Verwaltungsgericht Neustadt an der Weinstraße Beschluss, 15. Nov. 2018 - 5 L 1337/18.NW

ECLI:ECLI:DE:VGNEUST:2018:1115.5L1337.18.00
bei uns veröffentlicht am15.11.2018

Tenor

Der Antrag wird abgelehnt.

Die Kosten des Verfahrens trägt der Antragsteller.

Der Wert des Streitgegenstandes wird auf 5.000 € festgesetzt.

Gründe

1

Der Antrag auf Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes hat keinen Erfolg.

2

1. Das Begehren des Antragstellers, die aufschiebende Wirkung des Widerspruchs vom 5. September 2018 gegen den Bescheid der Antragsgegnerin vom 03. August 2018 wiederherzustellen, mit dem die Antragsgegnerin dem Antragsteller unter Anordnung der sofortigen Vollziehung die Führung der Dienstgeschäfte in seiner Funktion als Wehrführer der Löscheinheit H und stellvertretender Wehrleiter der Freiwilligen Feuerwehr der Verbandsgemeinde W vorläufig verboten hat und darüber hinaus dem Antragsteller vorläufig verboten hat, die Feuerwehrgerätehäuser zu betreten und die Einsatzfahrzeuge zu führen, ist gemäß § 80 Abs. 5 Satz 1 Halbsatz 2 VerwaltungsgerichtsordnungVwGO – statthaft und auch ansonsten zulässig. Insbesondere ist der Antragsteller als Adressat belastender Verwaltungsakte antragsbefugt gemäß § 42 Abs. 2 VwGO analog.

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2. Der Antrag auf Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung des Widerspruchs vom 5. September 2018 ist in der Sache aber unbegründet.

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2.1. Zunächst ist die Anordnung der sofortigen Vollziehung des vorläufigen Verbots formell rechtmäßig.

5

2.1.1. Die Anordnung der sofortigen Vollziehung des Bescheids vom 03. August 2018 ist in formeller Hinsicht im Ergebnis nicht zu beanstanden.

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2.1.1.1. Gemäß § 80 Abs. 3 Satz 1 VwGO ist bei der Anordnung der sofortigen Vollziehung nach § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 VwGO das besondere Interesse an der sofortigen Vollziehung schriftlich zu begründen. Dies soll den Betroffenen in die Lage versetzen, in Kenntnis dieser Gründe seine Rechte wirksam wahrzunehmen und die Erfolgsaussichten des Rechtsbehelfs abzuschätzen. Der Behörde wird zugleich der Ausnahmecharakter der Vollziehungsanordnung verdeutlicht und eine besonders sorgfältige Prüfung des Vollzugsinteresses auferlegt (vgl. z.B. OVG Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 6. Mai 2016 – 8 B 866/15 –, juris; OVG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 23. April 2015 – OVG 11 S 39.14 –, juris). Die Begründung kann durchaus knapp gehalten sein. Sie muss aber nachvollziehbar machen, dass und aus welchen besonderen Gründen die Behörde im konkreten Fall dem besonderen öffentlichen Interesse an der sofortigen Vollziehung des Verwaltungsakts Vorrang vor dem Aufschubinteresse des Betroffenen einräumt mit der Folge, dass dessen Rechtsbehelf keine aufschiebende Wirkung hat. Pauschale und nichts sagende formelhafte Wendungen genügen nicht (vgl. OVG Rheinland-Pfalz, Beschluss vom 10. Juli 2018 – 7 B 10698/18.OVG –).

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2.1.1.2. Da das für die sofortige Vollziehung erforderliche Interesse sich qualitativ vom Interesse am Erlass des zugrunde liegenden Verwaltungsakts unterscheidet, müssen in der Regel zur Begründung des besonderen Vollzugsinteresses Gründe angeführt werden, die über diejenigen, die den zu vollziehenden Verwaltungsakt begründen, hinausgehen (vgl. Kopp/Schenke, VwGO, 24. Auflage 2018, § 80, Rn. 86). Das besondere öffentliche Vollziehungsinteresse kann sich im Einzelfall – gerade in Konstellationen der vorliegenden Art – allerdings bereits aus denselben tatsächlichen Umständen ergeben, die auch den Erlass des Verwaltungsakts als solchen rechtfertigen (vgl. OVG Sachsen-Anhalt, Beschluss vom 04. Oktober 2016 – 1 M 131/16 –, juris). In diesem Fall darf die Begründung der Vollziehungsanordnung auf die Gründe des zu vollziehenden Verwaltungsakts Bezug nehmen, wenn daraus die besondere Dringlichkeit der Vollziehung im Sinne von § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 VwGO bereits hinreichend deutlich hervorgeht und im Übrigen die von der Behörde getroffene Interessenabwägung klar erkennbar wird (vgl. Bay. VGH, Beschluss vom 9. Dezember 2014 – 11 CS 14.2217 –; OVG Rheinland-Pfalz, Beschluss vom 26. Oktober 1990 – 2 B 12027/90 –, NVwZ-RR 1991, 307).

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2.1.1.3. Vorliegend hat die Antragsgegnerin zur Begründung der Anordnung der sofortigen Vollziehung auf Seite 2 des Bescheids im Text abgesetzt ausgeführt, der Sofortvollzug werde angeordnet, da durch den Verbleib des Antragstellers in der Feuerwehr der Schutz der Bevölkerung gefährdet und daher seine Beurlaubung im öffentlichen Interesse sei. Ob diese Angaben den oben genannten Anforderungen an die Begründungspflicht des § 80 Abs. 3 Satz 1 VwGO noch genügen, erscheint hier zweifelhaft, denn es fehlt an einer ausdrücklichen Bezugnahme auf die Gründe des zu vollziehenden Verwaltungsakts. Dem Ganzen braucht jedoch nicht weiter nachgegangen zu werden. Denn die Antragsgegnerin hat einen eventuellen Verstoß gegen die Bestimmung des § 80 Abs. 3 Satz 1 VwGO durch Nachholen der Begründung in der Antragserwiderungschrift vom 17. Oktober 2018 geheilt. Darin hat die Antragsgegnerin ausdrücklich Bezug genommen auf die Gründe des zuvor ausgesprochenen Verbots. Hierzu hat sie angegeben, im angefochtenen Bescheid sei ausgeführt worden, dass mehrere Wehrführer, Wehrleiter und Stellvertreter sowie eine weitere Führungskraft schriftlich mitgeteilt hätten, dem Antragssteller nicht mehr zu vertrauen, und seinen Weisungen nicht mehr Folge zu leisten. Weiter sei darauf hingewiesen worden, dass abzuwägen sei zwischen der Fürsorgepflicht gegenüber der Feuerwehr insgesamt und der damit verbundenen Gewährleistung des Brandschutzes und dem Recht des Antragsstellers auf die Ausübung eines Ehrenamtes. Der Schutz der Bevölkerung habe höchste Priorität und gehe dem Interesse auf Ausübung des Ehrenamtes vor. Der Schutz der Bevölkerung sei aktuell durch den Verbleib des Antragsstellers in der Feuerwehr gefährdet. In der Begründung der Anordnung des Sofortvollzuges, der unmittelbar auf diese Ausführungen folge, werde wiederholend auf den vorrangigen Schutz der Bevölkerung und dessen Gefährdung Bezug genommen und damit zum Gegenstand der Begründung des Sofortvollzuges gemacht. Jedenfalls damit liegt eine auf den Anforderungen des § 80 Abs. 3 Satz 1 VwGO genügende auf den konkreten Einzelfall abgestellte und nicht lediglich formelhafte Begründung des besonderen Vollzugsinteresses vor. Ob die von der Antragsgegnerin angeführte Begründung inhaltlich zutreffend ist und die Anordnung der sofortigen Vollziehung zu rechtfertigen vermag, ist im Rahmen des § 80 Abs. 3 Satz 1 VwGO unbeachtlich; dies ist erst bei der gemäß § 80 Abs. 5 Satz 1 VwGO vom Gericht eigenständig vorzunehmenden Interessenbewertung zu erörtern (z. B. OVG Rheinland-Pfalz, Beschlüsse vom 10. Juli 2018 – 7 B 10698/18.OVG – und vom 3. April 2012 – 1 B 10136/12.OVG –, BauR 2012, 1362).

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Die Angaben der Antragsgegnerin in der Antragserwiderungsschrift vom 17. Oktober 2018 konnte die Kammer im vorliegenden Verfahren auch berücksichtigen. Denn die Antragsgegnerin war befugt, den Verfahrensverstoß nach § 80 Abs. 3 Satz 1 VwGO durch Nachholen der Begründung im gerichtlichen Eilverfahren zu heilen. Zwar verneint eine Ansicht (s. z.B. OVG Sachsen-Anhalt, Beschluss vom 3. April 2013 – 1 M 19/13 –, juris; VGH Baden-Württemberg, Beschluss vom 29. Juni 2018 – 5 S 548/18 –, juris; Schoch/Schoch, Verwaltungsgerichtsordnung, Stand Mai 2018, § 80 Rn. 249) dies mit der Begründung, andernfalls bestehe die Gefahr, dass die Begründungspflicht des § 80 Abs. 3 Satz 1 VwGO leer liefe und ihre Funktion nicht mehr erfüllen könne, nicht nur den Betroffenen über die für die Behörde maßgeblichen Gesichtspunkte für die Anordnung der sofortigen Vollziehung zu unterrichten, sondern auch die Verwaltung selbst zu einer besonders sorgfältigen Prüfung anzuhalten. Nach der Gegenmeinung (s. z.B. OVG Niedersachsen, Beschluss vom 15. April 2014 – 7 ME 121/13 –, NdsVBl 2014, 286; OVG Rheinland-Pfalz, Beschluss vom 3. April 2012 – 1 B 10136/12. OVG –, BauR 2012, 1362; VG Neustadt/Wstr., Beschluss vom 20. Mai 2016 – 4 L 378/16.NW –, juris; Finkelnburg/Külpmann, Vorläufiger Rechtsschutz im Verwaltungsstreitverfahren, 6. Auflage 2011 Rn. 750) kann eine fehlende bzw. unzureichende Begründung der Anordnung des Sofortvollzuges im Laufe des vorläufigen Rechtsschutzverfahrens nachgeholt werden. Dieser Ansicht folgt die Kammer. Da nach § 45 Abs. 2 Verwaltungsverfahrensgesetz – VwVfG – Verfahrensfehler bis zum Abschluss des gerichtlichen Verfahrens geheilt werden können, sind keine Gründe ersichtlich, die gegen eine analoge Anwendung des § 45 Abs. 1 Nr. 2, Abs. 2 VwVfG im Falle des Begründungsmangels nach § 80 Abs. 3 Satz 1 VwGO sprechen. Eine solche Heilungsmöglichkeit ist auch unter prozessökonomischen Gesichtspunkten zu befürworten, denn auch die Ansicht, die ein Nachholen der Begründung nach § 80 Abs. 3 Satz 1 VwGO nach Erhebung des Antrags nach § 80 Abs. 5 Satz 1 VwGO ablehnt, vertritt die Auffassung, die Behörde könne nach Ergehen des Beschlusses des Verwaltungsgerichts den Sofortvollzug mit nunmehr ordnungsgemäßer Begründung erneut anordnen, ohne einen Abänderungsantrag nach § 80 Abs. 7 Satz 2 VwGO stellen zu müssen. Berücksichtigt man darüber hinaus, dass das Verwaltungsgericht nicht an die – ordnungsgemäße – Begründung der Verwaltungsbehörde gebunden ist, sondern eine eigene Ermessensentscheidung über die Frage trifft, ob der Sofortvollzug materiell gerechtfertigt ist, gibt es keine tragenden Gründe dafür, die Heilungsmöglichkeit nicht bereits während des noch laufenden Verfahrens nach § 80 Abs. 5 Satz 1 VwGO zuzulassen. Der Antragsteller wird durch diese Verfahrensweise nicht unzumutbar in seinen Rechten verletzt, denn er kann hierauf prozessual mit einer Erledigungserklärung reagieren, die regelmäßig zur Folge haben dürfte, dass die Behörde die Kosten des Verfahrens zu tragen hat. Hiervon hat der Antragsteller vorliegend jedoch keinen Gebrauch gemacht.

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2.1.2. Die Antragsgegnerin hat ferner nicht deshalb verfahrensfehlerhaft gehandelt, weil sie vor der Anordnung der sofortigen Vollziehung dem Antragsteller keine Gelegenheit gegeben hat, sich zu den für das sofort wirksame vorläufige Verbot der Führung der Dienstgeschäfte in seiner Funktion als Wehrführer der Löscheinheit H und stellvertretender Wehrleiter der Freiwilligen Feuerwehr der Verbandsgemeinde W sowie für das weitere vorläufige Verbot, die Feuerwehrgerätehäuser zu betreten und die Einsatzfahrzeuge zu führen, erheblichen Tatsachen zu äußern. § 1 Landesverwaltungsverfahrensgesetz – LVwVfG – i.V.m. § 28 Abs. 1 VwVfG ist nach Auffassung der Kammer auf die Anordnung der sofortigen Vollziehung weder direkt noch entsprechend anwendbar (vgl. OVG Rheinland-Pfalz, Beschluss vom 13. Mai 2014 – 8 B 10342/14 –, juris, NVwZ-RR 2014, 721; Kopp/Ramsauer, VwVfG, 19. Auflage 2018, § 28 Rn. 7).

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2.2. Die Anordnung der sofortigen Vollziehung des vorläufigen Verbots ist auch in materieller Hinsicht nicht zu beanstanden.

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Für das Interesse des Betroffenen, einstweilen nicht dem Vollzug der behördlichen Maßnahmen ausgesetzt zu sein, sind zunächst die Erfolgsaussichten des in der Hauptsache eingelegten Rechtsbehelfs von Belang. Ein überwiegendes Interesse eines Antragstellers an der Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung ist in der Regel anzunehmen, wenn die im Eilverfahren allein mögliche und gebotene summarische Überprüfung ergibt, dass der angefochtene Verwaltungsakt offensichtlich rechtswidrig ist. Denn an der Vollziehung eines ersichtlich rechtswidrigen Verwaltungsakts kann kein öffentliches Vollzugsinteresse bestehen. Ist der Verwaltungsakt dagegen offensichtlich rechtmäßig, so überwiegt das Vollzugsinteresse das Aussetzungsinteresse des Antragstellers nur dann, wenn zusätzlich ein besonderes öffentliches Interesse an der sofortigen Vollziehung des Verwaltungsakts besteht. Kann aufgrund der im Eilverfahren nur möglichen summarischen Überprüfung nicht festgestellt werden, ob der Verwaltungsakt offensichtlich rechtmäßig oder offensichtlich rechtswidrig ist, so beschränkt sich die verwaltungsgerichtliche Kontrolle des Sofortvollzuges des Verwaltungsakts auf die Durchführung einer Interessenabwägung, die je nach Fallkonstellation zugunsten des Antragstellers oder des Antragsgegners ausgehen kann (vgl. BVerfG, Beschluss vom 29. Mai 2007 – 2 BvR 695/07 –, NVwZ 2007, 1176).

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Nach diesen Grundsätzen überwiegt vorliegend das öffentliche Interesse an der sofortigen Vollziehung der beiden ausgesprochenen vorläufigen Verbote das private Interesse des Antragstellers, diese bis zum Abschluss des Hauptsacheverfahrens einstweilen nicht befolgen zu müssen. Das öffentliche Interesse an der sofortigen Vollziehung ergibt sich daraus, dass die angefochtenen Verwaltungsakte offensichtlich rechtmäßig sind und es nicht angezeigt erscheint, mit ihrer Durchsetzung bis zur Bestandskraft abzuwarten.

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Rechtsgrundlage des gegenüber dem Antragsteller ergangenen Verbots der Führung der Dienstgeschäfte in seiner Funktion als Wehrführer der Löscheinheit H und stellvertretender Wehrleiter der Freiwilligen Feuerwehr der Verbandsgemeinde W ist die Vorschrift des § 39 Satz 1 Beamtenstatusgesetz – BeamtStG –. Danach kann einem Beamten aus zwingenden dienstlichen Gründen die Führung der Dienstgeschäfte verboten werden. Das weitere gegenüber dem Antragsteller ausgesprochene vorläufige Verbot, die Feuerwehrgerätehäuser zu betreten und die Einsatzfahrzeuge zu führen, kann auf § 53 Satz 2 Landesbeamtengesetz – LBG – gestützt werden. Danach kann Beamtinnen und Beamten untersagt werden, Dienstkleidung und Dienstausrüstung zu tragen und sich in Diensträumen oder dienstlichen Unterkunftsräumen aufzuhalten. Die Voraussetzungen der genannten Bestimmungen sind sowohl in verfahrensrechtlicher (s. dazu 2.2.1.) als auch in materiell-rechtlicher Hinsicht (s. dazu 2.2.2.) gegeben.

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2.2.1. Verfahrensrechtliche Bedenken gegen die feuerwehrrechtliche Anordnung vom 03. August 2018 bestehen nicht. Insbesondere ist der Bescheid vom 03. August 2018 nicht wegen eines Verstoßes gegen die Anhörungspflicht rechtswidrig.

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2.2.1.1. Zwar hat die Antragsgegnerin vor Erlass der feuerwehrrechtlichen Anordnung gegen § 1 LVwVfG i.V.m. § 28 Abs. 1 VwVfG verstoßen. Danach ist einem Beteiligten Gelegenheit zu geben, sich zu den für die Entscheidung erheblichen Tatsachen zu äußern, bevor ein Verwaltungsakt erlassen wird, der in seine Rechte eingreift. Eine entsprechende Anhörung der Antragstellerin vor Erlass des Bescheids vom 03. August 2018 hat nicht stattgefunden. Das Schreiben der Antragsgegnerin an den Antragsteller vom 27. Juli 2018 stellt kein Anhörungsschreiben dar. Zwar werden dem Antragsteller darin mehrere Verfehlungen vorgeworfen, jedoch werden ihm lediglich zwei Gesprächstermine angeboten, um sich zu den Vorwürfen zu äußern. Ein Hinweis auf die später ausgesprochenen vorläufigen Verbote sowie die Einräumung einer Äußerungsfrist dazu finden sich darin indessen nicht.

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2.2.1.2. Der Anhörungsverstoß ist jedoch gemäß § 1 LVwVfG i.V.m. § 45 Abs. 1 Nr. 3, Abs. 2 VwVfG geheilt worden. Denn die erforderliche Anhörung, die bis zum Abschluss der letzten Tatsacheninstanz eines verwaltungsgerichtlichen Verfahrens möglich ist, ist im vorliegenden Eilverfahren nachgeholt worden. Zwar folgt die Kammer in Bezug auf diese Rechtsfrage nicht einer teilweise vertretenen Auffassung, nach der schon die Möglichkeit der Heilung genüge, da es keinen Grundsatz gebe, wonach die formelle Rechtswidrigkeit eines Verwaltungsakts für sich genommen stets seiner Vollziehung entgegenstehen würde, ohne dass es auf seine Rechtmäßigkeit in der Sache ankäme (so z.B. Bay. VGH, Beschluss vom 17. November 2014 – 7 CS 14.275 –, juris; OVG Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 24. Juli 2013 – 16 B 718/13 –, juris; vgl. auch OVG Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 03. September 2018 – 10 B 1126/18 –, juris). Auch teilt das Gericht nicht die weitere Ansicht, wonach Äußerungen und Stellungnahmen von Beteiligten im gerichtlichen Verfahren grundsätzlich keine nachträgliche Anhörung im Sinne des § 45 Abs. 1 Nr. 3 VwVfG seien (vgl. BVerwG, Beschluss vom 18. April 2017 – 9 B 54/16 –, juris; OVG Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 27. Juni 2018 – 6 B 359/18 –, juris). Vielmehr ist die Kammer (s. zuletzt Beschluss vom 15. Januar 2018 – 5 L 1315/17.NW –) ebenso wie die 3. und 4. Kammer des Gerichts (s. Beschlüsse vom 01. September 2015 – 3 L 726/15.NW –, juris und vom 5. Juli 2017 – 4 L 603/17.NW –, juris) der Meinung, dass eine schriftsätzliche Stellungnahme der Behörde im gerichtlichen Aussetzungsverfahren eine Nachholung der Anhörung dann bewirken kann, wenn sich die Behörde in ihrem Schriftsatz nicht nur auf die Verteidigung der einmal getroffenen Verwaltungsentscheidung beschränkt, sondern eindeutig und klar zu erkennen gibt, dass sie ein etwaiges Vorbringen des Betroffenen zur Kenntnis genommen und gewürdigt hat, aber dennoch bei ihrer erneuten Entscheidung zu dem Ergebnis gekommen ist, dass die Verfügung aufrechterhalten bleibt (vgl. z.B. Bay. VGH, Beschluss vom 8. Oktober 2015 – 15 CS 15.1740 –, juris; OVG Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 11. Februar 2014 – 15 B 69/14 –, NWVBl 2014, 322; OVG Sachsen, Beschluss vom 02. Februar 2012 – F 7 B 278/11 –, juris; OVG Rheinland-Pfalz, Beschluss vom 17. Januar 1979 – 2 B 268/78 –, AS RP-SL 15, 167; Kallerhoff/Mayen in: Stelkens/Bonk/Sachs, Verwaltungsverfahrensgesetz, 9. Auflage 2018, § 28 Rn. 70; Herrmann, in: BeckOK VwVfG, Bader/Ronellenfitsch, Stand Oktober 2018, § 28 Rn. 48).

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Davon ausgehend liegt hier eine Heilung des Verfahrensfehlers vor. Die Antragsgegnerin hat in Kenntnis und Würdigung der vom Antragsteller mit seinem verfahrenseinleitenden Schriftsatz vom 04. Oktober 2018 gegen die Rechtmäßigkeit des vorläufigen Verbots vom 03. August 2018 vorgetragenen Argumente an dem vorläufigen Verbot nach erneuter Prüfung festgehalten.

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2.2.1.3. Selbst wenn man der Auffassung folgen würde, Äußerungen und Stellungnahmen von Beteiligten im gerichtlichen Verfahren erfüllten die Voraussetzungen des § 45 Abs. 1 Nr. 3, Abs. 2 VwVfG nicht, kann der Antragsteller daraus nichts zu seinen Gunsten herleiten. Denn nach § 1 LVwVfG i.V.m. § 46 VwVfG kann die Aufhebung eines Verwaltungsaktes, der nicht nach § 44 VwVfG nichtig ist, nicht allein deshalb beansprucht werden, weil er unter Verletzung von Vorschriften über das Verfahren, die Form oder die örtliche Zuständigkeit zustande gekommen ist, wenn offensichtlich ist, dass die Verletzung die Entscheidung in der Sache nicht beeinflusst hat. Dies ist vorliegend der Fall.

20

Der Anwendungsbereich des § 46 VwVfG ist im Falle eines Anhörungsverstoßes eröffnet (vgl. BVerwG, Beschluss vom 18. April 2017 – 9 B 54/16 –, juris; OVG Rheinland-Pfalz, Urteil vom 20. Mai 2015 – 10 A 10680/14.OVG –, LKRZ 2015, 420). Neben dem Fall der rechtlichen Alternativlosigkeit umfasst § 46 VwVfG auch solche Fälle, bei denen – wie hier bei den vorläufigen Verboten nach §§ 39 Satz 1 BeamtStG, 53 Satz 2 LBG – die Behörden über Entscheidungsspielräume verfügen, aber anhand faktischer Gesichtspunkte die getroffene Entscheidung die allein beachtliche Lösung darstellt, mithin es an der Kausalität des Form- oder Verfahrensfehlers für die im Einzelfall getroffene Entscheidung fehlt (vgl. Sachs in: Stelkens/Bonk/Sachs, a.a.O., § 46 Rn. 73; Kopp/Ramsauer, a.a.O., § 46 Rn. 34 m.w.N.). Die allein nie auszuschließende ganz abstrakte, theoretische Möglichkeit einer anderen Entscheidung kann die Unbeachtlichkeit nicht ausschließen; sind der Sache nach die Ziele der Verfahrensvorschrift trotz ihrer Verletzung erreicht worden, wird man konkrete Anhaltspunkte dafür verlangen können, dass die getroffene Entscheidung doch anders hätte ausfallen können (Sachs in: Stelkens/Bonk/Sachs, a.a.O., § 46 Rn. 80a).

21

Ausgehend davon ist angesichts der im Bescheid vom 03. August 2018 aufgezählten Vorfälle, die dem Antragsteller auch zuvor schon mehrmals vorgehalten worden waren, nicht ersichtlich, dass die Anhörung des Antragstellers weitere Erkenntnisse ans Licht gebracht hätte, welche die Antragsgegnerin zu einer anderen Entscheidung bewogen hätten. Vielmehr ist es offensichtlich, dass die Antragsgegnerin auch bei einer Anhörung des Antragstellers vor Erlass des Ausgangsbescheides das vorläufige Verbot ausgesprochen hätte.

22

2.2.2. In materieller Hinsicht sind sowohl das vorläufige Verbot der Führung der Dienstgeschäfte des Antragstellers in seiner Funktion als Wehrführer der Löscheinheit H und stellvertretender Wehrleiter der Freiwilligen Feuerwehr der Verbandsgemeinde W als auch das vorläufige Verbot, die Feuerwehrgerätehäuser zu betreten und die Einsatzfahrzeuge zu führen, offensichtlich rechtmäßig.

23

2.2.2.1. Die Voraussetzungen des § 39 Satz 1 BeamtStG sind gegeben. Danach kann einem Beamten aus zwingenden dienstlichen Gründen die Führung der Dienstgeschäfte verboten werden.

24

a) Das Verbot der Führung der Dienstgeschäfte, das das bestehende Amt im abstrakt-funktionellen wie im konkret-funktionellen Sinne unberührt lässt, suspendiert als vorläufige Maßnahme nur die mit dem konkreten Amt verbundene Dienstleistungspflicht in der Weise, dass der Beamte – vorübergehend – zur Dienstleistung weder berechtigt noch verpflichtet ist (vgl. OVG Sachsen-Anhalt, Beschluss vom 04. Oktober 2016 – 1 M 131/16 –, juris).

25

b) § 39 Satz 2 BeamtStG ist auf den Antragsteller anwendbar. Die genannte Vorschrift gilt für alle Beamtinnen und Beamten, unabhängig von der Art ihres Beamtenverhältnisses nach § 4 BeamtStG und unabhängig davon, ob ihnen (bereits) ein statusrechtliches Amt verliehen wurde (Leppek, in: BeckOK Beamtenrecht Bund, Brinktrine/Schollendorf, Stand Oktober 2017, § 39 Rn. 5). Der Antragsteller ist Wehrführer der Löscheinheit H und stellvertretender Wehrleiter der Freiwilligen Feuerwehr der Verbandsgemeinde W und damit gemäß § 14 Abs. 1 Satz 4 Landesgesetz über den Brandschutz, die allgemeine Hilfe und den Katastrophenschutz – LBKG – Ehrenbeamter. Für ihn gilt, da im Landesgesetz über den Brandschutz, die allgemeine Hilfe und den Katastrophenschutz für das vorläufige Verbot der Dienstgeschäfte keine spezielleren Regelungen enthalten sind, neben den im § 13 LBKG enthaltenen Regelungen für ehrenamtliche Feuerwehrangehörige auch die beamtenrechtliche Bestimmung des § 39 BeamtStG (vgl. Eisinger/Gräff, in: PdK RhPf, Brand- und Katastrophenschutz in Rheinland-Pfalz, § 13 LBKG, Anmerkung 1.1.).

26

c) Der offensichtlichen Rechtmäßigkeit des vorläufigen Verbots steht zum maßgeblichen Zeitpunkt der Entscheidung des Gerichts nicht die Vorschrift des § 39 Satz 2 BeamtStG entgegen. Danach erlischt das Verbot, wenn nicht bis zum Ablauf von drei Monaten gegen die Beamtin oder den Beamten ein Disziplinarverfahren oder ein sonstiges auf Rücknahme der Ernennung oder auf Beendigung des Beamtenverhältnisses gerichtetes Verfahren eingeleitet worden ist.

27

Vorliegend hat die Antragsgegnerin nach eigenen Angaben im Schriftsatz vom 5. November 2018 inzwischen ein Verfahren gegen den Antragsteller auf Entpflichtung von seinen Ehrenämtern als Wehrführer der Wehr H sowie stellvertretender Wehrleiter der Feuerwehr der Antragsgegnerin gemäß § 14 Abs. 5 Satz 1 Nr. 1 und 2 i.V.m. Satz 2 Landesgesetz über den Brandschutz, die allgemeine Hilfe und den Katastrophenschutz – LBKG – eingeleitet. Damit ist sie dem Erfordernis des § 39 Satz 2 BeamtStG nachgekommen.

28

Aus § 39 Satz 2 BeamtStG folgt auch unmittelbar, dass dem Verbot der Führung der Dienstgeschäfte auch nicht eine Beendigung des (Ehren-) Beamtenverhältnisses vorauszugehen hat.

29

d) Es liegen hier auch zwingende dienstliche Gründe für den Erlass des vorläufigen Verbots der Führung der Dienstgeschäfte vor.

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Ob zwingende dienstliche Gründe im Sinne von § 39 Satz 1 BeamtStG zu bejahen sind, ist nach den Kenntnissen, die zum Zeitpunkt des Erlasses des Verbots vorgelegen haben, zu beurteilen (vgl. OVG Schleswig-Holstein, Beschluss vom 05. August 2016 – 2 MB 23/16 –, BeckRS 2016, 52571). Da es sich um ein vorläufiges Verbot im Sinne einer materiell-rechtlichen Eilmaßnahme handelt – denn es erlischt gemäß § 39 Satz 2 BeamtStG, wenn nicht bis zum Ablauf von drei Monaten gegen die Beamtin oder den Beamten ein Disziplinarverfahren oder ein sonstiges auf Rücknahme der Ernennung oder auf Beendigung des Beamtenverhältnisses gerichtetes Verfahren eingeleitet worden ist –, kann keine abschließende Klärung des Sachverhalts gefordert werden (vgl. Plog/Wiedow, Bundesbeamtengesetz, Kommentar, Stand Juli 2018, § 66 Rn. 30; Leppek, in: BeckOK Beamtenrecht Bund, a.a.O., § 39 Rn. 7). Die endgültige Aufklärung ist dem bereits eingeleiteten Entpflichtungsverfahren vorbehalten.

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Bei dem Begriff der zwingenden dienstlichen Gründe handelt es sich um einen unbestimmten Rechtsbegriff, der der vollen gerichtlichen Nachprüfung unterliegt. Zwingende dienstliche Gründe sind gegeben, wenn bei weiterer Ausübung des Dienstes durch den Beamten auf seinem bisherigen Dienstposten der Dienstbetrieb erheblich beeinträchtigt würde oder andere gewichtige dienstliche Nachteile ernsthaft zu besorgen wären (vgl. BVerwG, Beschluss vom 19. November 1998 - 1 WB 36.98 -, juris). Die zu befürchtenden Nachteile müssen so gewichtig sein, dass dem Dienstherrn die Führung der Dienstgeschäfte durch den Beamten bis zur abschließenden Klärung und Entscheidung nicht zugemutet werden kann (vgl. OVG Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 17. Juni 2013 - 6 A 2586/12 -, juris). Anders als bei der vorläufigen Dienstenthebung im Zusammenhang mit einem Disziplinarverfahren kommt es bei einem Verbot der Führung der Dienstgeschäfte nach § 39 Satz 1 BeamtStG nicht auf ein vorwerfbares Fehlverhalten des Beamten an, sondern auf die objektive Gefährdung des Dienstes (vgl. OVG Schleswig-Holstein, Beschluss vom 05. August 2016 – 2 MB 23/16 –, BeckRS 2016, 52571). Das Verbot der Führung der Dienstgeschäfte dient gemäß § 39 BeamtStG der dienstrechtlichen Gefahrenabwehr; die Maßnahme hat nur vorläufigen Charakter. Mit ihr sollen durch eine sofortige oder wenigstens eine sehr rasche Entscheidung des Dienstherrn gravierende Nachteile durch die aktuelle Dienstausübung des Beamten für den Dienstherrn vermieden werden. Maßgebend ist die Prognose, dass die Aufgabenerfüllung der Verwaltung durch die vorerst weitere Amtsführung des Beamten objektiv gefährdet ist. Demnach ist nicht erforderlich, dass bereits Klarheit über den Grund für die Beeinträchtigung der dienstlichen Belange oder die weitere Verwendung und Behandlung des Beamten besteht; vielmehr eröffnet das Verbot der Führung der Dienstgeschäfte dem Dienstherrn die Möglichkeit, ohne Gefährdung der dienstlichen Interessen Ermittlungen anzustellen und eine solidere Grundlage für dauerhafte Entscheidungen zu gewinnen. Entsprechend dem Zweck des Verbots genügt insoweit der auf hinreichenden Anhaltspunkten beruhende Verdacht einer Gefahrenlage. Die endgültige Aufklärung ist den in § 39 Satz 2 BeamtStG aufgeführten weiteren Verfahren vorbehalten (vgl. OVG Schleswig-Holstein, Beschluss vom 05. August 2016 – 2 MB 23/16 –, BeckRS 2016, 52571; OVG Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 30. Juli 2015 – 6 A 1454/13 –, juris). Für ein Verbot der Führung der Dienstgeschäfte ist daher keine erschöpfende Aufklärung erforderlich; es genügt vielmehr, wenn der zuständige Vorgesetzte aufgrund der vorliegenden Erkenntnisse zu der begründeten Überzeugung gelangt, dass dienstliche Gründe ein sofortiges Handeln erfordern und das Verbot der Führung der Dienstgeschäfte als zwingend geboten erscheinen lassen (vgl. BVerwG, Beschluss vom 19. November 1998 – 1 WB 36.98 –, juris).

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Da es sich bei dem vorläufigen Verbot nach § 39 Satz 1 BeamtStG lediglich um eine materiell-rechtliche Eilmaßnahme handelt, die gemäß § 39 Satz 2 BeamtStG erlischt, wenn nicht bis zum Ablauf von drei Monaten gegen den Betroffenen ein Disziplinarverfahren oder ein sonstiges auf Rücknahme der Ernennung oder auf Beendigung des Beamtenverhältnisses gerichtetes Verfahren eingeleitet worden ist, liegen die inhaltlichen Anforderungen an die „zwingenden dienstlichen Gründe“ jedenfalls unterhalb der Schwelle, die für die nachfolgenden Anordnungen – hier die Entbindung des Antragstellers von seiner ehrenamtlichen Führungsfunktion nach § 14 Abs. 5 Satz 1 Nr. 1 und 2 i.V.m. Satz 2 LBKG und die Entpflichtung gemäß § 12 Abs. 5 LBKG jeweils aus „wichtigem Grund“ – maßgeblich ist. Zum „wichtigen Grund“ im Sinne der §§ 12 Abs. 5, 14 Abs. 5 LBKG hat die Kammer zuletzt in ihrem Beschluss vom 15. Januar 2018 – 5 L 1315/17.NW –, das die Entpflichtung und die Entbindung des stellvertretenden Wehrführers der Löscheinheit H und dessen Entpflichtung vom Dienst in der Freiwilligen Feuerwehr der Antragsgegnerin zum Gegenstand hatte, u.a. Folgendes ausgeführt:

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„Sowohl die Entbindungs- als auch die Entpflichtungsanordnung setzen jeweils einen das zwangsweise Ausscheiden aus dem ehrenamtlichen Feuerwehrdienst bzw. aus einer Führungsfunktion der freiwilligen Feuerwehr rechtfertigenden „wichtigen Grund“ i.S.v. § 12 Abs. 5 bzw. § 14 Abs. 5 Nr. 2 LBKG voraus. Diesen unbestimmten Rechtsbegriff verwenden beide Vorschriften, wobei die Vorschrift des § 12 Abs. 5 LBKG (Entpflichtung eines ehrenamtlichen Feuerwehrangehörigen) weitergehend in die Grundrechte des Betroffenen eingreift als die Entbindung von einer Führungsfunktion nach § 14 Abs. 5 Nr. 2 LBKG. Denn mit der Entpflichtung endet gemäß § 12 Abs. 5 Satz 1, 2. Halbsatz LBKG zugleich die Zugehörigkeit zur Feuerwehr. Wegen des bedeutenderen Grundrechtseingriffs bei einer Entpflichtung ist deshalb davon auszugehen, dass für den Fall, dass man das Verhalten des Antragstellers als wichtigen, sein zwangsweises Ausscheiden aus dem Ehrenamt rechtfertigenden Grund i.S.d. § 12 Abs. 5 LBKG würdigt, dies zugleich auch als wichtiger Grund i.S.v. § 14 Abs. 5 Nr. 2 LBKG anzusehen ist, um ihn als ehrenamtliche Führungskraft (vgl. § 14 Abs. 1 Satz 4 LBKG) von seiner Funktion als stellvertretender Wehrführer der Löscheinheit H entbinden zu können.

34

Nicht jede, vom Bürgermeister möglicherweise als anstrengend oder störend empfundene Charaktereigenschaft stellt bereits einen „wichtigen Grund“ dar. Anderenfalls könnten unliebsame Personen gegen ihren Willen allzu leicht aus der Freiwilligen Feuerwehr entfernt werden (vgl. VG Würzburg, Urteil vom 23. Mai 2017 – W 1 K 16.527 –, juris). Bei dem inhaltlich auszufüllenden Tatbestandsmerkmal des wichtigen Grundes i.S.v. § 12 Abs. 5 LBKG muss es sich daher um einen schwerwiegenden Grund handeln, der die damit verbundene Konsequenz für einen gegen seinen Willen entpflichteten Feuerwehrangehörigen, nämlich sein vollständiges Ausscheiden aus der freiwilligen Feuerwehr, rechtfertigen kann. Das gebietet schon der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit. Ein „wichtiger Grund“ ist deshalb gegeben, wenn Tatsachen vorliegen, aufgrund derer unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls und Abwägung der widerstreitenden Interessen die weitere Zugehörigkeit des betreffenden Mitglieds zur Feuerwehr untragbar und unzumutbar ist (OVG Rheinland-Pfalz, Beschluss vom 1. März 2013 - 7 A 11270/12.OVG -).

35

Das ist insbesondere der Fall, wenn die ehrenamtlichen Dienstpflichten schwerwiegend verletzt werden und damit die Erfüllung der Aufgaben der Feuerwehr ernstlich gefährdet ist. Hierzu zählen etwa unehrenhaftes Verhalten im Dienst, grobes Vergehen gegen Kameraden im Dienst, Unterschlagung von Geldern der Feuerwehr, fortgesetzte Nachlässigkeit oder Nichtbefolgen dienstlicher Anweisungen, Trunkenheit im Dienst, Aufhetzen zum Nichtbeachten von Anordnungen, dienstwidrige Benutzung oder mutwillige Beschädigung von Dienstkleidung, Geräten und sonstigen Ausrüstungsgegenständen der Feuerwehr, systematisches Untergraben der Dienstbereitschaft und der Disziplin der Feuerwehr etwa durch schwerwiegende Beleidigung der Führung bzw. des Vorgesetzten (vgl. OVG Rheinland-Pfalz, Urteil vom 12. November 1991 – 6 A 10055/91 –, juris und Beschluss vom 28. Dezember 2010 – 7 A 11087/10.OVG –; VG Würzburg, Urteil vom 23. Mai 2017 – W 1 K 16.527 –, juris). Davon abgesehen liegt ein wichtiger Grund jedenfalls auch dann vor, sofern der Feuerwehrangehörige durch bestimmte sonstige Verhaltensweisen zur Entstehung und Fortdauer von Spannungen innerhalb der Wehr beigetragen hat, die geeignet sind, deren Funktionsfähigkeit zu beeinträchtigen, und wenn auch für die Zukunft derartige Spannungen zu besorgen sind (OVG Rheinland-Pfalz, Beschluss vom 1. März 2013 – 7 A 11270/12.OVG –). Mit Rücksicht auf die überaus große Bedeutung des Funktionierens einer Feuerwehr für das gemeine Wohl darf in Bezug auf die Annahme einer Gefährdung im dargestellten Sinne ein Risiko nicht eingegangen werden. Auf ein vorwerfbares Verschulden kommt es deshalb ebenso wenig an wie auf das persönliche Motiv für das Verhalten des Mitglieds (s. auch OVG Rheinland-Pfalz, Beschluss vom 16. Februar 1996 – 12 B 10229/96 –, juris). Dass auch in einem solchen Fall die Gefahr einer Beeinträchtigung der Funktionsfähigkeit der Wehr eine Maßnahme nach § 12 Abs. 5 LBKG rechtfertigt, ergibt sich aus dem überragenden allgemeinen Interesse an einer bestmöglichen Brandbekämpfung, während es auf Seiten des „störenden“ Mitglieds „nur“ um die weitere Ausübung eines Ehrenamtes im Sinne des § 18 der Gemeindeordnung – GemO – (vgl. § 13 Abs. 1 Satz 1 LBKG) geht, auf das kein subjektives Recht im Sinne eines Anspruchs besteht und das auch nicht der Schaffung und Erhaltung einer Lebensgrundlage dient. Eine Gemeinschaft, die wie eine Feuerwehr - gerade auch beim Einsatz im Ernstfall, wenn sie sich bewähren muss - auf das kameradschaftliche Zusammenwirken angewiesen ist, in der es daher ganz wesentlich auf den Zusammenhalt ihrer Mitglieder ankommt, ist in besonderer Weise „störanfällig“. Der Zerfall einer Feuerwehr in verschiedene „Lager“ muss dementsprechend als Gefahr für ihre Funktionstüchtigkeit betrachtet werden. Einer Entwicklung dahin ist deshalb mit allen zu Gebote stehenden Mitteln entgegenzuwirken (OVG Rheinland-Pfalz, Beschluss vom 1. März 2013 – 7 A 11270/12.OVG –; vgl. auch OVG Rheinland-Pfalz, Beschluss vom 16. Februar 1996 – 12 B 10229/96 –, juris und Urteil vom 12. November 1991 – 6 A 10055/91 –, juris).“

36

Hiervon ausgehend ist es rechtlich nicht zu beanstanden, dass die Antragsgegnerin im Falle des Antragstellers von „zwingenden dienstlichen Gründen“ ausgegangen ist. Es liegen hinreichende Tatsachen vor, die unter Abwägung der widerstreitenden Interessen das vorläufige Verbot der Führung der Dienstgeschäfte rechtfertigen. Anknüpfend an sein Verhalten innerhalb der Feuerwehr der Antragsgegnerin hat der Antragsteller zur Entstehung und Fortdauer von Spannungen beigetragen, die geeignet sind, die Funktionsfähigkeit der Feuerwehr der Antragsgegnerin zu beeinträchtigen.

37

Die Antragsgegnerin hat in dem streitgegenständlichen Bescheid vom 03. August 2018 mehrere Gegebenheiten für das Vorliegen zwingender dienstlicher Gründe angeführt: „Schädigung des Ansehens der Feuerwehr insgesamt, Rufschädigung des Wehrleiters durch persönliche Angriffe in der Presse, Torpedieren der Bemühungen zur Zusammenarbeit und des kameradschaftlichen Umgangs der Feuerwehreinheiten untereinander, Gefährdung des Brandschutzes durch die Beschädigung der Einrichtung unserer Feuerwehr durch wiederholte Pressekampagnen, Unprofessionelles und unkollegiales Verhalten, Öffentliches Verbreiten von Anschuldigungen und Lügen sowie Verletzung von Dienstpflichten.“

38

Die Kammer sieht davon ab, auf jeden von der Antragsgegnerin in dem Bescheid vom 03. August 2018 genannten Vorwurf im Einzelnen einzugehen, sondern beschränkt sich auf die folgenden wesentlichen Punkte, die bereits die Annahme zwingender dienstlicher Gründe rechtfertigen.

39

Der Verwaltungsakte ist zu entnehmen, dass der Antragsteller mehrmals die Position seiner Vorgesetzten in Frage gestellt und dies auch öffentlich gemacht hat. So kritisierte der Antragsteller u.a. in der Rheinpfalz, Ausgabe Pirmasens, vom 11. Juli 2018 („Streit in Feuerwehr wegen Leitereinsatz“) einen Tragehilfeeinsatz in S am 09. Juli 2018. Darin wurde der Antragsteller mit den Worten zitiert, dass auch in H eine Drehleiter vorhanden gewesen sei, die innerhalb von 5 Minuten von der Löscheinheit H an den Einsatzort habe gebracht werden können. Es habe sich um eine unnötige Zeitverzögerung gehandelt. Ein genereller Leitereinsatz der H..er Drehleiter – diese wird gemäß einer Dienstanweisung der Antragsgegnerin für Tragehilfeeinsätze seit 2015 nicht alarmiert – sei derzeit auf H und G beschränkt – wäre mit einer simplen Vertragsänderung durch Wegfall der Ortsklausel möglich. Dies sei aber Aufgabe der Antragsgegnerin.

40

In einem weiteren Artikel der Rheinpfalz vom 13. Juli 2018 („An Drehleiter entzündet sich heftiger Streit“) wurde darüber berichtet, dass seit langem Konflikte zwischen den Wehren im Holzland, zu dem die Ortsgemeinde H gehört, und dem Wehrleiter der Antragsgegnerin, Herrn B, bestünden. Der Verwaltungsakte ist zu entnehmen, dass sich in der Folgezeit mehrere Wehrführer der Antragsgegnerin und der Wehrleiter bei dieser meldeten und rügten, dass der Antragssteller über die Presse öffentliche Angriffe gegen den Wehrleiter führe (s. Blatt 40, 41, 42, 44 der Verwaltungsakte). Mehrere Wehrführer erklärten, sie wollten nicht mehr mit dem Antragssteller auf einer professionellen Basis zusammenarbeiten. Die Spannungen innerhalb der Feuerwehr der Antragsgegnerin hatte Austrittswünsche von Feuerwehrangehörigen zur Folge. U.a. bat ein Mitglied der Feuerwehreinheit H um seine Entpflichtung, weil sein kleiner Sohn in der Schule gefragt worden sei, ob sein Papa auch dem Sauhaufen Feuerwehr angehöre (s. Blatt 54 der Verwaltungsakte). Die Presseartikel führten auch zu Verunsicherung in der Bevölkerung (s. dazu den Leserbrief in der Rheinpfalz vom 26. Juli 2018, Blatt 56.2 der Verwaltungsakte). Am 26. Juli 2018 erfolgte eine Wehrführerbesprechung, in der der Wehrführer M, der Wehrleiter AB sowie der stellvertretende Wehrleiter HB erklärten, sie würden nicht mehr mit dem Antragsteller zusammenarbeiten (s. Blatt 57 der Verwaltungsakte). In einer weiteren Wehrführerbesprechung vom 02. August 2018 erklärten der Wehrleiter, der stellvertretende Wehrleiter sowie der Wehrführer M erneut, sie seien nicht bereit, mit dem Antragssteller zusammenzuarbeiten (s. Blatt 63 der Verwaltungsakte).

41

Solche Verhältnisse können bei einer Freiwilligen Feuerwehr, die eine Einsatzorganisation zum Schutz der Bevölkerung ist und daher streng hierarchisch strukturiert ist, nicht hingenommen werden. Die Feuerwehr untersteht als gemeindliche Einrichtung dem Bürgermeister (§ 14 Abs. 1 Satz 1 LBKG). Er ist „Chef“ dieser gemeindlichen Einrichtung und somit für die Funktionsfähigkeit der Feuerwehr verantwortlich. In Verbandsgemeinden mit Freiwilliger Feuerwehr ohne hauptamtlichen Feuerwehrangehörigen bestellt der Bürgermeister den für das gesamte Verbandsgemeindegebiet zuständigen Wehrleiter samt Vertreter sowie die für die jeweiligen Ortsgemeinden verantwortlichen Wehrführer und Vertreter (s. § 14 Abs. 1 LBKG). Der Wehrleiter ist gemäß § 14 Abs. 4 LBKG für die Einsatzbereitschaft der Feuerwehr verantwortlich. Er ist Vorgesetzter der Wehrführer und aller übrigen Feuerwehrangehörigen, diesen gegenüber also weisungsbefugt. Diese haben gemäß § 13 Abs. 1 Satz 2 LBKG an angeordneten oder genehmigten Einsätzen, Übungen, Lehrgängen und sonstigen Veranstaltungen der Feuerwehr teilzunehmen und den dort ergangenen Weisungen nachzukommen. Der Antragsteller musste daher diesen Weisungen, auch wenn er sie nicht für sinnvoll erachtet haben sollte, Folge leisten. Dadurch, dass der Antragsteller dem jedoch nicht nachgekommen ist, hat er offenbart, dass er die Autorität seiner Vorgesetzten nicht anerkennt. Die Frage, ob die Weisungen seiner Vorgesetzten in der Sache gerechtfertigt waren, ist nicht maßgeblich, denn auf ein vorwerfbares Verschulden kommt es, wie oben ausgeführt, ebenso wenig an wie auf das persönliche Motiv für das Verhalten des Feuerwehrangehörigen. Unabhängig von ihrem Wahrheitsgehalt waren die Aussagen des Antragstellers in der Presse auch geeignet, die fachliche Kompetenz der Feuerwehrverantwortlichen der Antragsgegnerin in der Öffentlichkeit in Zweifel zu ziehen.

42

Den Verwaltungsakten ist hinreichend zu entnehmen, dass innerhalb der Freiwilligen Feuerwehr der Antragsgegnerin seit Jahren Unstimmigkeiten herrschen (s. dazu auch den Beschluss der Kammer vom 15. Januar 2018 – 5 L 1315/17.NW –). Eine gedeihliche Zusammenarbeit zwischen dem Wehrleiter, dem Antragsteller und den übrigen Feuerwehrangehörigen in Fällen des Brand- und Katastrophenschutzes ist damit ernsthaft in Frage gestellt. Die Effektivität des Brand- und Katastrophenschutzes erfordert es jedoch, dass die hierfür eingesetzten Personen untereinander ein Vertrauensverhältnis pflegen. Ein solches besteht zwischen Wehrleiter, Wehrführer und stellvertretendem Wehrführer offensichtlich nicht mehr. Der Antragsteller wird von seinen Vorgesetzten - ob zu Recht oder zu Unrecht, ist im Übrigen belanglos - als potentielles Gefährdungsrisiko im Ernstfall angesehen.

43

Da, wie oben ausgeführt, die endgültige Aufklärung des maßgeblichen Sachverhalts den in § 39 Satz 2 BeamtStG aufgeführten weiteren Verfahren vorbehalten ist und für ein Verbot der Führung der Dienstgeschäfte keine erschöpfende Aufklärung erforderlich ist, sieht die Kammer die Tatbestandsvoraussetzungen der genannten Norm als offensichtlich gegeben an.

44

e) Die angefochtene Verfügung vom 03. August 2018 erweist sich im Übrigen auch nicht als ermessensfehlerhaft.

45

Dabei kann dahinstehen, ob mit Rücksicht auf das besonders gewichtige Allgemeininteresse an größtmöglicher Effektivität der Brandbekämpfung überhaupt ein Ermessensspielraum besteht, wenn „zwingende dienstliche Gründe“ für das vorläufige Verbot gegeben sind, oder ob nicht ein solcher Grund das vorläufige Verbot indiziert (vgl. OVG Schleswig-Holstein, Beschluss vom 05. August 2016 – 2 MB 23/16 –, BeckRS 2016, 52571; OVG Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 17. Juni 2013 – 6 A 2586/12 –, BeckRS 2013, 52542). Hier hat die Antragsgegnerin jedenfalls rechtlich beanstandungsfrei ausgeführt, der Schutz der Bevölkerung habe höchste Priorität und gehe dem Interesse des Antragstellers auf Ausübung eines Ehrenamtes vor. Dieser Schutz sei aktuell durch seinen Verbleib in der Feuerwehr gefährdet. Daher werde er bis zum Abschluss der Untersuchungen bzw. des Verfahrens, vorläufig beurlaubt.

46

Das vorläufige Verbot der Dienstgeschäfte ist ein effektives und geeignetes Mittel, um die Funktionsfähigkeit der Feuerwehr weiterhin zu gewährleisten. Ein milderes Mittel stand der Antragsgegnerin nicht zur Verfügung. Für die Ausübung des Ermessens spielt es keine ausschlaggebende Rolle, ob der von der Verfügung betroffene Antragsteller in vorwerfbarer Weise ursächlich für die gegenwärtige Situation ist. Die persönliche Ehre, die bisherige Aufgabenerfüllung und selbst ein tadelloses Verhalten eines einzelnen Feuerwehrmannes haben dann zurückzutreten, wenn ohne seine Suspendierung aus der Feuerwehr die Arbeit der Feuerwehr in Frage gestellt ist und wenn andere, weniger einschneidende aber gleichgeeignete Mittel nicht zur Verfügung stehen. Der Betroffene ist dann darauf zu verweisen, gegen mögliche Ehrverletzungen zivilrechtlich oder strafrechtlich vorzugehen. Vor dem Hintergrund des Schutzzwecks des Brand- und Katastrophenschutzgesetzes, insbesondere des bereits mehrfach erwähnten § 1 Abs. 1 LBKG hat der von dem vorläufigen Verbot Betroffene seine eigenen persönlichen Interessen hinter den Interessen der Allgemeinheit zurückzustellen (vgl. OVG Rheinland-Pfalz, Beschluss vom 16. Februar 1996 – 12 B 10229/96.OVG – zur Entpflichtung).

47

2.2.2.2. Schließlich liegt hier auch ein besonderes Vollzugsinteresse vor. Das öffentliche Interesse an der sofortigen Vollziehung eines Verbots der Führung der Dienstgeschäfte gemäß § 39 Satz 1 BeamtStG ist in aller Regel zu bejahen, sofern dieses nicht offenbar zu Unrecht ausgesprochen worden ist, um den Zweck eines solchen Verbots erfüllen zu können (vgl. OVG Schleswig-Holstein, Beschluss vom 05. August 2016 – 2 MB 23/16 –, BeckRS 2016, 52571). Der Antragsteller hat nicht vorgetragen, war zu einer anderen Beurteilung des besonderen Vollzugsinteresses führen könnte.

48

2.2.2.3. Das weitere gegenüber dem Antragsteller ausgesprochene auf § 53 Satz 2 LBG gestützte vorläufige Verbot, die Feuerwehrgerätehäuser zu betreten und die Einsatzfahrzeuge zu führen, ist aus den dargestellten Gründen ebenfalls offensichtlich rechtmäßig. Das besondere Vollzugsinteresse ist auch diesbezüglich gegeben.

49

Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO.

50

Bei der Bemessung des Streitwerts geht die Kammer auf der Grundlage von den §§ 52 Abs. 2, 53 Abs. 2 Nr. 2, 63 Abs. 2 Gerichtskostengesetz – GKG – vom Regelstreitwert aus. Gemäß Ziffer 1.5 des Streitwertkatalogs für die Verwaltungsgerichtsbarkeit vom Juli 2013 beträgt der Streitwert in Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes in der Regel ½. Wird jedoch die Entscheidung in der Sache ganz oder zum Teil vorweggenommen, kann der Streitwert bis zur Höhe des für das Hauptsacheverfahren anzunehmenden Streitwerts angehoben werden. Hiervon macht die Kammer vorliegend Gebrauch.

Urteilsbesprechung zu Verwaltungsgericht Neustadt an der Weinstraße Beschluss, 15. Nov. 2018 - 5 L 1337/18.NW

Urteilsbesprechungen zu Verwaltungsgericht Neustadt an der Weinstraße Beschluss, 15. Nov. 2018 - 5 L 1337/18.NW

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(1) Der unterliegende Teil trägt die Kosten des Verfahrens. (2) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen demjenigen zur Last, der das Rechtsmittel eingelegt hat. (3) Dem Beigeladenen können Kosten nur auferlegt werden, we

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(1) Widerspruch und Anfechtungsklage haben aufschiebende Wirkung. Das gilt auch bei rechtsgestaltenden und feststellenden Verwaltungsakten sowie bei Verwaltungsakten mit Doppelwirkung (§ 80a). (2) Die aufschiebende Wirkung entfällt nur 1. bei der
Verwaltungsgericht Neustadt an der Weinstraße Beschluss, 15. Nov. 2018 - 5 L 1337/18.NW zitiert 15 §§.

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(1) Durch Klage kann die Aufhebung eines Verwaltungsakts (Anfechtungsklage) sowie die Verurteilung zum Erlaß eines abgelehnten oder unterlassenen Verwaltungsakts (Verpflichtungsklage) begehrt werden. (2) Soweit gesetzlich nichts anderes bestimmt ist

Verwaltungsverfahrensgesetz - VwVfG | § 45 Heilung von Verfahrens- und Formfehlern


(1) Eine Verletzung von Verfahrens- oder Formvorschriften, die nicht den Verwaltungsakt nach § 44 nichtig macht, ist unbeachtlich, wenn 1. der für den Erlass des Verwaltungsaktes erforderliche Antrag nachträglich gestellt wird;2. die erforderliche Be

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(1) Bevor ein Verwaltungsakt erlassen wird, der in Rechte eines Beteiligten eingreift, ist diesem Gelegenheit zu geben, sich zu den für die Entscheidung erheblichen Tatsachen zu äußern. (2) Von der Anhörung kann abgesehen werden, wenn sie nach de

Verwaltungsverfahrensgesetz - VwVfG | § 46 Folgen von Verfahrens- und Formfehlern


Die Aufhebung eines Verwaltungsaktes, der nicht nach § 44 nichtig ist, kann nicht allein deshalb beansprucht werden, weil er unter Verletzung von Vorschriften über das Verfahren, die Form oder die örtliche Zuständigkeit zustande gekommen ist, wenn of

Verwaltungsverfahrensgesetz - VwVfG | § 44 Nichtigkeit des Verwaltungsaktes


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Verwaltungsgericht Neustadt an der Weinstraße Beschluss, 15. Nov. 2018 - 5 L 1337/18.NW zitiert oder wird zitiert von 15 Urteil(en).

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Tenor Der Beschluss des Verwaltungsgerichts Koblenz vom 13. Januar 2012 wird abgeändert. Der Antrag auf Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung der Widersprüche der Antragsteller wird nach Maßgabe der folgenden Anordnung abgelehnt:

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(1) Durch Klage kann die Aufhebung eines Verwaltungsakts (Anfechtungsklage) sowie die Verurteilung zum Erlaß eines abgelehnten oder unterlassenen Verwaltungsakts (Verpflichtungsklage) begehrt werden.

(2) Soweit gesetzlich nichts anderes bestimmt ist, ist die Klage nur zulässig, wenn der Kläger geltend macht, durch den Verwaltungsakt oder seine Ablehnung oder Unterlassung in seinen Rechten verletzt zu sein.

(1) Widerspruch und Anfechtungsklage haben aufschiebende Wirkung. Das gilt auch bei rechtsgestaltenden und feststellenden Verwaltungsakten sowie bei Verwaltungsakten mit Doppelwirkung (§ 80a).

(2) Die aufschiebende Wirkung entfällt nur

1.
bei der Anforderung von öffentlichen Abgaben und Kosten,
2.
bei unaufschiebbaren Anordnungen und Maßnahmen von Polizeivollzugsbeamten,
3.
in anderen durch Bundesgesetz oder für Landesrecht durch Landesgesetz vorgeschriebenen Fällen, insbesondere für Widersprüche und Klagen Dritter gegen Verwaltungsakte, die Investitionen oder die Schaffung von Arbeitsplätzen betreffen,
3a.
für Widersprüche und Klagen Dritter gegen Verwaltungsakte, die die Zulassung von Vorhaben betreffend Bundesverkehrswege und Mobilfunknetze zum Gegenstand haben und die nicht unter Nummer 3 fallen,
4.
in den Fällen, in denen die sofortige Vollziehung im öffentlichen Interesse oder im überwiegenden Interesse eines Beteiligten von der Behörde, die den Verwaltungsakt erlassen oder über den Widerspruch zu entscheiden hat, besonders angeordnet wird.
Die Länder können auch bestimmen, daß Rechtsbehelfe keine aufschiebende Wirkung haben, soweit sie sich gegen Maßnahmen richten, die in der Verwaltungsvollstreckung durch die Länder nach Bundesrecht getroffen werden.

(3) In den Fällen des Absatzes 2 Satz 1 Nummer 4 ist das besondere Interesse an der sofortigen Vollziehung des Verwaltungsakts schriftlich zu begründen. Einer besonderen Begründung bedarf es nicht, wenn die Behörde bei Gefahr im Verzug, insbesondere bei drohenden Nachteilen für Leben, Gesundheit oder Eigentum vorsorglich eine als solche bezeichnete Notstandsmaßnahme im öffentlichen Interesse trifft.

(4) Die Behörde, die den Verwaltungsakt erlassen oder über den Widerspruch zu entscheiden hat, kann in den Fällen des Absatzes 2 die Vollziehung aussetzen, soweit nicht bundesgesetzlich etwas anderes bestimmt ist. Bei der Anforderung von öffentlichen Abgaben und Kosten kann sie die Vollziehung auch gegen Sicherheit aussetzen. Die Aussetzung soll bei öffentlichen Abgaben und Kosten erfolgen, wenn ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des angegriffenen Verwaltungsakts bestehen oder wenn die Vollziehung für den Abgaben- oder Kostenpflichtigen eine unbillige, nicht durch überwiegende öffentliche Interessen gebotene Härte zur Folge hätte.

(5) Auf Antrag kann das Gericht der Hauptsache die aufschiebende Wirkung in den Fällen des Absatzes 2 Satz 1 Nummer 1 bis 3a ganz oder teilweise anordnen, im Falle des Absatzes 2 Satz 1 Nummer 4 ganz oder teilweise wiederherstellen. Der Antrag ist schon vor Erhebung der Anfechtungsklage zulässig. Ist der Verwaltungsakt im Zeitpunkt der Entscheidung schon vollzogen, so kann das Gericht die Aufhebung der Vollziehung anordnen. Die Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung kann von der Leistung einer Sicherheit oder von anderen Auflagen abhängig gemacht werden. Sie kann auch befristet werden.

(6) In den Fällen des Absatzes 2 Satz 1 Nummer 1 ist der Antrag nach Absatz 5 nur zulässig, wenn die Behörde einen Antrag auf Aussetzung der Vollziehung ganz oder zum Teil abgelehnt hat. Das gilt nicht, wenn

1.
die Behörde über den Antrag ohne Mitteilung eines zureichenden Grundes in angemessener Frist sachlich nicht entschieden hat oder
2.
eine Vollstreckung droht.

(7) Das Gericht der Hauptsache kann Beschlüsse über Anträge nach Absatz 5 jederzeit ändern oder aufheben. Jeder Beteiligte kann die Änderung oder Aufhebung wegen veränderter oder im ursprünglichen Verfahren ohne Verschulden nicht geltend gemachter Umstände beantragen.

(8) In dringenden Fällen kann der Vorsitzende entscheiden.

Tenor

Die Beschwerde des Antragstellers gegen den Beschluss des Verwaltungsgerichts Halle - 5. Kammer - vom 26. August 2016 wird zurückgewiesen.

Der Antragsteller trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.

Der Streitwert wird für das Beschwerdeverfahren und unter Änderung der Streitwertfestsetzung im Beschluss des Verwaltungsgerichts Halle - 5. Kammer - vom 26. August 2016 zugleich für den ersten Rechtszug jeweils auf 5.000 € festgesetzt.

Gründe

1

Die zulässige (Teil-) Beschwerde des Antragstellers gegen den Beschluss des Verwaltungsgerichts Halle - 5. Kammer - vom 26. August 2016, deren Prüfung gemäß § 146 Abs. 4 Satz 1 und 6 VwGO auf die dargelegten Gründe beschränkt ist, hat in der Sache keinen Erfolg. Die von dem Antragsteller vorgebrachten Einwendungen rechtfertigen die begehrte Abänderung des angefochtenen Beschlusses nicht.

2

Entgegen dem Beschwerdevorbringen hat das Verwaltungsgericht zu Recht festgestellt, dass die in der Verfügung der Antragsgegnerin vom 29. Juni 2016 enthaltene Anordnung der sofortigen Vollziehung den Begründungsanforderungen des § 80 Abs. 3 Satz 1 VwGO (noch) genügt. In dem angefochtenen Beschluss wird zutreffend ausgeführt, welche Anforderungen an eine Begründung des besonderen Sofortvollziehungsinteresses nach § 80 Abs. 3 Satz 1 VwGO zu stellen sind. Mit den unter Abschnitt V. der Verfügungsbegründung (Seite 5) gegebenen Erläuterungen hat die Antragsgegnerin ausreichend zu erkennen gegeben, dass die sofortige Vollziehung nur ausnahmsweise in Betracht kommt und eine Abwägung der Interessen der Allgemeinheit mit den privaten Interessen des Betroffenen erfordert. Daran anknüpfend hat sie die Gesichtspunkte benannt, die im Streitfall Veranlassung gegeben haben, den Eintritt des Suspensiveffekts (§ 80 Abs. 1 Satz 1 VwGO) zu verhindern. Sie hat dies für geboten gehalten, um einer Gefährdung des Ansehens der Feuerwehr und der Kommune sowie der inneren Ordnung der Ortsfeuerwehr, zu deren Wehrleiter der Antragsteller bestellt worden ist, entgegenzuwirken. Diese - wenn auch äußerst knapp gehaltenen - Erwägungen sind in sich schlüssig, weisen einen hinlänglichen Bezug zum Einzelfall auf und erschöpfen sich nicht in einer bloßen Wiederholung des Gesetzestextes; auch handelt es sich nicht um formelhafte und letztlich inhaltsleere Wendungen bzw. - wie die Beschwerde rügt - um „Allgemeinplätze“. Soweit der Antragsteller darauf verweist, dass das beanstandete Verhalten bereits längere Zeit zurückliege, spricht dies für sich besehen und erst recht in Anbetracht der von der Antragsgegnerin angenommenen „besonderen Schwere der Verfehlungen“ nicht gegen die Dringlichkeit einer Verwirklichung des Verbotsausspruchs. Die Forderung, die Antragsgegnerin habe sich mit den „tatsächlichen Vorhalten“ und den „Daten und Fakten der vorgeworfenen Verhaltensweisen“ konkret auseinandersetzen müssen, überspannt die Anforderungen an den Mindestinhalt einer Sofortvollzugsbegründung. Ebenso wenig greift der Einwand durch, die Antragsgegnerin habe zur Rechtfertigung der Vollziehbarkeitsanordnung auf „andere Gründe“ abstellen müssen als in Bezug auf den Verwaltungsakt selbst oder aber ausdrücklich auf die Begründung des Verwaltungsakts Bezug nehmen müssen. Denn in der Sache können das Erlassinteresse und das Interesse an der sofortigen Vollziehung - gerade in Konstellationen der vorliegenden Art - ohne Weiteres zusammenfallen (vgl. Schoch, in: Schoch/Schneider/Bier, VwGO, 30. EL 2016, § 80 Rn. 206 m. w. N.).

3

Soweit die Beschwerde die vom Verwaltungsgericht vorgenommene Interessenabwägung nach § 80 Abs. 5 Satz 1 VwGO angreift, legt sie keine Gründe dar, aus denen das Verbot der Führung der Dienstgeschäfte nach § 39 Satz 1 BeamtStG und die damit verbundenen Untersagungsanordnungen nach § 53 LBG LSA (Untersagung des Betretens der Diensträume etc.) sich voraussichtlich als rechtswidrig darstellen.

4

Für die allgemeine These, dass „all das, was den Beschwerdeführer als Ehrenbeamten betrifft“, nicht oder nicht allein durch den Hauptverwaltungsbeamten (Bürgermeister) der Antragsgegnerin veranlasst werden dürfe, ist kein rechtlicher Anknüpfungspunkt zu finden. Im Übrigen lässt das Verbot der Führung der Dienstgeschäfte nach § 39 Satz 1 BeamtStG das bestehende Amt im abstrakt-funktionellen wie im konkret-funktionellen Sinne unberührt; es suspendiert als vorläufige Maßnahme nur die mit dem konkreten Amt verbundene Dienstleistungspflicht in der Weise, dass der Beamte - vorübergehend - zur Dienstleistung weder berechtigt noch verpflichtet ist (vgl. Zängl, in: Weiss u. a., BayBeamtenR, § 39 BeamtStG Rn. 15 m. w. N.). Die Frage, ob dem Verwaltungsgericht darin zugestimmt werden kann, dass der hier zugleich verfügte Ausschluss des Antragstellers aus der Feuerwehr der Antragsgegnerin mangels Abberufung gemäß § 15 Abs. 3 Satz 3 BrSchG LSA „nicht möglich“ gewesen sei, ist nicht Gegenstand des vorliegenden Beschwerdeverfahrens. Dem Antragsteller hilft auch nicht der Hinweis auf die Verfahrensvorschriften des Disziplinargesetzes Sachsen-Anhalt. Mit der beamtenrechtlichen Entscheidung nach § 39 Satz 1 BeamtStG einerseits und den Befugnissen des Disziplinarrechts andererseits stehen dem Dienstherrn einander ergänzende Eingriffsgrundlagen selbstständig nebeneinander zur Verfügung, die unterschiedliche Zweckrichtungen verfolgen und an unterschiedliche Voraussetzungen gebunden sind (vgl. OVG LSA, Beschlüsse vom 22. Dezember 2009 - 1 M 87/09 -, juris Rn. 4, 13, und vom 23. Februar 2011 - 1 M 16/11 -, juris Rn. 9; s. auch BVerwG, Beschluss vom 17. Juli 1979 - 1 WB 67.78 -, juris Rn. 39; NdsOVG, Beschluss vom 20. April 2010 - 5 ME 282/09 -, juris Rn. 22). Dass dem Verbot der Führung der Dienstgeschäfte nicht eine Beendigung des (Ehren-) Beamtenverhältnisses vorauszugehen hat, wie der Antragssteller meint, ergibt sich unmittelbar aus § 39 Satz 2 BeamtStG, der bestimmt, dass das Verbot erlischt, wenn nicht bis zum Ablauf von drei Monaten gegen die Beamtin oder den Beamten ein Disziplinarverfahren oder ein sonstiges auf Rücknahme der Ernennung oder auf Beendigung des Beamtenverhältnisses gerichtetes Verfahren eingeleitet worden ist. Mithin geht der Gesetzgeber im Gegenteil davon aus, dass dem Verbotsverfahren ein auf Rücknahme der Ernennung oder auf Beendigung des Beamtenverhältnisses gerichtetes Verfahren zu folgen hat (vgl. OVG LSA, Beschlüsse vom 22. Dezember 2009, a. a. O. Rn. 4, und vom 23. Februar 2011, a. a. O. Rn. 7). Ergeht in einem solchen Verfahren eine Entscheidung des Dienstherrn, wird das Verbot der Dienstgeschäfte gegenstandslos (vgl. SächsOVG, Beschluss vom 13. November 2013 - 2 A 253/11 -, juris Rn. 10; OVG MV, Beschluss vom 31. Mai 2005 - 2 M 58/05 -, juris Rn. 5; Zängl, in: Weiss u. a., a. a. O. Rn. 51 m. w. N.). Dieser funktionale Zusammenhang ändert indes nichts an der rechtlichen Selbstständigkeit des ein Verbot nach § 39 Satz 1 BeamtStG betreffenden Verfahrens, weshalb aus ihm nichts für die Eröffnung des Anwendungsbereichs der verfahrensrechtlichen Regelungen des Disziplinarrechts hergeleitet werden kann. Hat die Maßnahme nach § 39 Satz 1 BeamtStG - wie erwähnt - bloß vorläufigen Charakter und ist die endgültige Aufklärung gerade den in § 39 Satz 2 BeamtStG aufgeführten weiteren Verfahren vorbehalten (vgl. OVG LSA, Beschlüsse vom 22. Dezember 2009, a. a. O. Rn. 5, und vom 23. Februar 2011, a. a. O. Rn. 10), erschließt sich gleichfalls nicht, inwiefern die Antragsgegnerin mit dem Verbot quasi rechtsmissbräuchlich bezweckt haben soll, „vollendete Tatsachen“ im Hinblick auf eine Entfernung des Antragstellers aus dem (Ehren-) Beamtenverhältnis zu schaffen.

