Sozialgericht Karlsruhe Urteil, 15. Jan. 2015 - S 13 SB 1648/14

bei uns veröffentlicht am15.01.2015

Tenor

1. Die Klage wird abgewiesen.

2. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.

Tatbestand

 
Der Kläger begehrt die Feststellung eines Grades der Behinderung (GdB) von mindestens 60.
Der Kläger stellte am 29. Januar 2013 einen Erstantrag auf Feststellung der Schwerbehinderteneigenschaft beim Landratsamt Karlsruhe.
Als Gesundheitsstörungen machte er einen Schlaganfall, eine periphere arterielle Verschlusskrankheit sowie einen Unfall an der Wirbelsäule und der Achillessehne geltend.
Das LRA zog Befundunterlagen der behandelnden Ärzte bei und stellte durch Bescheid vom 18. April 2013 einen GdB von 50 seit dem 29. Januar 2013 fest. In der dem Bescheid zugrundeliegende Stellungnahme berücksichtigte der versorgungsmedizinische Dienst folgende Gesundheitsstörungen:
1.01   
Bluthochdruck, Hirndurchblutungsstörungen, Sprachstörung
Einzel-GdB 30
1.02   
Arterielle Verschlusskrankheit des Beines
Einzel-GdB 30
1.03   
Unfallfolgen
        
        
(geringe Bewegungseinschränkung im Bereich des Überganges der Brustwirbel- zur Lendenwirbelsäule,
Keilwirbelbildung mit Höhenminderung)

Einzel-GdB 20
1.04   
degenerative Veränderung der Wirbelsäule
Einzel-GdB 10
Zur Begründung des hiergegen erhobenen Widerspruchs führte der Klägerbevollmächtigte aus, die Funktionsbeeinträchtigung wegen des Achillessehnenrisses sei nicht berücksichtigt, ebenso eine Sehminderung des Klägers.
Das LRA hörte erneut seinen ärztlichen Dienst an, der an seinen bisherigen Feststellungen festhielt. Der Beklagte wies den Widerspruch daraufhin durch Widerspruchsbescheid vom 7. Mai 2014 als unbegründet zurück.
Aus diesem Grund hat der Kläger am 13. Mai 2013 Klage zum Sozialgericht Karlsruhe erhoben. Der Klägerbevollmächtigte ist der Ansicht die Gesundheitsbeeinträchtigungen des Klägers rechtfertigten einen höheren GdB.
Der Kläger beantragt,
10 
1. Der Bescheid des Landratsamts vom 18. April 2013 sowie der Widerspruchsbescheid des Regierungspräsidiums vom 7. Mai 2014 werden aufgehoben. Der Beklagte wird verpflichtet, dem Kläger einen GdB von mindestens 60 zu gewähren,
11 
2. hilfsweise die Einholung eines Gutachtens nach § 109 SGG. Als Gutachter wird Dr. S., Facharzt für Orthopädie, K. benannt.
12 
Der Beklagte beantragt,
13 
die Klage abzuweisen.
14 
Er stützt sich auf die im Gerichtsverfahren vorgelegte versorgungsmedizinische Stellungnahmen und hält die angefochtenen Bescheide weiterhin für rechtmäßig.
15 
Das Gericht hat im Rahmen der Beweiserhebung den vom Kläger genannten Mediziner als sachverständigen Zeugen befragt. Dieser hat die Einschätzung des Beklagten hinsichtlich des Gesamt-GdB geteilt.
16 
Das Gericht hat dem Klägerbevollmächtigtem mit Schreiben vom 23. Juni 2014 mitgeteilt, es seien keine weiteren Amtsermittlungen mehr beabsichtigt und ihm eine vierwöchige Stellungnahmefrist eingeräumt. Mit Verfügung vom 28. Juli 2014 hat das Gericht die Rechtsache zur Terminbestimmung vorgesehen. Nach erneutem Vortrag des Klägerbevollmächtigtem am 7. August 2014 hat das Gericht nochmals mit Schreiben vom 8. August 2014 darauf hingewiesen, keine weiteren Amtsermittlungen mehr durchzuführen. Daraufhin hat das Gericht am 18. September 2014 einen Termin zur mündlichen Verhandlung am 30. Oktober 2014 bestimmt. Nachdem dieser Termin auf Ersuchen des Klägerbevollmächtigten aufgehoben werden musste, hat das Gericht mit Schreiben vom 16. Oktober 2014 einen neuen Termin zur mündlichen Verhandlung am 26. November 2014 festgesetzt. Schließlich hat das Gericht, nach einer krankheitsbedingten Aufhebung dieses Termin, mit Schreiben vom 26. November 2014 eine mündliche Verhandlung für den 15. Januar 2015 angesetzt.
17 
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf die beigezogene Verwaltungsakte des Beklagten und die Prozessakte Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

 
18 
Die Klage ist zulässig, aber nicht begründet. Der Kläger hat keinen Anspruch auf Feststellung eines höheren Grades der Behinderung als 50. Der Bescheid des Landratsamts vom 18. April 2013 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids des Regierungspräsidiums vom 7. Mai 2014 ist rechtmäßig und verletzt ihn nicht in seinen Rechten.
19 
1. Nach § 48 Abs. 1 Satz 1 Sozialgesetzbuch Zehntes Buch (SGB X) ist ein Verwaltungsakt mit Dauerwirkung für die Zukunft aufzuheben, soweit in den tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnissen, die bei seinem Erlass vorgelegen haben, eine wesentliche Änderung eintritt. Im Schwerbehindertenrecht liegt eine Änderung der tatsächlichen Verhältnisse vor, wenn sich der Gesundheitszustand des Behinderten durch das Hinzutreten neuer oder den Wegfall bestehender Funktionsstörungen oder durch eine Änderung der anerkannten Funktionsstörungen verschlechtert oder verbessert.
20 
Maßgebliche Rechtsgrundlagen für die Feststellung und Bewertung des GdB ist § 69 Abs. 1 SGB IX, wonach die für die Durchführung des Bundesversorgungsgesetzes zuständigen Behörden (Versorgungsämter und Landesversorgungsämter) auf Antrag des behinderten Menschen das Vorliegen einer Behinderung und den GdB feststellen. Die Feststellung des GdB richtet sich seit dem 01. Januar 2009 nach den Bewertungsmaßstäben der Anlage zu § 2 der Versorgungsmedizinverordnung (VersMedV), die aufgrund der Ermächtigung in § 30 Abs. 17 des Bundesversorgungsgesetzes (BVG) erlassen worden sind (§ 69 Abs. 1 S. 5 SGB IX) und den medizinischen Kenntnisstand für die Beurteilung von Behinderungen wiedergeben.
21 
Menschen sind behindert, wenn ihre körperliche Funktion, geistige Fähigkeit oder seelische Gesundheit mit hoher Wahrscheinlichkeit länger als sechs Monate von dem für das Lebensalter typischen Zustand abweichen und daher ihre Teilhabe am Leben in der Gesellschaft beeinträchtigt ist (§ 2 Abs. 1 Satz 1 Neuntes Buch Sozialgesetzbuch - SGB IX). Die Auswirkungen auf die Teilhabe am Leben in der Gesellschaft werden als Grad der Behinderung nach 10er Graden abgestuft festgestellt (§ 69 Abs. 1 S. 4 SGB IX). Der Begriff des GdB bezieht sich auf alle Gesundheitsstörungen unabhängig von ihrer Verursachung, wobei die üblichen seelischen Begleiterscheinungen und Schmerzen mitberücksichtigt sind.
22 
Wesentlich ist eine Änderung dann, wenn der veränderte Gesundheitszustand mehr als sechs Monate angehalten hat oder voraussichtlich anhalten wird und wenn sich der Gesamt-Grad der Behinderung (Gesamt-GdB) um wenigstens 10 erhöht oder vermindert. Ob eine wesentliche Änderung eingetreten ist, muss durch einen Vergleich des gegenwärtigen medizinischen Zustandes mit dem bindend festgestellten - früheren - Behinderungszustand ermittelt werden (vgl. BSG Urteil vom 15.08.1996, Az. 9 RVs 10/94, Rdnr. 11 nach juris, LSG Baden-Württemberg, Urteil vom 17.12.2010, Az. L 8 SB 1549/10, Rdnr. 22 nach juris). Im Falle einer solchen Änderung ist der Verwaltungsakt aufzuheben und durch eine zutreffende Bewertung zu ersetzen.
23 
Für die Feststellung des GdB sind dabei in einem ersten Schritt die einzelnen, nicht nur vorübergehenden Gesundheitsstörungen und die sich daraus ergebenden Teilhabebeeinträchtigungen festzustellen. In einem zweiten Schritt sind diese den in der Anlage zu § 2 der VersMedV genannten Funktionssystemen zuzuordnen und mit einem Einzel-GdB zu bewerten. In einem dritten Schritt ist dann - ausgehend von der Beeinträchtigung mit dem höchsten Einzel-GdB - der Gesamt-GdB zu bilden (vgl. BSG Urteil vom 24.04.2008, Az. B 9/9a SB 10/06 R, Rdnr. 23 nach juris). Bei der Ermittlung des Gesamt-GdB sind jegliche Rechenmethoden für die Bildung des Gesamt-GdB ungeeignet. Maßgebend sind die Auswirkungen der gesamten Beeinträchtigungen unter Berücksichtigung ihrer wechselseitigen Beziehungen (Teil A. Nr. 3 der Anlage zu § 2 der VersMedV).
24 
Nach diesen Maßstäben ergibt sich kein höherer Grad der Behinderung als 50.
25 
Für diese Überzeugung stützt sich das erkennende Gericht auf die sachverständige Zeugenaussage von Dr. B. sowie die versorgungsmedizinischen Stellungnahmen von Dr. B. und macht sich deren Einschätzung nach eigener kritischer Urteils- und Überzeugungsbildung zu eigen.
26 
Der behandelnde Arzt des Klägers Dr. B. hat sich der Auffassung des Beklagten hinsichtlich des Gesamt-GdB angeschlossen. Insbesondere lässt sich seiner Aussage kein Anhaltspunkt für eine höhere Bewertung des GdB entnehmen.
27 
So hat der Beklagte die beim Kläger nach einem Schlaganfall bestehenden Sprach- und Durchblutungsstörungen korrekterweise mit einem Teil-GdB Wert von 30 bewertet. Dr. B. hat deutliche Wortfindungsstörungen sowie ein Stottern beschrieben. Dies trete insbesondere bei Aufregung auf.
28 
Die beim Kläger vorliegende arterielle Verschlusskrankheit der Beine bedingt nach den Grundsätzen der VersMedV keinen höheren Teil-GdB als 30. Entscheidend ist dabei, ab welcher Gehstrecke ein- oder beidseitig Schmerzen auftreten. Hierzu führt Dr. B. aus, dass eine Strecke von 200-300 m vom Kläger schmerzfrei zurückgelegt werden kann. Diesbezüglich sieht die VersMedV einen Spielraum für die Bildung eines Teil-GdB von 30-40 vor. Eine Höherbewertung ist erst bei einer nachgewiesenen Gehstrecken von unter 100 m möglich. Eine solche Limitierung der Gehfähigkeit ist aber derzeit nicht vom behandelnden Arzt mitgeteilt worden.
29 
Die chronisch degenerativen Veränderungen an der Brust- und Lendenwirbelsäule rechtfertigen keine höhere Bewertung als 20. Der Kläger befindet sich diesbezüglich nicht in fachärztlicher orthopädischer Behandlung. Schwergradige funktionelle Auswirkungen sind damit derzeit nicht nachgewiesen.
30 
Bezüglich der vom Klägerbevollmächtigten geltend gemachten Erkrankung Achillessehnenverletzung ist zu entgegen, dass der Kläger sich diesbezüglich ausweislich der vorliegenden Befundberichte nicht in Behandlung befindet. Selbst gegenüber seinem Hausarzt Dr. B. hat der Kläger keine Beschwerden mit der Achillessehne geltend gemacht. Daher ist nicht nachgewiesen, dass sich tatsächlich eine Funktionseinschränkung aus dieser Erkrankung ergibt. Eine weitere Sachverhaltsermittlung von Amts wegen war daher nicht erforderlich.
31 
Weitere Gesundheitsstörungen, die einem anderen Funktionssystem zuzuordnen sind und zumindest einen Einzelbehinderungsgrad von 10 bedingen, sind nicht festzustellen.
32 
Ausgehend von der obigen Beurteilung der einzelnen Beeinträchtigungen des Klägers entsprechen seine Behinderungen einem Gesamt-GdB in Höhe von 50.
33 
Der Gesamt-GdB ist unter Beachtung der Versorgungsmedizin-Verordnung in freier richterlicher Beweiswürdigung sowie aufgrund richterlicher Erfahrung unter Hinzuziehung von Sachverständigengutachten zu bilden (vgl. LSG Baden-Württemberg, Urteil vom 17.12.2010, L 8 SB 1549/10, Rdnr. 25 nach juris.). Die einzelnen GdB-Werte dürfen für die Bildung des Gesamt-GdB weder addiert, noch mit anderen Rechenmethoden gebildet werden. Ausschlaggebend sind stattdessen die Auswirkungen aller Beeinträchtigungen unter Berücksichtigung ihrer wechselseitigen Beziehungen. Ein Einzel-GdB in Höhe von 10 führt in der Regel nicht zu einer Zunahme des Ausmaßes der Gesamtbeeinträchtigung und auch bei leichten Behinderungen mit einem GdB in Höhe von 20 ist es vielfach nicht gerechtfertigt, auf eine wesentliche Zunahme des Ausmaßes der Behinderung zu schließen (vgl. Teil A Nr. 3d der Anlage zu § 2 VersMedV).
34 
Aus den Einzel-GdB-Werten von zweimal 30, einmal 20 und 10 ist unter Berücksichtigung des oben beschriebenen Maßstabs ein Gesamt-GdB in Höhe von 50 zu bilden.
35 
Aus diesem Grund sind die Bescheide des LRA und des Beklagten rechtmäßig.
36 
2. Dem hilfsweise gestellten Antrag des Klägerbevollmächtigten ein Gutachten gem. § 109 SGG einzuholen, war nicht zu folgen.
37 
§ 109 Abs. 2 SGG ermöglicht dem Gericht, einen klägerischen Antrag auf gutachterliche Anhörung eines bestimmten Arztes abzulehnen, wenn durch die Zulassung die Erledigung des Rechtsstreits verzögert werden würde und der Antrag nach der freien Überzeugung des Gerichts in der Absicht, das Verfahren zu verschleppen, oder aus grober Nachlässigkeit nicht früher vorgebracht worden ist.Dies ist vorliegend der Fall. Die Einholung des beantragten Gutachtens hätte die Erledigung des Rechtsstreits verzögert. Musste der Antragsteller erkennen, dass das Gericht von Amts wegen nicht weiter ermittelt, liegt grobe Nachlässigkeit vor, wenn der Antrag nicht in angemessener Frist gestellt wird. Als angemessene Frist, innerhalb derer ein Antrag nach § 109 SGG zu stellen ist, sind in der Regel vier Wochen zu verstehen, wenn das Gericht keine andere Frist setzt. (vgl. Landessozialgericht Sachsen-Anhalt, Urteil vom 20. September 2012, L 3 R 351/10, Rdnr. 36 nach juris) Das Gericht muss auf die Möglichkeit eines Antrags nach § 109 SGG nicht hinweisen. (vgl. BSG, Beschluss vom 23.10.1957, 4 RJ 142/57, Rdnr. 12 nach juris)
38 
Vorliegend hat das Gericht bereits mit seinen Verfügungen vom 23. Juni und 8. August 2014 ausdrücklich erklärt, keine weiteren Sachverhaltsermittlungen von Amts wegen zu beabsichtigen. Spätestens mit Erhalt der 1. Ladung zur mündlichen Verhandlung am 30. Oktober 2014 war erkennbar, dass von Amts wegen kein Sachverständigengutachten eingeholt wird. Auch die zwei weiteren Terminladungen haben dies erkennen lassen. Der vom Klägerbevollmächtigte in der mündlichen Verhandlung am 15. Januar 2015 gestellte Antragt ist folglich verspätet. Nach der Rechtsprechung des LSG Baden-Württemberg (vgl. LSG, Urteil vom 21.03.2013, L 6 SB 4703/12, nach juris) ist bereits ein unmittelbar vor einer mündlichen Verhandlung gestellter Antrag verfristet. Dies muss erst Recht für einen in der mündlichen Verhandlung gestellten Antrag gelten.
39 
Entgegen der Auffassung des Klägerbevollmächtigten ergibt sich auch kein Hinweis auf eine frühere Antragstellung. Nicht ausreichend, da ohne Benennung eines bestimmter Gutachters, ist die Formulierung des Klägerbevollmächtigten in seinem Schreiben vom 7. August 2014: „Beweis: Beizug der Akten sowie Sachverständigengutachten“. Ein Antrag gem. § 109 Abs. 1 SGG setzt bereits nach dem Wortlaut dieser Vorschrift die Bestimmung eines konkreten Arztes als Gutachter voraus. Daher handelt es sich hierbei keinesfalls um einen Beweisantrag im Sinne des § 109 Abs. 1 SGG.
40 
Demgemäß konnte das Gericht den hilfsweise gestellten Antrag gem. § 109 SGG als verfristet gem. § 109 Abs. 2 SGG ablehnen.
41 
3. Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 Abs. 1 SGG.

Gründe

 
18 
Die Klage ist zulässig, aber nicht begründet. Der Kläger hat keinen Anspruch auf Feststellung eines höheren Grades der Behinderung als 50. Der Bescheid des Landratsamts vom 18. April 2013 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids des Regierungspräsidiums vom 7. Mai 2014 ist rechtmäßig und verletzt ihn nicht in seinen Rechten.
19 
1. Nach § 48 Abs. 1 Satz 1 Sozialgesetzbuch Zehntes Buch (SGB X) ist ein Verwaltungsakt mit Dauerwirkung für die Zukunft aufzuheben, soweit in den tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnissen, die bei seinem Erlass vorgelegen haben, eine wesentliche Änderung eintritt. Im Schwerbehindertenrecht liegt eine Änderung der tatsächlichen Verhältnisse vor, wenn sich der Gesundheitszustand des Behinderten durch das Hinzutreten neuer oder den Wegfall bestehender Funktionsstörungen oder durch eine Änderung der anerkannten Funktionsstörungen verschlechtert oder verbessert.
20 
Maßgebliche Rechtsgrundlagen für die Feststellung und Bewertung des GdB ist § 69 Abs. 1 SGB IX, wonach die für die Durchführung des Bundesversorgungsgesetzes zuständigen Behörden (Versorgungsämter und Landesversorgungsämter) auf Antrag des behinderten Menschen das Vorliegen einer Behinderung und den GdB feststellen. Die Feststellung des GdB richtet sich seit dem 01. Januar 2009 nach den Bewertungsmaßstäben der Anlage zu § 2 der Versorgungsmedizinverordnung (VersMedV), die aufgrund der Ermächtigung in § 30 Abs. 17 des Bundesversorgungsgesetzes (BVG) erlassen worden sind (§ 69 Abs. 1 S. 5 SGB IX) und den medizinischen Kenntnisstand für die Beurteilung von Behinderungen wiedergeben.
21 
Menschen sind behindert, wenn ihre körperliche Funktion, geistige Fähigkeit oder seelische Gesundheit mit hoher Wahrscheinlichkeit länger als sechs Monate von dem für das Lebensalter typischen Zustand abweichen und daher ihre Teilhabe am Leben in der Gesellschaft beeinträchtigt ist (§ 2 Abs. 1 Satz 1 Neuntes Buch Sozialgesetzbuch - SGB IX). Die Auswirkungen auf die Teilhabe am Leben in der Gesellschaft werden als Grad der Behinderung nach 10er Graden abgestuft festgestellt (§ 69 Abs. 1 S. 4 SGB IX). Der Begriff des GdB bezieht sich auf alle Gesundheitsstörungen unabhängig von ihrer Verursachung, wobei die üblichen seelischen Begleiterscheinungen und Schmerzen mitberücksichtigt sind.
22 
Wesentlich ist eine Änderung dann, wenn der veränderte Gesundheitszustand mehr als sechs Monate angehalten hat oder voraussichtlich anhalten wird und wenn sich der Gesamt-Grad der Behinderung (Gesamt-GdB) um wenigstens 10 erhöht oder vermindert. Ob eine wesentliche Änderung eingetreten ist, muss durch einen Vergleich des gegenwärtigen medizinischen Zustandes mit dem bindend festgestellten - früheren - Behinderungszustand ermittelt werden (vgl. BSG Urteil vom 15.08.1996, Az. 9 RVs 10/94, Rdnr. 11 nach juris, LSG Baden-Württemberg, Urteil vom 17.12.2010, Az. L 8 SB 1549/10, Rdnr. 22 nach juris). Im Falle einer solchen Änderung ist der Verwaltungsakt aufzuheben und durch eine zutreffende Bewertung zu ersetzen.
23 
Für die Feststellung des GdB sind dabei in einem ersten Schritt die einzelnen, nicht nur vorübergehenden Gesundheitsstörungen und die sich daraus ergebenden Teilhabebeeinträchtigungen festzustellen. In einem zweiten Schritt sind diese den in der Anlage zu § 2 der VersMedV genannten Funktionssystemen zuzuordnen und mit einem Einzel-GdB zu bewerten. In einem dritten Schritt ist dann - ausgehend von der Beeinträchtigung mit dem höchsten Einzel-GdB - der Gesamt-GdB zu bilden (vgl. BSG Urteil vom 24.04.2008, Az. B 9/9a SB 10/06 R, Rdnr. 23 nach juris). Bei der Ermittlung des Gesamt-GdB sind jegliche Rechenmethoden für die Bildung des Gesamt-GdB ungeeignet. Maßgebend sind die Auswirkungen der gesamten Beeinträchtigungen unter Berücksichtigung ihrer wechselseitigen Beziehungen (Teil A. Nr. 3 der Anlage zu § 2 der VersMedV).
24 
Nach diesen Maßstäben ergibt sich kein höherer Grad der Behinderung als 50.
25 
Für diese Überzeugung stützt sich das erkennende Gericht auf die sachverständige Zeugenaussage von Dr. B. sowie die versorgungsmedizinischen Stellungnahmen von Dr. B. und macht sich deren Einschätzung nach eigener kritischer Urteils- und Überzeugungsbildung zu eigen.
26 
Der behandelnde Arzt des Klägers Dr. B. hat sich der Auffassung des Beklagten hinsichtlich des Gesamt-GdB angeschlossen. Insbesondere lässt sich seiner Aussage kein Anhaltspunkt für eine höhere Bewertung des GdB entnehmen.
27 
So hat der Beklagte die beim Kläger nach einem Schlaganfall bestehenden Sprach- und Durchblutungsstörungen korrekterweise mit einem Teil-GdB Wert von 30 bewertet. Dr. B. hat deutliche Wortfindungsstörungen sowie ein Stottern beschrieben. Dies trete insbesondere bei Aufregung auf.
28 
Die beim Kläger vorliegende arterielle Verschlusskrankheit der Beine bedingt nach den Grundsätzen der VersMedV keinen höheren Teil-GdB als 30. Entscheidend ist dabei, ab welcher Gehstrecke ein- oder beidseitig Schmerzen auftreten. Hierzu führt Dr. B. aus, dass eine Strecke von 200-300 m vom Kläger schmerzfrei zurückgelegt werden kann. Diesbezüglich sieht die VersMedV einen Spielraum für die Bildung eines Teil-GdB von 30-40 vor. Eine Höherbewertung ist erst bei einer nachgewiesenen Gehstrecken von unter 100 m möglich. Eine solche Limitierung der Gehfähigkeit ist aber derzeit nicht vom behandelnden Arzt mitgeteilt worden.
29 
Die chronisch degenerativen Veränderungen an der Brust- und Lendenwirbelsäule rechtfertigen keine höhere Bewertung als 20. Der Kläger befindet sich diesbezüglich nicht in fachärztlicher orthopädischer Behandlung. Schwergradige funktionelle Auswirkungen sind damit derzeit nicht nachgewiesen.
30 
Bezüglich der vom Klägerbevollmächtigten geltend gemachten Erkrankung Achillessehnenverletzung ist zu entgegen, dass der Kläger sich diesbezüglich ausweislich der vorliegenden Befundberichte nicht in Behandlung befindet. Selbst gegenüber seinem Hausarzt Dr. B. hat der Kläger keine Beschwerden mit der Achillessehne geltend gemacht. Daher ist nicht nachgewiesen, dass sich tatsächlich eine Funktionseinschränkung aus dieser Erkrankung ergibt. Eine weitere Sachverhaltsermittlung von Amts wegen war daher nicht erforderlich.
31 
Weitere Gesundheitsstörungen, die einem anderen Funktionssystem zuzuordnen sind und zumindest einen Einzelbehinderungsgrad von 10 bedingen, sind nicht festzustellen.
32 
Ausgehend von der obigen Beurteilung der einzelnen Beeinträchtigungen des Klägers entsprechen seine Behinderungen einem Gesamt-GdB in Höhe von 50.
33 
Der Gesamt-GdB ist unter Beachtung der Versorgungsmedizin-Verordnung in freier richterlicher Beweiswürdigung sowie aufgrund richterlicher Erfahrung unter Hinzuziehung von Sachverständigengutachten zu bilden (vgl. LSG Baden-Württemberg, Urteil vom 17.12.2010, L 8 SB 1549/10, Rdnr. 25 nach juris.). Die einzelnen GdB-Werte dürfen für die Bildung des Gesamt-GdB weder addiert, noch mit anderen Rechenmethoden gebildet werden. Ausschlaggebend sind stattdessen die Auswirkungen aller Beeinträchtigungen unter Berücksichtigung ihrer wechselseitigen Beziehungen. Ein Einzel-GdB in Höhe von 10 führt in der Regel nicht zu einer Zunahme des Ausmaßes der Gesamtbeeinträchtigung und auch bei leichten Behinderungen mit einem GdB in Höhe von 20 ist es vielfach nicht gerechtfertigt, auf eine wesentliche Zunahme des Ausmaßes der Behinderung zu schließen (vgl. Teil A Nr. 3d der Anlage zu § 2 VersMedV).
34 
Aus den Einzel-GdB-Werten von zweimal 30, einmal 20 und 10 ist unter Berücksichtigung des oben beschriebenen Maßstabs ein Gesamt-GdB in Höhe von 50 zu bilden.
35 
Aus diesem Grund sind die Bescheide des LRA und des Beklagten rechtmäßig.
36 
2. Dem hilfsweise gestellten Antrag des Klägerbevollmächtigten ein Gutachten gem. § 109 SGG einzuholen, war nicht zu folgen.
37 
§ 109 Abs. 2 SGG ermöglicht dem Gericht, einen klägerischen Antrag auf gutachterliche Anhörung eines bestimmten Arztes abzulehnen, wenn durch die Zulassung die Erledigung des Rechtsstreits verzögert werden würde und der Antrag nach der freien Überzeugung des Gerichts in der Absicht, das Verfahren zu verschleppen, oder aus grober Nachlässigkeit nicht früher vorgebracht worden ist.Dies ist vorliegend der Fall. Die Einholung des beantragten Gutachtens hätte die Erledigung des Rechtsstreits verzögert. Musste der Antragsteller erkennen, dass das Gericht von Amts wegen nicht weiter ermittelt, liegt grobe Nachlässigkeit vor, wenn der Antrag nicht in angemessener Frist gestellt wird. Als angemessene Frist, innerhalb derer ein Antrag nach § 109 SGG zu stellen ist, sind in der Regel vier Wochen zu verstehen, wenn das Gericht keine andere Frist setzt. (vgl. Landessozialgericht Sachsen-Anhalt, Urteil vom 20. September 2012, L 3 R 351/10, Rdnr. 36 nach juris) Das Gericht muss auf die Möglichkeit eines Antrags nach § 109 SGG nicht hinweisen. (vgl. BSG, Beschluss vom 23.10.1957, 4 RJ 142/57, Rdnr. 12 nach juris)
38 
Vorliegend hat das Gericht bereits mit seinen Verfügungen vom 23. Juni und 8. August 2014 ausdrücklich erklärt, keine weiteren Sachverhaltsermittlungen von Amts wegen zu beabsichtigen. Spätestens mit Erhalt der 1. Ladung zur mündlichen Verhandlung am 30. Oktober 2014 war erkennbar, dass von Amts wegen kein Sachverständigengutachten eingeholt wird. Auch die zwei weiteren Terminladungen haben dies erkennen lassen. Der vom Klägerbevollmächtigte in der mündlichen Verhandlung am 15. Januar 2015 gestellte Antragt ist folglich verspätet. Nach der Rechtsprechung des LSG Baden-Württemberg (vgl. LSG, Urteil vom 21.03.2013, L 6 SB 4703/12, nach juris) ist bereits ein unmittelbar vor einer mündlichen Verhandlung gestellter Antrag verfristet. Dies muss erst Recht für einen in der mündlichen Verhandlung gestellten Antrag gelten.
39 
Entgegen der Auffassung des Klägerbevollmächtigten ergibt sich auch kein Hinweis auf eine frühere Antragstellung. Nicht ausreichend, da ohne Benennung eines bestimmter Gutachters, ist die Formulierung des Klägerbevollmächtigten in seinem Schreiben vom 7. August 2014: „Beweis: Beizug der Akten sowie Sachverständigengutachten“. Ein Antrag gem. § 109 Abs. 1 SGG setzt bereits nach dem Wortlaut dieser Vorschrift die Bestimmung eines konkreten Arztes als Gutachter voraus. Daher handelt es sich hierbei keinesfalls um einen Beweisantrag im Sinne des § 109 Abs. 1 SGG.
40 
Demgemäß konnte das Gericht den hilfsweise gestellten Antrag gem. § 109 SGG als verfristet gem. § 109 Abs. 2 SGG ablehnen.
41 
3. Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 Abs. 1 SGG.

Urteilsbesprechung zu Sozialgericht Karlsruhe Urteil, 15. Jan. 2015 - S 13 SB 1648/14

Urteilsbesprechungen zu Sozialgericht Karlsruhe Urteil, 15. Jan. 2015 - S 13 SB 1648/14

Referenzen - Gesetze

Sozialgerichtsgesetz - SGG | § 193


(1) Das Gericht hat im Urteil zu entscheiden, ob und in welchem Umfang die Beteiligten einander Kosten zu erstatten haben. Ist ein Mahnverfahren vorausgegangen (§ 182a), entscheidet das Gericht auch, welcher Beteiligte die Gerichtskosten zu tragen ha

Neuntes Buch Sozialgesetzbuch - SGB 9 2018 | § 2 Begriffsbestimmungen


(1) Menschen mit Behinderungen sind Menschen, die körperliche, seelische, geistige oder Sinnesbeeinträchtigungen haben, die sie in Wechselwirkung mit einstellungs- und umweltbedingten Barrieren an der gleichberechtigten Teilhabe an der Gesellschaft m
Sozialgericht Karlsruhe Urteil, 15. Jan. 2015 - S 13 SB 1648/14 zitiert 10 §§.

Sozialgerichtsgesetz - SGG | § 193


(1) Das Gericht hat im Urteil zu entscheiden, ob und in welchem Umfang die Beteiligten einander Kosten zu erstatten haben. Ist ein Mahnverfahren vorausgegangen (§ 182a), entscheidet das Gericht auch, welcher Beteiligte die Gerichtskosten zu tragen ha

Neuntes Buch Sozialgesetzbuch - SGB 9 2018 | § 2 Begriffsbestimmungen


(1) Menschen mit Behinderungen sind Menschen, die körperliche, seelische, geistige oder Sinnesbeeinträchtigungen haben, die sie in Wechselwirkung mit einstellungs- und umweltbedingten Barrieren an der gleichberechtigten Teilhabe an der Gesellschaft m

Sozialgerichtsgesetz - SGG | § 109


(1) Auf Antrag des Versicherten, des behinderten Menschen, des Versorgungsberechtigten oder Hinterbliebenen muß ein bestimmter Arzt gutachtlich gehört werden. Die Anhörung kann davon abhängig gemacht werden, daß der Antragsteller die Kosten vorschieß

Bundesversorgungsgesetz - BVG | § 30


(1) Der Grad der Schädigungsfolgen ist nach den allgemeinen Auswirkungen der Funktionsbeeinträchtigungen, die durch die als Schädigungsfolge anerkannten körperlichen, geistigen oder seelischen Gesundheitsstörungen bedingt sind, in allen Lebensbereich

Neuntes Buch Sozialgesetzbuch - SGB 9 2018 | § 69 Kontinuität der Bemessungsgrundlage


Haben Leistungsempfänger Krankengeld, Verletztengeld, Versorgungskrankengeld oder Übergangsgeld bezogen und wird im Anschluss daran eine Leistung zur medizinischen Rehabilitation oder zur Teilhabe am Arbeitsleben ausgeführt, so wird bei der Berechnun

Versorgungsmedizin-Verordnung - VersMedV | § 2 Anlage „Versorgungsmedizinische Grundsätze“


Die in § 1 genannten Grundsätze und Kriterien sind in der Anlage zu dieser Verordnung#F1_771649als deren Bestandteil festgelegt.

Referenzen - Urteile

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Referenzen

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(2) Das Gericht kann einen Antrag ablehnen, wenn durch die Zulassung die Erledigung des Rechtsstreits verzögert werden würde und der Antrag nach der freien Überzeugung des Gerichts in der Absicht, das Verfahren zu verschleppen, oder aus grober Nachlässigkeit nicht früher vorgebracht worden ist.

Haben Leistungsempfänger Krankengeld, Verletztengeld, Versorgungskrankengeld oder Übergangsgeld bezogen und wird im Anschluss daran eine Leistung zur medizinischen Rehabilitation oder zur Teilhabe am Arbeitsleben ausgeführt, so wird bei der Berechnung der diese Leistungen ergänzenden Leistung zum Lebensunterhalt von dem bisher zugrunde gelegten Arbeitsentgelt ausgegangen; es gilt die für den Rehabilitationsträger jeweils geltende Beitragsbemessungsgrenze.

(1) Der Grad der Schädigungsfolgen ist nach den allgemeinen Auswirkungen der Funktionsbeeinträchtigungen, die durch die als Schädigungsfolge anerkannten körperlichen, geistigen oder seelischen Gesundheitsstörungen bedingt sind, in allen Lebensbereichen zu beurteilen. Der Grad der Schädigungsfolgen ist nach Zehnergraden von 10 bis 100 zu bemessen; ein bis zu fünf Grad geringerer Grad der Schädigungsfolgen wird vom höheren Zehnergrad mit umfasst. Vorübergehende Gesundheitsstörungen sind nicht zu berücksichtigen; als vorübergehend gilt ein Zeitraum bis zu sechs Monaten. Bei beschädigten Kindern und Jugendlichen ist der Grad der Schädigungsfolgen nach dem Grad zu bemessen, der sich bei Erwachsenen mit gleicher Gesundheitsstörung ergibt, soweit damit keine Schlechterstellung der Kinder und Jugendlichen verbunden ist. Für erhebliche äußere Gesundheitsschäden können Mindestgrade festgesetzt werden.

(2) Der Grad der Schädigungsfolgen ist höher zu bewerten, wenn Beschädigte durch die Art der Schädigungsfolgen im vor der Schädigung ausgeübten oder begonnenen Beruf, im nachweisbar angestrebten oder in dem Beruf besonders betroffen sind, der nach Eintritt der Schädigung ausgeübt wurde oder noch ausgeübt wird. Das ist insbesondere der Fall, wenn

1.
auf Grund der Schädigung weder der bisher ausgeübte, begonnene oder nachweisbar angestrebte noch ein sozial gleichwertiger Beruf ausgeübt werden kann,
2.
zwar der vor der Schädigung ausgeübte oder begonnene Beruf weiter ausgeübt wird oder der nachweisbar angestrebte Beruf erreicht wurde, Beschädigte jedoch in diesem Beruf durch die Art der Schädigungsfolgen in einem wesentlich höheren Ausmaß als im allgemeinen Erwerbsleben erwerbsgemindert sind, oder
3.
die Schädigung nachweisbar den weiteren Aufstieg im Beruf gehindert hat.

(3) Rentenberechtigte Beschädigte, deren Einkommen aus gegenwärtiger oder früherer Tätigkeit durch die Schädigungsfolgen gemindert ist, erhalten nach Anwendung des Absatzes 2 einen Berufsschadensausgleich in Höhe von 42,5 vom Hundert des auf volle Euro aufgerundeten Einkommensverlustes (Absatz 4) oder, falls dies günstiger ist, einen Berufsschadensausgleich nach Absatz 6.

(4) Einkommensverlust ist der Unterschiedsbetrag zwischen dem derzeitigen Bruttoeinkommen aus gegenwärtiger oder früherer Tätigkeit zuzüglich der Ausgleichsrente (derzeitiges Einkommen) und dem höheren Vergleichseinkommen. Haben Beschädigte Anspruch auf eine in der Höhe vom Einkommen beeinflußte Rente wegen Todes nach den Vorschriften anderer Sozialleistungsbereiche, ist abweichend von Satz 1 der Berechnung des Einkommensverlustes die Ausgleichsrente zugrunde zu legen, die sich ohne Berücksichtigung dieser Rente wegen Todes ergäbe. Ist die Rente aus der gesetzlichen Rentenversicherung gemindert, weil das Erwerbseinkommen in einem in der Vergangenheit liegenden Zeitraum, der nicht mehr als die Hälfte des Erwerbslebens umfaßt, schädigungsbedingt gemindert war, so ist die Rentenminderung abweichend von Satz 1 der Einkommensverlust. Das Ausmaß der Minderung wird ermittelt, indem der Rentenberechnung für Beschädigte Entgeltpunkte zugrunde gelegt werden, die sich ohne Berücksichtigung der Zeiten ergäben, in denen das Erwerbseinkommen der Beschädigten schädigungsbedingt gemindert ist.

(5) Das Vergleichseinkommen errechnet sich nach den Sätzen 2 bis 5. Zur Ermittlung des Durchschnittseinkommens sind die Grundgehälter der Besoldungsgruppen der Bundesbesoldungsordnung A aus den vorletzten drei der Anpassung vorangegangenen Kalenderjahren heranzuziehen. Beträge des Durchschnittseinkommens bis 0,49 Euro sind auf volle Euro abzurunden und von 0,50 Euro an auf volle Euro aufzurunden. Der Mittelwert aus den drei Jahren ist um den Prozentsatz anzupassen, der sich aus der Summe der für die Rentenanpassung des laufenden Jahres sowie des Vorjahres maßgebenden Veränderungsraten der Bruttolöhne und -gehälter je Arbeitnehmer (§ 68 Absatz 2 in Verbindung mit § 228b des Sechsten Buches Sozialgesetzbuch) ergibt; die Veränderungsraten werden jeweils bestimmt, indem der Faktor für die Veränderung der Bruttolöhne und -gehälter je Arbeitnehmer um eins vermindert und durch Vervielfältigung mit 100 in einen Prozentsatz umgerechnet wird. Das Vergleichseinkommen wird zum 1. Juli eines jeden Jahres neu festgesetzt; wenn das nach den Sätzen 1 bis 6 errechnete Vergleichseinkommen geringer ist, als das bisherige Vergleichseinkommen, bleibt es unverändert. Es ist durch das Bundesministerium für Arbeit und Soziales zu ermitteln und im Bundesanzeiger bekanntzugeben; die Beträge sind auf volle Euro aufzurunden. Abweichend von den Sätzen 1 bis 5 sind die Vergleichseinkommen der Tabellen 1 bis 4 der Bekanntmachung vom 14. Mai 1996 (BAnz. S. 6419) für die Zeit vom 1. Juli 1997 bis 30. Juni 1998 durch Anpassung der dort veröffentlichten Werte mit dem Vomhundertsatz zu ermitteln, der in § 56 Absatz 1 Satz 1 bestimmt ist; Satz 6 zweiter Halbsatz gilt entsprechend.

(6) Berufsschadensausgleich nach Absatz 3 letzter Satzteil ist der Nettobetrag des Vergleicheinkommens (Absatz 7) abzüglich des Nettoeinkommens aus gegenwärtiger oder früherer Erwerbstätigkeit (Absatz 8), der Ausgleichsrente (§§ 32, 33) und des Ehegattenzuschlages (§ 33a). Absatz 4 Satz 2 gilt entsprechend.

(7) Der Nettobetrag des Vergleichseinkommens wird bei Beschädigten, die nach dem 30. Juni 1927 geboren sind, für die Zeit bis zum Ablauf des Monats, in dem sie auch ohne die Schädigung aus dem Erwerbsleben ausgeschieden wären, längstens jedoch bis zum Ablauf des Monats, in dem der Beschädigte die Regelaltersgrenze nach dem Sechsten Buch Sozialgesetzbuch erreicht, pauschal ermittelt, indem das Vergleichseinkommen

1.
bei verheirateten Beschädigten um 18 vom Hundert, der 716 Euro übersteigende Teil um 36 vom Hundert und der 1 790 Euro übersteigende Teil um 40 vom Hundert,
2.
bei nicht verheirateten Beschädigten um 18 vom Hundert, der 460 Euro übersteigende Teil um 40 vom Hundert und der 1 380 Euro übersteigende Teil um 49 vom Hundert
gemindert wird. Im übrigen gelten 50 vom Hundert des Vergleichseinkommens als dessen Nettobetrag.

(8) Das Nettoeinkommen aus gegenwärtiger oder früherer Erwerbstätigkeit wird pauschal aus dem derzeitigen Bruttoeinkommen ermittelt, indem

1.
das Bruttoeinkommen aus gegenwärtiger Erwerbstätigkeit um die in Absatz 7 Satz 1 Nr. 1 und 2 genannten Vomhundertsätze gemindert wird,
2.
Renten aus der gesetzlichen Rentenversicherung sowie Renten wegen Alters, Renten wegen verminderter Erwerbsfähigkeit und Landabgaberenten nach dem Gesetz über die Alterssicherung der Landwirte um den Vomhundertsatz gemindert werden, der für die Bemessung des Beitrags der sozialen Pflegeversicherung (§ 55 des Elften Buches Sozialgesetzbuch) gilt, und um die Hälfte des Vomhundertsatzes des allgemeinen Beitragssatzes der Krankenkassen (§ 241 des Fünften Buches Sozialgesetzbuch); die zum 1. Januar festgestellten Beitragssätze gelten insoweit jeweils vom 1. Juli des laufenden Kalenderjahres bis zum 30. Juni des folgenden Kalenderjahres,
3.
sonstige Geldleistungen von Leistungsträgern (§ 12 des Ersten Buches Sozialgesetzbuch) mit dem Nettobetrag berücksichtigt werden und
4.
das übrige Bruttoeinkommen um die in Nummer 2 genannten Vomhundertsätze und zusätzlich um 19 vom Hundert des 562 Euro übersteigenden Betrages gemindert wird; Nummer 2 letzter Halbsatz gilt entsprechend.
In den Fällen des Absatzes 11 tritt an die Stelle des Nettoeinkommens im Sinne des Satzes 1 der nach Absatz 7 ermittelte Nettobetrag des Durchschnittseinkommens.

(9) Berufsschadensausgleich nach Absatz 6 wird in den Fällen einer Rentenminderung im Sinne des Absatzes 4 Satz 3 nur gezahlt, wenn die Zeiten des Erwerbslebens, in denen das Erwerbseinkommen nicht schädigungsbedingt gemindert war, von einem gesetzlichen oder einem gleichwertigen Alterssicherungssystem erfaßt sind.

(10) Der Berufsschadensausgleich wird ausschließlich nach Absatz 6 berechnet, wenn der Antrag erstmalig nach dem 21. Dezember 2007 gestellt wird. Im Übrigen trifft die zuständige Behörde letztmalig zum Stichtag nach Satz 1 die Günstigkeitsfeststellung nach Absatz 3 und legt damit die für die Zukunft anzuwendende Berechnungsart fest.

(11) Wird durch nachträgliche schädigungsunabhängige Einwirkungen oder Ereignisse, insbesondere durch das Hinzutreten einer schädigungsunabhängigen Gesundheitsstörung das Bruttoeinkommen aus gegenwärtiger Tätigkeit voraussichtlich auf Dauer gemindert (Nachschaden), gilt statt dessen als Einkommen das Grundgehalt der Besoldungsgruppe der Bundesbesoldungsordnung A, der der oder die Beschädigte ohne den Nachschaden zugeordnet würde; Arbeitslosigkeit oder altersbedingtes Ausscheiden aus dem Erwerbsleben gilt grundsätzlich nicht als Nachschaden. Tritt nach dem Nachschaden ein weiterer schädigungsbedingter Einkommensverlust ein, ist dieses Durchschnittseinkommen entsprechend zu mindern. Scheidet dagegen der oder die Beschädigte schädigungsbedingt aus dem Erwerbsleben aus, wird der Berufsschadensausgleich nach den Absätzen 3 bis 8 errechnet.

(12) Rentenberechtigte Beschädigte, die einen gemeinsamen Haushalt mit ihrem Ehegatten oder Lebenspartners, einem Verwandten oder einem Stief- oder Pflegekind führen oder ohne die Schädigung zu führen hätten, erhalten als Berufsschadensausgleich einen Betrag in Höhe der Hälfte der wegen der Folgen der Schädigung notwendigen Mehraufwendungen bei der Führung des gemeinsamen Haushalts.

(13) Ist die Grundrente wegen besonderen beruflichen Betroffenseins erhöht worden, so ruht der Anspruch auf Berufsschadensausgleich in Höhe des durch die Erhöhung der Grundrente nach § 31 Abs. 1 Satz 1 erzielten Mehrbetrags. Entsprechendes gilt, wenn die Grundrente nach § 31 Abs. 4 Satz 2 erhöht worden ist.

(14) Die Bundesregierung wird ermächtigt, durch Rechtsverordnung mit Zustimmung des Bundesrates zu bestimmen:

a)
welche Vergleichsgrundlage und in welcher Weise sie zur Ermittlung des Einkommensverlustes heranzuziehen ist,
b)
wie der Einkommensverlust bei einer vor Abschluß der Schulausbildung oder vor Beginn der Berufsausbildung erlittenen Schädigung zu ermitteln ist,
c)
wie der Berufsschadensausgleich festzustellen ist, wenn der Beschädigte ohne die Schädigung neben einer beruflichen Tätigkeit weitere berufliche Tätigkeiten ausgeübt oder einen gemeinsamen Haushalt im Sinne des Absatzes 12 geführt hätte,
d)
was als derzeitiges Bruttoeinkommen oder als Durchschnittseinkommen im Sinne des Absatzes 11 und des § 64c Abs. 2 Satz 2 und 3 gilt und welche Einkünfte bei der Ermittlung des Einkommensverlustes nicht berücksichtigt werden,
e)
wie in besonderen Fällen das Nettoeinkommen abweichend von Absatz 8 Satz 1 Nr. 3 und 4 zu ermitteln ist.

(15) Ist vor dem 1. Juli 1989 bereits über den Anspruch auf Berufsschadensausgleich für die Zeit nach dem Ausscheiden aus dem Erwerbsleben entschieden worden, so verbleibt es hinsichtlich der Frage, ob Absatz 4 Satz 1 oder 3 anzuwenden ist, bei der getroffenen Entscheidung.

(16) Das Bundesministerium für Arbeit und Soziales wird ermächtigt, im Einvernehmen mit dem Bundesministerium der Verteidigung und mit Zustimmung des Bundesrates durch Rechtsverordnung die Grundsätze aufzustellen, die für die medizinische Bewertung von Schädigungsfolgen und die Feststellung des Grades der Schädigungsfolgen im Sinne des Absatzes 1 maßgebend sind, sowie die für die Anerkennung einer Gesundheitsstörung nach § 1 Abs. 3 maßgebenden Grundsätze und die Kriterien für die Bewertung der Hilflosigkeit und der Stufen der Pflegezulage nach § 35 Abs. 1 aufzustellen und das Verfahren für deren Ermittlung und Fortentwicklung zu regeln.

Haben Leistungsempfänger Krankengeld, Verletztengeld, Versorgungskrankengeld oder Übergangsgeld bezogen und wird im Anschluss daran eine Leistung zur medizinischen Rehabilitation oder zur Teilhabe am Arbeitsleben ausgeführt, so wird bei der Berechnung der diese Leistungen ergänzenden Leistung zum Lebensunterhalt von dem bisher zugrunde gelegten Arbeitsentgelt ausgegangen; es gilt die für den Rehabilitationsträger jeweils geltende Beitragsbemessungsgrenze.

(1) Menschen mit Behinderungen sind Menschen, die körperliche, seelische, geistige oder Sinnesbeeinträchtigungen haben, die sie in Wechselwirkung mit einstellungs- und umweltbedingten Barrieren an der gleichberechtigten Teilhabe an der Gesellschaft mit hoher Wahrscheinlichkeit länger als sechs Monate hindern können. Eine Beeinträchtigung nach Satz 1 liegt vor, wenn der Körper- und Gesundheitszustand von dem für das Lebensalter typischen Zustand abweicht. Menschen sind von Behinderung bedroht, wenn eine Beeinträchtigung nach Satz 1 zu erwarten ist.

(2) Menschen sind im Sinne des Teils 3 schwerbehindert, wenn bei ihnen ein Grad der Behinderung von wenigstens 50 vorliegt und sie ihren Wohnsitz, ihren gewöhnlichen Aufenthalt oder ihre Beschäftigung auf einem Arbeitsplatz im Sinne des § 156 rechtmäßig im Geltungsbereich dieses Gesetzbuches haben.

(3) Schwerbehinderten Menschen gleichgestellt werden sollen Menschen mit Behinderungen mit einem Grad der Behinderung von weniger als 50, aber wenigstens 30, bei denen die übrigen Voraussetzungen des Absatzes 2 vorliegen, wenn sie infolge ihrer Behinderung ohne die Gleichstellung einen geeigneten Arbeitsplatz im Sinne des § 156 nicht erlangen oder nicht behalten können (gleichgestellte behinderte Menschen).

