20 v. H.

Diese Einschätzung deckt sich auch mit der Fachliteratur. Während unkomplizierte Schultergelenksverrenkungen regelmäßig ohne nennenswerte Schäden ausheilen, ist bei den darüber hinausgehenden Beeinträchtigungen vor allem auf die Bewegungseinschränkungen abzustellen (Schönberger/Mehrtens/Valentin (abgekürzt S/M/V), Arbeitsunfall und Berufskrankheit, 8. Aufl., S. 520 und 523). Beim Kläger besteht ein Impingementsyndrom, d. h. ein Engpasssyndrom. Dr. K. konnte im Rahmen der Untersuchung keine reproduzierbare Bewegungseinschränkung insbesondere hinsichtlich der Überkopfbewegungen feststellen. Auch wenn der Kläger den linken Arm in Schonhaltung am Körper adduziert geführt hat, waren die gemessenen Bewegungsausmaße der Schultergelenke rechts und links identisch. Dr. C. stellte lediglich eine Abweichung bei Seithebung mit Schultergürtel fest (rechts 90 Grad, links 70 Grad); die aktive Schultervorhebung, nach S/M/V das Hauptkriterium (S/M/V, a. a. O; S. 523), war mit 90 Grad seitengleich. Die Entwicklung des Deltamuskels war seitengleich normal. Es zeigte sich links auch keine auffallende Atrophie oder Mindertonisierung. Eine MdE - zumindest in Höhe von 20 v. H. - lässt sich hieraus somit nicht ableiten.

Auf psychiatrischem Fachgebiet ist fraglich, ob eine unfallbedingte somatoforme Schmerzstörung nachgewiesen ist. Nach den im Berufungsverfahren vorgelegten ärztlichen Berichten wie des Dr. S. hat der Kläger Schmerzen im Bereich der linken Schulter; Dr. S. geht von einem chronischen Schmerzsyndrom an der linken Schulter aus. Die Beklagte hat auch belastungsabhängige Beschwerden - neben Bewegungseinschränkungen des Schultergelenks - anerkannt.

Es finden sich auch einige ärztliche Dokumentationen wie das Gutachten des Prof. Dr. W., das Rentengutachten des Dr. M. oder der Arztbrief der Dr. W. vom 5. März 2014, die eine anhaltende somatoforme Schmerzstörung beschreiben. Dabei ergibt sich aber andererseits auch aus diversen Ausführungen, dass eine deutliche Aggraviationstendenz des Klägers besteht. Ferner erfolgt nach Auskunft der behandelnden Neurologin Dr. W. entgegen der Empfehlungen der Gutachter bislang keine konsequente psychiatrisch-psychotherapeutische Behandlung.

Dr. D. hat in seiner ergänzenden Stellungnahme ausgeführt, dass weder die Diagnose einer undifferenzierten somatoformen Schmerzstörung noch einer somatoformen Schmerzstörung belegt ist und erst recht nicht als Unfallfolge anzuerkennen ist. Eine psychische Störung ist erst ca. zwei Jahre nach dem Unfall dokumentiert. Die fachärztlichen Vorbefunde waren zwischen dem Unfallereignis und der ersten Befunderhebung unauffällig, so bei der Untersuchung durch den Neurologen und Psychiater Dr. D. am 4. Oktober 2007. Auch aus dem Gutachten des Prof. Dr. W. ergeben sich hinsichtlich der Frage der Unfallkausalität - bei Annahme der Diagnose einer somatoformen Schmerzstörung - Anhaltspunkte für Zweifel auch des Sachverständigen, wenn er auf S. 84 seines Gutachtens ausführt: „Soweit der Kausalzusammenhang bejaht wird“. Darüber hinaus stellt der Sachverständige z. B. im Rahmen des strukturierten klinischen Interviews stark auf die Angaben des Klägers (z. B. auf S. 59: (...)“nach seinen Aussagen“) ab. Die Ursachen somatoformer Schmerzstörungen sind, wie Prof. Dr. W. auch ausführt, vielfältig. Es spielen die genetische Vulnerabilität sowie die Persönlichkeitseigenschaften eine wichtige Rolle. Der Unfall stellt somit auch nach Prof. Dr. W. nur eine Teilursache, wenn auch eine wesentliche, dar.

Die Neurologin und Psychiaterin Dr. R. diagnostizierte am 4. August 2008 erstmals eine somatoforme Schmerzstörung, es fiel aber bereits eine deutliche Somatisierungstendenz auf, die Beschwerdeschilderung war teils demonstrativ und kaum nachvollziehbar, Aggravationstendenzen waren nicht auszuschließen. Vor dem Hintergrund der erst spät dokumentierten psychischen Befunde und den Verdeutlichungstendenzen hält der Senat die Ausführung des Dr. D. für überzeugend, dass es sich insgesamt nicht um eine unfallbedingte Gesundheitsstörung, sondern um tendenzielle Verhaltensweisen im Sinne einer psychogenen Fehlverarbeitung tendenzieller Ausrichtung handelt. Der Sachverständige sieht hier die wesentliche Ursache nicht in dem Unfallereignis, sondern in den Persönlichkeitseigentümlichkeiten, so dass eine Berücksichtigung bei der MdE-Bewertung nicht erfolgen kann.