5

Die streitgegenständliche Verfügung leidet auch nicht an formell-rechtlichen Mängeln, die voraussichtlich zu ihrer Aufhebung im Klageverfahren führen werden. Ungeachtet der Regelungen des § 86 LBG LSA und des § 28 Abs. 2 Nr. 1 VwVfG liegt entgegen der Auffassung des Antragstellers ein beachtlicher Anhörungsmangel im Sinne des § 1 Abs. 1 Satz 1 VwVfG LSA in Verbindung mit § 28 Abs. 1 VwVfG nicht vor. Warum die Zeitspanne zwischen dem nach eigenen Angaben am 15. Juni 2016 erfolgten Zugang des Schreibens der Antragsgegnerin vom 9. Juni 2016 und dem Anhörungstermin am 22. Juni 2016 zu kurz gewesen sein soll, als dass sich der Antragsteller zu den für die Entscheidung erheblichen Tatsachen habe äußern können, ist weder plausibel gemacht noch sonst erkennbar. Dass das Verwaltungsgericht angenommen habe, schon in dem Schreiben vom 9. Juni 2016 und nicht erst im Anhörungstermin sei von der Absicht, dem Antragsteller die Führung der Dienstgeschäfte zu verbieten, die Rede gewesen, trifft zudem nicht zu. Davon abgesehen ist auch nicht dargelegt, dass ein etwaiger Verfahrensfehler nicht im Widerspruchs- oder im verwaltungsgerichtlichen Verfahren gemäß § 1 Abs. 1 Satz 1 VwVfG LSA in Verbindung mit § 45 Abs. 1 Nr. 3, Abs. 2 VwVfG heilbar sein sollte. Entsprechendes gilt für die Rüge, die Antragsgegnerin habe dem Antragsteller die von ihm bereits mit Schreiben vom 21. Juni 2016 beantragte Einsicht in die Verfahrensakten verweigert. Den Prozessbevollmächtigten des Antragstellers ist im erstinstanzlichen Verfahren eine von der Antragsgegnerin gefertigte Ablichtung des Verwaltungsvorgangs übersandt worden (GA Bl. 60R, 64). Hierdurch ist die begehrte Akteneinsicht jedenfalls mit heilender Wirkung nachgeholt worden, so dass eine Verletzung des Anspruchs des Antragstellers auf Gewährung rechtlichen Gehörs ausscheidet (vgl. NdsOVG, Beschluss vom 13. November 2009 - 11 ME 440/09 -, juris Rn. 5; Sachs, in: Stelkens/Bonk/Sachs, VwVfG, 8. Auflage 2014, § 45 Rn. 145).

6

Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO.

7

Die Entscheidung über die Festsetzung der Höhe des Streitwerts für das Beschwerdeverfahren und von Amts wegen zugleich für den ersten Rechtszug unter Änderung der erstinstanzlichen Streitwertfestsetzung beruht auf den §§ 63 Abs. 3, 53 Abs. 2 Nr. 2 in Verbindung mit den §§ 47, 52 Abs. 1 und 2 GKG. Da die Entscheidung in der Hauptsache vorweggenommen wird, sieht der Senat von einer Halbierung des Auffangwerts in Anlehnung an Ziffer 1.5 des Streitwertkatalogs für die Verwaltungsgerichtsbarkeit 2013 (NVwZ-Beilage 2013, 57) ab (vgl. OVG LSA, Beschlüsse vom 22. Dezember 2009, a. a. O. Rn. 15, und vom 23. Februar 2011, a. a. O. Rn. 17).

8

Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO, § 68 Abs. 1 Satz 5 in Verbindung mit § 66 Abs. 3 Satz 3 GKG).


(1) Widerspruch und Anfechtungsklage haben aufschiebende Wirkung. Das gilt auch bei rechtsgestaltenden und feststellenden Verwaltungsakten sowie bei Verwaltungsakten mit Doppelwirkung (§ 80a).

(2) Die aufschiebende Wirkung entfällt nur

1.
bei der Anforderung von öffentlichen Abgaben und Kosten,
2.
bei unaufschiebbaren Anordnungen und Maßnahmen von Polizeivollzugsbeamten,
3.
in anderen durch Bundesgesetz oder für Landesrecht durch Landesgesetz vorgeschriebenen Fällen, insbesondere für Widersprüche und Klagen Dritter gegen Verwaltungsakte, die Investitionen oder die Schaffung von Arbeitsplätzen betreffen,
3a.
für Widersprüche und Klagen Dritter gegen Verwaltungsakte, die die Zulassung von Vorhaben betreffend Bundesverkehrswege und Mobilfunknetze zum Gegenstand haben und die nicht unter Nummer 3 fallen,
4.
in den Fällen, in denen die sofortige Vollziehung im öffentlichen Interesse oder im überwiegenden Interesse eines Beteiligten von der Behörde, die den Verwaltungsakt erlassen oder über den Widerspruch zu entscheiden hat, besonders angeordnet wird.
Die Länder können auch bestimmen, daß Rechtsbehelfe keine aufschiebende Wirkung haben, soweit sie sich gegen Maßnahmen richten, die in der Verwaltungsvollstreckung durch die Länder nach Bundesrecht getroffen werden.

(3) In den Fällen des Absatzes 2 Satz 1 Nummer 4 ist das besondere Interesse an der sofortigen Vollziehung des Verwaltungsakts schriftlich zu begründen. Einer besonderen Begründung bedarf es nicht, wenn die Behörde bei Gefahr im Verzug, insbesondere bei drohenden Nachteilen für Leben, Gesundheit oder Eigentum vorsorglich eine als solche bezeichnete Notstandsmaßnahme im öffentlichen Interesse trifft.

(4) Die Behörde, die den Verwaltungsakt erlassen oder über den Widerspruch zu entscheiden hat, kann in den Fällen des Absatzes 2 die Vollziehung aussetzen, soweit nicht bundesgesetzlich etwas anderes bestimmt ist. Bei der Anforderung von öffentlichen Abgaben und Kosten kann sie die Vollziehung auch gegen Sicherheit aussetzen. Die Aussetzung soll bei öffentlichen Abgaben und Kosten erfolgen, wenn ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des angegriffenen Verwaltungsakts bestehen oder wenn die Vollziehung für den Abgaben- oder Kostenpflichtigen eine unbillige, nicht durch überwiegende öffentliche Interessen gebotene Härte zur Folge hätte.

(5) Auf Antrag kann das Gericht der Hauptsache die aufschiebende Wirkung in den Fällen des Absatzes 2 Satz 1 Nummer 1 bis 3a ganz oder teilweise anordnen, im Falle des Absatzes 2 Satz 1 Nummer 4 ganz oder teilweise wiederherstellen. Der Antrag ist schon vor Erhebung der Anfechtungsklage zulässig. Ist der Verwaltungsakt im Zeitpunkt der Entscheidung schon vollzogen, so kann das Gericht die Aufhebung der Vollziehung anordnen. Die Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung kann von der Leistung einer Sicherheit oder von anderen Auflagen abhängig gemacht werden. Sie kann auch befristet werden.

(6) In den Fällen des Absatzes 2 Satz 1 Nummer 1 ist der Antrag nach Absatz 5 nur zulässig, wenn die Behörde einen Antrag auf Aussetzung der Vollziehung ganz oder zum Teil abgelehnt hat. Das gilt nicht, wenn

1.
die Behörde über den Antrag ohne Mitteilung eines zureichenden Grundes in angemessener Frist sachlich nicht entschieden hat oder
2.
eine Vollstreckung droht.

(7) Das Gericht der Hauptsache kann Beschlüsse über Anträge nach Absatz 5 jederzeit ändern oder aufheben. Jeder Beteiligte kann die Änderung oder Aufhebung wegen veränderter oder im ursprünglichen Verfahren ohne Verschulden nicht geltend gemachter Umstände beantragen.

(8) In dringenden Fällen kann der Vorsitzende entscheiden.

Tenor

I.

Der Beschluss des Verwaltungsgerichts Augsburg vom 30. September 2014 wird in Nr. I abgeändert. Die aufschiebende Wirkung des Widerspruchs gegen den Bescheid vom 2. September 2014 in Gestalt des Ergänzungsbescheids vom 21. November 2014 wird unter folgender Auflage wiederhergestellt bzw. angeordnet:

Der Antragsteller

1. meldet sich sofort für ein Fahreignungsseminar nach § 4a StVG, § 42 FeV an und nimmt an allen Modulen und Sitzungen teil,

2. legt dem Landratsamt O. zum Nachweis der Anmeldung binnen 10 Tagen nach Zustellung dieses Beschlusses an seinen Bevollmächtigten eine von dem/den Seminarträgern verbindlich bestätigte Anmeldung zu der verkehrspädagogischen und verkehrspsychologischen Teilmaßnahme des Fahreignungsseminars vor,

3. a) legt dem Landratsamt O. zum Nachweis der Teilnahme an der verkehrspädagogischen Teilmaßnahme des Fahreignungsseminars nach § 42 Abs. 3 und 4 FeV (Module 1 und 2) sowie an der Sitzung 1 der verkehrspsychologischen Teilmaßnahme nach § 42 Abs. 6 und 7 FeV binnen eines Monats nach Zustellung dieses Beschlusses an seinen Bevollmächtigten jeweils eine schriftliche Bestätigung des Seminarträgers vor,

b) legt dem Landratsamt O. zum Nachweis der Teilnahme an der Sitzung 2 der verkehrspsychologischen Teilmaßnahme nach § 42 Abs. 6 und 8 FeV binnen zwei Monaten nach Zustellung dieses Beschlusses an seinen Bevollmächtigten eine schriftliche Bestätigung des Seminarträgers vor.

Im Übrigen wird die Beschwerde zurückgewiesen.

II.

Die Kosten des Verfahrens in beiden Rechtszügen tragen unter Abänderung von Nr. II des Beschlusses des Verwaltungsgerichts der Antragsteller zu einem Drittel und der Antragsgegner zu zwei Dritteln.

III.

Der Streitwert für das Beschwerdeverfahren wird auf 8.750 Euro festgesetzt.

Gründe

I.

Der Antragsteller wendet sich gegen die sofort vollziehbare Entziehung seiner Fahrerlaubnis.

Mit Bescheid vom 23. März 2009 entzog ihm die Fahrerlaubnisbehörde die Fahrerlaubnis der Klassen A und CE sowie sämtlicher darin enthaltener Klassen. Der Antragsteller hatte am 21. Juli 2007 18 oder mehr Punkte im damaligen Verkehrszentralregister erreicht. Den Punkten lagen verschiedene Verkehrsordnungswidrigkeiten zugrunde (2007 zwei Geschwindigkeitsüberschreitungen, 2006 eine Geschwindigkeitsüberschreitung, Fahren ohne Sicherheitsgurt sowie Überladung, 2005 eine Geschwindigkeitsüberschreitung, mangelhafte Bereifung und unzureichende Ladungssicherung sowie eine Überschreitung der Frist für die HU, 2004 Telefonieren am Steuer und 2002 ein Rotlichtverstoß). Einen dagegen eingelegten Antrag nach § 80 Abs. 5 VwGO hat das Verwaltungsgericht Augsburg mit Beschluss vom 18. Mai 2009 abgelehnt (Au 7 S 09.513). Die Klage gegen den Bescheid vom 23. März 2009 nahm der Antragsteller daraufhin zurück.

Das Amtsgericht München verhängte mit Strafbefehl vom 7. Oktober 2009, rechtskräftig seit 15. Oktober 2009, wegen eines am 21. November 2008 begangenen Vergehens des fahrlässigen Fahrens ohne Fahrerlaubnis eine Geldstrafe von 25 Tagessätzen gegen den Antragsteller. Die Gültigkeit seiner Fahrerlaubnis der Klasse CE war am 7. Februar 2007 abgelaufen.

Auf seinen Antrag vom 19. August 2009 erteilte ihm die Fahrerlaubnisbehörde am 9. November 2009 die Fahrerlaubnis der Klassen A, BE, C1E, CE, M, S, L und T wieder. Dafür hatte er ein medizinisch-psychologisches Gutachten der A. GmbH vom 1. Oktober 2009 vorgelegt. Der Gutachter stellte fest, es sei zu erwarten, dass der Antragsteller auch zukünftig erheblich oder wiederholt gegen verkehrsrechtliche Bestimmungen verstoßen werde. Es bestehe jedoch begründete Aussicht, dass diese Einstellungsmängel durch die Teilnahme an einem Kurs nach § 70 FeV behoben werden könnten. Der Antragsteller nahm daraufhin an einem solchen Kurs teil und legte eine Teilnahmebestätigung vom 8. November 2009 vor.

Mit Schreiben vom 19. Mai 2014 teilte das Kraftfahrt-Bundesamt der Fahrerlaubnisbehörde mit, dass der Antragsteller vier Punkte im Fahreignungsregister erreicht habe. Folgende Taten seien gespeichert:

Tattag

Rechtskraft

OWi/Straftat

Punktezahl

21.11.2008

15.10.2009

Fahrlässiges Fahren ohne Fahrerlaubnis, Lkw mit Anhänger

6 P., wegen FE-Entzug gelöscht

11.2.2010

27.3.2010

Benutzung eines Mobiltelefons als Führer eines Kfz bis 3,5t

1 P. alt

17.3.2011

5.7.2011

Höchstgeschwindigkeit innerorts mit Kfz über 3,5t um 16 km/h überschritten

1 P. alt

2.5.2011

27.10.2011

Ladung ungenügend gesichert bei Kfz über 7,5t

1 P. alt

10.5.2012

31.7.2012

Inbetriebnahme eines Lkw mit Verstoß gegen Verkehrssicherheit (Bremsen)

3 P. alt

19.2.2013

5.4.2013

Benutzung eines Mobiltelefons als Führer eines Pkw

1 P. alt

1.5.2014

Umrechnung von 7 Punkte alt auf 3 Punkte neu (§ 65 Abs. 3 Nr. 4 StVG)

10.2.2014

25.3.2014

Benutzung eines Mobiltelefons als Führer eines Kfz über 3,5t

1 P. neu

Mit Schreiben vom 2. Juni 2014 forderte die Fahrerlaubnisbehörde den Antragsteller unter Auflistung der ab 2010 begangenen Verkehrsordnungswidrigkeiten auf, ein Gutachten einer amtlich anerkannten Begutachtungsstelle für Fahreignung/Medizinisch-Psychologische Untersuchungsstelle beizubringen. Er habe zwischenzeitlich erneut sechs Mal gegen verkehrsrechtliche Bestimmungen verstoßen. Die Prognose des Gutachtens aus 2009 sei damit eindeutig widerlegt. Nachdem er das komplette Punktesystem bereits einmal durchlaufen und dies offensichtlich keinerlei Einfluss auf sein Verhalten im Straßenverkehr gehabt habe, sei die Behörde zu dem Schluss gekommen, dass nicht die Maßnahmen des neuen Fahreignungsbewertungssystems, sondern gemäß § 11 Abs. 3 Nr. 4 FeV eine neuerliche Fahreignungsüberprüfung angebracht sei. Der Antragsteller legte kein Gutachten vor.

Daraufhin entzog ihm die Fahrerlaubnisbehörde mit Bescheid vom 2. September 2014 die Fahrerlaubnis sämtlicher Klassen (Nr. 1). Sie verpflichtete ihn, seinen Führerschein spätestens drei Tage nach Zustellung des Bescheids abzuliefern (Nr. 2) und ordnete die sofortige Vollziehung der Nr. 2 des Bescheids an (Nr. 3). In den Gründen des Bescheids führte sie unter Nr. IV aus, dass die sofortige Vollziehung der Nrn. 1 und 2 dieses Bescheids nach § 80 Abs. 2 Nr. 4 VwGO angeordnet werde, da ein dringendes öffentliches Interesse daran bestehe, dass der Antragsteller nicht weiter am motorisierten Straßenverkehr teilnehme.

Über den Widerspruch gegen den Bescheid vom 2. September 2014 ist nach Aktenlage noch nicht entschieden. Den Antrag nach § 80 Abs. 5 VwGO hat das Verwaltungsgericht Augsburg mit Beschluss vom 30. September 2014 abgelehnt.

Dagegen hat der Antragsteller Beschwerde erhoben. Der Sofortvollzug sei hinsichtlich der Nr. 1 des Bescheids überhaupt nicht angeordnet worden. Darüber hinaus sei er nach § 80 Abs. 3 VwGO nicht hinreichend begründet worden. Des Weiteren fehle es an einer ordnungsgemäßen Interessenabwägung. Die Voraussetzungen zu einem Vorgehen außerhalb des Punktesystems lägen nicht vor. Dazu bedürfe es einer Einzelfallbetrachtung und der Abwägung der konkreten Umstände. Die Anordnung der Vorlage eines medizinisch-psychologischen Gutachtens sei rechtswidrig gewesen, da sie keine ausreichende Begründung enthalte, weshalb vom Punktesystem abgewichen werde. Es würden keine wiederholten Verstöße i. S. d. § 11 Abs. 3 Nr. 4 Alt. 2 FeV vorliegen. Der Antragsteller begehe nicht beharrlich und häufig die Verkehrssicherheit beeinträchtigende Verkehrsordnungswidrigkeiten, er sei weder ein notorischer Raser noch fahre er unter Alkoholeinfluss. Das Ermessen sei nicht ordnungsgemäß ausgeübt worden. Innerhalb der letzten 24 Monate habe er nur zwei Ordnungswidrigkeiten begangen, die zur Eintragung jeweils eines Punktes geführt hätten. Es hätte ausgereicht, das Absolvieren eines Seminars zum Abbau von Punkten anzuordnen.

Mit Bescheid vom 21. November 2014 hat der Antragsgegner die sofortige Vollziehung der Nr. 1 des Bescheids vom 2. September 2014 angeordnet. Im Bescheid vom 2. September 2014 sei versehentlich nur die sofortige Vollziehung der Nr. 2 angeordnet worden. Es handele sich um einen offensichtlichen Schreibfehler, da in der Begründung von Nrn. 1 und 2 die Rede sei. Im Übrigen tritt er der Beschwerde entgegen.

Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten wird auf die Gerichtsakten beider Instanzen und die vorgelegten Behördenakten Bezug genommen.

II.

Die zulässige Beschwerde, bei deren Prüfung der Verwaltungsgerichtshof gemäß § 146 Abs. 4 Satz 6 VwGO das form- und fristgerechte Beschwerdevorbringen berücksichtigt, ist mit der Maßgabe begründet, dass die Wiederherstellung und Anordnung der aufschiebenden Wirkung der Nummern 1 und 2 des Bescheids vom 2. September 2014 in Gestalt des Ergänzungsbescheids vom 21. November 2014 mit Auflagen im Sinne von § 80 Abs. 5 Satz 4 VwGO zu verbinden war.

1. Streitgegenständlich ist der Bescheid vom 2. September 2014 in der Gestalt, die er durch den Ergänzungsbescheid vom 21. November 2014 gefunden hat. Der Antragsgegner hat den Ergänzungsbescheid mit Schriftsatz vom 25. November 2014 in das Beschwerdeverfahren eingeführt. Im Rahmen der Beschwerde sind Änderungen der Sach- und Rechtslage bis zum Zeitpunkt der Entscheidung über die Beschwerde zu berücksichtigen, selbst wenn sie vom Beschwerdegegner geschaffen wurden (Kopp/Schenke, VwGO, 20. Aufl. 2014, § 146 Rn. 42).

2. Die Anordnung des Sofortvollzugs genügt den formellen Anforderungen. Nach § 80 Abs. 3 Satz 1 VwGO ist in den Fällen des § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 VwGO das besondere Interesse an der sofortigen Vollziehung des Verwaltungsakts schriftlich zu begründen. Dabei sind an den Inhalt der Begründung keine zu hohen Anforderungen zu stellen (Schmidt in Eyermann, VwGO, 14. Aufl. 2014, § 80 Rn. 43). Insbesondere bei Kraftfahrern, denen die erforderliche Eignung zum Führen eines Kraftfahrzeugs fehlt, ist das Erlassinteresse regelmäßig mit dem Vollzugsinteresse identisch (Schmidt, a. a. O. Rn. 36). Ein solcher Fall lag hier aus Sicht des Antragsgegners vor. Er hat vor diesem Hintergrund unter Nr. IV des Bescheids vom 2. September 2014 und unter Nr. II des Bescheids vom 21. November 2014 zwar knapp, aber ausreichend, das besondere Interesse am sofortigen Vollzug begründet. Im gerichtlichen Verfahren erfolgt keine materielle Überprüfung der Begründung der Behörde nach § 80 Abs. 3 Satz 1 VwGO, sondern es wird eine eigenständige Interessenabwägung durchgeführt.

3. Das Beschwerdevorbringen führt zu einer Abänderung der Entscheidung des Verwaltungsgerichts, da eine eigenständige gerichtliche Interessenabwägung unter Berücksichtigung der Erfolgsaussichten des Rechtsbehelfs ergibt, dass die aufschiebende Wirkung des Widerspruchs unter Auflagen wiederhergestellt bzw. angeordnet werden kann.

Der Widerspruch wird mit überwiegender Wahrscheinlichkeit erfolgreich sein, denn gegen die Gutachtensanordnung vom 2. Juni 2014 bestehen rechtliche Bedenken.

Nach § 3 Abs. 1 Satz 1 des Straßenverkehrsgesetzes (StVG) vom 5. März 2003 (BGBl S. 310), zuletzt geändert durch Gesetz vom 28. August 2013 (BGBl S. 3313), und § 46 Abs. 1 Satz 1 der Verordnung über die Zulassung von Personen zum Straßenverkehr (Fahrerlaubnis-Verordnung - FeV) vom 18. Dezember 2010 (BGBl S. 1980), zuletzt geändert durch Verordnung vom 16. April 2014 (BGBl S. 348), hat die Fahrerlaubnisbehörde die Fahrerlaubnis zu entziehen, wenn sich der Inhaber einer Fahrerlaubnis als ungeeignet oder nicht befähigt zum Führen von Kraftfahrzeugen erweist. Werden Tatsachen bekannt, die Bedenken begründen, dass der Inhaber einer Fahrerlaubnis zum Führen eines Kraftfahrzeugs ungeeignet oder bedingt geeignet ist, finden die §§ 11 bis 14 FeV entsprechend Anwendung (§ 46 Abs. 3 FeV).

Nach § 11 Abs. 8 Satz 1 FeV darf die Behörde auf die Nichteignung des Betroffenen schließen, wenn ein gefordertes Gutachten nicht fristgerecht beigebracht wird. Der Schluss auf die Nichteignung ist jedoch nur dann zulässig, wenn die Anordnung des Gutachtens formell und materiell rechtmäßig, insbesondere anlassbezogen und verhältnismäßig ist (BVerwG, U. v. 5.7.2001 - 3 C 13.01 - NJW 2002, 78). Diese Anforderungen sind hier bei summarischer Prüfung nicht erfüllt.

Gegen die Anordnung vom 2. Juni 2014 bestehen durchgreifende Bedenken. Zwar liegen die Tatbestandsvoraussetzungen des § 11 Abs. 3 Satz 1 Nr. 4 Alt. 2 FeV vor. Danach kann die Beibringung eines Gutachtens zur Klärung von Eignungszweifeln angeordnet werden, wenn wiederholt gegen verkehrsrechtliche Vorschriften verstoßen wurde. Dies ist beim Antragsteller der Fall, denn es sind sechs Verkehrsordnungswidrigkeiten im Fahreignungsregister eingetragen, auf die der Antragsgegner die Anordnung gestützt hat. Ob die Verstöße erheblich waren, ist nicht entscheidungserheblich, denn die Behörde hat sich auf mehrere Verstöße und nicht nur auf einen einzelnen erheblichen Verstoß nach § 11 Abs. 3 Satz 1 Nr. 4 Alt. 1 FeV bezogen.

Gegen die Anordnung bestehen jedoch rechtliche Bedenken dahingehend, ob die Fahrerlaubnisbehörde das in § 11 Abs. 3 Satz 1 Nr. 4 FeV eröffnete Ermessen in einer dem Zweck der Ermächtigung entsprechenden Weise ausgeübt hat, mithin das Vorgehen außerhalb des Punktsystems ausreichend und zutreffend begründet hat.

Nach § 11 Abs. 6 Satz 1 FeV ist unter Berücksichtigung der Besonderheiten des Einzelfalls festzulegen, welche Fragen im Hinblick auf die Eignung des Betroffenen zum Führen von Kraftfahrzeugen zu klären sind. Nach § 11 Abs. 6 Satz 2 FeV muss die Behörde dem Betroffenen die Gründe für die Zweifel an seiner Eignung darlegen. Dabei sind an die Fragestellung und die Begründung strenge Anforderungen zu stellen, denn eine Gutachtensaufforderung ist nicht selbstständig anfechtbar und muss dem Betroffenen die Möglichkeit geben, sich frühzeitig Klarheit darüber zu verschaffen, ob die Anordnung rechtmäßig ist (BayVGH, B. v. 27.11.2012 - 11 ZB 12.1596 - juris Rn. 10; NdsOVG, U. v. 8.7.2014 - 12 LC 224/13 - juris Rn. 47). Diese Voraussetzungen sind hier nicht gewahrt. Die Fahrerlaubnisbehörde hat unter Auflistung der seit 2010 begangenen Verkehrsordnungswidrigkeiten ausgeführt, dass damit die Prognose der MPU von 2009 widerlegt sei und das erstmalige Durchlaufen des Punktesystems keinerlei Einfluss auf das Verhalten des Antragstellers im Straßenverkehr gehabt habe. Dies trifft so nicht zu, denn zumindest Geschwindigkeitsüberschreitungen sind nicht mehr so häufig aufgetreten. Auch die Intervalle zwischen den einzelnen Verkehrsordnungswidrigkeiten sind länger geworden und gleichzeitig hat sich die Anzahl der Punkte pro Verstoß durchschnittlich verringert. Es wäre daher erforderlich gewesen, zu begründen, weshalb trotz einer gewissen Besserung im Verkehrsverhalten des Antragstellers ein Abweichen vom Punktsystem gerechtfertigt erscheint. Im Übrigen ist zu berücksichtigen, dass alle Verkehrsordnungswidrigkeiten, die zum Entzug der Fahrerlaubnis mit Bescheid vom 23. März 2009 geführt haben, zum Zeitpunkt der Anordnung der medizinisch-psychologischen Begutachtung aus dem Fahreignungsregister getilgt waren. In der Anordnung wurden sie deshalb auch nicht erwähnt. Bei Wiederholungstätern, die das Punktesystem zum zweiten Mal durchlaufen, führt aber regelmäßig die trotz der Löschung der Punkte weiter bestehende Verwertbarkeit der vor der Entziehung der Fahrerlaubnis begangenen Verkehrsordnungswidrigkeiten zu flexibleren Reaktionsmöglichkeiten der Fahrerlaubnisbehörde (vgl. BayVGH, B. v. 7.8.2014 - 11 CS 14.352 - juris Rn. 24). Vor diesem Hintergrund hätte auch begründet werden müssen, weshalb im vorliegenden Fall trotz Tilgung dieser Verkehrsverstöße aus dem Fahreignungsregister von einem nahtlosen Anknüpfen an die vorherigen Verfehlungen ausgegangen werden kann.

Darüber hinaus bestehen auch Bedenken, ob überhaupt ein besonders gelagerter Ausnahmefall vorliegt, bei dem ein Abweichen vom Punktesystem möglich ist. Dies ist regelmäßig dann der Fall, wenn binnen kurzer Zeit und in rascher Folge erneut Zuwiderhandlungen im Straßenverkehr begangen werden (vgl. BayVGH, B. v. 7.8.2014 a. a. O.; B. v. 7.2.2012 - 11 CS 11.2708 - juris; VGH BW, B. v. 5.52014 - 10 S 705/14 - ZfSch 2014, 415; OVG NRW, B. v. 7.10.2013 - 16 A 2820/12 - juris; B. v. 29.6.2011 - 16 B 212/11 - ZfSch 2011, 536). Es erscheint eher fraglich, ob nach dem Erreichen der ersten Stufe des Punktesystems in einem Zeitraum von vier Jahren und sechs Monaten nach Wiedererteilung der Fahrerlaubnis und der Tilgung aller der Fahrerlaubnisentziehung zugrunde liegenden Verkehrsordnungswidrigkeiten ein solcher Ausnahmefall angenommen werden kann.

4. Die unter Berücksichtigung der Erfolgsaussichten des Rechtsbehelfs durchgeführte Interessenabwägung nach § 80 Abs. 5 VwGO ergibt, dass die aufschiebende Wirkung des Widerspruchs unter Auflagen, die im Falle ihrer Erfüllung die Bedenken gegen die charakterliche Eignung des Antragstellers reduzieren, wiederhergestellt bzw. angeordnet werden kann.

Bei der Interessenabwägung ist einerseits die berufliche Situation des Antragstellers in den Blick zu nehmen. Er hat an Eides Statt versichert, dass er seine Fahrerlaubnis für die Fortführung seines Gewerbebetriebs mit neun Angestellten dringend benötigt. Es erscheint nachvollziehbar, dass die Aufrechterhaltung des Betriebs schwierig ist, da neben dem Antragsteller nur ein Angestellter eine Fahrerlaubnis der Klasse C besitzt und damit den firmeneigenen Lastkraftwagen führen kann. Andererseits ist das Interesse der Allgemeinheit an der Sicherheit des Straßenverkehrs und der aus Art. 2 Abs. 2 Satz 1 GG abzuleitende Auftrag des Staates zum Schutz der Verkehrsteilnehmer vor erheblichen Gefahren für Leib und Leben zu beachten (vgl. z. B. BVerfG, U. v. 16.10.1977 - 1 BvQ 5/77 - BVerfGE 46, 160).

Bei der Abwägung ist weiter zu berücksichtigen, dass beim Antragsteller Fehleinstellungen vorhanden sind, die auf charakterliche Mängel hindeuten. Zum einen war er trotz des Wissens um die Notwendigkeit seiner Fahrerlaubnis für die Aufrechterhaltung seines Gewerbebetriebs bisher nicht in der Lage, eine längere Zeitspanne ohne Begehung von Verkehrsordnungswidrigkeiten am Straßenverkehr teilzunehmen. Zum anderen versucht er, seine Taten zu bagatellisieren. Das Gericht teilt seine Auffassung nicht, dass das Benutzen eines Mobiltelefons während des Führens eines Fahrzeugs keine Gefahr darstelle. Der Gesetzgeber hat diese Ordnungswidrigkeit auch nach dem neuen Punktesystem mit der Eintragung von einem Punkt belegt, denn das Telefonieren ohne Freisprecheinrichtung lenkt den Fahrzeugführer ab und führt häufig zu gefährlichen Situationen. Es mag zwar zutreffen, dass der Antragsteller dabei bisher keinen Unfall verursacht hat. Dies ist ggf. aber auch nur dem geistesgegenwärtigen Verhalten der anderen Verkehrsteilnehmer zuzuschreiben. Das Telefonieren während des Fahrens kann zu einer erheblichen Gefährdung anderer Verkehrsteilnehmer führen, ohne dass der das Telefon nutzende Fahrzeugführer dies überhaupt wahrnimmt. Der Senat kann darüber hinaus nicht nachvollziehen, weshalb der Antragsteller keine Freisprechanlage oder ggf. ein einseitiges Head-Set benutzt, obwohl er bei der im Jahr 2009 durchgeführten medizinisch-psychologischen Untersuchung angegeben hat, er habe alle Autos damit ausgestattet und benutze diese Einrichtungen, um weitere Ordnungswidrigkeiten zu vermeiden.

Zu seinen Gunsten ist demgegenüber zu berücksichtigen, dass nach dem Entzug der Fahrerlaubnis im Jahr 2009 eine gewisse Besserung eingetreten ist und Geschwindigkeitsüberschreitungen nicht mehr so häufig aufgetreten sind. Darüber hinaus haben sich seit dem Jahr 2010 im Vergleich zu der Zeit vor dem Entzug der Fahrerlaubnis auch die Intervalle zwischen den einzelnen Verkehrsordnungswidrigkeiten verlängert und gleichzeitig die Anzahl der Punkte pro Verstoß durchschnittlich verringert. Die begangenen Ordnungswidrigkeiten sind auch nicht Ausdruck einer aggressiven oder rücksichtslosen Persönlichkeitsstruktur, sondern sprechen eher für eine gewisse Gleichgültigkeit und Nachlässigkeit im Umgang mit den Pflichten als Verkehrsteilnehmer.

Das Gericht geht in Anbetracht der zu berücksichtigenden Umstände davon aus, dass die Teilnahme an einem Fahreignungsseminar dem Antragsteller dazu verhelfen kann, seine eher leichtfertige Einstellung zu den Straßenverkehrsvorschriften zu überdenken und die schon eingeleitete Besserung zu festigen. Der Antragsteller hat selbst vorgetragen, dass als milderes Mittel gegenüber der Gutachtensanordnung die Teilnahme an einem Fahreignungsseminar hätte angeordnet werden können. Es erscheint daher notwendig und zumutbar, aber auch ausreichend für seine vorläufige weitere Teilnahme am Straßenverkehr, ihm eine solche Maßnahme aufzuerlegen.

Der Antragsteller wird darauf hingewiesen, dass bei einem Verstoß gegen die Auflagen oder dem Bekanntwerden weiterer Verkehrsordnungswidrigkeiten eine umgehende Änderung der Entscheidung des Senats erfolgen kann.

5. Der Beschwerde war daher mit der Kostenfolge des § 155 Abs. 1 VwGO teilweise stattzugeben. Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 47 Abs. 3, § 52 Abs.1 GKG i. V. m. den Empfehlungen in Nrn. 1.5 Satz 1, 46.1, 46.3 und 46.4 des Streitwertkatalogs für die Verwaltungsgerichtsbarkeit 2013 (abgedruckt in Kopp/Schenke, VwGO, 20. Aufl. 2014, Anh. § 164 Rn. 14).

Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO).

(1) Widerspruch und Anfechtungsklage haben aufschiebende Wirkung. Das gilt auch bei rechtsgestaltenden und feststellenden Verwaltungsakten sowie bei Verwaltungsakten mit Doppelwirkung (§ 80a).

(2) Die aufschiebende Wirkung entfällt nur

1.
bei der Anforderung von öffentlichen Abgaben und Kosten,
2.
bei unaufschiebbaren Anordnungen und Maßnahmen von Polizeivollzugsbeamten,
3.
in anderen durch Bundesgesetz oder für Landesrecht durch Landesgesetz vorgeschriebenen Fällen, insbesondere für Widersprüche und Klagen Dritter gegen Verwaltungsakte, die Investitionen oder die Schaffung von Arbeitsplätzen betreffen,
3a.
für Widersprüche und Klagen Dritter gegen Verwaltungsakte, die die Zulassung von Vorhaben betreffend Bundesverkehrswege und Mobilfunknetze zum Gegenstand haben und die nicht unter Nummer 3 fallen,
4.
in den Fällen, in denen die sofortige Vollziehung im öffentlichen Interesse oder im überwiegenden Interesse eines Beteiligten von der Behörde, die den Verwaltungsakt erlassen oder über den Widerspruch zu entscheiden hat, besonders angeordnet wird.
Die Länder können auch bestimmen, daß Rechtsbehelfe keine aufschiebende Wirkung haben, soweit sie sich gegen Maßnahmen richten, die in der Verwaltungsvollstreckung durch die Länder nach Bundesrecht getroffen werden.

(3) In den Fällen des Absatzes 2 Satz 1 Nummer 4 ist das besondere Interesse an der sofortigen Vollziehung des Verwaltungsakts schriftlich zu begründen. Einer besonderen Begründung bedarf es nicht, wenn die Behörde bei Gefahr im Verzug, insbesondere bei drohenden Nachteilen für Leben, Gesundheit oder Eigentum vorsorglich eine als solche bezeichnete Notstandsmaßnahme im öffentlichen Interesse trifft.

(4) Die Behörde, die den Verwaltungsakt erlassen oder über den Widerspruch zu entscheiden hat, kann in den Fällen des Absatzes 2 die Vollziehung aussetzen, soweit nicht bundesgesetzlich etwas anderes bestimmt ist. Bei der Anforderung von öffentlichen Abgaben und Kosten kann sie die Vollziehung auch gegen Sicherheit aussetzen. Die Aussetzung soll bei öffentlichen Abgaben und Kosten erfolgen, wenn ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des angegriffenen Verwaltungsakts bestehen oder wenn die Vollziehung für den Abgaben- oder Kostenpflichtigen eine unbillige, nicht durch überwiegende öffentliche Interessen gebotene Härte zur Folge hätte.

(5) Auf Antrag kann das Gericht der Hauptsache die aufschiebende Wirkung in den Fällen des Absatzes 2 Satz 1 Nummer 1 bis 3a ganz oder teilweise anordnen, im Falle des Absatzes 2 Satz 1 Nummer 4 ganz oder teilweise wiederherstellen. Der Antrag ist schon vor Erhebung der Anfechtungsklage zulässig. Ist der Verwaltungsakt im Zeitpunkt der Entscheidung schon vollzogen, so kann das Gericht die Aufhebung der Vollziehung anordnen. Die Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung kann von der Leistung einer Sicherheit oder von anderen Auflagen abhängig gemacht werden. Sie kann auch befristet werden.

(6) In den Fällen des Absatzes 2 Satz 1 Nummer 1 ist der Antrag nach Absatz 5 nur zulässig, wenn die Behörde einen Antrag auf Aussetzung der Vollziehung ganz oder zum Teil abgelehnt hat. Das gilt nicht, wenn

1.
die Behörde über den Antrag ohne Mitteilung eines zureichenden Grundes in angemessener Frist sachlich nicht entschieden hat oder
2.
eine Vollstreckung droht.

(7) Das Gericht der Hauptsache kann Beschlüsse über Anträge nach Absatz 5 jederzeit ändern oder aufheben. Jeder Beteiligte kann die Änderung oder Aufhebung wegen veränderter oder im ursprünglichen Verfahren ohne Verschulden nicht geltend gemachter Umstände beantragen.

(8) In dringenden Fällen kann der Vorsitzende entscheiden.

Gründe

1

Die zulässige Beschwerde der Antragsstellerin gegen den Beschluss des Verwaltungsgerichts Halle - 6. Kammer - vom 28. Januar 2013, deren Prüfung gemäß § 146 Abs. 4 Satz 1 und 6 VwGO auf die fristgerecht dargelegten Gründe beschränkt ist, ist begründet.

2

Das Verwaltungsgericht hat es zu Unrecht abgelehnt, die begehrte aufschiebende Wirkung der Klage der Antragstellerin vom 13. Dezember 2012 gegen die Regelungen der Ziffn. 1 - 4 im Bescheid des Antragsgegners vom 12. November 2012 wieder herzustellen. Denn die Vollzugsanordnung des Antragsgegners in Ziff. 5 des vorgenannten Bescheides genügt nicht den an sie zu stellenden formellen Anforderungen.

3

Gemäß § 80 Abs. 3 Satz 1 VwGO ist in den Fällen des § 80 Abs. 2 Nr. 4 VwGO, also in denen - wie hier - die sofortige Vollziehung im öffentlichen Interesse besonders angeordnet wird, das besondere Interesse an der sofortigen Vollziehung des Verwaltungsaktes schriftlich zu begründen. Zu Recht weist die Antragstellerin darauf hin, dass es einer auf den konkreten Einzelfall abstellenden Darlegung des besonderen öffentlichen Interesses bedarf, das erkennen lässt, warum das Aussetzungsinteresse des Betroffenen dahinter zurückzustehen hat.

4

Die Begründung in Ziff. 5 des Bescheides vom 12. November 2012 genügt diesen Anforderungen nicht. Sie lässt nicht erkennen, dass sie das Ergebnis einer Abwägung der im konkreten Fall betroffenen öffentlichen und privaten Interessen ist und welche Gründe für ein Überwiegen des öffentlichen Interesses, d. h. für ein besonderes Vollziehungsinteresse sprechen.

5

Die Begründung zu Ziff. 5 des angefochtenen Bescheides (Seite 6), die Anordnung der sofortigen Vollziehung liege im öffentlichen Interesse, verkennt, dass es eines „besonderen“ öffentlichen Interesses bedarf, also das öffentliche Vollzugsinteresse das Aussetzungsinteresse des Betroffenen überwiegen muss und es deshalb nicht ausreicht, Aspekte des öffentlichen Interesses lediglich aufzuzählen, ohne sie gegen die privaten Interessen des Betroffenen abzuwägen und die Gründe zu benennen, weshalb sie sich gegen letztere durchsetzen. Nur eine solche Interessenabwägung und Darlegung der Gründe für ein besonderes - weil das Aussetzungsinteresse überwiegend ist - Vollziehungsinteresse wird dem Begründungserfordernis des § 80 Abs. 3 Satz 1 VwGO gerecht. Es hat die Funktion, die Behörde dazu anzuhalten, sich des Ausnahmecharakters der Vollziehungsanordnung bewusst zu sein, dem Betroffenen die Einschätzung der Erfolgsaussicht eines Aussetzungsantrages zu ermöglichen und dem Gericht - unbeschadet der in materiell-rechtlicher Hinsicht zu treffenden eigenen Abwägungsentscheidung im Rahmen des § 80 Abs. 5 Satz 1 VwGO - aufgrund der Kenntnis der verwaltungsbehördlichen Erwägungen für die Vollziehungsanordnung eine ordnungsgemäße Rechtskontrolle zu ermöglichen (vgl. VGH Baden-Württemberg, Beschl. v. 27. September 2011 - 1 S 2554/11 -, juris).

6

Hiervon ausgehend genügt es nicht, dass sich der Antragsgegner auf die Sicherung der Daseinsvorsorge als im öffentlichen Interesse liegend bezieht. Der Antragsgegner legt weder nachvollziehbar dar, weshalb ohne die einstweilige Durchführung der angeordneten Sanierungsmaßnahmen die Weiterbenutzung der öffentlichen Infrastruktur infrage steht, noch weshalb dieser Aspekt das Aussetzungsinteresse der Antragstellerin überwiegt. Daher reicht es auch nicht aus, dass - worauf wohl das Verwaltungsgericht abstellt - im Gefahrenabwehrrecht die Überlegungen zum Verfügungserlass oftmals mit jenen zum Sofortvollzug übereinstimmen.

7

Soweit der Antragsgegner bei einer Verzögerung der Durchführung der Sanierungsmaßnahmen infolge der aufschiebenden Wirkung des Rechtsbehelfs eine Verschlechterung des Zustands der Strecke für möglich hält, die Sicherheit des jetzigen Streckenzustandes nicht mehr gewährleistet werden könne, die Strecke einem weiteren Verfall ausgesetzt sei und die Aussichten auf eine erfolgreiche Instandsetzung beim jetzigen Zustand besser seien als zu einem späteren Zeitpunkt, lassen die angeführten Gründe (für ein öffentliches Interesse an der Vollziehungsanordnung) keine Abwägung mit dem Aussetzungsinteresse der Antragstellerin erkennen. Deren Aussetzungsinteresse besteht hier nicht nur in einem zeitlichen Aufschub der angeordneten Maßnahmen, sondern zwecks Gewährleistung effektiven Rechtsschutzes darin, von der Schaffung vollendeter Tatsachen verschont zu bleiben, die mit nicht unerheblichen Kosten verbunden sind und in tatsächlicher, zumindest aber in wirtschaftlicher Hinsicht und damit faktisch nicht rückgängig zu machen sind. Die Erhaltung des Suspensiveffektes dient vorliegend dazu, durch effektiven Rechtsschutz eine unangemessene Vorwegnahme der Hauptsache zu vermeiden. Die Begründung für die Anordnung des Sofortvollzuges in Ziff. 5 des angefochtenen Bescheides lässt nicht erkennen, dass und warum die vom Antragsgegner angeführten Gründe für eine mögliche Zustandsverschlechterung der Strecke das Aussetzungsinteresse der Antragstellerin überwiegen. In diesem Zusammenhang stellt sich im Übrigen auch die Frage, warum die bisher von Kilometer 33,1 bis Kilometer 33,8 praktizierte Langsamfahrstelle nicht auf den Sanierungsbereich erweitert werden konnte bzw. warum eine Langsamfahrstelle insgesamt für den Zeitraum des Suspensiveffektes (vgl. § 80 b VwGO) als nicht (mehr) ausreichend anzusehen ist.

8

Soweit der Antragsgegner unter Verweis auf die Betriebssicherungspflicht der Antragstellerin bei einem fortdauernd schlechten Zustand der Infrastruktur erwartet, dass „früher oder später entsprechende Gefährdungen von der Schieneninfrastruktur ausgehen“, lässt die Begründung nicht erkennen, inwiefern von der betroffenen Gleisanlage bzw. dem Schotterfang eine derart schwerwiegende konkrete Gefahr für die öffentliche Sicherheit und Ordnung ausgeht, dass das Aussetzungsinteresse der Antragstellerin dahinter zurückzustehen hat. Der Begründung mangelt es insoweit an substantiierten Angaben, die eine konkrete schwerwiegende Gefahrenlage plausibel machen und aufzeigen, weshalb eine sofortige Gefahrenabwehr nur durch die Vollziehungsanordnung, nicht aber durch weniger einschneidende (vorübergehende) Maßnahmen, wie z. B. das Langsamfahrgebot oder - hinsichtlich von der Brücke fallenden Schotters - durch eine Durchgangssperre oder Anbringung eines Fangnetzes, realisiert werden kann. Auch in Bezug auf mögliche von der Schieneninfrastruktur ausgehende Gefährdungen lässt die Begründung der Vollziehungsanordnung keine Abwägung der betroffenen Interessen erkennen oder führt Umstände an, die eine Vollziehungsanordnung als notwendige und allein in Betracht kommende Gefahrenabwehrmaßnahme plausibel machen.

9

In Bezug auf die angeordnete Gleisbegehung zur Feststellung des materiellen Gleiszustandes gemäß Ziff. 4 des Bescheides vom 12. November 2012 fehlt es schließlich an jeglicher Begründung für die Vollziehungsanordnung. Denn die Begründung in Ziff. 5 des angefochtenen Bescheides bezieht sich lediglich auf die angeordneten Sanierungsmaßnahmen.

10

Von dem Begründungserfordernis konnte vorliegend auch nicht gemäß § 80 Abs. 3 Satz 2 VwGO abgesehen werden. Denn es handelt sich bei den Anordnungen gemäß Ziffn. 1 - 4 des Bescheides vom 12. November 2012 weder um Notstandsmaßnahmen noch wurden sie als solche bezeichnet.

11

Eine fehlende oder unzureichende Begründung gemäß § 80 Abs. 3 Satz 1 VwGO kann im Hinblick auf die Warn- und Appellfunktion des Schriftlichkeitserfordernisses auch nicht mit heilender Wirkung nachgeholt werden (vgl. VGH Baden-Württemberg, Beschl. v. 27. September 2011, a. a. O.), so dass es auf die ergänzenden Ausführungen des Antragsgegners im erstinstanzlichen und im Beschwerdeverfahren nicht entscheidungserheblich ankommt. Soweit der Antragsgegner im Übrigen mit seinen Ausführungen im Schriftsatz vom 28. Dezember 2012 von seiner bisherigen Begründung eines erhöhten Sanierungsaufwandes durch Zeitablauf sowie dem Argument, dass die Eisenbahninfrastruktur in ferner Zukunft unsicher werden könnte, abgerückt ist und stattdessen eine Beschneidung von Zugangsrechten Dritter als Grund für die Vollziehungsanordnung reklamiert, findet auch insoweit die gebotene Interessenabwägung mit dem Aussetzungsinteresse der Antragstellerin nicht statt. Der einleitende Hinweis, dass Sanierungsmaßnahmen nicht beliebig verschleppt werden könnten, spricht zudem für eine Verkennung des anzulegenden Maßstabes und der Umstände, die das Aussetzungsinteresse der Antragstellerin begründen.

12

Im Falle eines formellen Fehlers gemäß § 80 Abs. 3 Satz 1 VwGO ist nicht die Vollziehungsanordnung der Behörde aufzuheben, sondern der Suspensiveffekt des in der Hauptsache eingelegten Rechtsbehelfs wieder herzustellen. Die Aufhebung der Vollziehungsanordnung ist im Gesetz weder vorgesehen noch besteht für sie ein praktisches Bedürfnis. Am Erlass einer neuen, formell fehlerfreien Vollziehungsanordnung ist die Behörde weder gehindert noch auf eine Änderung dieses Beschlusses nach § 80 Abs. 7 VwGO angewiesen (vgl. OVG LSA, Beschl. v. 2. Dezember 1993 - 4 M 10/93 -, juris).

13

Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO.

14

Die Entscheidung über die Festsetzung des Streitwertes für das Beschwerdeverfahren und unter Aufhebung der Streitwertfestsetzung im erstinstanzlichen Verfahren zugleich für die erste Instanz beruht auf §§ 63 Abs. 3, 39, 47, 40, 53 Abs. 2 Nr. 2 i. V. m. § 52 Abs. 2 GKG. Das erstinstanzliche und das Beschwerdeverfahren haben mehrere Streitgegenstände zum Gegenstand, die wertmäßig zusammen zu rechnen sind (§ 39 Abs. 1 GKG). Da der Sach- und Streitgegenstand keine genügenden Anhaltspunkte für die Bewertung der Maßnahmen in Ziffn. 1 bis 4 des angefochtenen Bescheides vom 12. November 2012 bietet, wird jede Einzelanordnung gemäß § 52 Abs. 2 GKG mit dem Auffangwert von 5.000,00 € bemessen. Eine Reduzierung des Streitwertes wegen des vorläufigen Rechtsschutzverfahrens ist nicht geboten, da das Verfahren eine (faktische) Vorwegnahme der Hauptsache betrifft.

15

Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO, § 68 Abs. 1 Satz 5 GKG i. V. m. § 66 Abs. 3 Satz 3 GKG).


Tenor

Auf die Beschwerde des Antragstellers wird der Beschluss des Verwaltungsgerichts Stuttgart vom 9. Februar 2018 - 15 K 19896/17 - mit Ausnahme der Streitwertfestsetzung geändert. Die Anordnung der sofortigen Vollziehung der Rückbauverfügung vom 4. Dezember 2017 durch die Antragsgegnerin wird aufgehoben.

Die Antragsgegnerin trägt die Kosten des Verfahrens beider Rechtszüge.

Der Streitwert des Beschwerdeverfahrens wird auf 2.500 EUR festgesetzt.

Gründe

 
Die Beschwerde hat Erfolg.
I.
Die Beschwerde ist zulässig. Die nach § 146 Abs. 1 VwGO statthafte Beschwerde wurde am 28. Februar 2018 innerhalb von zwei Wochen nach Zustellung des angegriffenen Beschlusses am 16. Februar 2018 und damit fristgerecht im Sinne von § 147 Abs. 1 Satz 1 VwGO eingelegt. Die am gleichen Tag und damit innerhalb eines Monats nach Zustellung des Beschlusses eingereichte Begründung genügt auch den Anforderungen des § 146 Abs. 4 Satz 1 und 3 VwGO. Nach dieser Vorschrift muss sich die Beschwerdebegründung mit der angefochtenen Entscheidung auseinandersetzen, mithin im Einzelnen darstellen, weshalb die Entscheidung unrichtig sein soll. Dies setzt eine Prüfung, Sichtung und rechtliche Durchdringung des Streitstoffs und somit eine sachliche Auseinandersetzung mit den Gründen des angefochtenen Beschlusses voraus. Der Beschwerdeführer darf sich auch nicht darauf beschränken, die Punkte zu benennen, in denen der Beschluss angegriffen werden soll. Er muss vielmehr zusätzlich mit nachvollziehbaren Argumenten darlegen, aus welchen tatsächlichen oder rechtlichen Gründen die verwaltungsgerichtliche Auffassung keinen Bestand haben kann. Deshalb ist auch eine undifferenzierte pauschale Bezugnahme auf das bisherige Vorbringen vor dem Verwaltungsgericht oder im Verwaltungs- und Widerspruchsverfahren oder eine Übersendung entsprechender Schriftsätze in Kopie ungenügend, da dieses Vorbringen noch in Unkenntnis der Begründung des verwaltungsgerichtlichen Beschlusses erfolgte und zwangsläufig die Aufgabe der Auseinandersetzung mit diesem nicht erfüllen kann (vgl. VGH Baden-Württemberg, Beschluss vom 11.4.2002 - 1 S 705/02 - NVwZ-RR 2002, 797, juris Rn. 1; vom 16.12.2003 - 7 S 2465/03 - juris Rn. 2; vom 08.11.2004 - 9 S 1536/04 - NVwZ-RR 2006, 74; vom 25.01.2007 – 6 S 2964/06 - juris Rn. 2).
Nach diesen Maßstäben erfüllt die Beschwerdebegründung zum einen in Bezug auf die Vereinbarkeit der Rückbauverfügung der Antragsgegnerin vom 4. Dezember 2017 mit dem Übermaßverbot die Anforderungen des § 146 Abs. 3 Satz 3 VwGO, soweit der Antragsteller darin auf sein Interesse an einem ausreichenden Einbruchsschutz verweist. Der Hinweis auf den mit dem errichteten Tor verbundenen besseren Schutz stellt zumindest im Grundsatz eine Auseinandersetzung mit der Annahme des Verwaltungsgerichts dar, das öffentliche Interesse an einer Einhaltung der Festsetzungen des Bebauungsplans überwiege die Interessen des Antragstellers an der Erhaltung der baulichen Anlage. Zum anderen weist auch der Hinweis des Antragstellers auf die beantragte Befreiung von den Festsetzungen des Bebauungsplans einen Bezug zur angegriffenen Entscheidung auf, da das Verwaltungsgericht die Unvereinbarkeit des Bauvorhabens mit dem Bebauungsplan auch mit deren Nichtvorliegen begründet hat. Die weiteren Ausführungen des Antragstellers in seiner Beschwerdebegründung, insbesondere die Behauptung, es lägen keine Gründe für eine Rechtfertigung des Sofortvollzugs vor, beschränken sich hingegen auf nicht ausreichende Verweise auf vor der Entscheidung erstellte Schreiben. Auch mit den weiteren allgemeinen Erwägungen zur Zulässigkeit der Anlage wird kein Bezug zur Begründung der Entscheidung des Verwaltungsgerichts hergestellt.
II.
Die Beschwerde ist auch begründet.
1. Dies folgt allerdings nicht aus den Gründen, die in der Beschwerdebegründung in ausreichendem Maß dargelegt wurden. Die zutreffende Annahme des Verwaltungsgerichts, der vom Antragsteller verfolgte Einbruchsschutz könne auch auf andere Weise als mit der Errichtung des den Festsetzungen des Bebauungsplans widersprechenden Tores erreicht werden und in der Konsequenz sei ein überwiegendes Interesse des Antragstellers an der Aufrechterhaltung des baurechtswidriges Zustandes unabhängig von der Frage der Berücksichtigungsfähigkeit dieses Umstands nicht gegeben, wird mit dem bloßen Hinweis auf eine entsprechende Empfehlung des Polizeipräsidiums Ludwigsburg - Referat Prävention -, aus der sich im Übrigen keine Hinweise auf die Notwendigkeit der Höhe des Tores ergeben, nicht in Frage gestellt. Der Umstand, dass der Antragsteller eine Befreiung von den Festsetzungen beantragt hat, führt nicht zur Unrichtigkeit der Feststellung des Verwaltungsgerichts, dass das Tor mit den Festsetzungen des Bebauungsplans zur zulässigen Höhe baulicher Anlagen derzeit nicht vereinbar ist. Dem bloßen möglichen Bestehen einer Befreiungslage kommt insoweit keine Relevanz zu, da die Befreiung erst mit ihrem Erlass Wirkung gegenüber den Festsetzungen des Bebauungsplans zentfaltet (vgl. Söfker in Ernst/Zinkahn/Bielenberg/Krautzberger, BauGB, 128. EL Februar 2018, § 31 Rn. 63 m. w. N.). Dass eine solche Befreiung zwingend zu erteilen wäre, wird im Übrigen vom Antragsteller nicht dargelegt und ist auch sonst nicht ersichtlich.
2. Die Beschwerde erweist sich jedoch aus anderen als den dargelegten Gründen als begründet. Diese anderen Gründe sind ausnahmsweise auch berücksichtigungsfähig. Zwar hat das Beschwerdegericht angesichts der Regelung des § 146 Abs. 4 Satz 6 VwGO grundsätzlich vom Beschwerdeführer nicht dargelegte Gründe unberücksichtigt zu lassen und die Beschwerde ohne Rücksicht auf die sich aus solchen Gründen ergebende Fehlerhaftigkeit der erstinstanzlichen Entscheidung als unbegründet zurückzuweisen. Der Normzweck des § 146 Abs. 4 Satz 6 VwGO, das Beschwerdeverfahren mit Blick auf den Prüfungsaufwand und den Prüfungsumfang zu straffen (vgl. VGH Bad.-Württ., Beschluss vom 1.7.2002 - 11 S 1293/02 - NVwZ-RR 2002, 1388, juris Rn. 11), gebietet es jedoch in Fällen, in denen die Rechtswidrigkeit der angegriffenen Entscheidung ohne Weiteres erkennbar ist und es damit keiner weiteren gerichtlichen Prüfung bedarf, um deren Unrichtigkeit darzustellen, auch andere als die dargelegten Gründe zu berücksichtigen. Bei einer solchen offensichtlichen Unrichtigkeit aus anderen Gründen, die sich ohne weitere Ermittlungen aus dem Akteninhalt ergeben, droht keine Verfahrensverzögerung, vielmehr kommt es zu einer Verfahrensbeschleunigung. In einer solchen Situation wäre es untragbar, ein Gericht dazu zu zwingen, sehenden Auges materiell falsch zu entscheiden. Die offensichtliche Unrichtigkeit eines mit einer Beschwerde angegriffenen Beschlusses eines Verwaltungsgerichts in Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes (§§ 80, 80a und 123 VwGO) ermöglicht eine Abänderung einer Entscheidung damit im Ergebnis selbst dann, wenn der eigentlich maßgebliche Grund nicht den Anforderungen des § 146 Abs. 4 Satz 6 VwGO entsprechend dargelegt worden ist (vgl. zum Ganzen VGH Bad.-Württ., Beschluss vom 9.1.2008 - 3 S 2106/07 - juris Rn. 2; Hess-VGH, Beschluss vom 18.1.2006 - 5 TG 1493/05 - juris Rn. 8; OVG B.-Bbg., Beschluss vom 22.9.2005 - OVG 2 S 103.05 - juris Rn. 4; BayVGH, Beschluss vom 7.8.2003 - 24 Cs 03.1963 - juris Rn. 5; OVG NRW, Beschluss vom 26.1.2010 - 13 B 760/09 - juris Rn. 20; W.-R. Schenke in Kopp/Schenke, a. a. O., § 146 Rn. 43; Meyer-Ladewig/Rudisile in Schoch/Schneider/Bier, VwGO, 33. EL Juni 2017, § 146 Rn. 15).
Eine evidente Unrichtigkeit der verwaltungsgerichtlichen Entscheidung liegt hier vor. Das Verwaltungsgericht hat augenscheinlich übersehen, dass die gemäß § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 VwGO getroffene Anordnung der sofortigen Vollziehung vom 4. Dezember 2017 aufzuheben ist, da die Antragsgegnerin die Vollziehungsanordnung nicht den Anforderungen des § 80 Abs. 3 Satz 1 VwGO entsprechend schriftlich begründet hat.
Gemäß § 80 Abs. 3 Satz 1 VwGO ist in den Fällen einer Anordnung der sofortigen Vollziehung auf Grundlage von § 80 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 VwGO das besondere Interesse an der sofortigen Vollziehung schriftlich zu begründen. Diese Begründung erfordert eine auf den konkreten Fall abgestellte schlüssige und substantiierte und nicht lediglich formelhafte Darlegung des besonderen öffentlichen Interesses dafür, dass ausnahmsweise die sofortige Vollziehung notwendig ist und dass hinter dieses öffentliche Interesse das Interesse des Betroffenen zurücktreten muss, zunächst von dem von ihm angegriffenen Verwaltungsakt nicht betroffen zu werden. Die Begründung hat den Zweck, die Betroffenen in die Lage zu versetzen, durch Kenntnis der Gründe, die die Behörde zur Vollziehungsanordnung veranlasst haben, die Erfolgsaussichten eines Aussetzungsantrags auf Grundlage von § 80 Abs. 4 und 5 VwGO abzuschätzen (BVerwG, Beschluss vom 18.0.2001 - 1 DB 26.01 - juris Rn. 6). Daneben soll die Begründungspflicht außerdem der Behörde den Ausnahmecharakter der Vollziehungsanordnung vor Augen führen und sie veranlassen, mit besonderer Sorgfalt zu prüfen, ob tatsächlich ein überwiegendes Vollziehungsinteresse den Ausschluss der aufschiebenden Wirkung erfordert (vgl. VGH Bad.-Württ., Beschluss vom 25.8.1976 - X 1318/76 - NJW 1977, 165). Schließlich dient die Begründung außer der Selbstkontrolle der Behörde auch der Kontrolle durch das Gericht (vgl. zum Ganzen auch VGH Bad.-Württ., Beschluss vom 27.9.2011 - 1 S 2554/11 - NVwZ-RR 2012, 54, juris Rn. 3; W.-R. Schenke in Kopp/Schenke, a. a. O., § 80 Rn. 84 f. m. w. N.).
Diesen Anforderungen wird die Begründung der Vollziehungsanordnung durch die Antragsgegnerin offensichtlich nicht gerecht. Maßgeblich ist dabei bereits der vom Verwaltungsgericht nicht gewürdigte Umstand, dass sich die diesbezüglichen Ausführungen der Antragsgegnerin im Bescheid vom 4. Dezember 2017 allein auf die Notwendigkeit des Vollzugs einer vermeintlichen Nutzungsuntersagung beziehen, die die Antragsgegnerin jedoch gar nicht verfügt hat und die daher auch nicht Streitgegenstand des gerichtlichen Verfahrens ist. Vielmehr wendet sich der Antragsteller gegen die von der Antragsgegnerin allein verhängte Rückbauverfügung. Auf den Regelungsinhalt dieser zu vollziehenden Verfügung und deren Dringlichkeit geht die Begründung überhaupt nicht ein. Dies zeigt, dass sich die Antragsgegnerin über den konkreten Einzelfall offensichtlich keine Gedanken gemacht oder dies zumindest nicht schriftlich zum Ausdruck gebracht haben kann, sondern vielmehr lediglich auf Textbausteine zurückgegriffen und dabei eine fehlerhafte Auswahl getroffen hat. Deutlich wird dies auch dadurch, dass in der Verfügung vom 4. Dezember 2017 ergänzend eine Zwangsgeldandrohung begründet wird, die ebenfalls nicht verfügt wurde. Daneben stützt die Antragsgegnerin die Vollziehungsanordnung ohnehin lediglich auf allgemeine Überlegungen zum öffentlichen Interesse an der Herstellung rechtmäßiger Zustände und zum öffentlichen Interesse am Schutz der vom Antragsteller potentiell beeinträchtigten Rechtsgüter. Ohne Anordnung der Sofortvollziehung könne das Ziel der schnellstmöglichen Wiederherstellung rechtmäßiger Zustände unterlaufen werden. Eine auf den Einzelfall bezogene Begründung der besonderen Dringlichkeit lässt sich diesen Darlegungen nicht entnehmen. Auch die Begründung der Verfügung vom 4. Dezember 2017 im Übrigen enthält keine Angaben zur Notwendigkeit eines Sofortvollzugs.
10 
Von dem Begründungserfordernis kann auch nicht ausnahmsweise nach Maßgabe des § 80 Abs. 3 Satz 2 VwGO abgewichen werden, da es sich bei der Rückbauverfügung weder um eine Notstandsmaßnahme handelt, noch sie als solche bezeichnet ist.
11 
Schließlich kommt auch eine Heilung des Begründungsmangels nicht in Betracht. Zum einen wurden ausreichende Erwägungen nicht nachträglich schriftlich niedergelegt, zum anderen kann eine unzureichende Begründung im Sinne von § 80 Abs. 3 Satz 1 VwGO ohnehin nicht mit heilender Wirkung nachgeholt werden (vgl. VGH Bad.-Württ., Beschluss vom 27.9.2011, a. a. O. juris Rn. 10 m. w. N.).
12 
Wegen des formellen Mangels ist die Vollziehungsanordnung ohne Weiteres aufzuheben, ohne dass es darauf ankäme, ob ein besonderes Interesse an der sofortigen Vollziehung tatsächlich besteht (VGH Bad.-Württ., Beschluss vom 25.8.1976, a. a. O.; Beschluss vom 17.7.1990 - 10 S 1121/90 - juris Rn. 5 m. w. N. und Beschluss vom 27.9.2011, a. a. O., juris Rn. 2).
13 
Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO. Die Festsetzung des Streitwerts beruht auf § 47 Abs. 1, § 52 Abs. 1, § 53 Abs. 2 Nr. 2 GKG unter Berücksichtigung von Nr. 9.5 und 1.5 des Streitwertkatalogs für die Verwaltungsgerichtsbarkeit 2013 und entspricht der von den Beteiligten nicht beanstandeten Wertfestsetzung im ersten Rechtszug.
14 
Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO).

(1) Widerspruch und Anfechtungsklage haben aufschiebende Wirkung. Das gilt auch bei rechtsgestaltenden und feststellenden Verwaltungsakten sowie bei Verwaltungsakten mit Doppelwirkung (§ 80a).

(2) Die aufschiebende Wirkung entfällt nur

1.
bei der Anforderung von öffentlichen Abgaben und Kosten,
2.
bei unaufschiebbaren Anordnungen und Maßnahmen von Polizeivollzugsbeamten,
3.
in anderen durch Bundesgesetz oder für Landesrecht durch Landesgesetz vorgeschriebenen Fällen, insbesondere für Widersprüche und Klagen Dritter gegen Verwaltungsakte, die Investitionen oder die Schaffung von Arbeitsplätzen betreffen,
3a.
für Widersprüche und Klagen Dritter gegen Verwaltungsakte, die die Zulassung von Vorhaben betreffend Bundesverkehrswege und Mobilfunknetze zum Gegenstand haben und die nicht unter Nummer 3 fallen,
4.
in den Fällen, in denen die sofortige Vollziehung im öffentlichen Interesse oder im überwiegenden Interesse eines Beteiligten von der Behörde, die den Verwaltungsakt erlassen oder über den Widerspruch zu entscheiden hat, besonders angeordnet wird.
Die Länder können auch bestimmen, daß Rechtsbehelfe keine aufschiebende Wirkung haben, soweit sie sich gegen Maßnahmen richten, die in der Verwaltungsvollstreckung durch die Länder nach Bundesrecht getroffen werden.

(3) In den Fällen des Absatzes 2 Satz 1 Nummer 4 ist das besondere Interesse an der sofortigen Vollziehung des Verwaltungsakts schriftlich zu begründen. Einer besonderen Begründung bedarf es nicht, wenn die Behörde bei Gefahr im Verzug, insbesondere bei drohenden Nachteilen für Leben, Gesundheit oder Eigentum vorsorglich eine als solche bezeichnete Notstandsmaßnahme im öffentlichen Interesse trifft.

(4) Die Behörde, die den Verwaltungsakt erlassen oder über den Widerspruch zu entscheiden hat, kann in den Fällen des Absatzes 2 die Vollziehung aussetzen, soweit nicht bundesgesetzlich etwas anderes bestimmt ist. Bei der Anforderung von öffentlichen Abgaben und Kosten kann sie die Vollziehung auch gegen Sicherheit aussetzen. Die Aussetzung soll bei öffentlichen Abgaben und Kosten erfolgen, wenn ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des angegriffenen Verwaltungsakts bestehen oder wenn die Vollziehung für den Abgaben- oder Kostenpflichtigen eine unbillige, nicht durch überwiegende öffentliche Interessen gebotene Härte zur Folge hätte.

(5) Auf Antrag kann das Gericht der Hauptsache die aufschiebende Wirkung in den Fällen des Absatzes 2 Satz 1 Nummer 1 bis 3a ganz oder teilweise anordnen, im Falle des Absatzes 2 Satz 1 Nummer 4 ganz oder teilweise wiederherstellen. Der Antrag ist schon vor Erhebung der Anfechtungsklage zulässig. Ist der Verwaltungsakt im Zeitpunkt der Entscheidung schon vollzogen, so kann das Gericht die Aufhebung der Vollziehung anordnen. Die Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung kann von der Leistung einer Sicherheit oder von anderen Auflagen abhängig gemacht werden. Sie kann auch befristet werden.

(6) In den Fällen des Absatzes 2 Satz 1 Nummer 1 ist der Antrag nach Absatz 5 nur zulässig, wenn die Behörde einen Antrag auf Aussetzung der Vollziehung ganz oder zum Teil abgelehnt hat. Das gilt nicht, wenn

1.
die Behörde über den Antrag ohne Mitteilung eines zureichenden Grundes in angemessener Frist sachlich nicht entschieden hat oder
2.
eine Vollstreckung droht.

(7) Das Gericht der Hauptsache kann Beschlüsse über Anträge nach Absatz 5 jederzeit ändern oder aufheben. Jeder Beteiligte kann die Änderung oder Aufhebung wegen veränderter oder im ursprünglichen Verfahren ohne Verschulden nicht geltend gemachter Umstände beantragen.