Haben Leistungsempfänger Krankengeld, Verletztengeld, Versorgungskrankengeld oder Übergangsgeld bezogen und wird im Anschluss daran eine Leistung zur medizinischen Rehabilitation oder zur Teilhabe am Arbeitsleben ausgeführt, so wird bei der Berechnung der diese Leistungen ergänzenden Leistung zum Lebensunterhalt von dem bisher zugrunde gelegten Arbeitsentgelt ausgegangen; es gilt die für den Rehabilitationsträger jeweils geltende Beitragsbemessungsgrenze.

Tenor

Auf die Berufung des Beklagten wird das Urteil des Sozialgerichts Reutlingen vom 11. Februar 2010 abgeändert. Die Klage des Klägers wird abgewiesen, soweit die Feststellung des Grads der Behinderung von über 40 seit dem 25.02.2006 begehrt wird.

Der Beklagte hat dem Kläger ein Drittel seiner Kosten im Klageverfahren zu erstatten. Kosten des Berufungsverfahrens sind nicht zu erstatten.

Tatbestand

 
Zwischen den Beteiligten ist die Herabsetzung des Grades der Behinderung (GdB) wegen Heilungsbewährung streitig.
Dem am …1967 geborenen Kläger wurde am 08.02.2000 wegen eines malignen Teratoms der linke Hoden entfernt (Bericht der Kreiskliniken R. vom 21.03.2000). Er stellte am 03.04.2000 beim Versorgungsamt R. einen Antrag auf Feststellung des GdB. Mit Bescheid vom 21.07.2000 stellte das Versorgungsamt R. beim Kläger wegen einer Erkrankung des linken Hodens (in Heilungsbewährung) den GdB mit 50 seit 01.01.2000 fest.
Am 18.09.2000 beantragte der Kläger beim Versorgungsamt R. die Erhöhung des GdB. Er machte geltend, durch die Chemotherapie sei sein linker Fuß geschädigt worden. Weiter habe er auf einer Geschäftsreise den rechten Fuß verletzt. Der Kläger legte den radiologischen Befundbericht von Dr. T. vom 16.08.2000, den Befundbericht von Dr. U. vom 04.12.2000, ein Gutachten des Dr. B. vom 13.11.2000 sowie einen Bescheid der Süddeutschen Metall-Berufsgenossenschaft vom 14.12.1993 vor. Das Versorgungsamt holte den Befundbericht von Dr. H. vom 26.09.2000 ein, der sich unter Vorlage weiterer medizinischer Unterlagen äußerte. Nach Auswertung durch die Vertragsärztin W. (Stellungnahme vom 03.01.2001) stellte das Versorgungsamt R. mit Bescheid vom 08.01.2001 beim Kläger wegen der Erkrankung des linken Hodens in (Heilungsbewährung) - Teil-GdB 60 -, der BG-Unfallfolgen am Handgelenk - Teil-GdB 10 - und einer Funktionsbehinderung des rechten oberen Sprunggelenks sowie einer Gebrauchseinschränkung des linken Fußes - Teil-GdB 20 - den GdB mit 70 seit dem 01.01.2000 neu fest.
Im Februar 2005 leitete das zwischenzeitlich zuständige Landratsamt R. -Kreissozialamt - Versorgungsamt- (VA) ein Nachprüfungsverfahren ein. Das VA holte den Bericht der Kreiskliniken R. vom 22.04.2005 ein. Nach versorgungsärztlicher Auswertung (gutachtliche Stellungnahme Dr. S. vom 21.07.2005, in der wegen der BG-anerkannten Unfallfolgen der Teil-GdB mit 10, der Funktionsbehinderung des rechten oberen Sprunggelenks und der Gebrauchseinschränkung des linken Fußes der Teil-GdB mit 20 und wegen des Verlustes des linken Hodens nach eingetretener Heilungsbewährung und einer seelischen Störung der Teil-GdB mit 10 und der Gesamt-GdB mit 20 vorgeschlagen wurde), stellte das VA - nach Anhörung des Klägers (Anhörungsschreiben vom 19.12.2005) - mit Bescheid vom 17.02.2006 unter Aufhebung des Bescheides vom 08.01.2001 den GdB mit 20 ab 25.02.2006 fest.
Hiergegen legte der Kläger am 06.03.2006 Widerspruch ein. Er machte geltend, die Begründung des Bescheides sei nicht nachvollziehbar. Ungeachtet dessen habe sich seine gesundheitliche Verfassung nicht geändert. Nach Einholung der gutachtlichen Stellungnahme des Versorgungsarztes Dr. F. vom 25.09.2006 wurde der Widerspruch vom Regierungspräsidium S. - Landesversorgungsamt - mit Widerspruchsbescheid vom 16.10.2006 zurückgewiesen.
Hiergegen erhob der Kläger am 20.11.2006 Klage beim Sozialgericht Reutlingen (SG). Er trug zur Begründung vor, die Auffassung des Beklagten sei unzutreffend. Seine psychische Belastung habe sich zwar seit dem Jahr 2001 reduziert, allerdings sei sie nach wie vor in erheblichem Maße vorhanden. Bereits durch geringfügig erscheinende körperliche Reaktionen erleide er mehrwöchige Angstzustände, dass die Erkrankung erneut entstanden sei. Durch die für ihn täglich sichtbaren Folgen der Operation werde er immer wieder mit der Krebserkrankung konfrontiert. Der nicht vollständig ausgeheilte Bruch am rechten Handgelenk, der ihn beeinträchtige, bliebe unberücksichtigt. Die Beschwerden am rechten oberen Sprunggelenk, am linken Fuß und am rechten Handgelenk hätten sich verstärkt. Der GdB betrage nach wie vor 70.
Das SG hörte den Allgemeinarzt Dr. Sp. und den Urologen Dr. K. schriftlich als sachverständige Zeugen an. Dr. Sp. teilte in seiner Stellungnahme vom 31.01.2007 den Behandlungsverlauf und die Befunde mit. Er habe den Kläger in den letzten 3 bis 4 Jahren nicht mehr gesehen, weshalb er den GdB nur eingeschränkt beurteilen könne. Dr. Sp. schätzte den GdB auf 20 bis 30 ein. Dr. K. teilte in seiner Stellungnahme vom 13.03.2007 unter Vorlage eines Befundberichts der Kreiskliniken R. vom 02.08.2005 den Behandlungsverlauf mit. Auf urologisch-onkologischem Gebiet schätzte er den GdB auf 20 ein.
Das SG holte auf Antrag des Klägers gemäß § 109 Sozialgerichtsgesetz (SGG) das nervenärztliche Gutachten des Dr. N. vom 30.09.2008 ein. Dr. N. gelangte in seinem Gutachten zusammenfassend zu der Beurteilung, als verbliebene Folgen auf psychiatrischem Gebiet seien hervorzuheben, eine durch erheblich entstellende große mediale Laparatomienarbe mit hieraus resultierender narzisstischer Kränkung, eine stetige Angst vor einem Tumorrezidiv mit Uminterpretierung harmloser Beschwerden als mögliche Anzeichen einer erneuten Tumorerkrankung sowie eine kompensatorisch erhöhtes, teilweise auch krankhaft und zwanghaft erlebtes Bedürfnis nach sexuellen Kontakten. Dr. N. diagnostizierte eine Krankheitsfehlverarbeitung mit im Vordergrund stehender karzinophobischer Störung, eine depressiv getrübte Einschränkung der Erlebnisfähigkeit sowie eine hypochondrische Störung bei narzisstisch akzentuierte Persönlichkeit im Rahmen einer Hodenkarzinomerkrankung (Teil-GdB 40), eine Läsion des linken Plexus lumbosacralis mit zusätzlicher Sympatikusläsion und hierdurch bedingten trophischen Störungen im Bereich des linken Fußes (Teil-GdB 20) sowie eine Kahnbeinfraktur und Sprunggelenksverletzung (Teil-GdB 20). Den Gesamt-GdB schätzte Dr. N. auf 50.
Anschließend legte der Kläger den Bescheid der Süddeutschen Metall-Berufsgenossenschaft vom 27.08.2004, mit dem ihm ab 07.09.2001 wegen einer Bewegungseinschränkung im Handgelenk mit Belastungsschmerzen Rente auf unbestimmte Zeit nach einer MdE von 20 v.H. bewilligt wurde, sowie Lichtbilder hinsichtlich der Operationsnarbe vor. Der Beklagte unterbreitete daraufhin dem Kläger ein Vergleichsangebot, wegen einer Funktionsbehinderung des rechten oberen Sprunggelenks und Gebrauchseinschränkung des linken Fußes (Teil-GdB 20), der BG-anerkannten Unfallfolgen am rechten Handgelenk (Teil-GdB 20) und dem Verlust des linken Hodens sowie seelischer Störung (Teil-GdB 20) den GdB mit 40 und eine dauernde Einbuße der körperlichen Beweglichkeit jeweils seit 25.02.2006 festzustellen und legte hierzu die versorgungsärztliche Stellungnahme von Dr. G. vom 09.09.2009 vor. Dieses Vergleichsangebot nahm der Kläger nicht an.
10 
Mit Urteil vom 11.02.2010 verurteilte das SG den Beklagten, beim Kläger den GdB mit 50 seit 25.02.2006 festzustellen. Es führte zur Begründung aus, die beim Kläger vorliegenden Funktionsbeeinträchtigungen rechtfertigten die Bewertung mit einem GdB von 50. Bei der von Dr. N. beschriebenen psychischen Störung handele es sich um eine seelische Störung mit wesentlicher Einschränkung der Erlebnis- und Gestaltungsfähigkeit. Auch unter Berücksichtigung der Tatsache, dass eine Behandlung des Klägers nicht erfolge und seine Lebensgestaltung äußerlich unbeeinträchtigt erscheine, sei mindestens ein GdB von 30 für die seelische Störung gerechtfertigt. Bei Berücksichtigung eines Teil-GdB von 30 für die seelische Störung betrage unter zusätzlicher Berücksichtigung der Funktionsbeeinträchtigung im Bereich des rechten Handgelenkes mit einem Teil-GdB von 20 und die Funktionsbeeinträchtigungen im Bereich des linken Fußes mit einem Teil-GdB von 20 der Gesamt-GdB 50.
11 
Gegen das dem Beklagten am 12.03.2010 zugestellte Urteil hat er am 01.04.2010 Berufung eingelegt. Der Beklagte hat zur Begründung vorgetragen, der Ansicht des SG, für die seelische Störung sei ein Teil-GdB von wenigstens 30 anzunehmen, könne nicht gefolgt werden. Der im Gutachten von Dr. N. beschriebene Tagesablauf des Klägers und die angegebenen Hobbys ließen in keiner Weise erkennen, inwieweit eine stärker behindernde Störung bestehen solle. Der Kläger benötige auch keine fachärztliche Hilfe zur Behandlung seiner seelischen Störung. Bei einer psychischen Beeinträchtigung, die einen GdB von wenigstens 30 bedinge, müsse eine engmaschige fachärztliche Betreuung erfolgen. Der Umstand, dass dies nicht der Fall sei, spreche gegen eine stärker behindernde Störung. Der für die psychische Beeinträchtigung angenommene Teil-GdB von 20 sei völlig ausreichend. Bei Teil-GdB-Werten von 20 - 20 - 20 lasse sich die Schwerbehinderteneigenschaft nicht rechtfertigen. Der Beklagte hat die versorgungsärztlicher Stellungnahme von Dr. Wo. vom 23.03.2010 vorgelegt.
12 
Der Beklagte beantragt,
13 
das Urteil des Sozialgerichts Reutlingen vom 11.02.2010 abzuändern und die Klage des Klägers abzuweisen, soweit die Feststellung des Grades der Behinderung von über 40 seit dem 25.02.2006 begehrt wird.
14 
Der Kläger beantragt,
15 
die Berufung zurückzuweisen.
16 
Der Kläger hält das angefochtene Urteil für zutreffend. Er hat zur Begründung vorgetragen, die von Dr. N. getroffenen Feststellungen seien in sich stimmig und schlüssig. Die vom Beklagten erhobenen Einwendungen seien unzutreffend. Soweit zur Beurteilung der Frage, wie hoch der GdB liege, überhaupt auf den Umfang der Arbeitstätigkeit und der ausgeübten Freizeitbeschäftigungen abgestellt werden könne, sei keinesfalls die nach der aufgetretenen Krebserkrankungen eingetretene Situation isoliert betrachtet maßgeblich. Entscheidend sei vielmehr ein Vergleich der entsprechenden Situationen vor Eintritt der Erkrankung und nach Eintritt der Erkrankung. Er sei vor Eintritt der Erkrankung in einem weitaus umfangreicherem Maße arbeitstätig gewesen. Seine günstige Verfassung habe sich seit Eintritt der Krebserkrankungen nachhaltig gravierend verschlechtert. Maßgeblich sei seine tatsächlich bestehende äußerst schlechte psychische Verfassung. Der Umstand, dass er dies nicht unmittelbar äußere und er auf sein relativ hohes Arbeitspensum und seine Freizeitgestaltung verweise, sei auf seine narzisstische Neigung zurückzuführen. Diese Neigung führe dazu, dass er seine Leistungsfähigkeit geschönt, d.h. unrealistisch positiv darstelle. Seine vor dem Hintergrund der narzisstischen Neigung erfolgten Äußerungen ließen somit nicht einen Rückschluss auf seine tatsächlich bestehende psychische Verfassung zu. Daraus, dass er sich wegen seiner schwerwiegenden psychischen Beeinträchtigungen nicht in eine ärztliche Behandlung begeben habe, könne nicht der Rückschluss gezogen werden, dass er nicht unter einer starken psychischen Beeinträchtigung leide. Fachärztliche Betreuung sei in seinem Fall nicht geeignet, eine Minderung der Beeinträchtigungen zu erreichen. Eine von ihm beabsichtigte Aufnahme einer psychotherapeutischen Behandlung habe bereits im ersten Termin abgebrochen werden müssen.
17 
Der Rechtsstreit ist durch den Berichterstatter in der nichtöffentlichen Sitzung am 12.11.2010 mit den Beteiligten erörtert worden. Auf die Niederschrift vom 12.11.2010 wird Bezug genommen.
18 
Die Beteiligten haben sich mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung einverstanden erklärt.
19 
Wegen weiterer Einzelheiten des Sachverhaltes und des Vorbringens der Beteiligten wird auf die Gerichtsakten erster und zweiter Instanz sowie auf eine Band Verwaltungsakten des Beklagten Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

 
20 
Die gemäß den §§ 143, 144 SGG statthafte Berufung des Beklagten, über die der Senat im Einverständnis der Beteiligten ohne mündliche Verhandlung entschieden hat (§ 124 Abs. 2 SGG), ist zulässig und mit dem vom Beklagten gestellten Berufungsantrag in der Sache begründet, weil eine wesentliche Änderung gegenüber dem maßgeblichen Vergleichsbescheid vom 08.01.2001 eingetreten ist, die die Herabsetzung des GdB auf 40 seit dem 25.02.2006 rechtfertigt.
21 
Die angefochtenen Bescheide des Beklagten sind nicht formell rechtswidrig. Der Kläger ist vor dem Erlass der streitgegenständlichen Bescheide ordnungsgemäß angehört worden (§ 24 Abs. 1 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch - SGB X -). Der Bescheid vom 17.02.2006 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 16.10.2006 lässt auch hinreichend erkennen, wegen welcher Funktionsbeeinträchtigungen (zunächst) nur noch von einem GdB von 20 ausgegangen wurde, wie auch das Klagevorbringen des Klägers im Schriftsatz vom 15.11.2006 zeigt. Ein Begründungsmangel liegt damit nicht vor.
22 
Rechtsgrundlage für die Neufeststellung ist § 48 Abs. 1 Sozialgesetzbuch (SGB) X. Danach ist ein Verwaltungsakt mit Dauerwirkung für die Zukunft aufzuheben, soweit in den tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnissen, die bei seinem Erlass vorgelegen haben, eine wesentliche Änderung eintritt. Wesentlich ist eine Änderung dann, wenn sich der GdB um wenigstens 10 erhöht oder vermindert. Im Falle einer solchen Änderung ist der Verwaltungsakt aufzuheben und durch eine zutreffende Bewertung zu ersetzen (vgl. BSG SozR 1300 § 48 SGB X Nr. 29 m.w.N.). Die den einzelnen Behinderungen - welche ihrerseits nicht zum sogenannten Verfügungssatz des Bescheides gehören - zugrunde gelegten Teil-GdB-Sätze erwachsen nicht in Bindungswirkung (BSG, Urteil vom 10.09.1997 -9 RVs 15/96 - BSGE 81, 50 bis 54). Hierbei handelt es sich nur um Bewertungsfaktoren, die wie der hierfür (ausdrücklich) angesetzte Teil-GdB nicht der Bindungswirkung des § 77 SGG unterliegen. Ob eine wesentliche Änderung eingetreten ist, muss durch einen Vergleich des gegenwärtigen Zustandes mit dem bindend festgestellten - früheren - Behinderungszustand ermittelt werden. Dies ist vorliegend der mit Bescheid vom 08.01.2001 wegen der Erkrankung des linken Hodens (in Heilungsbewährung), der BG-Unfallfolgen am Handgelenk und einer Funktionsbehinderung des rechten oberen Sprunggelenks sowie Gebrauchseinschränkung des linken Fußes mit einem GdB von 70 bewertete Behinderungszustand des Klägers.
23 
Bei der Prüfung dieser Voraussetzungen beurteilt sich die Begründetheit der gegen die Aufhebung erhobenen Anfechtungsklage zum Zeitpunkt des Abschlusses des Widerspruchsverfahrens, hier dem Widerspruchsbescheid vom 16.10.2006. Danach eingetretene Änderungen sind nicht zu berücksichtigten (vgl. BSG, Urteil vom 10.09.1997 - 9 RVs 15/96 -, SozR 3-3870 § 3 Nr. 7).
24 
Maßgebliche Rechtsgrundlagen für die GdB-Bewertung sind seit 01.07.2001 die Vorschriften des Neunten Buches des Sozialgesetzbuchs (SGB IX), die an die Stelle der durch dieses Gesetz aufgehobenen Vorschriften des Schwerbehindertengesetzes (SchwbG) getreten sind (vgl. Art. 63, 68 des Gesetzes vom 19.06.2001 BGBl. I S. 1046). Danach sind Menschen behindert, wenn ihre körperliche Funktion, geistige Fähigkeit oder seelische Gesundheit mit hoher Wahrscheinlichkeit länger als 6 Monate von dem für das Lebensalter typischen Zustand abweichen und daher ihre Teilhabe am Leben in der Gesellschaft beeinträchtigt ist (§ 2 Abs. 1 Satz 1 SGB IX). Die Auswirkungen auf die Teilhabe am Leben in der Gesellschaft werden als GdB nach 10er Graden abgestuft festgestellt. Hierfür gelten gemäß § 69 Abs. 1 Satz 4 und 5 SGB IX die Maßstäbe des § 30 Abs. 1 Bundesversorgungsgesetz (BVG) und der aufgrund des § 30 Abs. 17 des BVG erlassenen Rechtsverordnung entsprechend. In diesem Zusammenhang waren bis zum 31.12.2008 die „Anhaltspunkte für die ärztliche Gutachtertätigkeit im sozialen Entschädigungsrecht und nach dem Schwerbehindertenrecht“ (Teil 2 SGB IX), Ausgabe 2008 (AHP) heranzuziehen (BSG, Urteil vom 23.06.1993 - 9/9a RVs 1/91 - BSGE 72, 285; BSG, Urteil vom 09.04.1997 - 9 RVs 4/95 -SozR 3-3870 § 4 Nr. 19; BSG, Urteil vom 18.09.2003 - B 9 SB 3/02 R - BSGE 190, 205; BSG, Urteil vom 29.08.1990 - 9a/9 RVs 7/89 - BSG SozR 3-3870 § 4 Nr. 1).
25 
Nach § 69 Abs. 3 SGB IX ist zu beachten, dass bei Vorliegen mehrerer Beeinträchtigungen der Teilhabe am Leben der Gesellschaft der GdB nach den Auswirkungen in ihrer Gesamtheit unter Berücksichtigung der wechselseitigen Beziehungen festzustellen ist. Bei mehreren Funktionsbeeinträchtigungen sind zwar zunächst Einzel-GdB zu bilden, bei der Ermittlung des Gesamt-GdB durch alle Funktionsbeeinträchtigungen dürfen die einzelnen Werte jedoch nicht addiert werden. Auch andere Rechenmethoden sind für die Bildung des Gesamt-GdB ungeeignet. In der Regel ist von der Behinderung mit dem höchsten Einzel-GdB auszugehen und zu prüfen, ob und inwieweit das Ausmaß der Behinderung durch die anderen Behinderungen größer wird, ob also wegen der weiteren Funktionsbeeinträchtigungen dem ersten GdB 10 oder 20 oder mehr Punkte hinzuzufügen sind, um der Behinderung insgesamt gerecht zu werden. Ein Einzel-GdB von 10 führt in der Regel nicht zu einer Zunahme des Ausmaßes der Gesamtbeeinträchtigung, auch bei leichten Behinderungen mit einem GdB von 20 ist es vielfach nicht gerechtfertigt, auf eine wesentliche Zunahme des Ausmaßes der Behinderung zu schließen. Der Gesamt-GdB ist vorliegend noch unter Beachtung der AHP in freier richterlicher Beweiswürdigung sowie aufgrund richterlicher Erfahrung unter Hinzuziehung von Sachverständigengutachten zu bilden (BSGE 62, 209, 213; BSG SozR 3870 § 3 Nr. 26 und SozR 3-3879 § 4 Nr. 5 zu den AHP). Im Übrigen hat die seit 01.01.2009 an die Stelle AHP getretene Anlage „Versorgungsmedizinische Grundsätze“ (VG) zu § 2 der Verordnung zur Durchführung des § 1 Abs. 1 und 3, § 30 Abs. 1 und § 35 Abs. 1 BVG (Versorgungsmedizin-Verordnung; VersMedV) die AHP - jedenfalls soweit vorliegend relevant - übernommen und damit gewährleistet, dass gegenüber dem bisherigen Feststellungsverfahren keine Schlechterstellung möglich ist.
26 
Zur Überzeugung des Senats steht fest, dass in den gesundheitlichen Verhältnissen des Klägers und den sich daraus ergebenden Funktionsbeeinträchtigungen gegenüber den gesundheitlichen Verhältnissen, die dem Bescheid vom 08.01.2001 zugrunde lagen, eine Heilungsbewährung eingetreten ist. Seinerzeit war nach der am 08.02.2000 wegen eines malignen Teratoms der linke Hodens erfolgten Operation eine Erkrankung des Hodens im Stadium der Heilungsbewährung als Funktionsbeeinträchtigung anerkannt worden. Bei Erkrankungen, die - wie bei einem Krebsleiden - zu Rezidiven neigen, ist abzuwarten, ob es im Stadium der Heilungsbewährung zu einer Progression bzw. zu einem Rezidiv der Erkrankung kommt. Im Zustand der Heilungsbewährung ist der GdB höher eingeschätzt, als er dem tatsächlichen Zustand entspricht (AHP Nr. 18 Abs. 7). Nach Eintritt der Heilungsbewährung ist bei der Bewertung - im Unterschied zur Erstfeststellung - nur noch die bestehende Funktionsbeeinträchtigung zu berücksichtigen. Das Stadium der Heilungsbewährung war vorliegend nach Ablauf der Heilungsbewährungsfrist von fünf Jahren (vgl. AHP Nr. 26.1 Abs. 3) im Januar 2006 beendet, da es nicht zu einer Progression bzw. zu einem Rezidiv der Tumorerkrankung gekommen ist, wie sich aus dem Bericht des Klinikums R. vom 22.04.2005 an das VA und der schriftlichen sachverständigen Zeugenaussage von Dr. K. vom 13.03.2007 an das SG ergibt. Etwas anderes wird vom Kläger im Übrigen auch nicht vorgetragen. Der Beklagte war deshalb berechtigt und auch verpflichtet, eine Neufeststellung der Behinderung des Klägers wegen einer wesentlicher Änderung der Verhältnisse vorzunehmen.
27 
Die verbliebenen Funktionsstörungen des Klägers bedingen jedenfalls zum maßgeblichen Beurteilungszeitpunkt des Ergehens des Widerspruchsbescheids keinen höheren GdB als 40. Der davon abweichenden Ansicht des SG schließt sich der Senat nicht an.
28 
Allein der Verlust des (linken) Hodens rechtfertigt nach den AHP noch keinen GdB (vgl. Teil A Nr. 26.13).
29 
Die beim Kläger auf psychiatrischem Gebiet bestehenden Funktionsbeeinträchtigungen sind mit einem GdB von 20 angemessen und ausreichend bewertet. Den abweichenden Bewertungen von Dr. N. und dem SG vermag sich der Senat nicht anzuschließen. Nach den AHP (Teil A Nr. 26.3) sind leichtere psychovegetative oder psychische Störungen mit einem GdB von 0 bis 20, stärker behindernde Störungen mit wesentlicher Einschränkung der Erlebnis- und Gestaltungsfähigkeit (z. B. ausgeprägtere depressive, hypochondrische, asthenische oder phobische Störungen, Entwicklungen mit Krankheitswert, somatoforme Störungen) mit einem GdB von 30 bis 40 und schwere Störungen (z. B. schwere Zwangskrankheit) mit mittelgradigen sozialen Anpassungsschwierigkeiten mit einem GdB von 50 bis 70 und mit schweren sozialen Anpassungsschwierigkeiten mit einem GdB von 80 bis 100 zu bewerten. Dass beim Kläger stärker behindernde Störungen mit einer wesentlichen Einschränkung der Erlebnis- und Gestaltungsfähigkeit oder gar schwere Störungen vorliegen, kann zur Überzeugung des Senats nicht angenommen werden.
30 
Zwar liegt beim Kläger nach den Ausführungen von Dr. N. in seinem Gutachten vom 30.09.2008 eine Krankheitsfehlverarbeitung mit karzinophobischer Störung, eine depressiv getönte Einschränkung der Erlebnisfähigkeit sowie eine hypochondrische Störung bei narzisstisch akzentuierter Persönlichkeit vor. Nach dem psychischen Befund waren unterschwellig nachdenkliche, ernste, teilweise auch ängstliche Stimmungsanteile sowie Verunsicherung und Labilisierung insbesondere in Bezug auf gesundheitliche Belange spürbar. Der Kläger war um eine Kontrolle seiner Emotionalität und um mögliche optimale Anpassung bemüht. Das inhaltliche Denken war teilweise von den psychischen und körperlichen Folgen der Erkrankung geprägt. Die Selbstwertregulation war beeinträchtigt. Es bestand eine deutlich verminderte Empfindlichkeit gegenüber Kritik und Zurücksetzung in Verbindung mit sthenischem Ehrgeiz. Diese bewirken nach den im Gutachten von Dr. N. mitgeteilten Angaben des Klägers jedoch nur leichtere psychovegetative oder psychische Störungen hinsichtlich seiner Teilhabe am Leben in der Gesellschaft. So hat sich der Kläger im Jahre 2005 als Geschäftsführer eines Personaldienstleistungsunternehmens selbstständig gemacht. Intern beschäftigt er zwei Mitarbeiter. Hinzu kommen zwischen 50 und 100 Leiharbeiter, die an Kunden verliehen werden. Weiterhin betreibt der Kläger eine eigene Unternehmensberatung bezüglich Prozessabläufe, Marketing und Management. Zum Tagesablauf hat der Kläger bei der Begutachtung angegeben, zwischen 5:00 Uhr und 6:00 Uhr aufzustehen. Nach dem Frühstück versucht der mit Leiharbeitern direkt bei seinen Kunden zu erscheinen und diese persönlich zu übergeben. Anschließend geht der Kläger in sein Büro. Dort hat er den ganzen Tag viel zu tun. Gegen 17:30 Uhr geht er nach Hause und versucht sich etwas zu entspannen. Dann wird gemeinsam zu Abend gegessen. Anschließend versucht er sich mit den Kindern zu beschäftigen. Nach seinen Angaben geht der Kläger gerne mit seiner Frau aus. Einmal in der Woche hat er einen Männerabend. Als Hobby hat der Kläger Motorradfahren und gemeinsame Aktivitäten mit der Familie angegeben. Dem Kläger ist ein Hauptanliegen, auch die Freizeit genießen zu können. Weiter bestehen nach den Angaben des Klägers keine Schlafstörungen, ein guter Appetit und eine stark vorhandene Libido. Nach dem psychologischen Befund war der Kläger bei klarem Bewusstsein und allseits orientiert. Er war im Kontakt freundlich und zugewandt, offen. Es fanden sich keine Anhalte für Störungen des formalen Denkens, der Wahrnehmung sowie auf kognitive Beeinträchtigungen. Stärker behindernde Störungen mit einer wesentlichen Einschränkung der Erlebnis- und Gestaltungsfähigkeit liegen danach beim Kläger zur Überzeugung des Senats nicht vor. Dabei verkennt der Senat nicht, dass der Kläger nach dem Gutachten von Dr. N. über mögliche Ursachen seiner Tumorerkrankung nachgrübelt und eine Angst vor potentiellen schädlichen Belastungen entwickelt hat, die ihm beschäftigt. Das Berufungsvorbringen des Klägers rechtfertigt keine andere Bewertung. Allein die narzisstische Persönlichkeitsstruktur des Klägers rechtfertigt keinen höheren GdB. Maßgeblich ist vielmehr, inwieweit der Kläger in seiner Teilhabe am Leben in der Gesellschaft tatsächlich beeinträchtigt ist. Dass die im Gutachten von Dr. N. wiedergegebenen Angaben des Klägers zu seinen beruflichen Aktivitäten und Freizeitaktivitäten nicht den tatsächlichen Gegebenheiten entsprechen, ist nicht ersichtlich. Dr. N. hat in seinem Gutachten Zweifel an der Glaubwürdigkeit dieser Angaben des Klägers nicht geäußert. Auch ist eine Richtigstellung durch den Kläger nicht erfolgt.
31 
Zudem befindet sich der Kläger wegen seiner seelische Störung nicht in ärztlicher Behandlung. Ob dem Berufungsvorbringen des Beklagten, seelische Störungen, die einen GdB von wenigstens 30 bedingten, bedürften einer engmaschigen fachärztlichen Betreuung, zu folgen ist, bedarf keiner Entscheidung des Senats. Denn aufgrund der fehlenden ärztlichen Behandlung kann jedenfalls - zum maßgeblichen Beurteilungszeitraum - nicht davon ausgegangen werden, dass das diagnostizierte seelische Leiden des Klägers über eine leichtere psychische Störung hinausgegangen ist und bereits eine stärker behindernde Störung im Sinne der GdB-Bewertungsgrundsätze darstellte. Ein entsprechender Leidensdruck des Klägers, der bei einer stärker behindernden psychischen Störung zu erwarten ist, findet sich nach den Ausführungen von Dr. N. in dessen Gutachten vom 30.09.2008 nicht. Der Kläger hatte bei der Untersuchung vielmehr angegeben, dass er seine Probleme nicht gerne nach außen trage, weil er seine Familie damit auch nicht belasten wolle. Insofern versuche er die Dinge mit sich selbst auszutragen und habe deshalb auch keine Behandlung in Anspruch genommen. Dies verdeutlicht, dass der Kläger seine Probleme als nicht so gravierend beurteilt, dass er sie nicht selbst bewältigen kann. Seine Erkrankung unter der Diagnose des Tumors sieht er nach eigenen Angaben rückschauend zwar als schweren Einschnitt in seinem Leben, der aber seinem Leben auch eine von ihm als positiv empfundene Wendung gegeben hatte. Mit der durch die Erkrankung angestoßenen beruflichen Veränderung zur Selbstständigkeit hatte er sich nach seiner Einschätzung beruflich komplett selbst verwirklicht und auch eine neue Lebenseinstellung gewonnen, da er die Erkenntnis erlangt habe, sich etwas gönnen zu müssen. Er sei spontaner und einsatzfreudiger geworden. Das nicht näher substantiierte Vorbringen des Klägers, fachärztliche Betreuung sei in seinem Fall nicht geeignet, eine Minderung der Beeinträchtigungen zu erreichen, belegt daher nicht eine gebotene Behandlungsbedürftigkeit und schon gar nicht eine tatsächlich fehlende Behandlungsoption.
32 
Die durch die Operation hervorgerufene Bauchnarbe des Klägers rechtfertigt nach den AHP keinen GdB, der bei der Bildung des Gesamt-GdB zu berücksichtigen ist. Dass die Bauchnarbe beim Kläger Funktionsbeeinträchtigungen hervorruft, ist nicht ersichtlich und wird von ihm auch nicht geltend gemacht.
33 
Zu Gunsten des Klägers ist eine wesentliche Änderung hinsichtlich der BG-anerkannten Unfallfolgen am rechten Handgelenk zu berücksichtigen, nach dem die Süddeutsche Metall-Berufsgenossenschaft mit Bescheid vom 27.08.2004 die Minderung der Erwerbsfähigkeit auf 20 v.H. festgestellt hat (vgl. § 69 Abs. 2 Satz 1 SGB IX). Dieser Feststellung hat der Beklagte durch sein Vergleichsangebot wie auch seinen Berufungsantrag Rechnung getragen. Einwendungen hiergegen hat der Kläger im Berufungsverfahren auch nicht erhoben.
34 
Hinsichtlich der Funktionsbehinderung des rechten oberen Sprunggelenks und Gebrauchseinschränkung des linken Fußes des Klägers ist eine rechtlich wesentliche Änderung (Verschlimmerung) nicht ersichtlich. Dr. N. hat beim Kläger den Teil-GdB wegen der Läsion des linken Plexus lumbosacralis sowie der Kahnbeinfraktur und der Sprunggelenksverletzung jeweils mit 20 bewertet. Eine solche Änderung wird vom Kläger auch nicht substantiiert vorgetragen.
35 
Sonstige Funktionsbeeinträchtigungen, die bei der Neufeststellung des Gesamt-GdB zu berücksichtigen sind, bestehen beim Kläger nicht.
36 
Ausgehend von den beim Kläger bei der Bildung des Gesamt-GdB zu berücksichtigenden Teil-GdB-Werten (Verlust des linken Hodens und seelische Störung, BG-anerkannten Unfallfolgen am rechten Handgelenk, Läsion des linken Plexus sowie Kahnbeinfraktur und Sprunggelenksverletzung jeweils mit einem Teil-GdB von 20), ist nach der Rechtsprechung des Senats die Feststellung der vom Kläger angestrebten Schwerbehinderteneigenschaft (GdB 50) nicht gerechtfertigt. Die schwerwiegendste Funktionsstörung ist hier eines der vier mit einem GdB von 20 bewerteten Leiden. Ein höherer GdB als 20 bedingt keine davon. Wenn mit einem GdB 20 bewertete Behinderungen nach den AHP es vielfach nicht rechtfertigen, den Gesamt-GdB zu erhöhen, ist es grundsätzlich nicht geboten, aus einer Häufung solcher Behinderungen die Schwerbehinderteneigenschaft zu folgern. Ein GdB von 50 kann daher nach der ständigen Rechtsprechung des Senats ohne zumindest eine mit einem GdB von 30 bewertete einzelne Funktionsstörung in der Regel nicht angenommen werden (vgl. Urt. des Senats vom 21.05.2010 - L 8 SB 2171/08 -).
37 
Anlass zu weiteren Ermittlungen besteht nicht. Der Sachverhalt ist durch die Ermittlungen des SG und die zu den Akten gelangten medizinischen Unterlagen geklärt.
38 
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
39 
Die Voraussetzungen für die Zulassung der Revision liegen nicht vor.

Gründe

 
20 
Die gemäß den §§ 143, 144 SGG statthafte Berufung des Beklagten, über die der Senat im Einverständnis der Beteiligten ohne mündliche Verhandlung entschieden hat (§ 124 Abs. 2 SGG), ist zulässig und mit dem vom Beklagten gestellten Berufungsantrag in der Sache begründet, weil eine wesentliche Änderung gegenüber dem maßgeblichen Vergleichsbescheid vom 08.01.2001 eingetreten ist, die die Herabsetzung des GdB auf 40 seit dem 25.02.2006 rechtfertigt.
21 
Die angefochtenen Bescheide des Beklagten sind nicht formell rechtswidrig. Der Kläger ist vor dem Erlass der streitgegenständlichen Bescheide ordnungsgemäß angehört worden (§ 24 Abs. 1 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch - SGB X -). Der Bescheid vom 17.02.2006 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 16.10.2006 lässt auch hinreichend erkennen, wegen welcher Funktionsbeeinträchtigungen (zunächst) nur noch von einem GdB von 20 ausgegangen wurde, wie auch das Klagevorbringen des Klägers im Schriftsatz vom 15.11.2006 zeigt. Ein Begründungsmangel liegt damit nicht vor.
22 
Rechtsgrundlage für die Neufeststellung ist § 48 Abs. 1 Sozialgesetzbuch (SGB) X. Danach ist ein Verwaltungsakt mit Dauerwirkung für die Zukunft aufzuheben, soweit in den tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnissen, die bei seinem Erlass vorgelegen haben, eine wesentliche Änderung eintritt. Wesentlich ist eine Änderung dann, wenn sich der GdB um wenigstens 10 erhöht oder vermindert. Im Falle einer solchen Änderung ist der Verwaltungsakt aufzuheben und durch eine zutreffende Bewertung zu ersetzen (vgl. BSG SozR 1300 § 48 SGB X Nr. 29 m.w.N.). Die den einzelnen Behinderungen - welche ihrerseits nicht zum sogenannten Verfügungssatz des Bescheides gehören - zugrunde gelegten Teil-GdB-Sätze erwachsen nicht in Bindungswirkung (BSG, Urteil vom 10.09.1997 -9 RVs 15/96 - BSGE 81, 50 bis 54). Hierbei handelt es sich nur um Bewertungsfaktoren, die wie der hierfür (ausdrücklich) angesetzte Teil-GdB nicht der Bindungswirkung des § 77 SGG unterliegen. Ob eine wesentliche Änderung eingetreten ist, muss durch einen Vergleich des gegenwärtigen Zustandes mit dem bindend festgestellten - früheren - Behinderungszustand ermittelt werden. Dies ist vorliegend der mit Bescheid vom 08.01.2001 wegen der Erkrankung des linken Hodens (in Heilungsbewährung), der BG-Unfallfolgen am Handgelenk und einer Funktionsbehinderung des rechten oberen Sprunggelenks sowie Gebrauchseinschränkung des linken Fußes mit einem GdB von 70 bewertete Behinderungszustand des Klägers.
23 
Bei der Prüfung dieser Voraussetzungen beurteilt sich die Begründetheit der gegen die Aufhebung erhobenen Anfechtungsklage zum Zeitpunkt des Abschlusses des Widerspruchsverfahrens, hier dem Widerspruchsbescheid vom 16.10.2006. Danach eingetretene Änderungen sind nicht zu berücksichtigten (vgl. BSG, Urteil vom 10.09.1997 - 9 RVs 15/96 -, SozR 3-3870 § 3 Nr. 7).
24 
Maßgebliche Rechtsgrundlagen für die GdB-Bewertung sind seit 01.07.2001 die Vorschriften des Neunten Buches des Sozialgesetzbuchs (SGB IX), die an die Stelle der durch dieses Gesetz aufgehobenen Vorschriften des Schwerbehindertengesetzes (SchwbG) getreten sind (vgl. Art. 63, 68 des Gesetzes vom 19.06.2001 BGBl. I S. 1046). Danach sind Menschen behindert, wenn ihre körperliche Funktion, geistige Fähigkeit oder seelische Gesundheit mit hoher Wahrscheinlichkeit länger als 6 Monate von dem für das Lebensalter typischen Zustand abweichen und daher ihre Teilhabe am Leben in der Gesellschaft beeinträchtigt ist (§ 2 Abs. 1 Satz 1 SGB IX). Die Auswirkungen auf die Teilhabe am Leben in der Gesellschaft werden als GdB nach 10er Graden abgestuft festgestellt. Hierfür gelten gemäß § 69 Abs. 1 Satz 4 und 5 SGB IX die Maßstäbe des § 30 Abs. 1 Bundesversorgungsgesetz (BVG) und der aufgrund des § 30 Abs. 17 des BVG erlassenen Rechtsverordnung entsprechend. In diesem Zusammenhang waren bis zum 31.12.2008 die „Anhaltspunkte für die ärztliche Gutachtertätigkeit im sozialen Entschädigungsrecht und nach dem Schwerbehindertenrecht“ (Teil 2 SGB IX), Ausgabe 2008 (AHP) heranzuziehen (BSG, Urteil vom 23.06.1993 - 9/9a RVs 1/91 - BSGE 72, 285; BSG, Urteil vom 09.04.1997 - 9 RVs 4/95 -SozR 3-3870 § 4 Nr. 19; BSG, Urteil vom 18.09.2003 - B 9 SB 3/02 R - BSGE 190, 205; BSG, Urteil vom 29.08.1990 - 9a/9 RVs 7/89 - BSG SozR 3-3870 § 4 Nr. 1).
25 
Nach § 69 Abs. 3 SGB IX ist zu beachten, dass bei Vorliegen mehrerer Beeinträchtigungen der Teilhabe am Leben der Gesellschaft der GdB nach den Auswirkungen in ihrer Gesamtheit unter Berücksichtigung der wechselseitigen Beziehungen festzustellen ist. Bei mehreren Funktionsbeeinträchtigungen sind zwar zunächst Einzel-GdB zu bilden, bei der Ermittlung des Gesamt-GdB durch alle Funktionsbeeinträchtigungen dürfen die einzelnen Werte jedoch nicht addiert werden. Auch andere Rechenmethoden sind für die Bildung des Gesamt-GdB ungeeignet. In der Regel ist von der Behinderung mit dem höchsten Einzel-GdB auszugehen und zu prüfen, ob und inwieweit das Ausmaß der Behinderung durch die anderen Behinderungen größer wird, ob also wegen der weiteren Funktionsbeeinträchtigungen dem ersten GdB 10 oder 20 oder mehr Punkte hinzuzufügen sind, um der Behinderung insgesamt gerecht zu werden. Ein Einzel-GdB von 10 führt in der Regel nicht zu einer Zunahme des Ausmaßes der Gesamtbeeinträchtigung, auch bei leichten Behinderungen mit einem GdB von 20 ist es vielfach nicht gerechtfertigt, auf eine wesentliche Zunahme des Ausmaßes der Behinderung zu schließen. Der Gesamt-GdB ist vorliegend noch unter Beachtung der AHP in freier richterlicher Beweiswürdigung sowie aufgrund richterlicher Erfahrung unter Hinzuziehung von Sachverständigengutachten zu bilden (BSGE 62, 209, 213; BSG SozR 3870 § 3 Nr. 26 und SozR 3-3879 § 4 Nr. 5 zu den AHP). Im Übrigen hat die seit 01.01.2009 an die Stelle AHP getretene Anlage „Versorgungsmedizinische Grundsätze“ (VG) zu § 2 der Verordnung zur Durchführung des § 1 Abs. 1 und 3, § 30 Abs. 1 und § 35 Abs. 1 BVG (Versorgungsmedizin-Verordnung; VersMedV) die AHP - jedenfalls soweit vorliegend relevant - übernommen und damit gewährleistet, dass gegenüber dem bisherigen Feststellungsverfahren keine Schlechterstellung möglich ist.
26 
Zur Überzeugung des Senats steht fest, dass in den gesundheitlichen Verhältnissen des Klägers und den sich daraus ergebenden Funktionsbeeinträchtigungen gegenüber den gesundheitlichen Verhältnissen, die dem Bescheid vom 08.01.2001 zugrunde lagen, eine Heilungsbewährung eingetreten ist. Seinerzeit war nach der am 08.02.2000 wegen eines malignen Teratoms der linke Hodens erfolgten Operation eine Erkrankung des Hodens im Stadium der Heilungsbewährung als Funktionsbeeinträchtigung anerkannt worden. Bei Erkrankungen, die - wie bei einem Krebsleiden - zu Rezidiven neigen, ist abzuwarten, ob es im Stadium der Heilungsbewährung zu einer Progression bzw. zu einem Rezidiv der Erkrankung kommt. Im Zustand der Heilungsbewährung ist der GdB höher eingeschätzt, als er dem tatsächlichen Zustand entspricht (AHP Nr. 18 Abs. 7). Nach Eintritt der Heilungsbewährung ist bei der Bewertung - im Unterschied zur Erstfeststellung - nur noch die bestehende Funktionsbeeinträchtigung zu berücksichtigen. Das Stadium der Heilungsbewährung war vorliegend nach Ablauf der Heilungsbewährungsfrist von fünf Jahren (vgl. AHP Nr. 26.1 Abs. 3) im Januar 2006 beendet, da es nicht zu einer Progression bzw. zu einem Rezidiv der Tumorerkrankung gekommen ist, wie sich aus dem Bericht des Klinikums R. vom 22.04.2005 an das VA und der schriftlichen sachverständigen Zeugenaussage von Dr. K. vom 13.03.2007 an das SG ergibt. Etwas anderes wird vom Kläger im Übrigen auch nicht vorgetragen. Der Beklagte war deshalb berechtigt und auch verpflichtet, eine Neufeststellung der Behinderung des Klägers wegen einer wesentlicher Änderung der Verhältnisse vorzunehmen.
27 
Die verbliebenen Funktionsstörungen des Klägers bedingen jedenfalls zum maßgeblichen Beurteilungszeitpunkt des Ergehens des Widerspruchsbescheids keinen höheren GdB als 40. Der davon abweichenden Ansicht des SG schließt sich der Senat nicht an.
28 
Allein der Verlust des (linken) Hodens rechtfertigt nach den AHP noch keinen GdB (vgl. Teil A Nr. 26.13).
29 
Die beim Kläger auf psychiatrischem Gebiet bestehenden Funktionsbeeinträchtigungen sind mit einem GdB von 20 angemessen und ausreichend bewertet. Den abweichenden Bewertungen von Dr. N. und dem SG vermag sich der Senat nicht anzuschließen. Nach den AHP (Teil A Nr. 26.3) sind leichtere psychovegetative oder psychische Störungen mit einem GdB von 0 bis 20, stärker behindernde Störungen mit wesentlicher Einschränkung der Erlebnis- und Gestaltungsfähigkeit (z. B. ausgeprägtere depressive, hypochondrische, asthenische oder phobische Störungen, Entwicklungen mit Krankheitswert, somatoforme Störungen) mit einem GdB von 30 bis 40 und schwere Störungen (z. B. schwere Zwangskrankheit) mit mittelgradigen sozialen Anpassungsschwierigkeiten mit einem GdB von 50 bis 70 und mit schweren sozialen Anpassungsschwierigkeiten mit einem GdB von 80 bis 100 zu bewerten. Dass beim Kläger stärker behindernde Störungen mit einer wesentlichen Einschränkung der Erlebnis- und Gestaltungsfähigkeit oder gar schwere Störungen vorliegen, kann zur Überzeugung des Senats nicht angenommen werden.
30 
Zwar liegt beim Kläger nach den Ausführungen von Dr. N. in seinem Gutachten vom 30.09.2008 eine Krankheitsfehlverarbeitung mit karzinophobischer Störung, eine depressiv getönte Einschränkung der Erlebnisfähigkeit sowie eine hypochondrische Störung bei narzisstisch akzentuierter Persönlichkeit vor. Nach dem psychischen Befund waren unterschwellig nachdenkliche, ernste, teilweise auch ängstliche Stimmungsanteile sowie Verunsicherung und Labilisierung insbesondere in Bezug auf gesundheitliche Belange spürbar. Der Kläger war um eine Kontrolle seiner Emotionalität und um mögliche optimale Anpassung bemüht. Das inhaltliche Denken war teilweise von den psychischen und körperlichen Folgen der Erkrankung geprägt. Die Selbstwertregulation war beeinträchtigt. Es bestand eine deutlich verminderte Empfindlichkeit gegenüber Kritik und Zurücksetzung in Verbindung mit sthenischem Ehrgeiz. Diese bewirken nach den im Gutachten von Dr. N. mitgeteilten Angaben des Klägers jedoch nur leichtere psychovegetative oder psychische Störungen hinsichtlich seiner Teilhabe am Leben in der Gesellschaft. So hat sich der Kläger im Jahre 2005 als Geschäftsführer eines Personaldienstleistungsunternehmens selbstständig gemacht. Intern beschäftigt er zwei Mitarbeiter. Hinzu kommen zwischen 50 und 100 Leiharbeiter, die an Kunden verliehen werden. Weiterhin betreibt der Kläger eine eigene Unternehmensberatung bezüglich Prozessabläufe, Marketing und Management. Zum Tagesablauf hat der Kläger bei der Begutachtung angegeben, zwischen 5:00 Uhr und 6:00 Uhr aufzustehen. Nach dem Frühstück versucht der mit Leiharbeitern direkt bei seinen Kunden zu erscheinen und diese persönlich zu übergeben. Anschließend geht der Kläger in sein Büro. Dort hat er den ganzen Tag viel zu tun. Gegen 17:30 Uhr geht er nach Hause und versucht sich etwas zu entspannen. Dann wird gemeinsam zu Abend gegessen. Anschließend versucht er sich mit den Kindern zu beschäftigen. Nach seinen Angaben geht der Kläger gerne mit seiner Frau aus. Einmal in der Woche hat er einen Männerabend. Als Hobby hat der Kläger Motorradfahren und gemeinsame Aktivitäten mit der Familie angegeben. Dem Kläger ist ein Hauptanliegen, auch die Freizeit genießen zu können. Weiter bestehen nach den Angaben des Klägers keine Schlafstörungen, ein guter Appetit und eine stark vorhandene Libido. Nach dem psychologischen Befund war der Kläger bei klarem Bewusstsein und allseits orientiert. Er war im Kontakt freundlich und zugewandt, offen. Es fanden sich keine Anhalte für Störungen des formalen Denkens, der Wahrnehmung sowie auf kognitive Beeinträchtigungen. Stärker behindernde Störungen mit einer wesentlichen Einschränkung der Erlebnis- und Gestaltungsfähigkeit liegen danach beim Kläger zur Überzeugung des Senats nicht vor. Dabei verkennt der Senat nicht, dass der Kläger nach dem Gutachten von Dr. N. über mögliche Ursachen seiner Tumorerkrankung nachgrübelt und eine Angst vor potentiellen schädlichen Belastungen entwickelt hat, die ihm beschäftigt. Das Berufungsvorbringen des Klägers rechtfertigt keine andere Bewertung. Allein die narzisstische Persönlichkeitsstruktur des Klägers rechtfertigt keinen höheren GdB. Maßgeblich ist vielmehr, inwieweit der Kläger in seiner Teilhabe am Leben in der Gesellschaft tatsächlich beeinträchtigt ist. Dass die im Gutachten von Dr. N. wiedergegebenen Angaben des Klägers zu seinen beruflichen Aktivitäten und Freizeitaktivitäten nicht den tatsächlichen Gegebenheiten entsprechen, ist nicht ersichtlich. Dr. N. hat in seinem Gutachten Zweifel an der Glaubwürdigkeit dieser Angaben des Klägers nicht geäußert. Auch ist eine Richtigstellung durch den Kläger nicht erfolgt.
31 
Zudem befindet sich der Kläger wegen seiner seelische Störung nicht in ärztlicher Behandlung. Ob dem Berufungsvorbringen des Beklagten, seelische Störungen, die einen GdB von wenigstens 30 bedingten, bedürften einer engmaschigen fachärztlichen Betreuung, zu folgen ist, bedarf keiner Entscheidung des Senats. Denn aufgrund der fehlenden ärztlichen Behandlung kann jedenfalls - zum maßgeblichen Beurteilungszeitraum - nicht davon ausgegangen werden, dass das diagnostizierte seelische Leiden des Klägers über eine leichtere psychische Störung hinausgegangen ist und bereits eine stärker behindernde Störung im Sinne der GdB-Bewertungsgrundsätze darstellte. Ein entsprechender Leidensdruck des Klägers, der bei einer stärker behindernden psychischen Störung zu erwarten ist, findet sich nach den Ausführungen von Dr. N. in dessen Gutachten vom 30.09.2008 nicht. Der Kläger hatte bei der Untersuchung vielmehr angegeben, dass er seine Probleme nicht gerne nach außen trage, weil er seine Familie damit auch nicht belasten wolle. Insofern versuche er die Dinge mit sich selbst auszutragen und habe deshalb auch keine Behandlung in Anspruch genommen. Dies verdeutlicht, dass der Kläger seine Probleme als nicht so gravierend beurteilt, dass er sie nicht selbst bewältigen kann. Seine Erkrankung unter der Diagnose des Tumors sieht er nach eigenen Angaben rückschauend zwar als schweren Einschnitt in seinem Leben, der aber seinem Leben auch eine von ihm als positiv empfundene Wendung gegeben hatte. Mit der durch die Erkrankung angestoßenen beruflichen Veränderung zur Selbstständigkeit hatte er sich nach seiner Einschätzung beruflich komplett selbst verwirklicht und auch eine neue Lebenseinstellung gewonnen, da er die Erkenntnis erlangt habe, sich etwas gönnen zu müssen. Er sei spontaner und einsatzfreudiger geworden. Das nicht näher substantiierte Vorbringen des Klägers, fachärztliche Betreuung sei in seinem Fall nicht geeignet, eine Minderung der Beeinträchtigungen zu erreichen, belegt daher nicht eine gebotene Behandlungsbedürftigkeit und schon gar nicht eine tatsächlich fehlende Behandlungsoption.
32 
Die durch die Operation hervorgerufene Bauchnarbe des Klägers rechtfertigt nach den AHP keinen GdB, der bei der Bildung des Gesamt-GdB zu berücksichtigen ist. Dass die Bauchnarbe beim Kläger Funktionsbeeinträchtigungen hervorruft, ist nicht ersichtlich und wird von ihm auch nicht geltend gemacht.
33 
Zu Gunsten des Klägers ist eine wesentliche Änderung hinsichtlich der BG-anerkannten Unfallfolgen am rechten Handgelenk zu berücksichtigen, nach dem die Süddeutsche Metall-Berufsgenossenschaft mit Bescheid vom 27.08.2004 die Minderung der Erwerbsfähigkeit auf 20 v.H. festgestellt hat (vgl. § 69 Abs. 2 Satz 1 SGB IX). Dieser Feststellung hat der Beklagte durch sein Vergleichsangebot wie auch seinen Berufungsantrag Rechnung getragen. Einwendungen hiergegen hat der Kläger im Berufungsverfahren auch nicht erhoben.
34 
Hinsichtlich der Funktionsbehinderung des rechten oberen Sprunggelenks und Gebrauchseinschränkung des linken Fußes des Klägers ist eine rechtlich wesentliche Änderung (Verschlimmerung) nicht ersichtlich. Dr. N. hat beim Kläger den Teil-GdB wegen der Läsion des linken Plexus lumbosacralis sowie der Kahnbeinfraktur und der Sprunggelenksverletzung jeweils mit 20 bewertet. Eine solche Änderung wird vom Kläger auch nicht substantiiert vorgetragen.
35 
Sonstige Funktionsbeeinträchtigungen, die bei der Neufeststellung des Gesamt-GdB zu berücksichtigen sind, bestehen beim Kläger nicht.
36 
Ausgehend von den beim Kläger bei der Bildung des Gesamt-GdB zu berücksichtigenden Teil-GdB-Werten (Verlust des linken Hodens und seelische Störung, BG-anerkannten Unfallfolgen am rechten Handgelenk, Läsion des linken Plexus sowie Kahnbeinfraktur und Sprunggelenksverletzung jeweils mit einem Teil-GdB von 20), ist nach der Rechtsprechung des Senats die Feststellung der vom Kläger angestrebten Schwerbehinderteneigenschaft (GdB 50) nicht gerechtfertigt. Die schwerwiegendste Funktionsstörung ist hier eines der vier mit einem GdB von 20 bewerteten Leiden. Ein höherer GdB als 20 bedingt keine davon. Wenn mit einem GdB 20 bewertete Behinderungen nach den AHP es vielfach nicht rechtfertigen, den Gesamt-GdB zu erhöhen, ist es grundsätzlich nicht geboten, aus einer Häufung solcher Behinderungen die Schwerbehinderteneigenschaft zu folgern. Ein GdB von 50 kann daher nach der ständigen Rechtsprechung des Senats ohne zumindest eine mit einem GdB von 30 bewertete einzelne Funktionsstörung in der Regel nicht angenommen werden (vgl. Urt. des Senats vom 21.05.2010 - L 8 SB 2171/08 -).
37 
Anlass zu weiteren Ermittlungen besteht nicht. Der Sachverhalt ist durch die Ermittlungen des SG und die zu den Akten gelangten medizinischen Unterlagen geklärt.
38 
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
39 
Die Voraussetzungen für die Zulassung der Revision liegen nicht vor.