Auch die Unfallklinik M. ist bereits im Juli 2012 zu dem Ergebnis gelangt, nachdem die letzte MRT-Untersuchung ergeben hat, dass wesentliche Unfallfolgen nicht mehr nachgewiesen werden können, dass ein vernünftiger Behandlungsansatz fehlt. Es konnten weder Reizzustände noch andersartige Gewebeveränderungen festgestellt werden, die als Erklärung für die vorgetragene Schmerzhaftigkeit in der Schulter in Betracht kommen. Das Ausmaß der verbliebenen Unfallfolgen war objektiv aufgrund unverkennbarer Verdeutlichungstendenzen nur sehr schwer zu messen. Es wurde im Ergebnis eine erhebliche psychosomatische Überlagerung angenommen, so dass als der einzige denkbare Therapieansatz eine psychosomatische Behandlung vorgeschlagen wurde, allerdings zulasten der Krankenkasse.

Der Senat ist daher zu der Überzeugung gelangt, dass keine unfallbedingte somatoforme Schmerzstörung vorliegt, sondern eine Persönlichkeitseigentümlichkeit im Vordergrund steht. Aber auch bei Annahme einer Schmerzstörung ergäbe sich bei der Bewertung der MdE kein abweichendes Ergebnis, wie dies oben unter Bezugnahme auf die Fachliteratur bereits dargelegt wurde. Die beim Kläger festgestellten Bewegungsmaße lassen nur eine geringfügige Bewegungseinschränkung erkennen. Eine Muskeldifferenz im Bereich der Oberarme ist nicht gegeben. Dabei ist der Kläger von kräftiger Statur, der Muskelumfang 15 cm oberhalb des Gelenkspaltes wurde von Dr. C. mit jeweils 35 cm seitengleich gemessen. Dies spricht nicht für ein Ausmaß der Schmerzen, das zu einer MdE in Höhe von 20 v. H. führen würde.

Eine depressive Episode, wie von Dr. B./Dr. P. beschrieben, bestätigte sich in den letzten Gutachten nicht. Ausdrücklich weist hierauf auch Prof. Dr. W. hin.

Nicht ausreichend für die Gewährung einer Verletztenrente ist ein Vorbringen, vor dem Unfallereignis gesund gewesen zu sein und seitdem unter verschiedenen gesundheitlichen Beeinträchtigungen zu leiden. Allein der zeitliche Zusammenhang zwischen einem Unfallereignis und Gesundheitsschäden ist nicht ausreichend.

Die Berufung des Klägers war daher zurückzuweisen.

Die Kostenfolge stützt sich auf § 193 SGG.

Die Revision war nicht zuzulassen, weil Gründe nach § 160 Abs. 2 Nrn. 1 und 2 SGG nicht vorliegen.

Das Verfahren vor den Gerichten der Sozialgerichtsbarkeit ist für Versicherte, Leistungsempfänger einschließlich Hinterbliebenenleistungsempfänger, behinderte Menschen oder deren Sonderrechtsnachfolger nach § 56 des Ersten Buches Sozialgesetzbuch kostenfrei, soweit sie in dieser jeweiligen Eigenschaft als Kläger oder Beklagte beteiligt sind. Nimmt ein sonstiger Rechtsnachfolger das Verfahren auf, bleibt das Verfahren in dem Rechtszug kostenfrei. Den in Satz 1 und 2 genannten Personen steht gleich, wer im Falle des Obsiegens zu diesen Personen gehören würde. Leistungsempfängern nach Satz 1 stehen Antragsteller nach § 55a Absatz 2 Satz 1 zweite Alternative gleich. § 93 Satz 3, § 109 Abs. 1 Satz 2, § 120 Absatz 1 Satz 2 und § 192 bleiben unberührt. Die Kostenfreiheit nach dieser Vorschrift gilt nicht in einem Verfahren wegen eines überlangen Gerichtsverfahrens (§ 202 Satz 2).

(1) Das Gericht hat im Urteil zu entscheiden, ob und in welchem Umfang die Beteiligten einander Kosten zu erstatten haben. Ist ein Mahnverfahren vorausgegangen (§ 182a), entscheidet das Gericht auch, welcher Beteiligte die Gerichtskosten zu tragen hat. Das Gericht entscheidet auf Antrag durch Beschluß, wenn das Verfahren anders beendet wird.

(2) Kosten sind die zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung notwendigen Aufwendungen der Beteiligten.

(3) Die gesetzliche Vergütung eines Rechtsanwalts oder Rechtsbeistands ist stets erstattungsfähig.

(4) Nicht erstattungsfähig sind die Aufwendungen der in § 184 Abs. 1 genannten Gebührenpflichtigen.