(8) In dringenden Fällen kann der Vorsitzende entscheiden.

Tenor

Der Beschluss des Verwaltungsgerichts Koblenz vom 13. Januar 2012 wird abgeändert. Der Antrag auf Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung der Widersprüche der Antragsteller wird nach Maßgabe der folgenden Anordnung abgelehnt:

Den Beigeladenen wird aufgegeben, die Belegung der Teststrecke auf dem Flugplatz M... für Zwecke der Beigeladenen zu 2) mit einem Vorlauf von einer Woche schriftlich an den Antragsgegner zu melden, bei kürzerer Buchung der Strecke unverzüglich.

Die weitergehende Beschwerde wird zurückgewiesen.

Die Kosten des Verfahrens beider Rechtszüge einschließlich der außergerichtlichen Kosten beider Beigeladenen haben die Antragsteller zu je 3/8, die Antragsgegnerin zu 1/8 und die Beigeladenen zu je 1/16 zu tragen.

Der Wert des Beschwerdegegenstandes wird auf 15.000 € festgesetzt.

Gründe

I.

1

Die Beteiligten streiten um die vorläufige Inbetriebnahme eines Automobil-, Test- und Erprobungszentrums auf dem Konversionsgelände Flugplatz M... Die Beigeladene zu 1) wendet sich als neuer Eigentümer und Investor des Geländes mit ihrer Beschwerde gegen einen Beschluss des Verwaltungsgerichts Koblenz (7 L 1074/11), mit dem es auf den Antrag der Antragsteller die aufschiebende Wirkung ihrer Widersprüche gegen die der Beigeladenen nach §§ 4, 6, 10 und 16 BlmSchG erteilten Genehmigung des Antragsgegners vom 16.09.2011 wiederhergestellt hat. Die Beigeladene zu 2) ist Mieterin und Betreiberin der Anlage.

2

Die Antragstellerin zu 1) ist Miteigentümerin des Grundstücks I... K... ..., ... K..., der Antragsteller zu 2) des Grundstücks A... W... ..., ... K... Südwestlich der Gemeinde K... liegt in ungefähr 1.300 m Entfernung der frühere Heeresflugplatz der Bundeswehr (G...-P...-Kaserne). Die Gesamtfläche von 188 ha verteilt sich auf die Verbandsgemeinden M... und P... Diese haben den Zweckverband "Konversion Flugplatz M..." gegründet und ihm die Bauplanungshoheit zur städtebaulichen Fortentwicklung der Flächen übertragen. Die bereits eingeleiteten Bauleitplanverfahren (Änderung der Flächennutzungspläne der Gemeinden M... und P... und zur erstmaligen Aufstellung eines Bebauungsplans) sind derzeit noch nicht abgeschlossen.

3

Nach den Festlegungen eines städtebaulichen Vertrages vom 03.02.2009 zwischen dem Zweckverband Konversion Flugplatz M..., dem Land Rheinland-Pfalz und der Beigeladenen zu 1) soll die Liegenschaft – ein früherer Standort der Bundeswehr – einer gewerblich-industriellen Folgenutzung zugeführt werden. In dem Konversionsvertrag wird die Weiternutzung der vorhandenen Infrastruktur in Form der vormaligen Start- und Landebahn samt Nebenbereichen als ein Fahrzeugentwicklungszentrum ermöglicht.

4

Unter dem 16.09.2011 genehmigte der Antragsgegner der Beigeladenen zu 1) die Errichtung und den Betrieb eines Automobil-, Test- und Erprobungszentrums auf dem Konversionsgelände Flugplatz M... (Bl. 42 GA). Der Genehmigung beigefügt waren verschiedene Auflagen zum Immissionsschutz sowie zahlreiche weitere Nebenbestimmungen. Die Genehmigung erging im Hinblick auf den künftigen Bebauungsplan „Konversion Flugplatz M...“ der nach Darstellung der Antragsgegnerin und der Beigeladenen Planreife erreicht hat. Zur Sicherstellung der Einhaltung der im Bebauungsplan vorgesehenen Lärm-Emissionskontingente sieht die streitgegenständliche Genehmigung vom 16.09.2011 zugunsten der betroffenen Wohngebiete der Umgebung den Einsatz eines sog. Monitoringsystems vor, wodurch die Schallemissionen der Anlage durch Vergleich mit berechneten Schwellenwerten kontinuierlich überwacht werden sollen.

5

Gegen die Genehmigung haben die Antragsteller mit getrennten Schreiben vom 28.09. und 17.10.2011 zunächst ohne Begründung Widerspruch erhoben. Unter dem 06.10.2011 ordnete der Antragsgegner mit gesondertem Bescheid die sofortige Vollziehung der Genehmigung vom 16.09.2011 an (Bl. 61 ff GA). Mit dem angegriffenen Beschluss vom 13.01.2012 hat das Verwaltungsgericht Koblenz die aufschiebende Wirkung der Widersprüche der Antragsteller gegen die immissionsschutzrechtliche Genehmigung des Antragsgegners vom 16.09.2011 wiederhergestellt. Bereits zuvor – am 05.01.2012 – hatte die Beigeladene zu 1) die Wirkungen des Bebauungsplans für sich und ihre Rechtsnachfolger nach § 33 Abs. 1 Nr. 3 BauGB schriftlich anerkannt (Bl. 378 GA).

6

Die Beigeladene zu 1) hat am 01.02.2012 Beschwerde erhoben und unter dem 15.02.2012 ausführlich begründet. Mit der Beschwerde eingereicht wurde ein Bescheid des Antragsgegners vom gleichen Tag, in dem die Begründung des Sofortvollzugs über mehrere Seiten ergänzt wurde (Bl. 553 GA). Unter dem 02.03.2012 hat die Beigeladene zu 1) ergänzend eine Zwischenregelung im Sinne einer vorläufigen Genehmigung beantragt, was der Senat mit Beschluss vom 07.03.2012 zurückgewiesen hat. Die Antragsteller sind der Beschwerde in ihrem Schriftsatz vom 20.03.2012 umfassend entgegen getreten.

II.

7

1. Die Beschwerde der Beigeladenen ist überwiegend begründet, weil eine umfassende Güter- und Interessenabwägung nach §§ 80a Abs. 3 Satz 1, 80 Abs. 5 VwGO unter Berücksichtigung der Erfolgsaussichten in der Hauptsache ergibt, dass das Aussetzungsinteresse der Antragsteller das Verwirklichungsinteresse der Beigeladenen nicht überwiegt. Dabei ist hinsichtlich der Erfolgsaussichten in der Hauptsache auf eine etwaige Verletzung von subjektiv-rechtlichen, also nachbarschützenden Normen abzustellen (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO), während es hinsichtlich der Anordnung des Sofortvollzugs gemäß § 80 Abs. 3 VwGO auf die Einhaltung der dortigen formalen Voraussetzungen ankommt.

8

2. Bei der rechtlichen Beurteilung ist zunächst im Rahmen der dargelegten Beschwerdegründe (§ 146 Abs. 4 Satz 6 VwGO) zu berücksichtigen, dass es sich vorliegend nicht um den "Normalfall" der sofortigen Vollziehung eines Verwaltungsaktes handelt, an dem lediglich die erlassende Behörde und der Adressat der Regelung selbst beteiligt sind. Es liegt vielmehr ein Verwaltungsakt mit Doppelwirkung vor, durch den ein Dreiecksverhältnis entsteht: Von den Rechtswirkungen der Genehmigung werden die erlassende Behörde, der begünstigte Genehmigungsinhaber und die von der Genehmigung betroffenen Nachbarn erfasst. Mit der Anordnung der sofortigen Vollziehung wird in diesen Fällen mithin regelmäßig in erster Linie zwischen widerstreitenden Bürgerinteressen entschieden. Der vom Rechtsstaatsgedanken gebotene Schutz des Einzelnen gegenüber Eingriffen des Staates, der im Hinblick auf Art. 19 Abs. 4 GG eine sofortige Vollziehung von staatlichen Maßnahmen gegenüber dem Bürger nur in den engeren Grenzen des § 80 Abs. 2 Nr. 1 bis 4 1. Alt. VwGO zulässt, tritt daher zurück. Die Anordnung der sofortigen Vollziehung hat in solchen Fällen mehr schiedsrichterlichen Charakter, wobei die voraussichtlichen Erfolgsaussichten in der Hauptsache ein zentraler, aber nicht der alleinige Maßstab der gerichtlichen Entscheidung sind. Dem trägt auch § 80 Abs. 2 Nr. 4, 2. Alt. VwGO Rechnung, wonach auf das "überwiegende Interesse eines Beteiligten" zur Begründung für die Anordnung der sofortigen Vollziehung abgestellt werden kann. Ein überwiegendes Interesse eines Beteiligten im Sinne der Vorschrift ist daher dann nicht anzunehmen, wenn das von ihm eingelegte Rechtsmittel mit überwiegender Wahrscheinlichkeit erfolglos bleiben wird und zudem die Fortdauer der aufschiebenden Wirkung dem anderen, begünstigten Beteiligten gegenüber unbillig erscheinen muss (vgl. BVerfG; Beschluss vom 01.10.2008, 1 BvR 2466/08 BRS 73 Nr. 164 (2008); früher schon BVerwG, Beschluss vom 22.11.1965, DVBl 1966, 273).

9

In diesem Zusammenhang ist auch zu beachten, dass es bei im Ergebnis nicht erfolgreichen Einwendungen von Nachbarn zu finanziellen Mehrbelastungen eines Vorhabenträgers oder Bauherren kommen kann, die allein aus prozessualen Gründen „das Aus“ für ein Vorhaben bedeuten können, ohne dass sich im Hauptsacheverfahren die dagegen gerichteten Vorbehalte als rechtlich erheblich herausstellen. Zudem kann bei der Interessenabwägung unterschieden werden zwischen den Fällen in denen das Objekt der Genehmigung erst noch zu errichten ist (vgl. zuletzt Beschluss des Senats vom 29.02.2012, 1 B 11389/11.OVG – Erweiterung Bleirecycling-Anlage) und denen, wo schon ein mittels Investitionen eingerichteter Betrieb vorhanden ist, so dass jeder Monat der Nichtnutzung zu erheblichen finanziellen Verlusten bis hin zur Aufgabe des Vorhabens führen kann. Nach Maßgabe dieser Grundsätze war die Wiederherstellung des Sofortvollzuges anzuordnen, jedoch von ergänzenden Auflagen zum Schutz der Nachbarschaft abhängig zu machen (§ 80 Abs. 5 S. 4 VwGO).

10

3. Die Begründung des Sofortvollzuges der streitgegenständlichen Genehmigung gemäß § 80 Abs. 3 Satz 1 VwGO war ordnungsgemäß.

11

a. § 80 Abs. 3 S. 1 VwGO normiert formelle Rechtsmäßigkeitsvoraussetzungen für die Anordnung der sofortigen Vollziehbarkeit eines Verwaltungsaktes. Die Vollziehungsanordnung ist grundsätzlich mit einer auf den konkreten Einzelfall abgestellten und nicht lediglich formelhaften Begründung des öffentlichen Interesses an der sofortigen Vollziehung des Verwaltungsaktes zu versehen. Die Begründung des § 80 Abs. 3 VwGO hat dabei insbesondere den Zweck, die Betroffenen in die Lage zu versetzen, durch Kenntnis der Gründe, die die Behörde zur Vollziehungsanordnung veranlasst haben, ihre Rechte wirksam wahrzunehmen und die Erfolgsaussichten eines Rechtsmittels abzuschätzen (Kopp/Schenke, VwGO, § 80 Rn. 84 m.w.N.; OVG NRW, Beschluss vom 22.01.2001, NJW 2001, 3427). Das Begründungserfordernis des § 80 Abs. 3 Satz 1 VwGO gebietet aber nicht, dass die Behörde mit substantiierten tatsächlichen Feststellungen im Einzelnen das besondere Vollzugsinteresse begründet (vgl. VGH BW, Beschluss vom 13.03.2003, NVwZ-RR 2003, 724).

12

b. Diese Voraussetzungen waren vorliegend schon mit der Begründung des Bescheides vom 06.10.2011 erfüllt. Der Antragsgegner hat zur Begründung gemäß der Vorschrift des § 80 Abs. 3 VwGO nach Darlegung der Interessen der Beigeladenen ausgeführt, dass aufgrund der zahlreichen Nebenbestimmungen der angefochtenen Genehmigung sowie der damit einhergehenden ständigen Überwachung gewährleistet sei, dass schädliche Umwelteinwirkungen und sonstige Gefahren sowie rechtlich erhebliche Nachteile und Belästigungen nicht hervorgerufen werden können. In dem hier vorliegenden Dreiecksverhältnis ist auch zu beachten, dass die Nachbarn bis dahin ihre vorliegenden Widersprüche nicht begründet hatten. Dass in diesem Zusammenhang seitens des Antragsgegner oder der Beigeladenen (noch) keine konkreten Schadensbeträge angeführt werden, ist unschädlich, da auf der Hand liegt, dass die Vorhaltung einer solchen Anlage nach deren Einrichtung zu erheblichen wirtschaftlichen Nachteilen führt, wenn die Anlagen bis zum rechtskräftigen Abschluss der eingeleiteten Rechtsbehelfsverfahren nicht betrieben und keine Einnahmen zur Kostendeckung erzielt werden können.

13

c. Darüber hinaus ist zu sehen, dass aus der Eigenschaft als formelle Rechtsmäßigkeitsvoraussetzungen für die Anordnung der sofortigen Vollziehbarkeit folgt, dass es nicht darauf ankommt, ob die Erwägungen der Behörde auch inhaltlich – im Sinne des objektiven Rechts und der Interessen der Beteiligten – vollständig zutreffend sind. Dies ist erst bei der umfassenden von dem Gericht vorzunehmenden Interessenabwägung im Rahmen von § 80 Abs. 5 VwGO zu prüfen. Dieser „Vollprüfung“ muss sich die streitgegenständliche Genehmigung, nicht jedoch bereits die Anordnung der Vollziehbarkeit stellen. Nach alledem dürfen die Anforderungen an eine Begründung im Sinne von § 80 Abs. 3 VwGO nicht überspannt werden (vgl. VGH BW, Beschluss vom 13.03.2003; zuletzt OVG RP, Beschluss vom 09.02.2011, 10 B 11312/10).

14

4. Darüber hinaus entspricht die nachgeschobene umfangreiche Begründung vom 15.02.2012 (Bl. 553 GA) offensichtlich vollständig diesen Anforderungen. Der Senat schließt sich der Ansicht an, dass die nachträgliche Ergänzung der Gründe des Sofortvollzuges vom 15.02.2012 gemäß § 80 Abs. 3 VwGO nach dem Rechtsgedanken des § 45 Abs. 2 VwVfG grundsätzlich im Laufe des vorläufigen Rechtsschutzverfahrens nachgeholt werden kann (ebenso OVG MV, Beschluss vom 20.01.1998, NVwZ-RR 1999, 409; BayVGH, Beschluss vom 06.03.1997, BayVBl 1998, 373). Dabei sollte die Heilungsmöglichkeit bis zum Abschluss des gerichtlichen Eilverfahrens entsprechend den Grundsätzen zu § 114 Satz 2 VwGO zur materiellen Befugnis ausgelegt werden, so dass zumindest eine Ergänzung der Erwägungen möglich ist (vgl. BVerwG, Urteil vom 05.09.2006, Buchholz 316 § 48 VwVfG Nr 115). Es wäre auch ein prozessökonomisch fragwürdiges Ergebnis, wenn die Anordnung der sofortigen Vollziehbarkeit aufgrund eines Mangels nach § 80 Abs. 3 VwGO aufzuheben wäre, aber dann sofort wieder erneut ergehen dürfte. Darüber hinaus hätte die Antragsgegnerin dem Bescheid vom 15.02.2012 mit seiner umfassenden Begründung auch eine erneute Anordnung des Sofortvollzugs beifügen können. Der Gegenseite entstehen dadurch keine prozessualen Nachteile, da sie in solchen Fällen mit einer Erledigungserklärung nach § 161 Abs. 2 VwGO reagieren kann.

15

5. Es ist im Rahmen der für das einstweilige Rechtsschutzverfahren maßgeblichen Prüfung nicht ersichtlich, dass die streitgegenständliche Genehmigung zugunsten der Beigeladenen rechtswidrig ist und damit aufzuheben wäre.

16

a. Ein Rechtsverstoß folgt zunächst nicht aus der zu Beginn des Verfahrens zunächst noch fehlenden Anerkennung nach § 33 Abs. 1 Nr. 3 BauGB. Nach dieser Vorschrift ist in Gebieten, für die ein Beschluss über die Aufstellung eines Bebauungsplans gefasst ist, ein Vorhaben schon vor Abschluss des Planverfahrens zulässig, wenn die Öffentlichkeits- und Behördenbeteiligung durchgeführt worden ist und anzunehmen ist, dass das Vorhaben den künftigen Festsetzungen des Bebauungsplans nicht entgegensteht und die Erschließung gesichert ist. Zudem muss der Antragsteller diese Festsetzungen für sich und seine Rechtsnachfolger schriftlich anerkennen.

17

b. Mit dem Verwaltungsgericht ist davon auszugehen, dass der hier maßgebliche Bebauungsplan „Konversionsgebiet Flugplatz M...“ die nach § 33 Abs. 1 Nr. 1 BauGB erforderliche „Planreife“ erreicht hat, nachdem die Bürger- und Behördenbeteiligung bereits Ende Februar 2011 abgeschlossen waren und gegenteilige Erkenntnisse im Verfahren nicht ersichtlich wurden. Der Inhalt dieses Bebauungsplanes ergibt sich aus den in der Akte befindlichen Textfestsetzungen und Begründungen. Dabei ist es naheliegend, dass die geplante Nutzung auch den Festlegungen des städtebaulichen Vertrages vom 03.02.2009 entspricht, ohne dass dies hier näherer Ausführung bedürfte.

18

c. Es ist indessen nicht davon auszugehen, dass die nach § 33 Abs. 1 Nr. 3 BauGB erforderliche schriftliche Erklärung der Beigeladenen zu 1) derzeit (noch) fehlt. Zutreffend ist zwar, dass sich eine Erklärung zunächst nicht in den Verwaltungsakten befand und insofern diese formale Voraussetzung nicht erfüllt war. Zutreffend ist auch, dass die Erklärung nach § 33 Abs. 1 Nr. 3 BauGB grundsätzlich vor der Entscheidung der Behörde als Voraussetzung für die städtebauliche Zulässigkeit eines Vorhabens vorzuliegen hat. Dies schließt indessen nicht aus, dass die notwendige Erklärung im laufenden gerichtlichen Verfahren nachgereicht wird. Entsprechend den Grundsätzen des § 45 Abs. 1 und Abs. 2 VwVfG können derartige Verfahrenshandlungen noch bis zum Abschluss des gerichtlichen Verfahrens nachgeholt werden. Es wäre indessen auch unter prozessökonomischen Gesichtspunkten verfehlt, den streitgegenständlichen Bescheid wegen des ursprünglichen Fehlens der Erklärung nach § 33 Abs. 1 Nr. 3 BauGB aufzuheben, um ihn dann mit gleichem Inhalt und derselben beigefügten Erklärung erneut zu erlassen bzw. erlassen zu müssen.

19

d. Im Übrigen kann das Begehren der Antragsteller schon deswegen aufgrund von § 33 Abs. 1 Nr. 3 BauGB nicht zum Erfolg führen, weil insofern eine Verletzung drittschützender Rechte nicht dargetan ist. Denn § 33 BauGB kann nur in dem Umfang Drittschutz vermitteln, in dem die antizipiert angewandten künftigen Festsetzungen des Bebauungsplanes selbst dem Drittschutz dienen (OVG NRW, Beschluss vom 15.02.1991, NWVBl 1991, 267). Eine losgelöste Berufung auf § 33 Abs. 1 Nr. 3 BauGB unabhängig von dem Inhalt der Baugenehmigung und des Bebauungsplans ist dagegen nicht anzuerkennen. So besteht etwa auch ein Nachbarschutz gegenüber einer Veränderungssperre selbst dann nicht, wenn der Bebauungsplan zugunsten der Nachbarn später nachbarschützende Vorschriften enthält (BVerwG, Beschluss vom 05.12.1988, BauR 1989, 1861). Inhalt des Anerkenntnisses nach § 33 Abs. 1 Nr. 3 BauGB ist die öffentlich-rechtliche Verpflichtung des Antragstellers für sich und seine Rechtsnachfolger, die künftigen Festsetzungen des Bebauungsplans gegen sich gelten zu lassen, d.h. alles zu unterlassen, was mit den künftigen Festsetzungen des Bebauungsplans nicht vereinbar ist. Würde man dem Nachbarn auch zugestehen, dass eine in Rede stehende Verletzung des § 33 Abs. 1 Nr. 3 BauGB ihn zur Anfechtung berechtigt, würde dies über die Funktion des subjektiven Rechts hinausgehen. Welche Rechtsschutzlücke für die Antragsteller aus einer entsprechenden Handhabung bei § 33 Abs. 1 Nr. 3 BauGB folgen soll, haben diese hier aber nicht dargetan.

20

6. Auch im Rahmen der immissionsschutzrechtlichen Überprüfung ist nicht festzustellen, dass die Genehmigung vom 16.09.2011 offensichtlich rechtswidrig wäre. Es ist nach Aktenlage auf der Grundlage der im einstweiligen Rechtsschutz möglichen Prüfung der Sach- und Rechtslage davon auszugehen, dass ein rechtmäßiger Betrieb der Teststrecke unter Einhaltung der Immissionsrichtwerte der TA-Lärm und Beachtung der Emissionskontingentierung auf der Grundlage der streitgegenständlichen Genehmigung grundsätzlich möglich sein wird. Im Übrigen können hierzu aber auch aus dem laufenden Betreib weitere Erkenntnisse gewonnen werden. Für die hier maßgebliche Interessenabwägung im Einzelnen gilt Folgendes:

21

a. Die Nutzung des Flugplatzes (auch) als automobiles Testzentrum entspricht den Konversionszielen des Landes Rheinland-Pfalz und den planungsrechtlichen Zielen der beteiligten Gemeinden. Insbesondere sieht der genannte städtebauliche Vertrag „Konversion Flugplatz M...“ dieser Parteien mit der Beigeladenen zu 1) als Investor vom 03.02.2009 dies für den Flugplatz ausdrücklich vor (Auszug § 3 Abs. 2a):

22

Die Parteien sind sich darüber einig, dass die vorhandene Start- und Landebahn auch zukünftig genutzt wird. Die für diese beabsichtigte zivile Luftverkehrsnutzung erforderliche luftverkehrsrechtliche Änderungsgenehmigung ist zwischenzeitlich von der M... Flugplatz GmbH beantragt worden. Die vorhandene Start- und Landebahn samt Nebenbereichen (Taxiways und Grünflächen) – Anlage 5 - soll zudem zukünftig als Fahrzeugentwicklungszentrum genutzt werden. soweit dies immissionsschutzrechtlich zulässig ist und den Festsetzungen der luftverkehrlichen Änderungsgenehmigung sowie der verbindlichen Bauleitplanung nicht widerspricht.

23

Unabhängig von dem Inhalt einer immissionsschutzrechtlichen Genehmigung sollen nur Testfahrten und Motorentests mit Fahrzeugen zulässig sein, die nach der Straßenverkehrszulassungsordnung zugelassen sind oder zugelassen werden können oder deren Lärmemissionen geringer sind.

24

b. Diese vertraglichen Vorgaben hat der Zweckverband Konversion Flugplatz M... im Rahmen der Bauleitplanung aufgegriffen und in dem Entwurf von Januar 2011 umfassend berücksichtigt. Auf der Grundlage eines sogenannten „Masterplanes“ erfolgte im August 2010 eine schalltechnische Untersuchung zur Geräuschkontingentierung für den Bebauungsplan Konversionsgebiet Flugplatz M...“ des Ing.-Büro ISU, Bitburg. Unter Berücksichtigung der vorhandenen Wohn- und Gewerbegebiete wurden im Rahmen der Geräuschkontingentierung Gesamt-Immissionswerte festgelegt (S. 13, 19 Gutachten ISU). Dabei wurde als immissionsempfindliche Nutzung u.a. auch der Wohnbereich östlich des Konversionsgeländes in K... ausdrücklich benannt und berücksichtigt. Sodann wurden Richtungsemissionskontingente für die Tag- und Nachtzeit sowie richtungsabhängige Zusatzkontingente festgelegt.

25

c. Dieses umfassende Konzept der Geräuschkontingentierung der Firma ISU ist hinsichtlich des Betriebs der Test- und Erprobungsstrecke für Kraftfahrzeuge für die streitgegenständliche Genehmigung seitens des schalltechnischen Büros BeSB GmbH, Berlin ausführlich bei der konkreten Umrechnung in Immissionen zunächst im Gutachten vom 25.06.2010 berücksichtigt worden. Dabei wurden hinsichtlich der verschiedenen Rundkurse der Teststrecke ermittelte Dauerschallpegel gebildet, die nicht überschritten werden dürfen. Die aus dem Gutachten ISU resultierenden Emissionskontingente hat das Büro BeSB in Immissionskontingente hinsichtlich der 16 ausgewählten Immissionspunkte (davon 3 in K..., 7 in M... und 2 in T...) umgerechnet. Um eine noch genauere Anpassung an die Vorgaben des Gutachtens ISU zu erreichen, hat BeSB die Werte der im Genehmigungsbescheid als maßgeblich für die Immissionswerte genannten „Tabelle 2“ in einem Ergänzungsgutachten vom 04.01.2011 nochmals korrigiert. Auf der Grundlage dieser Berechnungen und Kontingentierungen wurde das Monitoring-System der permanenten Überwachung der Lärmimmissionen von dem Antragsgegner in die Genehmigung integriert.

26

7. Der Senat hält diese Vorgaben unter Hinzuziehung der im Tenor entsprechend § 80 Abs. 5 S. 4 VwGO ergänzten Auflage auch praktisch für ausreichend, um dem Schutz der Nachbarschaft – jedenfalls bis zu einer Hauptsacheentscheidung – Rechnung zu tragen. Die Begutachtungen der BeSB vom 25.06.2012, vom 04.01.2011 und 20.01.2012 sind hinreichend plausibel und fundiert, um einen (vorläufigen) Betrieb der Anlage zuzulassen. Die gegen die Genehmigung vom 16.09.2011 und der zugrunde liegende Begutachtung vorgetragenen Einwände der Antragsteller greifen auch unter Berücksichtigung der vorgelegten Gutachten des Instituts ... C... vom 19.12.2011, vom 02.01.2012 und vom 16.03.2012 dagegen (derzeit) nicht durch.

27

a. Dabei ist zunächst nicht zu erkennen, dass das System einer richtungsabhängigen Immissionskontingentierung (DIN 54691) aus der Bauleitplanung für die Regulierung der streitgegenständlichen Anlage grundsätzlich unzulänglich sein sollte (vgl. zuletzt Urteil des Senats vom 08.03.2012, 1 C 10775/11 – ESOVGRP). Weiter ist davon auszugehen, dass die konkret ausgewählten Immissionsorte für eine Beurteilung des notwendigen Immissionsschutzes ausreichend sind. Hinsichtlich der Lage der Wohnorte der Antragsteller sind die Immissionsorte IP 04a (W... Weg ..., K...) und IP 04b (R... 45, K...) als hinreichend repräsentativ anzusehen, denen einen Immissionskontingent von 47,4 bzw. 46,0 dB(A) tags inkl. Zusatzkontingent zugewiesen worden ist.

28

b. Es ist ferner nicht ersichtlich, dass das von dem Antragsgegner zwingend vorgeschriebene Monitoringsystem gegen das System der TA Lärm verstößt, dessen Funktionsfähigkeit nicht gewährleistet ist und eine Sonderfallprüfung unabdingbar wäre.

29

Für eine Prüfung im Regelfall nach Nr. 3.2.1 TA Lärm ist ein Vergleich des Beurteilungspegels nach Nr. 2.10 TA Lärm mit den Immissionsrichtwerten nach Nr. 6 TA Lärm geboten. Der Beurteilungspegel beruht dabei auf den physikalisch zu ermittelnden Größen für Schalldruck, Schallfrequenz und Dauer der Schalleinwirkungen (Nr. 2.7 i.V.m. Nr. 2.6 TA Lärm). Für die gebotene Einhaltung der Immissionsrichtwerten nach Nr. 6 TA-Lärm gibt es verschiedene Möglichkeiten der Lärmregulierung, wobei aktive und passive Schallschutzmaßnahmen in den Blick zunehmen sind (vgl. zum möglichen Schallschutz auch § 3 des städtebaulichen Vertrags). Dementsprechend stellt es einen zielführender Ansatz dar, durch die Bildung von richtungsbezogenen Emissionskontingenten den Betrieb in einer Weise zu steuern, dass er nachbarverträglich ausgeführt werden kann, unverträglicher Lärm mithin erst gar nicht entstehen kann. Demgegenüber sind die Vorgänge eines automobilen Testzentrums nicht völlig zu antizipieren, so dass der Vorhalt einer unzureichenden Darstellung der Betriebsabläufe aus Sicht des Immissionsschutzes nicht greift, da umgekehrt der zulässige Betrieb von den Emissionskontingenten gedeckelt wird.

30

c. Bei der im einstweiligen Rechtsschutzverfahren möglichen summarischen Prüfung ergeben sich für den Senat auch keine ernstlichen Zweifel an der Funktionsfähigkeit des Messsystems. Der in diesem Zusammenhang erhobene Vorhalt, es müsse im Bescheid sichergestellt werden, dass die verantwortlichen Personen vor Ort im Hinblick auf das Monitormessverfahren ausreichend instruiert seien, führt indessen zu weit. Dies ist eine Frage des Verwaltungsvollzugs und nicht notwendigerweise im Genehmigungsbescheid zu regeln. Auch die damit im Zusammenhang stehenden Zweifel an der ordnungsgemäßen Einrichtung der Monitormessvorrichtung führen nicht zum Erfolg des Begehrens der Antragsteller. Zum einen sind diese Zweifel nur unsubstantiiert geäußert worden. Zum anderen hat der Senat aber mit der Auflage einer Meldepflicht der künftigen Streckenbelegung dafür Sorge getragen, dass die zuständige Genehmigungsbehörde bei kritischen Veranstaltungen oder auch stichprobenartig im Normalbetrieb selbst die Messungen fachlich begleiten kann. Dies führt zu einer erheblichen Transparenz des künftigen Betriebs und möglicherweise auch zu validen Ergebnissen für das Hauptsacheverfahren.

31

d. Die von den Antragstellern weiterhin angezweifelten Möglichkeiten der Einhaltung der Immissionskontingente kann ebenfalls im weiteren Betrieb geprüft und nachgewiesen werden. Es ist gerade nicht so, dass erst eine umfassende Begutachtung mit immer neuen Parametern Klarheit hinsichtlich der Lärmbelastung schafft. Vielmehr ist es sachdienlich, dem Betreiber die Möglichkeit im Rahmen der vorläufigen Vollziehung zu geben, die Funktionsfähigkeit seines Lärmschutzkonzepts unter Beweis zu stellen. Umgekehrt wäre bei einem Nichtbetrieb bis zur Hauptsacheentscheidung ausschließlich auf weitere theoretische Berechnungen abzustellen. Gleichwohl schließt der Senat nicht aus, dass weitere Sachverhaltsermittlungen etwa durch Einholung eines „neutralen Sachverständigengutachtens“ angezeigt seien könnten.

32

e. Der Senat folgt nicht der Darlegung der Antragsteller, dass eine worst-case-Betrachtung im vorliegenden Fall zwingend zu einem anderen Ergebnis führen müsste. Der Gutachter der Antragsgegner und der Beigeladenen (Ing.-Büro ... GmbH) hat nachvollziehbar dargelegt, dass die Testfahrten mit besonders lauten Sportwagen insbesondere zur besseren Messbarkeit und Unterscheidbarkeit der verschiedenen Geräuschquellen durchgeführt worden sei. Daraus lässt sich zur Überzeugung des Senats in Übereinstimmung mit dem Vortrag der Beigeladenen nicht schließen, dass eine solche geräuschintensive Nutzung dauerhaft über einen längeren Zeitraum anzunehmen wäre. Vielmehr ist – wie bereits ausgeführt – die Nutzung der Teststrecke davon abhängig, dass die Fahrzeuge zumindest die Möglichkeit einer Straßenverkehrszulassung besitzen. Dies schließt von vorneherein den Einsatz von Formel 1-Fahrzeugen oder ähnlich motorisierter Automobile auf der Teststrecke aus. Hinzu kommt im Rahmen der Interessenabwägung, dass im bisherigen Betrieb nach den glaubhaften Angaben des Antragsgegners die einzuhaltenden Schwellenwerte nicht überschritten wurden (vgl. exempl. Schreiben vom 06.03.2012, Bl. 650 GA).

33

f. Ebenfalls nicht durchzudringen vermögen die Antragsteller mit der Einwendung, dass lediglich Schallausbreitungsberechnungen auf Basis des beanstandeten Monitorings vorgenommen und keine Messungen durchgeführt worden seien. Schon im Hinblick darauf, dass derzeit kein Betrieb auf der Strecke stattfindet, ist das Festhalten an der Methode der Schallausbreitungsberechnung vorliegend nicht zu beanstanden. Die Antragsteller können nicht im Rahmen ihres Rechtsschutzbegehrens eine vorläufige Einstellung des Betriebes bis zur abschließenden Entscheidung der Hauptsache fordern und zugleich tatsächliche Lärmausbreitungsmessungen verlangen.

34

g. Schließlich führen die von dem Verwaltungsgericht beanstandeten Nebenbestimmungen des Bescheides im Rahmen der Prüfung im Eilverfahren nicht zur Suspendierung der Genehmigung. Die hier insbesondere streitige Nebenbestimmung (Auflage I 2) lautet:

35

Die einzuhaltenden Schwellenwerte sind während des Betriebes zu beobachten und zu bewerten. Sollte sich im Fahrbetrieb herausstellen, dass die Schwellenwerte voraussichtlich erreicht bzw. überschritten werden, so ist der Betrieb entsprechend zu reduzieren bzw. einzustellen. Das Messmonitoring ist von einer nach §§ 26, 28 BImSchG benannten Stelle durchzuführen.

36

Auflage I 2 ist als permanente Pflicht des jeweiligen Betreibers zu verstehen und setzt – wie von den Beteiligten zutreffend erkannt – einen gewissen Sachverstand der jeweiligen damit beauftragten Personen voraus. Dies ist jedoch – wie bereits angedeutet – eine Frage des Verwaltungsvollzuges und kann nicht abstrakt für die Zukunft festgelegt werden. Es ist jedoch davon auszugehen, dass die nach §§ 26, 28 BImSchG beauftragte Stelle entsprechende Schwachstellen in der Messung aufgreifen und mit den vor Ort beauftragten Personen abstellen würde. Hier gilt, dass Verstöße gegen diese Regelung zwar nicht unmittelbar seitens des Antragsgegners oder der SGD-Nord geahndet werden könnten. Eine solche Regelung wäre indessen auch ein atypischer Ausnahmefall, der in einem Genehmigungsbescheid regelmäßig nicht gefordert werden kann.

37

Auch die Auflage I 4 stellt die Rechtmäßigkeit der Genehmigung insgesamt nicht in Frage. Diese lautet:

38

Fahrzeuge, die bzgl. ihrer Schallemission als grenzwertig einzustufen sind, sind mit zwei Messungen vor dem Betrieb auf die Einhaltung folgender Grenzwerte zu überprüfen: - Nahfeldmessmethode: Grenzwert 100 dB(A) - beschleunigte Vorbeifahrt: Grenzwert 95 dB(A) (nach DMSB Geräuschvorschriften 2009) Die Messergebnisse sind mindestens 1 Jahr aufzubewahren und auf Verlangen der SGD Nord, Regionalstelle Gewerbeaufsicht Koblenz, in Klarschrift vorzulegen.

39

Hier kann zunächst in Ermangelung anderer Erkenntnisse nicht ohne weiteres davon ausgegangen werden, dass die vor Ort beauftragten Personen des Betreibers nicht über die erforderliche Sachkunde verfügen, ein Kraftfahrzeug als „grenzwertig“ einzustufen. Der Senat gesteht den Angriffen gegen diese Bestimmung zu, dass die Regelung dem Anwender einen gewissen Spielraum überlässt, der im Moment der Reaktion des jeweiligen Anwenders nicht näher überprüfbar ist. Wie auch sonst bei Konkretisierung unbestimmter Rechtsbegriffe durch die Verwaltung (vgl. etwa BVerwG, Urteil vom 23.02.2011, NVwZ 2011, 1142) obliegt die Aufgabe der Präzisierung und Konkretisierung - ungeachtet der etwaigen nachfolgenden uneingeschränkten gerichtlichen Nachprüfung - zunächst den zuständigen Verwaltungsbehörden. Die streitgegenständliche Bestimmung dient der Vermeidung von Pegelspitzen durch Vorabaussonderung bestimmter Fahrzeuge und zwar zugunsten der Nachbarn. Soweit keine verwertbaren Daten des Herstellers vorliegen, muss die Einschätzung der sachkundigen Bearbeitung durch Mitarbeiter vor Ort vorbehalten sein. Dabei ist der Begriff „grenzwertig“ offensichtlich zunächst so zu verstehen, dass mutmaßlich ein Grenzwert 100 dB(A) bzw. 95 dB(A) bei beschleunigter Vorbeifahrt erreicht bzw. gerade nicht erreicht wird. Entscheidend ist aber, dass die nur vermeintlich vollzugslose Bestimmung (lex imperfecta) bei Fehleinschätzung des Betreibers dazu führt, dass das Emissionskontingent wesentlich schneller erreicht wird, so dass sich der Betreiber durch solche Vorgänge schon kurzfristig selbst schadet. Zudem dürfte im Rahmen der Auswertung des Monitorings nachträglich feststellbar sein, dass „unzulässige“ Fahrzeuge im Einsatz waren, was ggf. im Hauptsacheverfahren näher aufgeklärt werden kann. Durch das permanente Monitoring, die Aufbewahrungspflichten hinsichtlich der Messergebnisse für ein Jahr und die vom Senat zusätzlich angeordnete Ankündigung von geräuschintensiven Nutzungen der Teststrecke lässt es als fernliegend erscheinen, wegen der nicht vollständig vorhersehbaren Handhabung des Begriffs „grenzwertig“ seitens des Betreibers der Genehmigung den vorläufigen Vollzug zu versagen.

40

h. Der Senat lässt offen, ob es vorliegend eines ergänzenden Sachverständigengutachtens unter Einschluss einer Sonderfallprüfung nach Ziffer 3.2.2 TA Lärm bedarf. Dies dürfte von weiteren tatsächlichen Feststellungen abhängen. Für eine etwaige ergänzende Prüfung im Sonderfall gemäß Ziffer 3.2.2 TA Lärm gelten folgende Grundsätze:

41

aa. Im Rahmen einer Regelfallprüfung werden in pauschalierter Weise bereits die Ton- und Informationshaltigkeit (Nr. A.2.5.2 und A.3.3.5 des Anhangs TA Lärm), die Impulshaltigkeit (Nr. A.2.5.3 und A.3.3.6 des Anhangs TA Lärm), der Anteil tieffrequenter Geräusche (Nr. 7.3 TA Lärm) sowie Tageszeiten mit erhöhter Empfindlichkeit (Nr. 6.5 TA Lärm) durch Zuschläge berücksichtigt. Liegen jedoch im Einzelfall besondere Umstände vor, die bei der Regelfallprüfung keine Berücksichtigung finden, nach Art und Gewicht jedoch wesentlichen Einfluss auf die Beurteilung haben können, ob die Anlage zum Entstehen schädlicher Umwelteinwirkungen relevant beiträgt, so ist ergänzend zu prüfen, ob sich unter Berücksichtigung dieser Umstände des Einzelfalls eine abweichende Beurteilung ergibt. Dies stellt sich als eine notwendige Konsequenz des auf den Regelfall zugeschnittenen Beurteilungsverfahrens dar, das im Hinblick auf die Schutzpflicht des § 5 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 BImSchG in atypischen Fällen Abweichungen zu Gunsten oder zu Lasten des Betreibers der Anlage erfordert (vgl. Feldhaus, Bundesimmissionsschutzrecht, Band 4, B 3.6, Nr. 3 TA Lärm, Rn. 51ff).

42

bb. In Nr. 3.2.2 Satz 2 TA Lärm werden beispielhaft Umstände genannt, die Anlass zu einer solchen Sonderfallprüfung geben können (vgl. Hansmann, TA Lärm, Nr. 3.2.2, Rn. 31). Als Umstände, die eine Sonderfallprüfung erforderlich machen können, kommen nach den Regelbeispielen der Nr. 3.2.2 S. 2 TA Lärm insbesondere in Betracht: Schwierigkeiten der Summenpegelbildung, Auswirkungen auf die Akzeptanz durch besondere Standortbindung und positive Einstellung der Betroffenen, künftig absehbare Verbesserungen sowie Herkömmlichkeit und soziale Adäquanz der Geräuschimmission.

43

Die Regelbeispiele des Nr. 3.2.2 S. 2 TA Lärm sind indessen grundsätzlich nur als Umstände zu verstehen, die trotz einer negativen Regelfallprüfung zur Genehmigungsfähigkeit der Anlage führen können (Hansmann, TA Lärm, Nr. 3.2.2, Rn. 34). Daher ergibt sich die Notwendigkeit einer Sonderfallprüfung vorliegend nicht daraus, weil die von der genehmigten Test- und Erprobungsstrecke ausgehenden Geräuschemissionen möglicherweise „nicht sozialadäquat“ seien. Das Merkmal der sozialen Adäquanz soll vielmehr regelmäßig dazu dienen, bestimmte Vorgänge, die zum menschlichen Zusammenleben dazugehören und von der Gesellschaft positiv bewertet werden, nicht aus Gründen des Lärmschutzes untersagen zu müssen (vgl. Hansmann, TA Lärm, Nr. 3.2.2, Rn. 41 m.w.N; BVerwG, Urteil vom 12.12.1991, NJW 1992, 1779; Rechtsprechungsnachweise bei Feldhaus a.a.O., B 3.6, Nr. 3 TA Lärm, Rn. 71). Eine solche positive soziale Adäquanz kann die Rennstrecke nicht für sich in Anspruch nehmen. Umgekehrt sind in der Rechtsprechung – soweit ersichtlich – bisher keine Vorhaben als sozialinadäquat eingestuft worden, welche ansonsten TA-konform errichtet wurden. Solche Entscheidungen werden von den Beteiligten auch nicht benannt.

44

cc. Dagegen lässt sich die vom Verwaltungsgericht aufgeworfene Frage, „ob tieffrequente Geräusche – über ein Regelfallmaß hinaus – auftreten und gesondert behandelt werden müssen“ im vorläufigen Rechtsschutzverfahren nicht abschließend beurteilen. Allerdings kann die Genehmigung aus diesem Grund nicht suspendiert werden, weil ein erhebliches Potential dieser Geräusche bisher nicht plausibel dargelegt worden ist. Tieffrequente Geräusche sind gesondert in Ziffer 7.3 der TA Lärm geregelt und legaldefiniert als Geräusche, „die vorherrschende Energieanteile im Frequenzbereich unter 90 Hz besitzen“. Der Senat folgt im vorläufigen Verfahren der Einschätzung der Gutachter ... GmbH dass "erhebliche Energieanteile unterhalb von 90 Hz bei normaler bis sportlicher Fahrt“ mit Kraftfahrzeugen nicht über das Normalmaß erzeugt werden. Es ist daher derzeit – für einen Testbetrieb auf der Strecke – nicht davon auszugehen, dass vermehrt solche tieffrequenten Geräusche auftreten, die zu schädlichen Umwelteinwirkungen oder erheblichen Belästigungen führen könnten. Allerdings kann den Einwendungen der ... C... (siehe u.a. Schreiben vom 16.03.2012) im weiteren Verfahren näher nachgegangen werden.

45

dd. Nicht vollständig aufklärbar im Eilverfahren ist insbesondere auch die Frage, ob die von ... C... reklamierte Lästigkeit durch Pegelschwankungen (abruptes Bremsen, Anfahren etc. – vgl. u.a. Bl. 742 GA) in dieser beschriebenen Weise besteht, ob also tatsächlich eine am Wohnort der Antragsteller spürbare und erhebliche Lästigkeit durch Impulshaltigkeit feststellbar sein wird. Die diesbezüglichen Ausführungen der A... vom 16.03.2012 können bisher nicht als widerlegt gelten. Allerdings kann vor dem Hintergrund der beschriebenen Interessenabwägung dieser Frage im weiteren Verfahren nachgegangen werden, ohne dass insofern die Anlage stillzulegen wäre, zumal bei den bisherigen Messungen die maßgeblichen allgemeinen Grenzwerte laut den Auskünften des Antragsgegners stets eingehalten wurden. Zudem können gerade die Erkenntnisse aus dem Betrieb einschließlich des laufenden Monitorings diesbezüglich weitere Daten liefern. Die weitere Aufklärung dieser Fragen kann demgemäß dem Hauptsachverfahren vorbehalten werden, wobei etwa auch ein behördliches oder gerichtliches Gutachten in Betracht kommen dürfte.

46

ee. Dagegen stellt die „Besonderheit“, dass beim vorgesehenen Betrieb „naturgemäß Fahr- und Ruhezeiten“ abwechseln, nicht zwingend einen Umstand im Sinne von Ziffer 3.2.2 Satz 2 Buchstabe b TA Lärm dar, nach dem eine Sonderfallprüfung angezeigt wäre. Der Betrieb eines Automobil- und Testzentrums ist vielmehr für sich genommen wegen seiner wechselnden Einsatzzeiten noch kein nach der TA Lärm zu betrachtender Sonderfall. Es ist keineswegs ungewöhnlich, dass sich bei einer nach dem Immissionsschutzrecht genehmigungsbedürftigen Anlage lautere Phasen mit leiseren Phasen abwechseln und diese schwankende Belastung in einen Beurteilungspegel umgerechnet wird. Sollte sich aus den zuvor genannten Punkten (Impulshaltigkeit bzw. Lästigkeit und Tieffrequenzen) die Notwendigkeit einer Sonderfallprüfung ergeben, wären indessen auch die wechselnden Einsatzzeiten in einer wertenden Gesamtabwägung zu berücksichtigen (vgl. hierzu Feldhaus, a.a.O., B 3.6, Nr. 3 TA- Lärm, Rn. 53).

47

Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 155 Abs. 1, 154 Abs. 3, 162 Abs. 3 VwGO.

48

Die Streitwertfestsetzung für das Beschwerdeverfahren beruht auf den §§ 47 Abs. 3, 52 Abs. 1 GKG.

Tenor

Der Antrag wird abgelehnt.

Die Kosten des Verfahrens trägt der Antragsteller.

Der Wert des Streitgegenstandes wird auf 3.750 € festgesetzt.

Gründe

I.

1

Der Antragsteller wendet sich gegen eine für sofort vollziehbar erklärte straßenrechtliche Duldungsanordnung.

2

Der Antragsteller schloss mit Herrn A, Herrn B und Frau C am 21. April 2016 zwei notarielle Kaufverträge über den Erwerb der im Außenbereich von A-Dorf gelegenen Grundstücke Flurstück-Nrn. …, … und …. Die für die Wirksamkeit des Vertrages erforderliche Genehmigung nach dem Grundstücksverkehrsgesetz wurde bisher nicht erteilt. Ebenso fehlt noch der Verzicht auf das gemeindliche Vorkaufsrecht. § 5 der beiden notariellen Verträge lautet wie folgt:

3

Die Übergabe des Vertragsgegenstandes erfolgt sofort.

4

Mit der Übergabe gehen die Gefahr einer zufälligen Verschlechterung des Vertragsgegenstandes sowie die Verkehrssicherungspflicht auf den Käufer über. Von der Übergabe an stehen dem Käufer die Nutzungen zu.

5

Die Grundsteuern übernimmt der Käufer rückwirkend ab 1. Januar 2016.

6

Das Pachtverhältnis besteht mit dem Käufer. Eine Pacht für das laufende Wirtschaftsjahr ist nicht mehr zu leisten.“

7

Die drei genannten Grundstücke, die im Jahre 1982 an Herrn D aus B-Dorf, den Bruder des Antragstellers, verpachtet wurden, sind betroffen vom seit dem 14. Mai 2009 bestandskräftigen Planfeststellungsbeschluss des Landesbetriebs Mobilität für den Neubau der Ortsumgehung Bad Bergzabern im Zuge der Bundesstraße Nr. 427 (B 427) vom 12. Februar 2008 in der Gestalt des Ergänzungsbeschlusses vom 11. Februar 2009 (s. dazu OVG Rheinland-Pfalz, Urteil vom 10. März 2009 – 8 C 10435/08 –, juris). Der Antragsgegner möchte im Rahmen der geplanten Ortsumgehung Bad Bergzabern geotechnische Untersuchungen durchführen und in diesem Zusammenhang auch auf den drei genannten Grundstücken Bodenuntersuchungen vornehmen.

8

Mit Schreiben vom 27. April 2016 bat der Antragsgegner den Antragsteller um Zustimmung zu den Bodenuntersuchungen. Dies verweigerte der Antragsteller mit der Begründung, das Eigentum sei derzeit noch nicht auf ihn übergegangen. Unter Hinweis darauf, dass ihm mit den beiden notariellen Verträgen bereits das Nutzungsrecht an den drei Grundstücken übertragen worden sei, bat der Antragsgegner den Antragsteller am 6. Mai 2016 erneut um Abgabe einer Zustimmungserklärung. Dazu war der Antragsteller jedoch nicht bereit. Daraufhin teilte der Antragsgegner dem Antragsteller mit Schreiben vom 9. Mai 2016 mit, ab dem 25. Mai 2016 würden auch auf den in seinem Besitz befindlichen Grundstücken Flurstück-Nrn. …, … und ... die entsprechenden Baugrunduntersuchungen vorgenommen. Der mittels Bagger hergestellte Schurf werde nach Ende der Erkundung wieder verfüllt. Da die genannten Arbeiten im Interesse der Allgemeinheit lägen, habe § 16 a Bundesfernstraßengesetz – FStrG – die Grundstückseigentümer und sonstige Nutzungsberechtigte verpflichtet, die Durchführung dieser Vorarbeiten zu dulden. Nachdem er die Betretungserlaubnis bzw. die entsprechende Genehmigung zur Bodenuntersuchung (Schurf) bisher nicht erteilt habe, ergehe hiermit eine Duldungsanordnung. Deren sofortiger Vollzug werde angeordnet.

9

Hiergegen hat der Antragsteller am 16. Mai 2016 Widerspruch eingelegt und zugleich am 17. Mai 2016 um vorläufigen Rechtsschutz nachgesucht. Zur Begründung führt er aus, der Antragsgegner habe den Sofortvollzug angeordnet, ohne dies zu begründen. Schon deshalb sei dem Antrag stattzugeben. Ungeachtet dessen sei er der falsche Adressat der Duldungsanordnung. Das Eigentum sei noch nicht auf ihn übergegangen. Entgegen der Behauptung des Antragsgegners sei er auch nicht Pächter des Grundstücks. Während der Beurkundung sei der Notar möglicherweise stillschweigend davon ausgegangen, dass er, der Antragsteller, Pächter sei. Keiner der Vertragsbeteiligten, die sich auf den Notar verlassen hätten, hätten diesen Fehler bemerkt. So sei der Passus, laut welchem der Antragsteller Pächter sei, in § 5 Abs. 4 der Kaufverträge gelangt. Die notariellen Verträge wirkten jedoch nicht konstitutiv, d. h. der Antragsteller sei nicht Pächter und müsse sich auch nicht vom Antragsgegner als Pächter behandeln lassen, nur weil er in den notariellen Verträgen irrig als solcher bezeichnet werde.

10

Der angefochtene Bescheid sei ferner nicht hinreichend bestimmt. Es werde nicht deutlich, welche Arbeiten mit welchem Umfang zu dulden seien.

11

Der Antragsteller beantragt,

12

die aufschiebende Wirkung des Widerspruchs vom 16. Mai 2016 gegen die Duldungsanordnung des Antragsgegners vom 9. Mai 2016 wiederherzustellen.

13

Der Antragsgegner beantragt,

14

den Antrag abzulehnen.

15

Er führt aus, der Antragsteller sei entgegen seinem Vortrag sehr wohl der richtige Adressat der Duldungsverfügung. Dies ergebe sich aus § 5 Satz 1 der beiden notariellen Kaufverträge vom 21. April 2016. Dort heiße es jeweils „Die Übergabe des Vertragsgegenstands erfolgt sofort." Es sei in diesem Zusammenhang unerheblich, dass möglicherweise der Antragsteller fälschlicherweise als Pächter in dem Vertrag bezeichnet worden sei. Dies ändere nichts an der eindeutigen Regelung, dass der Vertragsgegenstand - gegebenenfalls mit bestehendem Pachtverhältnis mit einem Dritten - auf den Antragsteller übergegangen sei. Dies mache ihn zum richtigen Adressaten der Duldungsverfügung.

16

Die Anordnung der sofortigen Vollziehung der Duldungsverfügung sei im öffentlichen Interesse geboten. Die Grundstücksverkäufer und der Pächter Herr D hätten ihre Zustimmung zu den Vorarbeiten bereits erteilt. Der Beginn der Arbeiten sei auf den 25. Mai 2016 festgelegt. Die Ortsumgehung B 427 Bad Bergzabern sei eine Maßnahme des vordringlichen Bedarfs. Für die Realisierung seien durch die Bundesrepublik Deutschland Anfang 2016 kurzfristig Finanzmittel mit der Maßgabe zur Verfügung gestellt worden, die Baumaßnahme möglichst umgehend zu realisieren. Hierzu seien für die nähere Ausführungsplanung Bodenerkundungen erforderlich. Die Maßnahme sehe einen 1,4 km langen Tunnelvortrieb vor, dessen technische Komplexität einen erheblichen zeitlichen Vorlauf für die Erkundungen und die Ausführungsplanungen bedinge. Das private Interesse trete nicht zuletzt dadurch in den Hintergrund, als unmittelbare Nachteile, die durch die Vorarbeiten verursacht würden, gemäß § 16a Abs. 3 FStrG durch den Baulastträger zu entschädigen seien. Nach alledem überwiege das öffentliche Interesse am sofortigen Vollzug der Duldungsanordnung.

II.

17

Der Antrag, die aufschiebende Wirkung des Widerspruchs gegen den für sofort vollziehbar erklärten Bescheid vom 9. Mai 2016 wiederherzustellen, ist gemäß § 80 Abs. 5 Satz 1 2. Alternative i.V.m. Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 VerwaltungsgerichtsordnungVwGO – statthaft und auch ansonsten zulässig.

18

Insbesondere ist das Verwaltungsgericht gemäß § 45 VwGO sachlich zuständig.

19

Zwar entscheidet das Bundesverwaltungsgericht im ersten und letzten Rechtszug gemäß § 50 Abs. 1 Nr. 6 VwGO über sämtliche Streitigkeiten, die Planfeststellungsverfahren und Plangenehmigungsverfahren für Vorhaben betreffen, die u.a. in dem Bundesfernstraßengesetz bezeichnet sind. Gemäß § 17 e Abs. 1 FStrG gilt § 50 Abs. 1 Nr. 6 VwGO aber nur für Vorhaben im Sinne des § 17 Satz 1 FStrG, soweit die Vorhaben Bundesfernstraßen betreffen, die wegen der Herstellung der Deutschen Einheit, der Einbindung der neuen Mitgliedstaaten in die Europäische Union, der Verbesserung der Hinterlandanbindung der deutschen Seehäfen, ihres sonstigen internationalen Bezuges oder der besonderen Funktion zur Beseitigung schwerwiegender Verkehrsengpässe in der Anlage aufgeführt sind. Die B 427 ist in dieser Anlage jedoch nicht aufgeführt.

20

Es fehlt vorliegend auch an einer sachlichen erstinstanzlichen Zuständigkeit des Oberverwaltungsgerichts gemäß § 48 Abs. 1 Nr. 8 VwGO. Danach entscheidet das Oberverwaltungsgericht im ersten Rechtszug über sämtliche Streitigkeiten, die Planfeststellungsverfahren für den Bau oder die Änderung von Bundesfernstraßen betreffen. Rechtsstreitigkeiten aus Anlass der Vollziehung eines bestandskräftigen Planfeststellungsbeschlusses fallen jedoch nicht unter § 48 Abs. 1 Nr. 8 VwGO (s. Bier/Panzer in: Schoch/Schneider/Bier, Verwaltungsgerichtsordnung, Stand Oktober 2015, § 48 Rn. 32 m.w.N.; vgl. auch OVG Rheinland-Pfalz, Beschluss vom 30. Oktober 2003 – 1 C 10611/03.OVG –).

21

In der Sache ist der Antrag aber unbegründet.

22

1. In formeller Hinsicht ist die Anordnung der sofortigen Vollziehung der Duldungsanordnung vom 9. Mai 2016 im Ergebnis nicht zu beanstanden.

23

Gemäß § 80 Abs. 3 Satz 1 VwGO ist bei der Anordnung der sofortigen Vollziehung nach § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 VwGO das besondere Interesse an der sofortigen Vollziehung schriftlich zu begründen. Dies soll den Betroffenen in die Lage versetzen, in Kenntnis dieser Gründe seine Rechte wirksam wahrzunehmen und die Erfolgsaussichten des Rechtsbehelfs abzuschätzen. Der Behörde wird zugleich der Ausnahmecharakter der Vollziehungsanordnung verdeutlicht und eine besonders sorgfältige Prüfung des Vollzugsinteresses auferlegt (vgl. z.B. OVG Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 6. Mai 2016 – 8 B 866/15 –, juris; OVG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 23. April 2015 – OVG 11 S 39.14 –, juris). Dementsprechend muss die Begründung nachvollziehbar machen, dass und aus welchen besonderen Gründen die Behörde im konkreten Fall dem besonderen öffentlichen Interesse an der sofortigen Vollziehung des Verwaltungsakts Vorrang vor dem Aufschubinteresse des Betroffenen einräumt mit der Folge, dass dessen Rechtsbehelf keine aufschiebende Wirkung hat. Pauschale und nichts sagende formelhafte Wendungen genügen nicht. Allerdings kann sich die Behörde auf die den Verwaltungsakt selbst tragenden Erwägungen stützen, wenn die den Erlass des Verwaltungsakts rechtfertigenden Gründe zugleich die Dringlichkeit der Vollziehung belegen (s. auch Bay. VGH, Beschluss vom 9. Dezember 2003 – 12 CS 03.2471 –, BayVBl 2004, 468). Ebenso ausreichend ist es, wenn die Begründung der Vollziehungsanordnung auf die Gründe des zu vollziehenden Verwaltungsakts Bezug nimmt, aus der die besondere Dringlichkeit der Vollziehung im Sinne des § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 VwGO hinreichend deutlich hervorgeht, und im Übrigen die von der Behörde getroffene Interessenabwägung klar erkennbar wird (vgl. Bay. VGH, Beschluss vom 9. Dezember 2014 – 11 CS 14.2217 –; OVG Rheinland-Pfalz, Beschluss vom 26. Oktober 1990 – 2 B 12027/90 –, NVwZ-RR 1991, 307) .

24

Nach diesen Grundsätzen genügt der Bescheid vom 9. Mai 2016 nicht den Anforderungen des § 80 Abs. 3 Satz 1 VwGO. Denn darin fehlen jegliche Ausführungen zur Frage des Sofortvollzugs.

25

Der Antragsgegner hat den Verstoß gegen die Bestimmung des § 80 Abs. 3 Satz 1 VwGO allerdings durch Nachholen der Begründung in der Antragserwiderungschrift vom 18. Mai 2016 geheilt. Darin hat der Antragsgegner ausgeführt, der Beginn der Arbeiten sei auf den 25. Mai 2016 festgelegt. Die Ortsumgehung B 427 Bad Bergzabern sei eine Maßnahme des vordringlichen Bedarfs. Für die Realisierung seien durch die Bundesrepublik Deutschland Anfang 2016 kurzfristig Finanzmittel mit der Maßgabe zur Verfügung gestellt worden, die Baumaßnahme möglichst umgehend zu realisieren. Hierzu seien für die nähere Ausführungsplanung Bodenerkundungen erforderlich. Die Maßnahme sehe einen 1,4 km langen Tunnelvortrieb vor, dessen technische Komplexität einen erheblichen zeitlichen Vorlauf für die Erkundungen und die Ausführungsplanungen bedinge. Das private Interesse trete nicht zuletzt dadurch in den Hintergrund, als unmittelbare Nachteile, die durch die Vorarbeiten verursacht würden, gemäß § 16a Abs. 3 FStrG durch den Baulastträger zu entschädigen seien. Damit hat der Antragsgegner der mit dem Begründungserfordernis in § 80 Abs. 3 Satz 1 VwGO gegenüber dem Adressaten verfolgten Informationsfunktion und der gegenüber der Behörde selbst bezweckten Warnfunktion Genüge getan (vgl. BVerwG, Beschluss vom 2. Oktober 2014 – 9 VR 3/14 –, juris). Ob die von dem Antragsgegner angeführte Begründung inhaltlich zutreffend ist und die Anordnung der sofortigen Vollziehung zu rechtfertigen vermag, ist im Rahmen des § 80 Abs. 3 Satz 1 VwGO unbeachtlich; dies ist erst bei der gemäß § 80 Abs. 5 Satz 1 VwGO vom Gericht eigenständig vorzunehmenden Interessenbewertung zu erörtern (s. z.B. OVG Rheinland-Pfalz, Beschluss vom 8. Mai 2015 – 7 B 10383/15 –, juris).

26

Die Angaben des Antragsgegners in der Antragserwiderungsschrift vom 18. Mai 2016 konnte die Kammer im vorliegenden Verfahren auch berücksichtigen. Denn der Antragsgegner war befugt, den Verfahrensverstoß nach § 80 Abs. 3 Satz 1 VwGO durch Nachholen der Begründung im gerichtlichen Eilverfahren zu heilen. Zwar verneint eine Ansicht (s. z.B. OVG Sachsen-Anhalt, Beschluss vom 3. April 2013 – 1 M 19/13 –, juris; VGH Baden-Württemberg, Beschluss vom 27. September 2011 – 1 S 2554/11 –, NVwZ-RR 2012, 54; Schoch/Schoch, Verwaltungsgerichtsordnung, Stand Oktober 2015, § 80 Rn. 249) dies mit der Begründung, andernfalls bestehe die Gefahr, dass die Begründungspflicht des § 80 Abs. 3 Satz 1 VwGO leer liefe und ihre Funktion nicht mehr erfüllen könne, nicht nur den Betroffenen über die für die Behörde maßgeblichen Gesichtspunkte für die Anordnung der sofortigen Vollziehung zu unterrichten, sondern auch die Verwaltung selbst zu einer besonders sorgfältigen Prüfung anzuhalten. Nach der Gegenmeinung (s. z.B. OVG Niedersachsen, Beschluss vom 15. April 2014 – 7 ME 121/13 –, NdsVBl 2014, 286; OVG Rheinland-Pfalz, Beschluss vom 3. April 2012 – 1 B 10136/12. OVG –, BauR 2012, 1362; Finkelnburg/Külpmann, Vorläufiger Rechtsschutz im Verwaltungsstreitverfahren, 6. Auflage 2011 Rn. 750) kann eine fehlende bzw. unzureichende Begründung der Anordnung des Sofortvollzuges im Laufe des vorläufigen Rechtsschutzverfahrens nachgeholt werden. Dieser Ansicht folgt die Kammer in ständiger Rechtsprechung (s. z.B. Beschluss vom 5. Juli 2007 – 4 L 704/07.NW –, juris). Da nach § 45 Abs. 2 VwVfG Verfahrensfehler bis zum Abschluss des gerichtlichen Verfahrens geheilt werden können, sind keine Gründe ersichtlich, die gegen eine analoge Anwendung des § 45 Abs. 1 Nr. 2, Abs. 2 VwVfG im Falle des Begründungsmangels nach § 80 Abs. 3 VwGO sprechen. Eine solche Heilungsmöglichkeit ist auch unter prozessökonomischen Gesichtspunkten zu befürworten, denn auch die Ansicht, die ein Nachholen der Begründung nach § 80 Abs. 3 VwGO nach Erhebung des Antrags nach § 80 Abs. 5 Satz 1 VwGO ablehnt, vertritt die Auffassung, die Behörde könne nach Ergehen des Beschlusses des Verwaltungsgerichts den Sofortvollzug mit nunmehr ordnungsgemäßer Begründung erneut anordnen, ohne einen Abänderungsantrag nach § 80 Abs. 7 Satz 2 VwGO stellen zu müssen. Berücksichtigt man darüber hinaus, dass das Verwaltungsgericht nicht an die – ordnungsgemäße – Begründung der Verwaltungsbehörde gebunden ist, sondern eine eigene Ermessensentscheidung über die Frage trifft, ob der Sofortvollzug materiell gerechtfertigt ist, gibt es keine tragenden Gründe dafür, die Heilungsmöglichkeit nicht bereits während des noch laufenden Verfahrens nach § 80 Abs. 5 Satz 1 VwGO zuzulassen. Der Antragsteller wird durch diese Verfahrensweise nicht unzumutbar in seinen Rechten verletzt, denn er kann hierauf prozessual mit einer Erledigungserklärung reagieren, die regelmäßig zur Folge haben dürfte, dass die Behörde die Kosten des Verfahrens zu tragen hat. Hiervon hat der Antragsteller vorliegend jedoch keinen Gebrauch gemacht.

27

2. Die Anordnung der sofortigen Vollziehung der Duldungsanordnung ist auch in materieller Hinsicht gerechtfertigt.

28

Für das Interesse des Betroffenen, einstweilen nicht dem Vollzug der behördlichen Maßnahmen ausgesetzt zu sein, sind zunächst die Erfolgsaussichten des in der Hauptsache eingelegten Rechtsbehelfs von Belang. Ein überwiegendes Interesse eines Antragstellers an der Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung ist in der Regel anzunehmen, wenn die im Eilverfahren allein mögliche und gebotene summarische Überprüfung ergibt, dass der angefochtene Verwaltungsakt offensichtlich rechtswidrig ist. Denn an der Vollziehung eines ersichtlich rechtswidrigen Verwaltungsakts kann kein öffentliches Vollzugsinteresse bestehen. Ist der Verwaltungsakt dagegen offensichtlich rechtmäßig, so überwiegt das Vollzugsinteresse das Aussetzungsinteresse des Antragstellers nur dann, wenn zusätzlich ein besonderes öffentliches Interesse an der sofortigen Vollziehung des Verwaltungsakts besteht. Kann aufgrund der im Eilverfahren nur möglichen summarischen Überprüfung nicht festgestellt werden, ob der Verwaltungsakt offensichtlich rechtmäßig oder offensichtlich rechtswidrig ist, so beschränkt sich die verwaltungsgerichtliche Kontrolle des Sofortvollzuges des Verwaltungsakts auf die Durchführung einer Interessenabwägung, die je nach Fallkonstellation zugunsten des Antragstellers oder des Antragsgegners ausgehen kann.

29

Nach diesen Grundsätzen überwiegt vorliegend das öffentliche Interesse an der sofortigen Vollziehung der Duldungsanordnung das private Interesse des Antragstellers an der ungestörten Nutzung der Grundstücke Flurstück-Nrn. …, … und … in der Gemarkung A-Dorf, weil sich die Duldungsverfügung als offensichtlich rechtmäßig und ihre Vollziehung als eilbedürftig erweist. Wird der Antragsteller danach aber mit einem etwaigen Klageverfahren in der Hauptsache voraussichtlich keinen Erfolg haben und ist ein sofortiges Vollziehungsinteresse gegeben, so besteht kein Anlass, die aufschiebende Wirkung des Widerspruchs des Antragstellers wiederherzustellen.

30

Die angegriffene Duldungsverfügung findet ihre Rechtsgrundlage in § 16a Abs. 1 Satz 1 FStrG. Danach haben Eigentümer und sonstige Nutzungsberechtigte zur Vorbereitung der Planung und der Baudurchführung notwendige Vermessungen, Boden- und Grundwasseruntersuchungen einschließlich der vorübergehenden Anbringung von Markierungszeichen und sonstigen Vorarbeiten durch die Straßenbaubehörde oder von ihr Beauftragte zu dulden. Die Absicht, solche Arbeiten auszuführen, ist dem Eigentümer oder sonstigen Nutzungsberechtigten mindestens zwei Wochen vorher unmittelbar oder durch ortsübliche Bekanntmachung bekanntzugeben (§ 16 a Abs. 2 FStrG). Dadurch werden auch Vorarbeiten erfasst, die – wie hier – nach Erlass des Planfeststellungsbeschlusses durchgeführt werden und der Baudurchführung dienen (vgl. BVerwG, Beschluss vom 2. Oktober 2014 – 9 VR 3/14 –, juris m.w.N.; Ronellenfitsch in: Marschall, Bundesfernstraßengesetz, 6. Auflage 2012, § 16a Rn. 3).

31

Die Voraussetzungen des § 16a Abs. 1 Satz 1 FStrG sind gegeben. Die auf diese Vorschrift gestützte Anordnung des Antragsgegners kann von dem Grundstückseigentümer oder sonstigem Nutzungsberechtigten nur mit der Begründung angefochten werden, dass die Vorarbeiten nach Art und Umfang nicht notwendig seien (OVG Niedersachsen, Urteil vom 27. April 2010 – 7 KS 85/09 –, NVwZ-RR 2010, 793). Denn dann brauchen Eigentümer oder sonstige Nutzungsberechtigte nicht einmal die regelmäßig damit verbundenen nur geringfügigen Beeinträchtigungen hinzunehmen. Die Zulässigkeit ist nicht davon abhängig, dass die Straßenbaubehörde bereits eine umfassende Abwägung vorgenommen oder Alternativen untersucht hat (Aust in: Kodal, Straßenrecht, 7. Auflage 2010. Kapitel 39 Rn. 42.2).

32

Danach greift der Antragsteller die Duldungsanordnung ohne Erfolg an.