Die in § 1 genannten Grundsätze und Kriterien sind in der Anlage zu dieser Verordnung*als deren Bestandteil festgelegt.

Tenor

Auf die Berufung des Beklagten wird das Urteil des Sozialgerichts Reutlingen vom 11. Februar 2010 abgeändert. Die Klage des Klägers wird abgewiesen, soweit die Feststellung des Grads der Behinderung von über 40 seit dem 25.02.2006 begehrt wird.

Der Beklagte hat dem Kläger ein Drittel seiner Kosten im Klageverfahren zu erstatten. Kosten des Berufungsverfahrens sind nicht zu erstatten.

Tatbestand

 
Zwischen den Beteiligten ist die Herabsetzung des Grades der Behinderung (GdB) wegen Heilungsbewährung streitig.
Dem am …1967 geborenen Kläger wurde am 08.02.2000 wegen eines malignen Teratoms der linke Hoden entfernt (Bericht der Kreiskliniken R. vom 21.03.2000). Er stellte am 03.04.2000 beim Versorgungsamt R. einen Antrag auf Feststellung des GdB. Mit Bescheid vom 21.07.2000 stellte das Versorgungsamt R. beim Kläger wegen einer Erkrankung des linken Hodens (in Heilungsbewährung) den GdB mit 50 seit 01.01.2000 fest.
Am 18.09.2000 beantragte der Kläger beim Versorgungsamt R. die Erhöhung des GdB. Er machte geltend, durch die Chemotherapie sei sein linker Fuß geschädigt worden. Weiter habe er auf einer Geschäftsreise den rechten Fuß verletzt. Der Kläger legte den radiologischen Befundbericht von Dr. T. vom 16.08.2000, den Befundbericht von Dr. U. vom 04.12.2000, ein Gutachten des Dr. B. vom 13.11.2000 sowie einen Bescheid der Süddeutschen Metall-Berufsgenossenschaft vom 14.12.1993 vor. Das Versorgungsamt holte den Befundbericht von Dr. H. vom 26.09.2000 ein, der sich unter Vorlage weiterer medizinischer Unterlagen äußerte. Nach Auswertung durch die Vertragsärztin W. (Stellungnahme vom 03.01.2001) stellte das Versorgungsamt R. mit Bescheid vom 08.01.2001 beim Kläger wegen der Erkrankung des linken Hodens in (Heilungsbewährung) - Teil-GdB 60 -, der BG-Unfallfolgen am Handgelenk - Teil-GdB 10 - und einer Funktionsbehinderung des rechten oberen Sprunggelenks sowie einer Gebrauchseinschränkung des linken Fußes - Teil-GdB 20 - den GdB mit 70 seit dem 01.01.2000 neu fest.
Im Februar 2005 leitete das zwischenzeitlich zuständige Landratsamt R. -Kreissozialamt - Versorgungsamt- (VA) ein Nachprüfungsverfahren ein. Das VA holte den Bericht der Kreiskliniken R. vom 22.04.2005 ein. Nach versorgungsärztlicher Auswertung (gutachtliche Stellungnahme Dr. S. vom 21.07.2005, in der wegen der BG-anerkannten Unfallfolgen der Teil-GdB mit 10, der Funktionsbehinderung des rechten oberen Sprunggelenks und der Gebrauchseinschränkung des linken Fußes der Teil-GdB mit 20 und wegen des Verlustes des linken Hodens nach eingetretener Heilungsbewährung und einer seelischen Störung der Teil-GdB mit 10 und der Gesamt-GdB mit 20 vorgeschlagen wurde), stellte das VA - nach Anhörung des Klägers (Anhörungsschreiben vom 19.12.2005) - mit Bescheid vom 17.02.2006 unter Aufhebung des Bescheides vom 08.01.2001 den GdB mit 20 ab 25.02.2006 fest.
Hiergegen legte der Kläger am 06.03.2006 Widerspruch ein. Er machte geltend, die Begründung des Bescheides sei nicht nachvollziehbar. Ungeachtet dessen habe sich seine gesundheitliche Verfassung nicht geändert. Nach Einholung der gutachtlichen Stellungnahme des Versorgungsarztes Dr. F. vom 25.09.2006 wurde der Widerspruch vom Regierungspräsidium S. - Landesversorgungsamt - mit Widerspruchsbescheid vom 16.10.2006 zurückgewiesen.
Hiergegen erhob der Kläger am 20.11.2006 Klage beim Sozialgericht Reutlingen (SG). Er trug zur Begründung vor, die Auffassung des Beklagten sei unzutreffend. Seine psychische Belastung habe sich zwar seit dem Jahr 2001 reduziert, allerdings sei sie nach wie vor in erheblichem Maße vorhanden. Bereits durch geringfügig erscheinende körperliche Reaktionen erleide er mehrwöchige Angstzustände, dass die Erkrankung erneut entstanden sei. Durch die für ihn täglich sichtbaren Folgen der Operation werde er immer wieder mit der Krebserkrankung konfrontiert. Der nicht vollständig ausgeheilte Bruch am rechten Handgelenk, der ihn beeinträchtige, bliebe unberücksichtigt. Die Beschwerden am rechten oberen Sprunggelenk, am linken Fuß und am rechten Handgelenk hätten sich verstärkt. Der GdB betrage nach wie vor 70.
Das SG hörte den Allgemeinarzt Dr. Sp. und den Urologen Dr. K. schriftlich als sachverständige Zeugen an. Dr. Sp. teilte in seiner Stellungnahme vom 31.01.2007 den Behandlungsverlauf und die Befunde mit. Er habe den Kläger in den letzten 3 bis 4 Jahren nicht mehr gesehen, weshalb er den GdB nur eingeschränkt beurteilen könne. Dr. Sp. schätzte den GdB auf 20 bis 30 ein. Dr. K. teilte in seiner Stellungnahme vom 13.03.2007 unter Vorlage eines Befundberichts der Kreiskliniken R. vom 02.08.2005 den Behandlungsverlauf mit. Auf urologisch-onkologischem Gebiet schätzte er den GdB auf 20 ein.
Das SG holte auf Antrag des Klägers gemäß § 109 Sozialgerichtsgesetz (SGG) das nervenärztliche Gutachten des Dr. N. vom 30.09.2008 ein. Dr. N. gelangte in seinem Gutachten zusammenfassend zu der Beurteilung, als verbliebene Folgen auf psychiatrischem Gebiet seien hervorzuheben, eine durch erheblich entstellende große mediale Laparatomienarbe mit hieraus resultierender narzisstischer Kränkung, eine stetige Angst vor einem Tumorrezidiv mit Uminterpretierung harmloser Beschwerden als mögliche Anzeichen einer erneuten Tumorerkrankung sowie eine kompensatorisch erhöhtes, teilweise auch krankhaft und zwanghaft erlebtes Bedürfnis nach sexuellen Kontakten. Dr. N. diagnostizierte eine Krankheitsfehlverarbeitung mit im Vordergrund stehender karzinophobischer Störung, eine depressiv getrübte Einschränkung der Erlebnisfähigkeit sowie eine hypochondrische Störung bei narzisstisch akzentuierte Persönlichkeit im Rahmen einer Hodenkarzinomerkrankung (Teil-GdB 40), eine Läsion des linken Plexus lumbosacralis mit zusätzlicher Sympatikusläsion und hierdurch bedingten trophischen Störungen im Bereich des linken Fußes (Teil-GdB 20) sowie eine Kahnbeinfraktur und Sprunggelenksverletzung (Teil-GdB 20). Den Gesamt-GdB schätzte Dr. N. auf 50.
Anschließend legte der Kläger den Bescheid der Süddeutschen Metall-Berufsgenossenschaft vom 27.08.2004, mit dem ihm ab 07.09.2001 wegen einer Bewegungseinschränkung im Handgelenk mit Belastungsschmerzen Rente auf unbestimmte Zeit nach einer MdE von 20 v.H. bewilligt wurde, sowie Lichtbilder hinsichtlich der Operationsnarbe vor. Der Beklagte unterbreitete daraufhin dem Kläger ein Vergleichsangebot, wegen einer Funktionsbehinderung des rechten oberen Sprunggelenks und Gebrauchseinschränkung des linken Fußes (Teil-GdB 20), der BG-anerkannten Unfallfolgen am rechten Handgelenk (Teil-GdB 20) und dem Verlust des linken Hodens sowie seelischer Störung (Teil-GdB 20) den GdB mit 40 und eine dauernde Einbuße der körperlichen Beweglichkeit jeweils seit 25.02.2006 festzustellen und legte hierzu die versorgungsärztliche Stellungnahme von Dr. G. vom 09.09.2009 vor. Dieses Vergleichsangebot nahm der Kläger nicht an.
10 
Mit Urteil vom 11.02.2010 verurteilte das SG den Beklagten, beim Kläger den GdB mit 50 seit 25.02.2006 festzustellen. Es führte zur Begründung aus, die beim Kläger vorliegenden Funktionsbeeinträchtigungen rechtfertigten die Bewertung mit einem GdB von 50. Bei der von Dr. N. beschriebenen psychischen Störung handele es sich um eine seelische Störung mit wesentlicher Einschränkung der Erlebnis- und Gestaltungsfähigkeit. Auch unter Berücksichtigung der Tatsache, dass eine Behandlung des Klägers nicht erfolge und seine Lebensgestaltung äußerlich unbeeinträchtigt erscheine, sei mindestens ein GdB von 30 für die seelische Störung gerechtfertigt. Bei Berücksichtigung eines Teil-GdB von 30 für die seelische Störung betrage unter zusätzlicher Berücksichtigung der Funktionsbeeinträchtigung im Bereich des rechten Handgelenkes mit einem Teil-GdB von 20 und die Funktionsbeeinträchtigungen im Bereich des linken Fußes mit einem Teil-GdB von 20 der Gesamt-GdB 50.
11 
Gegen das dem Beklagten am 12.03.2010 zugestellte Urteil hat er am 01.04.2010 Berufung eingelegt. Der Beklagte hat zur Begründung vorgetragen, der Ansicht des SG, für die seelische Störung sei ein Teil-GdB von wenigstens 30 anzunehmen, könne nicht gefolgt werden. Der im Gutachten von Dr. N. beschriebene Tagesablauf des Klägers und die angegebenen Hobbys ließen in keiner Weise erkennen, inwieweit eine stärker behindernde Störung bestehen solle. Der Kläger benötige auch keine fachärztliche Hilfe zur Behandlung seiner seelischen Störung. Bei einer psychischen Beeinträchtigung, die einen GdB von wenigstens 30 bedinge, müsse eine engmaschige fachärztliche Betreuung erfolgen. Der Umstand, dass dies nicht der Fall sei, spreche gegen eine stärker behindernde Störung. Der für die psychische Beeinträchtigung angenommene Teil-GdB von 20 sei völlig ausreichend. Bei Teil-GdB-Werten von 20 - 20 - 20 lasse sich die Schwerbehinderteneigenschaft nicht rechtfertigen. Der Beklagte hat die versorgungsärztlicher Stellungnahme von Dr. Wo. vom 23.03.2010 vorgelegt.
12 
Der Beklagte beantragt,
13 
das Urteil des Sozialgerichts Reutlingen vom 11.02.2010 abzuändern und die Klage des Klägers abzuweisen, soweit die Feststellung des Grades der Behinderung von über 40 seit dem 25.02.2006 begehrt wird.
14 
Der Kläger beantragt,
15 
die Berufung zurückzuweisen.
16 
Der Kläger hält das angefochtene Urteil für zutreffend. Er hat zur Begründung vorgetragen, die von Dr. N. getroffenen Feststellungen seien in sich stimmig und schlüssig. Die vom Beklagten erhobenen Einwendungen seien unzutreffend. Soweit zur Beurteilung der Frage, wie hoch der GdB liege, überhaupt auf den Umfang der Arbeitstätigkeit und der ausgeübten Freizeitbeschäftigungen abgestellt werden könne, sei keinesfalls die nach der aufgetretenen Krebserkrankungen eingetretene Situation isoliert betrachtet maßgeblich. Entscheidend sei vielmehr ein Vergleich der entsprechenden Situationen vor Eintritt der Erkrankung und nach Eintritt der Erkrankung. Er sei vor Eintritt der Erkrankung in einem weitaus umfangreicherem Maße arbeitstätig gewesen. Seine günstige Verfassung habe sich seit Eintritt der Krebserkrankungen nachhaltig gravierend verschlechtert. Maßgeblich sei seine tatsächlich bestehende äußerst schlechte psychische Verfassung. Der Umstand, dass er dies nicht unmittelbar äußere und er auf sein relativ hohes Arbeitspensum und seine Freizeitgestaltung verweise, sei auf seine narzisstische Neigung zurückzuführen. Diese Neigung führe dazu, dass er seine Leistungsfähigkeit geschönt, d.h. unrealistisch positiv darstelle. Seine vor dem Hintergrund der narzisstischen Neigung erfolgten Äußerungen ließen somit nicht einen Rückschluss auf seine tatsächlich bestehende psychische Verfassung zu. Daraus, dass er sich wegen seiner schwerwiegenden psychischen Beeinträchtigungen nicht in eine ärztliche Behandlung begeben habe, könne nicht der Rückschluss gezogen werden, dass er nicht unter einer starken psychischen Beeinträchtigung leide. Fachärztliche Betreuung sei in seinem Fall nicht geeignet, eine Minderung der Beeinträchtigungen zu erreichen. Eine von ihm beabsichtigte Aufnahme einer psychotherapeutischen Behandlung habe bereits im ersten Termin abgebrochen werden müssen.
17 
Der Rechtsstreit ist durch den Berichterstatter in der nichtöffentlichen Sitzung am 12.11.2010 mit den Beteiligten erörtert worden. Auf die Niederschrift vom 12.11.2010 wird Bezug genommen.
18 
Die Beteiligten haben sich mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung einverstanden erklärt.
19 
Wegen weiterer Einzelheiten des Sachverhaltes und des Vorbringens der Beteiligten wird auf die Gerichtsakten erster und zweiter Instanz sowie auf eine Band Verwaltungsakten des Beklagten Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

 
20 
Die gemäß den §§ 143, 144 SGG statthafte Berufung des Beklagten, über die der Senat im Einverständnis der Beteiligten ohne mündliche Verhandlung entschieden hat (§ 124 Abs. 2 SGG), ist zulässig und mit dem vom Beklagten gestellten Berufungsantrag in der Sache begründet, weil eine wesentliche Änderung gegenüber dem maßgeblichen Vergleichsbescheid vom 08.01.2001 eingetreten ist, die die Herabsetzung des GdB auf 40 seit dem 25.02.2006 rechtfertigt.
21 
Die angefochtenen Bescheide des Beklagten sind nicht formell rechtswidrig. Der Kläger ist vor dem Erlass der streitgegenständlichen Bescheide ordnungsgemäß angehört worden (§ 24 Abs. 1 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch - SGB X -). Der Bescheid vom 17.02.2006 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 16.10.2006 lässt auch hinreichend erkennen, wegen welcher Funktionsbeeinträchtigungen (zunächst) nur noch von einem GdB von 20 ausgegangen wurde, wie auch das Klagevorbringen des Klägers im Schriftsatz vom 15.11.2006 zeigt. Ein Begründungsmangel liegt damit nicht vor.
22 
Rechtsgrundlage für die Neufeststellung ist § 48 Abs. 1 Sozialgesetzbuch (SGB) X. Danach ist ein Verwaltungsakt mit Dauerwirkung für die Zukunft aufzuheben, soweit in den tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnissen, die bei seinem Erlass vorgelegen haben, eine wesentliche Änderung eintritt. Wesentlich ist eine Änderung dann, wenn sich der GdB um wenigstens 10 erhöht oder vermindert. Im Falle einer solchen Änderung ist der Verwaltungsakt aufzuheben und durch eine zutreffende Bewertung zu ersetzen (vgl. BSG SozR 1300 § 48 SGB X Nr. 29 m.w.N.). Die den einzelnen Behinderungen - welche ihrerseits nicht zum sogenannten Verfügungssatz des Bescheides gehören - zugrunde gelegten Teil-GdB-Sätze erwachsen nicht in Bindungswirkung (BSG, Urteil vom 10.09.1997 -9 RVs 15/96 - BSGE 81, 50 bis 54). Hierbei handelt es sich nur um Bewertungsfaktoren, die wie der hierfür (ausdrücklich) angesetzte Teil-GdB nicht der Bindungswirkung des § 77 SGG unterliegen. Ob eine wesentliche Änderung eingetreten ist, muss durch einen Vergleich des gegenwärtigen Zustandes mit dem bindend festgestellten - früheren - Behinderungszustand ermittelt werden. Dies ist vorliegend der mit Bescheid vom 08.01.2001 wegen der Erkrankung des linken Hodens (in Heilungsbewährung), der BG-Unfallfolgen am Handgelenk und einer Funktionsbehinderung des rechten oberen Sprunggelenks sowie Gebrauchseinschränkung des linken Fußes mit einem GdB von 70 bewertete Behinderungszustand des Klägers.
23 
Bei der Prüfung dieser Voraussetzungen beurteilt sich die Begründetheit der gegen die Aufhebung erhobenen Anfechtungsklage zum Zeitpunkt des Abschlusses des Widerspruchsverfahrens, hier dem Widerspruchsbescheid vom 16.10.2006. Danach eingetretene Änderungen sind nicht zu berücksichtigten (vgl. BSG, Urteil vom 10.09.1997 - 9 RVs 15/96 -, SozR 3-3870 § 3 Nr. 7).
24 
Maßgebliche Rechtsgrundlagen für die GdB-Bewertung sind seit 01.07.2001 die Vorschriften des Neunten Buches des Sozialgesetzbuchs (SGB IX), die an die Stelle der durch dieses Gesetz aufgehobenen Vorschriften des Schwerbehindertengesetzes (SchwbG) getreten sind (vgl. Art. 63, 68 des Gesetzes vom 19.06.2001 BGBl. I S. 1046). Danach sind Menschen behindert, wenn ihre körperliche Funktion, geistige Fähigkeit oder seelische Gesundheit mit hoher Wahrscheinlichkeit länger als 6 Monate von dem für das Lebensalter typischen Zustand abweichen und daher ihre Teilhabe am Leben in der Gesellschaft beeinträchtigt ist (§ 2 Abs. 1 Satz 1 SGB IX). Die Auswirkungen auf die Teilhabe am Leben in der Gesellschaft werden als GdB nach 10er Graden abgestuft festgestellt. Hierfür gelten gemäß § 69 Abs. 1 Satz 4 und 5 SGB IX die Maßstäbe des § 30 Abs. 1 Bundesversorgungsgesetz (BVG) und der aufgrund des § 30 Abs. 17 des BVG erlassenen Rechtsverordnung entsprechend. In diesem Zusammenhang waren bis zum 31.12.2008 die „Anhaltspunkte für die ärztliche Gutachtertätigkeit im sozialen Entschädigungsrecht und nach dem Schwerbehindertenrecht“ (Teil 2 SGB IX), Ausgabe 2008 (AHP) heranzuziehen (BSG, Urteil vom 23.06.1993 - 9/9a RVs 1/91 - BSGE 72, 285; BSG, Urteil vom 09.04.1997 - 9 RVs 4/95 -SozR 3-3870 § 4 Nr. 19; BSG, Urteil vom 18.09.2003 - B 9 SB 3/02 R - BSGE 190, 205; BSG, Urteil vom 29.08.1990 - 9a/9 RVs 7/89 - BSG SozR 3-3870 § 4 Nr. 1).
25 
Nach § 69 Abs. 3 SGB IX ist zu beachten, dass bei Vorliegen mehrerer Beeinträchtigungen der Teilhabe am Leben der Gesellschaft der GdB nach den Auswirkungen in ihrer Gesamtheit unter Berücksichtigung der wechselseitigen Beziehungen festzustellen ist. Bei mehreren Funktionsbeeinträchtigungen sind zwar zunächst Einzel-GdB zu bilden, bei der Ermittlung des Gesamt-GdB durch alle Funktionsbeeinträchtigungen dürfen die einzelnen Werte jedoch nicht addiert werden. Auch andere Rechenmethoden sind für die Bildung des Gesamt-GdB ungeeignet. In der Regel ist von der Behinderung mit dem höchsten Einzel-GdB auszugehen und zu prüfen, ob und inwieweit das Ausmaß der Behinderung durch die anderen Behinderungen größer wird, ob also wegen der weiteren Funktionsbeeinträchtigungen dem ersten GdB 10 oder 20 oder mehr Punkte hinzuzufügen sind, um der Behinderung insgesamt gerecht zu werden. Ein Einzel-GdB von 10 führt in der Regel nicht zu einer Zunahme des Ausmaßes der Gesamtbeeinträchtigung, auch bei leichten Behinderungen mit einem GdB von 20 ist es vielfach nicht gerechtfertigt, auf eine wesentliche Zunahme des Ausmaßes der Behinderung zu schließen. Der Gesamt-GdB ist vorliegend noch unter Beachtung der AHP in freier richterlicher Beweiswürdigung sowie aufgrund richterlicher Erfahrung unter Hinzuziehung von Sachverständigengutachten zu bilden (BSGE 62, 209, 213; BSG SozR 3870 § 3 Nr. 26 und SozR 3-3879 § 4 Nr. 5 zu den AHP). Im Übrigen hat die seit 01.01.2009 an die Stelle AHP getretene Anlage „Versorgungsmedizinische Grundsätze“ (VG) zu § 2 der Verordnung zur Durchführung des § 1 Abs. 1 und 3, § 30 Abs. 1 und § 35 Abs. 1 BVG (Versorgungsmedizin-Verordnung; VersMedV) die AHP - jedenfalls soweit vorliegend relevant - übernommen und damit gewährleistet, dass gegenüber dem bisherigen Feststellungsverfahren keine Schlechterstellung möglich ist.
26 
Zur Überzeugung des Senats steht fest, dass in den gesundheitlichen Verhältnissen des Klägers und den sich daraus ergebenden Funktionsbeeinträchtigungen gegenüber den gesundheitlichen Verhältnissen, die dem Bescheid vom 08.01.2001 zugrunde lagen, eine Heilungsbewährung eingetreten ist. Seinerzeit war nach der am 08.02.2000 wegen eines malignen Teratoms der linke Hodens erfolgten Operation eine Erkrankung des Hodens im Stadium der Heilungsbewährung als Funktionsbeeinträchtigung anerkannt worden. Bei Erkrankungen, die - wie bei einem Krebsleiden - zu Rezidiven neigen, ist abzuwarten, ob es im Stadium der Heilungsbewährung zu einer Progression bzw. zu einem Rezidiv der Erkrankung kommt. Im Zustand der Heilungsbewährung ist der GdB höher eingeschätzt, als er dem tatsächlichen Zustand entspricht (AHP Nr. 18 Abs. 7). Nach Eintritt der Heilungsbewährung ist bei der Bewertung - im Unterschied zur Erstfeststellung - nur noch die bestehende Funktionsbeeinträchtigung zu berücksichtigen. Das Stadium der Heilungsbewährung war vorliegend nach Ablauf der Heilungsbewährungsfrist von fünf Jahren (vgl. AHP Nr. 26.1 Abs. 3) im Januar 2006 beendet, da es nicht zu einer Progression bzw. zu einem Rezidiv der Tumorerkrankung gekommen ist, wie sich aus dem Bericht des Klinikums R. vom 22.04.2005 an das VA und der schriftlichen sachverständigen Zeugenaussage von Dr. K. vom 13.03.2007 an das SG ergibt. Etwas anderes wird vom Kläger im Übrigen auch nicht vorgetragen. Der Beklagte war deshalb berechtigt und auch verpflichtet, eine Neufeststellung der Behinderung des Klägers wegen einer wesentlicher Änderung der Verhältnisse vorzunehmen.
27 
Die verbliebenen Funktionsstörungen des Klägers bedingen jedenfalls zum maßgeblichen Beurteilungszeitpunkt des Ergehens des Widerspruchsbescheids keinen höheren GdB als 40. Der davon abweichenden Ansicht des SG schließt sich der Senat nicht an.
28 
Allein der Verlust des (linken) Hodens rechtfertigt nach den AHP noch keinen GdB (vgl. Teil A Nr. 26.13).
29 
Die beim Kläger auf psychiatrischem Gebiet bestehenden Funktionsbeeinträchtigungen sind mit einem GdB von 20 angemessen und ausreichend bewertet. Den abweichenden Bewertungen von Dr. N. und dem SG vermag sich der Senat nicht anzuschließen. Nach den AHP (Teil A Nr. 26.3) sind leichtere psychovegetative oder psychische Störungen mit einem GdB von 0 bis 20, stärker behindernde Störungen mit wesentlicher Einschränkung der Erlebnis- und Gestaltungsfähigkeit (z. B. ausgeprägtere depressive, hypochondrische, asthenische oder phobische Störungen, Entwicklungen mit Krankheitswert, somatoforme Störungen) mit einem GdB von 30 bis 40 und schwere Störungen (z. B. schwere Zwangskrankheit) mit mittelgradigen sozialen Anpassungsschwierigkeiten mit einem GdB von 50 bis 70 und mit schweren sozialen Anpassungsschwierigkeiten mit einem GdB von 80 bis 100 zu bewerten. Dass beim Kläger stärker behindernde Störungen mit einer wesentlichen Einschränkung der Erlebnis- und Gestaltungsfähigkeit oder gar schwere Störungen vorliegen, kann zur Überzeugung des Senats nicht angenommen werden.
30 
Zwar liegt beim Kläger nach den Ausführungen von Dr. N. in seinem Gutachten vom 30.09.2008 eine Krankheitsfehlverarbeitung mit karzinophobischer Störung, eine depressiv getönte Einschränkung der Erlebnisfähigkeit sowie eine hypochondrische Störung bei narzisstisch akzentuierter Persönlichkeit vor. Nach dem psychischen Befund waren unterschwellig nachdenkliche, ernste, teilweise auch ängstliche Stimmungsanteile sowie Verunsicherung und Labilisierung insbesondere in Bezug auf gesundheitliche Belange spürbar. Der Kläger war um eine Kontrolle seiner Emotionalität und um mögliche optimale Anpassung bemüht. Das inhaltliche Denken war teilweise von den psychischen und körperlichen Folgen der Erkrankung geprägt. Die Selbstwertregulation war beeinträchtigt. Es bestand eine deutlich verminderte Empfindlichkeit gegenüber Kritik und Zurücksetzung in Verbindung mit sthenischem Ehrgeiz. Diese bewirken nach den im Gutachten von Dr. N. mitgeteilten Angaben des Klägers jedoch nur leichtere psychovegetative oder psychische Störungen hinsichtlich seiner Teilhabe am Leben in der Gesellschaft. So hat sich der Kläger im Jahre 2005 als Geschäftsführer eines Personaldienstleistungsunternehmens selbstständig gemacht. Intern beschäftigt er zwei Mitarbeiter. Hinzu kommen zwischen 50 und 100 Leiharbeiter, die an Kunden verliehen werden. Weiterhin betreibt der Kläger eine eigene Unternehmensberatung bezüglich Prozessabläufe, Marketing und Management. Zum Tagesablauf hat der Kläger bei der Begutachtung angegeben, zwischen 5:00 Uhr und 6:00 Uhr aufzustehen. Nach dem Frühstück versucht der mit Leiharbeitern direkt bei seinen Kunden zu erscheinen und diese persönlich zu übergeben. Anschließend geht der Kläger in sein Büro. Dort hat er den ganzen Tag viel zu tun. Gegen 17:30 Uhr geht er nach Hause und versucht sich etwas zu entspannen. Dann wird gemeinsam zu Abend gegessen. Anschließend versucht er sich mit den Kindern zu beschäftigen. Nach seinen Angaben geht der Kläger gerne mit seiner Frau aus. Einmal in der Woche hat er einen Männerabend. Als Hobby hat der Kläger Motorradfahren und gemeinsame Aktivitäten mit der Familie angegeben. Dem Kläger ist ein Hauptanliegen, auch die Freizeit genießen zu können. Weiter bestehen nach den Angaben des Klägers keine Schlafstörungen, ein guter Appetit und eine stark vorhandene Libido. Nach dem psychologischen Befund war der Kläger bei klarem Bewusstsein und allseits orientiert. Er war im Kontakt freundlich und zugewandt, offen. Es fanden sich keine Anhalte für Störungen des formalen Denkens, der Wahrnehmung sowie auf kognitive Beeinträchtigungen. Stärker behindernde Störungen mit einer wesentlichen Einschränkung der Erlebnis- und Gestaltungsfähigkeit liegen danach beim Kläger zur Überzeugung des Senats nicht vor. Dabei verkennt der Senat nicht, dass der Kläger nach dem Gutachten von Dr. N. über mögliche Ursachen seiner Tumorerkrankung nachgrübelt und eine Angst vor potentiellen schädlichen Belastungen entwickelt hat, die ihm beschäftigt. Das Berufungsvorbringen des Klägers rechtfertigt keine andere Bewertung. Allein die narzisstische Persönlichkeitsstruktur des Klägers rechtfertigt keinen höheren GdB. Maßgeblich ist vielmehr, inwieweit der Kläger in seiner Teilhabe am Leben in der Gesellschaft tatsächlich beeinträchtigt ist. Dass die im Gutachten von Dr. N. wiedergegebenen Angaben des Klägers zu seinen beruflichen Aktivitäten und Freizeitaktivitäten nicht den tatsächlichen Gegebenheiten entsprechen, ist nicht ersichtlich. Dr. N. hat in seinem Gutachten Zweifel an der Glaubwürdigkeit dieser Angaben des Klägers nicht geäußert. Auch ist eine Richtigstellung durch den Kläger nicht erfolgt.
31 
Zudem befindet sich der Kläger wegen seiner seelische Störung nicht in ärztlicher Behandlung. Ob dem Berufungsvorbringen des Beklagten, seelische Störungen, die einen GdB von wenigstens 30 bedingten, bedürften einer engmaschigen fachärztlichen Betreuung, zu folgen ist, bedarf keiner Entscheidung des Senats. Denn aufgrund der fehlenden ärztlichen Behandlung kann jedenfalls - zum maßgeblichen Beurteilungszeitraum - nicht davon ausgegangen werden, dass das diagnostizierte seelische Leiden des Klägers über eine leichtere psychische Störung hinausgegangen ist und bereits eine stärker behindernde Störung im Sinne der GdB-Bewertungsgrundsätze darstellte. Ein entsprechender Leidensdruck des Klägers, der bei einer stärker behindernden psychischen Störung zu erwarten ist, findet sich nach den Ausführungen von Dr. N. in dessen Gutachten vom 30.09.2008 nicht. Der Kläger hatte bei der Untersuchung vielmehr angegeben, dass er seine Probleme nicht gerne nach außen trage, weil er seine Familie damit auch nicht belasten wolle. Insofern versuche er die Dinge mit sich selbst auszutragen und habe deshalb auch keine Behandlung in Anspruch genommen. Dies verdeutlicht, dass der Kläger seine Probleme als nicht so gravierend beurteilt, dass er sie nicht selbst bewältigen kann. Seine Erkrankung unter der Diagnose des Tumors sieht er nach eigenen Angaben rückschauend zwar als schweren Einschnitt in seinem Leben, der aber seinem Leben auch eine von ihm als positiv empfundene Wendung gegeben hatte. Mit der durch die Erkrankung angestoßenen beruflichen Veränderung zur Selbstständigkeit hatte er sich nach seiner Einschätzung beruflich komplett selbst verwirklicht und auch eine neue Lebenseinstellung gewonnen, da er die Erkenntnis erlangt habe, sich etwas gönnen zu müssen. Er sei spontaner und einsatzfreudiger geworden. Das nicht näher substantiierte Vorbringen des Klägers, fachärztliche Betreuung sei in seinem Fall nicht geeignet, eine Minderung der Beeinträchtigungen zu erreichen, belegt daher nicht eine gebotene Behandlungsbedürftigkeit und schon gar nicht eine tatsächlich fehlende Behandlungsoption.
32 
Die durch die Operation hervorgerufene Bauchnarbe des Klägers rechtfertigt nach den AHP keinen GdB, der bei der Bildung des Gesamt-GdB zu berücksichtigen ist. Dass die Bauchnarbe beim Kläger Funktionsbeeinträchtigungen hervorruft, ist nicht ersichtlich und wird von ihm auch nicht geltend gemacht.
33 
Zu Gunsten des Klägers ist eine wesentliche Änderung hinsichtlich der BG-anerkannten Unfallfolgen am rechten Handgelenk zu berücksichtigen, nach dem die Süddeutsche Metall-Berufsgenossenschaft mit Bescheid vom 27.08.2004 die Minderung der Erwerbsfähigkeit auf 20 v.H. festgestellt hat (vgl. § 69 Abs. 2 Satz 1 SGB IX). Dieser Feststellung hat der Beklagte durch sein Vergleichsangebot wie auch seinen Berufungsantrag Rechnung getragen. Einwendungen hiergegen hat der Kläger im Berufungsverfahren auch nicht erhoben.
34 
Hinsichtlich der Funktionsbehinderung des rechten oberen Sprunggelenks und Gebrauchseinschränkung des linken Fußes des Klägers ist eine rechtlich wesentliche Änderung (Verschlimmerung) nicht ersichtlich. Dr. N. hat beim Kläger den Teil-GdB wegen der Läsion des linken Plexus lumbosacralis sowie der Kahnbeinfraktur und der Sprunggelenksverletzung jeweils mit 20 bewertet. Eine solche Änderung wird vom Kläger auch nicht substantiiert vorgetragen.
35 
Sonstige Funktionsbeeinträchtigungen, die bei der Neufeststellung des Gesamt-GdB zu berücksichtigen sind, bestehen beim Kläger nicht.
36 
Ausgehend von den beim Kläger bei der Bildung des Gesamt-GdB zu berücksichtigenden Teil-GdB-Werten (Verlust des linken Hodens und seelische Störung, BG-anerkannten Unfallfolgen am rechten Handgelenk, Läsion des linken Plexus sowie Kahnbeinfraktur und Sprunggelenksverletzung jeweils mit einem Teil-GdB von 20), ist nach der Rechtsprechung des Senats die Feststellung der vom Kläger angestrebten Schwerbehinderteneigenschaft (GdB 50) nicht gerechtfertigt. Die schwerwiegendste Funktionsstörung ist hier eines der vier mit einem GdB von 20 bewerteten Leiden. Ein höherer GdB als 20 bedingt keine davon. Wenn mit einem GdB 20 bewertete Behinderungen nach den AHP es vielfach nicht rechtfertigen, den Gesamt-GdB zu erhöhen, ist es grundsätzlich nicht geboten, aus einer Häufung solcher Behinderungen die Schwerbehinderteneigenschaft zu folgern. Ein GdB von 50 kann daher nach der ständigen Rechtsprechung des Senats ohne zumindest eine mit einem GdB von 30 bewertete einzelne Funktionsstörung in der Regel nicht angenommen werden (vgl. Urt. des Senats vom 21.05.2010 - L 8 SB 2171/08 -).
37 
Anlass zu weiteren Ermittlungen besteht nicht. Der Sachverhalt ist durch die Ermittlungen des SG und die zu den Akten gelangten medizinischen Unterlagen geklärt.
38 
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
39 
Die Voraussetzungen für die Zulassung der Revision liegen nicht vor.