33

Soweit er sich zunächst darauf beruft, er sei der falsche Adressat der Verfügung, da er weder Eigentümer noch Pächter der drei Grundstücke sei, kann er damit nicht durchdringen. „Sonstiger Nutzungsberechtigter“ im Sinne des § 16a Abs. 1 Satz 1 FStrG ist auch der Käufer eines Grundstücks, dem dieses – wie hier – mit sofortiger Wirkung übergeben worden ist und auf den mit der Übergabe die Gefahr einer zufälligen Verschlechterung des Vertragsgegenstandes sowie die Verkehrssicherungspflicht übergegangen ist (vgl. § 446 Bürgerliches GesetzbuchBGB –). Die Verkäufer der drei Grundstücke haben dem Antragsteller in den Verträgen ein unmittelbares Besitzrecht eingeräumt. Der Umstand, dass daneben möglicherweise noch ein kollidierendes Nutzungsrecht von Herrn D, dem Bruder des Antragstellers, besteht – ob dieses zutrifft, kann angesichts des nur summarischen Verfahrens in der Kürze nicht abschließend geklärt werden –, ist in diesem Zusammenhang unbeachtlich. Maßgebend ist hier allein, dass dem Antragsteller kraft zweier notarieller Verträge der unmittelbare Besitz an den drei Grundstücken eingeräumt wurde. Damit ist er „sonstiger Nutzungsberechtigter“ im Sinne des § 16a Abs. 1 Satz 1 FStrG und damit tauglicher Adressat der Duldungsanordnung. Es war dem Antragsgegner im Hinblick auf den nahen Untersuchungstermin auch nicht zuzumuten, die Frage, ob der Antragsteller ein unmittelbares Besitzrecht hat, ungeklärt zu lassen. Ohnehin ist es für die Kammer vor dem Hintergrund, dass sowohl die Grundstückseigentümer als auch der vermeintliche Pächter ihre Zustimmung zu den Bodenuntersuchungen erklärt haben, nicht nachvollziehbar, warum der Antragsteller sich gegen die Duldungsanordnung zur Wehr setzt, da diese mit keinerlei Kosten für ihn verbunden sind.

34

Es ist offenkundig, dass mit dem Projekt „Ortsumgehung Bad Bergzabern“, dem ein bestandkräftiger Planfeststellungsbeschluss zugrunde liegt, eine Bauabsicht des Antragsgegners besteht, die Grundstücke Flurstück-Nrn. …, … und …, die der adressierte Antragsteller käuflich erworben hat und auf den der Besitz übergegangen ist, im Bereich des Planfeststellungsbeschlusses liegen (s. Blatt 1 der Verwaltungsakte B 427 – Umgehung Bad Bergzabern, Herr D) und die mit dem Schreiben vom 9. Mai 2016 angekündigten Bodenuntersuchungen notwendig sind, um die Detailplanungen des geplanten Tunnels voranzutreiben (§ 16 a Abs. 1 Satz 1 FStrG).

35

Entgegen der Ansicht des Antragstellers genügt die Duldungsanordnung auch dem Bestimmtheitserfordernis des § 1 Landesverwaltungsverfahrensgesetz – LVwVfG – i.V.m. § 37 Abs. 1 Verwaltungsverfahrensgesetz – VwVfG –.

36

Hinreichende Bestimmtheit eines belastenden Verwaltungsakts bedeutet, dass der „Entscheidungssatz“ der Regelung - ggf. im Zusammenhang mit den Gründen - für den Betroffenen klar und unzweideutig erkennen lässt, was von ihm verlangt wird und die Behörde auf der Grundlage der ausgesprochenen Regelung ggf. eine Vollstreckung durchführen könnte. Im Einzelnen richtet sich der Maßstab nach dem jeweiligen Regelungsgehalt und den Besonderheiten des angewendeten materiellen Rechts (Kopp/Ramsauer, VwVfG, 16. Auflage 2015, § 37 Rn. 5 f.).

37

Die am 9. Mai 2016 gegenüber dem Antragsteller ergangene Duldungsanordnung bezeichnet alle drei Grundstücke, so dass der Antragsteller zweifelsfrei erkennen kann, dass und von welchen Maßnahmen die Grundstücke betroffen sind. Für den Antragsteller geht es im Wesentlichen nur um die Gestattung des Zugangs, auf den er sich ohne weiteres einstellen kann. Dass mögliche Maßnahmen bereits im Vorhinein nicht definitiv beschrieben und angeordnet werden, stellt die nötige Bestimmtheit insgesamt nicht in Frage (vgl. OVG Niedersachsen, Urteil vom 27. April 2010 – 7 KS 85/09 –, NVwZ-RR 2010, 793). Wo sich, wie hier, eine endgültige Festlegung nach Art und Umfang erst „vor Ort“ treffen lässt, reichen auch beispielhaft – hier die Vornahme eines Schurfs – oder für den Eventualfall benannte Maßnahmen aus (vgl. OVG Niedersachsen, Urteil vom 18. Juli 2012 – 7 KS 4/12 –, juris; Aust in: Kodal, Straßenrecht, a.a.O., Kapitel 39 Rn. 42.2). Zudem handelt es sich vorliegend um von dem Antragsgegner auszuführende Maßnahmen, die der Antragsteller ebenfalls nur zu dulden hat.

38

Ein Anhaltspunkt dafür, dass die Konkretisierung der Duldungspflicht in dem streitgegenständlichen Bescheid den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit verletzen könnte, ist weder von dem Antragsteller glaubhaft gemacht worden noch sonst ersichtlich.

39

Erfüllt ist auch das Fristerfordernis des § 16a Abs. 2 FStrG, nach dem die Absicht, die in Abs. 1 genannten Arbeiten auszuführen, dem Eigentümer oder sonstigen Nutzungsberechtigten mindestens zwei Wochen vorher unmittelbar bekannt zu geben ist. Bereits bei der Festsetzung des konkreten Zeitraums, in dem die Vorarbeiten stattfinden sollen, ist darauf zu achten, dass dieser frühestens zwei Wochen nach Bekanntgabe stattfindet; andernfalls ist die Anordnung rechtswidrig (BVerwG, Beschluss vom 6. Mai 2008 – 9 A 6/08 –, juris). Dem Fristerfordernis ist durch Erlass des streitgegenständlichen Bescheids vom 9. Mai 2016, dem Antragsteller zugestellt am 11. Mai 2016, für die für den 25. Mai 2016 angekündigten Arbeiten Genüge getan.

40

Die das besondere Vollzugsinteresse rechtfertigende Eilbedürftigkeit der angeordneten Erkundungsarbeiten ergibt sich bereits daraus, dass es sich bei dem Neubau der Ortsumgehung Bad Bergzabern im Zuge der B 427 um ein Vorhaben handelt, das im Bedarfsplan für die Bundesfernstraßen als vordringlicher Bedarf ausgewiesen ist. Mit der Ausweisung eines Vorhabens für den vordringlichen Bedarf hat der Gesetzgeber auch zeitliche Vorstellungen der Realisierung verbunden, die Rücksicht auf die Bewertung der Interessen an der sofortigen Vollziehung solcher Maßnahmen zulassen (BVerwG, Beschluss vom 2. Oktober 2014 – 9 VR 3/14 –, juris).

41

Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO. Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 52 Abs. 1, § 53 Abs. 2 Nr. 2 Gerichtskostengesetz – GKG –. Dabei legt die Kammer für das vorliegende Eilverfahren die Hälfte des nach 34.2.6 des Streitwertkatalogs für die Verwaltungsgerichtsbarkeit 2013 im Hauptsacheverfahren festzusetzenden Streitwertes zugrunde (so auch BVerwG, Beschluss vom 2. Oktober 2014 – 9 VR 3/14 –, juris).

(1) Eine Verletzung von Verfahrens- oder Formvorschriften, die nicht den Verwaltungsakt nach § 44 nichtig macht, ist unbeachtlich, wenn

1.
der für den Erlass des Verwaltungsaktes erforderliche Antrag nachträglich gestellt wird;
2.
die erforderliche Begründung nachträglich gegeben wird;
3.
die erforderliche Anhörung eines Beteiligten nachgeholt wird;
4.
der Beschluss eines Ausschusses, dessen Mitwirkung für den Erlass des Verwaltungsaktes erforderlich ist, nachträglich gefasst wird;
5.
die erforderliche Mitwirkung einer anderen Behörde nachgeholt wird.

(2) Handlungen nach Absatz 1 können bis zum Abschluss der letzten Tatsacheninstanz eines verwaltungsgerichtlichen Verfahrens nachgeholt werden.

(3) Fehlt einem Verwaltungsakt die erforderliche Begründung oder ist die erforderliche Anhörung eines Beteiligten vor Erlass des Verwaltungsaktes unterblieben und ist dadurch die rechtzeitige Anfechtung des Verwaltungsaktes versäumt worden, so gilt die Versäumung der Rechtsbehelfsfrist als nicht verschuldet. Das für die Wiedereinsetzungsfrist nach § 32 Abs. 2 maßgebende Ereignis tritt im Zeitpunkt der Nachholung der unterlassenen Verfahrenshandlung ein.

(1) Widerspruch und Anfechtungsklage haben aufschiebende Wirkung. Das gilt auch bei rechtsgestaltenden und feststellenden Verwaltungsakten sowie bei Verwaltungsakten mit Doppelwirkung (§ 80a).

(2) Die aufschiebende Wirkung entfällt nur

1.
bei der Anforderung von öffentlichen Abgaben und Kosten,
2.
bei unaufschiebbaren Anordnungen und Maßnahmen von Polizeivollzugsbeamten,
3.
in anderen durch Bundesgesetz oder für Landesrecht durch Landesgesetz vorgeschriebenen Fällen, insbesondere für Widersprüche und Klagen Dritter gegen Verwaltungsakte, die Investitionen oder die Schaffung von Arbeitsplätzen betreffen,
3a.
für Widersprüche und Klagen Dritter gegen Verwaltungsakte, die die Zulassung von Vorhaben betreffend Bundesverkehrswege und Mobilfunknetze zum Gegenstand haben und die nicht unter Nummer 3 fallen,
4.
in den Fällen, in denen die sofortige Vollziehung im öffentlichen Interesse oder im überwiegenden Interesse eines Beteiligten von der Behörde, die den Verwaltungsakt erlassen oder über den Widerspruch zu entscheiden hat, besonders angeordnet wird.
Die Länder können auch bestimmen, daß Rechtsbehelfe keine aufschiebende Wirkung haben, soweit sie sich gegen Maßnahmen richten, die in der Verwaltungsvollstreckung durch die Länder nach Bundesrecht getroffen werden.

(3) In den Fällen des Absatzes 2 Satz 1 Nummer 4 ist das besondere Interesse an der sofortigen Vollziehung des Verwaltungsakts schriftlich zu begründen. Einer besonderen Begründung bedarf es nicht, wenn die Behörde bei Gefahr im Verzug, insbesondere bei drohenden Nachteilen für Leben, Gesundheit oder Eigentum vorsorglich eine als solche bezeichnete Notstandsmaßnahme im öffentlichen Interesse trifft.

(4) Die Behörde, die den Verwaltungsakt erlassen oder über den Widerspruch zu entscheiden hat, kann in den Fällen des Absatzes 2 die Vollziehung aussetzen, soweit nicht bundesgesetzlich etwas anderes bestimmt ist. Bei der Anforderung von öffentlichen Abgaben und Kosten kann sie die Vollziehung auch gegen Sicherheit aussetzen. Die Aussetzung soll bei öffentlichen Abgaben und Kosten erfolgen, wenn ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des angegriffenen Verwaltungsakts bestehen oder wenn die Vollziehung für den Abgaben- oder Kostenpflichtigen eine unbillige, nicht durch überwiegende öffentliche Interessen gebotene Härte zur Folge hätte.

(5) Auf Antrag kann das Gericht der Hauptsache die aufschiebende Wirkung in den Fällen des Absatzes 2 Satz 1 Nummer 1 bis 3a ganz oder teilweise anordnen, im Falle des Absatzes 2 Satz 1 Nummer 4 ganz oder teilweise wiederherstellen. Der Antrag ist schon vor Erhebung der Anfechtungsklage zulässig. Ist der Verwaltungsakt im Zeitpunkt der Entscheidung schon vollzogen, so kann das Gericht die Aufhebung der Vollziehung anordnen. Die Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung kann von der Leistung einer Sicherheit oder von anderen Auflagen abhängig gemacht werden. Sie kann auch befristet werden.

(6) In den Fällen des Absatzes 2 Satz 1 Nummer 1 ist der Antrag nach Absatz 5 nur zulässig, wenn die Behörde einen Antrag auf Aussetzung der Vollziehung ganz oder zum Teil abgelehnt hat. Das gilt nicht, wenn

1.
die Behörde über den Antrag ohne Mitteilung eines zureichenden Grundes in angemessener Frist sachlich nicht entschieden hat oder
2.
eine Vollstreckung droht.

(7) Das Gericht der Hauptsache kann Beschlüsse über Anträge nach Absatz 5 jederzeit ändern oder aufheben. Jeder Beteiligte kann die Änderung oder Aufhebung wegen veränderter oder im ursprünglichen Verfahren ohne Verschulden nicht geltend gemachter Umstände beantragen.

(8) In dringenden Fällen kann der Vorsitzende entscheiden.

(1) Bevor ein Verwaltungsakt erlassen wird, der in Rechte eines Beteiligten eingreift, ist diesem Gelegenheit zu geben, sich zu den für die Entscheidung erheblichen Tatsachen zu äußern.

(2) Von der Anhörung kann abgesehen werden, wenn sie nach den Umständen des Einzelfalls nicht geboten ist, insbesondere wenn

1.
eine sofortige Entscheidung wegen Gefahr im Verzug oder im öffentlichen Interesse notwendig erscheint;
2.
durch die Anhörung die Einhaltung einer für die Entscheidung maßgeblichen Frist in Frage gestellt würde;
3.
von den tatsächlichen Angaben eines Beteiligten, die dieser in einem Antrag oder einer Erklärung gemacht hat, nicht zu seinen Ungunsten abgewichen werden soll;
4.
die Behörde eine Allgemeinverfügung oder gleichartige Verwaltungsakte in größerer Zahl oder Verwaltungsakte mit Hilfe automatischer Einrichtungen erlassen will;
5.
Maßnahmen in der Verwaltungsvollstreckung getroffen werden sollen.

(3) Eine Anhörung unterbleibt, wenn ihr ein zwingendes öffentliches Interesse entgegensteht.


Tenor

Die Beschwerde der Antragstellerin gegen den Beschluss des Verwaltungsgerichts Neustadt an der Weinstraße vom 10. März 2014 wird zurückgewiesen.

Die Antragstellerin hat die Kosten des Verfahrens einschließlich der außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen zu tragen.

Der Wert des Streitgegenstandes für das Beschwerdeverfahren wird auf 7.500,00 € festgesetzt.

Gründe

I.

1

Die Antragstellerin wendet sich gegen die sofortige Vollziehbarkeit der Entscheidung des Bundesministeriums der Verteidigung, für eine militärische Einrichtung der beigeladenen US-Streitkräfte eine Abweichung von den städtebaulichen Vorschriften zuzulassen.

2

Die Beigeladenen planen auf dem im Außenbereich des Gemeindegebiets der Antragstellerin gelegenen Standortübungsplatz „B.“, auf dem sie bereits einen Hubschrauberlandeplatz und eine Satelliten-Kommunikationsanlage betreiben, die Neuerrichtung einer Breitband-Satelliten-Kommunikations- und Betriebskontrolleinrichtung sowie einer strategischen Satelliten-Kommunikations-Erdstation. Das betreffende Gelände des Truppenübungsplatzes wurde aufgrund Liegenschaftsvereinbarung mit der Bundesrepublik Deutschland aus dem Jahr 1976 den amerikanischen Streitkräften zur ausschließlichen Benutzung überlassen. Der geltende Flächennutzungsplan der Verbandsgemeinde Landstuhl aus dem Jahr 2006 stellt die Vorhabenfläche teilweise als „Sondergebiet Bund“ dar, im Übrigen aber als Fläche für Wald sowie teilweise als „Fläche für Maßnahmen zum Schutz, zur Pflege und zur Entwicklung von Boden, Natur und Landschaft“.

3

Im Oktober 2012 bat der Landesbetrieb Liegenschafts- und Baubetreuung (LBB Kaiserslautern) für die US-Streitkräfte bei der Struktur- und Genehmigungsdirektion Süd (SGD Süd) um Kenntnisnahme des Vorhabens nach § 83 Abs. 4 LBauO. Bereits zuvor hatte der LBB Kaiserslautern die Verbandsgemeindeverwaltung Landstuhl um das Einvernehmen zu der Baumaßnahme gebeten. Nach Erhalt weiterer von ihr angeforderter Unterlagen versagte die Antragstellerin im März 2013 ihr Einvernehmen mit der Begründung, dass das Vorhaben den Festsetzungen des Flächennutzungsplans der Verbandsgemeinde widerspreche. Nachdem die SGD Süd dem Vorhaben zunächst zugestimmt hatte, gab sie das Verfahren aufgrund des Widerspruchs der Antragstellerin schließlich an das Bundesministerium der Verteidigung ab. Nachdem das Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit im Oktober 2013 zunächst sein Einvernehmen zum Vorhaben wegen Bedenken gegen die durchgeführte Umweltverträglichkeitsvorprüfung verweigert hatte, wurde eine neuerliche Stellungnahme der Gesellschaft für …. (L.A.U.B.) vom 21. November 2013 eingeholt. Im Anschluss daran erteilte das Bundesumweltministerium sein Einvernehmen zu der begehrten Abweichungsentscheidung nach § 37 Abs. 2 BauGB. Daraufhin ließ das Bundesministerium für Verteidigung die beantragte Abweichung von städtebaulichen Vorschriften mit Bescheid vom 14. Januar 2014 zu und ordnete die sofortige Vollziehung ihrer Entscheidung an.

4

Den hiergegen gerichteten Antrag auf Aussetzung der Vollziehung hat das Verwaltungsgericht mit Beschluss vom 10. März 2014 abgelehnt. Hiergegen richtet sich die Beschwerde der Antragstellerin.

II.

5

Die zulässige Beschwerde ist nicht begründet.

6

Die mit der Beschwerde dargelegten Gründe, auf deren Prüfung der Senat nach § 146 Abs. 4 Satz 6 VwGO beschränkt ist, rechtfertigen keine vom Beschluss des Verwaltungsgerichts abweichende Entscheidung.

7

1. Der Antrag auf Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung der Klage der Antragstellerin gegen den Zulassungsbescheid des Bundesministeriums der Verteidigung ist zulässig.

8

Die Antragstellerin ist antragsbefugt, da sie durch die Zustimmungsentscheidung nach § 37 Abs. 2 Satz 3 BauGB in ihrer Planungshoheit betroffen ist. Mit dieser Entscheidung wird ihr gegen das Vorhaben eingelegter Widerspruch überwunden, weshalb die Entscheidung ihr gegenüber einen anfechtbaren Verwaltungsakt darstellt (vgl. BVerwG, Urteil vom 3. Dezember 1992 - 4 C 24.90 -, BVerwGE 91, 227 und juris, Rn. 13).

9

Entgegen der Auffassung der Antragsgegnerin und der Beigeladenen hat die Antragstellerin ihre Antragsbefugnis auch nicht durch den Eintritt einer Einvernehmensfiktion verloren. Zwar ist in der Rechtsprechung anerkannt, dass eine Gemeinde mit Eintritt der Einvernehmensfiktion nach § 36 Abs. 2 Satz 2 BauGB die Berechtigung verliert, die bauplanungsrechtliche Unzulässigkeit des genehmigten Vorhabens geltend zu machen (vgl. OVG NRW, Urteil vom 28. November 2007 - 8 A 2325/06 -, BauR 2008, 799 [Leitsatz 2]). Die Rechtsfolge eines solchen Verlustes des Anfechtungsrechts kraft Eintritts der Einvernehmensfiktion setzt indes voraus, dass ein Einvernehmenserfordernis kraft Gesetzes besteht. Dies ist hier jedoch nicht der Fall, wovon auch die Antragsgegnerin in der angegriffenen Entscheidung ausgeht (vgl. S. 6 des Bescheids vom 14. Januar 2014).

10

Nach § 36 Abs. 1 Satz 1 BauGB ist das Einvernehmen der Gemeinde einmal im bauaufsichtsbehördlichen Genehmigungsverfahren erforderlich, nach Satz 2 darüber hinaus auch in einem anderen Verfahren, in dem über die Zulässigkeit eines Vorhabens nach den §§ 31, 33 bis 35 BauGB entschieden wird. Während für Vorhaben des Bundes und der Länder nach § 83 Abs. 1 LBauO noch ein Zustimmungsverfahren bei der Bauaufsichtsbehörde i.S.v. § 36 Abs. 1 Satz 2 BauGB durchgeführt wird, sind Vorhaben, die der Landesverteidigung dienen - wie hier – (vgl. hierzu: BVerwG, a.a.O., Rn. 17), der oberen Bauaufsichtsbehörde lediglich zur Kenntnis zu bringen (§ 83 Abs. 4 Satz 1 LBauO). Mangels Zulassungsentscheidungen entfällt somit das Einvernehmenserfordernis nach § 36 Abs. 1 Sätze 1 und 2 BauGB. Die hier streitgegenständliche Zustimmungserklärung nach § 37 Abs. 2 BauGB wird man nicht als Entscheidung über die Zulässigkeit nach §§ 31, 33 bis 35 BauGB werten können; vielmehr handelt es sich um eine eigenständige Entscheidung zur Abweichung von Vorschriften des Baurechts. Gegen die Geltung des Einvernehmenserfordernisses nach § 36 Abs. 1 Sätze 1 und 2 BauGB spricht insbesondere, dass für diese Zustimmung zur Abweichung von baurechtlichen Vorschriften eine gesonderte Beteiligung der Gemeinde durch Einräumung eines Anhörungsrechts (§ 37 Abs. 2 Satz 2 BauGB) vorgesehen ist. Ein solches Anhörungsrecht wäre überflüssig, wenn die Gemeinde über die stärkere Mitwirkungsbefugnis des Einvernehmens verfügte.

11

Sieht das Gesetz die Notwendigkeit des gemeindlichen Einvernehmens nicht vor, so kann ein solches Einvernehmenserfordernis einschließlich der Rechtsfolge eines Verlustes der Antragsbefugnis bei nicht rechtzeitiger Verweigerung des Einvernehmens durch die bloße Aufforderung eines Verfahrensbeteiligten - wie hier durch den LBB Kaiserslautern - nicht begründet werden.

12

2. Der Antrag auf Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes ist jedoch nicht begründet.

13

a) Zunächst ist dem Eilantrag nicht bereits wegen formell-rechtlicher Mängel der Anordnung der sofortigen Vollziehung - durch deren Aufhebung - stattzugeben.

14

Eine Anhörung vor Anordnung der sofortigen Vollziehung der Zustimmungsentscheidung ist gesetzlich nicht vorgesehen. § 28 VwVfG bezieht sich auf den Erlass von Verwaltungsakten und nicht auf verfahrensrechtliche Nebenentscheidungen - wie hier -. Nach der Rechtsprechung des Oberverwaltungsgerichts Rheinland-Pfalz scheidet auch eine analoge Anwendung von § 28 VwVfG auf die Anordnung der sofortigen Vollziehung aus (vgl. OVG RP, Beschluss vom 25. November 1987 - 12 B 112/87 -, NVwZ 1988, 748; ebenso: OVG Nds., Beschluss vom 28. April 1989 - 1 OVG B 114/88 -, DVBl. 1989, 887; auch: BayVGH, Beschluss vom 17. September 1987 - 26 CS 87.01144 -, BayVBl. 1988, 369 - fehlende Anhörung unerheblich -). Im Übrigen wäre hier ein unterstellter Anhörungsmangel durch die Anhörung der Antragstellerin im Eilrechtsschutzverfahren geheilt; denn die analoge Anwendung von § 28 Abs. 1 VwVfG müsste konsequenterweise die analoge Anwendung von § 45 Abs. 2 VwVfG zur Folge haben, wonach die erforderliche Anhörung noch bis zum Abschluss der letzten Tatsacheninstanz nachholbar ist (vgl. hierzu: Kopp/Schenke, VwGO, 19. Aufl. 2013, § 80 Rn. 82).

15

Der Bescheid des Bundesministeriums der Verteidigung vom 14. Januar 2014 genügt auch dem Begründungserfordernis nach § 80 Abs. 3 Satz 1 VwGO. Danach ist das besondere Interesse an der sofortigen Vollziehung des Verwaltungsakts schriftlich zu begründen. Dieser formell-rechtlichen Anforderung ist genügt, wenn die Behörde erkennen lässt, aufgrund welcher Überlegungen sie die sofortige Vollziehung als notwendig ansieht; ob sich die angeführten Gründe im Rahmen der anzustellenden Interessenabwägung als tragfähig erweisen, betrifft nicht das formale Begründungserfordernis, sondern die Eilrechtsschutzentscheidung in der Sache; eine bloß formelhafte Begründung genügt indes nicht den Anforderungen des § 80 Abs. 3 Satz 1 VwGO (vgl. zum Vorstehenden insgesamt: Kopp/Schenke, a.a.O., § 80 Rn. 85 m.w.N.). Hier hat das Bundesministerium der Verteidigung im Bescheid vom 14. Januar 2014 ausführlich begründet, warum es die Modernisierung der in Landstuhl vorhandenen Satelliten-Kommunikationseinrichtungen für dringend erforderlich hält. Die Dringlichkeit beruhe im Wesentlichen darauf, dass die beabsichtigte Neuerrichtung der beiden Kommunikationseinrichtungen Teil eines weltweiten Modernisierungsprogramms der Kommunikationsnetzwerke der Vereinigten Staaten von Amerika sei. Da diese Einrichtungen eng aufeinander koordiniert werden müssten, sei der zügige Abschluss der Arbeiten geboten. Vorhabenverzögerungen würden zu einer Gefährdung kritischer militärischer Kommunikationsaufträge führen. Damit hat der Antragsgegner hinreichend deutlich gemacht, warum er die sofortige Vollziehung der Entscheidung für notwendig erachtet. Dies genügt dem Begründungserfordernis gemäß § 80 Abs. 3 Satz 1 VwGO. Auch die - mehrmonatige - Dauer des Verwaltungsverfahrens verbietet nicht, den Suspensiveffekt für die Dauer eines (eventuell langfristigen) verwaltungsgerichtlichen Verfahrens auszuschließen.

16

b) In der Sache teilt der Senat die Auffassung des Verwaltungsgerichts, dass bei der nach § 80a Abs. 3 und § 80 Abs. 5 VwGO gebotenen Interessenabwägung das öffentliche Interesse an der Durchführung der Baumaßnahme das Suspensivinteresse der Antragstellerin überwiegt, weil die Antragstellerin durch die angegriffene Zustimmungsentscheidung nach § 37 Abs. 2 BauGB aller Voraussicht nach nicht in ihren Rechten verletzt wird, so dass im Verfahren der Hauptsache nicht mit einer Aufhebung dieser Entscheidung zu rechnen ist.

17

(1) Zunächst wird die Antragstellerin durch eine vermeintlich fehlerhafte Adressierung der Entscheidung nicht in ihren Rechten verletzt.

18

In der Sache handelt es sich bei dem Bescheid vom 14. Januar 2014 um einen begünstigenden Verwaltungsakt für den Vorhabenträger, der den von der Antragstellerin ausgesprochenen Widerspruch gegen das Vorhaben überwindet und deshalb eine nachteilige Betroffenheit der Antragstellerin auslöst. Zur Anfechtung dieses Verwaltungsakts wäre die Antragstellerin auch unabhängig von einer Adressierung an sie befugt. Im Übrigen ist auch der Senat der Auffassung, dass die Adressierung an die Verbandsgemeindeverwaltung Landstuhl als dem nach § 68 GemO für die Antragstellerin nach außen handelnden Organ erfolgt ist, so dass von einer zutreffenden Adressierung an die Antragstellerin ausgegangen werden kann.

19

(2) Der Bescheid vom 14. Januar 2014 erweist sich auch nicht deshalb als verfahrensfehlerhaft, weil eine erforderliche Umweltverträglichkeitsprüfung fehlerhaft unterblieben wäre.

20

Die Umweltverträglichkeitsprüfung ist nach § 2 Abs. 1 Satz 1 UVPG ein unselbstständiger Teil verwaltungsbehördlicher Verfahren, die der Entscheidung über die Zulässigkeit von Vorhaben (i.S.v. Anlage 1 des Gesetzes, § 3 Abs. 1 Satz 1 UVPG) dienen. Der Antragsgegner hat hier in Ermangelung anderer Zulassungsentscheidungen das Verfahren zur Zustimmungsentscheidung nach § 37 Abs. 2 BauGB als Trägerverfahren für die Umweltverträglichkeitsprüfung angesehen.

21

Die Antragstellerin ist befugt, das Fehlen einer erforderlichen Umweltverträglichkeitsprüfung (UVP) zu rügen. Zwar dient die UVP nur dem Schutz von Rechtsgütern der Allgemeinheit ohne erkennbaren Bezug zur Rechtsstellung einer Gemeinde. Jedoch darf nach § 4 Abs. 3 Umweltrechtsbehelfsgesetz im Rahmen eines zulässig erhobenen Rechtsbehelfs auch ein Dritter die fehlende UVP rügen (vgl. BVerwG, Urteil vom 17. Dezember 2013 - 4 A 1.13 -, Rn. 41).

22

Die UVP-Pflichtigkeit des Bauvorhabens der Beigeladenen kommt hier deshalb in Betracht, weil es mit der Rodung von Wald einhergeht. Eine uneingeschränkte Pflicht zur Vornahme einer UVP ist nach Nr. 17.2.1 der Anlage 1 zum UVPG jedoch nur bei der Rodung von Wald im Umfang von mehr als 10 ha vorgesehen. Im vorliegenden Fall kommt eine UVP-Pflicht nur dann in Betracht, wenn eine Vorprüfung des Einzelfalls nach § 3c UVPG dies ergibt, wobei es sich nach Nr. 17.2.3 der Anlage 1 zum UVPG lediglich um eine standortbezogene Vorprüfung handelt, weil die zu rodende Fläche zwar mehr als 1 ha, aber weniger als 5 ha beträgt. Dass die für diese Zuordnung ausschlaggebenden Flächenangaben fehlerhaft sind und gar die allgemeine Vorprüfungspflicht für Rodungen von Flächen über 5 ha einschlägig ist, wird von der Antragstellerin zwar für möglich gehalten, jedoch – trotz vorhandener Ortskenntnis - nicht konkret dargelegt; eine solche Fehlerhaftigkeit der Flächenangaben ist auch nicht ersichtlich. So werden die für waldbauliche Arbeiten in Anspruch genommenen Flächen in der Anlage 4 zum Schriftsatz des LBB Kaiserslautern vom 26. April 2013 dargestellt. Vor diesem Hintergrund bestehen keine Zweifel an der Richtigkeit der auch dem Bescheid vom 14. Januar 2014 zugrunde liegenden Annahmen im landespflegerischen Begleitplan vom 22. Oktober 2012. Dort heißt es auf S. 12, dass es infolge des Bauvorhabens zu Rodungen im Umfang von rund 2,2 ha Kiefernmischwald kommen wird. Darüber hinaus ist sowohl in Anlage 4 des genannten Schreibens vom 26. April 2013 als auch im landespflegerischen Begleitplan festgestellt, dass zwecks Herstellung von Hindernisfreiheit für die neuen Funkantennen noch Einzelbäume gefällt werden müssen und von diesem Einschlag von Einzelbäumen eine Fläche von zusätzlich ca. 3.300 m² betroffen sei.

23

Nach dem Ergebnis der hier allein möglichen summarischen Prüfung weist die durchgeführte UVP-Vorprüfung keine auf die Rechtmäßigkeit der Zustimmungsentscheidung nach § 37 Abs. 2 BauGB durchgreifenden Fehler auf.

24

Entgegen dem Vorbringen der Antragstellerin ist zunächst nicht ersichtlich, dass es an einer Vorprüfung durch das dafür zuständige Bundesministerium der Verteidigung gefehlt hat. Im Gegenteil wird im Bescheid vom 14. Januar 2014 (S. 8) ausdrücklich auf die Stellungnahmen der Struktur- und Genehmigungsdirektion Süd zur UVP-Pflicht hingewiesen, insbesondere auf die abschließende Stellungnahme vom 5. Dezember 2013, worin sich ausdrücklich der Hinweis befindet, dass die von der SGD Süd durchgeführte Vorprüfung von dem jetzt zuständigen Bundesministerium der Verteidigung noch einmal bestätigt werden müsse. Ferner wird im Bescheid vom 14. Januar 2014 ausdrücklich auf das Einvernehmensschreiben des Bundesministeriums für Umwelt, Naturschutz, Bau und Reaktorsicherheit vom 18. Dezember 2013 verwiesen, das sich ausdrücklich mit der Frage der (verneinten) UVP-Pflichtigkeit des Vorhabens befasst. Durch diese Angaben im Bescheid vom 14. Januar 2014 ist hinreichend belegt, dass das Bundesministerium der Verteidigung sich mit der Frage der UVP-Pflichtigkeit des Vorhabens befasst und sich die ausführliche Stellungnahme der SGD Süd insbesondere vom 5. Dezember 2013 sowie die Stellungnahme des Bundesumweltministeriums vom 18. Dezember 2013 zu Eigen gemacht hat. Eine nochmalige Wiederholung der in den zitierten Schreiben dargelegten Gründe war demnach entbehrlich.

25

Inhaltlich spricht nach derzeitigem Sach- und Streitstand alles dafür, dass die UVP-Vorprüfung den Anforderungen des § 3a Satz 4 UVPG genügt.

26

Danach ist die Einschätzung der zuständigen Behörde, dass eine UVP unterbleiben kann, von den Gerichten nur daraufhin zu überprüfen, ob die Vorprüfung entsprechend den Vorgaben von § 3c UVPG durchgeführt worden ist und ob das Ergebnis nachvollziehbar ist. Sofern für ein Vorhaben eine standortbezogene Vorprüfung des Einzelfalls vorgesehen ist - wie hier -, ist nach § 3c Satz 2 UVPG eine UVP nur dann durchzuführen, wenn trotz der geringen Größe oder Leistung des Vorhabens nur aufgrund besonderer örtlicher Gegebenheiten gemäß den in der Anlage 2 Nr. 2 aufgeführten Schutzkriterien erhebliche nachteilige Umweltauswirkungen zu erwarten sind. Nach Nr. 2 der Anlage 2 zum UVPG ist bei der standortbezogenen Vorprüfung die ökologische Empfindlichkeit eines Gebiets insbesondere hinsichtlich näher benannter Nutzungs-, Qualitäts- und Schutzkriterien zu untersuchen (vgl. Sangenstedt, in: Landmann/Rohmer, Umweltrecht, 70. EL, August 2013, § 3c UVPG, Rn. 33 ff; Dienes, in: Hoppe/Beckmann, UVPG, 4. Aufl. 2012, § 3c Rn. 16 – bei Vorhaben nach § 3c Satz 2 UVPG im Regelfall keine UVP-Pflicht -). Wegen des Prognosecharakters der Vorprüfung wird der Behörde ein gerichtlich nur beschränkt überprüfbarer naturschutzfachlicher Beurteilungsspielraum eingeräumt (vgl. BVerwG, Urteil vom 7. Dezember 2006 - 4 C 16.04 -, BVerwGE 127, 208 und juris, Rn. 48; HessVGH, Beschluss vom 19. März 2012 - 9 B 1916/11 -, NVwZ-RR 2012, 544 und juris, Rn. 51).

27

Im vorliegenden Fall haben die mit der UVP-Vorprüfung beauftragten Sachverständigen die besonderen örtlichen Gegebenheiten überprüft und kommen in ihrem Bericht vom 21. November 2013 zu dem Ergebnis, dass das Vorhaben aufgrund seiner geringen Größe und Leistung nicht zu einer UVP-Pflicht führt. Die Überprüfung der örtlichen Standortmerkmale habe gezeigt, dass im Vorhabengebiet keine besonderen ökologisch hochwertigen Gegebenheiten existierten, die eine UVP trotz geringer Größe und Leistung des Vorhabens auslösen könnten (vgl. Bericht vom 21. November 2013, S. 19).

28

Der Verlust des Kiefern-Buchen-Mischwaldes stelle wegen seiner bloß mittleren ökologischen Wertigkeit keine erhebliche Umweltauswirkung im Sinne des UVPG dar; dies gelte einschließlich des Verlustes einzelner älterer Buchen, und zwar auch derjenigen, die zwecks Herstellung von Hindernisfreiheit gefällt werden sollten (vgl. a.a.O., S. 15 f.). Die örtlich zuständige Naturschutzfachbehörde (SGD Süd, Stellungnahme vom 22. November 2013) sowie das Bundesumweltministerium (Schreiben vom 18. Dezember 2013) haben diese Wertung als naturschutzfachlich nachvollziehbar ebenso gebilligt wie das Urteil der Sachverständigen zur Betroffenheit der Calluna-Heide (vgl. Bericht L.A.U.B. vom 21. November 2013, S. 16). Angesichts dieser sachverständigen Bewertungen hat der Senat keinen Grund, an der ordnungsgemäßen Durchführung der Vorprüfung und der Nachvollziehbarkeit des Ergebnisses zu zweifeln, zumal die Antragstellerin im Beschwerdeverfahren insofern ebenfalls keine konkreten Bedenken vorträgt.

29

Hinsichtlich der Betroffenheit der Tiere wird in der Stellungnahme des Büros L.A.U.B. vom 21. November 2013 ausgeführt, dass hier Verstöße gegen artenschutzrechtliche Verbotstatbestände nach § 44 BNatSchG infolge von geeigneten Vermeidungsmaßnahmen nicht zu besorgen seien (Bericht L.A.U.B., S. 16 f.). Auch diese Einschätzung ist von der oberen Naturschutzfachbehörde und dem Bundesumweltministerium akzeptiert worden. Dass diese Bewertung i.S.v. § 3a Satz 4 UVPG nachvollziehbar ist, wird durch die Einwendungen der Antragstellerin nicht in Frage gestellt. Zunächst verpflichtet § 3c Satz 3 UVPG ausdrücklich dazu, bei der Vorprüfung zu berücksichtigen, inwieweit Umweltauswirkungen durch die vom Träger des Vorhabens vorgesehene Vermeidungs- und Verminderungsmaßnahmen offensichtlich ausgeschlossen werden. Soweit die Antragstellerin darüber hinaus rügt, möglichen Irritationen der Fledermäuse durch die Signale und Strahlungen der Satellitenantennen sei zu Unrecht nicht nachgegangen worden, kann dem entgegengehalten werden, dass die Fledermäuse nach den sachverständigen Feststellungen des Büros L.A.U.B. in erster Linie durch den Verlust von Nahrungshabitaten, nicht aber durch dauerhafte Beeinträchtigungen von Wochenstuben- und Balzquartieren betroffen sind (vgl. Bericht L.A.U.B., S. 17). Was die Eignung der vorgeschlagenen Vermeidungsmaßnahmen anbelangt, sind auch die hierzu getroffenen Aussagen des beauftragten Sachverständigenbüros von den Fachbehörden akzeptiert worden. Mangels konkret vorgetragener Bedenken vermag der Senat auch die Nachvollziehbarkeit dieser Bewertung, für die den Behörden ein naturschutzfachlicher Beurteilungsspielraum eingeräumt ist, nicht in Zweifel zu ziehen.

30

Sofern die Antragstellerin schließlich konkrete Auflagen zur Durchführung der als notwendig angesehenen Schutzmaßnahmen vermisst, ist dies die zwangsläufige Folge der Genehmigungsfreiheit des Vorhabens nach § 83 Abs. 4 LBauO. Die hier angegriffene Zustimmungsentscheidung nach § 37 Abs. 2 BauGB hat allein die Frage der Abweichung von Vorschriften des Baurechts zum Gegenstand, lediglich ergänzt um die Frage der UVP-Pflichtigkeit. Mangels Zulassungsentscheidung für das Vorhaben ergibt sich die Pflicht des Vorhabenträgers zur Beachtung der Anforderungen des Naturschutzrechts und anderer öffentlich-rechtlicher Sachmaterien unmittelbar aus dem jeweils einschlägigen Gesetz sowie aus Art. 49 Abs. 3 des Zusatzabkommens zum NATO-Truppenstatut. Danach haben die Behörden der Truppe bei Durchführung von Baumaßnahmen mit eigenen Kräften die deutschen Bau- und Umweltvorschriften zu beachten. Zur Konkretisierung der sich hieraus ergebenden Pflichten ist hierbei auf die eingeholten Sachverständigengutachten sowie die Stellungnahmen der zuständigen Fachbehörden zurückzugreifen.

31

(3) Auch in materiell-rechtlicher Hinsicht ist nach dem bisherigen Sach- und Streitstand nicht ersichtlich, dass die Klägerin durch die Zustimmungsentscheidung nach § 37 Abs. 2 BauGB in ihren Rechten verletzt ist. Vielmehr spricht alles dafür, dass die zugelassene Abweichung von baurechtlichen Vorschriften rechtlicher Überprüfung standhalten wird.

32

Das Bundesministerium der Verteidigung ist im Bescheid vom 14. Januar 2014 davon ausgegangen, dass das Bauvorhaben nicht nach § 35 BauGB zugelassen werden konnte, weil es - hinreichend standortbezogenen - Darstellungen im Flächennutzungsplan der Verbandsgemeinde über eine „Fläche für Wald“ sowie eine „Fläche für Maßnahmen zum Schutz, zur Pflege und zur Entwicklung von Boden, Natur und Landschaft (§ 5 (2) 10 BauGB)“ widerspricht (vgl. Bescheid vom 14. Januar 2014, S. 5).

33

Der Senat sieht keinen Anlass, im Rahmen des Eilrechtsschutzverfahrens von dieser Feststellung mit der Folge abzurücken, dass eine Zustimmungsentscheidung nach § 37 Abs. 2 BauGB gänzlich entbehrlich wäre. Es kann deshalb dahingestellt bleiben, ob die Abwägung der Verbandsgemeinde zu diesen Darstellungen fehlerfrei erfolgt ist oder ob der Flächennutzungsplan gegen das Anpassungsgebot gemäß § 1 Abs. 4 BauGB verstößt, was eine - allerdings zweifelhafte - Zielqualität der Darstellung im Regionalen Raumordnungsplan „Sonderfläche Bund“ im Sinne eines raumordnerischen bzw. bauleitplanerischen Tabubereichs voraussetzen würde. Dahingestellt bleiben kann ebenfalls, ob die genannte Darstellung dem nach § 35 Abs. 1 Nr. 4 BauGB privilegierten Vorhaben der Beigeladenen i.S.v. § 35 Abs. 1 „entgegensteht“.

34

Es genügt die Feststellung, dass nach bisherigem Sach- und Streitstand die Voraussetzungen für die Abweichungsentscheidung nach § 37 Abs. 2 BauGB vorliegen: Die besondere öffentliche Zweckbestimmung des der Landesverteidigung dienenden Vorhabens der Beigeladenen rechtfertigt eine Abweichung von den genannten Darstellungen im Flächennutzungsplan.

35

Die Abweichung von städtebaulichen Vorschriften ist dann erforderlich, wenn sie zur Erfüllung oder Wahrung der in Rede stehenden besonderen öffentlichen Zweckbestimmung vernünftigerweise geboten ist; dies erfordert eine Abwägung der widerstreitenden öffentlichen Belange (vgl. BVerwG, Urteil vom 3. Dezember 1992, a.a.O., Rn. 20 und 22). Wie das Verwaltungsgericht zutreffend ausgeführt hat, haben die von der Antragstellerin angeführten bauleitplanerischen Belange nur geringes Gewicht. Sowohl die Darstellung als Fläche für Wald als auch die Darstellung einer Kompensationsfläche stehen von vornherein unter dem Vorbehalt, dass sie ein im Eigentum der Beklagten stehendes Gelände betreffen, das den US-Streitkräften bereits seit längerem zur ausschließlichen Nutzung überlassen ist und deshalb nicht mehr dem uneingeschränkten planerischen Zugriff der Antragstellerin unterliegt (vgl. hierzu: BVerwG, Urteil vom 3. Dezember 1992, a.a.O., Rn. 22). Zudem wird gerade die vorgesehene Kompensationsfläche durch das Vorhaben nur zu einem geringen Teil in Anspruch genommen, und zwar lediglich für die neu zu errichtende Zaunanlage. Die Baukörper und die Umfahrung befinden sich hierzu in einem deutlichen Abstand. Umgekehrt erweist sich die mit dem Bauvorhaben verfolgte Zweckbestimmung als vernünftigerweise geboten. Die Beigeladenen haben mehrfach nachvollziehbar dargelegt, dass das Bauvorhaben am Standort Landstuhl Teil einer umfassenden Modernisierung der Satelliten-Kommunikationsstruktur der Amerikanischen Streitkräfte ist. Ohne die Verbesserung der Breitband-Satelliten-Kommunikations- und Betriebskontrolleinrichtungen und Satelliten-Kommunikationserdstation könne die beabsichtigte Optimierung der globalen Breitband-Satellitenstruktur nicht erreicht werden. Die hierdurch gestellten Anforderungen könnten durch die aktuell vorhandenen Anlagen nicht hinreichend erfüllt werden, so dass die Neuerrichtung von Bodenstationen erforderlich sei (vgl. das Schreiben des Department of the Army vom 24. September 2013, Bl. 148 f der Behördenakte). Diese Optimierung der Breitband-Satellitenstruktur der US-Streitkräfte erweist sich unabhängig davon als vernünftigerweise geboten, welche Kommandos im Einzelnen ausgeführt werden.

36

Darüber hinaus führt auch die Standortentscheidung der Beigeladenen nicht auf einen Abwägungsfehler bei der Abweichungsentscheidung nach § 37 Abs. 2 BauGB. Zunächst ist die Wahl des Standorts für die Kommunikationskontrolleinrichtung und -erdstation durch den notwendigen Zusammenhang zu den vorhandenen Antennenanlagen eingeschränkt. Im Übrigen drängt sich der - von der Antragstellerin erwähnte - Hubschrauberlandeplatz mangels Entwidmung auch nach dem Abzug der Hubschrauberstaffel nicht als offensichtlich vorzugswürdiger Standort auf (vgl. zu den Anforderungen an die Alternativenprüfung im Rahmen der bauleitplanerischen Abwägungsentscheidung: Urteil des Senats vom 23. Januar 2013 - 8 C 10782/12.OVG -, BauR 2013, 1075 [Leitsatz]).

37

Soweit die Antragstellerin schließlich auf die von ihr vorgelegten anonymen Schreiben verweist, bleibt unklar, inwiefern die wohl auf die Auftragsvergabe bezogenen Andeutungen Rechtsfehler der hier allein streitgegenständlichen Entscheidung nach § 37 Abs. 2 BauGB begründen sollen. Dasselbe gilt auch für die von der Antragstellerin aufgeworfene Frage, ob es sich bei den auf dem Rodungsgelände entdeckten Steinen nicht um Teile keltischer Grabstätten handelt. Die Beigeladenen sind dem unter Hinweis auf fachbehördliche Stellungnahmen entgegengetreten. Sollte die Vermutung der Antragstellerin zutreffen, obliegt das weitere Vorgehen der dafür zuständigen Denkmalschutzbehörde (vgl. hierzu bereits den Bericht des Büros L.A.U.B. vom 21. November 2013, S. 13); dies berührt indes nicht den Rechtskreis der Antragstellerin.

38

Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 154 Abs. 2, 162 Abs. 3 VwGO.

39

Die Festsetzung des Streitwertes für das Beschwerdeverfahren beruht auf §§ 47, 52 GKG.

(1) Bevor ein Verwaltungsakt erlassen wird, der in Rechte eines Beteiligten eingreift, ist diesem Gelegenheit zu geben, sich zu den für die Entscheidung erheblichen Tatsachen zu äußern.

(2) Von der Anhörung kann abgesehen werden, wenn sie nach den Umständen des Einzelfalls nicht geboten ist, insbesondere wenn

1.
eine sofortige Entscheidung wegen Gefahr im Verzug oder im öffentlichen Interesse notwendig erscheint;
2.
durch die Anhörung die Einhaltung einer für die Entscheidung maßgeblichen Frist in Frage gestellt würde;
3.
von den tatsächlichen Angaben eines Beteiligten, die dieser in einem Antrag oder einer Erklärung gemacht hat, nicht zu seinen Ungunsten abgewichen werden soll;
4.
die Behörde eine Allgemeinverfügung oder gleichartige Verwaltungsakte in größerer Zahl oder Verwaltungsakte mit Hilfe automatischer Einrichtungen erlassen will;
5.
Maßnahmen in der Verwaltungsvollstreckung getroffen werden sollen.

(3) Eine Anhörung unterbleibt, wenn ihr ein zwingendes öffentliches Interesse entgegensteht.

(1) Eine Verletzung von Verfahrens- oder Formvorschriften, die nicht den Verwaltungsakt nach § 44 nichtig macht, ist unbeachtlich, wenn

1.
der für den Erlass des Verwaltungsaktes erforderliche Antrag nachträglich gestellt wird;
2.
die erforderliche Begründung nachträglich gegeben wird;
3.
die erforderliche Anhörung eines Beteiligten nachgeholt wird;
4.
der Beschluss eines Ausschusses, dessen Mitwirkung für den Erlass des Verwaltungsaktes erforderlich ist, nachträglich gefasst wird;
5.
die erforderliche Mitwirkung einer anderen Behörde nachgeholt wird.

(2) Handlungen nach Absatz 1 können bis zum Abschluss der letzten Tatsacheninstanz eines verwaltungsgerichtlichen Verfahrens nachgeholt werden.

(3) Fehlt einem Verwaltungsakt die erforderliche Begründung oder ist die erforderliche Anhörung eines Beteiligten vor Erlass des Verwaltungsaktes unterblieben und ist dadurch die rechtzeitige Anfechtung des Verwaltungsaktes versäumt worden, so gilt die Versäumung der Rechtsbehelfsfrist als nicht verschuldet. Das für die Wiedereinsetzungsfrist nach § 32 Abs. 2 maßgebende Ereignis tritt im Zeitpunkt der Nachholung der unterlassenen Verfahrenshandlung ein.

Tenor

I.

Die Beschwerde wird zurückgewiesen.

II.

Der Antragsteller trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.

III.

Der Streitwert für das Beschwerdeverfahren wird auf 5.000,- Euro festgesetzt.

Gründe

I.

Der Antragsteller strebt die Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung seines Widerspruchs gegen die Untersagung des Betriebs einer Ergänzungsschule an. Er ist ein eingetragener Verein, dessen Zweck es ist, eine Schule zu betreiben. Die Mitglieder des Vereins sind Angehörige der Glaubensgemeinschaft „Z. St.“, die es aus religiösen Gründen ablehnen, ihre Kinder in Schulen außerhalb ihrer Glaubensgemeinschaft unterrichten zu lassen.

Der Antragsteller zeigte am 24. April 2006 die Errichtung einer Ergänzungsschule an. Mit Bescheid vom 7. September 2006 stellte das damalige Staatsministerium für Unterricht und Kultus, jetzt Staatsministerium für Bildung und Kultus, Wissenschaft und Kunst, fest, dass die Schule zur Erfüllung der Vollzeit- und Berufsschulpflicht geeignet ist. Die Wirksamkeit der Feststellung war auf das Schuljahr 2006/2007 begrenzt und wurde letztmals für die Schuljahre 2011/2012 und 2012/2013 verlängert. Nach erfolgloser Aufforderung durch das Ministerium zur Abhilfe des Mangels an einem geeigneten Schulleiter und geeigneten Lehrkräften untersagte die Regierung von Schwaben mit Bescheid vom 22. November 2013 dem Antragsteller den Betrieb der Schule. Die Untersagung wurde darauf gestützt, dass weder ein Schulleiter oder eine Schulleiterin noch Lehrkräfte vorhanden seien, deren Qualifikation für den Betrieb einer Schule, an der die Vollzeit- und Berufsschulpflicht erfüllt werden könne, ausreiche.

Ferner müsse davon ausgegangen werden, dass Kinder im Rahmen des Schulbetriebs körperlich gezüchtigt worden seien. Der Antragsteller sei außerdem seiner Verpflichtung, das Jugendamt von stattgefundenen Übergriffen zu unterrichten, nicht nachgekommen. Die Schule habe auch nicht darauf hingewirkt, dass die Schüler den qualifizierenden Hauptschulabschluss als externe Bewerber an öffentlichen Schulen erwerben. Wichtigstes Ziel des Schulträgers sei die Durchsetzung der Glaubensüberzeugung der Gemeinschaft. Es werde nicht für notwendig erachtet, den Jugendlichen mit einem Schulabschluss eine Grundlage für ein Leben außerhalb der Gemeinschaft zu verschaffen. Schließlich seien auch trotz eines entsprechenden Hinweises keine an der Schule unterrichteten Kinder und Jugendliche an geeigneten Schulen angemeldet worden, nachdem die Feststellung der Eignung zur Erfüllung der Schulpflicht nicht mehr verlängert worden war.

Über den dagegen erhobenen Widerspruch wurde noch nicht entschieden. Das Verwaltungsgericht hat den Antrag auf Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung des Widerspruchs abgelehnt.

Zur Begründung hat es ausgeführt, die Regierung von Schwaben sei dem Begründungserfordernis des § 80 Abs. 3 Satz 1 VwGO in noch ausreichendem Maße nachgekommen. Sie gehe besonders darauf ein, warum trotz der vorläufigen Inobhutnahme der Kinder - weshalb kein Unterricht stattfinden könne - ein besonderes Interesse an der sofortigen Wirksamkeit der Betriebsuntersagung bestehe. Angesichts der weltweiten Struktur der Glaubensgemeinschaft könnten jederzeit schulpflichtige Kinder oder Jugendliche zuziehen. Auch könnten Kinder zurückkehren, wenn Inobhutnahmen in Einzelfällen von den Familiengerichten nicht bestätigt würden.

Ein Anhörungsmangel nach Art. 28 Abs. 1 BayVwVfG liege nicht vor und sei jedenfalls gemäß Art. 46 BayVwVfG geheilt.

Der Bescheid der Regierung von Schwaben sei auch materiell rechtmäßig. Die Untersagung des Schulbetriebs sei auf Art. 103 Satz 1 BayEUG zu stützen. Diese Vorschrift gehe davon aus, dass auch Ergänzungsschulen Lehrkräfte mit der erforderlichen fachlichen und pädagogischen Qualifikation und Eignung haben müssen.

Die Betriebsuntersagung diene außerdem dem Schutz der Schülerinnen und Schüler vor körperlicher Misshandlung. Eine solche Gefahr bestehe konkret, weil die Glaubensgemeinschaft das Gebot der Züchtigung mit der Rute aus der Bibel ableite und deshalb nicht davon Abstand nehmen wolle. Die Behauptung, an der Schule sei nicht körperlich gezüchtigt worden, erweise sich als bloße Schutzbehauptung.

Unabhängig davon überwiege das öffentliche Interesse am sofortigen Vollzug das Interesse des Antragstellers an der aufschiebenden Wirkung seines Widerspruchs. Auch wenn ein Schulbetrieb derzeit mangels Schülern nicht möglich sei, könne nur durch die Untersagung des Schulbetriebs mit sofortiger Wirkung das Argument, die Glaubensgemeinschaft verfüge über eine Schule, an welcher die Kinder ihre Schulpflicht erfüllen könnten, ausgeräumt werden. Denn der Unterschied zwischen einer Ersatzschule, einer Ergänzungsschule, an der die Schulpflicht erfüllt werden könne und einer sonstigen anzuzeigenden Ergänzungsschule erschließe sich nur schwer.

Mit seiner Beschwerde verfolgt der Antragsteller sein Begehren, die Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung seines Widerspruchs, weiter.

Das besondere Interesse an der sofortigen Vollziehung sei nicht gemäß § 80 Abs. 3 Satz 1 VwGO hinreichend begründet. Die Ausführungen des Verwaltungsgerichts seien insoweit keine Begründung, sondern eine böswillige Unterstellung. Die Maßnahmen, insbesondere die Untersagung des ohnehin ruhenden Betriebs, seien nicht erforderlich. Dem Anspruch auf staatliche Qualitätssicherung werde schon dadurch Rechnung getragen, dass die Feststellung der Eignung zur Erfüllung der Schulpflicht nicht mehr verlängert worden sei. Für körperliche Züchtigungen im schulischen Bereich gebe es keinerlei Hinweise, Indizien oder Nachweise. Es sei auch nicht richtig, dass die Schule ihren sonstigen Verpflichtungen nicht nachgekommen sei.

Die Regierung von Schwaben habe den Antragsteller vor Erlass des Bescheids nicht ordnungsgemäß angehört. Die Erwägung des Verwaltungsgerichts, dass die Verletzung des rechtlichen Gehörs keinen Einfluss auf die Entscheidung gehabt hätte, würde nur dann stimmen, wenn diese als politische Vorgabe von vornherein festgestanden hätte. Nicht nachvollziehbar sei, warum die Entscheidung über die ohnehin nicht in Betrieb befindliche Ergänzungsschule nicht zurückgestellt worden sei, bis tatsächlich die Möglichkeit eines Schulbetriebs zur Erfüllung der allgemeinen Schulpflicht bestehe.

Die Untersagung sei auch materiell rechtswidrig. Die bayerische Schulpflicht verstoße gegen Menschenrechte, namentlich das Erziehungsrecht der Eltern, die Religionsfreiheit und die Privatschulgarantie. Hinsichtlich der Rechtsgrundlage des Art. 103 Satz 1 BayEUG verkenne das Verwaltungsgericht, dass die Schule im Zeitpunkt des Erlasses des Bescheids nicht mehr geeignet gewesen sei, die Schulpflicht zu erfüllen. Außerdem konnten Vorschriften zum Schutz der Schüler in diesem Zeitpunkt schon deswegen nicht verletzt worden sein, weil es keine Schüler gegeben habe. Inzwischen stünden ausreichend qualifizierte Lehrkräfte zur Verfügung. Zu keinem Zeitpunkt habe es an der Schule körperliche Misshandlungen gegeben. Das Verwaltungsgericht setze insoweit „Misshandlung“ und „Körperstrafen“ zu Unrecht gleich. Dem Antragsteller gehe es auch nicht darum, den Anschein einer richtigen Schule zu wahren, sondern zu gegebener Zeit den Betrieb der Ergänzungsschule unter Erfüllung aller staatlichen Vorgaben wieder aufnehmen zu können. Im Übrigen hat der Antragstellerbevollmächtigte eine Erklärung abgegeben, dass die Schule gewaltfrei geführt werde.

Die Befristung der Eignung zur Erfüllung der Schulpflicht hätte gemäß Art. 36 Abs. 2 BayVwVfG nicht angeordnet werden dürfen. Die Schule sei deshalb weiterhin zur Erfüllung der Schulpflicht geeignet. Jedenfalls werde zum Zweck der Anfechtung der Befristung Wiedereinsetzung in den vorigen Stand beantragt.

Der Antragsteller beantragt sinngemäß,

unter Abänderung des Beschlusses des Verwaltungsgerichts Augsburg vom 21. Januar 2014 die aufschiebende Wirkung des Widerspruchs des Antragstellers gegen den Bescheid der Regierung von Schwaben vom 22. November 2013 wieder herzustellen.

Der Antragsgegner tritt dem entgegen und beantragt,

die Beschwerde zurückzuweisen.

Hinsichtlich der Einzelheiten wird auf den Schriftverkehr dieses Beschwerdeverfahrens sowie die beigezogenen Gerichts- und Behördenakten Bezug genommen.

II.

Die zulässige Beschwerde ist unbegründet. Aus den mit der Beschwerde dargelegten Gründen ist die angefochtene Entscheidung im Ergebnis nicht abzuändern oder aufzuheben (§ 146 Abs. 4 Sätze 1, 3 und 6 VwGO).

Das Verwaltungsgericht hat zu Recht festgestellt, dass die Regierung von Schwaben dem Begründungserfordernis des § 80 Abs. 3 Satz 1 VwGO in hinreichendem Maß nachgekommen ist. Nach dieser Vorschrift hat die Behörde, die die sofortige Vollziehung eines von ihr erlassenen Verwaltungsakts anordnet, das besondere Interesse an dessen sofortiger Vollziehung schriftlich zu begründen. Ein Verstoß gegen diese Begründungspflicht macht die Anordnung der sofortigen Vollziehung formell rechtswidrig (Schmidt in Eyermann, VwGO, 14. Aufl. 2014, § 80 Rn. 45). An den Inhalt dieser Begründung sind keine zu hohen Anforderungen zu stellen. Die Behörde muss die besonderen, auf den konkreten Fall bezogenen Gründe angeben, die sie bewogen haben, den Suspensiveffekt eines Rechtsbehelfs gegen den Verwaltungsakt - hier der Untersagung des Betriebs einer Ergänzungsschule - auszuschließen (Schmidt a. a. O. Rn. 43). Die Frage, ob die Gründe - sofern sie nicht offensichtlich unrichtig sind - wirklich vorliegen und so schwer wiegen, dass sie die Aufhebung des Suspensiveffekts rechtfertigen, tritt bei der Prüfung, ob der Begründungspflicht formell genüge getan worden ist, in den Hintergrund. Sie spielt vielmehr bei der auf einer Interessenabwägung beruhenden Entscheidung eine Rolle, ob die aufschiebende Wirkung eines Rechtsbehelfs auf Antrag des Adressaten des Verwaltungsakts wieder herzustellen ist.

Gemessen daran genügt die Begründung der Regierung von Schwaben den formalen Anforderungen. Die Erwägung, dass es angesichts der weltweiten Verbreitung der Gemeinschaft und auch abhängig von Entscheidungen der Familiengerichte durchaus wieder möglich sein könnte, dass nach einem Zuzug von Kindern und Jugendlichen oder der familiengerichtlichen Aufhebung der Inobhutnahme von Kindern und Jugendlichen im Einzelfall wieder Kinder unterrichtet werden könnten, ist auf die hier gegebene konkrete Situation bezogen. Darauf, ob die Untersagung im Hinblick auf den ohnehin ruhenden Unterrichtsbetrieb, das Unterbleiben der Verlängerung der Feststellung, dass die Ergänzungsschule zur Erfüllung der Schulpflicht geeignet ist, und die Tatsache, dass gegenwärtig keine Kinder zu unterrichten sind, erforderlich ist, kommt es in diesem Zusammenhang ebenso wenig an, wie darauf, ob sich die Vorwürfe, dass Schülerinnen und Schüler körperlich gezüchtigt worden sein sollen, bestätigen lassen oder der Antragsteller als Träger der Schule seinen sonstigen Verpflichtungen nachgekommen ist.

Die aufschiebende Wirkung ist nicht allein deswegen anzuordnen, weil die Regierung von Schwaben vor Erlass der Untersagungsverfügung den Antragsteller nicht (hinreichend) angehört hat. Die Verwaltungsgerichtsordnung enthält keine dahingehende Regelung. Es gibt auch keinen Grundsatz, wonach die formelle Rechtswidrigkeit eines Verwaltungsakts für sich genommen stets seiner Vollziehung entgegenstehen würde, ohne dass es auf seine Rechtmäßigkeit in der Sache ankäme. Eine Aussetzung der Vollziehung ist nicht zwingend geboten, wenn der Verwaltungsakt möglicherweise Bestand haben wird, weil der formelle Fehler geheilt werden kann (OVG Hamburg, B. v. 18.12.2006 - 3 Bs 218/05 - NVwZ-RR 2007, 364). Die Nachholung der Anhörung und eine Entscheidung unter Berücksichtigung der Stellungnahme des Antragstellers ist im noch anhängigen Widerspruchsverfahren möglich.

Die Ausführungen der Antragstellerseite in der Beschwerde zur Sache führen ebenfalls nicht zur Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung des Widerspruchs.

Im Rahmen eines Verfahrens nach § 80 Abs. 5 VwGO trifft das Gericht aufgrund der sich im Zeitpunkt seiner Entscheidung darstellenden Sach- und Rechtslage (Schmidt in Eyermann, VwGO, 14. Aufl. 2014, § 80 Rn. 83) eine eigene - originäre - Entscheidung (statt aller: Kopp/Schenke, VwGO, 20. Aufl. 2014, § 80 Rn. 146) darüber, welche Interessen höher zu bewerten sind: die, die für einen sofortigen Vollzug des angefochtenen Verwaltungsakts oder die, die für die Anordnung oder Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung streiten. Im Rahmen dieser Interessenabwägung sind auch die Erfolgsaussichten des Rechtsbehelfs in der Hauptsache zu berücksichtigen (Schmidt in Eyermann, VwGO, 14. Aufl. 2014, § 80 Rn. 72 ff.). Sie sind ein wesentliches, aber nicht das alleinige Indiz für und gegen den gestellten Antrag. Wird der in der Hauptsache erhobene Rechtsbehelf bei der im einstweiligen Rechtsschutzverfahren nur möglichen summarischen Prüfung voraussichtlich erfolgreich sein, wird wohl nur die Anordnung oder Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung in Betracht kommen. Wird dagegen der in der Hauptsache erhobene Rechtsbehelf voraussichtlich keinen Erfolg haben, so ist dies ein starkes Indiz für die Ablehnung des Antrags auf Anordnung oder Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung. Sind schließlich die Erfolgsaussichten offen, findet eine reine Abwägung der für und gegen den Sofortvollzug sprechenden Interessen statt (Schmidt in Eyermann, VwGO, 14. Aufl. 2014, § 80 Rn. 77).

Die summarische Prüfung ergibt, dass die Aussichten des Rechtsbehelfs des Antragstellers in der Hauptsache offen sind. Die danach erforderliche Abwägung zwischen dem Interesse an der sofortigen Vollziehung der Untersagung des Schulbetriebs und dem privaten Interesse des Antragstellers an der aufschiebenden Wirkung seines Widerspruchs geht zugunsten des Interesses am Sofortvollzug aus.

Die nicht substantiierten Bedenken des Antragstellers gegen die Verfassungsmäßigkeit der Schulpflicht in Bayern teilt der Verwaltungsgerichtshof nicht. Die Glaubensfreiheit nach Art. 4 Abs. 1 GG und das in Art. 6 Abs. 2 Satz 1 GG geschützte elterliche Erziehungsrecht werden durch das Bestimmungsrecht des Staates im Schulwesen, dem ebenfalls Verfassungsrang zukommt (Art. 7 Abs. 1 GG) eingeschränkt (BayVGH, B. v. 22.4.2014 - 7 CS 13.2592, 7 C 7 C 13.2593 - juris Rn. 18 ff.).

Die Beschwerde hält die Untersagung des Betriebs einer Ergänzungsschule, deren Errichtung vor der Aufnahme des Unterrichts gemäß Art. 102 Abs. 2 Satz 1 des Bayerischen Gesetzes über das Erziehungs- und Unterrichtswesen (BayEUG) in der Fassung der Bekanntmachung vom 31. Mai 2000 (GVBl S. 414, BayRS 2230-1-1-K), zuletzt geändert durch Gesetz vom 22. Juli 2014 (GVBl S. 286), lediglich anzuzeigen ist, für rechtswidrig und den dagegen erhobenen Widerspruch für erfolgversprechend. Die Erfolgsaussichten dieses Rechtsbehelfs sind jedoch schon insoweit offen, als Zweifel daran bestehen, ob es sich bei der vom Antragsteller betriebenen Schule tatsächlich um eine nur anzeigepflichtige Ergänzungsschule handelt oder nicht vielmehr um eine Ersatzschule im Sinn von Art. 91 BayEUG, die nur mit staatlicher Genehmigung errichtet und betrieben werden darf (Art. 92 Abs. 1 Satz 1 BayEUG). In diesem Fall wäre die Untersagung des Betriebs im Ergebnis rechtmäßig, weil das Betreiben einer Ersatzschule ohne staatliche Genehmigung verboten ist.

Die Prüfung, ob es sich um eine Ersatzschule oder eine Ergänzungsschule handelt, muss dem Hauptsacheverfahren vorbehalten bleiben. Ersatzschulen sind Privatschulen, die in ihren Bildungs- und Erziehungszielen im Wesentlichen den Bildungsgängen und Abschlüssen der öffentlichen Schulen entsprechen. Ergänzungsschulen finden demgegenüber keine Entsprechung im öffentlichen Schulwesen (Rux/Niehues, Schulrecht, 5. Aufl. 2013, Rn. 1128). Die Beteiligten haben bisher nicht vorgetragen, inwieweit sich die Schule des Antragstellers inhaltlich von öffentlichen Schulen unterscheidet. Das damalige Staatsministerium für Unterricht und Kultus hat im Bescheid vom 7. September 2006, mit dem die Eignung der Schule zur Erfüllung der Vollzeit- und Berufsschulpflicht festgestellt worden ist, ausgeführt, dass die Lehrpläne dem fachlichen Anforderungsniveau der Grundschule, der Hauptschule und dem schulischen Konzept für berufsschulpflichtige Jugendliche ohne Ausbildungsplatz (JoA) entsprechen. Als Ergänzung zu den öffentlichen Schulen sei sie deshalb anzusehen, weil eine Schulform, in der sowohl die Vollzeit- wie auch die Berufsschulpflicht erfüllt werden können, in Art. 6 Abs. 2 BayEUG nicht vorgesehen sei. Diese Vorschrift hat die Gliederung des öffentlichen Schulwesens zum Gegenstand. Die rein formale Gliederung sagt jedoch nichts über den jeweiligen Schultyp hinsichtlich der Lehr- und Bildungsinhalte sowie der Abschlüsse aus. Es ist deshalb zweifelhaft, ob allein die organisatorische Zusammenfassung von Schultypen, die hinsichtlich der Lehrinhalte und der Abschlüsse der Grundschule, der Mittelschule und der Berufsschule entsprechen, eine Schule entstehen lässt, die im öffentlichen Schulwesen keine Entsprechung findet. Auch das Interesse des Antragstellers geht offenkundig lediglich dahin, dass die der Glaubensgemeinschaft der „Z. St.“ angehörenden Kinder zur Erfüllung ihrer Schulpflicht nicht öffentliche Schulen besuchen müssen. Jedenfalls wurden bisher keine Bildungsziele und Lehrinhalte vorgetragen, die von denen der öffentlichen Pflichtschulen so gravierend abweichen, dass sie sich wesentlich von diesen unterscheiden.

Selbst wenn man davon ausgeht, dass es sich um eine Ergänzungsschule handelt, bleiben die Erfolgsaussichten des Widerspruchs offen. In diesem Fall ist zugrunde zu legen, dass eine wirksame Feststellung, wonach an der Schule die Schulpflicht erfüllt werden kann, nicht vorliegt. Die Befristung der Feststellung im Bescheid des damaligen Staatsministeriums für Unterricht und Kultus vom 7. September 2006 bewirkt, dass seit Ablauf ihrer letzten Verlängerung die Schulpflicht an der Schule des Antragstellers nicht mehr erfüllt werden kann. Ob der Bescheid vom 7. September 2006 gemäß Art. 36 Abs. 1 BayVwVfG mit einer solchen Befristung versehen werden durfte, kann dahinstehen. Sie bewirkt unabhängig davon, ob sie angeordnet werden durfte, dass der feststellende Verwaltungsakt, nämlich die Feststellung, dass an der Schule die Schulpflicht erfüllt werden kann, mit dem Ablauf der Befristung unwirksam geworden ist (Kopp/Ramsauer, VwVfG, 11. Aufl. 2010, § 36 Rn. 5). Soweit der Betroffene sich gegen die Befristung wehrt, begehrt er nicht die Befreiung von einer Belastung, sondern die Gewährung einer Begünstigung über die zeitlich limitierte Feststellung der Geeignetheit zur Erfüllung der Schulpflicht hinaus. Die Rechtswidrigkeit der Befristung würde also nicht dazu führen, dass sie aufhebbar oder gar nichtig wäre, sondern dazu, dass eine unbefristete Feststellung erst ausgesprochen werden müsste (Kopp/Ramsauer, a. a. O. Rn. 63).

Abgesehen davon wäre die Befristung unanfechtbar geworden. Die vom Antragsteller beantragte Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zum Zweck der Anfechtung der Befristung müsste an der Ausschlussfrist des § 58 Abs. 2 Satz 1 VwGO scheitern.

Das Verwaltungsgericht stützt die Untersagung des Betriebs der Ergänzungsschule insbesondere darauf, dass Lehrkräfte im Sinn von Art. 94 Abs. 1 Satz 1 BayEUG fehlen würden und der Mangel trotz Beanstandung nicht beseitigt worden sei. Gesetzliche Anforderungen an Schulleitung und Lehrer von Ergänzungsschulen enthält das Gesetz über das Erziehungs- und Unterrichtswesen nicht. Die Anforderungen des Art. 94 Abs. 1 Satz 1 BayEUG können allenfalls an Ergänzungsschulen gestellt werden, hinsichtlich derer die Eignung zur Erfüllung der Schulpflicht festgestellt ist. Das ist hier jedoch gerade nicht (mehr) der Fall. Die Untersagung setzt mithin Verstöße gegen andere Gesetze voraus, z. B. gegen strafrechtliche Bestimmungen, gesundheitliche Vorschriften, sicherheitsrechtliche Regelungen und solche betreffend Einrichtungen, insbesondere bauordnungsrechtliche Vorschriften, Unfallverhütungs- oder Brandschutzvorschriften (Lindner/Stahl, Das Schulrecht in Bayern, Art. 103 BayEUG Rn. 2).

Die Regierung von Schwaben und das Verwaltungsgericht stützen die Untersagung u. a. auf die konkrete Gefahr, dass Schülerinnen und Schüler körperlich gezüchtigt würden. Anhaltspunkte hierfür ergäben sich aus dem Fund eines dazu geeigneten Stocks ebenso wie aus der Einlassung von Mitgliedern der Gemeinschaft, dass sich die Pflicht zur Züchtigung von Kindern im Rahmen der Erziehung aus der Bibel ableite. Ferner haben Personen, die die Glaubensgemeinschaft verlassen haben, in den Medien ausgesagt, dass sie in der Schule gezüchtigt worden seien, bzw. als Lehrer selbst Schülerinnen und Schüler dort gezüchtigt hätten. Die Ermittlung, ob die genannte konkrete Gefahr der Züchtigung in der Schule und damit eines Verstoßes gegen strafrechtliche Vorschriften besteht, muss ebenfalls dem Hauptsacheverfahren vorbehalten bleiben. Auch insoweit erscheinen die Erfolgsaussichten des Rechtsbehelfs in der Hauptsache offen.

Die angesichts der offenen Erfolgsaussichten des Widerspruchs des Antragstellers erforderliche Interessenabwägung geht zugunsten des öffentlichen Interesses aus, das das Interesse des Antragstellers an der aufschiebenden Wirkung seines Widerspruchs überwiegt. Je gewichtiger die auferlegte Belastung ist und je mehr die Maßnahme Unabänderliches bewirkt, desto stärker ist der Rechtsschutzanspruch des Betroffenen und umso weniger müssen seine Interessen zurückstehen. Umgekehrt ist den öffentlichen Interessen am sofortigen Vollzug umso eher der Vorrang einzuräumen, je weniger belastend die Maßnahme für den Betroffenen wirkt und je weniger vollendete Tatsachen dadurch geschaffen werden (Schmidt in Eyermann, VwGO, 14. Aufl. 2014, § 80 Rn. 77).

Gemessen daran haben die Interessen des Antragstellers an der aufschiebenden Wirkung seines Widerspruchs zurückzustehen. Der für den Antragsteller im Vordergrund stehende Zweck der Schule, nämlich die Erfüllung der Schulpflicht durch die der Glaubensgemeinschaft angehörenden Kinder außerhalb von öffentlichen Schulen, ist gegenwärtig nicht erreichbar, weil die Eignung der Schule hierfür nicht festgestellt ist. Im Übrigen können derzeit keine Schüler unterrichtet werden, weil die schulpflichtigen, der Glaubensgemeinschaft der „Z. St.“ angehörenden Kinder behördlich in Obhut genommen worden sind und auch nicht absehbar ist, dass sie in naher Zukunft zu ihren Familien zurückkehren werden. Pressemeldungen ist zu entnehmen, dass mehreren der Glaubensgemeinschaft angehörenden Elternpaaren das Sorgerecht für ihre Kinder familiengerichtlich entzogen worden ist (Süddeutsche Zeitung vom 23.10.2014). Die Untersagung des Schulbetriebs hat für den Antragsteller gegenwärtig deshalb kaum Auswirkungen.

Demgegenüber überwiegt - wie das Verwaltungsgericht zu Recht ausführt - das öffentliche Interesse an der sofortigen Vollziehbarkeit der Untersagung. Denn im Falle eines Zuzugs von der Glaubensgemeinschaft angehörenden Kindern oder der Rückkehr von in Obhut genommenen Kindern könnte versucht werden, die Erfüllung der Schulpflicht zu umgehen. Angesichts der Schwierigkeit, den Unterschied zwischen einer Ersatzschule und einer Ergänzungsschule oder gar den zwischen einer Ergänzungsschule, deren Eignung zur Erfüllung der Schulpflicht festgestellt ist, und einer solchen, bei der das nicht der Fall ist, in der Öffentlichkeit deutlich darzustellen, erscheint es geboten, bis zur Entscheidung in der Hauptsache für klare Verhältnisse zu sorgen. Nicht zu vernachlässigen ist im Übrigen auch, dass für den Fall, dass es sich bei der Schule des Antragstellers nicht um eine Ergänzungsschule, sondern um eine Ersatzschule handelt, die Schülerinnen und Schüler entgegen einem gesetzlichen Verbot unterrichtet und einer pflichtgemäßen Beschulung entzogen würden.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO. Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 52 Abs. 1, § 47 Abs. 1 Satz 1, § 53 Abs. 2 Nr. 2 GKG.

(1) Eine Verletzung von Verfahrens- oder Formvorschriften, die nicht den Verwaltungsakt nach § 44 nichtig macht, ist unbeachtlich, wenn

1.
der für den Erlass des Verwaltungsaktes erforderliche Antrag nachträglich gestellt wird;
2.
die erforderliche Begründung nachträglich gegeben wird;
3.
die erforderliche Anhörung eines Beteiligten nachgeholt wird;
4.
der Beschluss eines Ausschusses, dessen Mitwirkung für den Erlass des Verwaltungsaktes erforderlich ist, nachträglich gefasst wird;
5.
die erforderliche Mitwirkung einer anderen Behörde nachgeholt wird.

(2) Handlungen nach Absatz 1 können bis zum Abschluss der letzten Tatsacheninstanz eines verwaltungsgerichtlichen Verfahrens nachgeholt werden.

(3) Fehlt einem Verwaltungsakt die erforderliche Begründung oder ist die erforderliche Anhörung eines Beteiligten vor Erlass des Verwaltungsaktes unterblieben und ist dadurch die rechtzeitige Anfechtung des Verwaltungsaktes versäumt worden, so gilt die Versäumung der Rechtsbehelfsfrist als nicht verschuldet. Das für die Wiedereinsetzungsfrist nach § 32 Abs. 2 maßgebende Ereignis tritt im Zeitpunkt der Nachholung der unterlassenen Verfahrenshandlung ein.

Gründe

1

Die auf die Zulassungsgründe der Divergenz (§ 132 Abs. 2 Nr. 2 VwGO) und der grundsätzlichen Bedeutung der Sache (§ 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO) gestützte Beschwerde hat keinen Erfolg.

2

1. Die Divergenzrüge (§ 132 Abs. 2 Nr. 2 VwGO) rechtfertigt die Zulassung der Revision nicht. Das angegriffene Urteil des Oberverwaltungsgerichts widerspricht zwar in einem inhaltlich bestimmten, die angefochtene Entscheidung tragenden abstrakten Rechtssatz einem in Anwendung derselben Rechtsvorschrift in der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts aufgestellten ebensolchen Rechtssatz. Die Entscheidung erweist sich gleichwohl gemäß § 144 Abs. 4 VwGO, der im Beschwerdeverfahren analog gilt (Beschlüsse vom 17. März 1998 - 4 B 25.98 - Buchholz 406.17 Bauordnungsrecht Nr. 66 und vom 25. September 2013 - 4 BN 15.13 - BauR 2014, 90 Rn. 4), im Ergebnis als richtig.

3

Die Beschwerde macht geltend, das Oberverwaltungsgericht sei von der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts zu § 45 VwVfG abgewichen, weil es davon ausgegangen sei, eine fehlerhafte Anhörung könne gemäß § 45 Abs. 1 Nr. 3 VwVfG auch noch im gerichtlichen Verfahren geheilt werden. Das Bundesverwaltungsgericht habe dagegen entschieden, dass bei einer unterbliebenen Anhörung eine Heilung nur dann eintrete, soweit sie nachträglich ordnungsgemäß durchgeführt und ihre Funktion für den Entscheidungsprozess der Behörde uneingeschränkt erreicht werde. Äußerungen und Stellungnahmen von Beteiligten im gerichtlichen Verfahren stellten keine nachträgliche Anhörung im Sinne des § 45 Abs. 1 Nr. 3 VwVfG dar. Das Urteil des Oberverwaltungsgerichts beruhe auch auf dieser Abweichung, insbesondere sei eine Anwendung des § 46 VwVfG nicht möglich. Es seien keine Anhaltspunkte ersichtlich, dass die Behörde ohne den Verfahrensfehler genauso entschieden hätte.

4

Damit hat die Beschwerde eine Abweichung des Oberverwaltungsgerichts von der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts hinreichend dargetan. Unerheblich ist, dass § 45 Abs. 1 Nr. 3 VwVfG aufgrund der Verweisung in § 1 VwVfG Sachsen-Anhalt, und damit als Landesrecht Anwendung gefunden hat. Denn gemäß § 137 Abs. 1 Nr. 2 VwGO gehört zum divergenzfähigen revisiblen Recht auch eine Vorschrift des Verwaltungsverfahrensgesetzes eines Landes, die ihrem Wortlaut nach mit dem Verwaltungsverfahrensgesetz des Bundes übereinstimmt. Ebenso unerheblich ist, dass das Oberverwaltungsgericht nicht ausdrücklich einen abstrakten Rechtssatz des Inhalts aufgestellt hat, eine im Verwaltungsverfahren unterbliebene Anhörung könne auch noch in der mündlichen Verhandlung eines gerichtlichen Verfahrens nachgeholt und der Anhörungsfehler hierdurch geheilt werden. Zwar genügt es für die Darlegung einer Divergenz nicht, wenn durch die Beschwerde lediglich eine fehlerhafte Rechtsanwendung durch die Vorinstanz aufgezeigt wird. So liegt es hier aber nicht. Das Oberverwaltungsgericht hat den Fehler im flurbereinigungsrechtlichen Auslegungsverfahren (§ 32 FlurbG), bei dem es sich funktional um eine Anhörung im Sinne des § 45 Abs. 1 Nr. 3 VwVfG handelt, als nach dieser Norm geheilt angesehen. Es hat dabei unter Hinweis auf die nach § 45 Abs. 2 VwVfG zeitlich bis zum Abschluss eines verwaltungsgerichtlichen Verfahrens gegebene Heilungsmöglichkeit darauf abgestellt, dass die Klägerin "spätestens in der mündlichen Verhandlung durch den Senat ausreichend Gelegenheit gehabt (hat), sämtliche Nachweisungen des Beklagten einzusehen". Aufgrund der intensiven Nachfragen durch den Senat während der mündlichen Verhandlung sei die Beklagte veranlasst worden, das Verfahren und das Ergebnis der Wertfestsetzung zu erläutern. In Folge dessen habe in der mündlichen Verhandlung die Möglichkeit bestanden, sämtliche Einwendungen gegen die Wertfestsetzung geltend zu machen. Das Urteil beruht damit konkludent auf dem entscheidungstragenden abstrakten Rechtssatz, eine Anhörung im Sinne des § 45 Abs. 1 Nr. 3 VwGO könne auch noch im gerichtlichen Verfahren nachgeholt werden. Dagegen hat das Bundesverwaltungsgericht den abstrakten Rechtssatz aufgestellt, bei einer unterbliebenen Anhörung könne eine Heilung nur eintreten, soweit sie nachträglich ordnungsgemäß durchgeführt und ihre Funktion für den Entscheidungsprozess der Behörde uneingeschränkt erreicht werde. Äußerungen und Stellungnahmen von Beteiligten im gerichtlichen Verfahren erfüllten die Voraussetzungen des § 45 Abs. 1 Nr. 3, Abs. 2 VwVfG daher nicht (Urteile vom 24. Juni 2010 - 3 C 14.09 - BVerwGE 137, 199 Rn. 37 und vom 22. März 2012 - 3 C 16.11 - BVerwGE 142, 205 Rn. 18).

5

Die Entscheidung erweist sich jedoch im Ergebnis als richtig (vgl. § 144 Abs. 4 VwGO). Nach § 46 VwVfG kann die Aufhebung eines Verwaltungsaktes, der nicht nach § 44 VwVfG nichtig ist, nicht allein deshalb beansprucht werden, weil er unter Verletzung von Vorschriften über das Verfahren, die Form oder die örtliche Zuständigkeit zustande gekommen ist, wenn offensichtlich ist, dass die Verletzung die Entscheidung in der Sache nicht beeinflusst hat. Entgegen der Auffassung der Beschwerde ist der Anwendungsbereich des § 46 VwVfG vorliegend eröffnet. Soweit die Beschwerde zur Begründung ihrer gegenteiligen Auffassung auf das Urteil des Bundesverwaltungsgerichts vom 24. Juni 2010 (3 C 14.09 - BVerfGE 1, 37, 199 Rn. 40 f.) verweist, übersieht sie, dass das Bundesverwaltungsgericht darin die Anwendung des § 46 VwVfG bei fehlender Heilungsmöglichkeit nach § 45 Abs. 1 Nr. 3 VwVfG nicht grundsätzlich für ausgeschlossen erklärt hat. Es hat vielmehr lediglich für den seiner Entscheidung zugrunde liegenden Fall, der die Genehmigung eines Linienverkehrs mit Bussen im Parallelverkehr zum Schienenverkehr betraf, eine offensichtlich fehlende Kausalität deshalb verneint, weil das klagende Bahnunternehmen im Revisionsverfahren geltend gemacht hatte, es wäre zu einer Überprüfung des Gesamtsystems seiner Fahrpreise bereit gewesen, wäre es von der Beklagten, wie nach dem Personenbeförderungsgesetz vorgesehen, zu einer Ausgestaltung seines Schienenverkehrs aufgefordert worden. Eine vergleichbare Fallgestaltung liegt hier nicht vor. Das Verfahren der Wertermittlung nach dem Flurbereinigungsgesetz kennt kein mit dem Recht der Ausgestaltung des vorhandenen Verkehrs durch den Verkehrsbetreiber vergleichbares Verfahrensrecht der Beteiligten eines Flurbereinigungsverfahrens. Die Wertermittlung wird in der Regel durch landwirtschaftliche Sachverständige vorgenommen (§ 31 Abs. 1 Satz 1 FlurbG). Lediglich der Vorstand der Teilnehmergemeinschaft soll der Wertermittlung beiwohnen (§ 31 Abs. 1 Satz 3 FlurbG). Nach Abschluss der Wertermittlung erfolgt die Anhörung der Beteiligten im Wege der Auslegung der Nachweisungen über die Ergebnisse der Wertermittlung und die anschließende Erläuterung in einem Anhörungstermin (§ 32 Satz 1 und 2 FlurbG). Nach den Feststellungen des Oberverwaltungsgerichts hatten die Vertreter der Klägerin in der mündlichen Verhandlung sämtliche Nachweisungen über die Ergebnisse der Wertermittlung einsehen können. Aufgrund der intensiven Befragung durch das Gericht habe der Beklagte das Verfahren und das Ergebnis seiner Wertfestsetzung erläutert, und die Klägerin habe Gelegenheit gehabt, hierzu Stellung zu nehmen und sämtliche Einwendungen gegen die Wertermittlung vorzubringen. Diese Feststellungen greift die Beschwerde nicht an, sondern bestätigt, dass der Beklagte in der mündlichen Verhandlung zwei Ordner, die bis dahin nicht zur Gerichtsakte gelangt seien, vorgelegt habe und die Vertreter der Klägerin Gelegenheit hatten, diese einzusehen. Dass die Vertreter der Klägerin nicht in der Lage gewesen wären, sich in der mündlichen Verhandlung ausreichend zu erklären und sich die Nachweisungen erläutern zu lassen, macht die Beschwerde nicht geltend; sie trägt auch nicht vor, was die Klägerin bei einer ordnungsgemäßen Anhörung zusätzlich vorgetragen hätte. Es bestehen daher keine Zweifel daran, dass die Behörde ohne den Verfahrensfehler genauso entschieden hätte.

6

2. Der von der Beschwerde als klärungsbedürftig bezeichneten Frage,

ob ein Verstoß gegen die §§ 32, 33 FlurbG dergestalt, dass

- die vorgesehene Dauer der Auslegung unterschritten wird,

- die Dienststunden, zu welchen die Unterlagen ausliegen, nicht näher beschrieben werden,

- der Raum, innerhalb welchem die Auslegung erfolgt, sich nicht der öffentlichen Bekanntmachung entnehmen lässt,

- die Einsichtnahme nur an 18,5 Stunden pro Woche möglich ist,

- die Auslegung an einem Ort erfolgte, welcher für die Ersatzbekanntmachung von Plänen nicht vorgesehen ist und/oder

- die Unterlagen nicht ausgelegen haben, sondern erst auf Nachfrage herausgegeben wurden,

gemäß § 45 Abs. 1 Nr. 3 VwVfG geheilt werden kann,

kommt keine grundsätzliche Bedeutung i.S.v. § 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO zu. Die Vorinstanz hat die Frage, ob die von der Klägerin geltend gemachten Auslegungsmängel hinsichtlich der Dienststunden und des Ortes der Auslegung zutreffen oder nicht, dahingestellt sein lassen, da Anhörungsmängel jedenfalls nachträglich spätestens im Klageverfahren nach § 45 Abs. 1 Nr. 3 VwVfG geheilt worden seien. Mit dieser Ansicht weicht die Vorinstanz zwar von der oben wiedergegebenen Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts ab, wonach nur eine nachträglich ordnungsgemäß durchgeführte Anhörung, die ihre Funktion für den Entscheidungsprozess der Behörde uneingeschränkt erreicht, zur Heilung nach § 45 Abs. 1 Nr. 3 VwVfG führt. Wie ebenfalls bereits dargelegt, wirkt sich diese Abweichung aber deswegen nicht auf das Ergebnis der Entscheidung aus, weil der Verfahrensfehler aufgrund der Regelung des § 46 VwVfG als unschädlich anzusehen ist. Damit würden sich die aufgeworfenen Fragen - soweit sie überhaupt einer fallübergreifenden Klärung zugänglich sind - nicht in einem Revisionsverfahren stellen.

7

3. Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO, die Streitwertfestsetzung auf § 52 Abs. 2, § 47 Abs. 1 und 3 GKG.

Tenor

Die aufschiebende Wirkung des Widerspruchs der Antragstellerin gegen die hafenrechtliche Anordnung der Antragsgegnerin vom 4. April 2017 wird hinsichtlich der Ziffern 1 bis 3 wiederhergestellt sowie hinsichtlich der Ziffer 5 angeordnet. Im Übrigen wird der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung abgelehnt.

Von den Gerichtskosten tragen die Antragstellerin und die Beigeladene jeweils 1/4 und die Antragsgegnerin 1/2. Von den außergerichtlichen Kosten der Antragstellerin und der Beigeladenen trägt die Antragsgegnerin jeweils 1/2. Von den außergerichtlichen Kosten der Antragsgegnerin tragen die Antragstellerin und der Beigeladene jeweils 1/4. Im Übrigen trägt jeder Beteiligte seine außergerichtlichen Kosten selbst.

Der Wert des Streitgegenstandes wird auf 10.000 € festgesetzt.

Gründe

I.

1

Die Antragstellerin wendet sich im Wege des vorläufigen Rechtsschutzes gegen eine für sofort vollziehbar erklärte hafenrechtliche Anordnung der Antragsgegnerin und begehrt ferner den Erlass einer einstweiligen Anordnung zur Ermöglichung der Sperrung einer Straße.

2

Die Antragstellerin ist eine Tochtergesellschaft der A GmbH & Co. KG, einem international tätigen Logistik-Dienstleister, der Transporte zwischen den Seehäfen und dem europäischen Hinterland im trimodalen Verkehr mit allen zugehörigen Zusatzdienstleistungen durchführt. Im Landeshafen von Wörth am Rhein organisiert u.a. die Antragstellerin den Umschlag von Waren, deren Transport per Lkw, Binnenschiff oder Bahn sowie die Rundläufe für die Container. Das im Eigentum des Landes Rheinland-Pfalz, Landesbetrieb „Landeseigene Anlagen an Wasserstraßen“ (BLAW), stehende Hafengelände ist 186 ha groß und befindet sich auf dem Grundstück Flurstück-Nr. ... . Der Landeshafen von Wörth am Rhein ist an die beigeladenen Hafenbetriebe Rheinland-Pfalz GmbH, eine 100%ige Gesellschaft des Landes Rheinland-Pfalz, verpachtet, die diesen verwaltet. Die Beigeladene hat seit vielen Jahren eine Teilfläche des Hafengeländes an die Antragstellerin vermietet.

3

Das Grundstück Flurstück-Nr. ... wird verkehrsmäßig erschlossen über die Kreisstraße 25, die zur Bundesstraße 9 führt. Unmittelbar nördlich der Kreisstraße 25 verläuft bis zum Hafengelände ein Radweg mit dem Zeichen 237 (Radwegebenutzungspflicht), der an dem Grundstück Flurstück-Nr. ... endet. Innerhalb des genannten Grundstücks verläuft eine asphaltierte Straße, teilweise neben Bahngleisen. An seinem südöstlichen Ende grenzt das Grundstück Flurstück-Nr. ... an das Grundstück Flurstück-Nr. … und dieses an das Grundstück Flurstück-Nr. … an. Auf den beiden Grundstücken befindet sich u.a. ein Deichverteidigungsweg (auch Bermenweg genannt), der Teil des dort gebauten Rheinhauptdeiches ist. Der Bermenweg darf von Radfahrern und Fußgängern auf eigene Gefahr genutzt werden. Nördlich des westlichen Endes des Bermenweges liegen das Grundstück Flurstück-Nr. …, auf dem seit über 50 Jahren die Gaststätte „R“ betrieben wird, sowie das Grundstück Flurstück-Nr. …, auf dem der Segelverein ... sein Vereinsgelände hat. Der Streckenabschnitt zwischen dem Beginn des Bermenweges und dem Aussiedlerhof … ist für den öffentlichen Kfz-Verkehr nicht zugelassen. An beiden Stellen ist das Zeichen 260 (Verbot für Kraftfahrzeuge) angebracht. Lediglich der landwirtschaftliche Verkehr ist von diesem Verbot ausgenommen. Südlich des Aussiedlerhofes … ist bis zu diesem der Anliegerverkehr zugelassen. Der Bermenweg mündet knapp 1 km im Süden in die Rheinstraße im Wörther Ortsteil Maximiliansau.

4

Zur Veranschaulichung der örtlichen Verhältnisse mag die nachfolgende Aufnahme des betroffenen Bereichs dienen (grüne Fläche = Kreisstraße 25, rote Fläche = von der Antragstellerin beabsichtigte Sperrfläche zwischen Tor 1 und Tor 2, orangene Fläche = Straßenabschnitt außerhalb des Containerterminals, gelbe Fläche = Bermenweg, auf dem der Kfz-Verkehr mit Ausnahme von landwirtschaftlichem Verkehr nicht zugelassen ist, blaue Fläche = Bermenweg südlich des Aussiedlerhofes mit zugelassenem Anliegerverkehr):

5

Abbildung
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6

Das Land Rheinland-Pfalz hatte am 3. Februar 1967 einen Planfeststellungsbescheid betreffend die Errichtung eines Hafens in der Gemarkung Wörth durch Herstellung eines Hafenbeckens und einer Zufahrt vom Rheinstrom zwischen Rhein-km 365,723 und 365,823 sowie die Verstärkung des Rheinhauptdeichs erlassen.

7

Im Dezember 1980 trafen das Land Rheinland-Pfalz und die Antragsgegnerin im Hinblick auf die Rheindeichordnung eine Verwaltungsvereinbarung. Danach wurde der Antragsgegnerin gestattet, bestimmte Wege entlang des Rheinhauptdeichs zu betreiben. Gemäß der Anlage zu der Verwaltungsvereinbarung durfte die Strecke zwischen dem Aussiedlerhof und dem Abzweig zur Gaststätte „R“ nur für den landwirtschaftlichen Verkehr freigegeben werden, während die Strecke bis zum Aussiedlerhof von Maximiliansau kommend auch für den Anliegerverkehr zugelassen wurde.

8

Um die Festsetzungen des Planfeststellungsbescheids vom 3. Februar 1967 zu konkretisieren, stellte die Antragsgegnerin den Bebauungsplan „Landeshafen“ auf, der im März 1991 in Kraft trat. In den zeichnerischen Festsetzungen sind die durch das Hafengelände führenden Straßen sowie ein Fuß- und Radweg eingezeichnet. In Bezug auf das Gelände des Segelvereins … wurde ein Sondergebiet „Wassersport“ festgesetzt. In der Planbegründung heißt es u.a.:

9

„Der Hafen ist für die Schifffahrt über die im Norden des Hafenbeckens liegende Hafenzufahrt unmittelbar vom Rhein aus zugänglich. Auf dem Land ist das Hafengebiet durch die Kreisstraße (K 25) an die Bundesstraße 9 angeschlossen. Die innere Erschließung erfolgt über Privatstraßen (Hafengelände), die für den öffentlichen Verkehr freigegeben worden sind. Der Wassersportverein mit Clubhaus ist über das Hafengelände und die Straße, die über die Deichkrone südlich des Hafenbeckens führt, erreichbar.

10

Der Fuß- und Radweg von Wörth nach Neupotz verläuft durch das Plangebiet; zunächst in westlicher Richtung über die Deichkrone am südlichen Beckenrand, dann nach Norden auf der Hafenstraße bis zur Einmündung der Kreisstraße. Hier wird der Fuß- und Radverkehr über die Kreisstraße nach Westen abgeleitet und über Feldwege um das Gebiet der Firma M geführt, um nördlich des Plangebiets wieder auf den Weg entlang der Deichkrone zu stoßen. Die ehemals kürzere Verbindung des Fuß- und Radweges über den Ölhafen musste aus Sicherheitsgründen gesperrt werden.“

11

Im September 2009 erging ein neuer Planfeststellungsbeschluss für den Ausbau des Rheinhauptdeiches im Landeshafen von Wörth am Rhein, der u.a. auch den Deichabschnitt I – Hafen Süd, Deich-km 16+400 – 16+795 betraf und u.a. die landseitige Geländeauffüllung auf mindestens 106,40 mNN sowie die Herstellung der erforderlichen Ausbauhöhe durch Erhöhung des Weges auf der Deichkrone zum Gegenstand hatte. Die Maßnahmen wurden in der Folgezeit umgesetzt.

12

Die Wegeführung des in der Vergangenheit durch das Hafengelände führenden offiziellen Rhein-Radwegs wurde in der Folgezeit dahingehend geändert, dass der Radweg nunmehr durch die Stadt Wörth hindurchgeführt wird und erst nördlich des Landeshafens wieder auf die ursprüngliche Strecke zurückführt.

13

Am 15. Dezember 2015 vermietete die Beigeladene die durch das Hafengelände führende Straße im Bereich der nördlichen Zufahrt zum Terminalgelände im Anschluss an die Pkw-Stellplätze bis zur Höhe der südlichen Spitze des Terminalgeländes ab 2016 an die Antragstellerin. Hierüber hatte die Beigeladene die Antragsgegnerin mit Schreiben vom 7. Dezember 2015 informiert. In dem Vertrag wird u.a. Folgendes ausgeführt:

14

Präambel

15

Zwischen den Parteien besteht bereits ein Mietvertragsverhältnis über an die Hafenstraße unmittelbar angrenzende Grundstücke, auf denen die Mieterin ein Containerterminal betreibt. Die Hafenstraße wird hauptsächlich von Fahrzeugen zu und von den Grundstücken der Mieterin befahren, jedoch zurzeit auch von anderen Anliegern, Kfz, Radfahrern und Spaziergängern benutzt. Um die uneingeschränkte Nutzung des Containerterminals durch Dritte nicht zu beinträchtigen und die Gefährdung anderer Verkehrsteilnehmer zukünftig zu vermeiden, beabsichtigen die Parteien die Nutzung der Hafenstraße durch andere Verkehrsteilnehmer im Bereich des Containerterminals weitestgehend einzuschränken und vereinbaren daher Folgendes:

16

17

2 Vertragszweck/Nutzung

18

2.1 Die Vermietung der Straße erfolgt zum Zweck des Betriebs des Containerterminals und dient ausschließlich als Zu- und Ausfahrt. Die Mieterin ist berechtigt, zur Erreichung des Nutzungszwecks die Straße auf beiden Zufahrtsseiten durch Errichtung von Zäunen und Toren für den öffentlichen Verkehr zu sperren; sie wird jedoch Anliegern und deren Zulieferern mit Sondergenehmigungen die Durchfahrt von und zu benachbarten Grundstücken am Ende der Straße gestatten. Bei den durchfahrtsberechtigten Anliegern handelt es sich um die Vermieterin, die von dieser Beauftragten, die SGD Süd (Struktur- und Genehmigungsdirektion Süd, Anmerkung der Kammer) z.B. im Falle der Deichverteidigung, sowie die Daimler AG. …

19

7.1 Die Vermieterin übernimmt die Verkehrssicherungspflicht für die Mietsache. …“

20

Im Hinblick auf die beabsichtigte Sperrung der Straße innerhalb des Hafengeländes für den öffentlichen Verkehr wurde für diesen nach Alternativstrecken gesucht. Mit Schreiben vom 3. August 2016 an die Antragsgegnerin wies die SGD Süd darauf hin, ausgehend von der beabsichtigten Sperrung der Hafenstraße im Landeshafen Wörth im Bereich des Containerterminals der Antragstellerin solle für einen Übergangszeitraum von mehreren Jahren der Deichverteidigungsweg entlang der L als Erschließungsstraße für die Ritterhecke vom Hafen Maximiliansau aus genutzt werden. Die Zulässigkeit der Befahrung des Deichverteidigungsweges in diesem Deichabschnitt sei letztmalig im Jahr 1980 mit einer Verwaltungsvereinbarung zwischen Stadt und Land geregelt worden. Demnach sei eine Befahrung des Weges zwischen Wörther Altrhein und Hofgut für Anlieger freigegeben. Die daran anschließende Wegstrecke bis zur Ritterhecke sei für den motorisierten Verkehr gesperrt, mit Ausnahme des landwirtschaftlichen Verkehrs. Um in diesem Abschnitt den Anliegerverkehr zur Ritterhecke zulassen zu können, solle die bestehende Vereinbarung bezüglich der laufenden Nr. 12 (Deich-km 15,440 – 16,378 = Strecke zwischen dem Aussiedlerhof und dem Abzweig zur Gaststätte) geändert werden. Zusätzlich solle die zulässige Höchstgeschwindigkeit zwischen dem Hafen Maximiliansau und der Ritterhecke auf 30 km/h beschränkt werden. Der Austausch und die Ergänzung der Verkehrsschilder hätten durch die Antragsgegnerin zu erfolgen. Der bauliche Zustand der Wegstrecke müsse aber verbessert werden. Die Antragsgegnerin werde um schriftliche Bestätigung der Änderung der gebeten.

21

Am 1. Februar 2017 erklärte der Landesbetrieb Mobilität Speyer, er habe keine Einwände gegen die Sperrung der Hafenstraße in dem betreffenden Bereich.

22

Am 15. März 2017 teilte die Antragstellerin der Antragsgegnerin mit, die Absperrung der Hafenstraße im Hafen Wörth sei im Bereich ihres Containerterminals nicht zu vermeiden. Alle seit dem Jahr 2008 unternommenen Versuche zur Entschärfung der bestehenden Gefahrensituation seien erfolglos geblieben, weshalb auch die SGD Süd eine sofortige Sperrung dringend empfehle. Diese würden sie nun in den nächsten Tagen wie avisiert vollziehen. Die entsprechenden Barrieren durch Errichtung der erforderlichen Tore und Zaunbegrenzungen würden kurzfristig errichtet. Insofern werde um Kenntnisnahme und Beachtung gebeten, dass die Hafenstraße östlich ab der Zufahrt zum Terminal (Tor 1) und westlich aus Richtung Obstwiese ab Beginn des Terminalgeländes (Tor 2) generell für den öffentlichen Verkehr ab dem 10. April 2017 gesperrt sein werde. Die Durchfahrt über die Hafenstraße im Bereich des Terminalgeländes werde ab dem genannten Zeitpunkt aus beiden Richtungen nur noch in wenigen Ausnahmefällen und mit von ihr, der Antragstellerin, zuvor erteilter Sondergenehmigung möglich sein. Behörden- und Einsatzfahrzeuge seien von der Durchfahrtsbeschränkung ausgenommen.

23

Im Hinblick auf den besonderen Gefahrenbereich ihres Terminalbetriebes im Hafen gebe es für die Vollsperrung der Hafenstraße als Teilbereich des Betriebsgeländes keine Alternative. Als verantwortlicher Terminalbetreiber sei sie aus Gründen der Verkehrssicherungspflicht und Arbeitssicherheit gehalten, das Betriebsgelände und die damit verbundenen Gefahrenzonen zu überwachen und unnötige Risiken für ihre Mitarbeiter und Besucher zu vermeiden. Dies sei nur umsetzbar, wenn unter anderem auch der Zutritt zum Terminal bzw. dessen Durchfahrt auf hierzu Befugte beschränkt bleibe, die die besonderen Sicherheitsvorschriften für das Betreten und Befahren des Terminalgeländes kennen, ausdrücklich akzeptieren und auch einhalten würden. Die Zulassung von öffentlichem Verkehr auf der Hafenstraße stehe einer effektiven Gefahrenprävention entgegen.

24

Nach weiterem Schriftwechsel zwischen der Antragsgegnerin und der SGD Süd erklärte der Bürgermeister der Antragsgegnerin am 16. März 2017 gegenüber der SGD Süd, er bestätige die Änderung der laufenden Nr. 12 (Deich-km 15,440 – 16,378) von „frei für die Landwirtschaft“ in „frei für Anlieger“.

25

Am 17. März 2017 erteilte der Landkreis Germersheim der Antragsgegnerin eine Genehmigung nach der Rheindeichordnung zur Anpassung des Deichverteidigungsweges dergestalt, dass dieser künftig zwischen dem Aussiedlerhof Ludwigsau und dem Abzweig zur Gaststätte auch für Anlieger genutzt werden kann.

26

Am 4. April 2017 erließ die Antragsgegnerin gegenüber der Antragstellerin die folgende hafenrechtliche Anordnung:

27

„1. Ihr Vorhaben, wie mit dem Schreiben vom 15. März 2017 zum Ausdruck gebracht, die Hafenstraße östlich ab der Zufahrt zum Terminal (Tor 1) und westlich aus Richtung Obstwiese ab Beginn des Terminals (Tor 2) generell für den öffentlichen Verkehr ab dem 10.04.2017 zu sperren, wird zunächst abgelehnt, und die Maßnahmen werden Ihnen hiermit untersagt, weil u.a. bei der avisierten Maßnahme auf der bestehenden Hafenstraße ab den angegebenen, zu errichtenden Barrieren/Tore/Zaunanlagen (Tor 1 und Tor 2) kein Schutzstreifen (Mindestmaß Breite 1,60 Meter parallel verlaufend, rot markiert) berücksichtigt ist, um den Fußgängern und dem Fahrradverkehr die Nutzung der Trasse insoweit zu ermöglichen und der Schutzstreifen nicht durch eine separate Zaunanlage gesichert ist, um Unberechtigten den Zugang zum Betriebsgelände zu verhindern.

28

2. Ferner wird Ihnen hiermit untersagt, die Nutzung der Straße für den Verkehr auf der Hafenstraße, wie dies mit dem Antrag/Schreiben vom 15.03.2017 zum Ausdruck gebracht wurde, durch Baumaßnahmen oder Absperrungen von seiner Nutzung her einzuschränken.

29

3. Eine teilweise Sperrung bzw. die Anordnung für eine teilweise Sperrung durch die Hafenbehörde wird zunächst so lange zurückzustellen sein, bis ein Anliegerverkehr (PKW, LKW) TEMPORÄR, wie von der SGD genehmigt (Schreiben vom 08. März 2016, AZ: …, SB Hr. K; Anmerkung der Kammer: bei dieser Angabe handelt es sich um einen Schreibfehler, gemeint ist das oben angeführte Schreiben der SGD Süd vom 3. August 2016), über die befestigte Deichberme, Rheinhauptdeich, Deichabteilung I, Deich-km 15,440 - 16,378 erfolgen kann und eine Anordnung gemäß § 3 Abs. 2 LHafVO bekannt gegeben wurde, sowie perspektivisch eine verbindliche Klärung der dauerhaften Führung des Anliegerverkehrs erfolgt ist.

30

4. Die sofortige Vollziehung dieser Verfügung wird bezüglich der Nr. 1 bis 3 im öffentlichen Interesse angeordnet (§ 80 Abs. 2 Nr. 4 VwGO).

31

5. Für den Fall der Zuwiderhandlung zu Ziffer I, Nr. 1 Satz 1 sowie Nr. 2 dieser Verfügung, drohen wir Ihnen gemäß § 66 Abs. 5 LVwVG ein Zwangsgeld in Höhe von 20.0000 Euro an. Unmittelbaren Zwang gegen Personen und Sachen wird hiermit ebenso angedroht (§ 65 Abs. 2 Satz 1 LVwVG).“

32

Zur Begründung führte die Antragsgegnerin u.a. aus, Rechtsgrundlage für den Erlass des Verbots, die Straße zu sperren, sei § 3 Abs. 2 der Landeshafenverordnung – LHafVO –. Zu der Entscheidung, ob die Straße im Hafengelände gesperrt werden könne, sei allein die Ordnungsbehörde zuständig. Sie, die Hafenbehörde, müsse sich nicht damit zufrieden geben, dass die Antragstellerin angekündigt habe, die Straße zu sperren. Die beabsichtigte Maßnahme der Antragstellerin sei unverhältnismäßig, da es mildere Mittel gebe. Das dargestellte Sicherheitsproblem lasse sich durch die Anbringung eines Sicherheitsstreifens mit einer lichten Breite von mindestens 1,60 m entlang der Straße und Installation einer Zaunanlage lösen.

33

Im Rahmen der Güterabwägung müsse den Fischereiausübungsberechtigten, Grundstückseigentümern, Freizeitsportlern und Radfahrern eine geringer eingreifende Maßnahme angeboten werden. Das wäre durch einen anzulegenden Schutzstreifen möglich.

34

Durch ein Bewirtschaftungsmodell/Einbahnstraßenverkehr sei es möglich, LKW's über die Hafenstraße in Richtung Tor 2 fahren zu lassen. In Höhe des Terminals, wo die LKW's seitens der Frachten gelöscht würden, müssten dieselben über das „innere Betriebsgelände", wo sich die Container befänden, abgeleitet werden. Diese würden dann in Höhe des Verwaltungsgebäudes der Antragstellerin ankommen und könnten über die K 25 abgeleitet werden. Durch diese Regelung wäre der Betriebsablauf gesichert und könnte störungsfrei verlaufen.

35

Es bestehe auch keine Gefahr im Verzug. Die alternative Zuwegung sei in Aussicht gestellt. Der Haushalt für die Antragsgegnerin sei genehmigt, so dass mit den Baumaßnahmen nach Abklärung weiterer Aspekte begonnen werden könne. Die Vorbereitungen seien im Gange.

36

Die hafenrechtliche Anordnung sei auch für sofort vollziehbar zu erklären. Es liege im öffentlichen Interesse, dass private Interessen nicht vor kommunalen Entscheidungen eigennützig gestellt werden dürften. Dies vor allem, wenn die privaten Interessenführer bezüglich ihrer beabsichtigten Maßnahme nicht entscheidungsbefugt seien. Ein Alleingang der Antragstellerin sei nicht hinnehmbar, weil er die Allgemeinheit vor vollendete Tatsachen stellen würde und durch die avisierte Maßnahme Dritte Schaden an Leib und Leben, Vermögen, Eigentum nehmen könnten.

37

Die Antragstellerin legte dagegen am 28. April 2017 Widerspruch ein.

38

Ferner hat sie am 19. Mai 2017 um vorläufigen gerichtlichen Rechtsschutz nachgesucht. Sie ist der Auffassung, die Antragsgegnerin sei nicht befugt gewesen, vorliegend eine hafenrechtliche Anordnung zu erlassen. Ein derartiger Eingriff in die Rechte widerspreche der Zuständigkeitsregelung in der Landeshafenverordnung. Gegenüber der Beigeladenen sei die Antragsgegnerin auf die bloße Rechtsaufsicht beschränkt. Dies bedeute, im Rahmen der Überprüfung des materiellen Rechts sei die Antragsgegnerin lediglich berechtigt, die Ermessenskontrolle im Sinne der rechtmäßigen Handhabung von Ermessensspielräumen zu überprüfen. Die Antragsgegnerin dürfe aber nicht sein Ermessen an die Stelle des Ermessens der Beigeladenen setzen. Dies habe die Antragsgegnerin aber hier getan.

39

Ferner habe die Antragsgegnerin sie, die Antragstellerin, vor Erlass des Bescheids zu Unrecht nicht angehört. Die Anordnung sei im Übrigen unbestimmt. Die herangezogene Vorschrift des § 3 Abs. 2 LHafVO sei schon nicht einschlägig. Aber auch die Voraussetzungen dieser Norm lägen nicht vor. Die Anordnung der sofortigen Vollziehung sei sowohl formell als auch materiell rechtswidrig.

40

Die Antragsgegnerin müsse die Sperrung der Hafenstraße durch die Antragstellerin auch einstweilen dulden. Die Gefahren, die dem Verkehr und Personen durch die Nutzung der Hafenstraße drohten, seien real und unmittelbar. Jede weitere Verzögerung könne zu einer Beschädigung von Leib und Leben sowie Eigentum führen. Die Antragsgegnerin habe insofern kein Ermessen. Seit Monaten habe diese zugesagt, Änderungen betreffend den Bermenweg nach Maximiliansau dergestalt vorzunehmen, dass dort nicht nur - wie bisher bereits auch straßenverkehrsrechtlich zulässig - der Fahrrad- und Personenverkehr, sondern auch PKW Verkehr auf dieser Straße zugelassen werde. Die Einhaltung der Zusage sei bisher aber nicht erfolgt.

41

Die Antragstellerin beantragt,

42

1. die aufschiebende Wirkung ihres Widerspruchs gegen die Verbotsverfügung der Antragsgegnerin vom 4. April 2017 wiederherzustellen

43

und

44

2. im Wege einer einstweiligen Anordnung festzustellen, dass sie, die Antragstellerin, berechtigt ist, die Hafenstraße nach Maßgabe der ihrem Ankündigungsschreiben vom 15. März 2017 beigefügten Skizze zwischen der Zufahrt zum Terminal am Tor 1 bis zum Tor 2 für den öffentlichen Verkehr zu sperren.

45

Die Antragsgegnerin beantragt,

46

den Antrag abzulehnen.

47

Sie führt aus, die hafenrechtliche Anordnung finde eine ausreichende Ermächtigungsgrundlage in § 3 Abs. 2 LHafVO. Eine Verpachtung der Hafenstraße an die Antragstellerin hätte nicht erfolgen dürfen, ohne zuvor die Frage der Verkehrsführung/-anbindung geklärt zu haben. Das Containerterminal sei von seiner Lage her im südwestlichen Bereich angegliedert. Die Hafenstraße selbst laufe als eigenständige Trasse neben den dort „geparkten“ Containern und sei nicht unmittelbarer Bereich des Containerterminals. Der Mietvertrag greife insoweit nicht unmittelbar auf die Trasse Hafenstraße ein. Die Beigeladene sei insoweit nicht berechtigt gewesen, den Vertrag abzuschließen. Auch die Flucht ins Privatrecht schütze die Parteien vor Abwägungen nicht, die offensichtlich zu berücksichtigen seien.

48

Es gehe hier offenkundig nicht um die Abwendung einer Gefahrensituation. Die Situation sei tatsächlich seit Jahrzehnten unverändert und besondere Gefährdungen seien nicht nachweislich; es sei kein Unfallschwerpunkt zu verzeichnen. Vielmehr werde ersichtlich, dass es im Kern um die Optimierung der Betriebsabläufe gehe und die Gefahrenabwehr dazu instrumentalisiert werden solle. Es könne weder eine akute Gefährdungssituation noch eine Unvereinbarkeit mit dem Betrieb des Hafens erkannt werden. Die Antragstellerin trage die Verantwortung für die verkehrssichere Abwicklung des Verkehrs und eine dementsprechende Organisation des Betriebs. Die Lagerung von leeren Güterverkehrsboxen entlang der Straße und die damit einhergehende Verknappung des Raumangebots habe die Antragstellerin selbst verursacht. Veränderungen im Betriebsablauf (z.B. Einbahnstraßenverkehr durch das Terminal und Ausfahrt über die Hafenstraße) seien ohne Weiteres vorstellbar. Eine Voranstellung privatwirtschaftlichen Gewinnstrebens vor die Interessen der Öffentlichkeit sei offenkundig.

49

Würde dem Antrag auf Zulassung der Sperrung stattgegeben, würde das signifikante Merkmal des öffentlichen Verkehrs zurück gedrängt und ein Zustand geschaffen, der die Anlieger in ihrem Eigentumsrecht und der erforderlichen Erschließung ihrer baulichen Anlage nicht vertretbar einschränke.

50

In den Jahren 2013 bis 2016 sei die Zuwegung über den Bermenweg wegen Hochwassers an 16 Tagen gesperrt gewesen. Auch ansonsten sei die Zufahrt über diesen Weg z.B. wegen Baumaßnahmen oder Unterhaltungsmaßnahmen am Deich nicht immer uneingeschränkt möglich. Im Übrigen wäre durch eine verkehrsbehördliche Anordnung nur Anliegerverkehr zulässig. Der übrige Personenkreis, der nicht Anlieger sei, wäre hiervon ausgenommen. Insbesondere sei die Zuwegung derzeit nicht in geeignetem baulichem Zustand, um den Anliegerverkehr aufzunehmen. Eine Ertüchtigung (Ausweichbuchten, Schleppkurven) wäre zuerst herzustellen. Die Nutzung des Deichbermenweges sei zudem nur temporär durch die Deichbehörde in Aussicht gestellt worden.

51

Sie, die Antragsgegnerin, habe ferner der Firma M aus Speyer den Auftrag erteilt, den Neubau „Parallele Hafenstraße" im Landeshafen Wörth zu prüfen. Aus dem Gutachten ergebe sich, dass eine zweite Hafenstraße, wie die Antragsgegnerin dachte sie herstellen zu können, so gut wie ausgeschlossen sei. Deshalb müsse auch die vorübergehende „Zuwegung Deichbermenweg“ verworfen werden.

52

Die Antragstellerin plane im Übrigen, die Kapazitäten für Lager und Umschlag ihres Terminals im Landeshafen Wörth auszubauen. Die Anbindung an den Straßenverkehr solle primär über die Dr. Hans-Mohr-Straße (Zufahrt zum Terminal) und die Hafenstraße erfolgen. Die übrige Hafenstraße, die sich ausschließlich auf dem Gelände des Hafengebietes befinde, solle im Wesentlichen von der Bewirtschaftung ausgenommen werden. Die Antragstellerin könne somit durch innere Betriebsabläufe das Teilstück der in Rede stehenden Hafenstraße, für die die angefochtene Verfügung erlassen worden sei, weiterhin dem öffentlichen Verkehr zur Verfügung stellen. Offensichtlich benötige die Antragstellerin überwiegend die öffentlichen Straßen „Mobilstraße und Dr. Hans-Mohr-Straße“, um auf ihr Betriebsgelände zu gelangen. Die neue Wegeführung sehe ein Einbahnstraßen-System vor. Die Antragstellerin benötige künftig den in Rede stehenden Bereich der angefochtenen Verfügung in wesentlichen Teilen nicht mehr in dem bisherigen Maße und habe ihn daher weiter für den öffentlichen Verkehr zur Verfügung zu stellen.

53

Die Antragstellerin habe inzwischen am 29. Juni 2017 die Fortführung ihrer Planungen vorgestellt und das Jahr 2019 als avisierten Startzeitraum benannt. Bemerkenswert an diesem Scoping-Termin sei gewesen, dass von Seiten des von der Antragstellerin selbst beauftragten Büros die „hohe Bedeutung der Hafenstraße für den Freizeitverkehr“ und die „große Erholungsfunktion“ des Areals Ritterhecke für die Bevölkerung hervorgehoben worden sei.

54

Die Beigeladene schließt sich dem Antrag und der Argumentation der Antragstellerin an.

55

Die Kammer hat am 26. Juni 2017 durch den Berichterstatter vor Ort einen Erörterungstermin durchgeführt. Diesbezüglich wird auf die Niederschrift vom 26. Juni 2017 Bezug genommen.

56

Das Land Rheinland-Pfalz hat mit Erklärung vom 4. Juli 2017 gegenüber der Antragsgegnerin die bisherige Duldung der Nutzung der Hafenstraße im fraglichen Bereich widerrufen und um Bestätigung der Berechtigung zur Schließung der Hafenstraße innerhalb des Hafengeländes gebeten.

II.

57

Der Antrag auf Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes hat Erfolg, soweit sich die Antragstellerin gegen die hafenrechtliche Anordnung vom 4. April 2017 wendet (A.). Dagegen ist der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung unzulässig (B.).

58

A. Der Antrag zu 1) ist zulässig (1.) und begründet (2.).

59

1. Der Antrag, die aufschiebende Wirkung des Widerspruchs der Antragstellerin gegen die Verbotsverfügung der Antragsgegnerin vom 4. April 2017 wiederherzustellen, bedarf zunächst der Auslegung nach § 88 VerwaltungsgerichtsordnungVwGO –. Die Antragstellerin begehrt die Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung ihres Widerspruchs gemäß § 80 Abs. 5 Satz 1 2. Alt. VwGO, soweit sie sich gegen die für sofort vollziehbar erklärten Ziffern 1 bis 3 in dem Bescheid vom 4. April 2017 wendet. Dagegen hat der Widerspruch gegen die gleichzeitig verfügte Zwangsgeldandrohung gemäß § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 VwGO i. V. m. § 20 Ausführungsgesetz zur Verwaltungsgerichtsordnung – AGVwGO – kraft Gesetzes keine aufschiebende Wirkung. Statthaft ist insoweit daher der Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung nach § 80 Abs. 5 Satz 1 1. Alt. VwGO.

60

Die so verstandenen Anträge sind zulässig, insbesondere ist die Antragstellerin als Adressatin belastender Verwaltungsakte antragsbefugt gemäß § 42 Abs. 2 VwGO analog.

61

2. Der Antrag ist auch in der Sache begründet.

62

2.1. Allerdings ist die Anordnung der sofortigen Vollziehung der Ziffern 1 bis 3 des Bescheids vom 4. April 2017 formell rechtmäßig.

63

2.1.1. Entgegen der Auffassung der Antragstellerin und der Beigeladenen war die Antragsgegnerin allerdings zuständig für den Erlass des Bescheids vom 4. April 2017 und damit auch für die Anordnung der sofortigen Vollziehung.

64

Die Antragsgegnerin hat die Verfügung ausdrücklich auf § 3 LHafVO gestützt. Nach dessen Absatz 1 obliegt die Durchführung dieser Verordnung der Hafenbehörde, soweit in den nachfolgenden Bestimmungen nichts anderes geregelt ist; Hafenbehörde ist die örtliche Ordnungsbehörde (§ 89 Abs. 1 des Polizei- und Ordnungsbehördengesetzes) und damit die Antragsgegnerin. Ob die inhaltlichen Voraussetzungen der herangezogenen Rechtsgrundlage gegeben sind und ob die Antragsgegnerin möglicherweise ihre hafenrechtlichen Befugnisse nach § 3 Abs. 2 LHafVO überschritten hat, ist keine Frage der Zuständigkeit, sondern eine Frage der materiellen Rechtmäßigkeit des Bescheids.

65

2.1.2. Die Antragsgegnerin hat in formeller Hinsicht die Anordnung der sofortigen Vollziehung der Ziffern 1 bis 3 der hafenrechtlichen Anordnung vom 4. April 2017 ausreichend nach § 80 Abs. 3 Satz 1 VwGO begründet. Hierzu hat die Antragsgegnerin ausgeführt, es liege im öffentlichen Interesse, dass private Interessen nicht vor kommunalen Entscheidungen eigennützig gestellt werden dürften. Dies vor allem, wenn die privaten Interessenführer bezüglich ihrer beabsichtigten Maßnahme nicht entscheidungsbefugt seien. Ein Alleingang der Antragstellerin sei nicht hinnehmbar, weil er die Allgemeinheit vor vollendete Tatsachen stellen würde und durch die avisierte Maßnahme Dritte Schaden an Leib und Leben, Vermögen, Eigentum nehmen könnten. Damit liegt (noch) eine auf den konkreten Einzelfall abgestellte, substantiierte und nicht lediglich formelhafte Begründung des besonderen Vollzugsinteresses vor. Ob die von der Antragsgegnerin angeführte Begründung inhaltlich zutreffend ist und die Anordnung der sofortigen Vollziehung zu rechtfertigen vermag, ist im Rahmen des § 80 Abs. 3 Satz 1 VwGO unbeachtlich; dies ist erst bei der gemäß § 80 Abs. 5 Satz 1 VwGO vom Gericht eigenständig vorzunehmenden Interessenbewertung zu erörtern (s. z.B. OVG Rheinland-Pfalz, Beschluss vom 3. April 2012 – 1 B 10136/12.OVG –, BauR 2012, 1362).

66

2.1.3. Die Antragsgegnerin hat ferner nicht deshalb verfahrensfehlerhaft gehandelt, weil sie vor der Anordnung der sofortigen Vollziehung der Antragstellerin keine Gelegenheit gegeben hat, sich zu den für die sofort wirksame Anordnung eines präventiven Sperrverbots erheblichen Tatsachen zu äußern. § 1 Landesverwaltungsverfahrensgesetz – LVwVfG – i.V.m. § 28 Abs. 1 Verwaltungsverfahrensgesetz – VwVfG – ist nach Auffassung der Kammer auf die Anordnung der sofortigen Vollziehung weder direkt noch entsprechend anwendbar. Die unmittelbare Anwendung des § 28 Abs. 1 VwVfG scheitert bereits am Wortlaut der Vorschrift, die an einen zu erlassenden Verwaltungsakt anknüpft. Die Anordnung der sofortigen Vollziehung ist indessen kein Verwaltungsakt, sondern unselbständiger Teil der durch den Verwaltungsakt getroffenen Regelung und beseitigt das durch die Erhebung des Widerspruchs bzw. der Klage eintretende Vollzugshindernis des Suspensiveffekts des § 80 Abs. 1 VwGO. Gegen eine analoge Anwendung der genannten Vorschrift spricht, dass die Anordnung der sofortigen Vollziehung hinsichtlich ihrer Eingriffsintensität nicht mit einem Verwaltungsakt vergleichbar ist, für ein gerichtliches Vorgehen gegen sie grundsätzlich keine Fristen bestehen und sie keiner Bestandskraft fähig ist. Ein Bedürfnis für die Vorverlegung eines Rechtsschutzes besteht daher nicht in derselben Weise wie bei Verwaltungsakten (vgl. z.B. OVG Rheinland-Pfalz, NVwZ-RR 2014, 721; Kopp/Ramsauer, VwVfG, 16. Auflage 2015, § 28 Rn. 7).

67

Aber auch wenn man mit der Gegenmeinung (s. z.B. Finkelnburg in: Finkelnburg/Dombert/Külpmann, Vorläufiger Rechtsschutz im Verwaltungsstreitverfahren, 6. Auflage 2011, Rn. 732 m.w.N.) eine Anhörung aus rechtsstaatlichen Gründen für erforderlich ansehen würde, ist eine nachträgliche Heilung während des hier anhängigen Eilverfahrens erfolgt. Denn die Antragstellerin hatte die Möglichkeit, in diesem Verfahren alles vorzubringen, was sie gegen die Vollziehungsanordnung geltend machen will.

68

2.2. Die Anordnung der sofortigen Vollziehung der Ziffern 1 bis 3 des Bescheids vom 4. April 2017 ist aber in materieller Hinsicht zu beanstanden.

69

Für das Interesse des Betroffenen, einstweilen nicht dem Vollzug der behördlichen Maßnahmen ausgesetzt zu sein, sind zunächst die Erfolgsaussichten des in der Hauptsache eingelegten Rechtsbehelfs von Belang. Ein überwiegendes Interesse eines Antragstellers an der Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung ist in der Regel anzunehmen, wenn die im Eilverfahren allein mögliche und gebotene summarische Überprüfung ergibt, dass der angefochtene Verwaltungsakt offensichtlich rechtswidrig ist. Denn an der Vollziehung eines ersichtlich rechtswidrigen Verwaltungsakts kann kein öffentliches Vollzugsinteresse bestehen. Ist der Verwaltungsakt dagegen offensichtlich rechtmäßig, so überwiegt das Vollzugsinteresse das Aussetzungsinteresse des Antragstellers nur dann, wenn zusätzlich ein besonderes öffentliches Interesse an der sofortigen Vollziehung des Verwaltungsakts besteht. Kann aufgrund der im Eilverfahren nur möglichen summarischen Überprüfung nicht festgestellt werden, ob der Verwaltungsakt offensichtlich rechtmäßig oder offensichtlich rechtswidrig ist, so beschränkt sich die verwaltungsgerichtliche Kontrolle des Sofortvollzuges des Verwaltungsakts auf die Durchführung einer Interessenabwägung, die je nach Fallkonstellation zugunsten des Antragstellers oder des Antragsgegners ausgehen kann (vgl. BVerfG, Beschluss vom 29. Mai 2007 – 2 BvR 695/07 –, NVwZ 2007, 1176).

70

Nach diesen Grundsätzen überwiegt vorliegend das private Interesse der Antragstellerin an der Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung ihres Widerspruchs gegen die für sofort vollziehbar erklärten Ziffern 1 bis 3 des Bescheids vom 4. April 2017 das öffentliche Interesse der Antragsgegnerin an der sofortigen Vollziehung dieser Anordnung. Denn diese erweist sich bei der im Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes allein möglichen und gebotenen summarischen Prüfung jedenfalls nicht als offensichtlich rechtmäßig. Außerdem fehlt es an einem besonderen Vollzugsinteresse.

71

2.2.1. Verfahrensrechtliche Bedenken gegen die Ziffern 1 bis 3 des Bescheids vom 4. April 2017 bestehen nicht.

72

Entgegen der Ansicht der Antragstellerin ist die hafenrechtliche Anordnung nicht aus formellen Gründen wegen eines Verstoßes gegen die Anhörungspflicht rechtswidrig.

73

Zwar hat die Antragsgegnerin die Antragstellerin vor Erlass der Anordnung gegen § 1 LVwVfG i.V.m. § 28 Abs. 1 VwVfG verstoßen. Danach ist einem Beteiligten Gelegenheit zu geben, sich zu den für die Entscheidung erheblichen Tatsachen zu äußern, bevor ein Verwaltungsakt erlassen wird, der in seine Rechte eingreift. Eine entsprechende Anhörung der Antragstellerin vor Erlass der Schließungsanordnung hat nicht stattgefunden.

74

Gründe für ein Absehen von der Anhörungspflicht nach § 1 LVwVfG i.V.m. § 28 Abs. 2 und 3 VwVfG sind nicht ersichtlich.

75

Der Anhörungsverstoß ist jedoch inzwischen gemäß § 1 LVwVfG i.V.m. § 45 Abs. 1 Nr. 3, Abs. 2 VwVfG geheilt worden. Denn die erforderliche Anhörung, die bis zum Abschluss der letzten Tatsacheninstanz eines verwaltungsgerichtlichen Verfahrens möglich ist, ist im vorliegenden Eilverfahren nachgeholt worden. Zwar folgt die Kammer in Bezug auf diese Rechtsfrage nicht einer teilweise vertretenen Auffassung, nach der schon die Möglichkeit der Heilung genüge, da es keinen Grundsatz gebe, wonach die formelle Rechtswidrigkeit eines Verwaltungsakts für sich genommen stets seiner Vollziehung entgegenstehen würde, ohne dass es auf seine Rechtmäßigkeit in der Sache ankäme (so z.B. Bay. VGH, Beschluss vom 17. November 2014 – 7 CS 14.275 –, juris; OVG Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 24. Juli 2013 – 16 B 718/13 –, juris). Auch teilt das Gericht nicht die weitere Ansicht, wonach Äußerungen und Stellungnahmen von Beteiligten im gerichtlichen Verfahren grundsätzlich keine nachträgliche Anhörung im Sinne des § 45 Abs. 1 Nr. 3 VwVfG seien (vgl. BVerwG, Urteil vom 24. Juni 2010 – 3 C 14/09 –, NVwZ 2011, 115; Hess. VGH, Beschluss vom 23. September 2011 – 6 B 1701/11 –, NVwZ-RR 2012, 163). Vielmehr ist die Kammer (s. zuletzt Beschluss vom 14. Juni 2016 – 4 L 403/16.NW –, GewArch 2016, 353) der Meinung, dass eine schriftsätzliche Stellungnahme der Behörde im gerichtlichen Aussetzungsverfahren eine Nachholung der Anhörung dann bewirken kann, wenn sich die Behörde in ihrem Schriftsatz nicht nur auf die Verteidigung der einmal getroffenen Verwaltungsentscheidung beschränkt, sondern eindeutig und klar zu erkennen gibt, dass sie ein etwaiges Vorbringen des Betroffenen zur Kenntnis genommen und gewürdigt hat, aber dennoch bei ihrer erneuten Entscheidung zu dem Ergebnis gekommen ist, dass die Verfügung aufrechterhalten bleibt (vgl. z.B. Bay. VGH, Beschluss vom 8. Oktober 2015 – 15 CS 15.1740 –, juris; OVG Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 11. Februar 2014 – 15 B 69/14 –, NWVBl 2014, 322; OVG Sachsen, Beschluss vom 2. Februar 2012 – F 7 B 278/11 –, juris).

76

Hiervon ausgehend hat die Antragsgegnerin den Anhörungsmangel in ihren mehreren Antragserwiderungsschriften geheilt. Sie hat darin eindeutig zu erkennen gegeben, dass sie das Vorbringen der Antragstellerin in deren Widerspruchsschreiben und den Antragsbegründungen im Eilverfahren zur Kenntnis genommen und gewürdigt hat, aber dennoch bei ihrer Entscheidung verblieben ist, das präventive Sperrverbot aufrechtzuerhalten.

77

2.2.2. Die Kammer hält die Ziffern 1 bis 3 der hafenrechtlichen Anordnung vom 4. April 2017 jedoch in materieller Hinsicht für offensichtlich rechtswidrig. § 3 Abs. 2 LHafVO stellt nach Ansicht der Kammer keine taugliche Ermächtigungsgrundlage dar (2.2.2.1.). Die hafenrechtliche Anordnung kann auch nicht in eine straßenrechtliche Verfügung oder eine polizeirechtliche Anordnung umgedeutet werden (2.2.2.2.).

78

2.2.2.1. Auf § 3 Abs. 2 LHafVO können die Ziffern 1 bis 3 der hafenrechtlichen Anordnung vom 4. April 2017 nicht gestützt werden.

79

Gemäß § 3 Abs. 2 LHafVO hat die Hafenbehörde die Aufgabe, Gefahren, durch die die öffentliche Sicherheit oder Ordnung, der Verkehr oder Betrieb im Hafen bedroht werden, sowie mögliche Gewässerverunreinigungen abzuwehren. Sie hat ferner die Aufgabe, Gefahren abzuwehren, die aus dem Zustand der Hafenanlagen herrühren oder die deren ordnungsgemäßen Zustand beeinträchtigen.

80

2.2.2.1.1. Der Geltungsbereich der – aufgrund des inzwischen außer Kraft getretenen § 41 Abs. 4 Satz 1 Nr. 1 Buchst. a, Nr. 2 und 3 Landeswassergesetz in der Fassung vom 14. Dezember 1990 (GVBl. 1991 Seite 11) erlassenen –Landeshafenverordnung vom 10. Oktober 2000 (GVBl. 2000, 421) ist allerdings hier eröffnet. Nach § 1 Abs. 1 LHafVO gilt diese Verordnung für Häfen in Rheinland-Pfalz, deren räumlich abgegrenzte Bereiche im Staatsanzeiger für Rheinland-Pfalz bekannt gemacht worden sind. Dies ist im Falle des Landeshafens von Wörth der Fall.

81

2.2.2.2.2. Ein hafenrechtliches Einschreiten der Antragsgegnerin scheidet vorliegend nicht bereits deswegen aus, weil vorrangig die Vorschriften des Landesgesetzes über die Sicherheit in Hafenanlagen und Häfen – LHafSiG – vom 6. Oktober 2006 (GVBl. 2006, 338) zu beachten wären. Das genannte Landesgesetz, das gemäß § 1 Abs. 1 der Verbesserung der Gefahrenabwehr in rheinland-pfälzischen Hafenanlagen und Häfen dient, setzt die Richtlinie 2005/65/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 26. Oktober 2005 zur Erhöhung der Gefahrenabwehr in Häfen (ABI. EG Nr. L 310 vom 25. November 2005, Seite 28) um. Sie bezweckt über die bis dato bestehenden Regelwerke zum Schutz vor terroristischen Angriffen hinaus einen möglichst umfassenden Schutz für das Seeverkehrsgewerbe und die Hafenwirtschaft und erfasst den gesamten Hafen als Schutzobjekt (ausführlich dazu s. OVG Nordrhein-Westfalen, Urteil vom 19. Juni 2013 – 4 A 1065/12 –, DVBl 2013, 1204). Gemäß § 4 Abs. 4 LHafSiG kann die zuständige Behörde – dies ist gemäß § 3 Abs. 1 LHafSiG das für die Angelegenheiten des Verkehrs zuständige Ministerium – gegenüber Dritten im Einzelfall Anordnungen treffen, soweit die nach dem SOLAS-Übereinkommen, dem ISPS-Code, der Verordnung (EG) Nr. 725/2004, der Richtlinie 2005/65/EG und diesem Gesetz zu gewährleistende Sicherheit der Hafenanlage, des Hafens oder eines sich an der Hafenanlage befindenden Seeschiffes im Sinne des § 1 Abs. 2 Maßnahmen der Behörde erfordert. Dies gilt auch, wenn die notwendigen Gefahrenabwehrmaßnahmen nicht alleine durch den Betreiber der Hafenanlage oder den Betreiber des Hafens getroffen werden können oder solchen Gefahrenabwehrmaßnahmen Rechte Dritter entgegenstehen.

82

Die hier von der Antragsgegnerin angeführten Gefahren für die Verkehrsteilnehmer auf der Hafenstraße innerhalb des Containerterminals der Antragstellerin stellen jedoch keine Gefahren dar, für deren Vermeidung die Antragstellerin als Hafenbetreiberin nach dem Landesgesetz über die Sicherheit in Hafenanlagen und Häfen in Anspruch genommen werden könnte.

83

2.2.2.2.3. Die inhaltlichen Voraussetzungen des § 3 Abs. 2 LHafVO liegen hier indessen nicht vor. Nach Auffassung der Kammer setzt ein Einschreiten nach dieser Vorschrift eine hafenspezifische Gefahr voraus. Dies ergibt sich aus dem Gesamtzusammenhang der Bestimmungen der Landeshafenverordnung. Es geht hier darum, Gefahren für die öffentliche Sicherheit oder Ordnung, den Verkehr oder den Betrieb im Hafen abzuwehren. Ferner hat die Hafenbehörde Gefahren abzuwehren, die aus dem Zustand der Hafenanlagen herrühren oder die deren ordnungsgemäßen Zustand beeinträchtigen. Es geht folglich um den Schutz des Hafens und dessen Betrieb. Die Ziffern 1 bis 3 der Verfügung vom 4. April 2017 bezwecken jedoch gerade nicht den Schutz des Hafenbetriebs, sondern dienen allein der Aufrechterhaltung des öffentlichen Straßenverkehrs innerhalb des Hafengeländes, also einer Maßnahme, die geeignet ist, den Schutz des Hafenbetriebs zu gefährden. Dies stellt aber keine hafenspezifische Gefahr dar. Die Antragsgegnerin kann in diesem Zusammenhang auch nicht aus § 5 Abs. 2 LHafVO, wonach Unbefugte das Hafengebietaußerhalb der öffentlichen Straßen und Zugänge nur mit Erlaubnis des Hafenunternehmers betreten oder befahren dürfen, herleiten, dass im Umkehrschluss Dritte sich auf den öffentlichen Straßen bewegen dürfen. Denn die Hafenstraße stellt in dem betroffenen Bereich, wie noch auszuführen sein wird, gerade keine öffentliche Straße dar.

84

2.2.2.2. Eine Umdeutung der hafenrechtlichen Anordnung in eine straßenrechtliche oder polizeirechtliche Verfügung scheidet aus.