Gründe

 
20 
Die gemäß den §§ 143, 144 SGG statthafte Berufung des Beklagten, über die der Senat im Einverständnis der Beteiligten ohne mündliche Verhandlung entschieden hat (§ 124 Abs. 2 SGG), ist zulässig und mit dem vom Beklagten gestellten Berufungsantrag in der Sache begründet, weil eine wesentliche Änderung gegenüber dem maßgeblichen Vergleichsbescheid vom 08.01.2001 eingetreten ist, die die Herabsetzung des GdB auf 40 seit dem 25.02.2006 rechtfertigt.
21 
Die angefochtenen Bescheide des Beklagten sind nicht formell rechtswidrig. Der Kläger ist vor dem Erlass der streitgegenständlichen Bescheide ordnungsgemäß angehört worden (§ 24 Abs. 1 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch - SGB X -). Der Bescheid vom 17.02.2006 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 16.10.2006 lässt auch hinreichend erkennen, wegen welcher Funktionsbeeinträchtigungen (zunächst) nur noch von einem GdB von 20 ausgegangen wurde, wie auch das Klagevorbringen des Klägers im Schriftsatz vom 15.11.2006 zeigt. Ein Begründungsmangel liegt damit nicht vor.
22 
Rechtsgrundlage für die Neufeststellung ist § 48 Abs. 1 Sozialgesetzbuch (SGB) X. Danach ist ein Verwaltungsakt mit Dauerwirkung für die Zukunft aufzuheben, soweit in den tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnissen, die bei seinem Erlass vorgelegen haben, eine wesentliche Änderung eintritt. Wesentlich ist eine Änderung dann, wenn sich der GdB um wenigstens 10 erhöht oder vermindert. Im Falle einer solchen Änderung ist der Verwaltungsakt aufzuheben und durch eine zutreffende Bewertung zu ersetzen (vgl. BSG SozR 1300 § 48 SGB X Nr. 29 m.w.N.). Die den einzelnen Behinderungen - welche ihrerseits nicht zum sogenannten Verfügungssatz des Bescheides gehören - zugrunde gelegten Teil-GdB-Sätze erwachsen nicht in Bindungswirkung (BSG, Urteil vom 10.09.1997 -9 RVs 15/96 - BSGE 81, 50 bis 54). Hierbei handelt es sich nur um Bewertungsfaktoren, die wie der hierfür (ausdrücklich) angesetzte Teil-GdB nicht der Bindungswirkung des § 77 SGG unterliegen. Ob eine wesentliche Änderung eingetreten ist, muss durch einen Vergleich des gegenwärtigen Zustandes mit dem bindend festgestellten - früheren - Behinderungszustand ermittelt werden. Dies ist vorliegend der mit Bescheid vom 08.01.2001 wegen der Erkrankung des linken Hodens (in Heilungsbewährung), der BG-Unfallfolgen am Handgelenk und einer Funktionsbehinderung des rechten oberen Sprunggelenks sowie Gebrauchseinschränkung des linken Fußes mit einem GdB von 70 bewertete Behinderungszustand des Klägers.
23 
Bei der Prüfung dieser Voraussetzungen beurteilt sich die Begründetheit der gegen die Aufhebung erhobenen Anfechtungsklage zum Zeitpunkt des Abschlusses des Widerspruchsverfahrens, hier dem Widerspruchsbescheid vom 16.10.2006. Danach eingetretene Änderungen sind nicht zu berücksichtigten (vgl. BSG, Urteil vom 10.09.1997 - 9 RVs 15/96 -, SozR 3-3870 § 3 Nr. 7).
24 
Maßgebliche Rechtsgrundlagen für die GdB-Bewertung sind seit 01.07.2001 die Vorschriften des Neunten Buches des Sozialgesetzbuchs (SGB IX), die an die Stelle der durch dieses Gesetz aufgehobenen Vorschriften des Schwerbehindertengesetzes (SchwbG) getreten sind (vgl. Art. 63, 68 des Gesetzes vom 19.06.2001 BGBl. I S. 1046). Danach sind Menschen behindert, wenn ihre körperliche Funktion, geistige Fähigkeit oder seelische Gesundheit mit hoher Wahrscheinlichkeit länger als 6 Monate von dem für das Lebensalter typischen Zustand abweichen und daher ihre Teilhabe am Leben in der Gesellschaft beeinträchtigt ist (§ 2 Abs. 1 Satz 1 SGB IX). Die Auswirkungen auf die Teilhabe am Leben in der Gesellschaft werden als GdB nach 10er Graden abgestuft festgestellt. Hierfür gelten gemäß § 69 Abs. 1 Satz 4 und 5 SGB IX die Maßstäbe des § 30 Abs. 1 Bundesversorgungsgesetz (BVG) und der aufgrund des § 30 Abs. 17 des BVG erlassenen Rechtsverordnung entsprechend. In diesem Zusammenhang waren bis zum 31.12.2008 die „Anhaltspunkte für die ärztliche Gutachtertätigkeit im sozialen Entschädigungsrecht und nach dem Schwerbehindertenrecht“ (Teil 2 SGB IX), Ausgabe 2008 (AHP) heranzuziehen (BSG, Urteil vom 23.06.1993 - 9/9a RVs 1/91 - BSGE 72, 285; BSG, Urteil vom 09.04.1997 - 9 RVs 4/95 -SozR 3-3870 § 4 Nr. 19; BSG, Urteil vom 18.09.2003 - B 9 SB 3/02 R - BSGE 190, 205; BSG, Urteil vom 29.08.1990 - 9a/9 RVs 7/89 - BSG SozR 3-3870 § 4 Nr. 1).
25 
Nach § 69 Abs. 3 SGB IX ist zu beachten, dass bei Vorliegen mehrerer Beeinträchtigungen der Teilhabe am Leben der Gesellschaft der GdB nach den Auswirkungen in ihrer Gesamtheit unter Berücksichtigung der wechselseitigen Beziehungen festzustellen ist. Bei mehreren Funktionsbeeinträchtigungen sind zwar zunächst Einzel-GdB zu bilden, bei der Ermittlung des Gesamt-GdB durch alle Funktionsbeeinträchtigungen dürfen die einzelnen Werte jedoch nicht addiert werden. Auch andere Rechenmethoden sind für die Bildung des Gesamt-GdB ungeeignet. In der Regel ist von der Behinderung mit dem höchsten Einzel-GdB auszugehen und zu prüfen, ob und inwieweit das Ausmaß der Behinderung durch die anderen Behinderungen größer wird, ob also wegen der weiteren Funktionsbeeinträchtigungen dem ersten GdB 10 oder 20 oder mehr Punkte hinzuzufügen sind, um der Behinderung insgesamt gerecht zu werden. Ein Einzel-GdB von 10 führt in der Regel nicht zu einer Zunahme des Ausmaßes der Gesamtbeeinträchtigung, auch bei leichten Behinderungen mit einem GdB von 20 ist es vielfach nicht gerechtfertigt, auf eine wesentliche Zunahme des Ausmaßes der Behinderung zu schließen. Der Gesamt-GdB ist vorliegend noch unter Beachtung der AHP in freier richterlicher Beweiswürdigung sowie aufgrund richterlicher Erfahrung unter Hinzuziehung von Sachverständigengutachten zu bilden (BSGE 62, 209, 213; BSG SozR 3870 § 3 Nr. 26 und SozR 3-3879 § 4 Nr. 5 zu den AHP). Im Übrigen hat die seit 01.01.2009 an die Stelle AHP getretene Anlage „Versorgungsmedizinische Grundsätze“ (VG) zu § 2 der Verordnung zur Durchführung des § 1 Abs. 1 und 3, § 30 Abs. 1 und § 35 Abs. 1 BVG (Versorgungsmedizin-Verordnung; VersMedV) die AHP - jedenfalls soweit vorliegend relevant - übernommen und damit gewährleistet, dass gegenüber dem bisherigen Feststellungsverfahren keine Schlechterstellung möglich ist.
26 
Zur Überzeugung des Senats steht fest, dass in den gesundheitlichen Verhältnissen des Klägers und den sich daraus ergebenden Funktionsbeeinträchtigungen gegenüber den gesundheitlichen Verhältnissen, die dem Bescheid vom 08.01.2001 zugrunde lagen, eine Heilungsbewährung eingetreten ist. Seinerzeit war nach der am 08.02.2000 wegen eines malignen Teratoms der linke Hodens erfolgten Operation eine Erkrankung des Hodens im Stadium der Heilungsbewährung als Funktionsbeeinträchtigung anerkannt worden. Bei Erkrankungen, die - wie bei einem Krebsleiden - zu Rezidiven neigen, ist abzuwarten, ob es im Stadium der Heilungsbewährung zu einer Progression bzw. zu einem Rezidiv der Erkrankung kommt. Im Zustand der Heilungsbewährung ist der GdB höher eingeschätzt, als er dem tatsächlichen Zustand entspricht (AHP Nr. 18 Abs. 7). Nach Eintritt der Heilungsbewährung ist bei der Bewertung - im Unterschied zur Erstfeststellung - nur noch die bestehende Funktionsbeeinträchtigung zu berücksichtigen. Das Stadium der Heilungsbewährung war vorliegend nach Ablauf der Heilungsbewährungsfrist von fünf Jahren (vgl. AHP Nr. 26.1 Abs. 3) im Januar 2006 beendet, da es nicht zu einer Progression bzw. zu einem Rezidiv der Tumorerkrankung gekommen ist, wie sich aus dem Bericht des Klinikums R. vom 22.04.2005 an das VA und der schriftlichen sachverständigen Zeugenaussage von Dr. K. vom 13.03.2007 an das SG ergibt. Etwas anderes wird vom Kläger im Übrigen auch nicht vorgetragen. Der Beklagte war deshalb berechtigt und auch verpflichtet, eine Neufeststellung der Behinderung des Klägers wegen einer wesentlicher Änderung der Verhältnisse vorzunehmen.
27 
Die verbliebenen Funktionsstörungen des Klägers bedingen jedenfalls zum maßgeblichen Beurteilungszeitpunkt des Ergehens des Widerspruchsbescheids keinen höheren GdB als 40. Der davon abweichenden Ansicht des SG schließt sich der Senat nicht an.
28 
Allein der Verlust des (linken) Hodens rechtfertigt nach den AHP noch keinen GdB (vgl. Teil A Nr. 26.13).
29 
Die beim Kläger auf psychiatrischem Gebiet bestehenden Funktionsbeeinträchtigungen sind mit einem GdB von 20 angemessen und ausreichend bewertet. Den abweichenden Bewertungen von Dr. N. und dem SG vermag sich der Senat nicht anzuschließen. Nach den AHP (Teil A Nr. 26.3) sind leichtere psychovegetative oder psychische Störungen mit einem GdB von 0 bis 20, stärker behindernde Störungen mit wesentlicher Einschränkung der Erlebnis- und Gestaltungsfähigkeit (z. B. ausgeprägtere depressive, hypochondrische, asthenische oder phobische Störungen, Entwicklungen mit Krankheitswert, somatoforme Störungen) mit einem GdB von 30 bis 40 und schwere Störungen (z. B. schwere Zwangskrankheit) mit mittelgradigen sozialen Anpassungsschwierigkeiten mit einem GdB von 50 bis 70 und mit schweren sozialen Anpassungsschwierigkeiten mit einem GdB von 80 bis 100 zu bewerten. Dass beim Kläger stärker behindernde Störungen mit einer wesentlichen Einschränkung der Erlebnis- und Gestaltungsfähigkeit oder gar schwere Störungen vorliegen, kann zur Überzeugung des Senats nicht angenommen werden.
30 
Zwar liegt beim Kläger nach den Ausführungen von Dr. N. in seinem Gutachten vom 30.09.2008 eine Krankheitsfehlverarbeitung mit karzinophobischer Störung, eine depressiv getönte Einschränkung der Erlebnisfähigkeit sowie eine hypochondrische Störung bei narzisstisch akzentuierter Persönlichkeit vor. Nach dem psychischen Befund waren unterschwellig nachdenkliche, ernste, teilweise auch ängstliche Stimmungsanteile sowie Verunsicherung und Labilisierung insbesondere in Bezug auf gesundheitliche Belange spürbar. Der Kläger war um eine Kontrolle seiner Emotionalität und um mögliche optimale Anpassung bemüht. Das inhaltliche Denken war teilweise von den psychischen und körperlichen Folgen der Erkrankung geprägt. Die Selbstwertregulation war beeinträchtigt. Es bestand eine deutlich verminderte Empfindlichkeit gegenüber Kritik und Zurücksetzung in Verbindung mit sthenischem Ehrgeiz. Diese bewirken nach den im Gutachten von Dr. N. mitgeteilten Angaben des Klägers jedoch nur leichtere psychovegetative oder psychische Störungen hinsichtlich seiner Teilhabe am Leben in der Gesellschaft. So hat sich der Kläger im Jahre 2005 als Geschäftsführer eines Personaldienstleistungsunternehmens selbstständig gemacht. Intern beschäftigt er zwei Mitarbeiter. Hinzu kommen zwischen 50 und 100 Leiharbeiter, die an Kunden verliehen werden. Weiterhin betreibt der Kläger eine eigene Unternehmensberatung bezüglich Prozessabläufe, Marketing und Management. Zum Tagesablauf hat der Kläger bei der Begutachtung angegeben, zwischen 5:00 Uhr und 6:00 Uhr aufzustehen. Nach dem Frühstück versucht der mit Leiharbeitern direkt bei seinen Kunden zu erscheinen und diese persönlich zu übergeben. Anschließend geht der Kläger in sein Büro. Dort hat er den ganzen Tag viel zu tun. Gegen 17:30 Uhr geht er nach Hause und versucht sich etwas zu entspannen. Dann wird gemeinsam zu Abend gegessen. Anschließend versucht er sich mit den Kindern zu beschäftigen. Nach seinen Angaben geht der Kläger gerne mit seiner Frau aus. Einmal in der Woche hat er einen Männerabend. Als Hobby hat der Kläger Motorradfahren und gemeinsame Aktivitäten mit der Familie angegeben. Dem Kläger ist ein Hauptanliegen, auch die Freizeit genießen zu können. Weiter bestehen nach den Angaben des Klägers keine Schlafstörungen, ein guter Appetit und eine stark vorhandene Libido. Nach dem psychologischen Befund war der Kläger bei klarem Bewusstsein und allseits orientiert. Er war im Kontakt freundlich und zugewandt, offen. Es fanden sich keine Anhalte für Störungen des formalen Denkens, der Wahrnehmung sowie auf kognitive Beeinträchtigungen. Stärker behindernde Störungen mit einer wesentlichen Einschränkung der Erlebnis- und Gestaltungsfähigkeit liegen danach beim Kläger zur Überzeugung des Senats nicht vor. Dabei verkennt der Senat nicht, dass der Kläger nach dem Gutachten von Dr. N. über mögliche Ursachen seiner Tumorerkrankung nachgrübelt und eine Angst vor potentiellen schädlichen Belastungen entwickelt hat, die ihm beschäftigt. Das Berufungsvorbringen des Klägers rechtfertigt keine andere Bewertung. Allein die narzisstische Persönlichkeitsstruktur des Klägers rechtfertigt keinen höheren GdB. Maßgeblich ist vielmehr, inwieweit der Kläger in seiner Teilhabe am Leben in der Gesellschaft tatsächlich beeinträchtigt ist. Dass die im Gutachten von Dr. N. wiedergegebenen Angaben des Klägers zu seinen beruflichen Aktivitäten und Freizeitaktivitäten nicht den tatsächlichen Gegebenheiten entsprechen, ist nicht ersichtlich. Dr. N. hat in seinem Gutachten Zweifel an der Glaubwürdigkeit dieser Angaben des Klägers nicht geäußert. Auch ist eine Richtigstellung durch den Kläger nicht erfolgt.
31 
Zudem befindet sich der Kläger wegen seiner seelische Störung nicht in ärztlicher Behandlung. Ob dem Berufungsvorbringen des Beklagten, seelische Störungen, die einen GdB von wenigstens 30 bedingten, bedürften einer engmaschigen fachärztlichen Betreuung, zu folgen ist, bedarf keiner Entscheidung des Senats. Denn aufgrund der fehlenden ärztlichen Behandlung kann jedenfalls - zum maßgeblichen Beurteilungszeitraum - nicht davon ausgegangen werden, dass das diagnostizierte seelische Leiden des Klägers über eine leichtere psychische Störung hinausgegangen ist und bereits eine stärker behindernde Störung im Sinne der GdB-Bewertungsgrundsätze darstellte. Ein entsprechender Leidensdruck des Klägers, der bei einer stärker behindernden psychischen Störung zu erwarten ist, findet sich nach den Ausführungen von Dr. N. in dessen Gutachten vom 30.09.2008 nicht. Der Kläger hatte bei der Untersuchung vielmehr angegeben, dass er seine Probleme nicht gerne nach außen trage, weil er seine Familie damit auch nicht belasten wolle. Insofern versuche er die Dinge mit sich selbst auszutragen und habe deshalb auch keine Behandlung in Anspruch genommen. Dies verdeutlicht, dass der Kläger seine Probleme als nicht so gravierend beurteilt, dass er sie nicht selbst bewältigen kann. Seine Erkrankung unter der Diagnose des Tumors sieht er nach eigenen Angaben rückschauend zwar als schweren Einschnitt in seinem Leben, der aber seinem Leben auch eine von ihm als positiv empfundene Wendung gegeben hatte. Mit der durch die Erkrankung angestoßenen beruflichen Veränderung zur Selbstständigkeit hatte er sich nach seiner Einschätzung beruflich komplett selbst verwirklicht und auch eine neue Lebenseinstellung gewonnen, da er die Erkenntnis erlangt habe, sich etwas gönnen zu müssen. Er sei spontaner und einsatzfreudiger geworden. Das nicht näher substantiierte Vorbringen des Klägers, fachärztliche Betreuung sei in seinem Fall nicht geeignet, eine Minderung der Beeinträchtigungen zu erreichen, belegt daher nicht eine gebotene Behandlungsbedürftigkeit und schon gar nicht eine tatsächlich fehlende Behandlungsoption.
32 
Die durch die Operation hervorgerufene Bauchnarbe des Klägers rechtfertigt nach den AHP keinen GdB, der bei der Bildung des Gesamt-GdB zu berücksichtigen ist. Dass die Bauchnarbe beim Kläger Funktionsbeeinträchtigungen hervorruft, ist nicht ersichtlich und wird von ihm auch nicht geltend gemacht.
33 
Zu Gunsten des Klägers ist eine wesentliche Änderung hinsichtlich der BG-anerkannten Unfallfolgen am rechten Handgelenk zu berücksichtigen, nach dem die Süddeutsche Metall-Berufsgenossenschaft mit Bescheid vom 27.08.2004 die Minderung der Erwerbsfähigkeit auf 20 v.H. festgestellt hat (vgl. § 69 Abs. 2 Satz 1 SGB IX). Dieser Feststellung hat der Beklagte durch sein Vergleichsangebot wie auch seinen Berufungsantrag Rechnung getragen. Einwendungen hiergegen hat der Kläger im Berufungsverfahren auch nicht erhoben.
34 
Hinsichtlich der Funktionsbehinderung des rechten oberen Sprunggelenks und Gebrauchseinschränkung des linken Fußes des Klägers ist eine rechtlich wesentliche Änderung (Verschlimmerung) nicht ersichtlich. Dr. N. hat beim Kläger den Teil-GdB wegen der Läsion des linken Plexus lumbosacralis sowie der Kahnbeinfraktur und der Sprunggelenksverletzung jeweils mit 20 bewertet. Eine solche Änderung wird vom Kläger auch nicht substantiiert vorgetragen.
35 
Sonstige Funktionsbeeinträchtigungen, die bei der Neufeststellung des Gesamt-GdB zu berücksichtigen sind, bestehen beim Kläger nicht.
36 
Ausgehend von den beim Kläger bei der Bildung des Gesamt-GdB zu berücksichtigenden Teil-GdB-Werten (Verlust des linken Hodens und seelische Störung, BG-anerkannten Unfallfolgen am rechten Handgelenk, Läsion des linken Plexus sowie Kahnbeinfraktur und Sprunggelenksverletzung jeweils mit einem Teil-GdB von 20), ist nach der Rechtsprechung des Senats die Feststellung der vom Kläger angestrebten Schwerbehinderteneigenschaft (GdB 50) nicht gerechtfertigt. Die schwerwiegendste Funktionsstörung ist hier eines der vier mit einem GdB von 20 bewerteten Leiden. Ein höherer GdB als 20 bedingt keine davon. Wenn mit einem GdB 20 bewertete Behinderungen nach den AHP es vielfach nicht rechtfertigen, den Gesamt-GdB zu erhöhen, ist es grundsätzlich nicht geboten, aus einer Häufung solcher Behinderungen die Schwerbehinderteneigenschaft zu folgern. Ein GdB von 50 kann daher nach der ständigen Rechtsprechung des Senats ohne zumindest eine mit einem GdB von 30 bewertete einzelne Funktionsstörung in der Regel nicht angenommen werden (vgl. Urt. des Senats vom 21.05.2010 - L 8 SB 2171/08 -).
37 
Anlass zu weiteren Ermittlungen besteht nicht. Der Sachverhalt ist durch die Ermittlungen des SG und die zu den Akten gelangten medizinischen Unterlagen geklärt.
38 
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
39 
Die Voraussetzungen für die Zulassung der Revision liegen nicht vor.

Die in § 1 genannten Grundsätze und Kriterien sind in der Anlage zu dieser Verordnung*als deren Bestandteil festgelegt.

(1) Auf Antrag des Versicherten, des behinderten Menschen, des Versorgungsberechtigten oder Hinterbliebenen muß ein bestimmter Arzt gutachtlich gehört werden. Die Anhörung kann davon abhängig gemacht werden, daß der Antragsteller die Kosten vorschießt und vorbehaltlich einer anderen Entscheidung des Gerichts endgültig trägt.

(2) Das Gericht kann einen Antrag ablehnen, wenn durch die Zulassung die Erledigung des Rechtsstreits verzögert werden würde und der Antrag nach der freien Überzeugung des Gerichts in der Absicht, das Verfahren zu verschleppen, oder aus grober Nachlässigkeit nicht früher vorgebracht worden ist.

Tenor

Die Berufung der Klägerin gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Freiburg vom 11. Oktober 2012 wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten im Berufungsverfahren sind nicht zu erstatten.

Tatbestand

 
Zwischen den Beteiligten ist Höhe und Eintritt des Grades der Behinderung (GdB) - mindestens 50 seit 16.11.2000 und mindestens 60 seit 01.01.2006 - streitig.
Die 1949 geborene Klägerin, die als Lehrerin im eigenen Ballettstudio arbeitet, beantragte am 31.08.2009 die Feststellung des GdB. Sie legte dabei eine Vielzahl von Arztbriefen vor.
So sind nach den Arztbriefen des Radiologen Dr. W. vom 25.05.1987, des Dr. Sch., Oberarzt an der R.-K. Bad K., vom 24.09.1987, des Prof. Dr. K., Ärztlicher Direktor an der Universitätsklinikum der A.-L.-Universität F., vom 10.03.1988, des Orthopäden Dr. R. vom 23.10.2006 und 22.07.2009 sowie des Radiologen Dr. F. vom 09.01.2009 Wirbelsäulenbeschwerden der Klägerin dokumentiert. Ferner beschrieben die Nervenärztin Dr. S. unter dem 31.08.1992 eine linksseitige Migräne und der Radiologe Dr. W. unter dem 10.09.1992 Zeichen einer Mastoiditis links sowie eine Sinusitis maxillaris. Ferner diagnostizierte Dr. G.-B., Oberärztin am Herz-Zentrum Bad K., in ihrem Arztbrief vom 18.06.1999 eine labile arterielle Hypertonie und wies der Kardiologe und Angiologe Dr. T. in seinem Befundbericht vom 08.02.2001 zusätzlich auf eine deutliche konzentrische Linksherzhypertrophie Mitralklappeninsuffizienz Grad I hin.
Seit Januar 2006 ist eine Hüftproblematik der Klägerin dokumentiert. So beschrieben der Radiologe Dr. P. unter dem 09.02.2006, die Orthopädin Dr. Sch. unter dem 06.06.2006 und Dr. R. unter dem 23.10.2006 eine Coxarthrose beidseits. Nach dem Operationsbericht des Orthopäden Dr. R. erfolgte am 24.11.2006 eine Implantation einer Totalendoprothese der rechten Hüfte. Im weiteren Verlauf stellte sich die Klägerin nach den Arztbriefen des Orthopäden und Rheumatologen Dr. B. vom 22.03.2007 und 22.04.2007, der Nuklearmedizinerin Dr. J. vom 29.03.2007, des Radiologen Dr. K. vom 16.04.2007, des Internisten Dr. W. vom 18.04.2007, des Neurologen und Psychiaters Dr. B. vom 25.11.2008 sowie des Dr. R., Chefarzt der Orthopädischen Chirurgie des L.-K. F., vom 14.01.2009 im Wesentlichen wegen Belastungsschmerzen, eines diffus entzündlichen Reizzustandes, einer Atrophie und Bursitis Beschwerden in der rechten Hüfte bei leichtgradiger Coxarthrose links vor. Außerdem beschrieb die Nuklearmedizinerin Dr. J. in ihren Arztbriefen vom 29.08.2006 und 15.04.2009 eine grenzgradig latente Hyperthyreose ohne Nachweis eines Nebenschilddrüsenadenom-Rezidivs und berichtete Dr. T., Assistenzärztin an der Chirurgischen K. des K.ums Lahr, in ihrem Arztbrief vom 27.10.2006 über eine Adenomexstirpation linkes oberes Epithelkörperchen.
Dr. M. berücksichtigte in der versorgungsärztlichen Stellungnahme vom 17.09.2009 als Behinderungen eine Hüftgelenksendoprothese rechts und eine Funktionsbehinderung des linken Hüftgelenks mit einem Einzel-GdB von 30, degenerative Veränderungen der Wirbelsäule und eine Wirbelsäulenverformung mit einem Einzel-GdB von 20, einen Bluthochdruck mit einem Einzel-GdB von 20 sowie eine Migräne mit einem Einzel-GdB von 10 und bewertete den Gesamt-GdB mit 50. Mit Bescheid vom 30.09.2009 stellte der Beklagte den GdB mit 30 vom 01.01.2001 bis zum 31.12.2005 und mit 50 seit 01.01.2006 fest. Er führte zur Begründung aus, die Auswirkung der Funktionsbeeinträchtigungen sei mit dem festgestellten GdB angemessen bewertet.
Hiergegen legte die Klägerin am 30.10.2009 Widerspruch ein, ohne diesen zu begründen. Mit Widerspruchsbescheid vom 28.04.2010 wies der Beklagte den Widerspruch zurück. Die Überprüfung habe ergeben, dass der angefochtene Bescheid keinen Anlass zu Beanstandungen gebe.
Hiergegen hat die Klägerin am 04.05.2010 Klage beim Sozialgericht Freiburg erhoben. Sie hat beantragt, den GdB mit 50 seit 16.11.2000 und mit 60 seit 01.01.2006 festzustellen. Es hätten bereits im November 2000 eine Betroffenheit in drei Wirbelsäulenabschnitten, ein schwer einstellbarer Blutdruck, eine mit Schielkomponente verbundene Migräne, eine Coxarthrose und Augenmuskelbeschwerden bestanden. Seit dem Jahr 2006 hätten sich die Erkrankungskomponenten verschlechtert.
Das Sozialgericht hat zunächst Dr. R. und Dr. W. schriftlich als sachverständige Zeugen gehört. Dr. R. hat unter dem 05.04.2011 die von ihm seit Februar 2009 gestellten Diagnosen dargelegt und den Zustand nach Totalendoprothese rechts mit deutlicher Muskelatrophie mit einem Einzel-GdB von 30 sowie die Skoliose der Wirbelsäule mit Bewegungseinschränkung und rezidivierenden segmentalen Funktionsstörungen mit einem Einzel-GdB von 20 bewertet. Dr. W. hat unter dem 07.04.2011 über die seit 2006 gestellten Diagnosen berichtet und die Coxarthrose beidseits mit Totalendoprothese rechts mit chronischer postoperativer Beschwerdesymptomatik mit einem Einzel-GdB von 40, die degenerative Veränderung der Wirbelsäule mit chronischen Beschwerden vor allem im Brust- und Lendenwirbelsäulenbereich mit einem Einzel-GdB von 30 bis 40, eine chronisch obstruktive Bronchitis mit allergischer Komponente mit einem Einzel-GdB von 20, die Schilddrüsenunterfunktion mit einem Einzel-GdB von 10, den Hypertonus mit einem Einzel-GdB von 20 sowie eine depressive Episode bei Persistenz mit einem Einzel-GdB von 20 bewertet und dabei unter anderem die Arztbriefe des Dr. F. vom 30.10.2008, worin der Verdacht auf eine Lockerung im Intertrochantär-Bereich geäußert worden ist, des Dr. R. vom 26.11.2008, in dem persistierende belastungsabhängige Schmerzen im Bereich der rechten Leiste beschrieben worden sind, und der Dr. J. vom 08.04.2010 mit Hinweis auf eine normalgroße, rechtsdiskret kleinknotig umgewandelte Schilddrüse mit wieder leichter Volumenreduktion, vorgelegt.
Sodann hat das Sozialgericht von Amts wegen das Gutachten des Orthopäden Dr. Dr. Sch. vom 30.05.2011 eingeholt. Dem Sachverständigen hat die Klägerin berichtet, bis März 2011 Thermalbadbehandlungen durchgeführt sowie Fitnesstraining in einem Gerätepark gemacht zu haben. Wegen ihrer Wirbelsäulenprobleme habe sie gelegentlich Schlafprobleme. Die Übungen könne sie als Ballettlehrerin praktisch nicht mehr selbst demonstrieren. Nach 30 Minuten Spazierengehen habe sie Wirbelsäulen- und Hüftschmerzen. Ihr Gangbild sei bei freier Funktion des endoprothetisch versorgten rechten Hüftgelenks unauffällig gewesen. Trotz berichteten linksseitigen Innenrotationsschmerzes gelte das auch für das andere Hüftgelenk. Der neurologische Status sei unauffällig gewesen. Die Bemuskelung der Beine und die Fußsohlenbeschwielung sei seitengleich, so dass die Einschränkung der freien Wegstrecke nicht nachvollziehbar sei. Der Sachverständige hat den GdB für das Wirbelsäulensyndrom mit geringgradigen funktionellen Auswirkungen mit Veränderungen in drei Abschnitten mit einem Einzel-GdB von 20 sowie das Hüftleiden mit Endoprothese rechts und Coxarthrose links mit einem Einzel-GdB von 30 bewertet.
10 
Mit Gerichtsbescheid vom 11.10.2012 hat das Sozialgericht die Klage nach vorangegangener Anhörung abgewiesen. Es hat zur Begründung ausgeführt, bei der Klägerin bestünden seit Mai 1995 Wirbelsäulenschäden mit einem Einzel-GdB von 20, seit Januar 2001 eine deutliche konzentrische Linksherzhypertrophie mit einem Einzel-GdB von 20, seit Januar 2006 Hüftbeschwerden mit einer Hüftgelenksendoprothese rechts und einer Funktionsbeeinträchtigung der linken Hüfte mit einem Einzel-GdB von 30 und zusätzlich eine Migräne mit einem Einzel-GdB von 10. Es hat sich dabei auf die versorgungsärztliche Stellungnahme von Dr. M. vom 17.09.2009 und das Gutachten des Dr. Dr. Sch. vom 30.05.2011 gestützt. Es hat ferner ausgeführt, die von Dr. W. angegebene depressive Episode rechtfertige keinen Einzel-GdB, da hierzu keine Befunde angegeben worden seien und sich die Klägerin insoweit auch nicht in fachärztliche Behandlung begeben habe. Unter Zugrundelegung dieser Einzel-GdB-Werte betrage der Gesamt-GdB 30 vom 01.01.2001 bis zum 31.12.2005 und 50 seit 01.01.2006.
11 
Die Klägerin hat gegen den ihren Prozessbevollmächtigten am 13.10.2012 zugestellten Gerichtsbescheid am 12.11.2012 Berufung eingelegt. Sie hat ausgeführt, sie leide an einer chronifizierten obstruktiven Bronchitis mit allergischer Komponente, einer beidseitigen Coxarthrose und einer persistierend chronifizierten Depression. All dies habe aber schon vor dem Jahr 2001 vorgelegen.
12 
Die Klägerin beantragt,
13 
den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Freiburg vom 11. Oktober 2012 aufzuheben, den Bescheid des Beklagten vom 30. September 2009 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 28. April 2010 abzuändern und den Beklagten zu verurteilen, den Grad der Behinderung mit mindestens 50 seit 16. November 2000 und mit mindestens 60 seit 1. Januar 2006 festzustellen,
hilfsweise den Rechtsstreit wegen weiterer Sachverhaltsermittlung nach § 159 Sozialgerichtsgesetz an das Sozialgericht Freiburg zurückzuverweisen,
hilfsweise über die chronifizierte obstruktive Bronchitis mit allergischer Komponente ein internistisch-lungenfachärztliches Gutachten von Amts wegen einzuholen,
hilfsweise über die Operations-Indikation der linken Hüfte ein orthopädisches Gutachten von Amts wegen einzuholen,
hilfsweise ein Gutachten bei Prof. Dr. St., P.-T.-Straße 13, ... W. nach § 109 Sozialgerichtsgesetz einzuholen.
14 
Der Beklagte beantragt,
15 
die Berufung zurückzuweisen.
16 
Er hat darauf hingewiesen, dass die jetzt geltend gemachten Leiden wie chronische Bronchitis und Depression im Antrag der Klägerin überhaupt nicht angegeben worden seien, was schwerwiegende Beeinträchtigungen nicht annehmen lasse. Ferner seien im Verwaltungsverfahren auch keinerlei diesbezüglichen Befunde vorgelegt worden. Erstmals habe Dr. W. in seiner im Klageverfahren abgegebenen sachverständigen Zeugenauskunft unter anderem eine chronische obstruktive Bronchitis mit allergischer Komponente bei Pollenallergie sowie eine depressive Episode seit Juli 2009 angegeben. Im Rahmen der Begutachtung durch Dr. Dr. Sch. habe die Klägerin weder über eine Bronchitis noch eine Depression berichtet. Im Übrigen trage die Klägerin die Beweislast, was umso mehr gelte, als erstmals im Jahr 2009 eine fast 10 Jahre rückwirkende Feststellung geltend gemacht worden sei, bei der sich die Sachaufklärung naturgemäß etwas schwieriger gestalte als bei einer zeitnahen Antragstellung. Hätten tatsächlich bereits im Jahr 2000 erhebliche Beschwerden vorgelegen, so hätte eine frühere Antragstellung nahegelegen.
17 
Der für den 27.02.2013 anberaumte Erörterungstermin ist aufgehoben worden, nachdem der klägerische Bevollmächtigte ausgeführt hat, es müssten schon „ganz gewichtige Gründe für eine solcher Terminierung vorliegen für eine Anreise aus dem südbadischen Raum“.
18 
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf den Akteninhalt verwiesen.

Entscheidungsgründe

 
19 
Die gemäß §§ 143 und 144 Sozialgerichtsgesetz (SGG) statthafte und nach § 151 SGG zulässige Berufung ist unbegründet.
20 
Das Sozialgericht hat mit zutreffender Begründung dargelegt, dass der GdB der Klägerin seit dem 16.11.2000 nicht mit mehr als 30 und seit dem 01.01.2006 nicht mit mehr als 50 festzustellen ist.
21 
Maßgebliche Rechtsgrundlagen für die Beurteilung des GdB sind die Vorschriften des Neunten Buches Sozialgesetzbuch (SGB IX). Auf Antrag des behinderten Menschen stellen die für die Durchführung des Bundesversorgungsgesetzes (BVG) zuständigen Behörden das Vorliegen einer Behinderung und den GdB fest (§ 69 Abs. 1 Satz 1 SGB IX). Menschen sind behindert, wenn ihre körperliche Funktion, geistige Fähigkeit oder seelische Gesundheit mit hoher Wahrscheinlichkeit länger als sechs Monate von dem für das Lebensalter typischen Zustand abweichen und daher ihre Teilhabe am Leben in der Gesellschaft beeinträchtigt ist (§ 2 Abs. 1 SGB IX). Die Auswirkungen der Behinderung auf die Teilhabe am Leben in der Gesellschaft werden als GdB nach Zehnergraden abgestuft festgestellt, wobei eine Feststellung nur dann zu treffen ist, wenn ein GdB von wenigstens 20 vorliegt (§ 69 Abs. 1 Sätze 3 und 6 SGB IX). Liegen mehrere Beeinträchtigungen der Teilhabe am Leben in der Gesellschaft vor, so wird der GdB nach den Auswirkungen der Beeinträchtigungen in ihrer Gesamtheit unter Berücksichtigung ihrer wechselseitigen Beziehungen festgestellt (§ 69 Abs. 3 Satz 1 SGB IX). Die Feststellung des GdB ist eine rechtliche Wertung von Tatsachen, die mit Hilfe von medizinischen Sachverständigen festzustellen sind. Dabei sind bis zum 31.12.2008 die im Interesse einer gleichmäßigen Rechtsanwendung als antizipierte Sachverständigengutachten angewandten „Anhaltspunkte für die ärztliche Gutachtertätigkeit im sozialen Entschädigungsrecht und nach dem Schwerbehindertenrecht (Teil 2 SGB IX)“ (AHP) und ist seit 01.01.2009 die an ihre Stelle getretene Anlage „Versorgungsmedizinische Grundsätze“ (VG) zu § 2 der Verordnung zur Durchführung des § 1 Abs. 1 und 3, § 30 Abs. 1 und § 35 Abs. 1 BVG vom 10.12.2008 - BGBl. I. S. 2412 (Versorgungsmedizin-Verordnung; VersMedV) anzuwenden. Da sich in Bezug auf die vorliegend zu beurteilende Problematik die VG gegenüber den AHP nicht wesentlich geändert haben, stellt der Senat im Folgenden allein auf die VG ab.
22 
Soweit die Klägerin die rückwirkende Feststellung der Schwerbehinderteneigenschaft seit 16.11.2000 begehrt, B.eht das dafür erforderliche besondere Interesse (vergleiche dazu Urteil des Senats vom 21.02.2012 - L 6 SB 4007/12 - mit weiteren Nachweisen). Denn nach § 236a Abs. 4 Sechstes Buch Sozialgesetzbuch (SGB VI) haben Versicherte, die - wie die Klägerin - vor dem 17.11.1950 geboren sind, Anspruch auf eine Altersrente für schwerbehinderte Menschen, wenn sie unter anderem am 16.11.2000 schwerbehindert waren.
23 
Unter Berücksichtigung der oben dargestellten Grundsätze beträgt der GdB seit 16.11.2000 nicht mehr als 30 und seit 01.01.2006 nicht mehr als 50.
24 
Für die Zeit vom 16.11.2000 bis zum 31.12.2005 waren die Behinderungen in den Funktionssystemen Rumpf, Herz-Kreislauf und Gehirn einschließlich Psyche zu berücksichtigen.
25 
Im Funktionssystem Rumpf beträgt jedenfalls seit 16.11.2000 der Einzel-GdB nicht mehr als 20. Nach den VG Teil B Nr. 18.9 beträgt bei Wirbelsäulenschäden mit mittelgradigen funktionellen Auswirkungen in einem Wirbelsäulenabschnitt (Verformung, häufig rezidivierende oder anhaltende Bewegungseinschränkung oder Instabilität mittleren Grades, häufig rezidivierende und über Tage andauernde Wirbelsäulensyndrome) der GdB 20, mit schweren funktionellen Auswirkungen in einem Wirbelsäulenabschnitt (Verformung, häufig rezidivierende oder anhaltende Bewegungseinschränkung oder Instabilität schweren Grades, häufig rezidivierende und Wochen andauernde ausgeprägte Wirbelsäulensyndrome) der GdB 30 und mit mittelgradigen bis schweren funktionellen Auswirkungen in zwei Wirbelsäulenabschnitten der GdB 30 bis 40. Bei der Klägerin liegen weder mittelgradige noch schwere Auswirkungen in einem oder gar zwei Wirbelsäulenabschnitt/en vor. Der Senat stützt sich dabei auf die überzeugenden Ausführungen des Dr. Dr. Sch. in seinem Gutachten vom 30.05.2011, wonach bei der Klägerin in allen Wirbelsäulenabschnitten nur geringgradige Bewegungseinschränkungen bei neurologisch unauffälligem Status vorliegen. Diese Darlegungen korrespondieren mit den in seinem Gutachten dargestellten Befunden und sind daher in sich schlüssig und nachvollziehbar. Mithin beträgt der für den Wirbelsäulenschaden festzulegende Einzel-GdB jedenfalls nicht mehr als 20. Der Senat hat keinerlei Anhaltspunkte dafür, dass die so bewertete Wirbelsäulensymptomatik in der Zeit vor der Begutachtung ausgeprägter gewesen ist. Den von der Klägerin umfangreich vorgelegten ärztlichen Unterlagen, insbesondere der sachverständigen Zeugenaussage des Dr. R., lassen sich keine Funktionsbeeinträchtigungen entnehmen, die eine höhere Bewertung des GdB für die bis zum 16.11.2000 zurückreichende Zeit rechtfertigen könnten. Für die Richtigkeit der gutachterlichen Einschätzung spricht auch, dass die Klägerin in der Vergangenheit ihren Beruf als Ballettlehrerin, der ihren eigenen Angaben zufolge mit der Demonstration der Übungen verbunden ist, erst zum Untersuchungszeitpunkt im Mai 2011 als eingeschränkt bezeichnet hat. Dies dokumentiert eindrucksvoll eine erhaltene Beweglichkeit der Wirbelsäule, die der Sachverständige zutreffend auf die Trainierung des Rumpfes, die der Klägerin in der Vergangenheit aber möglich war, zurückgeführt hat.
26 
Im Funktionssystem Herz-Kreislauf beträgt jedenfalls seit 16.11.2000 der Einzel-GdB nicht mehr als 20. Die Klägerin leidet nach den Arztbriefen der Dr. G.-B. vom 18.06.1999 und des Dr. T. vom 08.02.2001 an einer deutlichen konzentrischen Linksherzhypertrophie und Belastungshypertonie. Aus den vorgelegten ärztlichen Unterlagen ergibt sich weder eine nach den VG Teil B Nr. 9.1.1 einen GdB von mehr als 10 bedingende Leistungsbeeinträchtigung der Herzleistung bei mittelschwerer Belastung noch eine nach den VG Teil B Nr. 9.3 einen GdB von mehr als 10 bedingende Hypertonie in mittelschwerer Form mit Organbeteiligung.
27 
Im Funktionssystem Gehirn einschließlich Psyche beträgt jedenfalls seit 16.11.2000 der Einzel-GdB nicht mehr als 10. Nach den VG Teil B Nr. 2.3 beträgt bei einer echten Migräne je nach Häufigkeit und Dauer der Anfälle und Ausprägung der Begleiterscheinungen der GdB 0 bis 10 bei leichter Verlaufsform (Anfälle durchschnittlich einmal monatlich) und der GdB 20 bis 40 bei mittelgradiger Verlaufsform (häufigere Anfälle, jeweils einen oder mehrere Tage anhaltend). Dass es sich bei der im Arztbrief der Dr. S. vom 31.08.1992 dokumentierten linksseitigen Migräne der Klägerin um eine leichte Verlaufsform handelt, ergibt sich aus den darin enthaltenen Angaben, wonach die nicht mit Erbrechen oder Sehstörungen verbundenen nicht ganz typischen Migräneattacken bei der Klägerin selten, anfänglich zweimal monatlich und sodann einmal wöchentlich aufgetreten sind. Es handelt sich dabei zwar um häufigere Anfälle. Deren Begleiterscheinungen sind aber eher gering ausgeprägt. Im Übrigen hat die Klägerin in ihrem am 31.08.2009 gestellten Formularantrag eine Migräne nicht angegeben, was ebenfalls für einen relativ geringen Ausprägungsgrad dieser Erkrankung spricht. Eine höhere Bewertung dieses Einzel-GdB ergibt sich nicht aus der von Dr. W. in seiner sachverständigen Zeugenauskunft vom 07.04.2011 angegebenen depressiven Episode. Er hat weder sich hieraus ergebende Funktionseinschränkungen beschrieben noch Angaben zu deren Dauerhaftigkeit gemacht. Auch fehlt es an einer für die Berücksichtigung als Behinderung aber erforderlichen regelmäßigen fachpsychiatrischen Behandlung (ständige Senatsrechtsprechung, vergleiche zuletzt Urteil vom 13.12.2012 - L 6 SB 4192/12).
28 
Im Funktionssystem Atmung liegt kein Einzel-GdB vor. Zwar hat Dr. W. in seiner sachverständigen Zeugenauskunft vom 07.04.2011 auf eine chronische obstruktive Bronchitis mit allergischer Komponente hingewiesen. Er hat aber keine Angaben über etwaige hieraus resultierende dauerhafte Funktionseinschränkungen gemacht. Auch ist eine lungenfachärztliche Behandlung der Klägerin nicht dokumentiert. Eine nach den VG Teil B Nr. 8.2 einen GdB von mehr als 10 bedingende chronische Bronchitis in schwerer Form, also mit fast kontinuierlichem Husten und Auswurf sowie häufig akuten Schüben, ist mithin nicht nachgewiesen.
29 
Die weiteren sich aus den umfangreichen ärztlichen Unterlagen ergebenden Diagnosen wie grenzwertig latente Hypothyreose, Autoimmunthyreoiditis, Zeichen einer Mastoiditis links sowie Sinusitis maxillaris stellen keine dauerhaften einen Einzel-GdB rechtfertigende Behinderungen dar.
30 
Für die Zeit seit 01.01.2006 ist zusätzlich die erstmals ab diesem Zeitpunkt dokumentierte Behinderung im Funktionssystem Beine zu berücksichtigen.
31 
Im Funktionssystem Beine beträgt seit 01.01.2006 der Einzel-GdB nicht mehr als 30. Nach den VG Teil B Nr. 18.12 beträgt bei einer Hüftgelenks-Endoprothese in Abhängigkeit von der verbliebenen Bewegungseinschränkung und Belastbarkeit der GdB mindestens 20 und seit der Dritten Verordnung zur Änderung der VersMedV vom 17.12.2010 nur noch mindestens 10. Nach den VG Teil B Nr. 18.14 beträgt bei einer Bewegungseinschränkung der Hüftgelenke geringen Grades (zum Beispiel Streckung/Beugung bis zu 0-10-90 Grad mit entsprechender Einschränkung der Dreh- und Spreizfähigkeit) einseitig der GdB 10 bis 20 sowie beidseitig der GdB 20 bis 30, mittleren Grades (zum Beispiel Streckung/Beugung bis zu 0-30-90 Grad mit entsprechender Einschränkung der Dreh- und Spreizfähigkeit) einseitig der GdB 30 und beidseitig der GdB 50. Bei der Klägerin liegt im Bereich der rechten Hüfte eine Totalendoprothese seit 24.11.2006 und im Bereich beider Hüftgelenke eine geringgradige Bewegungseinschränkung vor. Der Senat stützt sich dabei auf die von Dr. Dr. Sch. in seinem Gutachten vom 30.05.2011 erhobenen Befunde, wonach bei der Klägerin im Bereich der Hüftgelenke ein Bewegungsmaß von 0/0/120 Grad rechts und 20/0/120 Grad links gegeben ist. Mithin beträgt der Einzel-GdB jedenfalls nicht mehr als 30 für den Bereich der unteren Extremitäten. Der Senat hat keinerlei Anhaltspunkte dafür, dass das so bewertete Hüftgelenksleiden in der Zeit vor der Begutachtung ausgeprägter gewesen ist. Den von der Klägerin umfangreich vorgelegten ärztlichen Unterlagen lassen sich keine Bewegungsmaße entnehmen, die eine höhere Bewertung des GdB für die bis zum 01.01.2006 zurückreichende Zeit rechtfertigen könnte.
32 
Aus alledem ergibt sich folgende Gesamt-GdB-Bewertung: Für die Zeit seit 16.11.2000 ergibt sich unter Berücksichtigung der dargelegten Einzel-GdB-Werte (Einzel-GdB nicht mehr als 20 für das Funktionssystem Rumpf, Einzel-GdB nicht mehr als 20 für das Funktionssystem Herz-Kreislauf, Einzel-GdB nicht mehr als 10 für das Funktionssystem Gehirn einschließlich Psyche) ein Gesamt-GdB von nicht mehr als 30. Für die Zeit seit 01.01.2006 ergibt sich nach Hinzutreten des Einzel-GdB von nicht mehr als 30 für das Funktionssystem Beine ein Gesamt-GdB von nicht mehr als 50. Dies ergibt sich für beide Zeiträume aus der teilweisen Überschneidung der Auswirkungen der Behinderungen auf orthopädischem, internistischem und nervenheilkundlichem Fachgebiet und dem Umstand, dass nach den VG Teil A Nr. 3 d ee Einzel-GdB-Werte von 10 grundsätzlich nicht zu einer Zunahme des Ausmaßes der Gesamtbehinderung führen.
33 
Dem auf die Aufhebung des Gerichtsbescheides des Sozialgerichts vom 11.10.2012, Abänderung des Bescheides des Beklagten vom 30.09.2009 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 28.04.2010 und Verurteilung des Beklagten auf Feststellung des GdB mit mindestens 50 seit 16.11.2000 und mit mindestens 60 seit 01.01.2006 gerichteten Hauptantrag musste daher der Erfolg versagt bleiben.
34 
Auch war der Hilfsantrag, den Rechtsstreit an das Sozialgericht zurückzuverweisen, abzulehnen. Nach § 159 Abs. 1 SGG kann das Landessozialgericht die angefochtene Entscheidung aufheben und die Sache an das Sozialgericht zurückverweisen, wenn dieses die Klage abgewiesen hat, ohne in der Sache selbst zu entscheiden oder das Verfahren an einem wesentlichen Mangel leidet und auf Grund dieses Mangels eine umfangreiche und aufwändige Beweisaufnahme notwendig ist. Zum einen hat das Sozialgericht in der Sache entschieden. Zum anderen hält der Senat eine weitere Beweisaufnahme nicht für notwendig.
35 
Deswegen waren die weiteren Hilfsanträge, von Amts wegen weitere Gutachten einzuholen, abzulehnen. Der Rechtsstreit war entscheidungsreif. Es war von Amts wegen weder über die chronifizierte obstruktive Bronchitis mit allergischer Komponente ein internistisch-lungenfachärztliches Gutachten noch über die Operations-Indikation der linken Hüfte ein orthopädisches Gutachten einzuholen. Da in Bezug auf die von Dr. W. aufgeführte chronische obstruktive Bronchitis mit allergischer Komponente keine hieraus resultierenden dauerhaften Funktionseinschränkungen und auch keine lungenfachärztliche Behandlung der Klägerin dokumentiert ist, hat sich der Senat nicht veranlasst gesehen, weitere Ermittlungen anzustellen, zumal die Klägerin noch im Antragsformular am 26.08.2009 und gegenüber Dr. Dr. Sch. am 23.05.2011 keine Angaben zu einer solchen Erkrankung gemacht hat und auch im weiteren Verlauf zwar diese Diagnose genannt, aber etwaige sich hieraus ergebende Leistungseinschränkungen in ihren Schriftsätzen vom 23.08.2011, 12.11.2012 und 19.03.2013 nicht geschildert hat. Auch hat die Klägerin die ihr vom Senat gegebene Möglichkeit, sich unter anderem hierzu im Rahmen des anberaumten Erörterungstermins zu äußern, nicht wahrgenommen und vielmehr unter Hinweis auf die Länge des Anfahrtsweges eine Aufhebung dieses Termins beantragt. Auch war auf orthopädischem Fachgebiet kein weiteres Gutachten von Amts wegen einzuholen. Denn insbesondere in Bezug auf das linke Hüftgelenk liegt bereits das überzeugende Gutachten des Dr. Dr. Sch. vor. Die von der Klägerin vorgetragene Operations-Indikation lässt die von Dr. Dr. Sch. befundeten und für die GdB-Beurteilung maßgeblichen Bewegungsmaße keinesfalls als unschlüssig erscheinen.
36 
Auch der weitere Hilfsantrag, nach § 109 SGG ein Gutachten bei Prof. Dr. St., P.-T.-Straße 13, ... W. einzuholen, war abzulehnen. Nach § 109 Abs. 2 SGG kann das Gericht einen solchen Antrag ablehnen, wenn durch die Zulassung die Erledigung des Rechtsstreits verzögert werden würde und der Antrag nach der freien Überzeugung des Gerichts aus grober Nachlässigkeit nicht früher vorgebracht worden ist. Dies ist vorliegend der Fall. Die Einholung des beantragten Gutachtens hätte die Erledigung des Rechtsstreits verzögert. Musste der Antragsteller erkennen, dass das Gericht von Amts wegen nicht weiter ermittelt, liegt grobe Nachlässigkeit vor, wenn der Antrag nicht in angemessener Frist, sondern erst unmittelbar vor der mündlichen Verhandlung gestellt wird (Keller in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, 10. Auflage, § 109, Rz. 11; Hk-SGG/Roller, 3. Auflage, § 109, Rz. 13; BSG, Urteil vom 10.12.1958 - 4 RJ 143/58). So liegt der Fall hier. Der Senat hat mit seiner am 25.02.2013 erfolgten Ladung zur am 21.03.2013 stattfindenden mündlichen Verhandlung zu erkennen gegeben, dass er von Amts wegen keine weiteren Gutachten einholen werde. Der erst am 19.03.2013 eingegangene Antrag der Klägerin ist mithin verspätet. Der Senat hat keine Anhaltspunkte dafür, warum dies nicht auf grober Nachlässigkeit des Prozessbevollmächtigten der Klägerin, dessen Verhalten ihr zuzurechnen ist (Keller in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, 10. Auflage, § 109, Rz. 11; Hk-SGG/Roller, 3. Auflage, § 109, Rz. 13), beruhen sollte.
37 
Die Berufung war nach alledem zurückzuweisen.
38 
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
39 
Die Revision war nicht zuzulassen, da die Voraussetzungen des § 160 Abs. 2 SGG nicht vorliegen.