85

Gemäß § 1 LVwVfG i.V.m. § 47 Abs. 1 VwVfG kann ein fehlerhafter Verwaltungsakt in einen anderen Verwaltungsakt umgedeutet werden, wenn er auf das gleiche Ziel gerichtet ist, von der erlassenden Behörde in der geschehenen Verfahrensweise und Form rechtmäßig hätte erlassen werden können und wenn die Voraussetzungen für dessen Erlass erfüllt sind.

86

2.2.2.2.1. Zunächst kann die Verfügung nicht auf § 41 Abs. 8 Satz 1 Landesstraßengesetz – LStrG – gestützt werden. Danach kann, sofern eine Straße ohne die erforderliche Sondernutzungserlaubnis benutzt oder der Erlaubnisnehmer seinen Verpflichtungen nicht nachkommt, die Straßenbaubehörde die erforderlichen Maßnahmen zur Beendigung der Benutzung oder zur Erfüllung der Auflagen anordnen.

87

Gemäß § 41 Abs. 1 Satz LStrG bedarf der Gebrauch der Straße über den Gemeingebrauch hinaus (Sondernutzung) der Erlaubnis der Straßenbaubehörde. Zwar wird die Sperrung einer Straße durch ein Tor von dieser Vorschrift erfasst (vgl. OVG Mecklenburg-Vorpommern., Beschluss vom 11. November 1998 - 1 M 135/97, LKV 1999, 514; VG Greifswald, Beschluss vom 22. Februar 2000 – 2 B 114/98 –, juris).

88

Allerdings ist § 41 Abs. 8 Satz 1 LStrG schon deshalb nicht einschlägig, weil die Antragstellerin die Sperrung der Hafenstraße innerhalb ihres Containerterminals noch nicht verwirklicht hat und damit noch keine Sondernutzung vorliegt.

89

Als Rechtsgrundlage für die Ziffern 1 bis 3 der Verfügung vom 4. April 2017 kommt auch nicht § 48 Abs. 1 LStrG in Betracht. Danach obliegt der Straßenbaubehörde u.a. die Verwaltung der öffentlichen Straßen; sie hat die hierfür notwendigen Maßnahmen zu treffen. Zwar hält es die Kammer nicht von vornherein ausgeschlossen, ein präventives Verbot der Sperrung einer öffentlichen Straße auf die genannte Vorschrift zu stützen (vgl. zum Erlass eines auf § 59 Abs. 1 Landesbauordnung – LBauO - präventiven Bauvorbots VG Neustadt, Beschluss vom 09. Mai 2000 – 4 L 925/00.NW –, juris). Dies bedarf indessen keiner Vertiefung, denn die Anwendung des § 48 Abs. 1 Satz 2 LStrG scheitert schon daran, dass diese Vorschrift voraussetzt, dass es sich bei der betroffenen Straße um eine öffentliche Straße im Sinne des § 1 Abs. 3 LStrG handelt.

90

Eine öffentliche Straße bedarf der Widmung gemäß § 36 LStrG. Voraussetzung für die Widmung ist nach § 36 Abs. 2 LStrG, dass der Träger der Straßenbaulast Eigentümer des der Straße dienenden Grundstückes ist oder der Eigentümer und ein sonst zur Nutzung dinglich Berechtigter der Widmung zugestimmt haben oder der Träger der Straßenbaulast im Enteignungsverfahren in den Besitz des der Straße dienenden Grundstückes eingewiesen ist. Die Widmung ist öffentlich bekannt zu machen (§ 36 Abs. 3 LStrG). Vorliegend steht nach übereinstimmenden Angaben der Beteiligten fest, dass die Hafenstraße in dem betreffenden Bereich innerhalb des Hafengeländes zu keinem Zeitpunkt gewidmet worden ist.

91

Die Hafenstraße ist auch keine öffentliche Straße ist Sinne des § 54 Satz 1 und 2 LStrG. Danach sind alle Straßen, die nach bisherigem Recht die Eigenschaft einer öffentlichen Straße haben, öffentliche Straßen im Sinne dieses Gesetzes. Dies wird für Straßen, die seit dem 31. März 1948 dem öffentlichen Verkehr dienen, vermutet. Es steht außer Frage, dass die Hafenstraße innerhalb des Hafengeländes erst nach dem 31. März 1948, nämlich im Jahre 1967, als der Hafen nach Ergehen des Planfeststellungsbeschlusses angelegt wurde, gebaut wurde.

92

Eine Widmung der Hafenstraße ist auch nicht durch den im Jahre 1967 erlassenen Planfeststellungsbescheid erfolgt. Zwar liegen dem Gericht die diesbezüglichen Verwaltungsakten nicht vor, da sie bei der SGD Süd bisher nicht aufgefunden werden konnten. Dies ist hier aber unschädlich, denn im Jahre 1967 galt die Vorschrift des § 36 Abs. 4 Satz 1 LStrG, wonach bei Straßen, deren Bau in einem Planfeststellungsverfahren geregelt wird, die Widmung in diesem Verfahren mit der Maßgabe verfügt wird, dass sie mit der Verkehrsübergabe wirksam wird, noch nicht. Die genannte Bestimmung wurde erst mit dem Vierten Gesetz zur Änderung des Landesstraßengesetzes vom 27. Oktober 1986 in das Gesetz aufgenommen (GVBl. Seite 277) und sollte ausweislich der Gesetzesbegründung der „Verfahrenskonzentration“ dienen sowie dazu beitragen, dass ein Auseinanderfallen von Verkehrsfreigabe und Widmung (die Straße ist ansonsten während dieses Zeitraumes nur verkehrsrechtlich öffentlich) vermieden wird (Landtagsdrucksache 10/2174).

93

Schließlich ergibt sich eine Widmung der Hafenstraße auch nicht aus dem im Jahre 1991 in Kraft getretenen Bebauungsplan „Landeshafen“ der Antragsgegnerin. Im Gegensatz zum Bayerisches Straßen- und Wegegesetz (s. dort Art. 6 Abs. 7) ersetzt ein Bebauungsplan die Widmung nach rheinland-pfälzischem Recht jedoch nicht (s. auch Bogner/Bitterwolf-de Boer u.a., Praxis der Kommunalverwaltung, Satnd August 2016, § 36 LStrG, Anm. 14.3.).

94

Da die Vorschriften des Straßenrechts nach dem Landesstraßengesetz nur für gewidmete öffentliche Straßen und Wege gelten, eine öffentliche Straße in diesem Sinne hier aber nicht vorliegt, kann die Verbotsverfügung nicht auf das Landesstraßengesetz gestützt werden.

95

2.2.2.2.2. Auch eine Umdeutung der hafenrechtlichen Anordnung vom 4. April 2017 in eine polizeirechtliche Verbotsverfügung scheidet nach Auffassung der Kammer aus.

96

In Betracht kommt allerdings die Vorschrift des § 9 Abs. 1 Satz 1 Polizei- und Ordnungsbehördengesetz – POG –. Danach können u.a. die allgemeinen Ordnungsbehörden die notwendigen Maßnahmen treffen, um eine im einzelnen Fall bestehende Gefahr für die öffentliche Sicherheit oder Ordnung abzuwehren, soweit nicht die §§ 9 a bis 42 ihre Befugnisse besonders regeln.

97

Auf die allgemeine Regelung in § 9 Abs. 1 Satz 1 POG kann hier zurückgegriffen werden, da das hier – wie noch auszuführen sein wird – zu prüfende Straßenverkehrsrecht keine speziellen Ermächtigungen für Maßnahmen zur Beseitigung von Gegenständen auf der Straße oder der Verhinderung der Aufbringung von Gegenständen auf die Straße enthalten.

98

a) Bei der Hafenstraße handelt es sich um eine tatsächlich-öffentliche Verkehrsfläche, für die mangels Widmung zwar nicht die Vorschriften des Landesstraßengesetzes, aber die des bürgerlichen Rechts und des Straßenverkehrsrechts gelten. Das Straßenverkehrsrecht geht auf Grund seiner sicherheitsrechtlichen Zwecksetzungen von einem weiten Begriff der öffentlichen Verkehrsflächen aus. Zu ihnen zählen auch (private) Flächen, auf denen der Verfügungsberechtigte auf Grund ausdrücklicher oder stillschweigender Duldung die Benutzung durch jedermann tatsächlich zugelassen hat und dort dementsprechend die typischen Gefahren des Straßenverkehrs abzuwehren sind. Auf diesen Flächen gilt dann auf Grund dessen die Straßenverkehrsordnung (vgl. Bay. VGH, Beschluss vom 11. Januar 2005 – 8 CS 04.3275 –, juris; Bay. VGH, Urteil vom 26. Februar 2013 – 8 B 11.1708 –, BayVBl 2013, 629).

99

Die Schließung des Hafengeländes mit Hilfe des Anbringens zweier Tore würde gegen § 32 Abs. 1 Satz 1 Straßenverkehrsordnung – StVO – verstoßen. Danach ist es u.a. verboten, Gegenstände auf Straßen zu bringen oder dort liegen zu lassen, wenn dadurch der Verkehr gefährdet oder erschwert werden kann. Eine eigenmächtige Sperrung der Straße würde ferner eine unzulässige Selbsthilfe im Sinne von § 229 Bürgerliches GesetzbuchBGB – und eine verbotene Eigenmacht im Sinne von § 859 Abs. 3 BGB darstellen. Die konkrete Sperrung einer tatsächlich-öffentlichen Verkehrsfläche hebt deren Eigenschaft nicht auf. Denn auch diese Eigenschaft kann endgültig nur in den von der Rechtsordnung bereitgestellten behördlichen und gerichtlichen Verfahren beseitigt werden (vgl. § 230 Abs. 1 BGB; Bay. VGH, Beschluss vom 11. Januar 2005 – 8 CS 04.3275 –, juris).

100

b) Eine Umdeutung der hafenrechtlichen Anordnung vom 4. April 2017 in eine polizeirechtliche Ordnungsverfügung scheidet hier jedoch aus, weil die Voraussetzungen für den Erlass einer polizeirechtlichen Ordnungsverfügung nicht gegeben sind.

101

aa) Zwar hält die Kammer entgegen der Auffassung der Antragstellerin und der Beigeladenen die Anordnung vom 4. April 21017 nicht für unbestimmt. Gemäß § 1 LVwVfG i.V.m. § 37 Abs. 1 VwVfG muss ein Verwaltungsakt inhaltlich hinreichend bestimmt sein. Hinreichende Bestimmtheit eines belastenden Verwaltungsakts bedeutet, dass der „Entscheidungssatz“ der Regelung - ggf. im Zusammenhang mit den Gründen - für den Betroffenen klar und unzweideutig erkennen lässt, was von ihm verlangt wird und die Behörde auf der Grundlage der ausgesprochenen Regelung ggf. eine Vollstreckung durchführen könnte. Im Einzelnen richtet sich der Maßstab nach dem jeweiligen Regelungsgehalt und den Besonderheiten des angewendeten materiellen Rechts (Kopp/Ramsauer, VwVfG, 16. Auflage 2015, § 37 Rn. 5 f.).

102

Die Verfügung vom 4. April 2017 bezeichnet in den Ziffern 1 und 2 des Tenors genau, was von der Antragstellerin verlangt wird, nämlich das Verbot, die Hafenstraße östlich ab der Zufahrt zum Terminal (Tor 1) und westlich aus Richtung Obstwiese ab Beginn des Terminals (Tor 2) generell für den öffentlichen Verkehr ab dem 10. April 2017 zu sperren sowie die Nutzung der genannten Straße für den Verkehr durch Baumaßnahmen oder Absperrungen einzuschränken. Sämtliche anderen Angaben im Tenor des Bescheids, insbesondere die gesamte Ziffer 3 haben ersichtlich keine weitergehende Bedeutung in Bezug auf die der Antragstellerin aufgegebene Verpflichtung, die Sperrung zu unterlassen.

103

bb) Es liegt auch eine Gefahr für die öffentliche Sicherheit vor, da – wie ausgeführt – eine eigenmächtige Sperrung der Straße eine unzulässige Selbsthilfe im Sinne von § 229 BGB und eine verbotene Eigenmacht im Sinne von § 859 Abs. 3 BGB darstellen würde. Zu den Schutzgütern der öffentlichen Sicherheit gehört die gesamte Rechtsordnung, so dass ein Verstoß gegen die genannten Bestimmungen einen Verstoß gegen die öffentliche Sicherheit darstellt.

104

cc) Allerdings hält die Kammer die Ermessenserwägungen der Antragsgegnerin nicht für ausreichend. In ihrer Ermessensentscheidung hat die Antragsgegnerin nämlich die Interessen der Antragstellerin nicht hinreichend gewürdigt.

105

So geht die Antragsgegnerin in dem Bescheid zunächst unzutreffend davon aus, dass sie über die Frage, ob die Hafenstraße innerhalb des Hafengeländes für den öffentlichen Straßenverkehr gesperrt werden darf, selbst entscheidungsbefugt ist und eine inhaltliche Prüfung vornehmen darf. Dem ist nach Auffassung der Kammer jedoch nicht so. Wie ausgeführt, handelt es sich bei der Hafenstraße nicht um eine öffentliche Straße im Sinne des Straßenrechts, sondern um eine tatsächlich-öffentliche Verkehrsfläche im Sinne des Straßenverkehrsrechts auf Privatgelände. Nach § 903 BGB kann der Eigentümer einer Sache, soweit nicht das Gesetz oder Rechte Dritter entgegenstehen, mit der Sache nach Belieben verfahren und andere von jeder Einwirkung ausschließen. Diese Voraussetzungen sind hier erfüllt. Das Land Rheinland-Pfalz, das einen Teil des Grundstücks Flurstück-Nr. ... an die Antragstellerin vermietet hat, ist Eigentümer des genannten Grundstücks und damit auch Eigentümer der auf diesem Grundstück verlaufenden Straßenfläche. Diese Fläche ist als (unbewegliche) „Sache“ im Sinn des § 903 BGB zu qualifizieren (vgl. Bay. VGH, Urteil vom 26. Februar 2013 – 8 B 11.1708 –, BayVBl 2013, 629). Das Land Rheinland-Pfalz übt als Eigentümer auf dieser privaten Fläche sein privatrechtliches Hausrecht aus. Dieses ermöglicht seinem Inhaber, grundsätzlich frei darüber zu entscheiden, wem er den Zutritt zu der Örtlichkeit gestattet und wem er ihn verwehrt. Das schließt das Recht ein, den Zutritt nur zu bestimmten Zwecken zu erlauben oder von Bedingungen abhängig zu machen und die Einhaltung dieser Zwecke mittels eines Hausverbots durchzusetzen (vgl. OVG Nordrhein-Westfalen, Urteil vom 19. Juni 2013 – 4 A 1065/12 –, DVBl 2013, 1204).

106

Die weitere Tatbestandsvoraussetzung, dass der Ausübung der Eigentümerbefugnisse kein Gesetz und keine Rechte Dritter entgegenstehen, liegt ebenfalls vor. Das Recht des Landes Rheinland-Pfalz zum Ausschluss der Allgemeinheit von der Nutzung der betroffenen Straßenfläche innerhalb des Hafengeländes durch Sperrung dieser Fläche ist insbesondere nicht, wie oben ausgeführt, durch einen Gemeingebrauch (§ 34 LStrG) infolge einer öffentlich-rechtlichen Widmung nach § 36 LStrG eingeschränkt.

107

Da das Land Rheinland-Pfalz als Eigentümer und damit Verfügungsberechtigter des Straßenabschnitts in der Vergangenheit allerdings die Benutzung durch die Allgemeinheit zugelassen hat und es sich daher um eine tatsächlich-öffentliche Verkehrsfläche handelt, muss es die Zustimmung zu dieser Nutzung widerrufen, da es nicht ohne Weiteres berechtigt ist, den Straßenabschnitt zu sperren. Ein Eigentümer kann zur Wahrnehmung seiner Rechte aber die von der Rechtsordnung vorgesehenen behördlichen und gerichtlichen Mittel ergreifen und sich einen entsprechenden Rechtstitel verschaffen (vgl. Bay. VGH, Urteil vom 26. Februar 2013 – 8 B 11.1708 –, BayVBl 2013, 629 m.w.N.). Dass die tatsächlich-öffentliche Verkehrsfläche durch das Straßenverkehrsrecht geschützt ist, ist in diesem Zusammenhang unerheblich, weil die Zustimmung des Verfügungsberechtigten zur Nutzung der Fläche durch die Allgemeinheit, wenn sie nicht unwiderruflich erteilt wurde, grundsätzlich jederzeit widerrufen werden kann (Bay. VGH, Urteil vom 26. Februar 2013 – 8 B 11.1708 –, BayVBl 2013, 629).

108

Die Antragsgegnerin geht daher in dem Bescheid vom 4. April 2017 von falschen Voraussetzungen aus, wenn sie der Auffassung ist, sie sei über die Frage der Zulässigkeit der Sperrung allein entscheidungsbefugt. Das Land Rheinland-Pfalz hatte die Antragstellerin im Mietvertrag dazu ermächtigt, die Straße auf beiden Zufahrtsseiten durch Errichtung von Zäunen und Toren für den öffentlichen Verkehr zu sperren und dies gegenüber der Antragsgegnerin mit Schreiben vom 7. Dezember 2015 kundgetan. Dies ist als Widerruf der Zustimmung zur Nutzung der Hafenstraße innerhalb des Hafengeländes zu werten. Entsprechend teilte die vom Land Rheinland-Pfalz bevollmächtigte Antragstellerin am 15. März 2017 der Antragsgegnerin mit, dass die Sperrung demnächst erfolgen solle. Es ging also nur noch darum, eine Erklärung der Antragsgegnerin zu der bevorstehenden Sperrung einzuholen, um ein gerichtliches Verfahren zu vermeiden. Die Antragsgegnerin hat in dem streitgegenständlichen Bescheid nicht hinreichend beachtet, dass das Land Rheinland-Pfalz als Eigentümer des Grundstücks Flurstück-Nr. ... vom Prinzip her einen Anspruch auf Zustimmung zu dem Widerruf hat. Die Antragsgegnerin hat in dem Bescheid die Zulässigkeit der beabsichtigten Sperrung inhaltlich mit der Begründung abgelehnt, die Sperrung sei unverhältnismäßig, weil mildere Mittel wie z.B. die Anlegung eines Schutzstreifens für Fahrradfahrer oder die Einführung eines Einbahnverkehrs im Hafengelände zur Verfügung stünden. Die Antragsgegnerin hat in ihrer Ermessensentscheidung damit nicht hinreichend berücksichtigt, dass ein Eigentümer über sein Eigentum grundsätzlich frei verfügen darf. Die Antragsgegnerin hat die betroffene Verkehrsfläche wie eine öffentliche Straße im Sinne des Straßenrechts behandelt, obwohl diese Voraussetzungen nicht gegeben sind.

109

Vor dem Hintergrund, dass es als ausgeschlossen angesehen werden kann, dass es der Antragsgegnerin gelingt, die streitbefangene Straßenfläche - ggf. nach Beschaffung der Verfügungsmacht im Wege einer Enteignung - zu widmen, stellt die Antragsgegnerin auch ermessensfehlerhafte Erwägungen in Bezug auf die in Betracht kommende Alternativstrecke über den Bermenweg an. Zwar führt die Antragsgegnerin in dem Bescheid aus, die alternative Zuwegung sei in Aussicht gestellt und die Vorbereitungen seien im Gange. Faktisch unternimmt die Antragsgegnerin jedoch nichts, um eine zügige Inbetriebnahme der Alternativstrecke über den Deichverteidigungsweg für den Anliegerverkehr herbeizuführen. Dies dürfte darauf zurückzuführen sein, dass im Falle der Einführung des Anliegerverkehrs zwischen dem Aussiedlerhof … und der Abzweigung zur Gaststätte „R“ zwar die östlich des Grundstücks Flurstück-Nr. ... gelegenen Grundstücke (u.a. mit der Gaststätte „R“ und dem Segelverein …) über den Bermenweg erschlossen wären, jedoch der bisherige Fahrradverkehr durch das Hafengelände nicht länger stattfinden könnte. Der Fahrradverkehr auf der Hafenstraße im Hafengelände ist jedoch nicht geschützt, da der betroffene Straßenabschnitt innerhalb des Hafengeländes keine gewidmete öffentliche Straße ist. Der offizielle Rhein-Radweg führt nicht mehr durch das Hafengelände (s. http://www.rhein-radweg-rlp.de/de/cms-karte/interaktive-karte-1-15-1-15.html), so dass das Land Rheinland-Pfalz nicht gehindert ist, den Radverkehr im Hafen auszuschließen. Dies hat auch die Antragsgegnerin bei ihrer Ermessensentscheidung zu berücksichtigen.

110

Was die östlich des Grundstücks Flurstück-Nr. ... gelegenen Grundstücke anbetrifft, so sind die rechtlichen Voraussetzungen für eine Erschließung über den Bermenweg gegeben. Zwar ist bisher die Strecke des Bermenweges zwischen dem Aussiedlerhof … und dem Abzweig zur Gaststätte „R“ nur für den landwirtschaftlichen Verkehr freigegeben. Jedoch hat die SGD Süd im Schreiben vom 3. August 2016 an die Antragsgegnerin sich damit einverstanden erklärt, im Hinblick auf die beabsichtigte Sperrung der Hafenstraße im Landeshafen Wörth im Bereich des Containerterminals der Antragstellerin den Deichverteidigungsweg entlang der … als Erschließungsstraße für die Ritterhecke vom Hafen Maximiliansau für einen Übergangszeitraum von mehreren Jahren nutzen zu lassen. Die Antragsgegnerin hat hierzu am 16. März 2017 ihre ausdrückliche Zustimmung erklärt und angegeben, sie bestätige die Änderung der laufenden Nr. 12 (Deich-km 15,440 – 16,378) von „frei für die Landwirtschaft“ in „frei für Anlieger“. Am 17. März 2017 erteilte der gemäß § 17 Rheindeichordnung zuständige Landkreis Germersheim der Antragsgegnerin eine Genehmigung nach der Rheindeichordnung zur Anpassung des Deichverteidigungsweges dergestalt, dass dieser künftig zwischen dem Aussiedlerhof Ludwigsau und dem Abzweig zur Gaststätte auch für Anlieger genutzt werden kann.

111

Damit steht einer Erschließung der östlich des Grundstücks Flurstück-Nr. ... gelegenen Grundstücke rechtlich nichts mehr entgegen. Bei Anbringung des Zusatzzeichens „frei für Anlieger“ sind neben den Eigentümern oder Nutzungsberechtigten eines Grundstücks, welches an der Straße „anliegt“ auch alle Personen berechtigt, die zu einem Anlieger Beziehungen irgendwelcher Art unterhalten oder anknüpfen wollen (vgl. BVerwG, Urteil vom 15. Februar 2000 – 3 C 14/99 –, NJW 2000, 2121). Auch Gewerbetreibende und ihre Kunden gehören nach diesem Verständnis zu der Verkehrsteilnehmergruppe, die von der Regelung „Anlieger frei“ erfasst werden (s. VG Bremen, Beschluss vom 11. April 2011 – 5 V 2085/10 –, juris). So wird gewährleistet, dass einem Anlieger durch das Verkehrsverbot, von dem er ohne Beschränkungen befreit sein soll, keine Nachteile entstehen. „Anlieger“ in diesem Sinne sind vorliegend somit der Betreiber der Gaststätte „R“ und dessen Gäste, die Mitglieder des Segelvereins … und die Fischereiausübungsberechtigten und zwar unabhängig davon, ob sie mit dem Kfz oder dem Fahrrad den Bermenweg befahren.

112

Nach Angaben des beim Erörterungstermin am 26. Juni 2017 anwesenden Vertreters der SGD Süd kann die alternative Ausweichstrecke für Anlieger über den Bermenweg innerhalb von 4 bis 6 Wochen ausgebaut werden. Da die Antragsgegnerin auch schon Pläne über den verkehrsgerechten Ausbau des Deichverteidigungsweges hat erstellen lassen, gibt es keinen rechtlich anerkennenswerten Grund, die Umsetzung der alternativen Erschließung zu verzögern und sich im Bescheid vom 4. April 2107 auf die noch nicht vorhandene Ausweichstrecke zu berufen. Die Antragsgegnerin hat es vielmehr selbst in der Hand, einen polizeirechtlich und straßenverkehrsrechtlich einwandfreien Zustand herzustellen, indem sie zügig die Baumaßnahmen an dem Bermenweg ausführt.

113

Leidet daher im Ergebnis die Anordnung vom 4. April 2017 in Bezug auf die Ziffern 1 bis 3 des Tenors an Ermessensfehlern, so sind die Verwaltungsakte derzeit offensichtlich rechtswidrig. Damit ist dem Aussetzungsinteresse der Antragstellerin der Vorrang gegenüber dem Vollzugsinteresse der Antragsgegnerin einzuräumen.

114

2.3. Nachdem die Anordnungen in den Ziffern 1 bis 3 des Bescheids vom 4. April 2017 momentan offensichtlich rechtswidrig sind, ist auch die akzessorische Regelung in Ziffer 5 (Zwangsmittelandrohung) als offensichtlich rechtswidrig anzusehen.

115

B. Der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung nach § 123 Abs. 1 VwGO, mit der festgestellt werden soll, dass die Antragstellerin berechtigt ist, die Hafenstraße nach Maßgabe der ihrem Ankündigungsschreiben vom 15. März 2017 beigefügten Skizze zwischen der Zufahrt zum Terminal am Tor 1 bis zum Tor 2 für den öffentlichen Verkehr zu sperren, ist bereits unzulässig.

116

1. Zwar steht der Zulässigkeit des Antrags nicht entgegen, dass die Antragstellerin einen Feststellungsantrag gestellt hat.

117

In der Hauptsache wäre vorliegend eine Feststellungsklage nach § 43 Abs. 1 VwGO statthaft (vgl. Bay. VGH, Urteil vom 26. Februar 2013 – 8 B 11.1708 –, BayVBl 2013, 629). Aber auch in einem vorläufigen Rechtsschutzverfahren kann grundsätzlich die vorläufige Feststellung des Bestehens oder Nichtbestehens eines Rechtsverhältnisses im Sinne von § 43 Abs. 1 VwGO begehrt werden (vgl. OVG Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 22. Juni 2017 – 13 B 238/17 –, juris m.w.N.).

118

2. Nach Auffassung der Kammer fehlt der Antragstellerin jedoch die nach § 42 Abs. 2 VwGO analog erforderliche Antragsbefugnis (zur Anwendbarkeit des § 42 Abs. 2 VwGO auf die Feststellungsklage s. z.B. BVerwG, Urteil vom 28. November 2007 – 9 C 10/07 –, NVwZ 2008, 423).

119

Danach muss die Antragstellerin prinzipiell geltend machen, in eigenen Rechten verletzt zu sein. Prozessführungsbefugt ist nach allgemeinen Grundsätzen jeder, der sich auf eigene Rechte beruft, d. h. behauptet, Inhaber des von ihm im eigenen Namen geltend gemachten Rechts zu sein. Ferner ist antragsbefugt derjenige, der in zulässiger Weise im eigenen Namen fremde Rechte geltend macht, und zwar entweder kraft gesetzlicher Ermächtigung (sog. gesetzliche Prozessstandschaft) oder aufgrund einer Ermächtigung des Inhabers des Rechts (sog. gewillkürte Prozessstandschaft). Vorliegend kommt allein eine gewillkürte Prozessstandschaft in Betracht, da das Land Rheinland-Pfalz, das Eigentümer des Hafengrundstücks und damit verfügungsberechtigt ist, den Widerruf auszusprechen, im Mietvertrag vom 15. Dezember 2015 der Antragstellerin das Recht eingeräumt hat, die Straße zu sperren.

120

Ob im Verwaltungsprozess eine gewillkürte Prozessstandschaft zulässig ist, ist nicht abschließend geklärt. Die Frage wird von Rechtsprechung und Literatur überwiegend verneint (s. z.B. VGH Baden-Württemberg, Urteil vom 15. Dezember 2016 – 2 S 2505/14 –, juris; Wahl/Schütz in Schoch/Schneider/Bier, VwGO, Stand Oktober 2016, § 42 Abs. 2 Rn. 37). Die Kammer hält im Anwendungsbereich des § 42 Abs. 2 VwGO und auch dem seiner analogen Anwendung im Fall einer Feststellungsklage eine Erweiterung der Geltendmachungsmöglichkeit von Rechten nur im Rahmen von gesetzlich geregelten Ausnahmen für zulässig, nicht aber eine gewillkürte Prozessstandschaft.

121

Es steht dem Land Rheinland-Pfalz, das inzwischen am 4. Juli 2017 gegenüber der Antragsgegnerin die Duldung der Nutzung der Hafenstraße innerhalb des Hafengeländes widerrufen und die Feststellung begehrt hat, dass sie berechtigt ist, die Hafenstraße in dem fraglichen Teilstück zu sperren, frei, selbst einen Antrag auf Erlass einer vorläufigen Feststellung zu stellen. Es erscheint allerdings angezeigt, mit einem solchen Antrag zuzuwarten, bis die Antragsgegnerin zu dem Feststellungsantrag des Landes Rheinland-Pfalz in Kenntnis des Beschlusses der Kammer vom heutigen Tage in angemessener Zeit Stellung genommen hat.

122

Die Kostenentscheidung beruht auf § 155 Abs. 1 Satz 1 VwGO.

123

Die Streitwertfestsetzung folgt aus den §§ 52 Abs. 2, 53 Abs. 3 Nr. 2, 63 Gerichtskostengesetz – GKG – i.V.m. der Ziffer 35.1. des Streitwertkatalogs für die Verwaltungsgerichtsbarkeit vom Juli 2013. In Bezug auf den Bescheid vom 4. April 2017 geht die Kammer von einem Streitwert von 5.000 € aus, der nicht zu reduzieren war (s. Ziffer 1.5. Satz 2 des Streitwertkatalogs für die Verwaltungsgerichtsbarkeit vom Juli 2013). In Bezug auf den Antrag zu 2) legt die Kammer ebenfalls den Auffangstreitwert von 5.000 € zugrunde.

Tenor

I.

Die Beschwerde wird zurückgewiesen.

II.

Der Antragsteller hat die Kosten des Beschwerdeverfahrens zu tragen.

III.

Der Streitwert für das Beschwerdeverfahren wird auf 2.500 Euro festgesetzt.

Gründe

I.

Der Antragsteller wendet sich im Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes gegen die zwangsgeldbewehrte und für sofort vollziehbar erklärte Baueinstellungsverfügung der Antragsgegnerin vom 15. Mai 2015. Nach Nr. 1 des Bescheidstenors hat der Antragsteller die Bauarbeiten zur Errichtung des Wohngebäudes auf dem Grundstück FlNr. ... der Gemarkung H. (Baugrundstück) ab sofort einzustellen. Für den Fall, dass die Arbeiten entgegen der Nr. 1 des Bescheids fortgesetzt werden, wurde dem Antragsteller ein Zwangsgeld in Höhe von 2.500 Euro angedroht. Ausweislich der Bescheidsbegründung sei anlässlich einer Ortsbesichtigung festgestellt worden, dass die erforderliche Abstandsfläche (Anm.: der östlichen Außenwand) zum auf der gegenüberliegenden Straßenseite gelegenen Baugrundstück S.-Straße Hs-Nr. ... (FlNr. ...) nicht eingehalten werde. Bis zu einer Entscheidung über einen möglichen Rückbau solle verhindert werden, dass vollendete Tatsachen geschaffen werden.

Mit Bescheid vom 17. Juni 2014 war dem Antragsteller die bauaufsichtliche Genehmigung zum Neubau eines Wohnhauses mit Garage auf dem Baugrundstück im „vereinfachten Verfahren gemäß Art. 59 BayBO“ erteilt worden. Beantragt wurde u. a. eine „Befreiung von der vorgegebenen Wandhöhe 5,50 m auf (eine) Wandhöhe 5,95 m beim Wohngebäude“; dies betrifft die Wandhöhe zur S.-Straße hin (Anm.: östliche Außenwand). Mit der Baugenehmigung vom 17. Juni 2014 wurde die „beantragte Befreiung von den Festsetzungen des rechtsverbindlichen Bebauungsplans … (statt max. 5,50 m - rd. 6 m)“ nach § 31 Abs. 2 BauGB erteilt. Tatsächlich wurde die östliche Außenwand des Wohngebäudes des Antragstellers 5,98 m hoch errichtet (Anm.: gemessen vom Straßenniveau). (Nur) Hinsichtlich der Grenzgarage wurde auch eine Abweichung von den Abstandsflächenvorschriften erteilt. Unter dem Datum 5. Mai 2015 stellte der Antragsteller einen Änderungsantrag für die Erteilung einer Abweichung von den Abstandsflächenvorschriften hinsichtlich des Wohnhauses gegenüber den östlichen, nördlichen und südlichen Nachbargrundstücken. Über diesen Antrag wurde noch nicht entschieden.

Gegen die Baueinstellungsverfügung vom 15. Mai 2015 ließ der Antragsteller am 15. Juni 2015 Anfechtungsklage erheben. Gleichzeitig beantragte er, die aufschiebende Wirkung seiner Anfechtungsklage betreffend Nr. 1 des Bescheids vom 15. Mai 2015 wiederherzustellen. Das Verwaltungsgericht lehnte den Antrag mit Beschluss vom 20. Juli 2015 im Wesentlichen mit der Begründung ab, das Vorhaben des Antragstellers halte die Abstandsflächen an drei Seiten nicht ein. Erscheine im Hinblick auf die Abstandsflächen zu den nördlichen und südlichen Nachbarn aufgrund der von diesen erteilten Nachbarzustimmungen die Erteilung einer Abweichung nach Art. 63 Abs. 1 Satz 1 BayBO möglich, scheitere derzeit die Herstellung rechtmäßiger Zustände an einer Abstandsflächenübernahme durch die Eigentümerin des (Anm.: östlich des Baugrundstücks, jenseits der S.-Straße liegenden) Grundstücks FlNr. ..., die ihr fehlendes Einverständnis durch ihren bevollmächtigten Ehemann habe erklären lassen. Es sei nicht ersichtlich, dass die Baugenehmigung eine Aussage bezüglich einer umfassenden Prüfung der Abstandsflächen enthalte. In den Gründen des Baugenehmigungsbescheids vom 17. Juni 2014 werde ausdrücklich auf das Verfahren nach Art. 59 BayBO hingewiesen.

Mit seiner Beschwerde verfolgt der Antragsteller sein Begehren weiter. Das Vorhaben sei plangemäß ausgeführt worden. Die Wandhöhe der Ostfassade des Wohnhauses sei nach Maßgabe der textlichen Festsetzung Nr. 1.2 des Bebauungsplans mit 5,98 m zu bemessen. Diese Festsetzung wiederhole nicht bloß die Regelung des Art. 6 BayBO, sondern sei eine (eigenständige) Festsetzung. Die Abstandsflächensituation sei insoweit auch Gegenstand eines Antrags auf Befreiung gewesen, vom Prüfungsumfang des Art. 59 Satz 1 Nr. 1 bzw. Nr. 2 BayBO erfasst und unter Bezugnahme auf § 31 Abs. 2 BauGB auch erteilt worden. Die Inanspruchnahme der gesamten Straßenfläche für die Abstandsfläche habe die Antragsgegnerin bereits genehmigt, so dass im südlichen Teil der östlichen Außenwand mit einer Außenwandlänge von 4,50 m kein Abstandsflächenproblem bestehe. Im nördlichen Bereich der östlichen Außenwand auf einer Länge von 6 m liege die Abstandsfläche zwar mit einer Tiefe von 45 cm - 50 cm auf dem Nachbargrundstück. Dies sei jedoch eine Fläche, in der durch Dienstbarkeit gesicherte Versorgungsleitungen der Antragsgegnerin liegen würden, so dass sie nicht überbaut werden dürfe. Insoweit seien die Voraussetzungen des Art. 6 Abs. 2 Satz 3 Alt. 1 BayBO gegeben. Dessen ungeachtet hätte die Antragsgegnerin die Einhaltung der Abstandsflächen in vollem Umfang auch dann prüfen müssen, wenn nur eine Befreiung beantragt gewesen wäre. Der Verweis des Verwaltungsgerichts auf Art. 55 Abs. 2 BayBO sei verfehlt, weil angesichts der erteilten Befreiungen kein Fall der präventiven Prüfungsreduktion vorliege und diese Vorschrift keine Anwendung finde, in denen der Bauaufsichtsbehörde - wie hier - ein Fehler unterlaufen sei. Die Antragsgegnerin sei anlässlich des Ortstermins vom 7. Mai 2015 zu Unrecht davon ausgegangen, dass die östliche Außenwand des Wohnhauses vom Urgelände aus zu messen sei, woraus sich eine Abstandsflächenerstreckung von 70 cm - 80 cm auf das Nachbargrundstück errechne (Anm: anstelle der eingeräumten rechnerischen Abstandsflächenerstreckung von ca. 45 cm - 50 cm; vgl. Beschwerdebegründung vom 19.8.2015 S. 9), was aber der textlichen Festsetzung Nr. 1.2 widerspreche. Mit dieser irrigen Rechtsmeinung habe die Antragsgegnerin den Antragsteller aufgefordert, einen Änderungsantrag (Anm.: datiert auf den 5. Mai 2015; vgl. Anlage K2) zu stellen. Dieser, die irrige Rechtsauffassung der Antragsgegnerin berücksichtigende Änderungsantrag sei in der Erwartung einer Befreiung gestellt worden, die die Antragsgegnerin jedoch ausschließlich an die Zustimmung der Nachbarin geknüpft habe. Dies sei rechtsfehlerhaft, weil eine Befreiung im Hinblick auf Art. 6 Abs. 2 Satz 3 BayBO auch ohne Zustimmung möglich sei. Entgegen der Auffassung des Verwaltungsgerichts überwiege das öffentliche Interesse an der sofortigen Vollziehung der Baueinstellungsverfügung nicht die privaten Interessen des Antragstellers, weil die Baumaßnahme weder formell noch materiell rechtswidrig sei. Vielmehr sei zweifelsfrei erkennbar, dass die Klage in der Hauptsache Erfolg haben werde. Hinzu komme, dass die Antragsgegnerin bis heute nicht über ihr angebliches Recht auf Beseitigung entschieden habe, das sie mit der Baueinstellung sichern wolle. Der Antragsteller habe einen Anspruch auf eine Entscheidung (Anm.: wohl über den ausdrücklich gestellten Änderungsantrag vom 5. Mai 2015) innerhalb angemessener Frist. Die Baueinstellung sei in dieser Phase des Baus unverhältnismäßig. Der Antragsteller sei vor Erlass der Baueinstellungsverfügung nicht angehört worden. Er habe deshalb nicht geltend machen können, dass sich nicht die Eigentümerin des Nachbargrundstücks bei der Antragsgegnerin beschwert habe, sondern deren dinglich nicht berechtigter Ehemann. Hinsichtlich der weiteren Darlegungen des Antragstellers wird auf die umfängliche Beschwerdebegründung verwiesen.

Der Antragsteller beantragt sinngemäß,

unter Aufhebung des Beschlusses des Verwaltungsgerichts Regensburg vom 20. Juli 2015 die aufschiebende Wirkung der Anfechtungsklage vom 15. Juni 2015 gegen die Nr. 1 des Bescheids der Antragsgegnerin vom 15. Mai 2015 wiederherzustellen.

Die Antragsgegnerin beantragt,

die Beschwerde zurückzuweisen.

Trotz plangemäßer Errichtung des Vorhabens würden die Voraussetzungen des Art. 75 BayBO vorliegen. Das Vorhaben sei materiell rechtswidrig, weil sich die Abstandsfläche über die Mitte der öffentlichen Verkehrsfläche hinaus auf die gesamte Straßenfläche und teilweise sogar auf das gegenüber liegende Grundstück erstrecke, unabhängig davon welcher untere Bezugspunkt für die Bestimmung der Wandhöhe herangezogen werde. Zu Recht sei das Verwaltungsgericht davon ausgegangen, dass der Prüfumfang des Art. 59 BayBO nicht die Prüfung der Abstandsflächen insgesamt enthalten habe. Aus der Tatsache, dass eine Befreiung von der im Bebauungsplan festgesetzten Wandhöhe erteilt und eine beantragte Abweichung für die Westseite (Anm.: für eine Garage an der Nordgrenze) des Grundstücks ausgesprochen worden sei, folge nicht, dass die Antragsgegnerin an allen Seiten die Einhaltung der Abstandsflächen habe prüfen müssen. Die Baueinstellung sei erforderlich gewesen, um die Fertigstellung des Gebäudes zu verhindern, bis geklärt sei, auf welchem Weg rechtmäßige Zustände hergestellt werden könnten.

Hinsichtlich des weiteren Sach- und Streitstands wird auf den Inhalt der Gerichtsakten und der beigezogenen Behördenakten der Antragsgegnerin verwiesen.

II.

Die zulässige Beschwerde bleibt ohne Erfolg.

Die vom Antragsteller innerhalb der gesetzlichen Begründungsfrist dargelegten Gründe, auf die sich die Prüfung beschränkt (§ 146 Abs. 4 Satz 6 VwGO), rechtfertigen keine Abänderung oder Aufhebung der angefochtenen Entscheidung. Das Verwaltungsgericht hat den Antrag des Antragstellers zu Recht abgelehnt. Die Klage des Antragstellers im Hauptsacheverfahren wird voraussichtlich erfolglos bleiben, so dass das Interesse an der Herstellung der aufschiebenden Wirkung seiner Klage gegenüber dem Vollzugsinteresse an der angefochtenen Baueinstellungsverfügung nachrangig ist.

1. Entgegen der Rechtsauffassung des Antragstellers ist es der Antragsgegnerin als Bauaufsichtsbehörde nicht verwehrt, gegen das Vorhaben nach Art. 75 BayBO vorzugehen. Nach Art. 75 Abs. 1 Satz 1 BayBO kann die Bauaufsichtsbehörde die Einstellung der Arbeiten anordnen, wenn Anlagen im Widerspruch zu öffentlich-rechtlichen Vorschriften errichtet, geändert oder beseitigt werden. Ist eine bauaufsichtliche Genehmigung für ein Vorhaben erteilt, können die Arbeiten gleichwohl eingestellt werden, wenn sich die Genehmigung zu einem materiell-rechtlichen Baurechtsverstoß nicht verhält, einen solchen also nicht in formeller Hinsicht legalisiert. So liegt es hier.

a) Die östliche Außenwand des Wohnhauses des Antragstellers hält gegenüber dem jenseits der S.-Straße liegenden Grundstück FlNr. ... (Nachbargrundstück) die gesetzlichen Abstandsflächen nach Art. 6 BayBO nicht ein.

aa) Die östliche Außenwand des Wohnhauses des Antragstellers verläuft nach den Bauvorlagen in einem Abstand von 2 m zur Ostgrenze des Baugrundstücks und weist (nach Ansicht des Antragstellers) eine abstandsflächenrelevante Wandhöhe von 5,98 m auf. Die zwischen dem Bau- und dem Nachbargrundstück verlaufende S.-Straße ist in Höhe der beiden Grundstücke zwischen 4,50 m (südlicher Teil) und 3,50 m (nördlicher Teil) breit. Hiervon ausgehend überschreitet die bei einer unterstellten Wandhöhe von 5,98 m gegebene Tiefe der (vollen) Abstandsfläche nicht nur die Straßenmitte (vgl. Art. 6 Abs. 2 Satz 2 BayBO), sondern kommt im nördlichen Teil auch auf dem Nachbargrundstück zu liegen. Ausweislich der Bauvorlagen zur Baugenehmigung vom 17. Juni 2014 wird das Schmalseitenprivileg bereits gegenüber den im Norden und Süden gelegenen Nachbargrundstücken in Anspruch genommen, so dass seine weitere Anwendung nach Osten nicht in Betracht kommt (Art. 6 Abs. 6 Satz 1 BayBO).

bb) Der Antragsteller kann sich nicht mit Erfolg auf Art. 6 Abs. 2 Satz 3 Halbs. 1 Alt. 1 BayBO berufen, soweit die Abstandsfläche des nördlichen Teils der östlichen Außenwand auf das Nachbargrundstück fällt. Danach dürfen sich u. a. Abstandsflächen ganz oder teilweise auf andere Grundstücke erstrecken, wenn rechtlich oder tatsächlich gesichert ist, dass sie nicht überbaut werden. Selbst wenn hier aufgrund von Leitungsrechten oder aus sonstigen Gründen eine nicht überbaubare Grundstücksfläche i. S. d. Art. 6 Abs. 2 Satz 3 BayBO vorliegen würde, änderte dies nichts an der materiellem Recht widersprechenden und formell auch nicht legalisierten Inanspruchnahme der S.-Straße über deren Mitte hinaus (Art. 6 Abs. 2 Satz 2 BayBO). Davon abgesehen stünde eine ggf. nicht überbaubare Fläche des Nachbargrundstücks FlNr. ... in vollem Umfang diesem Grundstück (Eigentümergrundstück) für eine Abstandsflächenverlagerung zur Verfügung (vgl. Schwarzer/König, Bayerische Bauordnung, 4. Auflage 2012, Art. 6 Rn. 61 m. w. N.). Darauf, ob diese nach Ansicht des Antragstellers nicht überbaubare Fläche durch vorhandene bauliche Anlagen bereits abstandsflächenrechtlich in Anspruch genommen ist (vgl. Anlage K11), kommt es mithin nicht an.

b) Mit der Baugenehmigung vom 17. Juni 2014 wurde, anders als der Antragsteller vorträgt, keine Abweichung, Ausnahme oder Befreiung hinsichtlich der vor den Außenwänden des Wohnhauses liegenden Abstandsflächen erteilt.

aa) Nach Nr. 2 des Bescheidstenors der Baugenehmigung vom 17. Juni 2014 wurde die „beantragte Befreiung von den Festsetzungen des rechtsverbindlichen Bebauungsplans ‚W.‘ hinsichtlich der bergseitigen Wandhöhe des Wohnhauses (statt max. 5,50 m - rd. 6 m) zugelassen (§ 31 Abs. 2 BauGB)“.

Diese Befreiung erfolgt von der textlichen Festsetzung Nr. 1.2 des Bebauungsplans. Danach beträgt die Wandhöhe bergseits max. 5,50 m. Die Wandhöhe („Definition gemäß Art. 6 Abs. 3 BayBO“) wird bei Erschließung über verkehrsberuhigte Anliegerstraßen in Bezug auf das Niveau der angrenzenden Verkehrsflächen, von der aus das Gebäude erschlossen wird, festgesetzt; hier also vom Niveau der S. Straße aus. Die textliche Festsetzung Nr. 1.2 regelt das Maß der baulichen Nutzung i. S. v. § 9 Abs. 1 Nr. 1 BauGB, indem die Gebäudehöhe (vgl. § 16 Abs. 2 Nr. 4 BauNVO) auf ein bestimmtes maximales Maß in Metern festgelegt wird (hier: 5,50 m). Die der Planfestsetzung zugrunde gelegte Definition der „Wandhöhe“ in Anlehnung an den bauordnungsrechtlichen Begriff der Wandhöhe bestimmt (neben der auch festgesetzten Firsthöhe) die „erforderlichen Bezugspunkte“ i. S. d. § 18 Abs. 1 BauNVO bei der Festsetzung der Höhe baulicher Anlagen. Unterer Bezugspunkt ist demnach (hier) das Straßenniveau; der obere Bezugspunkt folgt aus dem Wortlaut des Art. 6 Abs. 3 BayBO 1998 bzw. aus Art. 6 Abs. 4 BayBO 2008 (Schnittpunkt der Wand mit der Dachhaut oder bis zum oberen Abschluss der Wand). Ob die textliche Festsetzung Nr. 1.2 zugleich - abweichend von Art. 6 Abs. 4 Satz 2 BayBO 2008 (bzw. Art. 6 Abs. 3 BayBO 1998) - das Straßenniveau anstelle der „Geländeoberfläche“ als unteren Bezugspunkt zur Ermittlung der Wandhöhe in abstandsflächenrechtlicher Hinsicht regelt, ist eher fraglich, kann zugunsten des Antragstellers aber unterstellt werden. Fest steht im Übrigen, dass unabhängig von den planlichen Festsetzungen durch Baugrenzen für die Abstandsflächen die Bestimmungen der Bayerischen Bauordnung gelten (Nr. 2 der textlichen Festsetzungen). Hiervon ausgehend regelt die erteilte Befreiung von den Festsetzungen hinsichtlich der bergseitigen Wandhöhe des Wohnhauses keinen - auch keinen teilweisen - Dispens von der Verpflichtung zur Einhaltung der gesetzlichen Abstandsflächen.

bb) Nach Nr. 3 des Bescheidstenors der Baugenehmigung vom 17. Juni 2014 wird eine „Abweichung von den Abstandsflächenvorschriften des Art. 6 Abs. 9 BayBO für die Wandhöhe der Grenzgarage zugelassen (Art. 63 BayBO)“. Diese allein auf die Grenzgarage bezogene Abweichung von den Abstandsflächenvorschriften lässt im Umkehrschluss erkennen, dass eine Abweichung von den Abstandsflächenvorschriften für das Wohnhaus nicht erteilt wurde.

cc) Ohne Belang ist, ob der Antragsteller ursprünglich konkludent (ausdrücklich beantragt wurde eine Abweichung von den bauordnungsrechtlichen Vorschriften zur: „Wandhöhe Grenzgarage“ und eine Befreiung von den Festsetzungen eines Bebauungsplans zur: „Wandhöhe bergseitig“; vgl. Formblattantrag auf Befreiung/Abweichung vom 27.3.2014) auch eine Abweichung von den Abstandsflächenvorschriften hinsichtlich (u. a.) der Ostfassade seines Wohnhauses beantragt hatte, ob es im vorliegenden Fall also um nichts anderes gehe, als „dass der Antragsgegnerin ein Fehler vor der Erteilung der Baugenehmigung unterlaufen ist und dass dieser Fehler nun korrigiert werden soll zulasten des Antragstellers“. Denn aus dem Baugenehmigungsbescheid vom 17. Juni 2014 ergibt sich zweifelsfrei, dass eine dahingehende Abweichung nicht erteilt wurde. Wie bereits ausgeführt, wurde in Nr. 2 des Bescheidstenors hinsichtlich der bergseitigen Wandhöhe des Wohnhauses nur eine Befreiung von den Festsetzungen des Bebauungsplan nach „§ 31 Abs. 2 BauGB“ zum Maß der baulichen Nutzung erteilt; in Nr. 3 des Bescheidstenors wurde lediglich eine Abweichung von den Abstandsflächenvorschriften für die Wandhöhe der Grenzgarage zugelassen. Aus den Bescheidsgründen der Baugenehmigung ergibt sich nichts anderes („Die Einhaltung der nicht überprüften öffentlich-rechtlichen Vorschriften fällt in die alleinige Verantwortung des Bauherrn und der am Bau Beteiligten“). Angesichts des eindeutigen Wortlauts des Baugenehmigungsbescheids vom 17. Juni 2014 hätte es dem Antragsteller deshalb oblegen, auf eine Entscheidung über eine etwa beantragte Abweichung von den Abstandsflächenvorschriften hinsichtlich des Wohngebäudes hinzuwirken, bevor er sein Vorhaben ausführt.

2. Die Darlegungen des Antragstellers lassen keine Ermessensfehler der angefochtenen Baueinstellungsverfügung erkennen.

a) Zu Recht weist das Verwaltungsgericht darauf hin, dass eine im vereinfachten Genehmigungsverfahren erteilte Baugenehmigung die Bauaufsichtsbehörde auch unter dem Gesichtspunkt der Ermessensausübung nicht daran hindert, eine Baueinstellungsverfügung zu erlassen. Für den gegenständlichen Fall gilt nichts anderes. Die Bestimmung in Art. 55 Abs. 2 BayBO, auf die das Verwaltungsgericht hinweist, wonach u. a. die Beschränkung der bauaufsichtlichen Prüfung nicht von der Verpflichtung zur Einhaltung der Anforderungen entbindet, die durch öffentlich-rechtliche Vorschriften an Anlagen gestellt werden und die bauaufsichtlichen Eingriffsbefugnisse unberührt lässt, hat lediglich klarstellende, aber keine die Eingriffsbefugnisse der Bauaufsichtsbehörde einschränkende Funktion. Aus Art. 75 Abs. 1 Satz 1 BayBO folgt unmittelbar, dass die Bauaufsichtsbehörde die Einstellung der Arbeiten anordnen kann, wenn Anlagen im Widerspruch zu öffentlich-rechtlichen Vorschriften errichtet, geändert oder beseitigt werden. Die Errichtung des Wohnhauses steht - wie ausgeführt - im Widerspruch zum materiellen Abstandsflächenrecht; dieser Verstoß wurde durch die Baugenehmigung auch nicht legalisiert, weil eine Abweichung von den Abstandsflächenvorschriften für das Wohnhaus des Antragstellers tatsächlich nicht erteilt wurde.

b) Darauf, ob der Antragsteller bereits mit Bauantrag vom 27. März 2014 einen (konkludenten) Antrag auf Erteilung einer Abweichung von den Abstandsflächenvorschriften für das Wohnhaus gestellt hat, kommt es auch bei der Ermessensprüfung nicht entscheidungserheblich an. Insbesondere ist das Einschreitensermessen der Bauaufsichtsbehörde nicht schon dann reduziert, wenn (unterstellt) über einen Abweichungsantrag nicht entschieden wurde. Werden - wie hier - Nachbarrechte Drittbetroffener durch eine (unterlassene) Abweichungsentscheidung berührt, kann sich die Bauaufsichtsbehörde nicht über das Erfordernis der „Würdigung der öffentlich-rechtlich geschützten nachbarlichen Belange“ hinwegsetzen (vgl. Art. 63 Abs. 1 Satz 1 BayBO), um die Auswirkungen eines etwaigen Behördenversehens zugunsten des Bauherrn zu minimieren. Die Bauaufsichtsbehörde kann die unterlassene Abweichungsentscheidung lediglich nachholen, ist dabei aber an die Voraussetzungen des Art. 63 BayBO gebunden. Zwar kann der Bauherr verlangen, dass ein übergangener Abweichungsantrag ermessensgerecht und in angemessener Zeit beschieden wird. Das Ergebnis einer nachzuholenden Abweichungsentscheidung kann deshalb aber nicht zugunsten des Bauherrn vorweggenommen werden, wenn - wie hier - keine durchgreifenden Anhaltspunkte für eine Ermessensreduktion in Richtung der Erteilung der beantragten Abweichung bestehen.

c) Der Einwand, die Antragsgegnerin habe die Grundlagen ihres Ermessens verkannt, weil sie die im Änderungsantrag vom 5. Mai 2015 beantragte Abweichung von den Abstandsflächen für das Wohngebäude falsch berechnet und die Abweichung ausschließlich an die Zustimmung der Nachbarin geknüpft habe, die aber im Hinblick auf Art. 6 Abs. 2 Satz 3 BayBO nicht erforderlich sei, lässt keine vom Verwaltungsgericht abweichende Bewertung zu.

aa) Wie bereits ausgeführt wurde, fehlt es derzeit an einer positiven Abweichungsentscheidung zugunsten des Vorhabens des Antragstellers. Deshalb kommt es im gegenständlichen Verfahren nicht darauf an, auf welcher Grundlage die Antragsgegnerin die abstandsflächenrelevante Wandhöhe im Hinblick auf den Änderungsantrag ermitteln wird.

Soweit es die gegenständliche Baueinstellungsverfügung betrifft, kann offen bleiben, ob die das Maß der baulichen Nutzung betreffende textliche Festsetzung Nr. 1.2 des Bebauungsplans zugleich auf die Berechnung der bauordnungsrechtlichen Abstandsflächen anzuwenden ist. Denn die Antragsgegnerin hat sich ausweislich der Bescheidsbegründung beim Erlass der angefochtenen Baueinstellungsverfügung vom 15. Mai 2015 nicht darauf gestützt, dass die Abstandsfläche der östlichen Hauswand zu „70 cm - 80 cm“ auf dem Nachbargrundstück zu liegen kommt, sondern darauf, dass „die Abstandsfläche nicht nur über die Mitte der Verkehrsfläche sondern sogar in das gegenüberliegende Nachbargrundstück fällt“. Diese Erwägung trifft in der Sache zu. Es bestehen keinerlei Anhaltspunkte dafür, dass die Antragsgegnerin vom Erlass der Baueinstellungsverfügung abgesehen hätte oder davon absehen hätte dürfen, wenn sie davon ausgegangen wäre, die Abstandsfläche komme nur „45 cm - 50 cm“ auf dem Nachbargrundstück zu liegen. Die unterschiedliche Auffassung der Verfahrensbeteiligten, von welchem unteren Bezugspunkt die abstandsflächenrelevante Wandhöhe zu bemessen ist (Geländehöhe oder Straßenniveau), ist demnach für die Rechtmäßigkeit der Baueinstellungsverfügung ohne Relevanz. Das Verwaltungsgericht hat im Übrigen weder wörtlich noch sinngemäß ausgeführt, der Antragsteller habe sich „in besonderer Weise rücksichtslos verhalten“ und es hat bei seiner rechtlichen Bewertung entscheidungserheblich auch nicht auf eine etwaige Überschreitung der Abstandsflächen hinsichtlich des nördlichen oder südlichen, sondern allein auf das östliche Nachbargrundstück abgestellt.

bb) Auf die Regelung in Art. 6 Abs. 2 Satz 3 BayBO kann sich der Antragsteller - wie bereits ausgeführt wurde - nicht berufen, weil eine etwa unbebaubare Fläche in vollem Umfang dem Eigentümergrundstück, hier also dem Grundstück FlNr. ... zur Verfügung steht (vgl. Schwarzer/König, a. a. O., Art. 6 Rn. 61 m. w. N.). Dass die Antragsgegnerin dem Vortrag des Antragstellers zufolge die Erteilung der mit Änderungsantrag vom 5. Mai 2015 beantragten Abweichung an die Zustimmung der Nachbarin knüpft, ist nicht von vornherein zu beanstanden. Die Antragsgegnerin gibt damit wohl zu erkennen, dass einer Abweichung von den Abstandsflächenvorschriften aus ihrer Sicht keine rein öffentlichen Belange entgegenstehen. Anders verhält es sich hinsichtlich der im Rahmen einer Abweichung zu prüfenden öffentlich-rechtlich geschützten nachbarlichen Belange (Art. 63 Satz 1 BayBO), über die die Bauaufsichtsbehörde nicht nach Belieben disponieren kann. Insoweit kann es gerechtfertigt sein, dem Bauherrn zunächst aufzugeben, eine Nachbarzustimmung einzuholen. Allein die Versagung der Zustimmung durch den Nachbarn hindert die Bauaufsichtsbehörde allerdings nicht, gleichwohl eine Abweichung von der Einhaltung der Abstandsflächenvorschriften zu erteilen, wenn die Voraussetzungen dafür vorliegen. Angesichts der im Beschwerdeverfahren vorgetragenen Umstände und im Hinblick auf die nachbarschützende Intention des Abstandsflächenrechts ist nach Lage der Akten nicht ersichtlich, dass allein die Erteilung der nunmehr ausdrücklich beantragten Abweichung ermessensgerecht wäre.

d) Schließlich ist die Baueinstellungsverfügung nicht unverhältnismäßig. Nachdem eine die Rechte des Nachbargrundstücks betreffende Abweichung von den Abstandsflächenvorschriften zugunsten des Vorhabens des Antragstellers bislang nicht erteilt wurde und keine Anhaltspunkte für eine dahingehende Ermessensreduktion ersichtlich sind, ist derzeit offen, ob eine künftige Abweichungsentscheidung einer rechtlichen Prüfung standhalten würde. Wäre tatsächlich eine Abweichung von den Abstandsflächenvorschriften erteilt worden oder wird eine solche erteilt, müsste die betroffene Nachbarin im Übrigen nicht „im Wege des Antrags nach § 123 VwGO vorgehen“. Sie könnte die Baugenehmigung vielmehr anfechten und zugleich einen Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung stellen (vgl. § 212 a Abs. 1 BauGB, § 80 a Abs. 3, Abs. 5 VwGO). In einem gerichtlichen Verfahren wäre dann zu klären, ob die zu begründende Ermessensentscheidung (vgl. Art. 68 Abs. 2 Satz 2 BayBO), an der es bislang fehlt, insbesondere mit den öffentlich-rechtlich geschützten nachbarlichen Belangen vereinbar ist (vgl. Art. 63 Abs. 1 Satz 1 BayBO). Es ist deshalb nicht zu beanstanden, dass die Antragsgegnerin die Baueinstellung mit der Begründung verfügt hat, bis zu einer Entscheidung über eine mögliche Anordnung eines möglichen (Teil-) Rückbaus solle verhindert werden, dass weitere vollendete Tatsachen geschaffen werden. Dass die Antragsgegnerin bislang keinen Rückbau angeordnet hat, kann nicht als Nachteil zulasten des Antragstellers gewertet werden. Die Antragsgegnerin ist aber gehalten, alsbald über den nunmehr ausdrücklich gestellten Abweichungsantrag zu entscheiden, nachdem die Eigentümerin des östlichen Nachbargrundstücks offenbar nicht bereit ist, das Angebot des Antragstellers anzunehmen und ihre Zustimmung zu dem Vorhaben zu erteilen.

3. Das Verwaltungsgericht hat unter Bezugnahme auf die Entscheidung des Verwaltungsgerichtshofs vom 28. April 2015 (Az. 9 ZB 15.714 - juris Rn. 5 m. w. N.) zutreffend ausgeführt, dass ein etwaiger Anhörungsmangel in entsprechender Anwendung des Art. 45 Abs. 1 Nr. 2, Abs. 2 BayVwVfG im Eilverfahren geheilt worden wäre. Hiermit setzt sich die Beschwerdebegründung nicht substantiiert auseinander. Davon abgesehen ist es ohne Belang, ob eine Beschwerde der Nachbarin als Eigentümerin des betroffenen Nachbargrundstücks oder eine Beschwerde ihres dinglich nicht berechtigten Ehemanns den Anlass gab, bauaufsichtlich einzuschreiten. Ein bauaufsichtliches Tätigwerden ist nicht nur auf Antrag des betroffenen Eigentümers, sondern stets dann veranlasst, wenn die Bauaufsichtsbehörde Kenntnis von einer im Widerspruch zu öffentlich-rechtlichen Vorschriften stehenden Errichtung, Änderung oder Beseitigung einer Anlage erlangt.

4. Nach den vorstehenden Ausführungen hat das Verwaltungsgericht zu Recht festgestellt, dass das öffentliche Interesse am Sofortvollzug der Baueinstellungsverfügung das Aussetzungsinteresse des Antragstellers überwiegt. Insbesondere ist die Ausführung des Vorhabens derzeit in materieller und formeller Hinsicht rechtswidrig.

5. Der Antragsteller hat die Kosten des Beschwerdeverfahrens zu tragen (§ 154 Abs. 2 VwGO).

Die Streitwertfestsetzung für das Beschwerdeverfahren beruht auf § 47, § 52 Abs. 1, § 53 Abs. 2 Nr. 2 GKG. Sie folgt der Streitwertfestsetzung der erstinstanzlichen Entscheidung, gegen die keine Einwände erhoben wurden.

Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO).

Tenor

Die Beschwerde wird zurückgewiesen.

Die Antragstellerin trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.

Der Streitwert für das Beschwerdeverfahren wird auf 2.500,- Euro festgesetzt.


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(1) Eine Verletzung von Verfahrens- oder Formvorschriften, die nicht den Verwaltungsakt nach § 44 nichtig macht, ist unbeachtlich, wenn

1.
der für den Erlass des Verwaltungsaktes erforderliche Antrag nachträglich gestellt wird;
2.
die erforderliche Begründung nachträglich gegeben wird;
3.
die erforderliche Anhörung eines Beteiligten nachgeholt wird;
4.
der Beschluss eines Ausschusses, dessen Mitwirkung für den Erlass des Verwaltungsaktes erforderlich ist, nachträglich gefasst wird;
5.
die erforderliche Mitwirkung einer anderen Behörde nachgeholt wird.

(2) Handlungen nach Absatz 1 können bis zum Abschluss der letzten Tatsacheninstanz eines verwaltungsgerichtlichen Verfahrens nachgeholt werden.

(3) Fehlt einem Verwaltungsakt die erforderliche Begründung oder ist die erforderliche Anhörung eines Beteiligten vor Erlass des Verwaltungsaktes unterblieben und ist dadurch die rechtzeitige Anfechtung des Verwaltungsaktes versäumt worden, so gilt die Versäumung der Rechtsbehelfsfrist als nicht verschuldet. Das für die Wiedereinsetzungsfrist nach § 32 Abs. 2 maßgebende Ereignis tritt im Zeitpunkt der Nachholung der unterlassenen Verfahrenshandlung ein.

Die Aufhebung eines Verwaltungsaktes, der nicht nach § 44 nichtig ist, kann nicht allein deshalb beansprucht werden, weil er unter Verletzung von Vorschriften über das Verfahren, die Form oder die örtliche Zuständigkeit zustande gekommen ist, wenn offensichtlich ist, dass die Verletzung die Entscheidung in der Sache nicht beeinflusst hat.

(1) Ein Verwaltungsakt ist nichtig, soweit er an einem besonders schwerwiegenden Fehler leidet und dies bei verständiger Würdigung aller in Betracht kommenden Umstände offensichtlich ist.

(2) Ohne Rücksicht auf das Vorliegen der Voraussetzungen des Absatzes 1 ist ein Verwaltungsakt nichtig,

1.
der schriftlich oder elektronisch erlassen worden ist, die erlassende Behörde aber nicht erkennen lässt;
2.
der nach einer Rechtsvorschrift nur durch die Aushändigung einer Urkunde erlassen werden kann, aber dieser Form nicht genügt;
3.
den eine Behörde außerhalb ihrer durch § 3 Abs. 1 Nr. 1 begründeten Zuständigkeit erlassen hat, ohne dazu ermächtigt zu sein;
4.
den aus tatsächlichen Gründen niemand ausführen kann;
5.
der die Begehung einer rechtswidrigen Tat verlangt, die einen Straf- oder Bußgeldtatbestand verwirklicht;
6.
der gegen die guten Sitten verstößt.

(3) Ein Verwaltungsakt ist nicht schon deshalb nichtig, weil

1.
Vorschriften über die örtliche Zuständigkeit nicht eingehalten worden sind, außer wenn ein Fall des Absatzes 2 Nr. 3 vorliegt;
2.
eine nach § 20 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 bis 6 ausgeschlossene Person mitgewirkt hat;
3.
ein durch Rechtsvorschrift zur Mitwirkung berufener Ausschuss den für den Erlass des Verwaltungsaktes vorgeschriebenen Beschluss nicht gefasst hat oder nicht beschlussfähig war;
4.
die nach einer Rechtsvorschrift erforderliche Mitwirkung einer anderen Behörde unterblieben ist.

(4) Betrifft die Nichtigkeit nur einen Teil des Verwaltungsaktes, so ist er im Ganzen nichtig, wenn der nichtige Teil so wesentlich ist, dass die Behörde den Verwaltungsakt ohne den nichtigen Teil nicht erlassen hätte.

(5) Die Behörde kann die Nichtigkeit jederzeit von Amts wegen feststellen; auf Antrag ist sie festzustellen, wenn der Antragsteller hieran ein berechtigtes Interesse hat.

Die Aufhebung eines Verwaltungsaktes, der nicht nach § 44 nichtig ist, kann nicht allein deshalb beansprucht werden, weil er unter Verletzung von Vorschriften über das Verfahren, die Form oder die örtliche Zuständigkeit zustande gekommen ist, wenn offensichtlich ist, dass die Verletzung die Entscheidung in der Sache nicht beeinflusst hat.

Gründe

1

Die auf die Zulassungsgründe der Divergenz (§ 132 Abs. 2 Nr. 2 VwGO) und der grundsätzlichen Bedeutung der Sache (§ 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO) gestützte Beschwerde hat keinen Erfolg.

2

1. Die Divergenzrüge (§ 132 Abs. 2 Nr. 2 VwGO) rechtfertigt die Zulassung der Revision nicht. Das angegriffene Urteil des Oberverwaltungsgerichts widerspricht zwar in einem inhaltlich bestimmten, die angefochtene Entscheidung tragenden abstrakten Rechtssatz einem in Anwendung derselben Rechtsvorschrift in der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts aufgestellten ebensolchen Rechtssatz. Die Entscheidung erweist sich gleichwohl gemäß § 144 Abs. 4 VwGO, der im Beschwerdeverfahren analog gilt (Beschlüsse vom 17. März 1998 - 4 B 25.98 - Buchholz 406.17 Bauordnungsrecht Nr. 66 und vom 25. September 2013 - 4 BN 15.13 - BauR 2014, 90 Rn. 4), im Ergebnis als richtig.

3

Die Beschwerde macht geltend, das Oberverwaltungsgericht sei von der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts zu § 45 VwVfG abgewichen, weil es davon ausgegangen sei, eine fehlerhafte Anhörung könne gemäß § 45 Abs. 1 Nr. 3 VwVfG auch noch im gerichtlichen Verfahren geheilt werden. Das Bundesverwaltungsgericht habe dagegen entschieden, dass bei einer unterbliebenen Anhörung eine Heilung nur dann eintrete, soweit sie nachträglich ordnungsgemäß durchgeführt und ihre Funktion für den Entscheidungsprozess der Behörde uneingeschränkt erreicht werde. Äußerungen und Stellungnahmen von Beteiligten im gerichtlichen Verfahren stellten keine nachträgliche Anhörung im Sinne des § 45 Abs. 1 Nr. 3 VwVfG dar. Das Urteil des Oberverwaltungsgerichts beruhe auch auf dieser Abweichung, insbesondere sei eine Anwendung des § 46 VwVfG nicht möglich. Es seien keine Anhaltspunkte ersichtlich, dass die Behörde ohne den Verfahrensfehler genauso entschieden hätte.

4

Damit hat die Beschwerde eine Abweichung des Oberverwaltungsgerichts von der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts hinreichend dargetan. Unerheblich ist, dass § 45 Abs. 1 Nr. 3 VwVfG aufgrund der Verweisung in § 1 VwVfG Sachsen-Anhalt, und damit als Landesrecht Anwendung gefunden hat. Denn gemäß § 137 Abs. 1 Nr. 2 VwGO gehört zum divergenzfähigen revisiblen Recht auch eine Vorschrift des Verwaltungsverfahrensgesetzes eines Landes, die ihrem Wortlaut nach mit dem Verwaltungsverfahrensgesetz des Bundes übereinstimmt. Ebenso unerheblich ist, dass das Oberverwaltungsgericht nicht ausdrücklich einen abstrakten Rechtssatz des Inhalts aufgestellt hat, eine im Verwaltungsverfahren unterbliebene Anhörung könne auch noch in der mündlichen Verhandlung eines gerichtlichen Verfahrens nachgeholt und der Anhörungsfehler hierdurch geheilt werden. Zwar genügt es für die Darlegung einer Divergenz nicht, wenn durch die Beschwerde lediglich eine fehlerhafte Rechtsanwendung durch die Vorinstanz aufgezeigt wird. So liegt es hier aber nicht. Das Oberverwaltungsgericht hat den Fehler im flurbereinigungsrechtlichen Auslegungsverfahren (§ 32 FlurbG), bei dem es sich funktional um eine Anhörung im Sinne des § 45 Abs. 1 Nr. 3 VwVfG handelt, als nach dieser Norm geheilt angesehen. Es hat dabei unter Hinweis auf die nach § 45 Abs. 2 VwVfG zeitlich bis zum Abschluss eines verwaltungsgerichtlichen Verfahrens gegebene Heilungsmöglichkeit darauf abgestellt, dass die Klägerin "spätestens in der mündlichen Verhandlung durch den Senat ausreichend Gelegenheit gehabt (hat), sämtliche Nachweisungen des Beklagten einzusehen". Aufgrund der intensiven Nachfragen durch den Senat während der mündlichen Verhandlung sei die Beklagte veranlasst worden, das Verfahren und das Ergebnis der Wertfestsetzung zu erläutern. In Folge dessen habe in der mündlichen Verhandlung die Möglichkeit bestanden, sämtliche Einwendungen gegen die Wertfestsetzung geltend zu machen. Das Urteil beruht damit konkludent auf dem entscheidungstragenden abstrakten Rechtssatz, eine Anhörung im Sinne des § 45 Abs. 1 Nr. 3 VwGO könne auch noch im gerichtlichen Verfahren nachgeholt werden. Dagegen hat das Bundesverwaltungsgericht den abstrakten Rechtssatz aufgestellt, bei einer unterbliebenen Anhörung könne eine Heilung nur eintreten, soweit sie nachträglich ordnungsgemäß durchgeführt und ihre Funktion für den Entscheidungsprozess der Behörde uneingeschränkt erreicht werde. Äußerungen und Stellungnahmen von Beteiligten im gerichtlichen Verfahren erfüllten die Voraussetzungen des § 45 Abs. 1 Nr. 3, Abs. 2 VwVfG daher nicht (Urteile vom 24. Juni 2010 - 3 C 14.09 - BVerwGE 137, 199 Rn. 37 und vom 22. März 2012 - 3 C 16.11 - BVerwGE 142, 205 Rn. 18).

5

Die Entscheidung erweist sich jedoch im Ergebnis als richtig (vgl. § 144 Abs. 4 VwGO). Nach § 46 VwVfG kann die Aufhebung eines Verwaltungsaktes, der nicht nach § 44 VwVfG nichtig ist, nicht allein deshalb beansprucht werden, weil er unter Verletzung von Vorschriften über das Verfahren, die Form oder die örtliche Zuständigkeit zustande gekommen ist, wenn offensichtlich ist, dass die Verletzung die Entscheidung in der Sache nicht beeinflusst hat. Entgegen der Auffassung der Beschwerde ist der Anwendungsbereich des § 46 VwVfG vorliegend eröffnet. Soweit die Beschwerde zur Begründung ihrer gegenteiligen Auffassung auf das Urteil des Bundesverwaltungsgerichts vom 24. Juni 2010 (3 C 14.09 - BVerfGE 1, 37, 199 Rn. 40 f.) verweist, übersieht sie, dass das Bundesverwaltungsgericht darin die Anwendung des § 46 VwVfG bei fehlender Heilungsmöglichkeit nach § 45 Abs. 1 Nr. 3 VwVfG nicht grundsätzlich für ausgeschlossen erklärt hat. Es hat vielmehr lediglich für den seiner Entscheidung zugrunde liegenden Fall, der die Genehmigung eines Linienverkehrs mit Bussen im Parallelverkehr zum Schienenverkehr betraf, eine offensichtlich fehlende Kausalität deshalb verneint, weil das klagende Bahnunternehmen im Revisionsverfahren geltend gemacht hatte, es wäre zu einer Überprüfung des Gesamtsystems seiner Fahrpreise bereit gewesen, wäre es von der Beklagten, wie nach dem Personenbeförderungsgesetz vorgesehen, zu einer Ausgestaltung seines Schienenverkehrs aufgefordert worden. Eine vergleichbare Fallgestaltung liegt hier nicht vor. Das Verfahren der Wertermittlung nach dem Flurbereinigungsgesetz kennt kein mit dem Recht der Ausgestaltung des vorhandenen Verkehrs durch den Verkehrsbetreiber vergleichbares Verfahrensrecht der Beteiligten eines Flurbereinigungsverfahrens. Die Wertermittlung wird in der Regel durch landwirtschaftliche Sachverständige vorgenommen (§ 31 Abs. 1 Satz 1 FlurbG). Lediglich der Vorstand der Teilnehmergemeinschaft soll der Wertermittlung beiwohnen (§ 31 Abs. 1 Satz 3 FlurbG). Nach Abschluss der Wertermittlung erfolgt die Anhörung der Beteiligten im Wege der Auslegung der Nachweisungen über die Ergebnisse der Wertermittlung und die anschließende Erläuterung in einem Anhörungstermin (§ 32 Satz 1 und 2 FlurbG). Nach den Feststellungen des Oberverwaltungsgerichts hatten die Vertreter der Klägerin in der mündlichen Verhandlung sämtliche Nachweisungen über die Ergebnisse der Wertermittlung einsehen können. Aufgrund der intensiven Befragung durch das Gericht habe der Beklagte das Verfahren und das Ergebnis seiner Wertfestsetzung erläutert, und die Klägerin habe Gelegenheit gehabt, hierzu Stellung zu nehmen und sämtliche Einwendungen gegen die Wertermittlung vorzubringen. Diese Feststellungen greift die Beschwerde nicht an, sondern bestätigt, dass der Beklagte in der mündlichen Verhandlung zwei Ordner, die bis dahin nicht zur Gerichtsakte gelangt seien, vorgelegt habe und die Vertreter der Klägerin Gelegenheit hatten, diese einzusehen. Dass die Vertreter der Klägerin nicht in der Lage gewesen wären, sich in der mündlichen Verhandlung ausreichend zu erklären und sich die Nachweisungen erläutern zu lassen, macht die Beschwerde nicht geltend; sie trägt auch nicht vor, was die Klägerin bei einer ordnungsgemäßen Anhörung zusätzlich vorgetragen hätte. Es bestehen daher keine Zweifel daran, dass die Behörde ohne den Verfahrensfehler genauso entschieden hätte.

6

2. Der von der Beschwerde als klärungsbedürftig bezeichneten Frage,

ob ein Verstoß gegen die §§ 32, 33 FlurbG dergestalt, dass

- die vorgesehene Dauer der Auslegung unterschritten wird,

- die Dienststunden, zu welchen die Unterlagen ausliegen, nicht näher beschrieben werden,

- der Raum, innerhalb welchem die Auslegung erfolgt, sich nicht der öffentlichen Bekanntmachung entnehmen lässt,

- die Einsichtnahme nur an 18,5 Stunden pro Woche möglich ist,

- die Auslegung an einem Ort erfolgte, welcher für die Ersatzbekanntmachung von Plänen nicht vorgesehen ist und/oder

- die Unterlagen nicht ausgelegen haben, sondern erst auf Nachfrage herausgegeben wurden,

gemäß § 45 Abs. 1 Nr. 3 VwVfG geheilt werden kann,

kommt keine grundsätzliche Bedeutung i.S.v. § 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO zu. Die Vorinstanz hat die Frage, ob die von der Klägerin geltend gemachten Auslegungsmängel hinsichtlich der Dienststunden und des Ortes der Auslegung zutreffen oder nicht, dahingestellt sein lassen, da Anhörungsmängel jedenfalls nachträglich spätestens im Klageverfahren nach § 45 Abs. 1 Nr. 3 VwVfG geheilt worden seien. Mit dieser Ansicht weicht die Vorinstanz zwar von der oben wiedergegebenen Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts ab, wonach nur eine nachträglich ordnungsgemäß durchgeführte Anhörung, die ihre Funktion für den Entscheidungsprozess der Behörde uneingeschränkt erreicht, zur Heilung nach § 45 Abs. 1 Nr. 3 VwVfG führt. Wie ebenfalls bereits dargelegt, wirkt sich diese Abweichung aber deswegen nicht auf das Ergebnis der Entscheidung aus, weil der Verfahrensfehler aufgrund der Regelung des § 46 VwVfG als unschädlich anzusehen ist. Damit würden sich die aufgeworfenen Fragen - soweit sie überhaupt einer fallübergreifenden Klärung zugänglich sind - nicht in einem Revisionsverfahren stellen.

7

3. Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO, die Streitwertfestsetzung auf § 52 Abs. 2, § 47 Abs. 1 und 3 GKG.

Die Aufhebung eines Verwaltungsaktes, der nicht nach § 44 nichtig ist, kann nicht allein deshalb beansprucht werden, weil er unter Verletzung von Vorschriften über das Verfahren, die Form oder die örtliche Zuständigkeit zustande gekommen ist, wenn offensichtlich ist, dass die Verletzung die Entscheidung in der Sache nicht beeinflusst hat.

Beamtinnen und Beamten kann aus zwingenden dienstlichen Gründen die Führung der Dienstgeschäfte verboten werden. Das Verbot erlischt, wenn nicht bis zum Ablauf von drei Monaten gegen die Beamtin oder den Beamten ein Disziplinarverfahren oder ein sonstiges auf Rücknahme der Ernennung oder auf Beendigung des Beamtenverhältnisses gerichtetes Verfahren eingeleitet worden ist.

Tenor

Die Beschwerde des Antragstellers gegen den Beschluss des Verwaltungsgerichts Halle - 5. Kammer - vom 26. August 2016 wird zurückgewiesen.

Der Antragsteller trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.

Der Streitwert wird für das Beschwerdeverfahren und unter Änderung der Streitwertfestsetzung im Beschluss des Verwaltungsgerichts Halle - 5. Kammer - vom 26. August 2016 zugleich für den ersten Rechtszug jeweils auf 5.000 € festgesetzt.

Gründe

1

Die zulässige (Teil-) Beschwerde des Antragstellers gegen den Beschluss des Verwaltungsgerichts Halle - 5. Kammer - vom 26. August 2016, deren Prüfung gemäß § 146 Abs. 4 Satz 1 und 6 VwGO auf die dargelegten Gründe beschränkt ist, hat in der Sache keinen Erfolg. Die von dem Antragsteller vorgebrachten Einwendungen rechtfertigen die begehrte Abänderung des angefochtenen Beschlusses nicht.

2

Entgegen dem Beschwerdevorbringen hat das Verwaltungsgericht zu Recht festgestellt, dass die in der Verfügung der Antragsgegnerin vom 29. Juni 2016 enthaltene Anordnung der sofortigen Vollziehung den Begründungsanforderungen des § 80 Abs. 3 Satz 1 VwGO (noch) genügt. In dem angefochtenen Beschluss wird zutreffend ausgeführt, welche Anforderungen an eine Begründung des besonderen Sofortvollziehungsinteresses nach § 80 Abs. 3 Satz 1 VwGO zu stellen sind. Mit den unter Abschnitt V. der Verfügungsbegründung (Seite 5) gegebenen Erläuterungen hat die Antragsgegnerin ausreichend zu erkennen gegeben, dass die sofortige Vollziehung nur ausnahmsweise in Betracht kommt und eine Abwägung der Interessen der Allgemeinheit mit den privaten Interessen des Betroffenen erfordert. Daran anknüpfend hat sie die Gesichtspunkte benannt, die im Streitfall Veranlassung gegeben haben, den Eintritt des Suspensiveffekts (§ 80 Abs. 1 Satz 1 VwGO) zu verhindern. Sie hat dies für geboten gehalten, um einer Gefährdung des Ansehens der Feuerwehr und der Kommune sowie der inneren Ordnung der Ortsfeuerwehr, zu deren Wehrleiter der Antragsteller bestellt worden ist, entgegenzuwirken. Diese - wenn auch äußerst knapp gehaltenen - Erwägungen sind in sich schlüssig, weisen einen hinlänglichen Bezug zum Einzelfall auf und erschöpfen sich nicht in einer bloßen Wiederholung des Gesetzestextes; auch handelt es sich nicht um formelhafte und letztlich inhaltsleere Wendungen bzw. - wie die Beschwerde rügt - um „Allgemeinplätze“. Soweit der Antragsteller darauf verweist, dass das beanstandete Verhalten bereits längere Zeit zurückliege, spricht dies für sich besehen und erst recht in Anbetracht der von der Antragsgegnerin angenommenen „besonderen Schwere der Verfehlungen“ nicht gegen die Dringlichkeit einer Verwirklichung des Verbotsausspruchs. Die Forderung, die Antragsgegnerin habe sich mit den „tatsächlichen Vorhalten“ und den „Daten und Fakten der vorgeworfenen Verhaltensweisen“ konkret auseinandersetzen müssen, überspannt die Anforderungen an den Mindestinhalt einer Sofortvollzugsbegründung. Ebenso wenig greift der Einwand durch, die Antragsgegnerin habe zur Rechtfertigung der Vollziehbarkeitsanordnung auf „andere Gründe“ abstellen müssen als in Bezug auf den Verwaltungsakt selbst oder aber ausdrücklich auf die Begründung des Verwaltungsakts Bezug nehmen müssen. Denn in der Sache können das Erlassinteresse und das Interesse an der sofortigen Vollziehung - gerade in Konstellationen der vorliegenden Art - ohne Weiteres zusammenfallen (vgl. Schoch, in: Schoch/Schneider/Bier, VwGO, 30. EL 2016, § 80 Rn. 206 m. w. N.).

3

Soweit die Beschwerde die vom Verwaltungsgericht vorgenommene Interessenabwägung nach § 80 Abs. 5 Satz 1 VwGO angreift, legt sie keine Gründe dar, aus denen das Verbot der Führung der Dienstgeschäfte nach § 39 Satz 1 BeamtStG und die damit verbundenen Untersagungsanordnungen nach § 53 LBG LSA (Untersagung des Betretens der Diensträume etc.) sich voraussichtlich als rechtswidrig darstellen.

4

Für die allgemeine These, dass „all das, was den Beschwerdeführer als Ehrenbeamten betrifft“, nicht oder nicht allein durch den Hauptverwaltungsbeamten (Bürgermeister) der Antragsgegnerin veranlasst werden dürfe, ist kein rechtlicher Anknüpfungspunkt zu finden. Im Übrigen lässt das Verbot der Führung der Dienstgeschäfte nach § 39 Satz 1 BeamtStG das bestehende Amt im abstrakt-funktionellen wie im konkret-funktionellen Sinne unberührt; es suspendiert als vorläufige Maßnahme nur die mit dem konkreten Amt verbundene Dienstleistungspflicht in der Weise, dass der Beamte - vorübergehend - zur Dienstleistung weder berechtigt noch verpflichtet ist (vgl. Zängl, in: Weiss u. a., BayBeamtenR, § 39 BeamtStG Rn. 15 m. w. N.). Die Frage, ob dem Verwaltungsgericht darin zugestimmt werden kann, dass der hier zugleich verfügte Ausschluss des Antragstellers aus der Feuerwehr der Antragsgegnerin mangels Abberufung gemäß § 15 Abs. 3 Satz 3 BrSchG LSA „nicht möglich“ gewesen sei, ist nicht Gegenstand des vorliegenden Beschwerdeverfahrens. Dem Antragsteller hilft auch nicht der Hinweis auf die Verfahrensvorschriften des Disziplinargesetzes Sachsen-Anhalt. Mit der beamtenrechtlichen Entscheidung nach § 39 Satz 1 BeamtStG einerseits und den Befugnissen des Disziplinarrechts andererseits stehen dem Dienstherrn einander ergänzende Eingriffsgrundlagen selbstständig nebeneinander zur Verfügung, die unterschiedliche Zweckrichtungen verfolgen und an unterschiedliche Voraussetzungen gebunden sind (vgl. OVG LSA, Beschlüsse vom 22. Dezember 2009 - 1 M 87/09 -, juris Rn. 4, 13, und vom 23. Februar 2011 - 1 M 16/11 -, juris Rn. 9; s. auch BVerwG, Beschluss vom 17. Juli 1979 - 1 WB 67.78 -, juris Rn. 39; NdsOVG, Beschluss vom 20. April 2010 - 5 ME 282/09 -, juris Rn. 22). Dass dem Verbot der Führung der Dienstgeschäfte nicht eine Beendigung des (Ehren-) Beamtenverhältnisses vorauszugehen hat, wie der Antragssteller meint, ergibt sich unmittelbar aus § 39 Satz 2 BeamtStG, der bestimmt, dass das Verbot erlischt, wenn nicht bis zum Ablauf von drei Monaten gegen die Beamtin oder den Beamten ein Disziplinarverfahren oder ein sonstiges auf Rücknahme der Ernennung oder auf Beendigung des Beamtenverhältnisses gerichtetes Verfahren eingeleitet worden ist. Mithin geht der Gesetzgeber im Gegenteil davon aus, dass dem Verbotsverfahren ein auf Rücknahme der Ernennung oder auf Beendigung des Beamtenverhältnisses gerichtetes Verfahren zu folgen hat (vgl. OVG LSA, Beschlüsse vom 22. Dezember 2009, a. a. O. Rn. 4, und vom 23. Februar 2011, a. a. O. Rn. 7). Ergeht in einem solchen Verfahren eine Entscheidung des Dienstherrn, wird das Verbot der Dienstgeschäfte gegenstandslos (vgl. SächsOVG, Beschluss vom 13. November 2013 - 2 A 253/11 -, juris Rn. 10; OVG MV, Beschluss vom 31. Mai 2005 - 2 M 58/05 -, juris Rn. 5; Zängl, in: Weiss u. a., a. a. O. Rn. 51 m. w. N.). Dieser funktionale Zusammenhang ändert indes nichts an der rechtlichen Selbstständigkeit des ein Verbot nach § 39 Satz 1 BeamtStG betreffenden Verfahrens, weshalb aus ihm nichts für die Eröffnung des Anwendungsbereichs der verfahrensrechtlichen Regelungen des Disziplinarrechts hergeleitet werden kann. Hat die Maßnahme nach § 39 Satz 1 BeamtStG - wie erwähnt - bloß vorläufigen Charakter und ist die endgültige Aufklärung gerade den in § 39 Satz 2 BeamtStG aufgeführten weiteren Verfahren vorbehalten (vgl. OVG LSA, Beschlüsse vom 22. Dezember 2009, a. a. O. Rn. 5, und vom 23. Februar 2011, a. a. O. Rn. 10), erschließt sich gleichfalls nicht, inwiefern die Antragsgegnerin mit dem Verbot quasi rechtsmissbräuchlich bezweckt haben soll, „vollendete Tatsachen“ im Hinblick auf eine Entfernung des Antragstellers aus dem (Ehren-) Beamtenverhältnis zu schaffen.

5

Die streitgegenständliche Verfügung leidet auch nicht an formell-rechtlichen Mängeln, die voraussichtlich zu ihrer Aufhebung im Klageverfahren führen werden. Ungeachtet der Regelungen des § 86 LBG LSA und des § 28 Abs. 2 Nr. 1 VwVfG liegt entgegen der Auffassung des Antragstellers ein beachtlicher Anhörungsmangel im Sinne des § 1 Abs. 1 Satz 1 VwVfG LSA in Verbindung mit § 28 Abs. 1 VwVfG nicht vor. Warum die Zeitspanne zwischen dem nach eigenen Angaben am 15. Juni 2016 erfolgten Zugang des Schreibens der Antragsgegnerin vom 9. Juni 2016 und dem Anhörungstermin am 22. Juni 2016 zu kurz gewesen sein soll, als dass sich der Antragsteller zu den für die Entscheidung erheblichen Tatsachen habe äußern können, ist weder plausibel gemacht noch sonst erkennbar. Dass das Verwaltungsgericht angenommen habe, schon in dem Schreiben vom 9. Juni 2016 und nicht erst im Anhörungstermin sei von der Absicht, dem Antragsteller die Führung der Dienstgeschäfte zu verbieten, die Rede gewesen, trifft zudem nicht zu. Davon abgesehen ist auch nicht dargelegt, dass ein etwaiger Verfahrensfehler nicht im Widerspruchs- oder im verwaltungsgerichtlichen Verfahren gemäß § 1 Abs. 1 Satz 1 VwVfG LSA in Verbindung mit § 45 Abs. 1 Nr. 3, Abs. 2 VwVfG heilbar sein sollte. Entsprechendes gilt für die Rüge, die Antragsgegnerin habe dem Antragsteller die von ihm bereits mit Schreiben vom 21. Juni 2016 beantragte Einsicht in die Verfahrensakten verweigert. Den Prozessbevollmächtigten des Antragstellers ist im erstinstanzlichen Verfahren eine von der Antragsgegnerin gefertigte Ablichtung des Verwaltungsvorgangs übersandt worden (GA Bl. 60R, 64). Hierdurch ist die begehrte Akteneinsicht jedenfalls mit heilender Wirkung nachgeholt worden, so dass eine Verletzung des Anspruchs des Antragstellers auf Gewährung rechtlichen Gehörs ausscheidet (vgl. NdsOVG, Beschluss vom 13. November 2009 - 11 ME 440/09 -, juris Rn. 5; Sachs, in: Stelkens/Bonk/Sachs, VwVfG, 8. Auflage 2014, § 45 Rn. 145).

6

Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO.

7

Die Entscheidung über die Festsetzung der Höhe des Streitwerts für das Beschwerdeverfahren und von Amts wegen zugleich für den ersten Rechtszug unter Änderung der erstinstanzlichen Streitwertfestsetzung beruht auf den §§ 63 Abs. 3, 53 Abs. 2 Nr. 2 in Verbindung mit den §§ 47, 52 Abs. 1 und 2 GKG. Da die Entscheidung in der Hauptsache vorweggenommen wird, sieht der Senat von einer Halbierung des Auffangwerts in Anlehnung an Ziffer 1.5 des Streitwertkatalogs für die Verwaltungsgerichtsbarkeit 2013 (NVwZ-Beilage 2013, 57) ab (vgl. OVG LSA, Beschlüsse vom 22. Dezember 2009, a. a. O. Rn. 15, und vom 23. Februar 2011, a. a. O. Rn. 17).

8

Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO, § 68 Abs. 1 Satz 5 in Verbindung mit § 66 Abs. 3 Satz 3 GKG).


Beamtinnen und Beamten kann aus zwingenden dienstlichen Gründen die Führung der Dienstgeschäfte verboten werden. Das Verbot erlischt, wenn nicht bis zum Ablauf von drei Monaten gegen die Beamtin oder den Beamten ein Disziplinarverfahren oder ein sonstiges auf Rücknahme der Ernennung oder auf Beendigung des Beamtenverhältnisses gerichtetes Verfahren eingeleitet worden ist.

(1) Das Beamtenverhältnis auf Lebenszeit dient der dauernden Wahrnehmung von Aufgaben nach § 3 Abs. 2. Es bildet die Regel.

(2) Das Beamtenverhältnis auf Zeit dient

a)
der befristeten Wahrnehmung von Aufgaben nach § 3 Abs. 2 oder
b)
der zunächst befristeten Übertragung eines Amtes mit leitender Funktion.

(3) Das Beamtenverhältnis auf Probe dient der Ableistung einer Probezeit

a)
zur späteren Verwendung auf Lebenszeit oder
b)
zur Übertragung eines Amtes mit leitender Funktion.

(4) Das Beamtenverhältnis auf Widerruf dient

a)
der Ableistung eines Vorbereitungsdienstes oder
b)
der nur vorübergehenden Wahrnehmung von Aufgaben nach § 3 Abs. 2.

Beamtinnen und Beamten kann aus zwingenden dienstlichen Gründen die Führung der Dienstgeschäfte verboten werden. Das Verbot erlischt, wenn nicht bis zum Ablauf von drei Monaten gegen die Beamtin oder den Beamten ein Disziplinarverfahren oder ein sonstiges auf Rücknahme der Ernennung oder auf Beendigung des Beamtenverhältnisses gerichtetes Verfahren eingeleitet worden ist.

Tenor

Die Beschwerde gegen den Beschluss des Schleswig-Holsteinischen Verwaltungsgerichts - 12. Kammer - vom 22. Juni 2016 wird zurückgewiesen.

Der Antragsteller trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.

Der Wert des Streitgegenstandes wird für das Beschwerdeverfahren auf 5.000,00 Euro festgesetzt.

Gründe

1

Der Antragsteller ist Polizeikommissaranwärter im 72. Studienjahrgang an der Hochschule Bund - Fachbereich Bundespolizei. Mit Bescheid vom 2. Mai 2016 verbot der Präsident der Bundespolizeiakademie dem Antragsteller die Führung der Dienstgeschäfte und ordnete die sofortige Vollziehung an. Zur Begründung hieß es, das Verhalten des Antragstellers innerhalb des Dienstbetriebs offenbare eine rechtsextreme zumindest latent rassistische Gesinnung. Seine Äußerungen und Verhaltensweisen ließen auf eine für den Polizeivollzugsdienst untragbare charakterliche Grundeinstellung und eine tiefe Missachtung der ihm auferlegten Pflicht schließen, die freiheitlich demokratische Grundordnung im Sinne des Grundgesetzes anzuerkennen und für deren Einhaltung einzutreten.

2

Dem war vorausgegangen, dass Studierende seines Jahrgangs gegenüber dem Prodekan des Zentralen Lehrbereichs der Bundespolizeiakademie in Brühl Angaben zum Verhalten des Antragstellers gemacht hatten, die zur Einleitung eines förmlichen Strafverfahrens und zu polizeilichen Ermittlungen u.a. gegen den Antragsteller geführt haben. Es hat daraufhin bei ihm eine gerichtlich angeordnete Durchsuchung stattgefunden und mehrere Zeugen sind zu den Vorkommnissen polizeilich vernommen worden.

3

Am 11. Mai 2016 legte der Antragsteller Widerspruch gegen den Bescheid ein. Zugleich hat er beim Schleswig-Holsteinischen Verwaltungsgericht einen Antrag auf Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung des Widerspruchs gestellt, den das Gericht mit Beschluss vom 22. Juni 2016 abgelehnt hat. Die Anordnung der sofortigen Vollziehung sei hinreichend begründet worden. Die in der Sache vorzunehmende Interessenabwägung falle zugunsten des öffentlichen Interesses an der sofortigen Vollziehung aus. Der angegriffene Bescheid erweise sich bei summarischer Prüfung als offensichtlich formell und materiell rechtmäßig. Die tatbestandlichen Voraussetzungen des § 66 BBG lägen vor. Zwingende dienstliche Gründe im Sinne der Norm seien zu bejahen.

4

Die Beschwerde gegen den Beschluss des Verwaltungsgerichts vom 22. Juni 2016 ist unbegründet. Die zu ihrer Begründung dargelegten Gründe, die allein Gegenstand der Prüfung durch den Senat sind (§ 146 Abs. 4 S. 6 VwGO), stellen das Ergebnis des angefochtenen Beschlusses nicht in Frage.

5

Soweit der Antragsteller meint, der angefochtene Beschluss leide an einem Verfahrensfehler, trifft dies nicht zu. Der Antragsteller beanstandet zu Unrecht, die erstinstanzliche Entscheidung sei zur Unzeit ergangen, weil die Antragserwiderung der Antragsgegnerin seinem Prozessbevollmächtigten mit gerichtlicher Verfügung vom 24. Mai 2016 lediglich „zur Kenntnisnahme und eventuellen Stellungnahme“ ohne Fristsetzung übersandt worden sei und sein Prozessbevollmächtigter sich bis zum 19. Juni 2016 im Urlaub befunden habe. Zwischen Übersendung der Antragserwiderung und Beschlussfassung lagen mehrere Wochen. In einer Konstellation wie der vorliegenden, in der es dem Antragsteller auch darum ging, noch vor Ende des Studienabschnitts im Juni 2016 wieder zur Ausbildung zugelassen zu werden, hätte der Prozessbevollmächtigte Vorsorge dafür treffen müssen, dass auch während seiner Urlaubsabwesenheit auf gerichtliche Verfügungen bei Bedarf in angemessener Zeit reagiert werden kann.

6

Der Antrag auf Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung des Widerspruchs gegen den Bescheid der Antragsgegnerin vom 2. Mai 2016 hat keinen Erfolg, weil die im Rahmen des Verfahrens nach § 80 Abs. 5 Satz 1 VwGO vorzunehmende Abwägung zwischen dem öffentlichen Vollziehungsinteresse und dem Interesse des Antragstellers an der Aussetzung der Vollziehung hier zu Ungunsten des Antragstellers ausgeht.

7

Das öffentliche Interesse an der sofortigen Vollziehung eines Verbots der Führung der Dienstgeschäfte gemäß § 66 Satz 1 BBG ist in aller Regel zu bejahen, sofern dieses nicht offenbar zu Unrecht ausgesprochen worden ist, um den Zweck eines solchen Verbots erfüllen zu können (vgl. Plog/Wiedow, Bundesbeamtengesetz- Kommentar, Stand Juli 2016, § 66 Rn. 31). § 66 Satz 1 BBG bestimmt, dass die oberste Dienstbehörde oder die von ihr bestimmte Behörde einer Beamtin oder einem Beamten aus zwingenden dienstlichen Gründen die Führung der Dienstgeschäfte verbieten kann.

8

Die Anordnung der sofortigen Vollziehung ist formell rechtmäßig. Die gemäß § 80 Abs. 3 VwGO erforderliche Begründung des Interesses an der sofortigen Vollziehung des Verwaltungsaktes ist entgegen der Auffassung des Antragstellers nicht zu beanstanden. Angesichts der Besonderheit der Maßnahme mit schon materiellrechtlich erforderlichen zwingenden Gründen besteht in aller Regel zugleich Anlass und Rechtfertigung, die sofortige Vollziehung anzuordnen. Dafür werden im Allgemeinen keine zusätzlichen Gründe angeführt werden können und müssen (Plog/Wiedow, a.a.O., § 66 Rn. 31). Im Bescheid heißt es dementsprechend zur Begründung des Sofortvollzuges, es sei sicherzustellen, dass der Dienstbetrieb der Bundespolizeieinrichtungen ungestört und ordnungsgemäß verlaufe und weitere Übergriffe verhindert würden. Das Verbot der Führung der Dienstgeschäfte sei daher mit sofortiger Vollziehbarkeit anzuordnen, um die bezweckte Wirkung zu gewährleisten. Diese Begründung ist hinreichend. Soweit der Antragsteller meint, es hätte einer weitergehenden Begründung bedurft, weshalb die Aufrechterhaltung des Ausbildungsbetriebs, die Einsatz- und Funktionsfähigkeit der Bundespolizei, das Ansehen des Beamtentums und der Schutz der anderen Auszubildenden gefährdet sein solle, obwohl er sich als Polizeikommissar in Ausbildung an der Verwaltungsfachhochschule befinde und keinen Außenkontakt habe, dringt er damit nicht durch. Denn zu Bundespolizeieinrichtungen, deren ordnungsgemäßer Betrieb sichergestellt werden soll, gehört auch die Hochschule selbst. Entscheidend für die Gefährdung der Funktionsfähigkeit der Bundespolizei - wie der öffentlichen Verwaltung im Allgemeinen - ist, ob der Dienstherr oder die Allgemeinheit künftig noch Vertrauen in eine ordnungsgemäße Aufgabenerfüllung durch die Bundespolizei hätten, wenn ihnen die Vorwürfe und das weitere Verbleiben des Antragstellers in der Ausbildung bis zur abschließenden Klärung bekannt würden. Darüber hinaus ist durch die polizeilichen und staatsanwaltschaftlichen Ermittlungen bereits Außenwirkung erzeugt worden.

9

Die Anordnung der sofortigen Vollziehung ist auch materiell rechtmäßig; denn es gibt keine Anhaltspunkte dafür, dass das Verbot der Führung der Dienstgeschäfte offensichtlich zu Unrecht ausgesprochen worden sein könnte.

10

Zutreffend hat das Verwaltungsgericht ausgeführt, dass gegen die formelle Rechtmäßigkeit des Bescheides vom 2. Mai 2016 keine Bedenken bestünden, insbesondere die fehlende Anhörung vor Erlass des streitgegenständlichen Bescheides unbeachtlich sei, weil entweder Gründe für ein Absehen von der Anhörung (gemäß § 28 Abs. 2 Nr. 1 VwVfG) vorlägen oder jedenfalls die Möglichkeit der Nachholung bis zum Abschluss des Klageverfahrens bestehe (vgl. § 45 Abs. 2 VwVfG). Damit wird dem verfassungsrechtlich verankerten Anspruch auf rechtliches Gehör Genüge getan.

11

Gründe, die gegen die materielle Rechtmäßigkeit des Bescheides sprechen könnten, ergeben sich nicht aus der Beschwerdebegründung (und sind auch nicht ersichtlich).

12

Ob zwingende dienstliche Gründe im Sinne von § 66 BBG zu bejahen sind, ist nach den Kenntnissen, die zum Zeitpunkt des Erlasses des Verbots vorgelegen haben, zu beurteilen. Da es sich um ein vorläufiges Verbot im Sinne einer materiellrechtlichen Eilmaßnahme handelt - denn es erlischt gemäß § 66 Satz 2 BBG, wenn nicht bis zum Ablauf von drei Monaten gegen den Beamten ein Disziplinarverfahren oder ein sonstiges auf Rücknahme der Ernennung oder auf Beendigung des Beamtenverhältnisses gerichtetes Verfahren eingeleitet worden ist -, kann keine abschließende Klärung des Sachverhalts gefordert werden (vgl. Plog/Wiedow, a.a.O. § 66 Rn. 30). Die endgültige Aufklärung ist dem staatsanwaltschaftlichen Ermittlungsverfahren und dem bereits im Juli eingeleiteten Entlassungsverfahren vorbehalten.

13

Die Ausübung von Dienstgeschäften setzt nicht voraus, dass dem Beamten ein Amt im statusrechtlichen Sinne verliehen ist. Es genügt vielmehr, dass ihm Dienstgeschäfte zur Wahrnehmung übertragen sind, weshalb auch ein Beamter auf Widerruf im Vorbereitungsdienst – wie hier – Dienstgeschäfte im Sinne der Vorschrift ausübt (vgl. Plog/Wiedow, a.a.O., § 66 Rn. 16).

14

Bei dem Begriff der zwingenden dienstlichen Gründe handelt es sich um einen unbestimmten Rechtsbegriff, der der vollen gerichtlichen Nachprüfung unterliegt. Zwingende dienstliche Gründe sind gegeben, wenn bei weiterer Ausübung des Dienstes durch den Beamten auf seinem bisherigen Dienstposten der Dienstbetrieb erheblich beeinträchtigt würde oder andere gewichtige dienstliche Nachteile ernsthaft zu besorgen wären (vgl. zu § 22 SG: BVerwG, Beschl. v. 19.11.1998 - 1 WB 36.98 -, Juris Rn. 5). Die zu befürchtenden Nachteile müssen so gewichtig sein, dass dem Dienstherrn die Führung der Dienstgeschäfte durch den Beamten bis zur abschließenden Klärung und Entscheidung nicht zugemutet werden kann (vgl. zu § 39 BeamtStG: OVG NRW, Beschl. v. 17.06.2013 - 6 A 2586/12 -, Juris 13). Anders als bei der vorläufigen Dienstenthebung im Zusammenhang mit einem Disziplinarverfahren kommt es bei einem Verbot der Führung der Dienstgeschäfte nach § 66 BBG nicht auf ein vorwerfbares Fehlverhalten des Beamten an, sondern auf die objektive Gefährdung des Dienstes. Das Verbot der Führung der Dienstgeschäfte dient gemäß § 66 BBG der dienstrechtlichen Gefahrenabwehr; die Maßnahme trägt nur vorläufigen Charakter. Mit ihr sollen durch eine sofortige oder wenigstens eine sehr rasche Entscheidung des Dienstherrn gravierende Nachteile durch die aktuelle Dienstausübung des Beamten für den Dienstherrn vermieden werden. Maßgebend ist die Prognose, dass die Aufgabenerfüllung der Verwaltung durch die vorerst weitere Amtsführung des Beamten objektiv gefährdet ist. Demnach ist nicht erforderlich, dass bereits Klarheit über den Grund für die Beeinträchtigung der dienstlichen Belange oder die weitere Verwendung und Behandlung des Beamten besteht; vielmehr eröffnet das Verbot der Führung der Dienstgeschäfte dem Dienstherrn die Möglichkeit, ohne Gefährdung der dienstlichen Interessen Ermittlungen anzustellen und eine solidere Grundlage für dauerhafte Entscheidungen zu gewinnen. Entsprechend dem Zweck des Verbots genügt insoweit der auf hinreichenden Anhaltspunkten beruhende Verdacht einer Gefahrenlage. Die endgültige Aufklärung ist den in § 66 Satz 2 BBG aufgeführten weiteren Verfahren vorbehalten (so auch zu § 39 BeamtStG: OVG NRW, Beschl. v. 30.07.2015 - 6 A 1454/13 -, Juris Rn. 7 ff. m.w.N.).

15

Für ein Verbot der Führung der Dienstgeschäfte ist daher keine erschöpfende Aufklärung erforderlich; es genügt vielmehr, wenn der zuständige Vorgesetzte auf Grund der vorliegenden Erkenntnisse zu der begründeten Überzeugung gelangt, dass dienstliche Gründe ein sofortiges Handeln erfordern und das Verbot der Führung der Dienstgeschäfte als zwingend geboten erscheinen lassen (vgl. zu § 22 SG: BVerwG, Beschl. v. 19.11.1998 - 1 WB 36.98, Juris Rn.).

16

Dass Letzteres vorliegend der Fall war, stellt das Beschwerdevorbringen nicht durchgreifend in Frage.

17

Die Antragsgegnerin hat begründete Zweifel daran, dass der Antragsteller die persönliche und fachliche Eignung für sein Amt besitzt. Denn es gibt konkrete Anhaltspunkte dafür, dass er aufgrund seiner rechtsextremen und zumindest latent rassistischen Einstellung nicht die Gewähr dafür bietet, jederzeit für die freiheitlich demokratische Grundordnung im Sinne des Grundgesetzes einzutreten. Die Pflicht des Beamten zur Verfassungstreue ist ein hergebrachter Grundsatz des Berufsbeamtentums im Sinne des Art. 33 Abs. 5 GG, die auch für das Beamtenverhältnis auf Widerruf im Vorbereitungsdienst gilt (BVerwG, Urt. v.09.06.1981 - 2 C 48.78 -, Juris Rn. 24). Da Beamte auf Widerruf gemäß § 37 Abs. 1 Satz 1 BBG jederzeit entlassen werden können, können berechtigte Zweifel an der Verfassungstreue einen sachlichen Grund für die Entlassung aus dem Beamtenverhältnis auf Widerruf darstellen; der Nachweis eines konkreten Dienstvergehens oder einer schuldhaften Verletzung der Pflicht zur Verfassungstreue ist insoweit nicht erforderlich (vgl. BVerwG, Urt. v. 09.06.1981, a.a.O., Juris Rn. 20).

18

Das Vorbringen des Antragstellers, das Verwaltungsgericht habe aus der beigezogenen Ermittlungsakte der Staatsanwaltschaft fehlerhaft zitiert und deshalb zu Unrecht das Vorliegen der „zwingenden dienstlichen Gründe“ bejaht, greift nicht durch. Ob tatsächlich ungenau zitiert wurde, kann dahinstehen, weil der Akteninhalt die Annahme „zwingender dienstlicher Gründe“ rechtfertigt.

19

Aufgrund der Angaben, die fünf Studierende am 25. April 2016 gegenüber dem Prodekan des Zentralen Lehrbereichs hinsichtlich des Antragstellers gemacht haben, bestehen konkrete Anhaltspunkte, dass der Antragsteller eine rechtsextreme und fremdenfeindliche Einstellung hat erkennen lassen. Seine Kollegen berichteten über mehrfach und öffentlich getätigte rechtsradikale Äußerungen des Antragstellers, sowie darüber, dass der Antragsteller im Besitz von Bildmaterial mit mutmaßlich nationalsozialistischen Inhalten sei. Diese Angaben haben sich zum einen durch die polizeilichen Vernehmungen der Kollegen des Antragstellers (vgl. Synopse der Zeugenaussagen, Bl. 148 bis 150 der polizeilichen Ermittlungsakte - BA B) und zum anderen aufgrund der beim Antragsteller auf dem Mobiltelefon vorgefundenen Fotos (Bl. 130 bis 146 BA B) bestätigt. Ob diese Feststellungen ausreichen, um den Grad strafbaren Verhaltens zu erreichen, ist irrelevant. Sie zeigen jedenfalls, dass der Antragsteller sich nicht von rechtsradikalem Gedankengut distanziert und mithin Zweifel an der charakterlichen Eignung im Hinblick auf die Ausübung des Berufes eines Polizisten der Bundespolizei gerechtfertigt sind. Soweit er geltend macht, die auf dem Mobiltelefon gespeicherten Bilder seien Privatsache, Bilder, auf denen Hakenkreuze abgebildet seien, seien ihm zugeschickt worden und stellten einen – auch so verstandenen – makabren Scherz dar, Bilder von Soldaten der Wehrmacht oder der Waffen-SS seien Ausdruck seines historischen Interesses, ist dies vor dem Hintergrund der Schilderungen der Kommilitonen über das Verhalten des Antragstellers - auch im Zusammenspiel mit dem Kommilitonen ... - als Schutzbehauptung zu werten.

20

Nach dem derzeitigen Aktenstand trifft es entgegen dem Vorbringen des Antragstellers nicht zu, dass er die abgespeicherten Fotos nicht weitergezeigt habe. So bezeugt etwa die Zeugin ..., dass der Antragsteller sowohl verschiedene „SS-Frisuren als auch Fotos mit Hakenkreuzen und SS-Runen auf seinem Handy hatte und überall rumgezeigt hat“ (Bl. 58 BA B). Auch die Zeugin ... gab an, dass der Antragsteller ihr ein Foto eines SS-Mannes gezeigt habe, bei dem SS-Runen auf dem Uniformkragen zu sehen gewesen seien, und ein weiteres Bild eines „Propagandaplakats mit einem abgebildeten SS-Mann“ (Bl. 55 BA B). Dass es ihm dabei lediglich um die Erörterung einer möglichen neuen Frisur gegangen sei, wie von ihm vorgetragen, erklärt nicht, weshalb er dafür Bilder mit Nazisymbolen ausgewählt hat.

21

Nach Angaben des Zeugen ... soll der Antragsteller „... als ... bezeichnet“ haben. Im Kontext mit den auf Bl. 144 bis 146 der Beiakte B befindlichen Bildern, die sich auf dem Mobiltelefon des Antragstellers fanden, lässt dies den Schluss auf eine ausländerfeindliche Gesinnung des Antragstellers zu. Dort heißt es zum Beispiel: „...“.

22

Soweit der Antragsteller bestreitet, jemals „Sieg Heil“ gerufen zu haben, widerspricht dies den Angaben mehrerer Zeugen, die einen entsprechenden Ausruf von ihm in angetrunkenem Zustand gehört haben wollen (vgl. Synopse, Bl. 148 ff. BA B).

23

Aufgrund dieser Erkenntnisse ist sein Vorbringen, er habe den Eid, den er auf die Verfassung geschworen habe, jederzeit gehalten und beabsichtige ihn auch nicht zu brechen, nicht glaubhaft. Die vom Antragsteller angeführte Vermutung, seine anzeigenerstattenden Kollegen hegten möglicherweise persönliche Animositäten gegen ihn, vermögen die konkreten Anhaltspunkte für fehlende charakterliche Eignung - insbesondere aufgrund der bei ihm vorgefundenen Bilder - ebenfalls nicht in Frage zu stellen.

24

Ob der Antragsteller in Gesprächen mit dem Kommilitonen ... zudem antisemitische und menschenverachtende Äußerungen getätigt oder solche gefallenen Äußerungen gutgeheißen hat, bedarf im vorliegenden einstweiligen Rechtsschutzverfahren keiner weitergehenden Aufklärung, weil die vorstehend aufgezählten Umstände ausreichen, um „zwingende dienstliche Gründe“ zu bejahen. Dementsprechend ist auch eine vom Antragsteller beantragte Zeugenvernehmung entbehrlich und einem etwaigen Hauptsacheverfahren bzw. Entlassungsverfahren vorbehalten.

25

Entgegen der Auffassung des Antragstellers führt der Umstand, dass er sich lediglich im Ausbildungsverhältnis befinde und keinen Außenkontakt habe, nicht dazu, dass das ausgesprochene Verbot unverhältnismäßig wäre. Dies ergibt sich aus den von Seiten der Antragsgegnerin angeführten Argumenten. Dazu heißt es zutreffend im Bescheid, ein Verbleib im Ausbildungsbetrieb würde zu einem erheblichen Ansehensverlust für die Bundespolizei führen und könnte dem Eindruck Vorschub leisten, die Bundespolizei dulde in ihren Reihen rechtsextremistische oder jedenfalls menschenverachtende Äußerungen. Darüber hinaus bestehe die Gefahr, dass die strafrechtlichen und dienstrechtlichen Ermittlungen erschwert werden könnten. Schließlich diene die Maßnahme auch dem Schutz der Mitstudierenden, die in dem laufenden Verfahren als Zeugen ausgesagt hätten. Im Beschwerdeverfahren hat die Antragsgegnerin ergänzend und zutreffend darauf hingewiesen, dass auch zu berücksichtigen sei, dass der Antragsteller im Rahmen der fachpraktischen Ausbildung in Uniform in der Öffentlichkeit tätig werden müsste.

26

Auch der Einwand des Antragstellers, der Bescheid sei rechtswidrig, weil die Antragsgegnerin kein Ermessen ausgeübt habe, verfängt nicht. Sofern die Tatbestandsvoraussetzungen der zwingenden dienstlichen Gründe für das Verbot der Führung der Dienstgeschäfte erfüllt sind, wird in aller Regel Ermessen nicht mehr hinsichtlich der Anordnung der Maßnahme als solcher (vgl. Plog/Wiedow, a.a.O., § 66 BBG Rn. 21 a.E.), sondern im Wesentlichen nur noch dahin eröffnet sein, ob es eine andere Möglichkeit gibt, den betreffenden Beamten amtsangemessen zu beschäftigen, gegebenenfalls auch zu Dauer und Umfang des Verbots (vgl. zu § 39 BeamtStG: OVG NRW, Beschl. v. 17.06.2013 – 6 A 2586/12 -, Juris Rn. 14). Da es für einen Widerrufsbeamten im Vorbereitungsdienst keine andere Möglichkeit der amtsangemessenen Beschäftigung gibt, heißt es zutreffend im Bescheid, die Maßnahme nach § 66 BBG sei aus vorbenannten Gründen unerlässlich.

27

Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO; die Festsetzung des Streitwertes beruht auf den § 53 Abs. 2, § 52 Abs. 1 und 2 GKG.

28

Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO, § 68 Abs. 1 Satz 5, § 66 Abs. 3 Satz 3 GKG).


Beamtinnen und Beamten kann aus zwingenden dienstlichen Gründen die Führung der Dienstgeschäfte verboten werden. Das Verbot erlischt, wenn nicht bis zum Ablauf von drei Monaten gegen die Beamtin oder den Beamten ein Disziplinarverfahren oder ein sonstiges auf Rücknahme der Ernennung oder auf Beendigung des Beamtenverhältnisses gerichtetes Verfahren eingeleitet worden ist.

Tenor

Die Beschwerde gegen den Beschluss des Schleswig-Holsteinischen Verwaltungsgerichts - 12. Kammer - vom 22. Juni 2016 wird zurückgewiesen.

Der Antragsteller trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.

Der Wert des Streitgegenstandes wird für das Beschwerdeverfahren auf 5.000,00 Euro festgesetzt.

Gründe

1

Der Antragsteller ist Polizeikommissaranwärter im 72. Studienjahrgang an der Hochschule Bund - Fachbereich Bundespolizei. Mit Bescheid vom 2. Mai 2016 verbot der Präsident der Bundespolizeiakademie dem Antragsteller die Führung der Dienstgeschäfte und ordnete die sofortige Vollziehung an. Zur Begründung hieß es, das Verhalten des Antragstellers innerhalb des Dienstbetriebs offenbare eine rechtsextreme zumindest latent rassistische Gesinnung. Seine Äußerungen und Verhaltensweisen ließen auf eine für den Polizeivollzugsdienst untragbare charakterliche Grundeinstellung und eine tiefe Missachtung der ihm auferlegten Pflicht schließen, die freiheitlich demokratische Grundordnung im Sinne des Grundgesetzes anzuerkennen und für deren Einhaltung einzutreten.

2

Dem war vorausgegangen, dass Studierende seines Jahrgangs gegenüber dem Prodekan des Zentralen Lehrbereichs der Bundespolizeiakademie in Brühl Angaben zum Verhalten des Antragstellers gemacht hatten, die zur Einleitung eines förmlichen Strafverfahrens und zu polizeilichen Ermittlungen u.a. gegen den Antragsteller geführt haben. Es hat daraufhin bei ihm eine gerichtlich angeordnete Durchsuchung stattgefunden und mehrere Zeugen sind zu den Vorkommnissen polizeilich vernommen worden.

3

Am 11. Mai 2016 legte der Antragsteller Widerspruch gegen den Bescheid ein. Zugleich hat er beim Schleswig-Holsteinischen Verwaltungsgericht einen Antrag auf Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung des Widerspruchs gestellt, den das Gericht mit Beschluss vom 22. Juni 2016 abgelehnt hat. Die Anordnung der sofortigen Vollziehung sei hinreichend begründet worden. Die in der Sache vorzunehmende Interessenabwägung falle zugunsten des öffentlichen Interesses an der sofortigen Vollziehung aus. Der angegriffene Bescheid erweise sich bei summarischer Prüfung als offensichtlich formell und materiell rechtmäßig. Die tatbestandlichen Voraussetzungen des § 66 BBG lägen vor. Zwingende dienstliche Gründe im Sinne der Norm seien zu bejahen.

4

Die Beschwerde gegen den Beschluss des Verwaltungsgerichts vom 22. Juni 2016 ist unbegründet. Die zu ihrer Begründung dargelegten Gründe, die allein Gegenstand der Prüfung durch den Senat sind (§ 146 Abs. 4 S. 6 VwGO), stellen das Ergebnis des angefochtenen Beschlusses nicht in Frage.

5

Soweit der Antragsteller meint, der angefochtene Beschluss leide an einem Verfahrensfehler, trifft dies nicht zu. Der Antragsteller beanstandet zu Unrecht, die erstinstanzliche Entscheidung sei zur Unzeit ergangen, weil die Antragserwiderung der Antragsgegnerin seinem Prozessbevollmächtigten mit gerichtlicher Verfügung vom 24. Mai 2016 lediglich „zur Kenntnisnahme und eventuellen Stellungnahme“ ohne Fristsetzung übersandt worden sei und sein Prozessbevollmächtigter sich bis zum 19. Juni 2016 im Urlaub befunden habe. Zwischen Übersendung der Antragserwiderung und Beschlussfassung lagen mehrere Wochen. In einer Konstellation wie der vorliegenden, in der es dem Antragsteller auch darum ging, noch vor Ende des Studienabschnitts im Juni 2016 wieder zur Ausbildung zugelassen zu werden, hätte der Prozessbevollmächtigte Vorsorge dafür treffen müssen, dass auch während seiner Urlaubsabwesenheit auf gerichtliche Verfügungen bei Bedarf in angemessener Zeit reagiert werden kann.

6

Der Antrag auf Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung des Widerspruchs gegen den Bescheid der Antragsgegnerin vom 2. Mai 2016 hat keinen Erfolg, weil die im Rahmen des Verfahrens nach § 80 Abs. 5 Satz 1 VwGO vorzunehmende Abwägung zwischen dem öffentlichen Vollziehungsinteresse und dem Interesse des Antragstellers an der Aussetzung der Vollziehung hier zu Ungunsten des Antragstellers ausgeht.

7

Das öffentliche Interesse an der sofortigen Vollziehung eines Verbots der Führung der Dienstgeschäfte gemäß § 66 Satz 1 BBG ist in aller Regel zu bejahen, sofern dieses nicht offenbar zu Unrecht ausgesprochen worden ist, um den Zweck eines solchen Verbots erfüllen zu können (vgl. Plog/Wiedow, Bundesbeamtengesetz- Kommentar, Stand Juli 2016, § 66 Rn. 31). § 66 Satz 1 BBG bestimmt, dass die oberste Dienstbehörde oder die von ihr bestimmte Behörde einer Beamtin oder einem Beamten aus zwingenden dienstlichen Gründen die Führung der Dienstgeschäfte verbieten kann.

8

Die Anordnung der sofortigen Vollziehung ist formell rechtmäßig. Die gemäß § 80 Abs. 3 VwGO erforderliche Begründung des Interesses an der sofortigen Vollziehung des Verwaltungsaktes ist entgegen der Auffassung des Antragstellers nicht zu beanstanden. Angesichts der Besonderheit der Maßnahme mit schon materiellrechtlich erforderlichen zwingenden Gründen besteht in aller Regel zugleich Anlass und Rechtfertigung, die sofortige Vollziehung anzuordnen. Dafür werden im Allgemeinen keine zusätzlichen Gründe angeführt werden können und müssen (Plog/Wiedow, a.a.O., § 66 Rn. 31). Im Bescheid heißt es dementsprechend zur Begründung des Sofortvollzuges, es sei sicherzustellen, dass der Dienstbetrieb der Bundespolizeieinrichtungen ungestört und ordnungsgemäß verlaufe und weitere Übergriffe verhindert würden. Das Verbot der Führung der Dienstgeschäfte sei daher mit sofortiger Vollziehbarkeit anzuordnen, um die bezweckte Wirkung zu gewährleisten. Diese Begründung ist hinreichend. Soweit der Antragsteller meint, es hätte einer weitergehenden Begründung bedurft, weshalb die Aufrechterhaltung des Ausbildungsbetriebs, die Einsatz- und Funktionsfähigkeit der Bundespolizei, das Ansehen des Beamtentums und der Schutz der anderen Auszubildenden gefährdet sein solle, obwohl er sich als Polizeikommissar in Ausbildung an der Verwaltungsfachhochschule befinde und keinen Außenkontakt habe, dringt er damit nicht durch. Denn zu Bundespolizeieinrichtungen, deren ordnungsgemäßer Betrieb sichergestellt werden soll, gehört auch die Hochschule selbst. Entscheidend für die Gefährdung der Funktionsfähigkeit der Bundespolizei - wie der öffentlichen Verwaltung im Allgemeinen - ist, ob der Dienstherr oder die Allgemeinheit künftig noch Vertrauen in eine ordnungsgemäße Aufgabenerfüllung durch die Bundespolizei hätten, wenn ihnen die Vorwürfe und das weitere Verbleiben des Antragstellers in der Ausbildung bis zur abschließenden Klärung bekannt würden. Darüber hinaus ist durch die polizeilichen und staatsanwaltschaftlichen Ermittlungen bereits Außenwirkung erzeugt worden.

9

Die Anordnung der sofortigen Vollziehung ist auch materiell rechtmäßig; denn es gibt keine Anhaltspunkte dafür, dass das Verbot der Führung der Dienstgeschäfte offensichtlich zu Unrecht ausgesprochen worden sein könnte.

10

Zutreffend hat das Verwaltungsgericht ausgeführt, dass gegen die formelle Rechtmäßigkeit des Bescheides vom 2. Mai 2016 keine Bedenken bestünden, insbesondere die fehlende Anhörung vor Erlass des streitgegenständlichen Bescheides unbeachtlich sei, weil entweder Gründe für ein Absehen von der Anhörung (gemäß § 28 Abs. 2 Nr. 1 VwVfG) vorlägen oder jedenfalls die Möglichkeit der Nachholung bis zum Abschluss des Klageverfahrens bestehe (vgl. § 45 Abs. 2 VwVfG). Damit wird dem verfassungsrechtlich verankerten Anspruch auf rechtliches Gehör Genüge getan.

11

Gründe, die gegen die materielle Rechtmäßigkeit des Bescheides sprechen könnten, ergeben sich nicht aus der Beschwerdebegründung (und sind auch nicht ersichtlich).

12

Ob zwingende dienstliche Gründe im Sinne von § 66 BBG zu bejahen sind, ist nach den Kenntnissen, die zum Zeitpunkt des Erlasses des Verbots vorgelegen haben, zu beurteilen. Da es sich um ein vorläufiges Verbot im Sinne einer materiellrechtlichen Eilmaßnahme handelt - denn es erlischt gemäß § 66 Satz 2 BBG, wenn nicht bis zum Ablauf von drei Monaten gegen den Beamten ein Disziplinarverfahren oder ein sonstiges auf Rücknahme der Ernennung oder auf Beendigung des Beamtenverhältnisses gerichtetes Verfahren eingeleitet worden ist -, kann keine abschließende Klärung des Sachverhalts gefordert werden (vgl. Plog/Wiedow, a.a.O. § 66 Rn. 30). Die endgültige Aufklärung ist dem staatsanwaltschaftlichen Ermittlungsverfahren und dem bereits im Juli eingeleiteten Entlassungsverfahren vorbehalten.

13

Die Ausübung von Dienstgeschäften setzt nicht voraus, dass dem Beamten ein Amt im statusrechtlichen Sinne verliehen ist. Es genügt vielmehr, dass ihm Dienstgeschäfte zur Wahrnehmung übertragen sind, weshalb auch ein Beamter auf Widerruf im Vorbereitungsdienst – wie hier – Dienstgeschäfte im Sinne der Vorschrift ausübt (vgl. Plog/Wiedow, a.a.O., § 66 Rn. 16).

14

Bei dem Begriff der zwingenden dienstlichen Gründe handelt es sich um einen unbestimmten Rechtsbegriff, der der vollen gerichtlichen Nachprüfung unterliegt. Zwingende dienstliche Gründe sind gegeben, wenn bei weiterer Ausübung des Dienstes durch den Beamten auf seinem bisherigen Dienstposten der Dienstbetrieb erheblich beeinträchtigt würde oder andere gewichtige dienstliche Nachteile ernsthaft zu besorgen wären (vgl. zu § 22 SG: BVerwG, Beschl. v. 19.11.1998 - 1 WB 36.98 -, Juris Rn. 5). Die zu befürchtenden Nachteile müssen so gewichtig sein, dass dem Dienstherrn die Führung der Dienstgeschäfte durch den Beamten bis zur abschließenden Klärung und Entscheidung nicht zugemutet werden kann (vgl. zu § 39 BeamtStG: OVG NRW, Beschl. v. 17.06.2013 - 6 A 2586/12 -, Juris 13). Anders als bei der vorläufigen Dienstenthebung im Zusammenhang mit einem Disziplinarverfahren kommt es bei einem Verbot der Führung der Dienstgeschäfte nach § 66 BBG nicht auf ein vorwerfbares Fehlverhalten des Beamten an, sondern auf die objektive Gefährdung des Dienstes. Das Verbot der Führung der Dienstgeschäfte dient gemäß § 66 BBG der dienstrechtlichen Gefahrenabwehr; die Maßnahme trägt nur vorläufigen Charakter. Mit ihr sollen durch eine sofortige oder wenigstens eine sehr rasche Entscheidung des Dienstherrn gravierende Nachteile durch die aktuelle Dienstausübung des Beamten für den Dienstherrn vermieden werden. Maßgebend ist die Prognose, dass die Aufgabenerfüllung der Verwaltung durch die vorerst weitere Amtsführung des Beamten objektiv gefährdet ist. Demnach ist nicht erforderlich, dass bereits Klarheit über den Grund für die Beeinträchtigung der dienstlichen Belange oder die weitere Verwendung und Behandlung des Beamten besteht; vielmehr eröffnet das Verbot der Führung der Dienstgeschäfte dem Dienstherrn die Möglichkeit, ohne Gefährdung der dienstlichen Interessen Ermittlungen anzustellen und eine solidere Grundlage für dauerhafte Entscheidungen zu gewinnen. Entsprechend dem Zweck des Verbots genügt insoweit der auf hinreichenden Anhaltspunkten beruhende Verdacht einer Gefahrenlage. Die endgültige Aufklärung ist den in § 66 Satz 2 BBG aufgeführten weiteren Verfahren vorbehalten (so auch zu § 39 BeamtStG: OVG NRW, Beschl. v. 30.07.2015 - 6 A 1454/13 -, Juris Rn. 7 ff. m.w.N.).

15

Für ein Verbot der Führung der Dienstgeschäfte ist daher keine erschöpfende Aufklärung erforderlich; es genügt vielmehr, wenn der zuständige Vorgesetzte auf Grund der vorliegenden Erkenntnisse zu der begründeten Überzeugung gelangt, dass dienstliche Gründe ein sofortiges Handeln erfordern und das Verbot der Führung der Dienstgeschäfte als zwingend geboten erscheinen lassen (vgl. zu § 22 SG: BVerwG, Beschl. v. 19.11.1998 - 1 WB 36.98, Juris Rn.).

16

Dass Letzteres vorliegend der Fall war, stellt das Beschwerdevorbringen nicht durchgreifend in Frage.

17

Die Antragsgegnerin hat begründete Zweifel daran, dass der Antragsteller die persönliche und fachliche Eignung für sein Amt besitzt. Denn es gibt konkrete Anhaltspunkte dafür, dass er aufgrund seiner rechtsextremen und zumindest latent rassistischen Einstellung nicht die Gewähr dafür bietet, jederzeit für die freiheitlich demokratische Grundordnung im Sinne des Grundgesetzes einzutreten. Die Pflicht des Beamten zur Verfassungstreue ist ein hergebrachter Grundsatz des Berufsbeamtentums im Sinne des Art. 33 Abs. 5 GG, die auch für das Beamtenverhältnis auf Widerruf im Vorbereitungsdienst gilt (BVerwG, Urt. v.09.06.1981 - 2 C 48.78 -, Juris Rn. 24). Da Beamte auf Widerruf gemäß § 37 Abs. 1 Satz 1 BBG jederzeit entlassen werden können, können berechtigte Zweifel an der Verfassungstreue einen sachlichen Grund für die Entlassung aus dem Beamtenverhältnis auf Widerruf darstellen; der Nachweis eines konkreten Dienstvergehens oder einer schuldhaften Verletzung der Pflicht zur Verfassungstreue ist insoweit nicht erforderlich (vgl. BVerwG, Urt. v. 09.06.1981, a.a.O., Juris Rn. 20).

18

Das Vorbringen des Antragstellers, das Verwaltungsgericht habe aus der beigezogenen Ermittlungsakte der Staatsanwaltschaft fehlerhaft zitiert und deshalb zu Unrecht das Vorliegen der „zwingenden dienstlichen Gründe“ bejaht, greift nicht durch. Ob tatsächlich ungenau zitiert wurde, kann dahinstehen, weil der Akteninhalt die Annahme „zwingender dienstlicher Gründe“ rechtfertigt.

19

Aufgrund der Angaben, die fünf Studierende am 25. April 2016 gegenüber dem Prodekan des Zentralen Lehrbereichs hinsichtlich des Antragstellers gemacht haben, bestehen konkrete Anhaltspunkte, dass der Antragsteller eine rechtsextreme und fremdenfeindliche Einstellung hat erkennen lassen. Seine Kollegen berichteten über mehrfach und öffentlich getätigte rechtsradikale Äußerungen des Antragstellers, sowie darüber, dass der Antragsteller im Besitz von Bildmaterial mit mutmaßlich nationalsozialistischen Inhalten sei. Diese Angaben haben sich zum einen durch die polizeilichen Vernehmungen der Kollegen des Antragstellers (vgl. Synopse der Zeugenaussagen, Bl. 148 bis 150 der polizeilichen Ermittlungsakte - BA B) und zum anderen aufgrund der beim Antragsteller auf dem Mobiltelefon vorgefundenen Fotos (Bl. 130 bis 146 BA B) bestätigt. Ob diese Feststellungen ausreichen, um den Grad strafbaren Verhaltens zu erreichen, ist irrelevant. Sie zeigen jedenfalls, dass der Antragsteller sich nicht von rechtsradikalem Gedankengut distanziert und mithin Zweifel an der charakterlichen Eignung im Hinblick auf die Ausübung des Berufes eines Polizisten der Bundespolizei gerechtfertigt sind. Soweit er geltend macht, die auf dem Mobiltelefon gespeicherten Bilder seien Privatsache, Bilder, auf denen Hakenkreuze abgebildet seien, seien ihm zugeschickt worden und stellten einen – auch so verstandenen – makabren Scherz dar, Bilder von Soldaten der Wehrmacht oder der Waffen-SS seien Ausdruck seines historischen Interesses, ist dies vor dem Hintergrund der Schilderungen der Kommilitonen über das Verhalten des Antragstellers - auch im Zusammenspiel mit dem Kommilitonen ... - als Schutzbehauptung zu werten.

20

Nach dem derzeitigen Aktenstand trifft es entgegen dem Vorbringen des Antragstellers nicht zu, dass er die abgespeicherten Fotos nicht weitergezeigt habe. So bezeugt etwa die Zeugin ..., dass der Antragsteller sowohl verschiedene „SS-Frisuren als auch Fotos mit Hakenkreuzen und SS-Runen auf seinem Handy hatte und überall rumgezeigt hat“ (Bl. 58 BA B). Auch die Zeugin ... gab an, dass der Antragsteller ihr ein Foto eines SS-Mannes gezeigt habe, bei dem SS-Runen auf dem Uniformkragen zu sehen gewesen seien, und ein weiteres Bild eines „Propagandaplakats mit einem abgebildeten SS-Mann“ (Bl. 55 BA B). Dass es ihm dabei lediglich um die Erörterung einer möglichen neuen Frisur gegangen sei, wie von ihm vorgetragen, erklärt nicht, weshalb er dafür Bilder mit Nazisymbolen ausgewählt hat.

21

Nach Angaben des Zeugen ... soll der Antragsteller „... als ... bezeichnet“ haben. Im Kontext mit den auf Bl. 144 bis 146 der Beiakte B befindlichen Bildern, die sich auf dem Mobiltelefon des Antragstellers fanden, lässt dies den Schluss auf eine ausländerfeindliche Gesinnung des Antragstellers zu. Dort heißt es zum Beispiel: „...“.

22

Soweit der Antragsteller bestreitet, jemals „Sieg Heil“ gerufen zu haben, widerspricht dies den Angaben mehrerer Zeugen, die einen entsprechenden Ausruf von ihm in angetrunkenem Zustand gehört haben wollen (vgl. Synopse, Bl. 148 ff. BA B).

23

Aufgrund dieser Erkenntnisse ist sein Vorbringen, er habe den Eid, den er auf die Verfassung geschworen habe, jederzeit gehalten und beabsichtige ihn auch nicht zu brechen, nicht glaubhaft. Die vom Antragsteller angeführte Vermutung, seine anzeigenerstattenden Kollegen hegten möglicherweise persönliche Animositäten gegen ihn, vermögen die konkreten Anhaltspunkte für fehlende charakterliche Eignung - insbesondere aufgrund der bei ihm vorgefundenen Bilder - ebenfalls nicht in Frage zu stellen.

24

Ob der Antragsteller in Gesprächen mit dem Kommilitonen ... zudem antisemitische und menschenverachtende Äußerungen getätigt oder solche gefallenen Äußerungen gutgeheißen hat, bedarf im vorliegenden einstweiligen Rechtsschutzverfahren keiner weitergehenden Aufklärung, weil die vorstehend aufgezählten Umstände ausreichen, um „zwingende dienstliche Gründe“ zu bejahen. Dementsprechend ist auch eine vom Antragsteller beantragte Zeugenvernehmung entbehrlich und einem etwaigen Hauptsacheverfahren bzw. Entlassungsverfahren vorbehalten.

25

Entgegen der Auffassung des Antragstellers führt der Umstand, dass er sich lediglich im Ausbildungsverhältnis befinde und keinen Außenkontakt habe, nicht dazu, dass das ausgesprochene Verbot unverhältnismäßig wäre. Dies ergibt sich aus den von Seiten der Antragsgegnerin angeführten Argumenten. Dazu heißt es zutreffend im Bescheid, ein Verbleib im Ausbildungsbetrieb würde zu einem erheblichen Ansehensverlust für die Bundespolizei führen und könnte dem Eindruck Vorschub leisten, die Bundespolizei dulde in ihren Reihen rechtsextremistische oder jedenfalls menschenverachtende Äußerungen. Darüber hinaus bestehe die Gefahr, dass die strafrechtlichen und dienstrechtlichen Ermittlungen erschwert werden könnten. Schließlich diene die Maßnahme auch dem Schutz der Mitstudierenden, die in dem laufenden Verfahren als Zeugen ausgesagt hätten. Im Beschwerdeverfahren hat die Antragsgegnerin ergänzend und zutreffend darauf hingewiesen, dass auch zu berücksichtigen sei, dass der Antragsteller im Rahmen der fachpraktischen Ausbildung in Uniform in der Öffentlichkeit tätig werden müsste.

26

Auch der Einwand des Antragstellers, der Bescheid sei rechtswidrig, weil die Antragsgegnerin kein Ermessen ausgeübt habe, verfängt nicht. Sofern die Tatbestandsvoraussetzungen der zwingenden dienstlichen Gründe für das Verbot der Führung der Dienstgeschäfte erfüllt sind, wird in aller Regel Ermessen nicht mehr hinsichtlich der Anordnung der Maßnahme als solcher (vgl. Plog/Wiedow, a.a.O., § 66 BBG Rn. 21 a.E.), sondern im Wesentlichen nur noch dahin eröffnet sein, ob es eine andere Möglichkeit gibt, den betreffenden Beamten amtsangemessen zu beschäftigen, gegebenenfalls auch zu Dauer und Umfang des Verbots (vgl. zu § 39 BeamtStG: OVG NRW, Beschl. v. 17.06.2013 – 6 A 2586/12 -, Juris Rn. 14). Da es für einen Widerrufsbeamten im Vorbereitungsdienst keine andere Möglichkeit der amtsangemessenen Beschäftigung gibt, heißt es zutreffend im Bescheid, die Maßnahme nach § 66 BBG sei aus vorbenannten Gründen unerlässlich.

27

Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO; die Festsetzung des Streitwertes beruht auf den § 53 Abs. 2, § 52 Abs. 1 und 2 GKG.

28

Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO, § 68 Abs. 1 Satz 5, § 66 Abs. 3 Satz 3 GKG).