Gründe

 
19 
Die gemäß §§ 143 und 144 Sozialgerichtsgesetz (SGG) statthafte und nach § 151 SGG zulässige Berufung ist unbegründet.
20 
Das Sozialgericht hat mit zutreffender Begründung dargelegt, dass der GdB der Klägerin seit dem 16.11.2000 nicht mit mehr als 30 und seit dem 01.01.2006 nicht mit mehr als 50 festzustellen ist.
21 
Maßgebliche Rechtsgrundlagen für die Beurteilung des GdB sind die Vorschriften des Neunten Buches Sozialgesetzbuch (SGB IX). Auf Antrag des behinderten Menschen stellen die für die Durchführung des Bundesversorgungsgesetzes (BVG) zuständigen Behörden das Vorliegen einer Behinderung und den GdB fest (§ 69 Abs. 1 Satz 1 SGB IX). Menschen sind behindert, wenn ihre körperliche Funktion, geistige Fähigkeit oder seelische Gesundheit mit hoher Wahrscheinlichkeit länger als sechs Monate von dem für das Lebensalter typischen Zustand abweichen und daher ihre Teilhabe am Leben in der Gesellschaft beeinträchtigt ist (§ 2 Abs. 1 SGB IX). Die Auswirkungen der Behinderung auf die Teilhabe am Leben in der Gesellschaft werden als GdB nach Zehnergraden abgestuft festgestellt, wobei eine Feststellung nur dann zu treffen ist, wenn ein GdB von wenigstens 20 vorliegt (§ 69 Abs. 1 Sätze 3 und 6 SGB IX). Liegen mehrere Beeinträchtigungen der Teilhabe am Leben in der Gesellschaft vor, so wird der GdB nach den Auswirkungen der Beeinträchtigungen in ihrer Gesamtheit unter Berücksichtigung ihrer wechselseitigen Beziehungen festgestellt (§ 69 Abs. 3 Satz 1 SGB IX). Die Feststellung des GdB ist eine rechtliche Wertung von Tatsachen, die mit Hilfe von medizinischen Sachverständigen festzustellen sind. Dabei sind bis zum 31.12.2008 die im Interesse einer gleichmäßigen Rechtsanwendung als antizipierte Sachverständigengutachten angewandten „Anhaltspunkte für die ärztliche Gutachtertätigkeit im sozialen Entschädigungsrecht und nach dem Schwerbehindertenrecht (Teil 2 SGB IX)“ (AHP) und ist seit 01.01.2009 die an ihre Stelle getretene Anlage „Versorgungsmedizinische Grundsätze“ (VG) zu § 2 der Verordnung zur Durchführung des § 1 Abs. 1 und 3, § 30 Abs. 1 und § 35 Abs. 1 BVG vom 10.12.2008 - BGBl. I. S. 2412 (Versorgungsmedizin-Verordnung; VersMedV) anzuwenden. Da sich in Bezug auf die vorliegend zu beurteilende Problematik die VG gegenüber den AHP nicht wesentlich geändert haben, stellt der Senat im Folgenden allein auf die VG ab.
22 
Soweit die Klägerin die rückwirkende Feststellung der Schwerbehinderteneigenschaft seit 16.11.2000 begehrt, B.eht das dafür erforderliche besondere Interesse (vergleiche dazu Urteil des Senats vom 21.02.2012 - L 6 SB 4007/12 - mit weiteren Nachweisen). Denn nach § 236a Abs. 4 Sechstes Buch Sozialgesetzbuch (SGB VI) haben Versicherte, die - wie die Klägerin - vor dem 17.11.1950 geboren sind, Anspruch auf eine Altersrente für schwerbehinderte Menschen, wenn sie unter anderem am 16.11.2000 schwerbehindert waren.
23 
Unter Berücksichtigung der oben dargestellten Grundsätze beträgt der GdB seit 16.11.2000 nicht mehr als 30 und seit 01.01.2006 nicht mehr als 50.
24 
Für die Zeit vom 16.11.2000 bis zum 31.12.2005 waren die Behinderungen in den Funktionssystemen Rumpf, Herz-Kreislauf und Gehirn einschließlich Psyche zu berücksichtigen.
25 
Im Funktionssystem Rumpf beträgt jedenfalls seit 16.11.2000 der Einzel-GdB nicht mehr als 20. Nach den VG Teil B Nr. 18.9 beträgt bei Wirbelsäulenschäden mit mittelgradigen funktionellen Auswirkungen in einem Wirbelsäulenabschnitt (Verformung, häufig rezidivierende oder anhaltende Bewegungseinschränkung oder Instabilität mittleren Grades, häufig rezidivierende und über Tage andauernde Wirbelsäulensyndrome) der GdB 20, mit schweren funktionellen Auswirkungen in einem Wirbelsäulenabschnitt (Verformung, häufig rezidivierende oder anhaltende Bewegungseinschränkung oder Instabilität schweren Grades, häufig rezidivierende und Wochen andauernde ausgeprägte Wirbelsäulensyndrome) der GdB 30 und mit mittelgradigen bis schweren funktionellen Auswirkungen in zwei Wirbelsäulenabschnitten der GdB 30 bis 40. Bei der Klägerin liegen weder mittelgradige noch schwere Auswirkungen in einem oder gar zwei Wirbelsäulenabschnitt/en vor. Der Senat stützt sich dabei auf die überzeugenden Ausführungen des Dr. Dr. Sch. in seinem Gutachten vom 30.05.2011, wonach bei der Klägerin in allen Wirbelsäulenabschnitten nur geringgradige Bewegungseinschränkungen bei neurologisch unauffälligem Status vorliegen. Diese Darlegungen korrespondieren mit den in seinem Gutachten dargestellten Befunden und sind daher in sich schlüssig und nachvollziehbar. Mithin beträgt der für den Wirbelsäulenschaden festzulegende Einzel-GdB jedenfalls nicht mehr als 20. Der Senat hat keinerlei Anhaltspunkte dafür, dass die so bewertete Wirbelsäulensymptomatik in der Zeit vor der Begutachtung ausgeprägter gewesen ist. Den von der Klägerin umfangreich vorgelegten ärztlichen Unterlagen, insbesondere der sachverständigen Zeugenaussage des Dr. R., lassen sich keine Funktionsbeeinträchtigungen entnehmen, die eine höhere Bewertung des GdB für die bis zum 16.11.2000 zurückreichende Zeit rechtfertigen könnten. Für die Richtigkeit der gutachterlichen Einschätzung spricht auch, dass die Klägerin in der Vergangenheit ihren Beruf als Ballettlehrerin, der ihren eigenen Angaben zufolge mit der Demonstration der Übungen verbunden ist, erst zum Untersuchungszeitpunkt im Mai 2011 als eingeschränkt bezeichnet hat. Dies dokumentiert eindrucksvoll eine erhaltene Beweglichkeit der Wirbelsäule, die der Sachverständige zutreffend auf die Trainierung des Rumpfes, die der Klägerin in der Vergangenheit aber möglich war, zurückgeführt hat.
26 
Im Funktionssystem Herz-Kreislauf beträgt jedenfalls seit 16.11.2000 der Einzel-GdB nicht mehr als 20. Die Klägerin leidet nach den Arztbriefen der Dr. G.-B. vom 18.06.1999 und des Dr. T. vom 08.02.2001 an einer deutlichen konzentrischen Linksherzhypertrophie und Belastungshypertonie. Aus den vorgelegten ärztlichen Unterlagen ergibt sich weder eine nach den VG Teil B Nr. 9.1.1 einen GdB von mehr als 10 bedingende Leistungsbeeinträchtigung der Herzleistung bei mittelschwerer Belastung noch eine nach den VG Teil B Nr. 9.3 einen GdB von mehr als 10 bedingende Hypertonie in mittelschwerer Form mit Organbeteiligung.
27 
Im Funktionssystem Gehirn einschließlich Psyche beträgt jedenfalls seit 16.11.2000 der Einzel-GdB nicht mehr als 10. Nach den VG Teil B Nr. 2.3 beträgt bei einer echten Migräne je nach Häufigkeit und Dauer der Anfälle und Ausprägung der Begleiterscheinungen der GdB 0 bis 10 bei leichter Verlaufsform (Anfälle durchschnittlich einmal monatlich) und der GdB 20 bis 40 bei mittelgradiger Verlaufsform (häufigere Anfälle, jeweils einen oder mehrere Tage anhaltend). Dass es sich bei der im Arztbrief der Dr. S. vom 31.08.1992 dokumentierten linksseitigen Migräne der Klägerin um eine leichte Verlaufsform handelt, ergibt sich aus den darin enthaltenen Angaben, wonach die nicht mit Erbrechen oder Sehstörungen verbundenen nicht ganz typischen Migräneattacken bei der Klägerin selten, anfänglich zweimal monatlich und sodann einmal wöchentlich aufgetreten sind. Es handelt sich dabei zwar um häufigere Anfälle. Deren Begleiterscheinungen sind aber eher gering ausgeprägt. Im Übrigen hat die Klägerin in ihrem am 31.08.2009 gestellten Formularantrag eine Migräne nicht angegeben, was ebenfalls für einen relativ geringen Ausprägungsgrad dieser Erkrankung spricht. Eine höhere Bewertung dieses Einzel-GdB ergibt sich nicht aus der von Dr. W. in seiner sachverständigen Zeugenauskunft vom 07.04.2011 angegebenen depressiven Episode. Er hat weder sich hieraus ergebende Funktionseinschränkungen beschrieben noch Angaben zu deren Dauerhaftigkeit gemacht. Auch fehlt es an einer für die Berücksichtigung als Behinderung aber erforderlichen regelmäßigen fachpsychiatrischen Behandlung (ständige Senatsrechtsprechung, vergleiche zuletzt Urteil vom 13.12.2012 - L 6 SB 4192/12).
28 
Im Funktionssystem Atmung liegt kein Einzel-GdB vor. Zwar hat Dr. W. in seiner sachverständigen Zeugenauskunft vom 07.04.2011 auf eine chronische obstruktive Bronchitis mit allergischer Komponente hingewiesen. Er hat aber keine Angaben über etwaige hieraus resultierende dauerhafte Funktionseinschränkungen gemacht. Auch ist eine lungenfachärztliche Behandlung der Klägerin nicht dokumentiert. Eine nach den VG Teil B Nr. 8.2 einen GdB von mehr als 10 bedingende chronische Bronchitis in schwerer Form, also mit fast kontinuierlichem Husten und Auswurf sowie häufig akuten Schüben, ist mithin nicht nachgewiesen.
29 
Die weiteren sich aus den umfangreichen ärztlichen Unterlagen ergebenden Diagnosen wie grenzwertig latente Hypothyreose, Autoimmunthyreoiditis, Zeichen einer Mastoiditis links sowie Sinusitis maxillaris stellen keine dauerhaften einen Einzel-GdB rechtfertigende Behinderungen dar.
30 
Für die Zeit seit 01.01.2006 ist zusätzlich die erstmals ab diesem Zeitpunkt dokumentierte Behinderung im Funktionssystem Beine zu berücksichtigen.
31 
Im Funktionssystem Beine beträgt seit 01.01.2006 der Einzel-GdB nicht mehr als 30. Nach den VG Teil B Nr. 18.12 beträgt bei einer Hüftgelenks-Endoprothese in Abhängigkeit von der verbliebenen Bewegungseinschränkung und Belastbarkeit der GdB mindestens 20 und seit der Dritten Verordnung zur Änderung der VersMedV vom 17.12.2010 nur noch mindestens 10. Nach den VG Teil B Nr. 18.14 beträgt bei einer Bewegungseinschränkung der Hüftgelenke geringen Grades (zum Beispiel Streckung/Beugung bis zu 0-10-90 Grad mit entsprechender Einschränkung der Dreh- und Spreizfähigkeit) einseitig der GdB 10 bis 20 sowie beidseitig der GdB 20 bis 30, mittleren Grades (zum Beispiel Streckung/Beugung bis zu 0-30-90 Grad mit entsprechender Einschränkung der Dreh- und Spreizfähigkeit) einseitig der GdB 30 und beidseitig der GdB 50. Bei der Klägerin liegt im Bereich der rechten Hüfte eine Totalendoprothese seit 24.11.2006 und im Bereich beider Hüftgelenke eine geringgradige Bewegungseinschränkung vor. Der Senat stützt sich dabei auf die von Dr. Dr. Sch. in seinem Gutachten vom 30.05.2011 erhobenen Befunde, wonach bei der Klägerin im Bereich der Hüftgelenke ein Bewegungsmaß von 0/0/120 Grad rechts und 20/0/120 Grad links gegeben ist. Mithin beträgt der Einzel-GdB jedenfalls nicht mehr als 30 für den Bereich der unteren Extremitäten. Der Senat hat keinerlei Anhaltspunkte dafür, dass das so bewertete Hüftgelenksleiden in der Zeit vor der Begutachtung ausgeprägter gewesen ist. Den von der Klägerin umfangreich vorgelegten ärztlichen Unterlagen lassen sich keine Bewegungsmaße entnehmen, die eine höhere Bewertung des GdB für die bis zum 01.01.2006 zurückreichende Zeit rechtfertigen könnte.
32 
Aus alledem ergibt sich folgende Gesamt-GdB-Bewertung: Für die Zeit seit 16.11.2000 ergibt sich unter Berücksichtigung der dargelegten Einzel-GdB-Werte (Einzel-GdB nicht mehr als 20 für das Funktionssystem Rumpf, Einzel-GdB nicht mehr als 20 für das Funktionssystem Herz-Kreislauf, Einzel-GdB nicht mehr als 10 für das Funktionssystem Gehirn einschließlich Psyche) ein Gesamt-GdB von nicht mehr als 30. Für die Zeit seit 01.01.2006 ergibt sich nach Hinzutreten des Einzel-GdB von nicht mehr als 30 für das Funktionssystem Beine ein Gesamt-GdB von nicht mehr als 50. Dies ergibt sich für beide Zeiträume aus der teilweisen Überschneidung der Auswirkungen der Behinderungen auf orthopädischem, internistischem und nervenheilkundlichem Fachgebiet und dem Umstand, dass nach den VG Teil A Nr. 3 d ee Einzel-GdB-Werte von 10 grundsätzlich nicht zu einer Zunahme des Ausmaßes der Gesamtbehinderung führen.
33 
Dem auf die Aufhebung des Gerichtsbescheides des Sozialgerichts vom 11.10.2012, Abänderung des Bescheides des Beklagten vom 30.09.2009 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 28.04.2010 und Verurteilung des Beklagten auf Feststellung des GdB mit mindestens 50 seit 16.11.2000 und mit mindestens 60 seit 01.01.2006 gerichteten Hauptantrag musste daher der Erfolg versagt bleiben.
34 
Auch war der Hilfsantrag, den Rechtsstreit an das Sozialgericht zurückzuverweisen, abzulehnen. Nach § 159 Abs. 1 SGG kann das Landessozialgericht die angefochtene Entscheidung aufheben und die Sache an das Sozialgericht zurückverweisen, wenn dieses die Klage abgewiesen hat, ohne in der Sache selbst zu entscheiden oder das Verfahren an einem wesentlichen Mangel leidet und auf Grund dieses Mangels eine umfangreiche und aufwändige Beweisaufnahme notwendig ist. Zum einen hat das Sozialgericht in der Sache entschieden. Zum anderen hält der Senat eine weitere Beweisaufnahme nicht für notwendig.
35 
Deswegen waren die weiteren Hilfsanträge, von Amts wegen weitere Gutachten einzuholen, abzulehnen. Der Rechtsstreit war entscheidungsreif. Es war von Amts wegen weder über die chronifizierte obstruktive Bronchitis mit allergischer Komponente ein internistisch-lungenfachärztliches Gutachten noch über die Operations-Indikation der linken Hüfte ein orthopädisches Gutachten einzuholen. Da in Bezug auf die von Dr. W. aufgeführte chronische obstruktive Bronchitis mit allergischer Komponente keine hieraus resultierenden dauerhaften Funktionseinschränkungen und auch keine lungenfachärztliche Behandlung der Klägerin dokumentiert ist, hat sich der Senat nicht veranlasst gesehen, weitere Ermittlungen anzustellen, zumal die Klägerin noch im Antragsformular am 26.08.2009 und gegenüber Dr. Dr. Sch. am 23.05.2011 keine Angaben zu einer solchen Erkrankung gemacht hat und auch im weiteren Verlauf zwar diese Diagnose genannt, aber etwaige sich hieraus ergebende Leistungseinschränkungen in ihren Schriftsätzen vom 23.08.2011, 12.11.2012 und 19.03.2013 nicht geschildert hat. Auch hat die Klägerin die ihr vom Senat gegebene Möglichkeit, sich unter anderem hierzu im Rahmen des anberaumten Erörterungstermins zu äußern, nicht wahrgenommen und vielmehr unter Hinweis auf die Länge des Anfahrtsweges eine Aufhebung dieses Termins beantragt. Auch war auf orthopädischem Fachgebiet kein weiteres Gutachten von Amts wegen einzuholen. Denn insbesondere in Bezug auf das linke Hüftgelenk liegt bereits das überzeugende Gutachten des Dr. Dr. Sch. vor. Die von der Klägerin vorgetragene Operations-Indikation lässt die von Dr. Dr. Sch. befundeten und für die GdB-Beurteilung maßgeblichen Bewegungsmaße keinesfalls als unschlüssig erscheinen.
36 
Auch der weitere Hilfsantrag, nach § 109 SGG ein Gutachten bei Prof. Dr. St., P.-T.-Straße 13, ... W. einzuholen, war abzulehnen. Nach § 109 Abs. 2 SGG kann das Gericht einen solchen Antrag ablehnen, wenn durch die Zulassung die Erledigung des Rechtsstreits verzögert werden würde und der Antrag nach der freien Überzeugung des Gerichts aus grober Nachlässigkeit nicht früher vorgebracht worden ist. Dies ist vorliegend der Fall. Die Einholung des beantragten Gutachtens hätte die Erledigung des Rechtsstreits verzögert. Musste der Antragsteller erkennen, dass das Gericht von Amts wegen nicht weiter ermittelt, liegt grobe Nachlässigkeit vor, wenn der Antrag nicht in angemessener Frist, sondern erst unmittelbar vor der mündlichen Verhandlung gestellt wird (Keller in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, 10. Auflage, § 109, Rz. 11; Hk-SGG/Roller, 3. Auflage, § 109, Rz. 13; BSG, Urteil vom 10.12.1958 - 4 RJ 143/58). So liegt der Fall hier. Der Senat hat mit seiner am 25.02.2013 erfolgten Ladung zur am 21.03.2013 stattfindenden mündlichen Verhandlung zu erkennen gegeben, dass er von Amts wegen keine weiteren Gutachten einholen werde. Der erst am 19.03.2013 eingegangene Antrag der Klägerin ist mithin verspätet. Der Senat hat keine Anhaltspunkte dafür, warum dies nicht auf grober Nachlässigkeit des Prozessbevollmächtigten der Klägerin, dessen Verhalten ihr zuzurechnen ist (Keller in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, 10. Auflage, § 109, Rz. 11; Hk-SGG/Roller, 3. Auflage, § 109, Rz. 13), beruhen sollte.
37 
Die Berufung war nach alledem zurückzuweisen.
38 
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
39 
Die Revision war nicht zuzulassen, da die Voraussetzungen des § 160 Abs. 2 SGG nicht vorliegen.

(1) Auf Antrag des Versicherten, des behinderten Menschen, des Versorgungsberechtigten oder Hinterbliebenen muß ein bestimmter Arzt gutachtlich gehört werden. Die Anhörung kann davon abhängig gemacht werden, daß der Antragsteller die Kosten vorschießt und vorbehaltlich einer anderen Entscheidung des Gerichts endgültig trägt.

(2) Das Gericht kann einen Antrag ablehnen, wenn durch die Zulassung die Erledigung des Rechtsstreits verzögert werden würde und der Antrag nach der freien Überzeugung des Gerichts in der Absicht, das Verfahren zu verschleppen, oder aus grober Nachlässigkeit nicht früher vorgebracht worden ist.

(1) Das Gericht hat im Urteil zu entscheiden, ob und in welchem Umfang die Beteiligten einander Kosten zu erstatten haben. Ist ein Mahnverfahren vorausgegangen (§ 182a), entscheidet das Gericht auch, welcher Beteiligte die Gerichtskosten zu tragen hat. Das Gericht entscheidet auf Antrag durch Beschluß, wenn das Verfahren anders beendet wird.

(2) Kosten sind die zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung notwendigen Aufwendungen der Beteiligten.

(3) Die gesetzliche Vergütung eines Rechtsanwalts oder Rechtsbeistands ist stets erstattungsfähig.

(4) Nicht erstattungsfähig sind die Aufwendungen der in § 184 Abs. 1 genannten Gebührenpflichtigen.

Haben Leistungsempfänger Krankengeld, Verletztengeld, Versorgungskrankengeld oder Übergangsgeld bezogen und wird im Anschluss daran eine Leistung zur medizinischen Rehabilitation oder zur Teilhabe am Arbeitsleben ausgeführt, so wird bei der Berechnung der diese Leistungen ergänzenden Leistung zum Lebensunterhalt von dem bisher zugrunde gelegten Arbeitsentgelt ausgegangen; es gilt die für den Rehabilitationsträger jeweils geltende Beitragsbemessungsgrenze.

(1) Der Grad der Schädigungsfolgen ist nach den allgemeinen Auswirkungen der Funktionsbeeinträchtigungen, die durch die als Schädigungsfolge anerkannten körperlichen, geistigen oder seelischen Gesundheitsstörungen bedingt sind, in allen Lebensbereichen zu beurteilen. Der Grad der Schädigungsfolgen ist nach Zehnergraden von 10 bis 100 zu bemessen; ein bis zu fünf Grad geringerer Grad der Schädigungsfolgen wird vom höheren Zehnergrad mit umfasst. Vorübergehende Gesundheitsstörungen sind nicht zu berücksichtigen; als vorübergehend gilt ein Zeitraum bis zu sechs Monaten. Bei beschädigten Kindern und Jugendlichen ist der Grad der Schädigungsfolgen nach dem Grad zu bemessen, der sich bei Erwachsenen mit gleicher Gesundheitsstörung ergibt, soweit damit keine Schlechterstellung der Kinder und Jugendlichen verbunden ist. Für erhebliche äußere Gesundheitsschäden können Mindestgrade festgesetzt werden.

(2) Der Grad der Schädigungsfolgen ist höher zu bewerten, wenn Beschädigte durch die Art der Schädigungsfolgen im vor der Schädigung ausgeübten oder begonnenen Beruf, im nachweisbar angestrebten oder in dem Beruf besonders betroffen sind, der nach Eintritt der Schädigung ausgeübt wurde oder noch ausgeübt wird. Das ist insbesondere der Fall, wenn

1.
auf Grund der Schädigung weder der bisher ausgeübte, begonnene oder nachweisbar angestrebte noch ein sozial gleichwertiger Beruf ausgeübt werden kann,
2.
zwar der vor der Schädigung ausgeübte oder begonnene Beruf weiter ausgeübt wird oder der nachweisbar angestrebte Beruf erreicht wurde, Beschädigte jedoch in diesem Beruf durch die Art der Schädigungsfolgen in einem wesentlich höheren Ausmaß als im allgemeinen Erwerbsleben erwerbsgemindert sind, oder
3.
die Schädigung nachweisbar den weiteren Aufstieg im Beruf gehindert hat.

(3) Rentenberechtigte Beschädigte, deren Einkommen aus gegenwärtiger oder früherer Tätigkeit durch die Schädigungsfolgen gemindert ist, erhalten nach Anwendung des Absatzes 2 einen Berufsschadensausgleich in Höhe von 42,5 vom Hundert des auf volle Euro aufgerundeten Einkommensverlustes (Absatz 4) oder, falls dies günstiger ist, einen Berufsschadensausgleich nach Absatz 6.

(4) Einkommensverlust ist der Unterschiedsbetrag zwischen dem derzeitigen Bruttoeinkommen aus gegenwärtiger oder früherer Tätigkeit zuzüglich der Ausgleichsrente (derzeitiges Einkommen) und dem höheren Vergleichseinkommen. Haben Beschädigte Anspruch auf eine in der Höhe vom Einkommen beeinflußte Rente wegen Todes nach den Vorschriften anderer Sozialleistungsbereiche, ist abweichend von Satz 1 der Berechnung des Einkommensverlustes die Ausgleichsrente zugrunde zu legen, die sich ohne Berücksichtigung dieser Rente wegen Todes ergäbe. Ist die Rente aus der gesetzlichen Rentenversicherung gemindert, weil das Erwerbseinkommen in einem in der Vergangenheit liegenden Zeitraum, der nicht mehr als die Hälfte des Erwerbslebens umfaßt, schädigungsbedingt gemindert war, so ist die Rentenminderung abweichend von Satz 1 der Einkommensverlust. Das Ausmaß der Minderung wird ermittelt, indem der Rentenberechnung für Beschädigte Entgeltpunkte zugrunde gelegt werden, die sich ohne Berücksichtigung der Zeiten ergäben, in denen das Erwerbseinkommen der Beschädigten schädigungsbedingt gemindert ist.

(5) Das Vergleichseinkommen errechnet sich nach den Sätzen 2 bis 5. Zur Ermittlung des Durchschnittseinkommens sind die Grundgehälter der Besoldungsgruppen der Bundesbesoldungsordnung A aus den vorletzten drei der Anpassung vorangegangenen Kalenderjahren heranzuziehen. Beträge des Durchschnittseinkommens bis 0,49 Euro sind auf volle Euro abzurunden und von 0,50 Euro an auf volle Euro aufzurunden. Der Mittelwert aus den drei Jahren ist um den Prozentsatz anzupassen, der sich aus der Summe der für die Rentenanpassung des laufenden Jahres sowie des Vorjahres maßgebenden Veränderungsraten der Bruttolöhne und -gehälter je Arbeitnehmer (§ 68 Absatz 2 in Verbindung mit § 228b des Sechsten Buches Sozialgesetzbuch) ergibt; die Veränderungsraten werden jeweils bestimmt, indem der Faktor für die Veränderung der Bruttolöhne und -gehälter je Arbeitnehmer um eins vermindert und durch Vervielfältigung mit 100 in einen Prozentsatz umgerechnet wird. Das Vergleichseinkommen wird zum 1. Juli eines jeden Jahres neu festgesetzt; wenn das nach den Sätzen 1 bis 6 errechnete Vergleichseinkommen geringer ist, als das bisherige Vergleichseinkommen, bleibt es unverändert. Es ist durch das Bundesministerium für Arbeit und Soziales zu ermitteln und im Bundesanzeiger bekanntzugeben; die Beträge sind auf volle Euro aufzurunden. Abweichend von den Sätzen 1 bis 5 sind die Vergleichseinkommen der Tabellen 1 bis 4 der Bekanntmachung vom 14. Mai 1996 (BAnz. S. 6419) für die Zeit vom 1. Juli 1997 bis 30. Juni 1998 durch Anpassung der dort veröffentlichten Werte mit dem Vomhundertsatz zu ermitteln, der in § 56 Absatz 1 Satz 1 bestimmt ist; Satz 6 zweiter Halbsatz gilt entsprechend.

(6) Berufsschadensausgleich nach Absatz 3 letzter Satzteil ist der Nettobetrag des Vergleicheinkommens (Absatz 7) abzüglich des Nettoeinkommens aus gegenwärtiger oder früherer Erwerbstätigkeit (Absatz 8), der Ausgleichsrente (§§ 32, 33) und des Ehegattenzuschlages (§ 33a). Absatz 4 Satz 2 gilt entsprechend.

(7) Der Nettobetrag des Vergleichseinkommens wird bei Beschädigten, die nach dem 30. Juni 1927 geboren sind, für die Zeit bis zum Ablauf des Monats, in dem sie auch ohne die Schädigung aus dem Erwerbsleben ausgeschieden wären, längstens jedoch bis zum Ablauf des Monats, in dem der Beschädigte die Regelaltersgrenze nach dem Sechsten Buch Sozialgesetzbuch erreicht, pauschal ermittelt, indem das Vergleichseinkommen

1.
bei verheirateten Beschädigten um 18 vom Hundert, der 716 Euro übersteigende Teil um 36 vom Hundert und der 1 790 Euro übersteigende Teil um 40 vom Hundert,
2.
bei nicht verheirateten Beschädigten um 18 vom Hundert, der 460 Euro übersteigende Teil um 40 vom Hundert und der 1 380 Euro übersteigende Teil um 49 vom Hundert
gemindert wird. Im übrigen gelten 50 vom Hundert des Vergleichseinkommens als dessen Nettobetrag.

(8) Das Nettoeinkommen aus gegenwärtiger oder früherer Erwerbstätigkeit wird pauschal aus dem derzeitigen Bruttoeinkommen ermittelt, indem

1.
das Bruttoeinkommen aus gegenwärtiger Erwerbstätigkeit um die in Absatz 7 Satz 1 Nr. 1 und 2 genannten Vomhundertsätze gemindert wird,
2.
Renten aus der gesetzlichen Rentenversicherung sowie Renten wegen Alters, Renten wegen verminderter Erwerbsfähigkeit und Landabgaberenten nach dem Gesetz über die Alterssicherung der Landwirte um den Vomhundertsatz gemindert werden, der für die Bemessung des Beitrags der sozialen Pflegeversicherung (§ 55 des Elften Buches Sozialgesetzbuch) gilt, und um die Hälfte des Vomhundertsatzes des allgemeinen Beitragssatzes der Krankenkassen (§ 241 des Fünften Buches Sozialgesetzbuch); die zum 1. Januar festgestellten Beitragssätze gelten insoweit jeweils vom 1. Juli des laufenden Kalenderjahres bis zum 30. Juni des folgenden Kalenderjahres,
3.
sonstige Geldleistungen von Leistungsträgern (§ 12 des Ersten Buches Sozialgesetzbuch) mit dem Nettobetrag berücksichtigt werden und
4.
das übrige Bruttoeinkommen um die in Nummer 2 genannten Vomhundertsätze und zusätzlich um 19 vom Hundert des 562 Euro übersteigenden Betrages gemindert wird; Nummer 2 letzter Halbsatz gilt entsprechend.
In den Fällen des Absatzes 11 tritt an die Stelle des Nettoeinkommens im Sinne des Satzes 1 der nach Absatz 7 ermittelte Nettobetrag des Durchschnittseinkommens.

(9) Berufsschadensausgleich nach Absatz 6 wird in den Fällen einer Rentenminderung im Sinne des Absatzes 4 Satz 3 nur gezahlt, wenn die Zeiten des Erwerbslebens, in denen das Erwerbseinkommen nicht schädigungsbedingt gemindert war, von einem gesetzlichen oder einem gleichwertigen Alterssicherungssystem erfaßt sind.

(10) Der Berufsschadensausgleich wird ausschließlich nach Absatz 6 berechnet, wenn der Antrag erstmalig nach dem 21. Dezember 2007 gestellt wird. Im Übrigen trifft die zuständige Behörde letztmalig zum Stichtag nach Satz 1 die Günstigkeitsfeststellung nach Absatz 3 und legt damit die für die Zukunft anzuwendende Berechnungsart fest.

(11) Wird durch nachträgliche schädigungsunabhängige Einwirkungen oder Ereignisse, insbesondere durch das Hinzutreten einer schädigungsunabhängigen Gesundheitsstörung das Bruttoeinkommen aus gegenwärtiger Tätigkeit voraussichtlich auf Dauer gemindert (Nachschaden), gilt statt dessen als Einkommen das Grundgehalt der Besoldungsgruppe der Bundesbesoldungsordnung A, der der oder die Beschädigte ohne den Nachschaden zugeordnet würde; Arbeitslosigkeit oder altersbedingtes Ausscheiden aus dem Erwerbsleben gilt grundsätzlich nicht als Nachschaden. Tritt nach dem Nachschaden ein weiterer schädigungsbedingter Einkommensverlust ein, ist dieses Durchschnittseinkommen entsprechend zu mindern. Scheidet dagegen der oder die Beschädigte schädigungsbedingt aus dem Erwerbsleben aus, wird der Berufsschadensausgleich nach den Absätzen 3 bis 8 errechnet.

(12) Rentenberechtigte Beschädigte, die einen gemeinsamen Haushalt mit ihrem Ehegatten oder Lebenspartners, einem Verwandten oder einem Stief- oder Pflegekind führen oder ohne die Schädigung zu führen hätten, erhalten als Berufsschadensausgleich einen Betrag in Höhe der Hälfte der wegen der Folgen der Schädigung notwendigen Mehraufwendungen bei der Führung des gemeinsamen Haushalts.

(13) Ist die Grundrente wegen besonderen beruflichen Betroffenseins erhöht worden, so ruht der Anspruch auf Berufsschadensausgleich in Höhe des durch die Erhöhung der Grundrente nach § 31 Abs. 1 Satz 1 erzielten Mehrbetrags. Entsprechendes gilt, wenn die Grundrente nach § 31 Abs. 4 Satz 2 erhöht worden ist.

(14) Die Bundesregierung wird ermächtigt, durch Rechtsverordnung mit Zustimmung des Bundesrates zu bestimmen:

a)
welche Vergleichsgrundlage und in welcher Weise sie zur Ermittlung des Einkommensverlustes heranzuziehen ist,
b)
wie der Einkommensverlust bei einer vor Abschluß der Schulausbildung oder vor Beginn der Berufsausbildung erlittenen Schädigung zu ermitteln ist,
c)
wie der Berufsschadensausgleich festzustellen ist, wenn der Beschädigte ohne die Schädigung neben einer beruflichen Tätigkeit weitere berufliche Tätigkeiten ausgeübt oder einen gemeinsamen Haushalt im Sinne des Absatzes 12 geführt hätte,
d)
was als derzeitiges Bruttoeinkommen oder als Durchschnittseinkommen im Sinne des Absatzes 11 und des § 64c Abs. 2 Satz 2 und 3 gilt und welche Einkünfte bei der Ermittlung des Einkommensverlustes nicht berücksichtigt werden,
e)
wie in besonderen Fällen das Nettoeinkommen abweichend von Absatz 8 Satz 1 Nr. 3 und 4 zu ermitteln ist.

(15) Ist vor dem 1. Juli 1989 bereits über den Anspruch auf Berufsschadensausgleich für die Zeit nach dem Ausscheiden aus dem Erwerbsleben entschieden worden, so verbleibt es hinsichtlich der Frage, ob Absatz 4 Satz 1 oder 3 anzuwenden ist, bei der getroffenen Entscheidung.

(16) Das Bundesministerium für Arbeit und Soziales wird ermächtigt, im Einvernehmen mit dem Bundesministerium der Verteidigung und mit Zustimmung des Bundesrates durch Rechtsverordnung die Grundsätze aufzustellen, die für die medizinische Bewertung von Schädigungsfolgen und die Feststellung des Grades der Schädigungsfolgen im Sinne des Absatzes 1 maßgebend sind, sowie die für die Anerkennung einer Gesundheitsstörung nach § 1 Abs. 3 maßgebenden Grundsätze und die Kriterien für die Bewertung der Hilflosigkeit und der Stufen der Pflegezulage nach § 35 Abs. 1 aufzustellen und das Verfahren für deren Ermittlung und Fortentwicklung zu regeln.

Haben Leistungsempfänger Krankengeld, Verletztengeld, Versorgungskrankengeld oder Übergangsgeld bezogen und wird im Anschluss daran eine Leistung zur medizinischen Rehabilitation oder zur Teilhabe am Arbeitsleben ausgeführt, so wird bei der Berechnung der diese Leistungen ergänzenden Leistung zum Lebensunterhalt von dem bisher zugrunde gelegten Arbeitsentgelt ausgegangen; es gilt die für den Rehabilitationsträger jeweils geltende Beitragsbemessungsgrenze.

(1) Menschen mit Behinderungen sind Menschen, die körperliche, seelische, geistige oder Sinnesbeeinträchtigungen haben, die sie in Wechselwirkung mit einstellungs- und umweltbedingten Barrieren an der gleichberechtigten Teilhabe an der Gesellschaft mit hoher Wahrscheinlichkeit länger als sechs Monate hindern können. Eine Beeinträchtigung nach Satz 1 liegt vor, wenn der Körper- und Gesundheitszustand von dem für das Lebensalter typischen Zustand abweicht. Menschen sind von Behinderung bedroht, wenn eine Beeinträchtigung nach Satz 1 zu erwarten ist.

(2) Menschen sind im Sinne des Teils 3 schwerbehindert, wenn bei ihnen ein Grad der Behinderung von wenigstens 50 vorliegt und sie ihren Wohnsitz, ihren gewöhnlichen Aufenthalt oder ihre Beschäftigung auf einem Arbeitsplatz im Sinne des § 156 rechtmäßig im Geltungsbereich dieses Gesetzbuches haben.

(3) Schwerbehinderten Menschen gleichgestellt werden sollen Menschen mit Behinderungen mit einem Grad der Behinderung von weniger als 50, aber wenigstens 30, bei denen die übrigen Voraussetzungen des Absatzes 2 vorliegen, wenn sie infolge ihrer Behinderung ohne die Gleichstellung einen geeigneten Arbeitsplatz im Sinne des § 156 nicht erlangen oder nicht behalten können (gleichgestellte behinderte Menschen).

Haben Leistungsempfänger Krankengeld, Verletztengeld, Versorgungskrankengeld oder Übergangsgeld bezogen und wird im Anschluss daran eine Leistung zur medizinischen Rehabilitation oder zur Teilhabe am Arbeitsleben ausgeführt, so wird bei der Berechnung der diese Leistungen ergänzenden Leistung zum Lebensunterhalt von dem bisher zugrunde gelegten Arbeitsentgelt ausgegangen; es gilt die für den Rehabilitationsträger jeweils geltende Beitragsbemessungsgrenze.

Tenor

Auf die Berufung des Beklagten wird das Urteil des Sozialgerichts Reutlingen vom 11. Februar 2010 abgeändert. Die Klage des Klägers wird abgewiesen, soweit die Feststellung des Grads der Behinderung von über 40 seit dem 25.02.2006 begehrt wird.

Der Beklagte hat dem Kläger ein Drittel seiner Kosten im Klageverfahren zu erstatten. Kosten des Berufungsverfahrens sind nicht zu erstatten.

Tatbestand

 
Zwischen den Beteiligten ist die Herabsetzung des Grades der Behinderung (GdB) wegen Heilungsbewährung streitig.
Dem am …1967 geborenen Kläger wurde am 08.02.2000 wegen eines malignen Teratoms der linke Hoden entfernt (Bericht der Kreiskliniken R. vom 21.03.2000). Er stellte am 03.04.2000 beim Versorgungsamt R. einen Antrag auf Feststellung des GdB. Mit Bescheid vom 21.07.2000 stellte das Versorgungsamt R. beim Kläger wegen einer Erkrankung des linken Hodens (in Heilungsbewährung) den GdB mit 50 seit 01.01.2000 fest.
Am 18.09.2000 beantragte der Kläger beim Versorgungsamt R. die Erhöhung des GdB. Er machte geltend, durch die Chemotherapie sei sein linker Fuß geschädigt worden. Weiter habe er auf einer Geschäftsreise den rechten Fuß verletzt. Der Kläger legte den radiologischen Befundbericht von Dr. T. vom 16.08.2000, den Befundbericht von Dr. U. vom 04.12.2000, ein Gutachten des Dr. B. vom 13.11.2000 sowie einen Bescheid der Süddeutschen Metall-Berufsgenossenschaft vom 14.12.1993 vor. Das Versorgungsamt holte den Befundbericht von Dr. H. vom 26.09.2000 ein, der sich unter Vorlage weiterer medizinischer Unterlagen äußerte. Nach Auswertung durch die Vertragsärztin W. (Stellungnahme vom 03.01.2001) stellte das Versorgungsamt R. mit Bescheid vom 08.01.2001 beim Kläger wegen der Erkrankung des linken Hodens in (Heilungsbewährung) - Teil-GdB 60 -, der BG-Unfallfolgen am Handgelenk - Teil-GdB 10 - und einer Funktionsbehinderung des rechten oberen Sprunggelenks sowie einer Gebrauchseinschränkung des linken Fußes - Teil-GdB 20 - den GdB mit 70 seit dem 01.01.2000 neu fest.
Im Februar 2005 leitete das zwischenzeitlich zuständige Landratsamt R. -Kreissozialamt - Versorgungsamt- (VA) ein Nachprüfungsverfahren ein. Das VA holte den Bericht der Kreiskliniken R. vom 22.04.2005 ein. Nach versorgungsärztlicher Auswertung (gutachtliche Stellungnahme Dr. S. vom 21.07.2005, in der wegen der BG-anerkannten Unfallfolgen der Teil-GdB mit 10, der Funktionsbehinderung des rechten oberen Sprunggelenks und der Gebrauchseinschränkung des linken Fußes der Teil-GdB mit 20 und wegen des Verlustes des linken Hodens nach eingetretener Heilungsbewährung und einer seelischen Störung der Teil-GdB mit 10 und der Gesamt-GdB mit 20 vorgeschlagen wurde), stellte das VA - nach Anhörung des Klägers (Anhörungsschreiben vom 19.12.2005) - mit Bescheid vom 17.02.2006 unter Aufhebung des Bescheides vom 08.01.2001 den GdB mit 20 ab 25.02.2006 fest.
Hiergegen legte der Kläger am 06.03.2006 Widerspruch ein. Er machte geltend, die Begründung des Bescheides sei nicht nachvollziehbar. Ungeachtet dessen habe sich seine gesundheitliche Verfassung nicht geändert. Nach Einholung der gutachtlichen Stellungnahme des Versorgungsarztes Dr. F. vom 25.09.2006 wurde der Widerspruch vom Regierungspräsidium S. - Landesversorgungsamt - mit Widerspruchsbescheid vom 16.10.2006 zurückgewiesen.
Hiergegen erhob der Kläger am 20.11.2006 Klage beim Sozialgericht Reutlingen (SG). Er trug zur Begründung vor, die Auffassung des Beklagten sei unzutreffend. Seine psychische Belastung habe sich zwar seit dem Jahr 2001 reduziert, allerdings sei sie nach wie vor in erheblichem Maße vorhanden. Bereits durch geringfügig erscheinende körperliche Reaktionen erleide er mehrwöchige Angstzustände, dass die Erkrankung erneut entstanden sei. Durch die für ihn täglich sichtbaren Folgen der Operation werde er immer wieder mit der Krebserkrankung konfrontiert. Der nicht vollständig ausgeheilte Bruch am rechten Handgelenk, der ihn beeinträchtige, bliebe unberücksichtigt. Die Beschwerden am rechten oberen Sprunggelenk, am linken Fuß und am rechten Handgelenk hätten sich verstärkt. Der GdB betrage nach wie vor 70.
Das SG hörte den Allgemeinarzt Dr. Sp. und den Urologen Dr. K. schriftlich als sachverständige Zeugen an. Dr. Sp. teilte in seiner Stellungnahme vom 31.01.2007 den Behandlungsverlauf und die Befunde mit. Er habe den Kläger in den letzten 3 bis 4 Jahren nicht mehr gesehen, weshalb er den GdB nur eingeschränkt beurteilen könne. Dr. Sp. schätzte den GdB auf 20 bis 30 ein. Dr. K. teilte in seiner Stellungnahme vom 13.03.2007 unter Vorlage eines Befundberichts der Kreiskliniken R. vom 02.08.2005 den Behandlungsverlauf mit. Auf urologisch-onkologischem Gebiet schätzte er den GdB auf 20 ein.
Das SG holte auf Antrag des Klägers gemäß § 109 Sozialgerichtsgesetz (SGG) das nervenärztliche Gutachten des Dr. N. vom 30.09.2008 ein. Dr. N. gelangte in seinem Gutachten zusammenfassend zu der Beurteilung, als verbliebene Folgen auf psychiatrischem Gebiet seien hervorzuheben, eine durch erheblich entstellende große mediale Laparatomienarbe mit hieraus resultierender narzisstischer Kränkung, eine stetige Angst vor einem Tumorrezidiv mit Uminterpretierung harmloser Beschwerden als mögliche Anzeichen einer erneuten Tumorerkrankung sowie eine kompensatorisch erhöhtes, teilweise auch krankhaft und zwanghaft erlebtes Bedürfnis nach sexuellen Kontakten. Dr. N. diagnostizierte eine Krankheitsfehlverarbeitung mit im Vordergrund stehender karzinophobischer Störung, eine depressiv getrübte Einschränkung der Erlebnisfähigkeit sowie eine hypochondrische Störung bei narzisstisch akzentuierte Persönlichkeit im Rahmen einer Hodenkarzinomerkrankung (Teil-GdB 40), eine Läsion des linken Plexus lumbosacralis mit zusätzlicher Sympatikusläsion und hierdurch bedingten trophischen Störungen im Bereich des linken Fußes (Teil-GdB 20) sowie eine Kahnbeinfraktur und Sprunggelenksverletzung (Teil-GdB 20). Den Gesamt-GdB schätzte Dr. N. auf 50.
Anschließend legte der Kläger den Bescheid der Süddeutschen Metall-Berufsgenossenschaft vom 27.08.2004, mit dem ihm ab 07.09.2001 wegen einer Bewegungseinschränkung im Handgelenk mit Belastungsschmerzen Rente auf unbestimmte Zeit nach einer MdE von 20 v.H. bewilligt wurde, sowie Lichtbilder hinsichtlich der Operationsnarbe vor. Der Beklagte unterbreitete daraufhin dem Kläger ein Vergleichsangebot, wegen einer Funktionsbehinderung des rechten oberen Sprunggelenks und Gebrauchseinschränkung des linken Fußes (Teil-GdB 20), der BG-anerkannten Unfallfolgen am rechten Handgelenk (Teil-GdB 20) und dem Verlust des linken Hodens sowie seelischer Störung (Teil-GdB 20) den GdB mit 40 und eine dauernde Einbuße der körperlichen Beweglichkeit jeweils seit 25.02.2006 festzustellen und legte hierzu die versorgungsärztliche Stellungnahme von Dr. G. vom 09.09.2009 vor. Dieses Vergleichsangebot nahm der Kläger nicht an.
10 
Mit Urteil vom 11.02.2010 verurteilte das SG den Beklagten, beim Kläger den GdB mit 50 seit 25.02.2006 festzustellen. Es führte zur Begründung aus, die beim Kläger vorliegenden Funktionsbeeinträchtigungen rechtfertigten die Bewertung mit einem GdB von 50. Bei der von Dr. N. beschriebenen psychischen Störung handele es sich um eine seelische Störung mit wesentlicher Einschränkung der Erlebnis- und Gestaltungsfähigkeit. Auch unter Berücksichtigung der Tatsache, dass eine Behandlung des Klägers nicht erfolge und seine Lebensgestaltung äußerlich unbeeinträchtigt erscheine, sei mindestens ein GdB von 30 für die seelische Störung gerechtfertigt. Bei Berücksichtigung eines Teil-GdB von 30 für die seelische Störung betrage unter zusätzlicher Berücksichtigung der Funktionsbeeinträchtigung im Bereich des rechten Handgelenkes mit einem Teil-GdB von 20 und die Funktionsbeeinträchtigungen im Bereich des linken Fußes mit einem Teil-GdB von 20 der Gesamt-GdB 50.
11 
Gegen das dem Beklagten am 12.03.2010 zugestellte Urteil hat er am 01.04.2010 Berufung eingelegt. Der Beklagte hat zur Begründung vorgetragen, der Ansicht des SG, für die seelische Störung sei ein Teil-GdB von wenigstens 30 anzunehmen, könne nicht gefolgt werden. Der im Gutachten von Dr. N. beschriebene Tagesablauf des Klägers und die angegebenen Hobbys ließen in keiner Weise erkennen, inwieweit eine stärker behindernde Störung bestehen solle. Der Kläger benötige auch keine fachärztliche Hilfe zur Behandlung seiner seelischen Störung. Bei einer psychischen Beeinträchtigung, die einen GdB von wenigstens 30 bedinge, müsse eine engmaschige fachärztliche Betreuung erfolgen. Der Umstand, dass dies nicht der Fall sei, spreche gegen eine stärker behindernde Störung. Der für die psychische Beeinträchtigung angenommene Teil-GdB von 20 sei völlig ausreichend. Bei Teil-GdB-Werten von 20 - 20 - 20 lasse sich die Schwerbehinderteneigenschaft nicht rechtfertigen. Der Beklagte hat die versorgungsärztlicher Stellungnahme von Dr. Wo. vom 23.03.2010 vorgelegt.
12 
Der Beklagte beantragt,
13 
das Urteil des Sozialgerichts Reutlingen vom 11.02.2010 abzuändern und die Klage des Klägers abzuweisen, soweit die Feststellung des Grades der Behinderung von über 40 seit dem 25.02.2006 begehrt wird.
14 
Der Kläger beantragt,
15 
die Berufung zurückzuweisen.
16 
Der Kläger hält das angefochtene Urteil für zutreffend. Er hat zur Begründung vorgetragen, die von Dr. N. getroffenen Feststellungen seien in sich stimmig und schlüssig. Die vom Beklagten erhobenen Einwendungen seien unzutreffend. Soweit zur Beurteilung der Frage, wie hoch der GdB liege, überhaupt auf den Umfang der Arbeitstätigkeit und der ausgeübten Freizeitbeschäftigungen abgestellt werden könne, sei keinesfalls die nach der aufgetretenen Krebserkrankungen eingetretene Situation isoliert betrachtet maßgeblich. Entscheidend sei vielmehr ein Vergleich der entsprechenden Situationen vor Eintritt der Erkrankung und nach Eintritt der Erkrankung. Er sei vor Eintritt der Erkrankung in einem weitaus umfangreicherem Maße arbeitstätig gewesen. Seine günstige Verfassung habe sich seit Eintritt der Krebserkrankungen nachhaltig gravierend verschlechtert. Maßgeblich sei seine tatsächlich bestehende äußerst schlechte psychische Verfassung. Der Umstand, dass er dies nicht unmittelbar äußere und er auf sein relativ hohes Arbeitspensum und seine Freizeitgestaltung verweise, sei auf seine narzisstische Neigung zurückzuführen. Diese Neigung führe dazu, dass er seine Leistungsfähigkeit geschönt, d.h. unrealistisch positiv darstelle. Seine vor dem Hintergrund der narzisstischen Neigung erfolgten Äußerungen ließen somit nicht einen Rückschluss auf seine tatsächlich bestehende psychische Verfassung zu. Daraus, dass er sich wegen seiner schwerwiegenden psychischen Beeinträchtigungen nicht in eine ärztliche Behandlung begeben habe, könne nicht der Rückschluss gezogen werden, dass er nicht unter einer starken psychischen Beeinträchtigung leide. Fachärztliche Betreuung sei in seinem Fall nicht geeignet, eine Minderung der Beeinträchtigungen zu erreichen. Eine von ihm beabsichtigte Aufnahme einer psychotherapeutischen Behandlung habe bereits im ersten Termin abgebrochen werden müssen.
17 
Der Rechtsstreit ist durch den Berichterstatter in der nichtöffentlichen Sitzung am 12.11.2010 mit den Beteiligten erörtert worden. Auf die Niederschrift vom 12.11.2010 wird Bezug genommen.
18 
Die Beteiligten haben sich mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung einverstanden erklärt.
19 
Wegen weiterer Einzelheiten des Sachverhaltes und des Vorbringens der Beteiligten wird auf die Gerichtsakten erster und zweiter Instanz sowie auf eine Band Verwaltungsakten des Beklagten Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

 
20 
Die gemäß den §§ 143, 144 SGG statthafte Berufung des Beklagten, über die der Senat im Einverständnis der Beteiligten ohne mündliche Verhandlung entschieden hat (§ 124 Abs. 2 SGG), ist zulässig und mit dem vom Beklagten gestellten Berufungsantrag in der Sache begründet, weil eine wesentliche Änderung gegenüber dem maßgeblichen Vergleichsbescheid vom 08.01.2001 eingetreten ist, die die Herabsetzung des GdB auf 40 seit dem 25.02.2006 rechtfertigt.
21 
Die angefochtenen Bescheide des Beklagten sind nicht formell rechtswidrig. Der Kläger ist vor dem Erlass der streitgegenständlichen Bescheide ordnungsgemäß angehört worden (§ 24 Abs. 1 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch - SGB X -). Der Bescheid vom 17.02.2006 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 16.10.2006 lässt auch hinreichend erkennen, wegen welcher Funktionsbeeinträchtigungen (zunächst) nur noch von einem GdB von 20 ausgegangen wurde, wie auch das Klagevorbringen des Klägers im Schriftsatz vom 15.11.2006 zeigt. Ein Begründungsmangel liegt damit nicht vor.
22 
Rechtsgrundlage für die Neufeststellung ist § 48 Abs. 1 Sozialgesetzbuch (SGB) X. Danach ist ein Verwaltungsakt mit Dauerwirkung für die Zukunft aufzuheben, soweit in den tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnissen, die bei seinem Erlass vorgelegen haben, eine wesentliche Änderung eintritt. Wesentlich ist eine Änderung dann, wenn sich der GdB um wenigstens 10 erhöht oder vermindert. Im Falle einer solchen Änderung ist der Verwaltungsakt aufzuheben und durch eine zutreffende Bewertung zu ersetzen (vgl. BSG SozR 1300 § 48 SGB X Nr. 29 m.w.N.). Die den einzelnen Behinderungen - welche ihrerseits nicht zum sogenannten Verfügungssatz des Bescheides gehören - zugrunde gelegten Teil-GdB-Sätze erwachsen nicht in Bindungswirkung (BSG, Urteil vom 10.09.1997 -9 RVs 15/96 - BSGE 81, 50 bis 54). Hierbei handelt es sich nur um Bewertungsfaktoren, die wie der hierfür (ausdrücklich) angesetzte Teil-GdB nicht der Bindungswirkung des § 77 SGG unterliegen. Ob eine wesentliche Änderung eingetreten ist, muss durch einen Vergleich des gegenwärtigen Zustandes mit dem bindend festgestellten - früheren - Behinderungszustand ermittelt werden. Dies ist vorliegend der mit Bescheid vom 08.01.2001 wegen der Erkrankung des linken Hodens (in Heilungsbewährung), der BG-Unfallfolgen am Handgelenk und einer Funktionsbehinderung des rechten oberen Sprunggelenks sowie Gebrauchseinschränkung des linken Fußes mit einem GdB von 70 bewertete Behinderungszustand des Klägers.
23 
Bei der Prüfung dieser Voraussetzungen beurteilt sich die Begründetheit der gegen die Aufhebung erhobenen Anfechtungsklage zum Zeitpunkt des Abschlusses des Widerspruchsverfahrens, hier dem Widerspruchsbescheid vom 16.10.2006. Danach eingetretene Änderungen sind nicht zu berücksichtigten (vgl. BSG, Urteil vom 10.09.1997 - 9 RVs 15/96 -, SozR 3-3870 § 3 Nr. 7).
24 
Maßgebliche Rechtsgrundlagen für die GdB-Bewertung sind seit 01.07.2001 die Vorschriften des Neunten Buches des Sozialgesetzbuchs (SGB IX), die an die Stelle der durch dieses Gesetz aufgehobenen Vorschriften des Schwerbehindertengesetzes (SchwbG) getreten sind (vgl. Art. 63, 68 des Gesetzes vom 19.06.2001 BGBl. I S. 1046). Danach sind Menschen behindert, wenn ihre körperliche Funktion, geistige Fähigkeit oder seelische Gesundheit mit hoher Wahrscheinlichkeit länger als 6 Monate von dem für das Lebensalter typischen Zustand abweichen und daher ihre Teilhabe am Leben in der Gesellschaft beeinträchtigt ist (§ 2 Abs. 1 Satz 1 SGB IX). Die Auswirkungen auf die Teilhabe am Leben in der Gesellschaft werden als GdB nach 10er Graden abgestuft festgestellt. Hierfür gelten gemäß § 69 Abs. 1 Satz 4 und 5 SGB IX die Maßstäbe des § 30 Abs. 1 Bundesversorgungsgesetz (BVG) und der aufgrund des § 30 Abs. 17 des BVG erlassenen Rechtsverordnung entsprechend. In diesem Zusammenhang waren bis zum 31.12.2008 die „Anhaltspunkte für die ärztliche Gutachtertätigkeit im sozialen Entschädigungsrecht und nach dem Schwerbehindertenrecht“ (Teil 2 SGB IX), Ausgabe 2008 (AHP) heranzuziehen (BSG, Urteil vom 23.06.1993 - 9/9a RVs 1/91 - BSGE 72, 285; BSG, Urteil vom 09.04.1997 - 9 RVs 4/95 -SozR 3-3870 § 4 Nr. 19; BSG, Urteil vom 18.09.2003 - B 9 SB 3/02 R - BSGE 190, 205; BSG, Urteil vom 29.08.1990 - 9a/9 RVs 7/89 - BSG SozR 3-3870 § 4 Nr. 1).
25 
Nach § 69 Abs. 3 SGB IX ist zu beachten, dass bei Vorliegen mehrerer Beeinträchtigungen der Teilhabe am Leben der Gesellschaft der GdB nach den Auswirkungen in ihrer Gesamtheit unter Berücksichtigung der wechselseitigen Beziehungen festzustellen ist. Bei mehreren Funktionsbeeinträchtigungen sind zwar zunächst Einzel-GdB zu bilden, bei der Ermittlung des Gesamt-GdB durch alle Funktionsbeeinträchtigungen dürfen die einzelnen Werte jedoch nicht addiert werden. Auch andere Rechenmethoden sind für die Bildung des Gesamt-GdB ungeeignet. In der Regel ist von der Behinderung mit dem höchsten Einzel-GdB auszugehen und zu prüfen, ob und inwieweit das Ausmaß der Behinderung durch die anderen Behinderungen größer wird, ob also wegen der weiteren Funktionsbeeinträchtigungen dem ersten GdB 10 oder 20 oder mehr Punkte hinzuzufügen sind, um der Behinderung insgesamt gerecht zu werden. Ein Einzel-GdB von 10 führt in der Regel nicht zu einer Zunahme des Ausmaßes der Gesamtbeeinträchtigung, auch bei leichten Behinderungen mit einem GdB von 20 ist es vielfach nicht gerechtfertigt, auf eine wesentliche Zunahme des Ausmaßes der Behinderung zu schließen. Der Gesamt-GdB ist vorliegend noch unter Beachtung der AHP in freier richterlicher Beweiswürdigung sowie aufgrund richterlicher Erfahrung unter Hinzuziehung von Sachverständigengutachten zu bilden (BSGE 62, 209, 213; BSG SozR 3870 § 3 Nr. 26 und SozR 3-3879 § 4 Nr. 5 zu den AHP). Im Übrigen hat die seit 01.01.2009 an die Stelle AHP getretene Anlage „Versorgungsmedizinische Grundsätze“ (VG) zu § 2 der Verordnung zur Durchführung des § 1 Abs. 1 und 3, § 30 Abs. 1 und § 35 Abs. 1 BVG (Versorgungsmedizin-Verordnung; VersMedV) die AHP - jedenfalls soweit vorliegend relevant - übernommen und damit gewährleistet, dass gegenüber dem bisherigen Feststellungsverfahren keine Schlechterstellung möglich ist.
26 
Zur Überzeugung des Senats steht fest, dass in den gesundheitlichen Verhältnissen des Klägers und den sich daraus ergebenden Funktionsbeeinträchtigungen gegenüber den gesundheitlichen Verhältnissen, die dem Bescheid vom 08.01.2001 zugrunde lagen, eine Heilungsbewährung eingetreten ist. Seinerzeit war nach der am 08.02.2000 wegen eines malignen Teratoms der linke Hodens erfolgten Operation eine Erkrankung des Hodens im Stadium der Heilungsbewährung als Funktionsbeeinträchtigung anerkannt worden. Bei Erkrankungen, die - wie bei einem Krebsleiden - zu Rezidiven neigen, ist abzuwarten, ob es im Stadium der Heilungsbewährung zu einer Progression bzw. zu einem Rezidiv der Erkrankung kommt. Im Zustand der Heilungsbewährung ist der GdB höher eingeschätzt, als er dem tatsächlichen Zustand entspricht (AHP Nr. 18 Abs. 7). Nach Eintritt der Heilungsbewährung ist bei der Bewertung - im Unterschied zur Erstfeststellung - nur noch die bestehende Funktionsbeeinträchtigung zu berücksichtigen. Das Stadium der Heilungsbewährung war vorliegend nach Ablauf der Heilungsbewährungsfrist von fünf Jahren (vgl. AHP Nr. 26.1 Abs. 3) im Januar 2006 beendet, da es nicht zu einer Progression bzw. zu einem Rezidiv der Tumorerkrankung gekommen ist, wie sich aus dem Bericht des Klinikums R. vom 22.04.2005 an das VA und der schriftlichen sachverständigen Zeugenaussage von Dr. K. vom 13.03.2007 an das SG ergibt. Etwas anderes wird vom Kläger im Übrigen auch nicht vorgetragen. Der Beklagte war deshalb berechtigt und auch verpflichtet, eine Neufeststellung der Behinderung des Klägers wegen einer wesentlicher Änderung der Verhältnisse vorzunehmen.
27 
Die verbliebenen Funktionsstörungen des Klägers bedingen jedenfalls zum maßgeblichen Beurteilungszeitpunkt des Ergehens des Widerspruchsbescheids keinen höheren GdB als 40. Der davon abweichenden Ansicht des SG schließt sich der Senat nicht an.
28 
Allein der Verlust des (linken) Hodens rechtfertigt nach den AHP noch keinen GdB (vgl. Teil A Nr. 26.13).
29 
Die beim Kläger auf psychiatrischem Gebiet bestehenden Funktionsbeeinträchtigungen sind mit einem GdB von 20 angemessen und ausreichend bewertet. Den abweichenden Bewertungen von Dr. N. und dem SG vermag sich der Senat nicht anzuschließen. Nach den AHP (Teil A Nr. 26.3) sind leichtere psychovegetative oder psychische Störungen mit einem GdB von 0 bis 20, stärker behindernde Störungen mit wesentlicher Einschränkung der Erlebnis- und Gestaltungsfähigkeit (z. B. ausgeprägtere depressive, hypochondrische, asthenische oder phobische Störungen, Entwicklungen mit Krankheitswert, somatoforme Störungen) mit einem GdB von 30 bis 40 und schwere Störungen (z. B. schwere Zwangskrankheit) mit mittelgradigen sozialen Anpassungsschwierigkeiten mit einem GdB von 50 bis 70 und mit schweren sozialen Anpassungsschwierigkeiten mit einem GdB von 80 bis 100 zu bewerten. Dass beim Kläger stärker behindernde Störungen mit einer wesentlichen Einschränkung der Erlebnis- und Gestaltungsfähigkeit oder gar schwere Störungen vorliegen, kann zur Überzeugung des Senats nicht angenommen werden.
30 
Zwar liegt beim Kläger nach den Ausführungen von Dr. N. in seinem Gutachten vom 30.09.2008 eine Krankheitsfehlverarbeitung mit karzinophobischer Störung, eine depressiv getönte Einschränkung der Erlebnisfähigkeit sowie eine hypochondrische Störung bei narzisstisch akzentuierter Persönlichkeit vor. Nach dem psychischen Befund waren unterschwellig nachdenkliche, ernste, teilweise auch ängstliche Stimmungsanteile sowie Verunsicherung und Labilisierung insbesondere in Bezug auf gesundheitliche Belange spürbar. Der Kläger war um eine Kontrolle seiner Emotionalität und um mögliche optimale Anpassung bemüht. Das inhaltliche Denken war teilweise von den psychischen und körperlichen Folgen der Erkrankung geprägt. Die Selbstwertregulation war beeinträchtigt. Es bestand eine deutlich verminderte Empfindlichkeit gegenüber Kritik und Zurücksetzung in Verbindung mit sthenischem Ehrgeiz. Diese bewirken nach den im Gutachten von Dr. N. mitgeteilten Angaben des Klägers jedoch nur leichtere psychovegetative oder psychische Störungen hinsichtlich seiner Teilhabe am Leben in der Gesellschaft. So hat sich der Kläger im Jahre 2005 als Geschäftsführer eines Personaldienstleistungsunternehmens selbstständig gemacht. Intern beschäftigt er zwei Mitarbeiter. Hinzu kommen zwischen 50 und 100 Leiharbeiter, die an Kunden verliehen werden. Weiterhin betreibt der Kläger eine eigene Unternehmensberatung bezüglich Prozessabläufe, Marketing und Management. Zum Tagesablauf hat der Kläger bei der Begutachtung angegeben, zwischen 5:00 Uhr und 6:00 Uhr aufzustehen. Nach dem Frühstück versucht der mit Leiharbeitern direkt bei seinen Kunden zu erscheinen und diese persönlich zu übergeben. Anschließend geht der Kläger in sein Büro. Dort hat er den ganzen Tag viel zu tun. Gegen 17:30 Uhr geht er nach Hause und versucht sich etwas zu entspannen. Dann wird gemeinsam zu Abend gegessen. Anschließend versucht er sich mit den Kindern zu beschäftigen. Nach seinen Angaben geht der Kläger gerne mit seiner Frau aus. Einmal in der Woche hat er einen Männerabend. Als Hobby hat der Kläger Motorradfahren und gemeinsame Aktivitäten mit der Familie angegeben. Dem Kläger ist ein Hauptanliegen, auch die Freizeit genießen zu können. Weiter bestehen nach den Angaben des Klägers keine Schlafstörungen, ein guter Appetit und eine stark vorhandene Libido. Nach dem psychologischen Befund war der Kläger bei klarem Bewusstsein und allseits orientiert. Er war im Kontakt freundlich und zugewandt, offen. Es fanden sich keine Anhalte für Störungen des formalen Denkens, der Wahrnehmung sowie auf kognitive Beeinträchtigungen. Stärker behindernde Störungen mit einer wesentlichen Einschränkung der Erlebnis- und Gestaltungsfähigkeit liegen danach beim Kläger zur Überzeugung des Senats nicht vor. Dabei verkennt der Senat nicht, dass der Kläger nach dem Gutachten von Dr. N. über mögliche Ursachen seiner Tumorerkrankung nachgrübelt und eine Angst vor potentiellen schädlichen Belastungen entwickelt hat, die ihm beschäftigt. Das Berufungsvorbringen des Klägers rechtfertigt keine andere Bewertung. Allein die narzisstische Persönlichkeitsstruktur des Klägers rechtfertigt keinen höheren GdB. Maßgeblich ist vielmehr, inwieweit der Kläger in seiner Teilhabe am Leben in der Gesellschaft tatsächlich beeinträchtigt ist. Dass die im Gutachten von Dr. N. wiedergegebenen Angaben des Klägers zu seinen beruflichen Aktivitäten und Freizeitaktivitäten nicht den tatsächlichen Gegebenheiten entsprechen, ist nicht ersichtlich. Dr. N. hat in seinem Gutachten Zweifel an der Glaubwürdigkeit dieser Angaben des Klägers nicht geäußert. Auch ist eine Richtigstellung durch den Kläger nicht erfolgt.
31 
Zudem befindet sich der Kläger wegen seiner seelische Störung nicht in ärztlicher Behandlung. Ob dem Berufungsvorbringen des Beklagten, seelische Störungen, die einen GdB von wenigstens 30 bedingten, bedürften einer engmaschigen fachärztlichen Betreuung, zu folgen ist, bedarf keiner Entscheidung des Senats. Denn aufgrund der fehlenden ärztlichen Behandlung kann jedenfalls - zum maßgeblichen Beurteilungszeitraum - nicht davon ausgegangen werden, dass das diagnostizierte seelische Leiden des Klägers über eine leichtere psychische Störung hinausgegangen ist und bereits eine stärker behindernde Störung im Sinne der GdB-Bewertungsgrundsätze darstellte. Ein entsprechender Leidensdruck des Klägers, der bei einer stärker behindernden psychischen Störung zu erwarten ist, findet sich nach den Ausführungen von Dr. N. in dessen Gutachten vom 30.09.2008 nicht. Der Kläger hatte bei der Untersuchung vielmehr angegeben, dass er seine Probleme nicht gerne nach außen trage, weil er seine Familie damit auch nicht belasten wolle. Insofern versuche er die Dinge mit sich selbst auszutragen und habe deshalb auch keine Behandlung in Anspruch genommen. Dies verdeutlicht, dass der Kläger seine Probleme als nicht so gravierend beurteilt, dass er sie nicht selbst bewältigen kann. Seine Erkrankung unter der Diagnose des Tumors sieht er nach eigenen Angaben rückschauend zwar als schweren Einschnitt in seinem Leben, der aber seinem Leben auch eine von ihm als positiv empfundene Wendung gegeben hatte. Mit der durch die Erkrankung angestoßenen beruflichen Veränderung zur Selbstständigkeit hatte er sich nach seiner Einschätzung beruflich komplett selbst verwirklicht und auch eine neue Lebenseinstellung gewonnen, da er die Erkenntnis erlangt habe, sich etwas gönnen zu müssen. Er sei spontaner und einsatzfreudiger geworden. Das nicht näher substantiierte Vorbringen des Klägers, fachärztliche Betreuung sei in seinem Fall nicht geeignet, eine Minderung der Beeinträchtigungen zu erreichen, belegt daher nicht eine gebotene Behandlungsbedürftigkeit und schon gar nicht eine tatsächlich fehlende Behandlungsoption.
32 
Die durch die Operation hervorgerufene Bauchnarbe des Klägers rechtfertigt nach den AHP keinen GdB, der bei der Bildung des Gesamt-GdB zu berücksichtigen ist. Dass die Bauchnarbe beim Kläger Funktionsbeeinträchtigungen hervorruft, ist nicht ersichtlich und wird von ihm auch nicht geltend gemacht.
33 
Zu Gunsten des Klägers ist eine wesentliche Änderung hinsichtlich der BG-anerkannten Unfallfolgen am rechten Handgelenk zu berücksichtigen, nach dem die Süddeutsche Metall-Berufsgenossenschaft mit Bescheid vom 27.08.2004 die Minderung der Erwerbsfähigkeit auf 20 v.H. festgestellt hat (vgl. § 69 Abs. 2 Satz 1 SGB IX). Dieser Feststellung hat der Beklagte durch sein Vergleichsangebot wie auch seinen Berufungsantrag Rechnung getragen. Einwendungen hiergegen hat der Kläger im Berufungsverfahren auch nicht erhoben.
34 
Hinsichtlich der Funktionsbehinderung des rechten oberen Sprunggelenks und Gebrauchseinschränkung des linken Fußes des Klägers ist eine rechtlich wesentliche Änderung (Verschlimmerung) nicht ersichtlich. Dr. N. hat beim Kläger den Teil-GdB wegen der Läsion des linken Plexus lumbosacralis sowie der Kahnbeinfraktur und der Sprunggelenksverletzung jeweils mit 20 bewertet. Eine solche Änderung wird vom Kläger auch nicht substantiiert vorgetragen.
35 
Sonstige Funktionsbeeinträchtigungen, die bei der Neufeststellung des Gesamt-GdB zu berücksichtigen sind, bestehen beim Kläger nicht.
36 
Ausgehend von den beim Kläger bei der Bildung des Gesamt-GdB zu berücksichtigenden Teil-GdB-Werten (Verlust des linken Hodens und seelische Störung, BG-anerkannten Unfallfolgen am rechten Handgelenk, Läsion des linken Plexus sowie Kahnbeinfraktur und Sprunggelenksverletzung jeweils mit einem Teil-GdB von 20), ist nach der Rechtsprechung des Senats die Feststellung der vom Kläger angestrebten Schwerbehinderteneigenschaft (GdB 50) nicht gerechtfertigt. Die schwerwiegendste Funktionsstörung ist hier eines der vier mit einem GdB von 20 bewerteten Leiden. Ein höherer GdB als 20 bedingt keine davon. Wenn mit einem GdB 20 bewertete Behinderungen nach den AHP es vielfach nicht rechtfertigen, den Gesamt-GdB zu erhöhen, ist es grundsätzlich nicht geboten, aus einer Häufung solcher Behinderungen die Schwerbehinderteneigenschaft zu folgern. Ein GdB von 50 kann daher nach der ständigen Rechtsprechung des Senats ohne zumindest eine mit einem GdB von 30 bewertete einzelne Funktionsstörung in der Regel nicht angenommen werden (vgl. Urt. des Senats vom 21.05.2010 - L 8 SB 2171/08 -).
37 
Anlass zu weiteren Ermittlungen besteht nicht. Der Sachverhalt ist durch die Ermittlungen des SG und die zu den Akten gelangten medizinischen Unterlagen geklärt.
38 
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
39 
Die Voraussetzungen für die Zulassung der Revision liegen nicht vor.

Gründe

 
20 
Die gemäß den §§ 143, 144 SGG statthafte Berufung des Beklagten, über die der Senat im Einverständnis der Beteiligten ohne mündliche Verhandlung entschieden hat (§ 124 Abs. 2 SGG), ist zulässig und mit dem vom Beklagten gestellten Berufungsantrag in der Sache begründet, weil eine wesentliche Änderung gegenüber dem maßgeblichen Vergleichsbescheid vom 08.01.2001 eingetreten ist, die die Herabsetzung des GdB auf 40 seit dem 25.02.2006 rechtfertigt.
21 
Die angefochtenen Bescheide des Beklagten sind nicht formell rechtswidrig. Der Kläger ist vor dem Erlass der streitgegenständlichen Bescheide ordnungsgemäß angehört worden (§ 24 Abs. 1 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch - SGB X -). Der Bescheid vom 17.02.2006 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 16.10.2006 lässt auch hinreichend erkennen, wegen welcher Funktionsbeeinträchtigungen (zunächst) nur noch von einem GdB von 20 ausgegangen wurde, wie auch das Klagevorbringen des Klägers im Schriftsatz vom 15.11.2006 zeigt. Ein Begründungsmangel liegt damit nicht vor.
22 
Rechtsgrundlage für die Neufeststellung ist § 48 Abs. 1 Sozialgesetzbuch (SGB) X. Danach ist ein Verwaltungsakt mit Dauerwirkung für die Zukunft aufzuheben, soweit in den tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnissen, die bei seinem Erlass vorgelegen haben, eine wesentliche Änderung eintritt. Wesentlich ist eine Änderung dann, wenn sich der GdB um wenigstens 10 erhöht oder vermindert. Im Falle einer solchen Änderung ist der Verwaltungsakt aufzuheben und durch eine zutreffende Bewertung zu ersetzen (vgl. BSG SozR 1300 § 48 SGB X Nr. 29 m.w.N.). Die den einzelnen Behinderungen - welche ihrerseits nicht zum sogenannten Verfügungssatz des Bescheides gehören - zugrunde gelegten Teil-GdB-Sätze erwachsen nicht in Bindungswirkung (BSG, Urteil vom 10.09.1997 -9 RVs 15/96 - BSGE 81, 50 bis 54). Hierbei handelt es sich nur um Bewertungsfaktoren, die wie der hierfür (ausdrücklich) angesetzte Teil-GdB nicht der Bindungswirkung des § 77 SGG unterliegen. Ob eine wesentliche Änderung eingetreten ist, muss durch einen Vergleich des gegenwärtigen Zustandes mit dem bindend festgestellten - früheren - Behinderungszustand ermittelt werden. Dies ist vorliegend der mit Bescheid vom 08.01.2001 wegen der Erkrankung des linken Hodens (in Heilungsbewährung), der BG-Unfallfolgen am Handgelenk und einer Funktionsbehinderung des rechten oberen Sprunggelenks sowie Gebrauchseinschränkung des linken Fußes mit einem GdB von 70 bewertete Behinderungszustand des Klägers.
23 
Bei der Prüfung dieser Voraussetzungen beurteilt sich die Begründetheit der gegen die Aufhebung erhobenen Anfechtungsklage zum Zeitpunkt des Abschlusses des Widerspruchsverfahrens, hier dem Widerspruchsbescheid vom 16.10.2006. Danach eingetretene Änderungen sind nicht zu berücksichtigten (vgl. BSG, Urteil vom 10.09.1997 - 9 RVs 15/96 -, SozR 3-3870 § 3 Nr. 7).
24 
Maßgebliche Rechtsgrundlagen für die GdB-Bewertung sind seit 01.07.2001 die Vorschriften des Neunten Buches des Sozialgesetzbuchs (SGB IX), die an die Stelle der durch dieses Gesetz aufgehobenen Vorschriften des Schwerbehindertengesetzes (SchwbG) getreten sind (vgl. Art. 63, 68 des Gesetzes vom 19.06.2001 BGBl. I S. 1046). Danach sind Menschen behindert, wenn ihre körperliche Funktion, geistige Fähigkeit oder seelische Gesundheit mit hoher Wahrscheinlichkeit länger als 6 Monate von dem für das Lebensalter typischen Zustand abweichen und daher ihre Teilhabe am Leben in der Gesellschaft beeinträchtigt ist (§ 2 Abs. 1 Satz 1 SGB IX). Die Auswirkungen auf die Teilhabe am Leben in der Gesellschaft werden als GdB nach 10er Graden abgestuft festgestellt. Hierfür gelten gemäß § 69 Abs. 1 Satz 4 und 5 SGB IX die Maßstäbe des § 30 Abs. 1 Bundesversorgungsgesetz (BVG) und der aufgrund des § 30 Abs. 17 des BVG erlassenen Rechtsverordnung entsprechend. In diesem Zusammenhang waren bis zum 31.12.2008 die „Anhaltspunkte für die ärztliche Gutachtertätigkeit im sozialen Entschädigungsrecht und nach dem Schwerbehindertenrecht“ (Teil 2 SGB IX), Ausgabe 2008 (AHP) heranzuziehen (BSG, Urteil vom 23.06.1993 - 9/9a RVs 1/91 - BSGE 72, 285; BSG, Urteil vom 09.04.1997 - 9 RVs 4/95 -SozR 3-3870 § 4 Nr. 19; BSG, Urteil vom 18.09.2003 - B 9 SB 3/02 R - BSGE 190, 205; BSG, Urteil vom 29.08.1990 - 9a/9 RVs 7/89 - BSG SozR 3-3870 § 4 Nr. 1).
25 
Nach § 69 Abs. 3 SGB IX ist zu beachten, dass bei Vorliegen mehrerer Beeinträchtigungen der Teilhabe am Leben der Gesellschaft der GdB nach den Auswirkungen in ihrer Gesamtheit unter Berücksichtigung der wechselseitigen Beziehungen festzustellen ist. Bei mehreren Funktionsbeeinträchtigungen sind zwar zunächst Einzel-GdB zu bilden, bei der Ermittlung des Gesamt-GdB durch alle Funktionsbeeinträchtigungen dürfen die einzelnen Werte jedoch nicht addiert werden. Auch andere Rechenmethoden sind für die Bildung des Gesamt-GdB ungeeignet. In der Regel ist von der Behinderung mit dem höchsten Einzel-GdB auszugehen und zu prüfen, ob und inwieweit das Ausmaß der Behinderung durch die anderen Behinderungen größer wird, ob also wegen der weiteren Funktionsbeeinträchtigungen dem ersten GdB 10 oder 20 oder mehr Punkte hinzuzufügen sind, um der Behinderung insgesamt gerecht zu werden. Ein Einzel-GdB von 10 führt in der Regel nicht zu einer Zunahme des Ausmaßes der Gesamtbeeinträchtigung, auch bei leichten Behinderungen mit einem GdB von 20 ist es vielfach nicht gerechtfertigt, auf eine wesentliche Zunahme des Ausmaßes der Behinderung zu schließen. Der Gesamt-GdB ist vorliegend noch unter Beachtung der AHP in freier richterlicher Beweiswürdigung sowie aufgrund richterlicher Erfahrung unter Hinzuziehung von Sachverständigengutachten zu bilden (BSGE 62, 209, 213; BSG SozR 3870 § 3 Nr. 26 und SozR 3-3879 § 4 Nr. 5 zu den AHP). Im Übrigen hat die seit 01.01.2009 an die Stelle AHP getretene Anlage „Versorgungsmedizinische Grundsätze“ (VG) zu § 2 der Verordnung zur Durchführung des § 1 Abs. 1 und 3, § 30 Abs. 1 und § 35 Abs. 1 BVG (Versorgungsmedizin-Verordnung; VersMedV) die AHP - jedenfalls soweit vorliegend relevant - übernommen und damit gewährleistet, dass gegenüber dem bisherigen Feststellungsverfahren keine Schlechterstellung möglich ist.
26 
Zur Überzeugung des Senats steht fest, dass in den gesundheitlichen Verhältnissen des Klägers und den sich daraus ergebenden Funktionsbeeinträchtigungen gegenüber den gesundheitlichen Verhältnissen, die dem Bescheid vom 08.01.2001 zugrunde lagen, eine Heilungsbewährung eingetreten ist. Seinerzeit war nach der am 08.02.2000 wegen eines malignen Teratoms der linke Hodens erfolgten Operation eine Erkrankung des Hodens im Stadium der Heilungsbewährung als Funktionsbeeinträchtigung anerkannt worden. Bei Erkrankungen, die - wie bei einem Krebsleiden - zu Rezidiven neigen, ist abzuwarten, ob es im Stadium der Heilungsbewährung zu einer Progression bzw. zu einem Rezidiv der Erkrankung kommt. Im Zustand der Heilungsbewährung ist der GdB höher eingeschätzt, als er dem tatsächlichen Zustand entspricht (AHP Nr. 18 Abs. 7). Nach Eintritt der Heilungsbewährung ist bei der Bewertung - im Unterschied zur Erstfeststellung - nur noch die bestehende Funktionsbeeinträchtigung zu berücksichtigen. Das Stadium der Heilungsbewährung war vorliegend nach Ablauf der Heilungsbewährungsfrist von fünf Jahren (vgl. AHP Nr. 26.1 Abs. 3) im Januar 2006 beendet, da es nicht zu einer Progression bzw. zu einem Rezidiv der Tumorerkrankung gekommen ist, wie sich aus dem Bericht des Klinikums R. vom 22.04.2005 an das VA und der schriftlichen sachverständigen Zeugenaussage von Dr. K. vom 13.03.2007 an das SG ergibt. Etwas anderes wird vom Kläger im Übrigen auch nicht vorgetragen. Der Beklagte war deshalb berechtigt und auch verpflichtet, eine Neufeststellung der Behinderung des Klägers wegen einer wesentlicher Änderung der Verhältnisse vorzunehmen.
27 
Die verbliebenen Funktionsstörungen des Klägers bedingen jedenfalls zum maßgeblichen Beurteilungszeitpunkt des Ergehens des Widerspruchsbescheids keinen höheren GdB als 40. Der davon abweichenden Ansicht des SG schließt sich der Senat nicht an.
28 
Allein der Verlust des (linken) Hodens rechtfertigt nach den AHP noch keinen GdB (vgl. Teil A Nr. 26.13).
29 
Die beim Kläger auf psychiatrischem Gebiet bestehenden Funktionsbeeinträchtigungen sind mit einem GdB von 20 angemessen und ausreichend bewertet. Den abweichenden Bewertungen von Dr. N. und dem SG vermag sich der Senat nicht anzuschließen. Nach den AHP (Teil A Nr. 26.3) sind leichtere psychovegetative oder psychische Störungen mit einem GdB von 0 bis 20, stärker behindernde Störungen mit wesentlicher Einschränkung der Erlebnis- und Gestaltungsfähigkeit (z. B. ausgeprägtere depressive, hypochondrische, asthenische oder phobische Störungen, Entwicklungen mit Krankheitswert, somatoforme Störungen) mit einem GdB von 30 bis 40 und schwere Störungen (z. B. schwere Zwangskrankheit) mit mittelgradigen sozialen Anpassungsschwierigkeiten mit einem GdB von 50 bis 70 und mit schweren sozialen Anpassungsschwierigkeiten mit einem GdB von 80 bis 100 zu bewerten. Dass beim Kläger stärker behindernde Störungen mit einer wesentlichen Einschränkung der Erlebnis- und Gestaltungsfähigkeit oder gar schwere Störungen vorliegen, kann zur Überzeugung des Senats nicht angenommen werden.
30 
Zwar liegt beim Kläger nach den Ausführungen von Dr. N. in seinem Gutachten vom 30.09.2008 eine Krankheitsfehlverarbeitung mit karzinophobischer Störung, eine depressiv getönte Einschränkung der Erlebnisfähigkeit sowie eine hypochondrische Störung bei narzisstisch akzentuierter Persönlichkeit vor. Nach dem psychischen Befund waren unterschwellig nachdenkliche, ernste, teilweise auch ängstliche Stimmungsanteile sowie Verunsicherung und Labilisierung insbesondere in Bezug auf gesundheitliche Belange spürbar. Der Kläger war um eine Kontrolle seiner Emotionalität und um mögliche optimale Anpassung bemüht. Das inhaltliche Denken war teilweise von den psychischen und körperlichen Folgen der Erkrankung geprägt. Die Selbstwertregulation war beeinträchtigt. Es bestand eine deutlich verminderte Empfindlichkeit gegenüber Kritik und Zurücksetzung in Verbindung mit sthenischem Ehrgeiz. Diese bewirken nach den im Gutachten von Dr. N. mitgeteilten Angaben des Klägers jedoch nur leichtere psychovegetative oder psychische Störungen hinsichtlich seiner Teilhabe am Leben in der Gesellschaft. So hat sich der Kläger im Jahre 2005 als Geschäftsführer eines Personaldienstleistungsunternehmens selbstständig gemacht. Intern beschäftigt er zwei Mitarbeiter. Hinzu kommen zwischen 50 und 100 Leiharbeiter, die an Kunden verliehen werden. Weiterhin betreibt der Kläger eine eigene Unternehmensberatung bezüglich Prozessabläufe, Marketing und Management. Zum Tagesablauf hat der Kläger bei der Begutachtung angegeben, zwischen 5:00 Uhr und 6:00 Uhr aufzustehen. Nach dem Frühstück versucht der mit Leiharbeitern direkt bei seinen Kunden zu erscheinen und diese persönlich zu übergeben. Anschließend geht der Kläger in sein Büro. Dort hat er den ganzen Tag viel zu tun. Gegen 17:30 Uhr geht er nach Hause und versucht sich etwas zu entspannen. Dann wird gemeinsam zu Abend gegessen. Anschließend versucht er sich mit den Kindern zu beschäftigen. Nach seinen Angaben geht der Kläger gerne mit seiner Frau aus. Einmal in der Woche hat er einen Männerabend. Als Hobby hat der Kläger Motorradfahren und gemeinsame Aktivitäten mit der Familie angegeben. Dem Kläger ist ein Hauptanliegen, auch die Freizeit genießen zu können. Weiter bestehen nach den Angaben des Klägers keine Schlafstörungen, ein guter Appetit und eine stark vorhandene Libido. Nach dem psychologischen Befund war der Kläger bei klarem Bewusstsein und allseits orientiert. Er war im Kontakt freundlich und zugewandt, offen. Es fanden sich keine Anhalte für Störungen des formalen Denkens, der Wahrnehmung sowie auf kognitive Beeinträchtigungen. Stärker behindernde Störungen mit einer wesentlichen Einschränkung der Erlebnis- und Gestaltungsfähigkeit liegen danach beim Kläger zur Überzeugung des Senats nicht vor. Dabei verkennt der Senat nicht, dass der Kläger nach dem Gutachten von Dr. N. über mögliche Ursachen seiner Tumorerkrankung nachgrübelt und eine Angst vor potentiellen schädlichen Belastungen entwickelt hat, die ihm beschäftigt. Das Berufungsvorbringen des Klägers rechtfertigt keine andere Bewertung. Allein die narzisstische Persönlichkeitsstruktur des Klägers rechtfertigt keinen höheren GdB. Maßgeblich ist vielmehr, inwieweit der Kläger in seiner Teilhabe am Leben in der Gesellschaft tatsächlich beeinträchtigt ist. Dass die im Gutachten von Dr. N. wiedergegebenen Angaben des Klägers zu seinen beruflichen Aktivitäten und Freizeitaktivitäten nicht den tatsächlichen Gegebenheiten entsprechen, ist nicht ersichtlich. Dr. N. hat in seinem Gutachten Zweifel an der Glaubwürdigkeit dieser Angaben des Klägers nicht geäußert. Auch ist eine Richtigstellung durch den Kläger nicht erfolgt.
31 
Zudem befindet sich der Kläger wegen seiner seelische Störung nicht in ärztlicher Behandlung. Ob dem Berufungsvorbringen des Beklagten, seelische Störungen, die einen GdB von wenigstens 30 bedingten, bedürften einer engmaschigen fachärztlichen Betreuung, zu folgen ist, bedarf keiner Entscheidung des Senats. Denn aufgrund der fehlenden ärztlichen Behandlung kann jedenfalls - zum maßgeblichen Beurteilungszeitraum - nicht davon ausgegangen werden, dass das diagnostizierte seelische Leiden des Klägers über eine leichtere psychische Störung hinausgegangen ist und bereits eine stärker behindernde Störung im Sinne der GdB-Bewertungsgrundsätze darstellte. Ein entsprechender Leidensdruck des Klägers, der bei einer stärker behindernden psychischen Störung zu erwarten ist, findet sich nach den Ausführungen von Dr. N. in dessen Gutachten vom 30.09.2008 nicht. Der Kläger hatte bei der Untersuchung vielmehr angegeben, dass er seine Probleme nicht gerne nach außen trage, weil er seine Familie damit auch nicht belasten wolle. Insofern versuche er die Dinge mit sich selbst auszutragen und habe deshalb auch keine Behandlung in Anspruch genommen. Dies verdeutlicht, dass der Kläger seine Probleme als nicht so gravierend beurteilt, dass er sie nicht selbst bewältigen kann. Seine Erkrankung unter der Diagnose des Tumors sieht er nach eigenen Angaben rückschauend zwar als schweren Einschnitt in seinem Leben, der aber seinem Leben auch eine von ihm als positiv empfundene Wendung gegeben hatte. Mit der durch die Erkrankung angestoßenen beruflichen Veränderung zur Selbstständigkeit hatte er sich nach seiner Einschätzung beruflich komplett selbst verwirklicht und auch eine neue Lebenseinstellung gewonnen, da er die Erkenntnis erlangt habe, sich etwas gönnen zu müssen. Er sei spontaner und einsatzfreudiger geworden. Das nicht näher substantiierte Vorbringen des Klägers, fachärztliche Betreuung sei in seinem Fall nicht geeignet, eine Minderung der Beeinträchtigungen zu erreichen, belegt daher nicht eine gebotene Behandlungsbedürftigkeit und schon gar nicht eine tatsächlich fehlende Behandlungsoption.
32 
Die durch die Operation hervorgerufene Bauchnarbe des Klägers rechtfertigt nach den AHP keinen GdB, der bei der Bildung des Gesamt-GdB zu berücksichtigen ist. Dass die Bauchnarbe beim Kläger Funktionsbeeinträchtigungen hervorruft, ist nicht ersichtlich und wird von ihm auch nicht geltend gemacht.
33 
Zu Gunsten des Klägers ist eine wesentliche Änderung hinsichtlich der BG-anerkannten Unfallfolgen am rechten Handgelenk zu berücksichtigen, nach dem die Süddeutsche Metall-Berufsgenossenschaft mit Bescheid vom 27.08.2004 die Minderung der Erwerbsfähigkeit auf 20 v.H. festgestellt hat (vgl. § 69 Abs. 2 Satz 1 SGB IX). Dieser Feststellung hat der Beklagte durch sein Vergleichsangebot wie auch seinen Berufungsantrag Rechnung getragen. Einwendungen hiergegen hat der Kläger im Berufungsverfahren auch nicht erhoben.
34 
Hinsichtlich der Funktionsbehinderung des rechten oberen Sprunggelenks und Gebrauchseinschränkung des linken Fußes des Klägers ist eine rechtlich wesentliche Änderung (Verschlimmerung) nicht ersichtlich. Dr. N. hat beim Kläger den Teil-GdB wegen der Läsion des linken Plexus lumbosacralis sowie der Kahnbeinfraktur und der Sprunggelenksverletzung jeweils mit 20 bewertet. Eine solche Änderung wird vom Kläger auch nicht substantiiert vorgetragen.
35 
Sonstige Funktionsbeeinträchtigungen, die bei der Neufeststellung des Gesamt-GdB zu berücksichtigen sind, bestehen beim Kläger nicht.
36 
Ausgehend von den beim Kläger bei der Bildung des Gesamt-GdB zu berücksichtigenden Teil-GdB-Werten (Verlust des linken Hodens und seelische Störung, BG-anerkannten Unfallfolgen am rechten Handgelenk, Läsion des linken Plexus sowie Kahnbeinfraktur und Sprunggelenksverletzung jeweils mit einem Teil-GdB von 20), ist nach der Rechtsprechung des Senats die Feststellung der vom Kläger angestrebten Schwerbehinderteneigenschaft (GdB 50) nicht gerechtfertigt. Die schwerwiegendste Funktionsstörung ist hier eines der vier mit einem GdB von 20 bewerteten Leiden. Ein höherer GdB als 20 bedingt keine davon. Wenn mit einem GdB 20 bewertete Behinderungen nach den AHP es vielfach nicht rechtfertigen, den Gesamt-GdB zu erhöhen, ist es grundsätzlich nicht geboten, aus einer Häufung solcher Behinderungen die Schwerbehinderteneigenschaft zu folgern. Ein GdB von 50 kann daher nach der ständigen Rechtsprechung des Senats ohne zumindest eine mit einem GdB von 30 bewertete einzelne Funktionsstörung in der Regel nicht angenommen werden (vgl. Urt. des Senats vom 21.05.2010 - L 8 SB 2171/08 -).
37 
Anlass zu weiteren Ermittlungen besteht nicht. Der Sachverhalt ist durch die Ermittlungen des SG und die zu den Akten gelangten medizinischen Unterlagen geklärt.
38 
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
39 
Die Voraussetzungen für die Zulassung der Revision liegen nicht vor.

Die in § 1 genannten Grundsätze und Kriterien sind in der Anlage zu dieser Verordnung*als deren Bestandteil festgelegt.

Tenor

Auf die Berufung des Beklagten wird das Urteil des Sozialgerichts Reutlingen vom 11. Februar 2010 abgeändert. Die Klage des Klägers wird abgewiesen, soweit die Feststellung des Grads der Behinderung von über 40 seit dem 25.02.2006 begehrt wird.

Der Beklagte hat dem Kläger ein Drittel seiner Kosten im Klageverfahren zu erstatten. Kosten des Berufungsverfahrens sind nicht zu erstatten.

Tatbestand

 
Zwischen den Beteiligten ist die Herabsetzung des Grades der Behinderung (GdB) wegen Heilungsbewährung streitig.
Dem am …1967 geborenen Kläger wurde am 08.02.2000 wegen eines malignen Teratoms der linke Hoden entfernt (Bericht der Kreiskliniken R. vom 21.03.2000). Er stellte am 03.04.2000 beim Versorgungsamt R. einen Antrag auf Feststellung des GdB. Mit Bescheid vom 21.07.2000 stellte das Versorgungsamt R. beim Kläger wegen einer Erkrankung des linken Hodens (in Heilungsbewährung) den GdB mit 50 seit 01.01.2000 fest.
Am 18.09.2000 beantragte der Kläger beim Versorgungsamt R. die Erhöhung des GdB. Er machte geltend, durch die Chemotherapie sei sein linker Fuß geschädigt worden. Weiter habe er auf einer Geschäftsreise den rechten Fuß verletzt. Der Kläger legte den radiologischen Befundbericht von Dr. T. vom 16.08.2000, den Befundbericht von Dr. U. vom 04.12.2000, ein Gutachten des Dr. B. vom 13.11.2000 sowie einen Bescheid der Süddeutschen Metall-Berufsgenossenschaft vom 14.12.1993 vor. Das Versorgungsamt holte den Befundbericht von Dr. H. vom 26.09.2000 ein, der sich unter Vorlage weiterer medizinischer Unterlagen äußerte. Nach Auswertung durch die Vertragsärztin W. (Stellungnahme vom 03.01.2001) stellte das Versorgungsamt R. mit Bescheid vom 08.01.2001 beim Kläger wegen der Erkrankung des linken Hodens in (Heilungsbewährung) - Teil-GdB 60 -, der BG-Unfallfolgen am Handgelenk - Teil-GdB 10 - und einer Funktionsbehinderung des rechten oberen Sprunggelenks sowie einer Gebrauchseinschränkung des linken Fußes - Teil-GdB 20 - den GdB mit 70 seit dem 01.01.2000 neu fest.
Im Februar 2005 leitete das zwischenzeitlich zuständige Landratsamt R. -Kreissozialamt - Versorgungsamt- (VA) ein Nachprüfungsverfahren ein. Das VA holte den Bericht der Kreiskliniken R. vom 22.04.2005 ein. Nach versorgungsärztlicher Auswertung (gutachtliche Stellungnahme Dr. S. vom 21.07.2005, in der wegen der BG-anerkannten Unfallfolgen der Teil-GdB mit 10, der Funktionsbehinderung des rechten oberen Sprunggelenks und der Gebrauchseinschränkung des linken Fußes der Teil-GdB mit 20 und wegen des Verlustes des linken Hodens nach eingetretener Heilungsbewährung und einer seelischen Störung der Teil-GdB mit 10 und der Gesamt-GdB mit 20 vorgeschlagen wurde), stellte das VA - nach Anhörung des Klägers (Anhörungsschreiben vom 19.12.2005) - mit Bescheid vom 17.02.2006 unter Aufhebung des Bescheides vom 08.01.2001 den GdB mit 20 ab 25.02.2006 fest.
Hiergegen legte der Kläger am 06.03.2006 Widerspruch ein. Er machte geltend, die Begründung des Bescheides sei nicht nachvollziehbar. Ungeachtet dessen habe sich seine gesundheitliche Verfassung nicht geändert. Nach Einholung der gutachtlichen Stellungnahme des Versorgungsarztes Dr. F. vom 25.09.2006 wurde der Widerspruch vom Regierungspräsidium S. - Landesversorgungsamt - mit Widerspruchsbescheid vom 16.10.2006 zurückgewiesen.
Hiergegen erhob der Kläger am 20.11.2006 Klage beim Sozialgericht Reutlingen (SG). Er trug zur Begründung vor, die Auffassung des Beklagten sei unzutreffend. Seine psychische Belastung habe sich zwar seit dem Jahr 2001 reduziert, allerdings sei sie nach wie vor in erheblichem Maße vorhanden. Bereits durch geringfügig erscheinende körperliche Reaktionen erleide er mehrwöchige Angstzustände, dass die Erkrankung erneut entstanden sei. Durch die für ihn täglich sichtbaren Folgen der Operation werde er immer wieder mit der Krebserkrankung konfrontiert. Der nicht vollständig ausgeheilte Bruch am rechten Handgelenk, der ihn beeinträchtige, bliebe unberücksichtigt. Die Beschwerden am rechten oberen Sprunggelenk, am linken Fuß und am rechten Handgelenk hätten sich verstärkt. Der GdB betrage nach wie vor 70.
Das SG hörte den Allgemeinarzt Dr. Sp. und den Urologen Dr. K. schriftlich als sachverständige Zeugen an. Dr. Sp. teilte in seiner Stellungnahme vom 31.01.2007 den Behandlungsverlauf und die Befunde mit. Er habe den Kläger in den letzten 3 bis 4 Jahren nicht mehr gesehen, weshalb er den GdB nur eingeschränkt beurteilen könne. Dr. Sp. schätzte den GdB auf 20 bis 30 ein. Dr. K. teilte in seiner Stellungnahme vom 13.03.2007 unter Vorlage eines Befundberichts der Kreiskliniken R. vom 02.08.2005 den Behandlungsverlauf mit. Auf urologisch-onkologischem Gebiet schätzte er den GdB auf 20 ein.
Das SG holte auf Antrag des Klägers gemäß § 109 Sozialgerichtsgesetz (SGG) das nervenärztliche Gutachten des Dr. N. vom 30.09.2008 ein. Dr. N. gelangte in seinem Gutachten zusammenfassend zu der Beurteilung, als verbliebene Folgen auf psychiatrischem Gebiet seien hervorzuheben, eine durch erheblich entstellende große mediale Laparatomienarbe mit hieraus resultierender narzisstischer Kränkung, eine stetige Angst vor einem Tumorrezidiv mit Uminterpretierung harmloser Beschwerden als mögliche Anzeichen einer erneuten Tumorerkrankung sowie eine kompensatorisch erhöhtes, teilweise auch krankhaft und zwanghaft erlebtes Bedürfnis nach sexuellen Kontakten. Dr. N. diagnostizierte eine Krankheitsfehlverarbeitung mit im Vordergrund stehender karzinophobischer Störung, eine depressiv getrübte Einschränkung der Erlebnisfähigkeit sowie eine hypochondrische Störung bei narzisstisch akzentuierte Persönlichkeit im Rahmen einer Hodenkarzinomerkrankung (Teil-GdB 40), eine Läsion des linken Plexus lumbosacralis mit zusätzlicher Sympatikusläsion und hierdurch bedingten trophischen Störungen im Bereich des linken Fußes (Teil-GdB 20) sowie eine Kahnbeinfraktur und Sprunggelenksverletzung (Teil-GdB 20). Den Gesamt-GdB schätzte Dr. N. auf 50.
Anschließend legte der Kläger den Bescheid der Süddeutschen Metall-Berufsgenossenschaft vom 27.08.2004, mit dem ihm ab 07.09.2001 wegen einer Bewegungseinschränkung im Handgelenk mit Belastungsschmerzen Rente auf unbestimmte Zeit nach einer MdE von 20 v.H. bewilligt wurde, sowie Lichtbilder hinsichtlich der Operationsnarbe vor. Der Beklagte unterbreitete daraufhin dem Kläger ein Vergleichsangebot, wegen einer Funktionsbehinderung des rechten oberen Sprunggelenks und Gebrauchseinschränkung des linken Fußes (Teil-GdB 20), der BG-anerkannten Unfallfolgen am rechten Handgelenk (Teil-GdB 20) und dem Verlust des linken Hodens sowie seelischer Störung (Teil-GdB 20) den GdB mit 40 und eine dauernde Einbuße der körperlichen Beweglichkeit jeweils seit 25.02.2006 festzustellen und legte hierzu die versorgungsärztliche Stellungnahme von Dr. G. vom 09.09.2009 vor. Dieses Vergleichsangebot nahm der Kläger nicht an.
10 
Mit Urteil vom 11.02.2010 verurteilte das SG den Beklagten, beim Kläger den GdB mit 50 seit 25.02.2006 festzustellen. Es führte zur Begründung aus, die beim Kläger vorliegenden Funktionsbeeinträchtigungen rechtfertigten die Bewertung mit einem GdB von 50. Bei der von Dr. N. beschriebenen psychischen Störung handele es sich um eine seelische Störung mit wesentlicher Einschränkung der Erlebnis- und Gestaltungsfähigkeit. Auch unter Berücksichtigung der Tatsache, dass eine Behandlung des Klägers nicht erfolge und seine Lebensgestaltung äußerlich unbeeinträchtigt erscheine, sei mindestens ein GdB von 30 für die seelische Störung gerechtfertigt. Bei Berücksichtigung eines Teil-GdB von 30 für die seelische Störung betrage unter zusätzlicher Berücksichtigung der Funktionsbeeinträchtigung im Bereich des rechten Handgelenkes mit einem Teil-GdB von 20 und die Funktionsbeeinträchtigungen im Bereich des linken Fußes mit einem Teil-GdB von 20 der Gesamt-GdB 50.
11 
Gegen das dem Beklagten am 12.03.2010 zugestellte Urteil hat er am 01.04.2010 Berufung eingelegt. Der Beklagte hat zur Begründung vorgetragen, der Ansicht des SG, für die seelische Störung sei ein Teil-GdB von wenigstens 30 anzunehmen, könne nicht gefolgt werden. Der im Gutachten von Dr. N. beschriebene Tagesablauf des Klägers und die angegebenen Hobbys ließen in keiner Weise erkennen, inwieweit eine stärker behindernde Störung bestehen solle. Der Kläger benötige auch keine fachärztliche Hilfe zur Behandlung seiner seelischen Störung. Bei einer psychischen Beeinträchtigung, die einen GdB von wenigstens 30 bedinge, müsse eine engmaschige fachärztliche Betreuung erfolgen. Der Umstand, dass dies nicht der Fall sei, spreche gegen eine stärker behindernde Störung. Der für die psychische Beeinträchtigung angenommene Teil-GdB von 20 sei völlig ausreichend. Bei Teil-GdB-Werten von 20 - 20 - 20 lasse sich die Schwerbehinderteneigenschaft nicht rechtfertigen. Der Beklagte hat die versorgungsärztlicher Stellungnahme von Dr. Wo. vom 23.03.2010 vorgelegt.
12 
Der Beklagte beantragt,
13 
das Urteil des Sozialgerichts Reutlingen vom 11.02.2010 abzuändern und die Klage des Klägers abzuweisen, soweit die Feststellung des Grades der Behinderung von über 40 seit dem 25.02.2006 begehrt wird.
14 
Der Kläger beantragt,
15 
die Berufung zurückzuweisen.
16 
Der Kläger hält das angefochtene Urteil für zutreffend. Er hat zur Begründung vorgetragen, die von Dr. N. getroffenen Feststellungen seien in sich stimmig und schlüssig. Die vom Beklagten erhobenen Einwendungen seien unzutreffend. Soweit zur Beurteilung der Frage, wie hoch der GdB liege, überhaupt auf den Umfang der Arbeitstätigkeit und der ausgeübten Freizeitbeschäftigungen abgestellt werden könne, sei keinesfalls die nach der aufgetretenen Krebserkrankungen eingetretene Situation isoliert betrachtet maßgeblich. Entscheidend sei vielmehr ein Vergleich der entsprechenden Situationen vor Eintritt der Erkrankung und nach Eintritt der Erkrankung. Er sei vor Eintritt der Erkrankung in einem weitaus umfangreicherem Maße arbeitstätig gewesen. Seine günstige Verfassung habe sich seit Eintritt der Krebserkrankungen nachhaltig gravierend verschlechtert. Maßgeblich sei seine tatsächlich bestehende äußerst schlechte psychische Verfassung. Der Umstand, dass er dies nicht unmittelbar äußere und er auf sein relativ hohes Arbeitspensum und seine Freizeitgestaltung verweise, sei auf seine narzisstische Neigung zurückzuführen. Diese Neigung führe dazu, dass er seine Leistungsfähigkeit geschönt, d.h. unrealistisch positiv darstelle. Seine vor dem Hintergrund der narzisstischen Neigung erfolgten Äußerungen ließen somit nicht einen Rückschluss auf seine tatsächlich bestehende psychische Verfassung zu. Daraus, dass er sich wegen seiner schwerwiegenden psychischen Beeinträchtigungen nicht in eine ärztliche Behandlung begeben habe, könne nicht der Rückschluss gezogen werden, dass er nicht unter einer starken psychischen Beeinträchtigung leide. Fachärztliche Betreuung sei in seinem Fall nicht geeignet, eine Minderung der Beeinträchtigungen zu erreichen. Eine von ihm beabsichtigte Aufnahme einer psychotherapeutischen Behandlung habe bereits im ersten Termin abgebrochen werden müssen.
17 
Der Rechtsstreit ist durch den Berichterstatter in der nichtöffentlichen Sitzung am 12.11.2010 mit den Beteiligten erörtert worden. Auf die Niederschrift vom 12.11.2010 wird Bezug genommen.
18 
Die Beteiligten haben sich mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung einverstanden erklärt.
19 
Wegen weiterer Einzelheiten des Sachverhaltes und des Vorbringens der Beteiligten wird auf die Gerichtsakten erster und zweiter Instanz sowie auf eine Band Verwaltungsakten des Beklagten Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

 
20 
Die gemäß den §§ 143, 144 SGG statthafte Berufung des Beklagten, über die der Senat im Einverständnis der Beteiligten ohne mündliche Verhandlung entschieden hat (§ 124 Abs. 2 SGG), ist zulässig und mit dem vom Beklagten gestellten Berufungsantrag in der Sache begründet, weil eine wesentliche Änderung gegenüber dem maßgeblichen Vergleichsbescheid vom 08.01.2001 eingetreten ist, die die Herabsetzung des GdB auf 40 seit dem 25.02.2006 rechtfertigt.
21 
Die angefochtenen Bescheide des Beklagten sind nicht formell rechtswidrig. Der Kläger ist vor dem Erlass der streitgegenständlichen Bescheide ordnungsgemäß angehört worden (§ 24 Abs. 1 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch - SGB X -). Der Bescheid vom 17.02.2006 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 16.10.2006 lässt auch hinreichend erkennen, wegen welcher Funktionsbeeinträchtigungen (zunächst) nur noch von einem GdB von 20 ausgegangen wurde, wie auch das Klagevorbringen des Klägers im Schriftsatz vom 15.11.2006 zeigt. Ein Begründungsmangel liegt damit nicht vor.
22 
Rechtsgrundlage für die Neufeststellung ist § 48 Abs. 1 Sozialgesetzbuch (SGB) X. Danach ist ein Verwaltungsakt mit Dauerwirkung für die Zukunft aufzuheben, soweit in den tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnissen, die bei seinem Erlass vorgelegen haben, eine wesentliche Änderung eintritt. Wesentlich ist eine Änderung dann, wenn sich der GdB um wenigstens 10 erhöht oder vermindert. Im Falle einer solchen Änderung ist der Verwaltungsakt aufzuheben und durch eine zutreffende Bewertung zu ersetzen (vgl. BSG SozR 1300 § 48 SGB X Nr. 29 m.w.N.). Die den einzelnen Behinderungen - welche ihrerseits nicht zum sogenannten Verfügungssatz des Bescheides gehören - zugrunde gelegten Teil-GdB-Sätze erwachsen nicht in Bindungswirkung (BSG, Urteil vom 10.09.1997 -9 RVs 15/96 - BSGE 81, 50 bis 54). Hierbei handelt es sich nur um Bewertungsfaktoren, die wie der hierfür (ausdrücklich) angesetzte Teil-GdB nicht der Bindungswirkung des § 77 SGG unterliegen. Ob eine wesentliche Änderung eingetreten ist, muss durch einen Vergleich des gegenwärtigen Zustandes mit dem bindend festgestellten - früheren - Behinderungszustand ermittelt werden. Dies ist vorliegend der mit Bescheid vom 08.01.2001 wegen der Erkrankung des linken Hodens (in Heilungsbewährung), der BG-Unfallfolgen am Handgelenk und einer Funktionsbehinderung des rechten oberen Sprunggelenks sowie Gebrauchseinschränkung des linken Fußes mit einem GdB von 70 bewertete Behinderungszustand des Klägers.
23 
Bei der Prüfung dieser Voraussetzungen beurteilt sich die Begründetheit der gegen die Aufhebung erhobenen Anfechtungsklage zum Zeitpunkt des Abschlusses des Widerspruchsverfahrens, hier dem Widerspruchsbescheid vom 16.10.2006. Danach eingetretene Änderungen sind nicht zu berücksichtigten (vgl. BSG, Urteil vom 10.09.1997 - 9 RVs 15/96 -, SozR 3-3870 § 3 Nr. 7).
24 
Maßgebliche Rechtsgrundlagen für die GdB-Bewertung sind seit 01.07.2001 die Vorschriften des Neunten Buches des Sozialgesetzbuchs (SGB IX), die an die Stelle der durch dieses Gesetz aufgehobenen Vorschriften des Schwerbehindertengesetzes (SchwbG) getreten sind (vgl. Art. 63, 68 des Gesetzes vom 19.06.2001 BGBl. I S. 1046). Danach sind Menschen behindert, wenn ihre körperliche Funktion, geistige Fähigkeit oder seelische Gesundheit mit hoher Wahrscheinlichkeit länger als 6 Monate von dem für das Lebensalter typischen Zustand abweichen und daher ihre Teilhabe am Leben in der Gesellschaft beeinträchtigt ist (§ 2 Abs. 1 Satz 1 SGB IX). Die Auswirkungen auf die Teilhabe am Leben in der Gesellschaft werden als GdB nach 10er Graden abgestuft festgestellt. Hierfür gelten gemäß § 69 Abs. 1 Satz 4 und 5 SGB IX die Maßstäbe des § 30 Abs. 1 Bundesversorgungsgesetz (BVG) und der aufgrund des § 30 Abs. 17 des BVG erlassenen Rechtsverordnung entsprechend. In diesem Zusammenhang waren bis zum 31.12.2008 die „Anhaltspunkte für die ärztliche Gutachtertätigkeit im sozialen Entschädigungsrecht und nach dem Schwerbehindertenrecht“ (Teil 2 SGB IX), Ausgabe 2008 (AHP) heranzuziehen (BSG, Urteil vom 23.06.1993 - 9/9a RVs 1/91 - BSGE 72, 285; BSG, Urteil vom 09.04.1997 - 9 RVs 4/95 -SozR 3-3870 § 4 Nr. 19; BSG, Urteil vom 18.09.2003 - B 9 SB 3/02 R - BSGE 190, 205; BSG, Urteil vom 29.08.1990 - 9a/9 RVs 7/89 - BSG SozR 3-3870 § 4 Nr. 1).
25 
Nach § 69 Abs. 3 SGB IX ist zu beachten, dass bei Vorliegen mehrerer Beeinträchtigungen der Teilhabe am Leben der Gesellschaft der GdB nach den Auswirkungen in ihrer Gesamtheit unter Berücksichtigung der wechselseitigen Beziehungen festzustellen ist. Bei mehreren Funktionsbeeinträchtigungen sind zwar zunächst Einzel-GdB zu bilden, bei der Ermittlung des Gesamt-GdB durch alle Funktionsbeeinträchtigungen dürfen die einzelnen Werte jedoch nicht addiert werden. Auch andere Rechenmethoden sind für die Bildung des Gesamt-GdB ungeeignet. In der Regel ist von der Behinderung mit dem höchsten Einzel-GdB auszugehen und zu prüfen, ob und inwieweit das Ausmaß der Behinderung durch die anderen Behinderungen größer wird, ob also wegen der weiteren Funktionsbeeinträchtigungen dem ersten GdB 10 oder 20 oder mehr Punkte hinzuzufügen sind, um der Behinderung insgesamt gerecht zu werden. Ein Einzel-GdB von 10 führt in der Regel nicht zu einer Zunahme des Ausmaßes der Gesamtbeeinträchtigung, auch bei leichten Behinderungen mit einem GdB von 20 ist es vielfach nicht gerechtfertigt, auf eine wesentliche Zunahme des Ausmaßes der Behinderung zu schließen. Der Gesamt-GdB ist vorliegend noch unter Beachtung der AHP in freier richterlicher Beweiswürdigung sowie aufgrund richterlicher Erfahrung unter Hinzuziehung von Sachverständigengutachten zu bilden (BSGE 62, 209, 213; BSG SozR 3870 § 3 Nr. 26 und SozR 3-3879 § 4 Nr. 5 zu den AHP). Im Übrigen hat die seit 01.01.2009 an die Stelle AHP getretene Anlage „Versorgungsmedizinische Grundsätze“ (VG) zu § 2 der Verordnung zur Durchführung des § 1 Abs. 1 und 3, § 30 Abs. 1 und § 35 Abs. 1 BVG (Versorgungsmedizin-Verordnung; VersMedV) die AHP - jedenfalls soweit vorliegend relevant - übernommen und damit gewährleistet, dass gegenüber dem bisherigen Feststellungsverfahren keine Schlechterstellung möglich ist.
26 
Zur Überzeugung des Senats steht fest, dass in den gesundheitlichen Verhältnissen des Klägers und den sich daraus ergebenden Funktionsbeeinträchtigungen gegenüber den gesundheitlichen Verhältnissen, die dem Bescheid vom 08.01.2001 zugrunde lagen, eine Heilungsbewährung eingetreten ist. Seinerzeit war nach der am 08.02.2000 wegen eines malignen Teratoms der linke Hodens erfolgten Operation eine Erkrankung des Hodens im Stadium der Heilungsbewährung als Funktionsbeeinträchtigung anerkannt worden. Bei Erkrankungen, die - wie bei einem Krebsleiden - zu Rezidiven neigen, ist abzuwarten, ob es im Stadium der Heilungsbewährung zu einer Progression bzw. zu einem Rezidiv der Erkrankung kommt. Im Zustand der Heilungsbewährung ist der GdB höher eingeschätzt, als er dem tatsächlichen Zustand entspricht (AHP Nr. 18 Abs. 7). Nach Eintritt der Heilungsbewährung ist bei der Bewertung - im Unterschied zur Erstfeststellung - nur noch die bestehende Funktionsbeeinträchtigung zu berücksichtigen. Das Stadium der Heilungsbewährung war vorliegend nach Ablauf der Heilungsbewährungsfrist von fünf Jahren (vgl. AHP Nr. 26.1 Abs. 3) im Januar 2006 beendet, da es nicht zu einer Progression bzw. zu einem Rezidiv der Tumorerkrankung gekommen ist, wie sich aus dem Bericht des Klinikums R. vom 22.04.2005 an das VA und der schriftlichen sachverständigen Zeugenaussage von Dr. K. vom 13.03.2007 an das SG ergibt. Etwas anderes wird vom Kläger im Übrigen auch nicht vorgetragen. Der Beklagte war deshalb berechtigt und auch verpflichtet, eine Neufeststellung der Behinderung des Klägers wegen einer wesentlicher Änderung der Verhältnisse vorzunehmen.
27 
Die verbliebenen Funktionsstörungen des Klägers bedingen jedenfalls zum maßgeblichen Beurteilungszeitpunkt des Ergehens des Widerspruchsbescheids keinen höheren GdB als 40. Der davon abweichenden Ansicht des SG schließt sich der Senat nicht an.
28 
Allein der Verlust des (linken) Hodens rechtfertigt nach den AHP noch keinen GdB (vgl. Teil A Nr. 26.13).
29 
Die beim Kläger auf psychiatrischem Gebiet bestehenden Funktionsbeeinträchtigungen sind mit einem GdB von 20 angemessen und ausreichend bewertet. Den abweichenden Bewertungen von Dr. N. und dem SG vermag sich der Senat nicht anzuschließen. Nach den AHP (Teil A Nr. 26.3) sind leichtere psychovegetative oder psychische Störungen mit einem GdB von 0 bis 20, stärker behindernde Störungen mit wesentlicher Einschränkung der Erlebnis- und Gestaltungsfähigkeit (z. B. ausgeprägtere depressive, hypochondrische, asthenische oder phobische Störungen, Entwicklungen mit Krankheitswert, somatoforme Störungen) mit einem GdB von 30 bis 40 und schwere Störungen (z. B. schwere Zwangskrankheit) mit mittelgradigen sozialen Anpassungsschwierigkeiten mit einem GdB von 50 bis 70 und mit schweren sozialen Anpassungsschwierigkeiten mit einem GdB von 80 bis 100 zu bewerten. Dass beim Kläger stärker behindernde Störungen mit einer wesentlichen Einschränkung der Erlebnis- und Gestaltungsfähigkeit oder gar schwere Störungen vorliegen, kann zur Überzeugung des Senats nicht angenommen werden.
30 
Zwar liegt beim Kläger nach den Ausführungen von Dr. N. in seinem Gutachten vom 30.09.2008 eine Krankheitsfehlverarbeitung mit karzinophobischer Störung, eine depressiv getönte Einschränkung der Erlebnisfähigkeit sowie eine hypochondrische Störung bei narzisstisch akzentuierter Persönlichkeit vor. Nach dem psychischen Befund waren unterschwellig nachdenkliche, ernste, teilweise auch ängstliche Stimmungsanteile sowie Verunsicherung und Labilisierung insbesondere in Bezug auf gesundheitliche Belange spürbar. Der Kläger war um eine Kontrolle seiner Emotionalität und um mögliche optimale Anpassung bemüht. Das inhaltliche Denken war teilweise von den psychischen und körperlichen Folgen der Erkrankung geprägt. Die Selbstwertregulation war beeinträchtigt. Es bestand eine deutlich verminderte Empfindlichkeit gegenüber Kritik und Zurücksetzung in Verbindung mit sthenischem Ehrgeiz. Diese bewirken nach den im Gutachten von Dr. N. mitgeteilten Angaben des Klägers jedoch nur leichtere psychovegetative oder psychische Störungen hinsichtlich seiner Teilhabe am Leben in der Gesellschaft. So hat sich der Kläger im Jahre 2005 als Geschäftsführer eines Personaldienstleistungsunternehmens selbstständig gemacht. Intern beschäftigt er zwei Mitarbeiter. Hinzu kommen zwischen 50 und 100 Leiharbeiter, die an Kunden verliehen werden. Weiterhin betreibt der Kläger eine eigene Unternehmensberatung bezüglich Prozessabläufe, Marketing und Management. Zum Tagesablauf hat der Kläger bei der Begutachtung angegeben, zwischen 5:00 Uhr und 6:00 Uhr aufzustehen. Nach dem Frühstück versucht der mit Leiharbeitern direkt bei seinen Kunden zu erscheinen und diese persönlich zu übergeben. Anschließend geht der Kläger in sein Büro. Dort hat er den ganzen Tag viel zu tun. Gegen 17:30 Uhr geht er nach Hause und versucht sich etwas zu entspannen. Dann wird gemeinsam zu Abend gegessen. Anschließend versucht er sich mit den Kindern zu beschäftigen. Nach seinen Angaben geht der Kläger gerne mit seiner Frau aus. Einmal in der Woche hat er einen Männerabend. Als Hobby hat der Kläger Motorradfahren und gemeinsame Aktivitäten mit der Familie angegeben. Dem Kläger ist ein Hauptanliegen, auch die Freizeit genießen zu können. Weiter bestehen nach den Angaben des Klägers keine Schlafstörungen, ein guter Appetit und eine stark vorhandene Libido. Nach dem psychologischen Befund war der Kläger bei klarem Bewusstsein und allseits orientiert. Er war im Kontakt freundlich und zugewandt, offen. Es fanden sich keine Anhalte für Störungen des formalen Denkens, der Wahrnehmung sowie auf kognitive Beeinträchtigungen. Stärker behindernde Störungen mit einer wesentlichen Einschränkung der Erlebnis- und Gestaltungsfähigkeit liegen danach beim Kläger zur Überzeugung des Senats nicht vor. Dabei verkennt der Senat nicht, dass der Kläger nach dem Gutachten von Dr. N. über mögliche Ursachen seiner Tumorerkrankung nachgrübelt und eine Angst vor potentiellen schädlichen Belastungen entwickelt hat, die ihm beschäftigt. Das Berufungsvorbringen des Klägers rechtfertigt keine andere Bewertung. Allein die narzisstische Persönlichkeitsstruktur des Klägers rechtfertigt keinen höheren GdB. Maßgeblich ist vielmehr, inwieweit der Kläger in seiner Teilhabe am Leben in der Gesellschaft tatsächlich beeinträchtigt ist. Dass die im Gutachten von Dr. N. wiedergegebenen Angaben des Klägers zu seinen beruflichen Aktivitäten und Freizeitaktivitäten nicht den tatsächlichen Gegebenheiten entsprechen, ist nicht ersichtlich. Dr. N. hat in seinem Gutachten Zweifel an der Glaubwürdigkeit dieser Angaben des Klägers nicht geäußert. Auch ist eine Richtigstellung durch den Kläger nicht erfolgt.
31 
Zudem befindet sich der Kläger wegen seiner seelische Störung nicht in ärztlicher Behandlung. Ob dem Berufungsvorbringen des Beklagten, seelische Störungen, die einen GdB von wenigstens 30 bedingten, bedürften einer engmaschigen fachärztlichen Betreuung, zu folgen ist, bedarf keiner Entscheidung des Senats. Denn aufgrund der fehlenden ärztlichen Behandlung kann jedenfalls - zum maßgeblichen Beurteilungszeitraum - nicht davon ausgegangen werden, dass das diagnostizierte seelische Leiden des Klägers über eine leichtere psychische Störung hinausgegangen ist und bereits eine stärker behindernde Störung im Sinne der GdB-Bewertungsgrundsätze darstellte. Ein entsprechender Leidensdruck des Klägers, der bei einer stärker behindernden psychischen Störung zu erwarten ist, findet sich nach den Ausführungen von Dr. N. in dessen Gutachten vom 30.09.2008 nicht. Der Kläger hatte bei der Untersuchung vielmehr angegeben, dass er seine Probleme nicht gerne nach außen trage, weil er seine Familie damit auch nicht belasten wolle. Insofern versuche er die Dinge mit sich selbst auszutragen und habe deshalb auch keine Behandlung in Anspruch genommen. Dies verdeutlicht, dass der Kläger seine Probleme als nicht so gravierend beurteilt, dass er sie nicht selbst bewältigen kann. Seine Erkrankung unter der Diagnose des Tumors sieht er nach eigenen Angaben rückschauend zwar als schweren Einschnitt in seinem Leben, der aber seinem Leben auch eine von ihm als positiv empfundene Wendung gegeben hatte. Mit der durch die Erkrankung angestoßenen beruflichen Veränderung zur Selbstständigkeit hatte er sich nach seiner Einschätzung beruflich komplett selbst verwirklicht und auch eine neue Lebenseinstellung gewonnen, da er die Erkenntnis erlangt habe, sich etwas gönnen zu müssen. Er sei spontaner und einsatzfreudiger geworden. Das nicht näher substantiierte Vorbringen des Klägers, fachärztliche Betreuung sei in seinem Fall nicht geeignet, eine Minderung der Beeinträchtigungen zu erreichen, belegt daher nicht eine gebotene Behandlungsbedürftigkeit und schon gar nicht eine tatsächlich fehlende Behandlungsoption.
32 
Die durch die Operation hervorgerufene Bauchnarbe des Klägers rechtfertigt nach den AHP keinen GdB, der bei der Bildung des Gesamt-GdB zu berücksichtigen ist. Dass die Bauchnarbe beim Kläger Funktionsbeeinträchtigungen hervorruft, ist nicht ersichtlich und wird von ihm auch nicht geltend gemacht.
33 
Zu Gunsten des Klägers ist eine wesentliche Änderung hinsichtlich der BG-anerkannten Unfallfolgen am rechten Handgelenk zu berücksichtigen, nach dem die Süddeutsche Metall-Berufsgenossenschaft mit Bescheid vom 27.08.2004 die Minderung der Erwerbsfähigkeit auf 20 v.H. festgestellt hat (vgl. § 69 Abs. 2 Satz 1 SGB IX). Dieser Feststellung hat der Beklagte durch sein Vergleichsangebot wie auch seinen Berufungsantrag Rechnung getragen. Einwendungen hiergegen hat der Kläger im Berufungsverfahren auch nicht erhoben.
34 
Hinsichtlich der Funktionsbehinderung des rechten oberen Sprunggelenks und Gebrauchseinschränkung des linken Fußes des Klägers ist eine rechtlich wesentliche Änderung (Verschlimmerung) nicht ersichtlich. Dr. N. hat beim Kläger den Teil-GdB wegen der Läsion des linken Plexus lumbosacralis sowie der Kahnbeinfraktur und der Sprunggelenksverletzung jeweils mit 20 bewertet. Eine solche Änderung wird vom Kläger auch nicht substantiiert vorgetragen.
35 
Sonstige Funktionsbeeinträchtigungen, die bei der Neufeststellung des Gesamt-GdB zu berücksichtigen sind, bestehen beim Kläger nicht.
36 
Ausgehend von den beim Kläger bei der Bildung des Gesamt-GdB zu berücksichtigenden Teil-GdB-Werten (Verlust des linken Hodens und seelische Störung, BG-anerkannten Unfallfolgen am rechten Handgelenk, Läsion des linken Plexus sowie Kahnbeinfraktur und Sprunggelenksverletzung jeweils mit einem Teil-GdB von 20), ist nach der Rechtsprechung des Senats die Feststellung der vom Kläger angestrebten Schwerbehinderteneigenschaft (GdB 50) nicht gerechtfertigt. Die schwerwiegendste Funktionsstörung ist hier eines der vier mit einem GdB von 20 bewerteten Leiden. Ein höherer GdB als 20 bedingt keine davon. Wenn mit einem GdB 20 bewertete Behinderungen nach den AHP es vielfach nicht rechtfertigen, den Gesamt-GdB zu erhöhen, ist es grundsätzlich nicht geboten, aus einer Häufung solcher Behinderungen die Schwerbehinderteneigenschaft zu folgern. Ein GdB von 50 kann daher nach der ständigen Rechtsprechung des Senats ohne zumindest eine mit einem GdB von 30 bewertete einzelne Funktionsstörung in der Regel nicht angenommen werden (vgl. Urt. des Senats vom 21.05.2010 - L 8 SB 2171/08 -).
37 
Anlass zu weiteren Ermittlungen besteht nicht. Der Sachverhalt ist durch die Ermittlungen des SG und die zu den Akten gelangten medizinischen Unterlagen geklärt.
38 
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
39 
Die Voraussetzungen für die Zulassung der Revision liegen nicht vor.

Gründe

 
20 
Die gemäß den §§ 143, 144 SGG statthafte Berufung des Beklagten, über die der Senat im Einverständnis der Beteiligten ohne mündliche Verhandlung entschieden hat (§ 124 Abs. 2 SGG), ist zulässig und mit dem vom Beklagten gestellten Berufungsantrag in der Sache begründet, weil eine wesentliche Änderung gegenüber dem maßgeblichen Vergleichsbescheid vom 08.01.2001 eingetreten ist, die die Herabsetzung des GdB auf 40 seit dem 25.02.2006 rechtfertigt.
21 
Die angefochtenen Bescheide des Beklagten sind nicht formell rechtswidrig. Der Kläger ist vor dem Erlass der streitgegenständlichen Bescheide ordnungsgemäß angehört worden (§ 24 Abs. 1 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch - SGB X -). Der Bescheid vom 17.02.2006 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 16.10.2006 lässt auch hinreichend erkennen, wegen welcher Funktionsbeeinträchtigungen (zunächst) nur noch von einem GdB von 20 ausgegangen wurde, wie auch das Klagevorbringen des Klägers im Schriftsatz vom 15.11.2006 zeigt. Ein Begründungsmangel liegt damit nicht vor.
22 
Rechtsgrundlage für die Neufeststellung ist § 48 Abs. 1 Sozialgesetzbuch (SGB) X. Danach ist ein Verwaltungsakt mit Dauerwirkung für die Zukunft aufzuheben, soweit in den tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnissen, die bei seinem Erlass vorgelegen haben, eine wesentliche Änderung eintritt. Wesentlich ist eine Änderung dann, wenn sich der GdB um wenigstens 10 erhöht oder vermindert. Im Falle einer solchen Änderung ist der Verwaltungsakt aufzuheben und durch eine zutreffende Bewertung zu ersetzen (vgl. BSG SozR 1300 § 48 SGB X Nr. 29 m.w.N.). Die den einzelnen Behinderungen - welche ihrerseits nicht zum sogenannten Verfügungssatz des Bescheides gehören - zugrunde gelegten Teil-GdB-Sätze erwachsen nicht in Bindungswirkung (BSG, Urteil vom 10.09.1997 -9 RVs 15/96 - BSGE 81, 50 bis 54). Hierbei handelt es sich nur um Bewertungsfaktoren, die wie der hierfür (ausdrücklich) angesetzte Teil-GdB nicht der Bindungswirkung des § 77 SGG unterliegen. Ob eine wesentliche Änderung eingetreten ist, muss durch einen Vergleich des gegenwärtigen Zustandes mit dem bindend festgestellten - früheren - Behinderungszustand ermittelt werden. Dies ist vorliegend der mit Bescheid vom 08.01.2001 wegen der Erkrankung des linken Hodens (in Heilungsbewährung), der BG-Unfallfolgen am Handgelenk und einer Funktionsbehinderung des rechten oberen Sprunggelenks sowie Gebrauchseinschränkung des linken Fußes mit einem GdB von 70 bewertete Behinderungszustand des Klägers.
23 
Bei der Prüfung dieser Voraussetzungen beurteilt sich die Begründetheit der gegen die Aufhebung erhobenen Anfechtungsklage zum Zeitpunkt des Abschlusses des Widerspruchsverfahrens, hier dem Widerspruchsbescheid vom 16.10.2006. Danach eingetretene Änderungen sind nicht zu berücksichtigten (vgl. BSG, Urteil vom 10.09.1997 - 9 RVs 15/96 -, SozR 3-3870 § 3 Nr. 7).
24 
Maßgebliche Rechtsgrundlagen für die GdB-Bewertung sind seit 01.07.2001 die Vorschriften des Neunten Buches des Sozialgesetzbuchs (SGB IX), die an die Stelle der durch dieses Gesetz aufgehobenen Vorschriften des Schwerbehindertengesetzes (SchwbG) getreten sind (vgl. Art. 63, 68 des Gesetzes vom 19.06.2001 BGBl. I S. 1046). Danach sind Menschen behindert, wenn ihre körperliche Funktion, geistige Fähigkeit oder seelische Gesundheit mit hoher Wahrscheinlichkeit länger als 6 Monate von dem für das Lebensalter typischen Zustand abweichen und daher ihre Teilhabe am Leben in der Gesellschaft beeinträchtigt ist (§ 2 Abs. 1 Satz 1 SGB IX). Die Auswirkungen auf die Teilhabe am Leben in der Gesellschaft werden als GdB nach 10er Graden abgestuft festgestellt. Hierfür gelten gemäß § 69 Abs. 1 Satz 4 und 5 SGB IX die Maßstäbe des § 30 Abs. 1 Bundesversorgungsgesetz (BVG) und der aufgrund des § 30 Abs. 17 des BVG erlassenen Rechtsverordnung entsprechend. In diesem Zusammenhang waren bis zum 31.12.2008 die „Anhaltspunkte für die ärztliche Gutachtertätigkeit im sozialen Entschädigungsrecht und nach dem Schwerbehindertenrecht“ (Teil 2 SGB IX), Ausgabe 2008 (AHP) heranzuziehen (BSG, Urteil vom 23.06.1993 - 9/9a RVs 1/91 - BSGE 72, 285; BSG, Urteil vom 09.04.1997 - 9 RVs 4/95 -SozR 3-3870 § 4 Nr. 19; BSG, Urteil vom 18.09.2003 - B 9 SB 3/02 R - BSGE 190, 205; BSG, Urteil vom 29.08.1990 - 9a/9 RVs 7/89 - BSG SozR 3-3870 § 4 Nr. 1).
25 
Nach § 69 Abs. 3 SGB IX ist zu beachten, dass bei Vorliegen mehrerer Beeinträchtigungen der Teilhabe am Leben der Gesellschaft der GdB nach den Auswirkungen in ihrer Gesamtheit unter Berücksichtigung der wechselseitigen Beziehungen festzustellen ist. Bei mehreren Funktionsbeeinträchtigungen sind zwar zunächst Einzel-GdB zu bilden, bei der Ermittlung des Gesamt-GdB durch alle Funktionsbeeinträchtigungen dürfen die einzelnen Werte jedoch nicht addiert werden. Auch andere Rechenmethoden sind für die Bildung des Gesamt-GdB ungeeignet. In der Regel ist von der Behinderung mit dem höchsten Einzel-GdB auszugehen und zu prüfen, ob und inwieweit das Ausmaß der Behinderung durch die anderen Behinderungen größer wird, ob also wegen der weiteren Funktionsbeeinträchtigungen dem ersten GdB 10 oder 20 oder mehr Punkte hinzuzufügen sind, um der Behinderung insgesamt gerecht zu werden. Ein Einzel-GdB von 10 führt in der Regel nicht zu einer Zunahme des Ausmaßes der Gesamtbeeinträchtigung, auch bei leichten Behinderungen mit einem GdB von 20 ist es vielfach nicht gerechtfertigt, auf eine wesentliche Zunahme des Ausmaßes der Behinderung zu schließen. Der Gesamt-GdB ist vorliegend noch unter Beachtung der AHP in freier richterlicher Beweiswürdigung sowie aufgrund richterlicher Erfahrung unter Hinzuziehung von Sachverständigengutachten zu bilden (BSGE 62, 209, 213; BSG SozR 3870 § 3 Nr. 26 und SozR 3-3879 § 4 Nr. 5 zu den AHP). Im Übrigen hat die seit 01.01.2009 an die Stelle AHP getretene Anlage „Versorgungsmedizinische Grundsätze“ (VG) zu § 2 der Verordnung zur Durchführung des § 1 Abs. 1 und 3, § 30 Abs. 1 und § 35 Abs. 1 BVG (Versorgungsmedizin-Verordnung; VersMedV) die AHP - jedenfalls soweit vorliegend relevant - übernommen und damit gewährleistet, dass gegenüber dem bisherigen Feststellungsverfahren keine Schlechterstellung möglich ist.
26 
Zur Überzeugung des Senats steht fest, dass in den gesundheitlichen Verhältnissen des Klägers und den sich daraus ergebenden Funktionsbeeinträchtigungen gegenüber den gesundheitlichen Verhältnissen, die dem Bescheid vom 08.01.2001 zugrunde lagen, eine Heilungsbewährung eingetreten ist. Seinerzeit war nach der am 08.02.2000 wegen eines malignen Teratoms der linke Hodens erfolgten Operation eine Erkrankung des Hodens im Stadium der Heilungsbewährung als Funktionsbeeinträchtigung anerkannt worden. Bei Erkrankungen, die - wie bei einem Krebsleiden - zu Rezidiven neigen, ist abzuwarten, ob es im Stadium der Heilungsbewährung zu einer Progression bzw. zu einem Rezidiv der Erkrankung kommt. Im Zustand der Heilungsbewährung ist der GdB höher eingeschätzt, als er dem tatsächlichen Zustand entspricht (AHP Nr. 18 Abs. 7). Nach Eintritt der Heilungsbewährung ist bei der Bewertung - im Unterschied zur Erstfeststellung - nur noch die bestehende Funktionsbeeinträchtigung zu berücksichtigen. Das Stadium der Heilungsbewährung war vorliegend nach Ablauf der Heilungsbewährungsfrist von fünf Jahren (vgl. AHP Nr. 26.1 Abs. 3) im Januar 2006 beendet, da es nicht zu einer Progression bzw. zu einem Rezidiv der Tumorerkrankung gekommen ist, wie sich aus dem Bericht des Klinikums R. vom 22.04.2005 an das VA und der schriftlichen sachverständigen Zeugenaussage von Dr. K. vom 13.03.2007 an das SG ergibt. Etwas anderes wird vom Kläger im Übrigen auch nicht vorgetragen. Der Beklagte war deshalb berechtigt und auch verpflichtet, eine Neufeststellung der Behinderung des Klägers wegen einer wesentlicher Änderung der Verhältnisse vorzunehmen.
27 
Die verbliebenen Funktionsstörungen des Klägers bedingen jedenfalls zum maßgeblichen Beurteilungszeitpunkt des Ergehens des Widerspruchsbescheids keinen höheren GdB als 40. Der davon abweichenden Ansicht des SG schließt sich der Senat nicht an.
28 
Allein der Verlust des (linken) Hodens rechtfertigt nach den AHP noch keinen GdB (vgl. Teil A Nr. 26.13).
29 
Die beim Kläger auf psychiatrischem Gebiet bestehenden Funktionsbeeinträchtigungen sind mit einem GdB von 20 angemessen und ausreichend bewertet. Den abweichenden Bewertungen von Dr. N. und dem SG vermag sich der Senat nicht anzuschließen. Nach den AHP (Teil A Nr. 26.3) sind leichtere psychovegetative oder psychische Störungen mit einem GdB von 0 bis 20, stärker behindernde Störungen mit wesentlicher Einschränkung der Erlebnis- und Gestaltungsfähigkeit (z. B. ausgeprägtere depressive, hypochondrische, asthenische oder phobische Störungen, Entwicklungen mit Krankheitswert, somatoforme Störungen) mit einem GdB von 30 bis 40 und schwere Störungen (z. B. schwere Zwangskrankheit) mit mittelgradigen sozialen Anpassungsschwierigkeiten mit einem GdB von 50 bis 70 und mit schweren sozialen Anpassungsschwierigkeiten mit einem GdB von 80 bis 100 zu bewerten. Dass beim Kläger stärker behindernde Störungen mit einer wesentlichen Einschränkung der Erlebnis- und Gestaltungsfähigkeit oder gar schwere Störungen vorliegen, kann zur Überzeugung des Senats nicht angenommen werden.
30 
Zwar liegt beim Kläger nach den Ausführungen von Dr. N. in seinem Gutachten vom 30.09.2008 eine Krankheitsfehlverarbeitung mit karzinophobischer Störung, eine depressiv getönte Einschränkung der Erlebnisfähigkeit sowie eine hypochondrische Störung bei narzisstisch akzentuierter Persönlichkeit vor. Nach dem psychischen Befund waren unterschwellig nachdenkliche, ernste, teilweise auch ängstliche Stimmungsanteile sowie Verunsicherung und Labilisierung insbesondere in Bezug auf gesundheitliche Belange spürbar. Der Kläger war um eine Kontrolle seiner Emotionalität und um mögliche optimale Anpassung bemüht. Das inhaltliche Denken war teilweise von den psychischen und körperlichen Folgen der Erkrankung geprägt. Die Selbstwertregulation war beeinträchtigt. Es bestand eine deutlich verminderte Empfindlichkeit gegenüber Kritik und Zurücksetzung in Verbindung mit sthenischem Ehrgeiz. Diese bewirken nach den im Gutachten von Dr. N. mitgeteilten Angaben des Klägers jedoch nur leichtere psychovegetative oder psychische Störungen hinsichtlich seiner Teilhabe am Leben in der Gesellschaft. So hat sich der Kläger im Jahre 2005 als Geschäftsführer eines Personaldienstleistungsunternehmens selbstständig gemacht. Intern beschäftigt er zwei Mitarbeiter. Hinzu kommen zwischen 50 und 100 Leiharbeiter, die an Kunden verliehen werden. Weiterhin betreibt der Kläger eine eigene Unternehmensberatung bezüglich Prozessabläufe, Marketing und Management. Zum Tagesablauf hat der Kläger bei der Begutachtung angegeben, zwischen 5:00 Uhr und 6:00 Uhr aufzustehen. Nach dem Frühstück versucht der mit Leiharbeitern direkt bei seinen Kunden zu erscheinen und diese persönlich zu übergeben. Anschließend geht der Kläger in sein Büro. Dort hat er den ganzen Tag viel zu tun. Gegen 17:30 Uhr geht er nach Hause und versucht sich etwas zu entspannen. Dann wird gemeinsam zu Abend gegessen. Anschließend versucht er sich mit den Kindern zu beschäftigen. Nach seinen Angaben geht der Kläger gerne mit seiner Frau aus. Einmal in der Woche hat er einen Männerabend. Als Hobby hat der Kläger Motorradfahren und gemeinsame Aktivitäten mit der Familie angegeben. Dem Kläger ist ein Hauptanliegen, auch die Freizeit genießen zu können. Weiter bestehen nach den Angaben des Klägers keine Schlafstörungen, ein guter Appetit und eine stark vorhandene Libido. Nach dem psychologischen Befund war der Kläger bei klarem Bewusstsein und allseits orientiert. Er war im Kontakt freundlich und zugewandt, offen. Es fanden sich keine Anhalte für Störungen des formalen Denkens, der Wahrnehmung sowie auf kognitive Beeinträchtigungen. Stärker behindernde Störungen mit einer wesentlichen Einschränkung der Erlebnis- und Gestaltungsfähigkeit liegen danach beim Kläger zur Überzeugung des Senats nicht vor. Dabei verkennt der Senat nicht, dass der Kläger nach dem Gutachten von Dr. N. über mögliche Ursachen seiner Tumorerkrankung nachgrübelt und eine Angst vor potentiellen schädlichen Belastungen entwickelt hat, die ihm beschäftigt. Das Berufungsvorbringen des Klägers rechtfertigt keine andere Bewertung. Allein die narzisstische Persönlichkeitsstruktur des Klägers rechtfertigt keinen höheren GdB. Maßgeblich ist vielmehr, inwieweit der Kläger in seiner Teilhabe am Leben in der Gesellschaft tatsächlich beeinträchtigt ist. Dass die im Gutachten von Dr. N. wiedergegebenen Angaben des Klägers zu seinen beruflichen Aktivitäten und Freizeitaktivitäten nicht den tatsächlichen Gegebenheiten entsprechen, ist nicht ersichtlich. Dr. N. hat in seinem Gutachten Zweifel an der Glaubwürdigkeit dieser Angaben des Klägers nicht geäußert. Auch ist eine Richtigstellung durch den Kläger nicht erfolgt.
31 
Zudem befindet sich der Kläger wegen seiner seelische Störung nicht in ärztlicher Behandlung. Ob dem Berufungsvorbringen des Beklagten, seelische Störungen, die einen GdB von wenigstens 30 bedingten, bedürften einer engmaschigen fachärztlichen Betreuung, zu folgen ist, bedarf keiner Entscheidung des Senats. Denn aufgrund der fehlenden ärztlichen Behandlung kann jedenfalls - zum maßgeblichen Beurteilungszeitraum - nicht davon ausgegangen werden, dass das diagnostizierte seelische Leiden des Klägers über eine leichtere psychische Störung hinausgegangen ist und bereits eine stärker behindernde Störung im Sinne der GdB-Bewertungsgrundsätze darstellte. Ein entsprechender Leidensdruck des Klägers, der bei einer stärker behindernden psychischen Störung zu erwarten ist, findet sich nach den Ausführungen von Dr. N. in dessen Gutachten vom 30.09.2008 nicht. Der Kläger hatte bei der Untersuchung vielmehr angegeben, dass er seine Probleme nicht gerne nach außen trage, weil er seine Familie damit auch nicht belasten wolle. Insofern versuche er die Dinge mit sich selbst auszutragen und habe deshalb auch keine Behandlung in Anspruch genommen. Dies verdeutlicht, dass der Kläger seine Probleme als nicht so gravierend beurteilt, dass er sie nicht selbst bewältigen kann. Seine Erkrankung unter der Diagnose des Tumors sieht er nach eigenen Angaben rückschauend zwar als schweren Einschnitt in seinem Leben, der aber seinem Leben auch eine von ihm als positiv empfundene Wendung gegeben hatte. Mit der durch die Erkrankung angestoßenen beruflichen Veränderung zur Selbstständigkeit hatte er sich nach seiner Einschätzung beruflich komplett selbst verwirklicht und auch eine neue Lebenseinstellung gewonnen, da er die Erkenntnis erlangt habe, sich etwas gönnen zu müssen. Er sei spontaner und einsatzfreudiger geworden. Das nicht näher substantiierte Vorbringen des Klägers, fachärztliche Betreuung sei in seinem Fall nicht geeignet, eine Minderung der Beeinträchtigungen zu erreichen, belegt daher nicht eine gebotene Behandlungsbedürftigkeit und schon gar nicht eine tatsächlich fehlende Behandlungsoption.
32 
Die durch die Operation hervorgerufene Bauchnarbe des Klägers rechtfertigt nach den AHP keinen GdB, der bei der Bildung des Gesamt-GdB zu berücksichtigen ist. Dass die Bauchnarbe beim Kläger Funktionsbeeinträchtigungen hervorruft, ist nicht ersichtlich und wird von ihm auch nicht geltend gemacht.
33 
Zu Gunsten des Klägers ist eine wesentliche Änderung hinsichtlich der BG-anerkannten Unfallfolgen am rechten Handgelenk zu berücksichtigen, nach dem die Süddeutsche Metall-Berufsgenossenschaft mit Bescheid vom 27.08.2004 die Minderung der Erwerbsfähigkeit auf 20 v.H. festgestellt hat (vgl. § 69 Abs. 2 Satz 1 SGB IX). Dieser Feststellung hat der Beklagte durch sein Vergleichsangebot wie auch seinen Berufungsantrag Rechnung getragen. Einwendungen hiergegen hat der Kläger im Berufungsverfahren auch nicht erhoben.
34 
Hinsichtlich der Funktionsbehinderung des rechten oberen Sprunggelenks und Gebrauchseinschränkung des linken Fußes des Klägers ist eine rechtlich wesentliche Änderung (Verschlimmerung) nicht ersichtlich. Dr. N. hat beim Kläger den Teil-GdB wegen der Läsion des linken Plexus lumbosacralis sowie der Kahnbeinfraktur und der Sprunggelenksverletzung jeweils mit 20 bewertet. Eine solche Änderung wird vom Kläger auch nicht substantiiert vorgetragen.
35 
Sonstige Funktionsbeeinträchtigungen, die bei der Neufeststellung des Gesamt-GdB zu berücksichtigen sind, bestehen beim Kläger nicht.
36 
Ausgehend von den beim Kläger bei der Bildung des Gesamt-GdB zu berücksichtigenden Teil-GdB-Werten (Verlust des linken Hodens und seelische Störung, BG-anerkannten Unfallfolgen am rechten Handgelenk, Läsion des linken Plexus sowie Kahnbeinfraktur und Sprunggelenksverletzung jeweils mit einem Teil-GdB von 20), ist nach der Rechtsprechung des Senats die Feststellung der vom Kläger angestrebten Schwerbehinderteneigenschaft (GdB 50) nicht gerechtfertigt. Die schwerwiegendste Funktionsstörung ist hier eines der vier mit einem GdB von 20 bewerteten Leiden. Ein höherer GdB als 20 bedingt keine davon. Wenn mit einem GdB 20 bewertete Behinderungen nach den AHP es vielfach nicht rechtfertigen, den Gesamt-GdB zu erhöhen, ist es grundsätzlich nicht geboten, aus einer Häufung solcher Behinderungen die Schwerbehinderteneigenschaft zu folgern. Ein GdB von 50 kann daher nach der ständigen Rechtsprechung des Senats ohne zumindest eine mit einem GdB von 30 bewertete einzelne Funktionsstörung in der Regel nicht angenommen werden (vgl. Urt. des Senats vom 21.05.2010 - L 8 SB 2171/08 -).
37 
Anlass zu weiteren Ermittlungen besteht nicht. Der Sachverhalt ist durch die Ermittlungen des SG und die zu den Akten gelangten medizinischen Unterlagen geklärt.
38 
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
39 
Die Voraussetzungen für die Zulassung der Revision liegen nicht vor.

Die in § 1 genannten Grundsätze und Kriterien sind in der Anlage zu dieser Verordnung*als deren Bestandteil festgelegt.

(1) Auf Antrag des Versicherten, des behinderten Menschen, des Versorgungsberechtigten oder Hinterbliebenen muß ein bestimmter Arzt gutachtlich gehört werden. Die Anhörung kann davon abhängig gemacht werden, daß der Antragsteller die Kosten vorschießt und vorbehaltlich einer anderen Entscheidung des Gerichts endgültig trägt.

(2) Das Gericht kann einen Antrag ablehnen, wenn durch die Zulassung die Erledigung des Rechtsstreits verzögert werden würde und der Antrag nach der freien Überzeugung des Gerichts in der Absicht, das Verfahren zu verschleppen, oder aus grober Nachlässigkeit nicht früher vorgebracht worden ist.

Tenor

Die Berufung der Klägerin gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Freiburg vom 11. Oktober 2012 wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten im Berufungsverfahren sind nicht zu erstatten.

Tatbestand

 
Zwischen den Beteiligten ist Höhe und Eintritt des Grades der Behinderung (GdB) - mindestens 50 seit 16.11.2000 und mindestens 60 seit 01.01.2006 - streitig.
Die 1949 geborene Klägerin, die als Lehrerin im eigenen Ballettstudio arbeitet, beantragte am 31.08.2009 die Feststellung des GdB. Sie legte dabei eine Vielzahl von Arztbriefen vor.
So sind nach den Arztbriefen des Radiologen Dr. W. vom 25.05.1987, des Dr. Sch., Oberarzt an der R.-K. Bad K., vom 24.09.1987, des Prof. Dr. K., Ärztlicher Direktor an der Universitätsklinikum der A.-L.-Universität F., vom 10.03.1988, des Orthopäden Dr. R. vom 23.10.2006 und 22.07.2009 sowie des Radiologen Dr. F. vom 09.01.2009 Wirbelsäulenbeschwerden der Klägerin dokumentiert. Ferner beschrieben die Nervenärztin Dr. S. unter dem 31.08.1992 eine linksseitige Migräne und der Radiologe Dr. W. unter dem 10.09.1992 Zeichen einer Mastoiditis links sowie eine Sinusitis maxillaris. Ferner diagnostizierte Dr. G.-B., Oberärztin am Herz-Zentrum Bad K., in ihrem Arztbrief vom 18.06.1999 eine labile arterielle Hypertonie und wies der Kardiologe und Angiologe Dr. T. in seinem Befundbericht vom 08.02.2001 zusätzlich auf eine deutliche konzentrische Linksherzhypertrophie Mitralklappeninsuffizienz Grad I hin.
Seit Januar 2006 ist eine Hüftproblematik der Klägerin dokumentiert. So beschrieben der Radiologe Dr. P. unter dem 09.02.2006, die Orthopädin Dr. Sch. unter dem 06.06.2006 und Dr. R. unter dem 23.10.2006 eine Coxarthrose beidseits. Nach dem Operationsbericht des Orthopäden Dr. R. erfolgte am 24.11.2006 eine Implantation einer Totalendoprothese der rechten Hüfte. Im weiteren Verlauf stellte sich die Klägerin nach den Arztbriefen des Orthopäden und Rheumatologen Dr. B. vom 22.03.2007 und 22.04.2007, der Nuklearmedizinerin Dr. J. vom 29.03.2007, des Radiologen Dr. K. vom 16.04.2007, des Internisten Dr. W. vom 18.04.2007, des Neurologen und Psychiaters Dr. B. vom 25.11.2008 sowie des Dr. R., Chefarzt der Orthopädischen Chirurgie des L.-K. F., vom 14.01.2009 im Wesentlichen wegen Belastungsschmerzen, eines diffus entzündlichen Reizzustandes, einer Atrophie und Bursitis Beschwerden in der rechten Hüfte bei leichtgradiger Coxarthrose links vor. Außerdem beschrieb die Nuklearmedizinerin Dr. J. in ihren Arztbriefen vom 29.08.2006 und 15.04.2009 eine grenzgradig latente Hyperthyreose ohne Nachweis eines Nebenschilddrüsenadenom-Rezidivs und berichtete Dr. T., Assistenzärztin an der Chirurgischen K. des K.ums Lahr, in ihrem Arztbrief vom 27.10.2006 über eine Adenomexstirpation linkes oberes Epithelkörperchen.
Dr. M. berücksichtigte in der versorgungsärztlichen Stellungnahme vom 17.09.2009 als Behinderungen eine Hüftgelenksendoprothese rechts und eine Funktionsbehinderung des linken Hüftgelenks mit einem Einzel-GdB von 30, degenerative Veränderungen der Wirbelsäule und eine Wirbelsäulenverformung mit einem Einzel-GdB von 20, einen Bluthochdruck mit einem Einzel-GdB von 20 sowie eine Migräne mit einem Einzel-GdB von 10 und bewertete den Gesamt-GdB mit 50. Mit Bescheid vom 30.09.2009 stellte der Beklagte den GdB mit 30 vom 01.01.2001 bis zum 31.12.2005 und mit 50 seit 01.01.2006 fest. Er führte zur Begründung aus, die Auswirkung der Funktionsbeeinträchtigungen sei mit dem festgestellten GdB angemessen bewertet.
Hiergegen legte die Klägerin am 30.10.2009 Widerspruch ein, ohne diesen zu begründen. Mit Widerspruchsbescheid vom 28.04.2010 wies der Beklagte den Widerspruch zurück. Die Überprüfung habe ergeben, dass der angefochtene Bescheid keinen Anlass zu Beanstandungen gebe.
Hiergegen hat die Klägerin am 04.05.2010 Klage beim Sozialgericht Freiburg erhoben. Sie hat beantragt, den GdB mit 50 seit 16.11.2000 und mit 60 seit 01.01.2006 festzustellen. Es hätten bereits im November 2000 eine Betroffenheit in drei Wirbelsäulenabschnitten, ein schwer einstellbarer Blutdruck, eine mit Schielkomponente verbundene Migräne, eine Coxarthrose und Augenmuskelbeschwerden bestanden. Seit dem Jahr 2006 hätten sich die Erkrankungskomponenten verschlechtert.
Das Sozialgericht hat zunächst Dr. R. und Dr. W. schriftlich als sachverständige Zeugen gehört. Dr. R. hat unter dem 05.04.2011 die von ihm seit Februar 2009 gestellten Diagnosen dargelegt und den Zustand nach Totalendoprothese rechts mit deutlicher Muskelatrophie mit einem Einzel-GdB von 30 sowie die Skoliose der Wirbelsäule mit Bewegungseinschränkung und rezidivierenden segmentalen Funktionsstörungen mit einem Einzel-GdB von 20 bewertet. Dr. W. hat unter dem 07.04.2011 über die seit 2006 gestellten Diagnosen berichtet und die Coxarthrose beidseits mit Totalendoprothese rechts mit chronischer postoperativer Beschwerdesymptomatik mit einem Einzel-GdB von 40, die degenerative Veränderung der Wirbelsäule mit chronischen Beschwerden vor allem im Brust- und Lendenwirbelsäulenbereich mit einem Einzel-GdB von 30 bis 40, eine chronisch obstruktive Bronchitis mit allergischer Komponente mit einem Einzel-GdB von 20, die Schilddrüsenunterfunktion mit einem Einzel-GdB von 10, den Hypertonus mit einem Einzel-GdB von 20 sowie eine depressive Episode bei Persistenz mit einem Einzel-GdB von 20 bewertet und dabei unter anderem die Arztbriefe des Dr. F. vom 30.10.2008, worin der Verdacht auf eine Lockerung im Intertrochantär-Bereich geäußert worden ist, des Dr. R. vom 26.11.2008, in dem persistierende belastungsabhängige Schmerzen im Bereich der rechten Leiste beschrieben worden sind, und der Dr. J. vom 08.04.2010 mit Hinweis auf eine normalgroße, rechtsdiskret kleinknotig umgewandelte Schilddrüse mit wieder leichter Volumenreduktion, vorgelegt.
Sodann hat das Sozialgericht von Amts wegen das Gutachten des Orthopäden Dr. Dr. Sch. vom 30.05.2011 eingeholt. Dem Sachverständigen hat die Klägerin berichtet, bis März 2011 Thermalbadbehandlungen durchgeführt sowie Fitnesstraining in einem Gerätepark gemacht zu haben. Wegen ihrer Wirbelsäulenprobleme habe sie gelegentlich Schlafprobleme. Die Übungen könne sie als Ballettlehrerin praktisch nicht mehr selbst demonstrieren. Nach 30 Minuten Spazierengehen habe sie Wirbelsäulen- und Hüftschmerzen. Ihr Gangbild sei bei freier Funktion des endoprothetisch versorgten rechten Hüftgelenks unauffällig gewesen. Trotz berichteten linksseitigen Innenrotationsschmerzes gelte das auch für das andere Hüftgelenk. Der neurologische Status sei unauffällig gewesen. Die Bemuskelung der Beine und die Fußsohlenbeschwielung sei seitengleich, so dass die Einschränkung der freien Wegstrecke nicht nachvollziehbar sei. Der Sachverständige hat den GdB für das Wirbelsäulensyndrom mit geringgradigen funktionellen Auswirkungen mit Veränderungen in drei Abschnitten mit einem Einzel-GdB von 20 sowie das Hüftleiden mit Endoprothese rechts und Coxarthrose links mit einem Einzel-GdB von 30 bewertet.
10 
Mit Gerichtsbescheid vom 11.10.2012 hat das Sozialgericht die Klage nach vorangegangener Anhörung abgewiesen. Es hat zur Begründung ausgeführt, bei der Klägerin bestünden seit Mai 1995 Wirbelsäulenschäden mit einem Einzel-GdB von 20, seit Januar 2001 eine deutliche konzentrische Linksherzhypertrophie mit einem Einzel-GdB von 20, seit Januar 2006 Hüftbeschwerden mit einer Hüftgelenksendoprothese rechts und einer Funktionsbeeinträchtigung der linken Hüfte mit einem Einzel-GdB von 30 und zusätzlich eine Migräne mit einem Einzel-GdB von 10. Es hat sich dabei auf die versorgungsärztliche Stellungnahme von Dr. M. vom 17.09.2009 und das Gutachten des Dr. Dr. Sch. vom 30.05.2011 gestützt. Es hat ferner ausgeführt, die von Dr. W. angegebene depressive Episode rechtfertige keinen Einzel-GdB, da hierzu keine Befunde angegeben worden seien und sich die Klägerin insoweit auch nicht in fachärztliche Behandlung begeben habe. Unter Zugrundelegung dieser Einzel-GdB-Werte betrage der Gesamt-GdB 30 vom 01.01.2001 bis zum 31.12.2005 und 50 seit 01.01.2006.
11 
Die Klägerin hat gegen den ihren Prozessbevollmächtigten am 13.10.2012 zugestellten Gerichtsbescheid am 12.11.2012 Berufung eingelegt. Sie hat ausgeführt, sie leide an einer chronifizierten obstruktiven Bronchitis mit allergischer Komponente, einer beidseitigen Coxarthrose und einer persistierend chronifizierten Depression. All dies habe aber schon vor dem Jahr 2001 vorgelegen.
12 
Die Klägerin beantragt,
13 
den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Freiburg vom 11. Oktober 2012 aufzuheben, den Bescheid des Beklagten vom 30. September 2009 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 28. April 2010 abzuändern und den Beklagten zu verurteilen, den Grad der Behinderung mit mindestens 50 seit 16. November 2000 und mit mindestens 60 seit 1. Januar 2006 festzustellen,
hilfsweise den Rechtsstreit wegen weiterer Sachverhaltsermittlung nach § 159 Sozialgerichtsgesetz an das Sozialgericht Freiburg zurückzuverweisen,
hilfsweise über die chronifizierte obstruktive Bronchitis mit allergischer Komponente ein internistisch-lungenfachärztliches Gutachten von Amts wegen einzuholen,
hilfsweise über die Operations-Indikation der linken Hüfte ein orthopädisches Gutachten von Amts wegen einzuholen,
hilfsweise ein Gutachten bei Prof. Dr. St., P.-T.-Straße 13, ... W. nach § 109 Sozialgerichtsgesetz einzuholen.
14 
Der Beklagte beantragt,
15 
die Berufung zurückzuweisen.
16 
Er hat darauf hingewiesen, dass die jetzt geltend gemachten Leiden wie chronische Bronchitis und Depression im Antrag der Klägerin überhaupt nicht angegeben worden seien, was schwerwiegende Beeinträchtigungen nicht annehmen lasse. Ferner seien im Verwaltungsverfahren auch keinerlei diesbezüglichen Befunde vorgelegt worden. Erstmals habe Dr. W. in seiner im Klageverfahren abgegebenen sachverständigen Zeugenauskunft unter anderem eine chronische obstruktive Bronchitis mit allergischer Komponente bei Pollenallergie sowie eine depressive Episode seit Juli 2009 angegeben. Im Rahmen der Begutachtung durch Dr. Dr. Sch. habe die Klägerin weder über eine Bronchitis noch eine Depression berichtet. Im Übrigen trage die Klägerin die Beweislast, was umso mehr gelte, als erstmals im Jahr 2009 eine fast 10 Jahre rückwirkende Feststellung geltend gemacht worden sei, bei der sich die Sachaufklärung naturgemäß etwas schwieriger gestalte als bei einer zeitnahen Antragstellung. Hätten tatsächlich bereits im Jahr 2000 erhebliche Beschwerden vorgelegen, so hätte eine frühere Antragstellung nahegelegen.
17 
Der für den 27.02.2013 anberaumte Erörterungstermin ist aufgehoben worden, nachdem der klägerische Bevollmächtigte ausgeführt hat, es müssten schon „ganz gewichtige Gründe für eine solcher Terminierung vorliegen für eine Anreise aus dem südbadischen Raum“.
18 
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf den Akteninhalt verwiesen.

Entscheidungsgründe

 
19 
Die gemäß §§ 143 und 144 Sozialgerichtsgesetz (SGG) statthafte und nach § 151 SGG zulässige Berufung ist unbegründet.
20 
Das Sozialgericht hat mit zutreffender Begründung dargelegt, dass der GdB der Klägerin seit dem 16.11.2000 nicht mit mehr als 30 und seit dem 01.01.2006 nicht mit mehr als 50 festzustellen ist.
21 
Maßgebliche Rechtsgrundlagen für die Beurteilung des GdB sind die Vorschriften des Neunten Buches Sozialgesetzbuch (SGB IX). Auf Antrag des behinderten Menschen stellen die für die Durchführung des Bundesversorgungsgesetzes (BVG) zuständigen Behörden das Vorliegen einer Behinderung und den GdB fest (§ 69 Abs. 1 Satz 1 SGB IX). Menschen sind behindert, wenn ihre körperliche Funktion, geistige Fähigkeit oder seelische Gesundheit mit hoher Wahrscheinlichkeit länger als sechs Monate von dem für das Lebensalter typischen Zustand abweichen und daher ihre Teilhabe am Leben in der Gesellschaft beeinträchtigt ist (§ 2 Abs. 1 SGB IX). Die Auswirkungen der Behinderung auf die Teilhabe am Leben in der Gesellschaft werden als GdB nach Zehnergraden abgestuft festgestellt, wobei eine Feststellung nur dann zu treffen ist, wenn ein GdB von wenigstens 20 vorliegt (§ 69 Abs. 1 Sätze 3 und 6 SGB IX). Liegen mehrere Beeinträchtigungen der Teilhabe am Leben in der Gesellschaft vor, so wird der GdB nach den Auswirkungen der Beeinträchtigungen in ihrer Gesamtheit unter Berücksichtigung ihrer wechselseitigen Beziehungen festgestellt (§ 69 Abs. 3 Satz 1 SGB IX). Die Feststellung des GdB ist eine rechtliche Wertung von Tatsachen, die mit Hilfe von medizinischen Sachverständigen festzustellen sind. Dabei sind bis zum 31.12.2008 die im Interesse einer gleichmäßigen Rechtsanwendung als antizipierte Sachverständigengutachten angewandten „Anhaltspunkte für die ärztliche Gutachtertätigkeit im sozialen Entschädigungsrecht und nach dem Schwerbehindertenrecht (Teil 2 SGB IX)“ (AHP) und ist seit 01.01.2009 die an ihre Stelle getretene Anlage „Versorgungsmedizinische Grundsätze“ (VG) zu § 2 der Verordnung zur Durchführung des § 1 Abs. 1 und 3, § 30 Abs. 1 und § 35 Abs. 1 BVG vom 10.12.2008 - BGBl. I. S. 2412 (Versorgungsmedizin-Verordnung; VersMedV) anzuwenden. Da sich in Bezug auf die vorliegend zu beurteilende Problematik die VG gegenüber den AHP nicht wesentlich geändert haben, stellt der Senat im Folgenden allein auf die VG ab.
22 
Soweit die Klägerin die rückwirkende Feststellung der Schwerbehinderteneigenschaft seit 16.11.2000 begehrt, B.eht das dafür erforderliche besondere Interesse (vergleiche dazu Urteil des Senats vom 21.02.2012 - L 6 SB 4007/12 - mit weiteren Nachweisen). Denn nach § 236a Abs. 4 Sechstes Buch Sozialgesetzbuch (SGB VI) haben Versicherte, die - wie die Klägerin - vor dem 17.11.1950 geboren sind, Anspruch auf eine Altersrente für schwerbehinderte Menschen, wenn sie unter anderem am 16.11.2000 schwerbehindert waren.
23 
Unter Berücksichtigung der oben dargestellten Grundsätze beträgt der GdB seit 16.11.2000 nicht mehr als 30 und seit 01.01.2006 nicht mehr als 50.
24 
Für die Zeit vom 16.11.2000 bis zum 31.12.2005 waren die Behinderungen in den Funktionssystemen Rumpf, Herz-Kreislauf und Gehirn einschließlich Psyche zu berücksichtigen.
25 
Im Funktionssystem Rumpf beträgt jedenfalls seit 16.11.2000 der Einzel-GdB nicht mehr als 20. Nach den VG Teil B Nr. 18.9 beträgt bei Wirbelsäulenschäden mit mittelgradigen funktionellen Auswirkungen in einem Wirbelsäulenabschnitt (Verformung, häufig rezidivierende oder anhaltende Bewegungseinschränkung oder Instabilität mittleren Grades, häufig rezidivierende und über Tage andauernde Wirbelsäulensyndrome) der GdB 20, mit schweren funktionellen Auswirkungen in einem Wirbelsäulenabschnitt (Verformung, häufig rezidivierende oder anhaltende Bewegungseinschränkung oder Instabilität schweren Grades, häufig rezidivierende und Wochen andauernde ausgeprägte Wirbelsäulensyndrome) der GdB 30 und mit mittelgradigen bis schweren funktionellen Auswirkungen in zwei Wirbelsäulenabschnitten der GdB 30 bis 40. Bei der Klägerin liegen weder mittelgradige noch schwere Auswirkungen in einem oder gar zwei Wirbelsäulenabschnitt/en vor. Der Senat stützt sich dabei auf die überzeugenden Ausführungen des Dr. Dr. Sch. in seinem Gutachten vom 30.05.2011, wonach bei der Klägerin in allen Wirbelsäulenabschnitten nur geringgradige Bewegungseinschränkungen bei neurologisch unauffälligem Status vorliegen. Diese Darlegungen korrespondieren mit den in seinem Gutachten dargestellten Befunden und sind daher in sich schlüssig und nachvollziehbar. Mithin beträgt der für den Wirbelsäulenschaden festzulegende Einzel-GdB jedenfalls nicht mehr als 20. Der Senat hat keinerlei Anhaltspunkte dafür, dass die so bewertete Wirbelsäulensymptomatik in der Zeit vor der Begutachtung ausgeprägter gewesen ist. Den von der Klägerin umfangreich vorgelegten ärztlichen Unterlagen, insbesondere der sachverständigen Zeugenaussage des Dr. R., lassen sich keine Funktionsbeeinträchtigungen entnehmen, die eine höhere Bewertung des GdB für die bis zum 16.11.2000 zurückreichende Zeit rechtfertigen könnten. Für die Richtigkeit der gutachterlichen Einschätzung spricht auch, dass die Klägerin in der Vergangenheit ihren Beruf als Ballettlehrerin, der ihren eigenen Angaben zufolge mit der Demonstration der Übungen verbunden ist, erst zum Untersuchungszeitpunkt im Mai 2011 als eingeschränkt bezeichnet hat. Dies dokumentiert eindrucksvoll eine erhaltene Beweglichkeit der Wirbelsäule, die der Sachverständige zutreffend auf die Trainierung des Rumpfes, die der Klägerin in der Vergangenheit aber möglich war, zurückgeführt hat.
26 
Im Funktionssystem Herz-Kreislauf beträgt jedenfalls seit 16.11.2000 der Einzel-GdB nicht mehr als 20. Die Klägerin leidet nach den Arztbriefen der Dr. G.-B. vom 18.06.1999 und des Dr. T. vom 08.02.2001 an einer deutlichen konzentrischen Linksherzhypertrophie und Belastungshypertonie. Aus den vorgelegten ärztlichen Unterlagen ergibt sich weder eine nach den VG Teil B Nr. 9.1.1 einen GdB von mehr als 10 bedingende Leistungsbeeinträchtigung der Herzleistung bei mittelschwerer Belastung noch eine nach den VG Teil B Nr. 9.3 einen GdB von mehr als 10 bedingende Hypertonie in mittelschwerer Form mit Organbeteiligung.
27 
Im Funktionssystem Gehirn einschließlich Psyche beträgt jedenfalls seit 16.11.2000 der Einzel-GdB nicht mehr als 10. Nach den VG Teil B Nr. 2.3 beträgt bei einer echten Migräne je nach Häufigkeit und Dauer der Anfälle und Ausprägung der Begleiterscheinungen der GdB 0 bis 10 bei leichter Verlaufsform (Anfälle durchschnittlich einmal monatlich) und der GdB 20 bis 40 bei mittelgradiger Verlaufsform (häufigere Anfälle, jeweils einen oder mehrere Tage anhaltend). Dass es sich bei der im Arztbrief der Dr. S. vom 31.08.1992 dokumentierten linksseitigen Migräne der Klägerin um eine leichte Verlaufsform handelt, ergibt sich aus den darin enthaltenen Angaben, wonach die nicht mit Erbrechen oder Sehstörungen verbundenen nicht ganz typischen Migräneattacken bei der Klägerin selten, anfänglich zweimal monatlich und sodann einmal wöchentlich aufgetreten sind. Es handelt sich dabei zwar um häufigere Anfälle. Deren Begleiterscheinungen sind aber eher gering ausgeprägt. Im Übrigen hat die Klägerin in ihrem am 31.08.2009 gestellten Formularantrag eine Migräne nicht angegeben, was ebenfalls für einen relativ geringen Ausprägungsgrad dieser Erkrankung spricht. Eine höhere Bewertung dieses Einzel-GdB ergibt sich nicht aus der von Dr. W. in seiner sachverständigen Zeugenauskunft vom 07.04.2011 angegebenen depressiven Episode. Er hat weder sich hieraus ergebende Funktionseinschränkungen beschrieben noch Angaben zu deren Dauerhaftigkeit gemacht. Auch fehlt es an einer für die Berücksichtigung als Behinderung aber erforderlichen regelmäßigen fachpsychiatrischen Behandlung (ständige Senatsrechtsprechung, vergleiche zuletzt Urteil vom 13.12.2012 - L 6 SB 4192/12).
28 
Im Funktionssystem Atmung liegt kein Einzel-GdB vor. Zwar hat Dr. W. in seiner sachverständigen Zeugenauskunft vom 07.04.2011 auf eine chronische obstruktive Bronchitis mit allergischer Komponente hingewiesen. Er hat aber keine Angaben über etwaige hieraus resultierende dauerhafte Funktionseinschränkungen gemacht. Auch ist eine lungenfachärztliche Behandlung der Klägerin nicht dokumentiert. Eine nach den VG Teil B Nr. 8.2 einen GdB von mehr als 10 bedingende chronische Bronchitis in schwerer Form, also mit fast kontinuierlichem Husten und Auswurf sowie häufig akuten Schüben, ist mithin nicht nachgewiesen.
29 
Die weiteren sich aus den umfangreichen ärztlichen Unterlagen ergebenden Diagnosen wie grenzwertig latente Hypothyreose, Autoimmunthyreoiditis, Zeichen einer Mastoiditis links sowie Sinusitis maxillaris stellen keine dauerhaften einen Einzel-GdB rechtfertigende Behinderungen dar.
30 
Für die Zeit seit 01.01.2006 ist zusätzlich die erstmals ab diesem Zeitpunkt dokumentierte Behinderung im Funktionssystem Beine zu berücksichtigen.
31 
Im Funktionssystem Beine beträgt seit 01.01.2006 der Einzel-GdB nicht mehr als 30. Nach den VG Teil B Nr. 18.12 beträgt bei einer Hüftgelenks-Endoprothese in Abhängigkeit von der verbliebenen Bewegungseinschränkung und Belastbarkeit der GdB mindestens 20 und seit der Dritten Verordnung zur Änderung der VersMedV vom 17.12.2010 nur noch mindestens 10. Nach den VG Teil B Nr. 18.14 beträgt bei einer Bewegungseinschränkung der Hüftgelenke geringen Grades (zum Beispiel Streckung/Beugung bis zu 0-10-90 Grad mit entsprechender Einschränkung der Dreh- und Spreizfähigkeit) einseitig der GdB 10 bis 20 sowie beidseitig der GdB 20 bis 30, mittleren Grades (zum Beispiel Streckung/Beugung bis zu 0-30-90 Grad mit entsprechender Einschränkung der Dreh- und Spreizfähigkeit) einseitig der GdB 30 und beidseitig der GdB 50. Bei der Klägerin liegt im Bereich der rechten Hüfte eine Totalendoprothese seit 24.11.2006 und im Bereich beider Hüftgelenke eine geringgradige Bewegungseinschränkung vor. Der Senat stützt sich dabei auf die von Dr. Dr. Sch. in seinem Gutachten vom 30.05.2011 erhobenen Befunde, wonach bei der Klägerin im Bereich der Hüftgelenke ein Bewegungsmaß von 0/0/120 Grad rechts und 20/0/120 Grad links gegeben ist. Mithin beträgt der Einzel-GdB jedenfalls nicht mehr als 30 für den Bereich der unteren Extremitäten. Der Senat hat keinerlei Anhaltspunkte dafür, dass das so bewertete Hüftgelenksleiden in der Zeit vor der Begutachtung ausgeprägter gewesen ist. Den von der Klägerin umfangreich vorgelegten ärztlichen Unterlagen lassen sich keine Bewegungsmaße entnehmen, die eine höhere Bewertung des GdB für die bis zum 01.01.2006 zurückreichende Zeit rechtfertigen könnte.
32 
Aus alledem ergibt sich folgende Gesamt-GdB-Bewertung: Für die Zeit seit 16.11.2000 ergibt sich unter Berücksichtigung der dargelegten Einzel-GdB-Werte (Einzel-GdB nicht mehr als 20 für das Funktionssystem Rumpf, Einzel-GdB nicht mehr als 20 für das Funktionssystem Herz-Kreislauf, Einzel-GdB nicht mehr als 10 für das Funktionssystem Gehirn einschließlich Psyche) ein Gesamt-GdB von nicht mehr als 30. Für die Zeit seit 01.01.2006 ergibt sich nach Hinzutreten des Einzel-GdB von nicht mehr als 30 für das Funktionssystem Beine ein Gesamt-GdB von nicht mehr als 50. Dies ergibt sich für beide Zeiträume aus der teilweisen Überschneidung der Auswirkungen der Behinderungen auf orthopädischem, internistischem und nervenheilkundlichem Fachgebiet und dem Umstand, dass nach den VG Teil A Nr. 3 d ee Einzel-GdB-Werte von 10 grundsätzlich nicht zu einer Zunahme des Ausmaßes der Gesamtbehinderung führen.
33 
Dem auf die Aufhebung des Gerichtsbescheides des Sozialgerichts vom 11.10.2012, Abänderung des Bescheides des Beklagten vom 30.09.2009 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 28.04.2010 und Verurteilung des Beklagten auf Feststellung des GdB mit mindestens 50 seit 16.11.2000 und mit mindestens 60 seit 01.01.2006 gerichteten Hauptantrag musste daher der Erfolg versagt bleiben.
34 
Auch war der Hilfsantrag, den Rechtsstreit an das Sozialgericht zurückzuverweisen, abzulehnen. Nach § 159 Abs. 1 SGG kann das Landessozialgericht die angefochtene Entscheidung aufheben und die Sache an das Sozialgericht zurückverweisen, wenn dieses die Klage abgewiesen hat, ohne in der Sache selbst zu entscheiden oder das Verfahren an einem wesentlichen Mangel leidet und auf Grund dieses Mangels eine umfangreiche und aufwändige Beweisaufnahme notwendig ist. Zum einen hat das Sozialgericht in der Sache entschieden. Zum anderen hält der Senat eine weitere Beweisaufnahme nicht für notwendig.
35 
Deswegen waren die weiteren Hilfsanträge, von Amts wegen weitere Gutachten einzuholen, abzulehnen. Der Rechtsstreit war entscheidungsreif. Es war von Amts wegen weder über die chronifizierte obstruktive Bronchitis mit allergischer Komponente ein internistisch-lungenfachärztliches Gutachten noch über die Operations-Indikation der linken Hüfte ein orthopädisches Gutachten einzuholen. Da in Bezug auf die von Dr. W. aufgeführte chronische obstruktive Bronchitis mit allergischer Komponente keine hieraus resultierenden dauerhaften Funktionseinschränkungen und auch keine lungenfachärztliche Behandlung der Klägerin dokumentiert ist, hat sich der Senat nicht veranlasst gesehen, weitere Ermittlungen anzustellen, zumal die Klägerin noch im Antragsformular am 26.08.2009 und gegenüber Dr. Dr. Sch. am 23.05.2011 keine Angaben zu einer solchen Erkrankung gemacht hat und auch im weiteren Verlauf zwar diese Diagnose genannt, aber etwaige sich hieraus ergebende Leistungseinschränkungen in ihren Schriftsätzen vom 23.08.2011, 12.11.2012 und 19.03.2013 nicht geschildert hat. Auch hat die Klägerin die ihr vom Senat gegebene Möglichkeit, sich unter anderem hierzu im Rahmen des anberaumten Erörterungstermins zu äußern, nicht wahrgenommen und vielmehr unter Hinweis auf die Länge des Anfahrtsweges eine Aufhebung dieses Termins beantragt. Auch war auf orthopädischem Fachgebiet kein weiteres Gutachten von Amts wegen einzuholen. Denn insbesondere in Bezug auf das linke Hüftgelenk liegt bereits das überzeugende Gutachten des Dr. Dr. Sch. vor. Die von der Klägerin vorgetragene Operations-Indikation lässt die von Dr. Dr. Sch. befundeten und für die GdB-Beurteilung maßgeblichen Bewegungsmaße keinesfalls als unschlüssig erscheinen.
36 
Auch der weitere Hilfsantrag, nach § 109 SGG ein Gutachten bei Prof. Dr. St., P.-T.-Straße 13, ... W. einzuholen, war abzulehnen. Nach § 109 Abs. 2 SGG kann das Gericht einen solchen Antrag ablehnen, wenn durch die Zulassung die Erledigung des Rechtsstreits verzögert werden würde und der Antrag nach der freien Überzeugung des Gerichts aus grober Nachlässigkeit nicht früher vorgebracht worden ist. Dies ist vorliegend der Fall. Die Einholung des beantragten Gutachtens hätte die Erledigung des Rechtsstreits verzögert. Musste der Antragsteller erkennen, dass das Gericht von Amts wegen nicht weiter ermittelt, liegt grobe Nachlässigkeit vor, wenn der Antrag nicht in angemessener Frist, sondern erst unmittelbar vor der mündlichen Verhandlung gestellt wird (Keller in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, 10. Auflage, § 109, Rz. 11; Hk-SGG/Roller, 3. Auflage, § 109, Rz. 13; BSG, Urteil vom 10.12.1958 - 4 RJ 143/58). So liegt der Fall hier. Der Senat hat mit seiner am 25.02.2013 erfolgten Ladung zur am 21.03.2013 stattfindenden mündlichen Verhandlung zu erkennen gegeben, dass er von Amts wegen keine weiteren Gutachten einholen werde. Der erst am 19.03.2013 eingegangene Antrag der Klägerin ist mithin verspätet. Der Senat hat keine Anhaltspunkte dafür, warum dies nicht auf grober Nachlässigkeit des Prozessbevollmächtigten der Klägerin, dessen Verhalten ihr zuzurechnen ist (Keller in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, 10. Auflage, § 109, Rz. 11; Hk-SGG/Roller, 3. Auflage, § 109, Rz. 13), beruhen sollte.
37 
Die Berufung war nach alledem zurückzuweisen.
38 
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
39 
Die Revision war nicht zuzulassen, da die Voraussetzungen des § 160 Abs. 2 SGG nicht vorliegen.

Gründe

 
19 
Die gemäß §§ 143 und 144 Sozialgerichtsgesetz (SGG) statthafte und nach § 151 SGG zulässige Berufung ist unbegründet.
20 
Das Sozialgericht hat mit zutreffender Begründung dargelegt, dass der GdB der Klägerin seit dem 16.11.2000 nicht mit mehr als 30 und seit dem 01.01.2006 nicht mit mehr als 50 festzustellen ist.
21 
Maßgebliche Rechtsgrundlagen für die Beurteilung des GdB sind die Vorschriften des Neunten Buches Sozialgesetzbuch (SGB IX). Auf Antrag des behinderten Menschen stellen die für die Durchführung des Bundesversorgungsgesetzes (BVG) zuständigen Behörden das Vorliegen einer Behinderung und den GdB fest (§ 69 Abs. 1 Satz 1 SGB IX). Menschen sind behindert, wenn ihre körperliche Funktion, geistige Fähigkeit oder seelische Gesundheit mit hoher Wahrscheinlichkeit länger als sechs Monate von dem für das Lebensalter typischen Zustand abweichen und daher ihre Teilhabe am Leben in der Gesellschaft beeinträchtigt ist (§ 2 Abs. 1 SGB IX). Die Auswirkungen der Behinderung auf die Teilhabe am Leben in der Gesellschaft werden als GdB nach Zehnergraden abgestuft festgestellt, wobei eine Feststellung nur dann zu treffen ist, wenn ein GdB von wenigstens 20 vorliegt (§ 69 Abs. 1 Sätze 3 und 6 SGB IX). Liegen mehrere Beeinträchtigungen der Teilhabe am Leben in der Gesellschaft vor, so wird der GdB nach den Auswirkungen der Beeinträchtigungen in ihrer Gesamtheit unter Berücksichtigung ihrer wechselseitigen Beziehungen festgestellt (§ 69 Abs. 3 Satz 1 SGB IX). Die Feststellung des GdB ist eine rechtliche Wertung von Tatsachen, die mit Hilfe von medizinischen Sachverständigen festzustellen sind. Dabei sind bis zum 31.12.2008 die im Interesse einer gleichmäßigen Rechtsanwendung als antizipierte Sachverständigengutachten angewandten „Anhaltspunkte für die ärztliche Gutachtertätigkeit im sozialen Entschädigungsrecht und nach dem Schwerbehindertenrecht (Teil 2 SGB IX)“ (AHP) und ist seit 01.01.2009 die an ihre Stelle getretene Anlage „Versorgungsmedizinische Grundsätze“ (VG) zu § 2 der Verordnung zur Durchführung des § 1 Abs. 1 und 3, § 30 Abs. 1 und § 35 Abs. 1 BVG vom 10.12.2008 - BGBl. I. S. 2412 (Versorgungsmedizin-Verordnung; VersMedV) anzuwenden. Da sich in Bezug auf die vorliegend zu beurteilende Problematik die VG gegenüber den AHP nicht wesentlich geändert haben, stellt der Senat im Folgenden allein auf die VG ab.
22 
Soweit die Klägerin die rückwirkende Feststellung der Schwerbehinderteneigenschaft seit 16.11.2000 begehrt, B.eht das dafür erforderliche besondere Interesse (vergleiche dazu Urteil des Senats vom 21.02.2012 - L 6 SB 4007/12 - mit weiteren Nachweisen). Denn nach § 236a Abs. 4 Sechstes Buch Sozialgesetzbuch (SGB VI) haben Versicherte, die - wie die Klägerin - vor dem 17.11.1950 geboren sind, Anspruch auf eine Altersrente für schwerbehinderte Menschen, wenn sie unter anderem am 16.11.2000 schwerbehindert waren.
23 
Unter Berücksichtigung der oben dargestellten Grundsätze beträgt der GdB seit 16.11.2000 nicht mehr als 30 und seit 01.01.2006 nicht mehr als 50.
24 
Für die Zeit vom 16.11.2000 bis zum 31.12.2005 waren die Behinderungen in den Funktionssystemen Rumpf, Herz-Kreislauf und Gehirn einschließlich Psyche zu berücksichtigen.
25 
Im Funktionssystem Rumpf beträgt jedenfalls seit 16.11.2000 der Einzel-GdB nicht mehr als 20. Nach den VG Teil B Nr. 18.9 beträgt bei Wirbelsäulenschäden mit mittelgradigen funktionellen Auswirkungen in einem Wirbelsäulenabschnitt (Verformung, häufig rezidivierende oder anhaltende Bewegungseinschränkung oder Instabilität mittleren Grades, häufig rezidivierende und über Tage andauernde Wirbelsäulensyndrome) der GdB 20, mit schweren funktionellen Auswirkungen in einem Wirbelsäulenabschnitt (Verformung, häufig rezidivierende oder anhaltende Bewegungseinschränkung oder Instabilität schweren Grades, häufig rezidivierende und Wochen andauernde ausgeprägte Wirbelsäulensyndrome) der GdB 30 und mit mittelgradigen bis schweren funktionellen Auswirkungen in zwei Wirbelsäulenabschnitten der GdB 30 bis 40. Bei der Klägerin liegen weder mittelgradige noch schwere Auswirkungen in einem oder gar zwei Wirbelsäulenabschnitt/en vor. Der Senat stützt sich dabei auf die überzeugenden Ausführungen des Dr. Dr. Sch. in seinem Gutachten vom 30.05.2011, wonach bei der Klägerin in allen Wirbelsäulenabschnitten nur geringgradige Bewegungseinschränkungen bei neurologisch unauffälligem Status vorliegen. Diese Darlegungen korrespondieren mit den in seinem Gutachten dargestellten Befunden und sind daher in sich schlüssig und nachvollziehbar. Mithin beträgt der für den Wirbelsäulenschaden festzulegende Einzel-GdB jedenfalls nicht mehr als 20. Der Senat hat keinerlei Anhaltspunkte dafür, dass die so bewertete Wirbelsäulensymptomatik in der Zeit vor der Begutachtung ausgeprägter gewesen ist. Den von der Klägerin umfangreich vorgelegten ärztlichen Unterlagen, insbesondere der sachverständigen Zeugenaussage des Dr. R., lassen sich keine Funktionsbeeinträchtigungen entnehmen, die eine höhere Bewertung des GdB für die bis zum 16.11.2000 zurückreichende Zeit rechtfertigen könnten. Für die Richtigkeit der gutachterlichen Einschätzung spricht auch, dass die Klägerin in der Vergangenheit ihren Beruf als Ballettlehrerin, der ihren eigenen Angaben zufolge mit der Demonstration der Übungen verbunden ist, erst zum Untersuchungszeitpunkt im Mai 2011 als eingeschränkt bezeichnet hat. Dies dokumentiert eindrucksvoll eine erhaltene Beweglichkeit der Wirbelsäule, die der Sachverständige zutreffend auf die Trainierung des Rumpfes, die der Klägerin in der Vergangenheit aber möglich war, zurückgeführt hat.
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Im Funktionssystem Herz-Kreislauf beträgt jedenfalls seit 16.11.2000 der Einzel-GdB nicht mehr als 20. Die Klägerin leidet nach den Arztbriefen der Dr. G.-B. vom 18.06.1999 und des Dr. T. vom 08.02.2001 an einer deutlichen konzentrischen Linksherzhypertrophie und Belastungshypertonie. Aus den vorgelegten ärztlichen Unterlagen ergibt sich weder eine nach den VG Teil B Nr. 9.1.1 einen GdB von mehr als 10 bedingende Leistungsbeeinträchtigung der Herzleistung bei mittelschwerer Belastung noch eine nach den VG Teil B Nr. 9.3 einen GdB von mehr als 10 bedingende Hypertonie in mittelschwerer Form mit Organbeteiligung.
27 
Im Funktionssystem Gehirn einschließlich Psyche beträgt jedenfalls seit 16.11.2000 der Einzel-GdB nicht mehr als 10. Nach den VG Teil B Nr. 2.3 beträgt bei einer echten Migräne je nach Häufigkeit und Dauer der Anfälle und Ausprägung der Begleiterscheinungen der GdB 0 bis 10 bei leichter Verlaufsform (Anfälle durchschnittlich einmal monatlich) und der GdB 20 bis 40 bei mittelgradiger Verlaufsform (häufigere Anfälle, jeweils einen oder mehrere Tage anhaltend). Dass es sich bei der im Arztbrief der Dr. S. vom 31.08.1992 dokumentierten linksseitigen Migräne der Klägerin um eine leichte Verlaufsform handelt, ergibt sich aus den darin enthaltenen Angaben, wonach die nicht mit Erbrechen oder Sehstörungen verbundenen nicht ganz typischen Migräneattacken bei der Klägerin selten, anfänglich zweimal monatlich und sodann einmal wöchentlich aufgetreten sind. Es handelt sich dabei zwar um häufigere Anfälle. Deren Begleiterscheinungen sind aber eher gering ausgeprägt. Im Übrigen hat die Klägerin in ihrem am 31.08.2009 gestellten Formularantrag eine Migräne nicht angegeben, was ebenfalls für einen relativ geringen Ausprägungsgrad dieser Erkrankung spricht. Eine höhere Bewertung dieses Einzel-GdB ergibt sich nicht aus der von Dr. W. in seiner sachverständigen Zeugenauskunft vom 07.04.2011 angegebenen depressiven Episode. Er hat weder sich hieraus ergebende Funktionseinschränkungen beschrieben noch Angaben zu deren Dauerhaftigkeit gemacht. Auch fehlt es an einer für die Berücksichtigung als Behinderung aber erforderlichen regelmäßigen fachpsychiatrischen Behandlung (ständige Senatsrechtsprechung, vergleiche zuletzt Urteil vom 13.12.2012 - L 6 SB 4192/12).
28 
Im Funktionssystem Atmung liegt kein Einzel-GdB vor. Zwar hat Dr. W. in seiner sachverständigen Zeugenauskunft vom 07.04.2011 auf eine chronische obstruktive Bronchitis mit allergischer Komponente hingewiesen. Er hat aber keine Angaben über etwaige hieraus resultierende dauerhafte Funktionseinschränkungen gemacht. Auch ist eine lungenfachärztliche Behandlung der Klägerin nicht dokumentiert. Eine nach den VG Teil B Nr. 8.2 einen GdB von mehr als 10 bedingende chronische Bronchitis in schwerer Form, also mit fast kontinuierlichem Husten und Auswurf sowie häufig akuten Schüben, ist mithin nicht nachgewiesen.
29 
Die weiteren sich aus den umfangreichen ärztlichen Unterlagen ergebenden Diagnosen wie grenzwertig latente Hypothyreose, Autoimmunthyreoiditis, Zeichen einer Mastoiditis links sowie Sinusitis maxillaris stellen keine dauerhaften einen Einzel-GdB rechtfertigende Behinderungen dar.
30 
Für die Zeit seit 01.01.2006 ist zusätzlich die erstmals ab diesem Zeitpunkt dokumentierte Behinderung im Funktionssystem Beine zu berücksichtigen.
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Im Funktionssystem Beine beträgt seit 01.01.2006 der Einzel-GdB nicht mehr als 30. Nach den VG Teil B Nr. 18.12 beträgt bei einer Hüftgelenks-Endoprothese in Abhängigkeit von der verbliebenen Bewegungseinschränkung und Belastbarkeit der GdB mindestens 20 und seit der Dritten Verordnung zur Änderung der VersMedV vom 17.12.2010 nur noch mindestens 10. Nach den VG Teil B Nr. 18.14 beträgt bei einer Bewegungseinschränkung der Hüftgelenke geringen Grades (zum Beispiel Streckung/Beugung bis zu 0-10-90 Grad mit entsprechender Einschränkung der Dreh- und Spreizfähigkeit) einseitig der GdB 10 bis 20 sowie beidseitig der GdB 20 bis 30, mittleren Grades (zum Beispiel Streckung/Beugung bis zu 0-30-90 Grad mit entsprechender Einschränkung der Dreh- und Spreizfähigkeit) einseitig der GdB 30 und beidseitig der GdB 50. Bei der Klägerin liegt im Bereich der rechten Hüfte eine Totalendoprothese seit 24.11.2006 und im Bereich beider Hüftgelenke eine geringgradige Bewegungseinschränkung vor. Der Senat stützt sich dabei auf die von Dr. Dr. Sch. in seinem Gutachten vom 30.05.2011 erhobenen Befunde, wonach bei der Klägerin im Bereich der Hüftgelenke ein Bewegungsmaß von 0/0/120 Grad rechts und 20/0/120 Grad links gegeben ist. Mithin beträgt der Einzel-GdB jedenfalls nicht mehr als 30 für den Bereich der unteren Extremitäten. Der Senat hat keinerlei Anhaltspunkte dafür, dass das so bewertete Hüftgelenksleiden in der Zeit vor der Begutachtung ausgeprägter gewesen ist. Den von der Klägerin umfangreich vorgelegten ärztlichen Unterlagen lassen sich keine Bewegungsmaße entnehmen, die eine höhere Bewertung des GdB für die bis zum 01.01.2006 zurückreichende Zeit rechtfertigen könnte.
32 
Aus alledem ergibt sich folgende Gesamt-GdB-Bewertung: Für die Zeit seit 16.11.2000 ergibt sich unter Berücksichtigung der dargelegten Einzel-GdB-Werte (Einzel-GdB nicht mehr als 20 für das Funktionssystem Rumpf, Einzel-GdB nicht mehr als 20 für das Funktionssystem Herz-Kreislauf, Einzel-GdB nicht mehr als 10 für das Funktionssystem Gehirn einschließlich Psyche) ein Gesamt-GdB von nicht mehr als 30. Für die Zeit seit 01.01.2006 ergibt sich nach Hinzutreten des Einzel-GdB von nicht mehr als 30 für das Funktionssystem Beine ein Gesamt-GdB von nicht mehr als 50. Dies ergibt sich für beide Zeiträume aus der teilweisen Überschneidung der Auswirkungen der Behinderungen auf orthopädischem, internistischem und nervenheilkundlichem Fachgebiet und dem Umstand, dass nach den VG Teil A Nr. 3 d ee Einzel-GdB-Werte von 10 grundsätzlich nicht zu einer Zunahme des Ausmaßes der Gesamtbehinderung führen.
33 
Dem auf die Aufhebung des Gerichtsbescheides des Sozialgerichts vom 11.10.2012, Abänderung des Bescheides des Beklagten vom 30.09.2009 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 28.04.2010 und Verurteilung des Beklagten auf Feststellung des GdB mit mindestens 50 seit 16.11.2000 und mit mindestens 60 seit 01.01.2006 gerichteten Hauptantrag musste daher der Erfolg versagt bleiben.
34 
Auch war der Hilfsantrag, den Rechtsstreit an das Sozialgericht zurückzuverweisen, abzulehnen. Nach § 159 Abs. 1 SGG kann das Landessozialgericht die angefochtene Entscheidung aufheben und die Sache an das Sozialgericht zurückverweisen, wenn dieses die Klage abgewiesen hat, ohne in der Sache selbst zu entscheiden oder das Verfahren an einem wesentlichen Mangel leidet und auf Grund dieses Mangels eine umfangreiche und aufwändige Beweisaufnahme notwendig ist. Zum einen hat das Sozialgericht in der Sache entschieden. Zum anderen hält der Senat eine weitere Beweisaufnahme nicht für notwendig.
35 
Deswegen waren die weiteren Hilfsanträge, von Amts wegen weitere Gutachten einzuholen, abzulehnen. Der Rechtsstreit war entscheidungsreif. Es war von Amts wegen weder über die chronifizierte obstruktive Bronchitis mit allergischer Komponente ein internistisch-lungenfachärztliches Gutachten noch über die Operations-Indikation der linken Hüfte ein orthopädisches Gutachten einzuholen. Da in Bezug auf die von Dr. W. aufgeführte chronische obstruktive Bronchitis mit allergischer Komponente keine hieraus resultierenden dauerhaften Funktionseinschränkungen und auch keine lungenfachärztliche Behandlung der Klägerin dokumentiert ist, hat sich der Senat nicht veranlasst gesehen, weitere Ermittlungen anzustellen, zumal die Klägerin noch im Antragsformular am 26.08.2009 und gegenüber Dr. Dr. Sch. am 23.05.2011 keine Angaben zu einer solchen Erkrankung gemacht hat und auch im weiteren Verlauf zwar diese Diagnose genannt, aber etwaige sich hieraus ergebende Leistungseinschränkungen in ihren Schriftsätzen vom 23.08.2011, 12.11.2012 und 19.03.2013 nicht geschildert hat. Auch hat die Klägerin die ihr vom Senat gegebene Möglichkeit, sich unter anderem hierzu im Rahmen des anberaumten Erörterungstermins zu äußern, nicht wahrgenommen und vielmehr unter Hinweis auf die Länge des Anfahrtsweges eine Aufhebung dieses Termins beantragt. Auch war auf orthopädischem Fachgebiet kein weiteres Gutachten von Amts wegen einzuholen. Denn insbesondere in Bezug auf das linke Hüftgelenk liegt bereits das überzeugende Gutachten des Dr. Dr. Sch. vor. Die von der Klägerin vorgetragene Operations-Indikation lässt die von Dr. Dr. Sch. befundeten und für die GdB-Beurteilung maßgeblichen Bewegungsmaße keinesfalls als unschlüssig erscheinen.
36 
Auch der weitere Hilfsantrag, nach § 109 SGG ein Gutachten bei Prof. Dr. St., P.-T.-Straße 13, ... W. einzuholen, war abzulehnen. Nach § 109 Abs. 2 SGG kann das Gericht einen solchen Antrag ablehnen, wenn durch die Zulassung die Erledigung des Rechtsstreits verzögert werden würde und der Antrag nach der freien Überzeugung des Gerichts aus grober Nachlässigkeit nicht früher vorgebracht worden ist. Dies ist vorliegend der Fall. Die Einholung des beantragten Gutachtens hätte die Erledigung des Rechtsstreits verzögert. Musste der Antragsteller erkennen, dass das Gericht von Amts wegen nicht weiter ermittelt, liegt grobe Nachlässigkeit vor, wenn der Antrag nicht in angemessener Frist, sondern erst unmittelbar vor der mündlichen Verhandlung gestellt wird (Keller in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, 10. Auflage, § 109, Rz. 11; Hk-SGG/Roller, 3. Auflage, § 109, Rz. 13; BSG, Urteil vom 10.12.1958 - 4 RJ 143/58). So liegt der Fall hier. Der Senat hat mit seiner am 25.02.2013 erfolgten Ladung zur am 21.03.2013 stattfindenden mündlichen Verhandlung zu erkennen gegeben, dass er von Amts wegen keine weiteren Gutachten einholen werde. Der erst am 19.03.2013 eingegangene Antrag der Klägerin ist mithin verspätet. Der Senat hat keine Anhaltspunkte dafür, warum dies nicht auf grober Nachlässigkeit des Prozessbevollmächtigten der Klägerin, dessen Verhalten ihr zuzurechnen ist (Keller in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, 10. Auflage, § 109, Rz. 11; Hk-SGG/Roller, 3. Auflage, § 109, Rz. 13), beruhen sollte.
37 
Die Berufung war nach alledem zurückzuweisen.
38 
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
39 
Die Revision war nicht zuzulassen, da die Voraussetzungen des § 160 Abs. 2 SGG nicht vorliegen.

(1) Auf Antrag des Versicherten, des behinderten Menschen, des Versorgungsberechtigten oder Hinterbliebenen muß ein bestimmter Arzt gutachtlich gehört werden. Die Anhörung kann davon abhängig gemacht werden, daß der Antragsteller die Kosten vorschießt und vorbehaltlich einer anderen Entscheidung des Gerichts endgültig trägt.

(2) Das Gericht kann einen Antrag ablehnen, wenn durch die Zulassung die Erledigung des Rechtsstreits verzögert werden würde und der Antrag nach der freien Überzeugung des Gerichts in der Absicht, das Verfahren zu verschleppen, oder aus grober Nachlässigkeit nicht früher vorgebracht worden ist.

(1) Das Gericht hat im Urteil zu entscheiden, ob und in welchem Umfang die Beteiligten einander Kosten zu erstatten haben. Ist ein Mahnverfahren vorausgegangen (§ 182a), entscheidet das Gericht auch, welcher Beteiligte die Gerichtskosten zu tragen hat. Das Gericht entscheidet auf Antrag durch Beschluß, wenn das Verfahren anders beendet wird.

(2) Kosten sind die zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung notwendigen Aufwendungen der Beteiligten.

(3) Die gesetzliche Vergütung eines Rechtsanwalts oder Rechtsbeistands ist stets erstattungsfähig.

(4) Nicht erstattungsfähig sind die Aufwendungen der in § 184 Abs. 1 genannten Gebührenpflichtigen.