Beamtinnen und Beamten kann aus zwingenden dienstlichen Gründen die Führung der Dienstgeschäfte verboten werden. Das Verbot erlischt, wenn nicht bis zum Ablauf von drei Monaten gegen die Beamtin oder den Beamten ein Disziplinarverfahren oder ein sonstiges auf Rücknahme der Ernennung oder auf Beendigung des Beamtenverhältnisses gerichtetes Verfahren eingeleitet worden ist.

Tenor

Die Beschwerde gegen den Beschluss des Schleswig-Holsteinischen Verwaltungsgerichts - 12. Kammer - vom 22. Juni 2016 wird zurückgewiesen.

Der Antragsteller trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.

Der Wert des Streitgegenstandes wird für das Beschwerdeverfahren auf 5.000,00 Euro festgesetzt.

Gründe

1

Der Antragsteller ist Polizeikommissaranwärter im 72. Studienjahrgang an der Hochschule Bund - Fachbereich Bundespolizei. Mit Bescheid vom 2. Mai 2016 verbot der Präsident der Bundespolizeiakademie dem Antragsteller die Führung der Dienstgeschäfte und ordnete die sofortige Vollziehung an. Zur Begründung hieß es, das Verhalten des Antragstellers innerhalb des Dienstbetriebs offenbare eine rechtsextreme zumindest latent rassistische Gesinnung. Seine Äußerungen und Verhaltensweisen ließen auf eine für den Polizeivollzugsdienst untragbare charakterliche Grundeinstellung und eine tiefe Missachtung der ihm auferlegten Pflicht schließen, die freiheitlich demokratische Grundordnung im Sinne des Grundgesetzes anzuerkennen und für deren Einhaltung einzutreten.

2

Dem war vorausgegangen, dass Studierende seines Jahrgangs gegenüber dem Prodekan des Zentralen Lehrbereichs der Bundespolizeiakademie in Brühl Angaben zum Verhalten des Antragstellers gemacht hatten, die zur Einleitung eines förmlichen Strafverfahrens und zu polizeilichen Ermittlungen u.a. gegen den Antragsteller geführt haben. Es hat daraufhin bei ihm eine gerichtlich angeordnete Durchsuchung stattgefunden und mehrere Zeugen sind zu den Vorkommnissen polizeilich vernommen worden.

3

Am 11. Mai 2016 legte der Antragsteller Widerspruch gegen den Bescheid ein. Zugleich hat er beim Schleswig-Holsteinischen Verwaltungsgericht einen Antrag auf Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung des Widerspruchs gestellt, den das Gericht mit Beschluss vom 22. Juni 2016 abgelehnt hat. Die Anordnung der sofortigen Vollziehung sei hinreichend begründet worden. Die in der Sache vorzunehmende Interessenabwägung falle zugunsten des öffentlichen Interesses an der sofortigen Vollziehung aus. Der angegriffene Bescheid erweise sich bei summarischer Prüfung als offensichtlich formell und materiell rechtmäßig. Die tatbestandlichen Voraussetzungen des § 66 BBG lägen vor. Zwingende dienstliche Gründe im Sinne der Norm seien zu bejahen.

4

Die Beschwerde gegen den Beschluss des Verwaltungsgerichts vom 22. Juni 2016 ist unbegründet. Die zu ihrer Begründung dargelegten Gründe, die allein Gegenstand der Prüfung durch den Senat sind (§ 146 Abs. 4 S. 6 VwGO), stellen das Ergebnis des angefochtenen Beschlusses nicht in Frage.

5

Soweit der Antragsteller meint, der angefochtene Beschluss leide an einem Verfahrensfehler, trifft dies nicht zu. Der Antragsteller beanstandet zu Unrecht, die erstinstanzliche Entscheidung sei zur Unzeit ergangen, weil die Antragserwiderung der Antragsgegnerin seinem Prozessbevollmächtigten mit gerichtlicher Verfügung vom 24. Mai 2016 lediglich „zur Kenntnisnahme und eventuellen Stellungnahme“ ohne Fristsetzung übersandt worden sei und sein Prozessbevollmächtigter sich bis zum 19. Juni 2016 im Urlaub befunden habe. Zwischen Übersendung der Antragserwiderung und Beschlussfassung lagen mehrere Wochen. In einer Konstellation wie der vorliegenden, in der es dem Antragsteller auch darum ging, noch vor Ende des Studienabschnitts im Juni 2016 wieder zur Ausbildung zugelassen zu werden, hätte der Prozessbevollmächtigte Vorsorge dafür treffen müssen, dass auch während seiner Urlaubsabwesenheit auf gerichtliche Verfügungen bei Bedarf in angemessener Zeit reagiert werden kann.

6

Der Antrag auf Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung des Widerspruchs gegen den Bescheid der Antragsgegnerin vom 2. Mai 2016 hat keinen Erfolg, weil die im Rahmen des Verfahrens nach § 80 Abs. 5 Satz 1 VwGO vorzunehmende Abwägung zwischen dem öffentlichen Vollziehungsinteresse und dem Interesse des Antragstellers an der Aussetzung der Vollziehung hier zu Ungunsten des Antragstellers ausgeht.

7

Das öffentliche Interesse an der sofortigen Vollziehung eines Verbots der Führung der Dienstgeschäfte gemäß § 66 Satz 1 BBG ist in aller Regel zu bejahen, sofern dieses nicht offenbar zu Unrecht ausgesprochen worden ist, um den Zweck eines solchen Verbots erfüllen zu können (vgl. Plog/Wiedow, Bundesbeamtengesetz- Kommentar, Stand Juli 2016, § 66 Rn. 31). § 66 Satz 1 BBG bestimmt, dass die oberste Dienstbehörde oder die von ihr bestimmte Behörde einer Beamtin oder einem Beamten aus zwingenden dienstlichen Gründen die Führung der Dienstgeschäfte verbieten kann.

8

Die Anordnung der sofortigen Vollziehung ist formell rechtmäßig. Die gemäß § 80 Abs. 3 VwGO erforderliche Begründung des Interesses an der sofortigen Vollziehung des Verwaltungsaktes ist entgegen der Auffassung des Antragstellers nicht zu beanstanden. Angesichts der Besonderheit der Maßnahme mit schon materiellrechtlich erforderlichen zwingenden Gründen besteht in aller Regel zugleich Anlass und Rechtfertigung, die sofortige Vollziehung anzuordnen. Dafür werden im Allgemeinen keine zusätzlichen Gründe angeführt werden können und müssen (Plog/Wiedow, a.a.O., § 66 Rn. 31). Im Bescheid heißt es dementsprechend zur Begründung des Sofortvollzuges, es sei sicherzustellen, dass der Dienstbetrieb der Bundespolizeieinrichtungen ungestört und ordnungsgemäß verlaufe und weitere Übergriffe verhindert würden. Das Verbot der Führung der Dienstgeschäfte sei daher mit sofortiger Vollziehbarkeit anzuordnen, um die bezweckte Wirkung zu gewährleisten. Diese Begründung ist hinreichend. Soweit der Antragsteller meint, es hätte einer weitergehenden Begründung bedurft, weshalb die Aufrechterhaltung des Ausbildungsbetriebs, die Einsatz- und Funktionsfähigkeit der Bundespolizei, das Ansehen des Beamtentums und der Schutz der anderen Auszubildenden gefährdet sein solle, obwohl er sich als Polizeikommissar in Ausbildung an der Verwaltungsfachhochschule befinde und keinen Außenkontakt habe, dringt er damit nicht durch. Denn zu Bundespolizeieinrichtungen, deren ordnungsgemäßer Betrieb sichergestellt werden soll, gehört auch die Hochschule selbst. Entscheidend für die Gefährdung der Funktionsfähigkeit der Bundespolizei - wie der öffentlichen Verwaltung im Allgemeinen - ist, ob der Dienstherr oder die Allgemeinheit künftig noch Vertrauen in eine ordnungsgemäße Aufgabenerfüllung durch die Bundespolizei hätten, wenn ihnen die Vorwürfe und das weitere Verbleiben des Antragstellers in der Ausbildung bis zur abschließenden Klärung bekannt würden. Darüber hinaus ist durch die polizeilichen und staatsanwaltschaftlichen Ermittlungen bereits Außenwirkung erzeugt worden.

9

Die Anordnung der sofortigen Vollziehung ist auch materiell rechtmäßig; denn es gibt keine Anhaltspunkte dafür, dass das Verbot der Führung der Dienstgeschäfte offensichtlich zu Unrecht ausgesprochen worden sein könnte.

10

Zutreffend hat das Verwaltungsgericht ausgeführt, dass gegen die formelle Rechtmäßigkeit des Bescheides vom 2. Mai 2016 keine Bedenken bestünden, insbesondere die fehlende Anhörung vor Erlass des streitgegenständlichen Bescheides unbeachtlich sei, weil entweder Gründe für ein Absehen von der Anhörung (gemäß § 28 Abs. 2 Nr. 1 VwVfG) vorlägen oder jedenfalls die Möglichkeit der Nachholung bis zum Abschluss des Klageverfahrens bestehe (vgl. § 45 Abs. 2 VwVfG). Damit wird dem verfassungsrechtlich verankerten Anspruch auf rechtliches Gehör Genüge getan.

11

Gründe, die gegen die materielle Rechtmäßigkeit des Bescheides sprechen könnten, ergeben sich nicht aus der Beschwerdebegründung (und sind auch nicht ersichtlich).

12

Ob zwingende dienstliche Gründe im Sinne von § 66 BBG zu bejahen sind, ist nach den Kenntnissen, die zum Zeitpunkt des Erlasses des Verbots vorgelegen haben, zu beurteilen. Da es sich um ein vorläufiges Verbot im Sinne einer materiellrechtlichen Eilmaßnahme handelt - denn es erlischt gemäß § 66 Satz 2 BBG, wenn nicht bis zum Ablauf von drei Monaten gegen den Beamten ein Disziplinarverfahren oder ein sonstiges auf Rücknahme der Ernennung oder auf Beendigung des Beamtenverhältnisses gerichtetes Verfahren eingeleitet worden ist -, kann keine abschließende Klärung des Sachverhalts gefordert werden (vgl. Plog/Wiedow, a.a.O. § 66 Rn. 30). Die endgültige Aufklärung ist dem staatsanwaltschaftlichen Ermittlungsverfahren und dem bereits im Juli eingeleiteten Entlassungsverfahren vorbehalten.

13

Die Ausübung von Dienstgeschäften setzt nicht voraus, dass dem Beamten ein Amt im statusrechtlichen Sinne verliehen ist. Es genügt vielmehr, dass ihm Dienstgeschäfte zur Wahrnehmung übertragen sind, weshalb auch ein Beamter auf Widerruf im Vorbereitungsdienst – wie hier – Dienstgeschäfte im Sinne der Vorschrift ausübt (vgl. Plog/Wiedow, a.a.O., § 66 Rn. 16).

14

Bei dem Begriff der zwingenden dienstlichen Gründe handelt es sich um einen unbestimmten Rechtsbegriff, der der vollen gerichtlichen Nachprüfung unterliegt. Zwingende dienstliche Gründe sind gegeben, wenn bei weiterer Ausübung des Dienstes durch den Beamten auf seinem bisherigen Dienstposten der Dienstbetrieb erheblich beeinträchtigt würde oder andere gewichtige dienstliche Nachteile ernsthaft zu besorgen wären (vgl. zu § 22 SG: BVerwG, Beschl. v. 19.11.1998 - 1 WB 36.98 -, Juris Rn. 5). Die zu befürchtenden Nachteile müssen so gewichtig sein, dass dem Dienstherrn die Führung der Dienstgeschäfte durch den Beamten bis zur abschließenden Klärung und Entscheidung nicht zugemutet werden kann (vgl. zu § 39 BeamtStG: OVG NRW, Beschl. v. 17.06.2013 - 6 A 2586/12 -, Juris 13). Anders als bei der vorläufigen Dienstenthebung im Zusammenhang mit einem Disziplinarverfahren kommt es bei einem Verbot der Führung der Dienstgeschäfte nach § 66 BBG nicht auf ein vorwerfbares Fehlverhalten des Beamten an, sondern auf die objektive Gefährdung des Dienstes. Das Verbot der Führung der Dienstgeschäfte dient gemäß § 66 BBG der dienstrechtlichen Gefahrenabwehr; die Maßnahme trägt nur vorläufigen Charakter. Mit ihr sollen durch eine sofortige oder wenigstens eine sehr rasche Entscheidung des Dienstherrn gravierende Nachteile durch die aktuelle Dienstausübung des Beamten für den Dienstherrn vermieden werden. Maßgebend ist die Prognose, dass die Aufgabenerfüllung der Verwaltung durch die vorerst weitere Amtsführung des Beamten objektiv gefährdet ist. Demnach ist nicht erforderlich, dass bereits Klarheit über den Grund für die Beeinträchtigung der dienstlichen Belange oder die weitere Verwendung und Behandlung des Beamten besteht; vielmehr eröffnet das Verbot der Führung der Dienstgeschäfte dem Dienstherrn die Möglichkeit, ohne Gefährdung der dienstlichen Interessen Ermittlungen anzustellen und eine solidere Grundlage für dauerhafte Entscheidungen zu gewinnen. Entsprechend dem Zweck des Verbots genügt insoweit der auf hinreichenden Anhaltspunkten beruhende Verdacht einer Gefahrenlage. Die endgültige Aufklärung ist den in § 66 Satz 2 BBG aufgeführten weiteren Verfahren vorbehalten (so auch zu § 39 BeamtStG: OVG NRW, Beschl. v. 30.07.2015 - 6 A 1454/13 -, Juris Rn. 7 ff. m.w.N.).

15

Für ein Verbot der Führung der Dienstgeschäfte ist daher keine erschöpfende Aufklärung erforderlich; es genügt vielmehr, wenn der zuständige Vorgesetzte auf Grund der vorliegenden Erkenntnisse zu der begründeten Überzeugung gelangt, dass dienstliche Gründe ein sofortiges Handeln erfordern und das Verbot der Führung der Dienstgeschäfte als zwingend geboten erscheinen lassen (vgl. zu § 22 SG: BVerwG, Beschl. v. 19.11.1998 - 1 WB 36.98, Juris Rn.).

16

Dass Letzteres vorliegend der Fall war, stellt das Beschwerdevorbringen nicht durchgreifend in Frage.

17

Die Antragsgegnerin hat begründete Zweifel daran, dass der Antragsteller die persönliche und fachliche Eignung für sein Amt besitzt. Denn es gibt konkrete Anhaltspunkte dafür, dass er aufgrund seiner rechtsextremen und zumindest latent rassistischen Einstellung nicht die Gewähr dafür bietet, jederzeit für die freiheitlich demokratische Grundordnung im Sinne des Grundgesetzes einzutreten. Die Pflicht des Beamten zur Verfassungstreue ist ein hergebrachter Grundsatz des Berufsbeamtentums im Sinne des Art. 33 Abs. 5 GG, die auch für das Beamtenverhältnis auf Widerruf im Vorbereitungsdienst gilt (BVerwG, Urt. v.09.06.1981 - 2 C 48.78 -, Juris Rn. 24). Da Beamte auf Widerruf gemäß § 37 Abs. 1 Satz 1 BBG jederzeit entlassen werden können, können berechtigte Zweifel an der Verfassungstreue einen sachlichen Grund für die Entlassung aus dem Beamtenverhältnis auf Widerruf darstellen; der Nachweis eines konkreten Dienstvergehens oder einer schuldhaften Verletzung der Pflicht zur Verfassungstreue ist insoweit nicht erforderlich (vgl. BVerwG, Urt. v. 09.06.1981, a.a.O., Juris Rn. 20).

18

Das Vorbringen des Antragstellers, das Verwaltungsgericht habe aus der beigezogenen Ermittlungsakte der Staatsanwaltschaft fehlerhaft zitiert und deshalb zu Unrecht das Vorliegen der „zwingenden dienstlichen Gründe“ bejaht, greift nicht durch. Ob tatsächlich ungenau zitiert wurde, kann dahinstehen, weil der Akteninhalt die Annahme „zwingender dienstlicher Gründe“ rechtfertigt.

19

Aufgrund der Angaben, die fünf Studierende am 25. April 2016 gegenüber dem Prodekan des Zentralen Lehrbereichs hinsichtlich des Antragstellers gemacht haben, bestehen konkrete Anhaltspunkte, dass der Antragsteller eine rechtsextreme und fremdenfeindliche Einstellung hat erkennen lassen. Seine Kollegen berichteten über mehrfach und öffentlich getätigte rechtsradikale Äußerungen des Antragstellers, sowie darüber, dass der Antragsteller im Besitz von Bildmaterial mit mutmaßlich nationalsozialistischen Inhalten sei. Diese Angaben haben sich zum einen durch die polizeilichen Vernehmungen der Kollegen des Antragstellers (vgl. Synopse der Zeugenaussagen, Bl. 148 bis 150 der polizeilichen Ermittlungsakte - BA B) und zum anderen aufgrund der beim Antragsteller auf dem Mobiltelefon vorgefundenen Fotos (Bl. 130 bis 146 BA B) bestätigt. Ob diese Feststellungen ausreichen, um den Grad strafbaren Verhaltens zu erreichen, ist irrelevant. Sie zeigen jedenfalls, dass der Antragsteller sich nicht von rechtsradikalem Gedankengut distanziert und mithin Zweifel an der charakterlichen Eignung im Hinblick auf die Ausübung des Berufes eines Polizisten der Bundespolizei gerechtfertigt sind. Soweit er geltend macht, die auf dem Mobiltelefon gespeicherten Bilder seien Privatsache, Bilder, auf denen Hakenkreuze abgebildet seien, seien ihm zugeschickt worden und stellten einen – auch so verstandenen – makabren Scherz dar, Bilder von Soldaten der Wehrmacht oder der Waffen-SS seien Ausdruck seines historischen Interesses, ist dies vor dem Hintergrund der Schilderungen der Kommilitonen über das Verhalten des Antragstellers - auch im Zusammenspiel mit dem Kommilitonen ... - als Schutzbehauptung zu werten.

20

Nach dem derzeitigen Aktenstand trifft es entgegen dem Vorbringen des Antragstellers nicht zu, dass er die abgespeicherten Fotos nicht weitergezeigt habe. So bezeugt etwa die Zeugin ..., dass der Antragsteller sowohl verschiedene „SS-Frisuren als auch Fotos mit Hakenkreuzen und SS-Runen auf seinem Handy hatte und überall rumgezeigt hat“ (Bl. 58 BA B). Auch die Zeugin ... gab an, dass der Antragsteller ihr ein Foto eines SS-Mannes gezeigt habe, bei dem SS-Runen auf dem Uniformkragen zu sehen gewesen seien, und ein weiteres Bild eines „Propagandaplakats mit einem abgebildeten SS-Mann“ (Bl. 55 BA B). Dass es ihm dabei lediglich um die Erörterung einer möglichen neuen Frisur gegangen sei, wie von ihm vorgetragen, erklärt nicht, weshalb er dafür Bilder mit Nazisymbolen ausgewählt hat.

21

Nach Angaben des Zeugen ... soll der Antragsteller „... als ... bezeichnet“ haben. Im Kontext mit den auf Bl. 144 bis 146 der Beiakte B befindlichen Bildern, die sich auf dem Mobiltelefon des Antragstellers fanden, lässt dies den Schluss auf eine ausländerfeindliche Gesinnung des Antragstellers zu. Dort heißt es zum Beispiel: „...“.

22

Soweit der Antragsteller bestreitet, jemals „Sieg Heil“ gerufen zu haben, widerspricht dies den Angaben mehrerer Zeugen, die einen entsprechenden Ausruf von ihm in angetrunkenem Zustand gehört haben wollen (vgl. Synopse, Bl. 148 ff. BA B).

23

Aufgrund dieser Erkenntnisse ist sein Vorbringen, er habe den Eid, den er auf die Verfassung geschworen habe, jederzeit gehalten und beabsichtige ihn auch nicht zu brechen, nicht glaubhaft. Die vom Antragsteller angeführte Vermutung, seine anzeigenerstattenden Kollegen hegten möglicherweise persönliche Animositäten gegen ihn, vermögen die konkreten Anhaltspunkte für fehlende charakterliche Eignung - insbesondere aufgrund der bei ihm vorgefundenen Bilder - ebenfalls nicht in Frage zu stellen.

24

Ob der Antragsteller in Gesprächen mit dem Kommilitonen ... zudem antisemitische und menschenverachtende Äußerungen getätigt oder solche gefallenen Äußerungen gutgeheißen hat, bedarf im vorliegenden einstweiligen Rechtsschutzverfahren keiner weitergehenden Aufklärung, weil die vorstehend aufgezählten Umstände ausreichen, um „zwingende dienstliche Gründe“ zu bejahen. Dementsprechend ist auch eine vom Antragsteller beantragte Zeugenvernehmung entbehrlich und einem etwaigen Hauptsacheverfahren bzw. Entlassungsverfahren vorbehalten.

25

Entgegen der Auffassung des Antragstellers führt der Umstand, dass er sich lediglich im Ausbildungsverhältnis befinde und keinen Außenkontakt habe, nicht dazu, dass das ausgesprochene Verbot unverhältnismäßig wäre. Dies ergibt sich aus den von Seiten der Antragsgegnerin angeführten Argumenten. Dazu heißt es zutreffend im Bescheid, ein Verbleib im Ausbildungsbetrieb würde zu einem erheblichen Ansehensverlust für die Bundespolizei führen und könnte dem Eindruck Vorschub leisten, die Bundespolizei dulde in ihren Reihen rechtsextremistische oder jedenfalls menschenverachtende Äußerungen. Darüber hinaus bestehe die Gefahr, dass die strafrechtlichen und dienstrechtlichen Ermittlungen erschwert werden könnten. Schließlich diene die Maßnahme auch dem Schutz der Mitstudierenden, die in dem laufenden Verfahren als Zeugen ausgesagt hätten. Im Beschwerdeverfahren hat die Antragsgegnerin ergänzend und zutreffend darauf hingewiesen, dass auch zu berücksichtigen sei, dass der Antragsteller im Rahmen der fachpraktischen Ausbildung in Uniform in der Öffentlichkeit tätig werden müsste.

26

Auch der Einwand des Antragstellers, der Bescheid sei rechtswidrig, weil die Antragsgegnerin kein Ermessen ausgeübt habe, verfängt nicht. Sofern die Tatbestandsvoraussetzungen der zwingenden dienstlichen Gründe für das Verbot der Führung der Dienstgeschäfte erfüllt sind, wird in aller Regel Ermessen nicht mehr hinsichtlich der Anordnung der Maßnahme als solcher (vgl. Plog/Wiedow, a.a.O., § 66 BBG Rn. 21 a.E.), sondern im Wesentlichen nur noch dahin eröffnet sein, ob es eine andere Möglichkeit gibt, den betreffenden Beamten amtsangemessen zu beschäftigen, gegebenenfalls auch zu Dauer und Umfang des Verbots (vgl. zu § 39 BeamtStG: OVG NRW, Beschl. v. 17.06.2013 – 6 A 2586/12 -, Juris Rn. 14). Da es für einen Widerrufsbeamten im Vorbereitungsdienst keine andere Möglichkeit der amtsangemessenen Beschäftigung gibt, heißt es zutreffend im Bescheid, die Maßnahme nach § 66 BBG sei aus vorbenannten Gründen unerlässlich.

27

Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO; die Festsetzung des Streitwertes beruht auf den § 53 Abs. 2, § 52 Abs. 1 und 2 GKG.

28

Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO, § 68 Abs. 1 Satz 5, § 66 Abs. 3 Satz 3 GKG).


Tenor

Der Antrag wird abgelehnt.

Der Kläger trägt die Kosten des Zulassungsverfahrens.

Der Streitwert wird auch für das Zulassungsverfahren auf 5.000,00 Euro festgesetzt.


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Beamtinnen und Beamten kann aus zwingenden dienstlichen Gründen die Führung der Dienstgeschäfte verboten werden. Das Verbot erlischt, wenn nicht bis zum Ablauf von drei Monaten gegen die Beamtin oder den Beamten ein Disziplinarverfahren oder ein sonstiges auf Rücknahme der Ernennung oder auf Beendigung des Beamtenverhältnisses gerichtetes Verfahren eingeleitet worden ist.

Tenor

I. Der Bescheid der Beklagten vom 5. Juni 2015 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 15. April 2016 wird aufgehoben.

II. Die Beklagte hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.

III. Die Zuziehung eines Bevollmächtigten für das Vorverfahren wird für notwendig erklärt.

IV. Das Urteil ist hinsichtlich der Kosten vorläufig vollstreckbar. Die Beklagte kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe des zu vollstreckenden Betrages abwenden, wenn nicht der Kläger zuvor in gleicher Höhe Sicherheit leistet.

Tatbestand

Der Kläger wendet sich gegen seine durch die Beklagte veranlasste Entlassung aus der Freiwilligen Feuerwehr der Beklagten.

Am 2. Februar 2015 wurde der Kläger mit sofortiger Wirkung vom aktiven Feuerwehrdienst in der Freiwilligen Feuerwehr K … bis zum Ende des Jahres 2015 beurlaubt.

Mit Bescheid vom 5. Juni 2015 wurde der Kläger mit sofortiger Wirkung aus dem Feuerwehrdienst entlassen. Die Entlassung wird mit einer Reihe von Verfehlungen des Klägers begründet, die sich aus den Aktenvermerken vom 19. Oktober 2015 und 26. Oktober 2015 ergeben, auf die das Gericht hier Bezug nimmt.

Zusammengefasst stellen sich die wichtigsten Vorfälle wie folgt dar:

Bei einem Feuerwehreinsatz am 28. März 2014 seien durch den Kommandanten zwei Kameraden auf den Einsatzbericht geschrieben worden, die lediglich aufgrund ihrer Tätigkeit als selbständige Abschleppunternehmer am Einsatzort waren, jedoch nicht aktiv im Feuerwehrdienst. Der Kläger habe daher den seiner Ansicht nach unzutreffenden Einsatzbericht im Büro des Kommandanten kopiert und dem ersten Bürgermeister vorgelegt.

Im Rahmen eines Feuerwehreinsatzes am 30. Oktober 2014 habe der Kläger die Aufstellung eines Straßenschildes zur Warnung des Verkehrs auf der Gegenfahrbahn beabsichtigt, was der Einsatzleiter abgelehnt habe. Daraufhin habe der Kläger das Schild schwungvoll auf die Pritsche des Einsatzfahrzeuges zurückbefördert und den Einsatzleiter beleidigt. Aufgrund dieses Verhaltens sei am 4. November 2014 eine Abmahnung erfolgt.

Bei einem Feuerwehrfest projizierte ein Jungfeuerwehrmann ein Hakenkreuz an eine Schalttafel, was vom Feuerwehrverein als Jugendverfehlung gewertet wurde, weshalb beschlossen wurde nicht weiter einzuschreiten. Der Kläger erstellte daraufhin eine Fotomontage mit diesem Hakenkreuz und der Aufschrift „Frohe Weihnachten von der Freiwilligen Feuerwehr T …“ und verteilte diese in Feuerwehruniform am 6. Januar 2015 u.a. an den ersten Bürgermeister.

Mit Schreiben vom 29. Juni 2015 legte der Kläger gegen den Bescheid vom 5. Juni 2015 Widerspruch ein. Dieser wurde mit Widerspruchsbescheid vom 15. April 2016 zurückgewiesen. Am 17. Mai 2016 erhob der Kläger Klage zum Bayerischen Verwaltungsgericht Würzburg.

Der Kläger trägt vor, der Ausschluss aus dem Feuerwehrdienst sei unwirksam, da die Beklagte durch die Beurlaubung des Klägers vom Feuerwehrdienst durch den Bescheid vom 2. Februar 2015 bereits abschließend von ihrem Beurteilungsspielraum Gebrauch gemacht habe. Ein Dienstvorgesetzter, dem ein Beurteilungsspielraum eingeräumt sei und der von diesem Beurteilungsspielraum Gebrauch gemacht habe, könne diese Entscheidung nicht nachträglich abändern, wenn er zu einer anderen Bewertung der ihm bereits zuvor bekannten Umstände gelange. Von dem durch das Gesetz eingeräumten Beurteilungsspielraum könne daher zulässigerweise nur ein einziges Mal Gebrauch gemacht werden. Zwischen der Beurteilung und Entlassung habe sich kein weiterer Vorfall zugetragen. Die Beurlaubung über einen Zeitraum von elf Monaten spreche gegen eine sofortige Sicherung der Funktionsfähigkeit der Feuerwehr und die Vorbereitung weiterer Maßnahmen.

Der Kläger beantragt,

Der Bescheid der Beklagten über die Entlassung des Klägers aus dem Feuerwehrdienst vom 5. Juni 2015 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 15. April 2016 wird aufgehoben.

Die Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Die Beurlaubung habe lediglich dem Sofortschutz der Funktionsfähigkeit der Freiwilligen Feuerwehr K … gedient. Ein angebotenes Gespräch zur Klärung habe der Kläger nicht wahrgenommen. Das Beurteilungsermessen sei nicht ausgeschöpft. Daher habe die Beklagte zu Recht den Bescheid vom 5. Juni 2015 erlassen. Das Vertrauensverhältnis zwischen dem ersten Kommandanten und dem Kläger sei endgültig zerrüttet und nicht mehr herstellbar.

Zur Ergänzung des Sach- und Streitstandes wird auf die Gerichtssowie die vorgelegte Behördenakte verwiesen.

Gründe

Die zulässige Anfechtungsklage ist begründet. Der Bescheid vom 5. Juni 2015 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 15. April 2016 ist rechtswidrig, verletzt den Kläger in seinen Rechten und war daher aufzuheben (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO).

1. Heranzuziehende Rechtsgrundlage ist vorliegend Art. 6 Abs. 4 Satz 2 BayFwG, wonach ein Feuerwehrkommandant einen Feuerwehrdienstleistenden, der seine Dienstpflichten gröblich verletzt, vom Feuerwehrdienst ausschließen kann.

a) Art. 6 Abs. 4 Satz 1 BayFwG ist vorliegend nicht einschlägig. Art. 6 Abs. 4 Satz 1 BayFwG verpflichtet den Feuerwehrkommandanten dazu, einen Feuerwehrdienstleistenden, der die Eignung für den Feuerwehrdienst ganz oder teilweise verloren hat, in entsprechendem Umfang vom Feuerwehrdienst zu entbinden. Schon der Wortlaut und die Struktur der Norm sprechen dafür, dass mit Satz 1 nur körperliche oder geistige Mängel gemeint sind, nicht jedoch auch charakterliche Schwächen. Solche unterliegen in der Regel einer subjektiven Einschätzung, so dass die Verbindung mit einer zwingenden Rechtsfolge problematisch erscheint. Art. 6 Abs. 4 Satz 2 BayFwG sieht für den Ausschluss aufgrund gröblicher Dienstpflichtverletzung dagegen eine Ermessensentscheidung vor, worunter daher nach Ansicht des Gerichts auch charakterliche Mängel, die sich in einer gröblichen Dienstpflichtverletzung manifestieren, zu fassen sind. Auch Art. 6 Abs. 3 Satz 2 BayFwG stellt auf die Eignung ab und zeigt in Satz 3 schließlich die Möglichkeit auf, ein ärztliches Gutachten zu verlangen, was gegen die Beinhaltung auch charakterlicher Schwächen, welche auf subjektiver Einschätzung beruhen und ärztlich nicht feststellbar sind, spricht. Auch in der Kommentarliteratur werden lediglich körperliche (z.B. Bluthochdruck, Diabetes, Schwangerschaft) und geistige (z.B. Demenz, geistige Verwirrtheit) Einschränkungen als Beispiele für diese Norm dargestellt (Forster/Pemler, BayFwG, Art. 6 Rn. 33 f.; Schober, Das Bayerische Feuerwehrrecht in der Praxis, 2. Aufl. 2014, 8.4.2).

Charakterliche Schwächen sollen nach dem Sinn und Zweck des Gesetzes lediglich unter den Voraussetzungen des Art. 6 Abs. 4 Satz 2 BayFwG sanktioniert werden können. Dienstpflichtverletzungen resultieren in der Regel aus charakterlichen Schwächen. Nicht jede, vom Kommandanten möglicherweise als anstrengend oder störend empfundene Charaktereigenschaft soll jedoch zur zwingenden Entbindung führen können. Anderenfalls könnte der Feuerwehrkommandant unliebsame Personen gegen ihren Willen allzu leicht aus der Freiwilligen Feuerwehr entfernen. Erforderlich ist vielmehr eine gröbliche Dienstpflichtverletzung.

Soweit § 8 Satz 1 AVBayFwG neben der körperlichen und geistigen Eignung auch die Zuverlässigkeit als Voraussetzung für die Aufnahme in den Feuerwehrdienst fordert, ergibt sich daraus nichts anderes. Hätte der Gesetzgeber das Merkmal der Zuverlässigkeit als Entbindungsgrund i.S.d. Art. 6 Abs. 4 Satz 1 BayFwG vorsehen wollen, hätte er es dort aufgenommen bzw. darauf verwiesen. Da der Verordnungsgeber die Zuverlässigkeit neben die Eignung stellt, macht er deutlich, dass damit etwas anderes, nämlich im Ergebnis die charakterliche Eignung zusätzlich zu prüfen ist.

b) Eine gröbliche Dienstpflichtverletzung i.S.d. Art. 6 Abs. 4 Satz 2 BayFwG liegt hier nicht vor.

Der Begriff der gröblichen Dienstpflichtverletzung stellt einen unbestimmten Rechtsbegriff dar, der in vollem Umfang der gerichtlichen Kontrolle unterliegt (Maurer, KommP Bay 2000, 344; Kopp/Schenke, VwGO, 22. Aufl. 2016, § 114 Rn. 24). Beispiele für gröbliche Dienstpflichtverletzungen sind: Unehrenhaftes Verhalten im Dienst, grobes Vergehen gegen Kameraden im Dienst, Unterschlagung von Geldern der Feuerwehr, fortgesetzte Nachlässigkeit oder Nichtbefolgen dienstlicher Anweisungen, Trunkenheit im Dienst, Aufhetzen zum Nichtbeachten von Anordnungen, dienstwidrige Benutzung oder mutwillige Beschädigung von Dienstkleidung, Geräten und sonstigen Ausrüstungsgegenständen der Feuerwehr (Maurer, KommP Bay 2000, 344; Forster/Pemler, BayFwG, Art. 6 Rn. 37).

Die Verfehlungen des Klägers sind jedoch nicht von gleicher Qualität wie die geschilderten Beispiele. Auch wenn es sich lediglich um Beispiele handelt, setzen sie jedoch hinsichtlich der Schwere der erforderlichen Verstöße einen Maßstab fest, der vorliegend noch nicht erreicht wird. Lediglich beim Vorfall vom 30. Oktober 2014 handelt es sich um ein Einsatzgeschehen. Dabei hat der Kläger den Kommandanten der Feuerwehr zwar beleidigt, sich aber dennoch seinen Anweisungen gebeugt. Eine gröbliche Dienstpflichtverletzung ist darin noch nicht zu sehen. Zudem hat der Kläger für dieses Verhalten am 4. November 2014 bereits eine Abmahnung erhalten, so dass derselbe Sachverhalt nicht erneut zur Begründung des Ausschlusses aus der Feuerwehr herangezogen werden kann (Palandt, BGB, 76. Aufl. 2017, vor § 620 Rn. 38, 41).

Die übrigen von der Beklagten dargestellten Vorfälle (die als wahr unterstellt werden) zeigen, dass der Kläger zwar Probleme hat, sich in der Feuerwehr unterzuordnen und dort getroffene Entscheidungen zu akzeptieren. Eine gröbliche Dienstpflichtverletzung vermag das Gericht darin aber noch nicht zu erkennen.

c) Selbst wenn von einer gröblichen Pflichtverletzung ausgegangen würde, liegt jedenfalls ein vom Gericht überprüfbarer Ermessensfehler in Form des Ermessensnichtgebrauch i.S.d. § 114 VwGO vor. Da die Beklagte in ihrer Entscheidung von einer gebundenen Entscheidung gem. Art. 6 Abs. 4 Satz 1 BayFwG ausgegangen ist, hat sie das ihr im Rahmen des Art. 6 Abs. 4 Satz 2 BayFwG eingeräumte Ermessen nicht ausgeübt. Der Bescheid vom 5. Juni 2015 lässt keinerlei Ermessenserwägungen erkennen. Da es sich beim Ausschluss um eine Angelegenheit des eigenen Wirkungskreises handelt, ist die Widerspruchsbehörde (hier das Landratsamt) auf die Überprüfung der Rechtmäßigkeit beschränkt gem. Art. 119 Nr. 1 GO und kann daher einen an Ermessensfehlern leidenden Ausschlussbescheid nicht dadurch heilen, indem sie eigene Ermessenserwägungen anstellt (Maurer, KommP Bay 2000, 344).

Zwar ist es gem. § 114 Satz 2 VwGO der Ausgangsbehörde auch noch möglich ihre Ermessenserwägungen im verwaltungsgerichtlichen Verfahren zu ergänzen, allerdings ist dies auf Fälle beschränkt, in denen unvollständige Ermessenserwägungen ergänzt werden; nicht erfasst sind hingegen solche, in denen es an Ermessenserwägungen bisher fehlte (Kopp/Schenke, VwGO, 22. Aufl. 2016, § 114 Rn. 50). Zudem hat der Beklagtenvertreter in der mündlichen Verhandlung lediglich darauf verwiesen, dass eine Ermessensreduktion auf Null vorläge. Diese Einschätzung teilt das Gericht jedoch gerade nicht. Um einen Fall der Ermessensreduktion auf Null handelt es sich z.B. bei besonderer Schwere oder einem besonderen Ausmaß der Gefahr für wichtige Rechtsgüter, also wenn sich lediglich eine einzige Entscheidung als die richtige darstellt (Kopp/Schenke, VwGO, 22. Aufl. 2016, § 114 Rn. 6). Da sich der Kläger im Einsatzgeschehen aber den Anweisungen des Einsatzleiters (wenn auch widerwillig) untergeordnet hat, ist kein besonderes Ausmaß der Gefahr oder ein besonders eindeutiger, nicht anders zu entscheidender Fall erkennbar. Somit war auch aus diesem Grund der Verwaltungsakt aufzuheben.

2. Selbst wenn man jedoch Art. 6 Abs. 4 Satz 1 BayFwG als richtige Rechtsgrundlage ansieht, war eine vollständige Entbindung des Klägers vom Feuerwehrdienst nicht rechtmäßig. Weder ist der Kläger für den Feuerwehrdienst ungeeignet, noch ist er unzuverlässig gem. § 8 AVBayFwG.

a) Zwar folgt das Gericht nicht der Ansicht des Klägerbevollmächtigten, wonach die Beklagte durch die vorangegangene Beurlaubung des Klägers ihren Beurteilungsspielraum bereits abschließend ausgeübt hätte. Das Gericht vermag schon keinen Beurteilungsspielraum der Beklagten hinsichtlich der Beurteilung der Geeignetheit des Klägers zu erkennen.

Bei dem Merkmal der Geeignetheit für den Feuerwehrdienst handelt es sich um einen gerichtlich voll überprüfbaren unbestimmten Rechtsbegriff. Aus der Rechtsweggarantie des Art. 19 Abs. 4 GG folgt ein Anspruch des Bürgers auf eine tatsächlich wirksame gerichtliche Kontrolle. Daraus ergibt sich grundsätzlich die Pflicht der Gerichte, die angefochtenen Verwaltungsakte in rechtlicher und tatsächlicher Hinsicht vollständig nachzuprüfen. Nur ausnahmsweise und bei Vorliegen ganz besonderer Voraussetzungen ist es daher zu rechtfertigen, der Verwaltungsbehörde bei der Anwendung eines unbestimmten Rechtsbegriffs einen eigenen, gerichtlicher Kontrolle nur beschränkt zugänglichen Beurteilungsspielraum einzuräumen. Dies ist nur dann anzunehmen, wenn der jeweiligen Rechtsvorschrift die Entscheidung des Gesetzgebers zu entnehmen ist, der Verwaltung das abschließende Urteil über das Vorliegen der durch einen unbestimmten Gesetzesbegriff gekennzeichneten tatbestandlichen Voraussetzungen zu übertragen (OVG NRW, B.v. 30.6.2008 - 8 A 2895/07 - juris Rn. 11; Kopp/Ramsauer, VwVfG, § 40 Rn. 22, 99 ff.). Die hier maßgebenden Rechtsvorschriften lassen nicht erkennen, dass der Gesetzgeber der Verwaltung die verbindliche Letztentscheidung über das Entfallen der Eignung einräumen wollte. Der Begriff der Eignung enthält gerade kein wertendes oder prognostisches Element, was auf einen Beurteilungsspielraum hindeuten könnte. Insbesondere kann die Eignung nach hiesiger Ansicht mit Hilfe ärztlicher Atteste festgestellt werden und ist daher nachprüfbar.

Die Beklagte konnte daher durch die Suspendierung des Klägers zunächst die Funktionsfähigkeit der Feuerwehr sichern und hat dadurch ihre Reaktionsmöglichkeit auch hinsichtlich einer vollständigen Entbindung des Klägers nicht verwirkt.

b) Allerdings ist die Eignung i.S.d. Art. 6 Abs. 4 Satz 1 BayFwG des Klägers nicht entfallen. Körperliche oder geistige Mängel des Klägers wurden nicht dargelegt. Die charakterlichen Eigenheiten des Klägers, insbesondere dass es ihm schwer fällt, getroffene Entscheidungen der Feuerwehrführung vorbehaltlos zu akzeptieren, sind nicht ausreichend, die Eignung des Klägers vollständig entfallen zu lassen. Die Reaktionen des Klägers waren zwar häufig nicht sozialadäquat oder höflichen bzw. üblichen Umgangsformen entsprechend. Eine derart negative charakterliche Schwäche, die zur völligen Ungeeignetheit des Klägers für den Feuerwehrdienst führen würde, kann daraus aber nach Ansicht des Gerichts noch nicht abgeleitet werden.

c) Auch ist der Kläger nicht unzuverlässig gem. § 8 AVBayFwG. Unzuverlässig ist im Ergebnis derjenige, dessen Verhalten berechtigten Anlass zu Zweifeln daran gibt, dass sich seine Kameraden auch in zugespitzten Gefahrensituationen auf ihn verlassen können. Die Feuerwehrangehörigen bilden eine Gefahrengemeinschaft, die ein gegenseitiges Vertrauensverhältnis voraussetzt (VG München, U. v. 13.8.2014 - M 7 K 12.5982 - juris; Forster/Pemler, BayFwG, Art. 6 Rn. 23). Wie oben bereits erörtert hat der Kläger gerade in der Einsatzsituation am 30. Oktober 2014 gezeigt, dass er selbst bei entgegenstehender eigener Ansicht in der Lage ist, sich den Anweisungen des Einsatzleiters zu beugen und seine Ansicht jedenfalls im Einsatz hintanzustellen. Zwar hat der Kläger eine Beleidigung gegenüber dem Einsatzleiter geäußert, dies führt aber noch nicht dazu, dass sich seine Kameraden in der Einsatzsituation nicht mehr auf ihn verlassen könnten und das Vertrauensverhältnis im Hinblick auf die Verlässlichkeit in der Einsatzsituation daher zerstört sei. Die übrigen Vorfälle fanden nicht im Rahmen eines Einsatzgeschehens statt, so dass auch hieraus noch nicht die Unzuverlässigkeit in Gefahrensituationen hergeleitet werden kann.

Nach alldem ist der Bescheid unter allen denkbaren Gesichtspunkten rechtswidrig und war daher aufzuheben.

3. Die Kostenfolge ergibt sich aus § 154 Abs. 1 VwGO. Die Zuziehung eines Bevollmächtigten im Vorverfahren war als notwendig anzuerkennen gem. § 162 Abs. 2 Satz 2 VwGO, da sie vom Standpunkt einer verständigen, nicht rechtskundigen Partei im Zeitpunkt der Bestellung für erforderlich gehalten werden durfte und es dem Kläger nach seiner Vorbildung, Erfahrung und seinen sonstigen persönlichen Umständen nicht zumutbar war, das Verfahren selbst zu führen (Kopp/Schenke, VwGO, 22. Aufl. 2016, § 162 Rn. 18). Der Ausspruch über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus § 167 VwGO i.V.m. §§ 708 Nr. 11, 711 ZPO.

Beamtinnen und Beamten kann aus zwingenden dienstlichen Gründen die Führung der Dienstgeschäfte verboten werden. Das Verbot erlischt, wenn nicht bis zum Ablauf von drei Monaten gegen die Beamtin oder den Beamten ein Disziplinarverfahren oder ein sonstiges auf Rücknahme der Ernennung oder auf Beendigung des Beamtenverhältnisses gerichtetes Verfahren eingeleitet worden ist.

Tenor

Die Beschwerde gegen den Beschluss des Schleswig-Holsteinischen Verwaltungsgerichts - 12. Kammer - vom 22. Juni 2016 wird zurückgewiesen.

Der Antragsteller trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.

Der Wert des Streitgegenstandes wird für das Beschwerdeverfahren auf 5.000,00 Euro festgesetzt.

Gründe

1

Der Antragsteller ist Polizeikommissaranwärter im 72. Studienjahrgang an der Hochschule Bund - Fachbereich Bundespolizei. Mit Bescheid vom 2. Mai 2016 verbot der Präsident der Bundespolizeiakademie dem Antragsteller die Führung der Dienstgeschäfte und ordnete die sofortige Vollziehung an. Zur Begründung hieß es, das Verhalten des Antragstellers innerhalb des Dienstbetriebs offenbare eine rechtsextreme zumindest latent rassistische Gesinnung. Seine Äußerungen und Verhaltensweisen ließen auf eine für den Polizeivollzugsdienst untragbare charakterliche Grundeinstellung und eine tiefe Missachtung der ihm auferlegten Pflicht schließen, die freiheitlich demokratische Grundordnung im Sinne des Grundgesetzes anzuerkennen und für deren Einhaltung einzutreten.

2

Dem war vorausgegangen, dass Studierende seines Jahrgangs gegenüber dem Prodekan des Zentralen Lehrbereichs der Bundespolizeiakademie in Brühl Angaben zum Verhalten des Antragstellers gemacht hatten, die zur Einleitung eines förmlichen Strafverfahrens und zu polizeilichen Ermittlungen u.a. gegen den Antragsteller geführt haben. Es hat daraufhin bei ihm eine gerichtlich angeordnete Durchsuchung stattgefunden und mehrere Zeugen sind zu den Vorkommnissen polizeilich vernommen worden.

3

Am 11. Mai 2016 legte der Antragsteller Widerspruch gegen den Bescheid ein. Zugleich hat er beim Schleswig-Holsteinischen Verwaltungsgericht einen Antrag auf Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung des Widerspruchs gestellt, den das Gericht mit Beschluss vom 22. Juni 2016 abgelehnt hat. Die Anordnung der sofortigen Vollziehung sei hinreichend begründet worden. Die in der Sache vorzunehmende Interessenabwägung falle zugunsten des öffentlichen Interesses an der sofortigen Vollziehung aus. Der angegriffene Bescheid erweise sich bei summarischer Prüfung als offensichtlich formell und materiell rechtmäßig. Die tatbestandlichen Voraussetzungen des § 66 BBG lägen vor. Zwingende dienstliche Gründe im Sinne der Norm seien zu bejahen.

4

Die Beschwerde gegen den Beschluss des Verwaltungsgerichts vom 22. Juni 2016 ist unbegründet. Die zu ihrer Begründung dargelegten Gründe, die allein Gegenstand der Prüfung durch den Senat sind (§ 146 Abs. 4 S. 6 VwGO), stellen das Ergebnis des angefochtenen Beschlusses nicht in Frage.

5

Soweit der Antragsteller meint, der angefochtene Beschluss leide an einem Verfahrensfehler, trifft dies nicht zu. Der Antragsteller beanstandet zu Unrecht, die erstinstanzliche Entscheidung sei zur Unzeit ergangen, weil die Antragserwiderung der Antragsgegnerin seinem Prozessbevollmächtigten mit gerichtlicher Verfügung vom 24. Mai 2016 lediglich „zur Kenntnisnahme und eventuellen Stellungnahme“ ohne Fristsetzung übersandt worden sei und sein Prozessbevollmächtigter sich bis zum 19. Juni 2016 im Urlaub befunden habe. Zwischen Übersendung der Antragserwiderung und Beschlussfassung lagen mehrere Wochen. In einer Konstellation wie der vorliegenden, in der es dem Antragsteller auch darum ging, noch vor Ende des Studienabschnitts im Juni 2016 wieder zur Ausbildung zugelassen zu werden, hätte der Prozessbevollmächtigte Vorsorge dafür treffen müssen, dass auch während seiner Urlaubsabwesenheit auf gerichtliche Verfügungen bei Bedarf in angemessener Zeit reagiert werden kann.

6

Der Antrag auf Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung des Widerspruchs gegen den Bescheid der Antragsgegnerin vom 2. Mai 2016 hat keinen Erfolg, weil die im Rahmen des Verfahrens nach § 80 Abs. 5 Satz 1 VwGO vorzunehmende Abwägung zwischen dem öffentlichen Vollziehungsinteresse und dem Interesse des Antragstellers an der Aussetzung der Vollziehung hier zu Ungunsten des Antragstellers ausgeht.

7

Das öffentliche Interesse an der sofortigen Vollziehung eines Verbots der Führung der Dienstgeschäfte gemäß § 66 Satz 1 BBG ist in aller Regel zu bejahen, sofern dieses nicht offenbar zu Unrecht ausgesprochen worden ist, um den Zweck eines solchen Verbots erfüllen zu können (vgl. Plog/Wiedow, Bundesbeamtengesetz- Kommentar, Stand Juli 2016, § 66 Rn. 31). § 66 Satz 1 BBG bestimmt, dass die oberste Dienstbehörde oder die von ihr bestimmte Behörde einer Beamtin oder einem Beamten aus zwingenden dienstlichen Gründen die Führung der Dienstgeschäfte verbieten kann.

8

Die Anordnung der sofortigen Vollziehung ist formell rechtmäßig. Die gemäß § 80 Abs. 3 VwGO erforderliche Begründung des Interesses an der sofortigen Vollziehung des Verwaltungsaktes ist entgegen der Auffassung des Antragstellers nicht zu beanstanden. Angesichts der Besonderheit der Maßnahme mit schon materiellrechtlich erforderlichen zwingenden Gründen besteht in aller Regel zugleich Anlass und Rechtfertigung, die sofortige Vollziehung anzuordnen. Dafür werden im Allgemeinen keine zusätzlichen Gründe angeführt werden können und müssen (Plog/Wiedow, a.a.O., § 66 Rn. 31). Im Bescheid heißt es dementsprechend zur Begründung des Sofortvollzuges, es sei sicherzustellen, dass der Dienstbetrieb der Bundespolizeieinrichtungen ungestört und ordnungsgemäß verlaufe und weitere Übergriffe verhindert würden. Das Verbot der Führung der Dienstgeschäfte sei daher mit sofortiger Vollziehbarkeit anzuordnen, um die bezweckte Wirkung zu gewährleisten. Diese Begründung ist hinreichend. Soweit der Antragsteller meint, es hätte einer weitergehenden Begründung bedurft, weshalb die Aufrechterhaltung des Ausbildungsbetriebs, die Einsatz- und Funktionsfähigkeit der Bundespolizei, das Ansehen des Beamtentums und der Schutz der anderen Auszubildenden gefährdet sein solle, obwohl er sich als Polizeikommissar in Ausbildung an der Verwaltungsfachhochschule befinde und keinen Außenkontakt habe, dringt er damit nicht durch. Denn zu Bundespolizeieinrichtungen, deren ordnungsgemäßer Betrieb sichergestellt werden soll, gehört auch die Hochschule selbst. Entscheidend für die Gefährdung der Funktionsfähigkeit der Bundespolizei - wie der öffentlichen Verwaltung im Allgemeinen - ist, ob der Dienstherr oder die Allgemeinheit künftig noch Vertrauen in eine ordnungsgemäße Aufgabenerfüllung durch die Bundespolizei hätten, wenn ihnen die Vorwürfe und das weitere Verbleiben des Antragstellers in der Ausbildung bis zur abschließenden Klärung bekannt würden. Darüber hinaus ist durch die polizeilichen und staatsanwaltschaftlichen Ermittlungen bereits Außenwirkung erzeugt worden.

9

Die Anordnung der sofortigen Vollziehung ist auch materiell rechtmäßig; denn es gibt keine Anhaltspunkte dafür, dass das Verbot der Führung der Dienstgeschäfte offensichtlich zu Unrecht ausgesprochen worden sein könnte.

10

Zutreffend hat das Verwaltungsgericht ausgeführt, dass gegen die formelle Rechtmäßigkeit des Bescheides vom 2. Mai 2016 keine Bedenken bestünden, insbesondere die fehlende Anhörung vor Erlass des streitgegenständlichen Bescheides unbeachtlich sei, weil entweder Gründe für ein Absehen von der Anhörung (gemäß § 28 Abs. 2 Nr. 1 VwVfG) vorlägen oder jedenfalls die Möglichkeit der Nachholung bis zum Abschluss des Klageverfahrens bestehe (vgl. § 45 Abs. 2 VwVfG). Damit wird dem verfassungsrechtlich verankerten Anspruch auf rechtliches Gehör Genüge getan.

11

Gründe, die gegen die materielle Rechtmäßigkeit des Bescheides sprechen könnten, ergeben sich nicht aus der Beschwerdebegründung (und sind auch nicht ersichtlich).

12

Ob zwingende dienstliche Gründe im Sinne von § 66 BBG zu bejahen sind, ist nach den Kenntnissen, die zum Zeitpunkt des Erlasses des Verbots vorgelegen haben, zu beurteilen. Da es sich um ein vorläufiges Verbot im Sinne einer materiellrechtlichen Eilmaßnahme handelt - denn es erlischt gemäß § 66 Satz 2 BBG, wenn nicht bis zum Ablauf von drei Monaten gegen den Beamten ein Disziplinarverfahren oder ein sonstiges auf Rücknahme der Ernennung oder auf Beendigung des Beamtenverhältnisses gerichtetes Verfahren eingeleitet worden ist -, kann keine abschließende Klärung des Sachverhalts gefordert werden (vgl. Plog/Wiedow, a.a.O. § 66 Rn. 30). Die endgültige Aufklärung ist dem staatsanwaltschaftlichen Ermittlungsverfahren und dem bereits im Juli eingeleiteten Entlassungsverfahren vorbehalten.

13

Die Ausübung von Dienstgeschäften setzt nicht voraus, dass dem Beamten ein Amt im statusrechtlichen Sinne verliehen ist. Es genügt vielmehr, dass ihm Dienstgeschäfte zur Wahrnehmung übertragen sind, weshalb auch ein Beamter auf Widerruf im Vorbereitungsdienst – wie hier – Dienstgeschäfte im Sinne der Vorschrift ausübt (vgl. Plog/Wiedow, a.a.O., § 66 Rn. 16).

14

Bei dem Begriff der zwingenden dienstlichen Gründe handelt es sich um einen unbestimmten Rechtsbegriff, der der vollen gerichtlichen Nachprüfung unterliegt. Zwingende dienstliche Gründe sind gegeben, wenn bei weiterer Ausübung des Dienstes durch den Beamten auf seinem bisherigen Dienstposten der Dienstbetrieb erheblich beeinträchtigt würde oder andere gewichtige dienstliche Nachteile ernsthaft zu besorgen wären (vgl. zu § 22 SG: BVerwG, Beschl. v. 19.11.1998 - 1 WB 36.98 -, Juris Rn. 5). Die zu befürchtenden Nachteile müssen so gewichtig sein, dass dem Dienstherrn die Führung der Dienstgeschäfte durch den Beamten bis zur abschließenden Klärung und Entscheidung nicht zugemutet werden kann (vgl. zu § 39 BeamtStG: OVG NRW, Beschl. v. 17.06.2013 - 6 A 2586/12 -, Juris 13). Anders als bei der vorläufigen Dienstenthebung im Zusammenhang mit einem Disziplinarverfahren kommt es bei einem Verbot der Führung der Dienstgeschäfte nach § 66 BBG nicht auf ein vorwerfbares Fehlverhalten des Beamten an, sondern auf die objektive Gefährdung des Dienstes. Das Verbot der Führung der Dienstgeschäfte dient gemäß § 66 BBG der dienstrechtlichen Gefahrenabwehr; die Maßnahme trägt nur vorläufigen Charakter. Mit ihr sollen durch eine sofortige oder wenigstens eine sehr rasche Entscheidung des Dienstherrn gravierende Nachteile durch die aktuelle Dienstausübung des Beamten für den Dienstherrn vermieden werden. Maßgebend ist die Prognose, dass die Aufgabenerfüllung der Verwaltung durch die vorerst weitere Amtsführung des Beamten objektiv gefährdet ist. Demnach ist nicht erforderlich, dass bereits Klarheit über den Grund für die Beeinträchtigung der dienstlichen Belange oder die weitere Verwendung und Behandlung des Beamten besteht; vielmehr eröffnet das Verbot der Führung der Dienstgeschäfte dem Dienstherrn die Möglichkeit, ohne Gefährdung der dienstlichen Interessen Ermittlungen anzustellen und eine solidere Grundlage für dauerhafte Entscheidungen zu gewinnen. Entsprechend dem Zweck des Verbots genügt insoweit der auf hinreichenden Anhaltspunkten beruhende Verdacht einer Gefahrenlage. Die endgültige Aufklärung ist den in § 66 Satz 2 BBG aufgeführten weiteren Verfahren vorbehalten (so auch zu § 39 BeamtStG: OVG NRW, Beschl. v. 30.07.2015 - 6 A 1454/13 -, Juris Rn. 7 ff. m.w.N.).

15

Für ein Verbot der Führung der Dienstgeschäfte ist daher keine erschöpfende Aufklärung erforderlich; es genügt vielmehr, wenn der zuständige Vorgesetzte auf Grund der vorliegenden Erkenntnisse zu der begründeten Überzeugung gelangt, dass dienstliche Gründe ein sofortiges Handeln erfordern und das Verbot der Führung der Dienstgeschäfte als zwingend geboten erscheinen lassen (vgl. zu § 22 SG: BVerwG, Beschl. v. 19.11.1998 - 1 WB 36.98, Juris Rn.).

16

Dass Letzteres vorliegend der Fall war, stellt das Beschwerdevorbringen nicht durchgreifend in Frage.

17

Die Antragsgegnerin hat begründete Zweifel daran, dass der Antragsteller die persönliche und fachliche Eignung für sein Amt besitzt. Denn es gibt konkrete Anhaltspunkte dafür, dass er aufgrund seiner rechtsextremen und zumindest latent rassistischen Einstellung nicht die Gewähr dafür bietet, jederzeit für die freiheitlich demokratische Grundordnung im Sinne des Grundgesetzes einzutreten. Die Pflicht des Beamten zur Verfassungstreue ist ein hergebrachter Grundsatz des Berufsbeamtentums im Sinne des Art. 33 Abs. 5 GG, die auch für das Beamtenverhältnis auf Widerruf im Vorbereitungsdienst gilt (BVerwG, Urt. v.09.06.1981 - 2 C 48.78 -, Juris Rn. 24). Da Beamte auf Widerruf gemäß § 37 Abs. 1 Satz 1 BBG jederzeit entlassen werden können, können berechtigte Zweifel an der Verfassungstreue einen sachlichen Grund für die Entlassung aus dem Beamtenverhältnis auf Widerruf darstellen; der Nachweis eines konkreten Dienstvergehens oder einer schuldhaften Verletzung der Pflicht zur Verfassungstreue ist insoweit nicht erforderlich (vgl. BVerwG, Urt. v. 09.06.1981, a.a.O., Juris Rn. 20).

18

Das Vorbringen des Antragstellers, das Verwaltungsgericht habe aus der beigezogenen Ermittlungsakte der Staatsanwaltschaft fehlerhaft zitiert und deshalb zu Unrecht das Vorliegen der „zwingenden dienstlichen Gründe“ bejaht, greift nicht durch. Ob tatsächlich ungenau zitiert wurde, kann dahinstehen, weil der Akteninhalt die Annahme „zwingender dienstlicher Gründe“ rechtfertigt.

19

Aufgrund der Angaben, die fünf Studierende am 25. April 2016 gegenüber dem Prodekan des Zentralen Lehrbereichs hinsichtlich des Antragstellers gemacht haben, bestehen konkrete Anhaltspunkte, dass der Antragsteller eine rechtsextreme und fremdenfeindliche Einstellung hat erkennen lassen. Seine Kollegen berichteten über mehrfach und öffentlich getätigte rechtsradikale Äußerungen des Antragstellers, sowie darüber, dass der Antragsteller im Besitz von Bildmaterial mit mutmaßlich nationalsozialistischen Inhalten sei. Diese Angaben haben sich zum einen durch die polizeilichen Vernehmungen der Kollegen des Antragstellers (vgl. Synopse der Zeugenaussagen, Bl. 148 bis 150 der polizeilichen Ermittlungsakte - BA B) und zum anderen aufgrund der beim Antragsteller auf dem Mobiltelefon vorgefundenen Fotos (Bl. 130 bis 146 BA B) bestätigt. Ob diese Feststellungen ausreichen, um den Grad strafbaren Verhaltens zu erreichen, ist irrelevant. Sie zeigen jedenfalls, dass der Antragsteller sich nicht von rechtsradikalem Gedankengut distanziert und mithin Zweifel an der charakterlichen Eignung im Hinblick auf die Ausübung des Berufes eines Polizisten der Bundespolizei gerechtfertigt sind. Soweit er geltend macht, die auf dem Mobiltelefon gespeicherten Bilder seien Privatsache, Bilder, auf denen Hakenkreuze abgebildet seien, seien ihm zugeschickt worden und stellten einen – auch so verstandenen – makabren Scherz dar, Bilder von Soldaten der Wehrmacht oder der Waffen-SS seien Ausdruck seines historischen Interesses, ist dies vor dem Hintergrund der Schilderungen der Kommilitonen über das Verhalten des Antragstellers - auch im Zusammenspiel mit dem Kommilitonen ... - als Schutzbehauptung zu werten.

20

Nach dem derzeitigen Aktenstand trifft es entgegen dem Vorbringen des Antragstellers nicht zu, dass er die abgespeicherten Fotos nicht weitergezeigt habe. So bezeugt etwa die Zeugin ..., dass der Antragsteller sowohl verschiedene „SS-Frisuren als auch Fotos mit Hakenkreuzen und SS-Runen auf seinem Handy hatte und überall rumgezeigt hat“ (Bl. 58 BA B). Auch die Zeugin ... gab an, dass der Antragsteller ihr ein Foto eines SS-Mannes gezeigt habe, bei dem SS-Runen auf dem Uniformkragen zu sehen gewesen seien, und ein weiteres Bild eines „Propagandaplakats mit einem abgebildeten SS-Mann“ (Bl. 55 BA B). Dass es ihm dabei lediglich um die Erörterung einer möglichen neuen Frisur gegangen sei, wie von ihm vorgetragen, erklärt nicht, weshalb er dafür Bilder mit Nazisymbolen ausgewählt hat.

21

Nach Angaben des Zeugen ... soll der Antragsteller „... als ... bezeichnet“ haben. Im Kontext mit den auf Bl. 144 bis 146 der Beiakte B befindlichen Bildern, die sich auf dem Mobiltelefon des Antragstellers fanden, lässt dies den Schluss auf eine ausländerfeindliche Gesinnung des Antragstellers zu. Dort heißt es zum Beispiel: „...“.

22

Soweit der Antragsteller bestreitet, jemals „Sieg Heil“ gerufen zu haben, widerspricht dies den Angaben mehrerer Zeugen, die einen entsprechenden Ausruf von ihm in angetrunkenem Zustand gehört haben wollen (vgl. Synopse, Bl. 148 ff. BA B).

23

Aufgrund dieser Erkenntnisse ist sein Vorbringen, er habe den Eid, den er auf die Verfassung geschworen habe, jederzeit gehalten und beabsichtige ihn auch nicht zu brechen, nicht glaubhaft. Die vom Antragsteller angeführte Vermutung, seine anzeigenerstattenden Kollegen hegten möglicherweise persönliche Animositäten gegen ihn, vermögen die konkreten Anhaltspunkte für fehlende charakterliche Eignung - insbesondere aufgrund der bei ihm vorgefundenen Bilder - ebenfalls nicht in Frage zu stellen.

24

Ob der Antragsteller in Gesprächen mit dem Kommilitonen ... zudem antisemitische und menschenverachtende Äußerungen getätigt oder solche gefallenen Äußerungen gutgeheißen hat, bedarf im vorliegenden einstweiligen Rechtsschutzverfahren keiner weitergehenden Aufklärung, weil die vorstehend aufgezählten Umstände ausreichen, um „zwingende dienstliche Gründe“ zu bejahen. Dementsprechend ist auch eine vom Antragsteller beantragte Zeugenvernehmung entbehrlich und einem etwaigen Hauptsacheverfahren bzw. Entlassungsverfahren vorbehalten.

25

Entgegen der Auffassung des Antragstellers führt der Umstand, dass er sich lediglich im Ausbildungsverhältnis befinde und keinen Außenkontakt habe, nicht dazu, dass das ausgesprochene Verbot unverhältnismäßig wäre. Dies ergibt sich aus den von Seiten der Antragsgegnerin angeführten Argumenten. Dazu heißt es zutreffend im Bescheid, ein Verbleib im Ausbildungsbetrieb würde zu einem erheblichen Ansehensverlust für die Bundespolizei führen und könnte dem Eindruck Vorschub leisten, die Bundespolizei dulde in ihren Reihen rechtsextremistische oder jedenfalls menschenverachtende Äußerungen. Darüber hinaus bestehe die Gefahr, dass die strafrechtlichen und dienstrechtlichen Ermittlungen erschwert werden könnten. Schließlich diene die Maßnahme auch dem Schutz der Mitstudierenden, die in dem laufenden Verfahren als Zeugen ausgesagt hätten. Im Beschwerdeverfahren hat die Antragsgegnerin ergänzend und zutreffend darauf hingewiesen, dass auch zu berücksichtigen sei, dass der Antragsteller im Rahmen der fachpraktischen Ausbildung in Uniform in der Öffentlichkeit tätig werden müsste.

26

Auch der Einwand des Antragstellers, der Bescheid sei rechtswidrig, weil die Antragsgegnerin kein Ermessen ausgeübt habe, verfängt nicht. Sofern die Tatbestandsvoraussetzungen der zwingenden dienstlichen Gründe für das Verbot der Führung der Dienstgeschäfte erfüllt sind, wird in aller Regel Ermessen nicht mehr hinsichtlich der Anordnung der Maßnahme als solcher (vgl. Plog/Wiedow, a.a.O., § 66 BBG Rn. 21 a.E.), sondern im Wesentlichen nur noch dahin eröffnet sein, ob es eine andere Möglichkeit gibt, den betreffenden Beamten amtsangemessen zu beschäftigen, gegebenenfalls auch zu Dauer und Umfang des Verbots (vgl. zu § 39 BeamtStG: OVG NRW, Beschl. v. 17.06.2013 – 6 A 2586/12 -, Juris Rn. 14). Da es für einen Widerrufsbeamten im Vorbereitungsdienst keine andere Möglichkeit der amtsangemessenen Beschäftigung gibt, heißt es zutreffend im Bescheid, die Maßnahme nach § 66 BBG sei aus vorbenannten Gründen unerlässlich.

27

Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO; die Festsetzung des Streitwertes beruht auf den § 53 Abs. 2, § 52 Abs. 1 und 2 GKG.

28

Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO, § 68 Abs. 1 Satz 5, § 66 Abs. 3 Satz 3 GKG).


Beamtinnen und Beamten kann aus zwingenden dienstlichen Gründen die Führung der Dienstgeschäfte verboten werden. Das Verbot erlischt, wenn nicht bis zum Ablauf von drei Monaten gegen die Beamtin oder den Beamten ein Disziplinarverfahren oder ein sonstiges auf Rücknahme der Ernennung oder auf Beendigung des Beamtenverhältnisses gerichtetes Verfahren eingeleitet worden ist.

Tenor

Die Beschwerde gegen den Beschluss des Schleswig-Holsteinischen Verwaltungsgerichts - 12. Kammer - vom 22. Juni 2016 wird zurückgewiesen.

Der Antragsteller trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.

Der Wert des Streitgegenstandes wird für das Beschwerdeverfahren auf 5.000,00 Euro festgesetzt.

Gründe

1

Der Antragsteller ist Polizeikommissaranwärter im 72. Studienjahrgang an der Hochschule Bund - Fachbereich Bundespolizei. Mit Bescheid vom 2. Mai 2016 verbot der Präsident der Bundespolizeiakademie dem Antragsteller die Führung der Dienstgeschäfte und ordnete die sofortige Vollziehung an. Zur Begründung hieß es, das Verhalten des Antragstellers innerhalb des Dienstbetriebs offenbare eine rechtsextreme zumindest latent rassistische Gesinnung. Seine Äußerungen und Verhaltensweisen ließen auf eine für den Polizeivollzugsdienst untragbare charakterliche Grundeinstellung und eine tiefe Missachtung der ihm auferlegten Pflicht schließen, die freiheitlich demokratische Grundordnung im Sinne des Grundgesetzes anzuerkennen und für deren Einhaltung einzutreten.

2

Dem war vorausgegangen, dass Studierende seines Jahrgangs gegenüber dem Prodekan des Zentralen Lehrbereichs der Bundespolizeiakademie in Brühl Angaben zum Verhalten des Antragstellers gemacht hatten, die zur Einleitung eines förmlichen Strafverfahrens und zu polizeilichen Ermittlungen u.a. gegen den Antragsteller geführt haben. Es hat daraufhin bei ihm eine gerichtlich angeordnete Durchsuchung stattgefunden und mehrere Zeugen sind zu den Vorkommnissen polizeilich vernommen worden.

3

Am 11. Mai 2016 legte der Antragsteller Widerspruch gegen den Bescheid ein. Zugleich hat er beim Schleswig-Holsteinischen Verwaltungsgericht einen Antrag auf Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung des Widerspruchs gestellt, den das Gericht mit Beschluss vom 22. Juni 2016 abgelehnt hat. Die Anordnung der sofortigen Vollziehung sei hinreichend begründet worden. Die in der Sache vorzunehmende Interessenabwägung falle zugunsten des öffentlichen Interesses an der sofortigen Vollziehung aus. Der angegriffene Bescheid erweise sich bei summarischer Prüfung als offensichtlich formell und materiell rechtmäßig. Die tatbestandlichen Voraussetzungen des § 66 BBG lägen vor. Zwingende dienstliche Gründe im Sinne der Norm seien zu bejahen.

4

Die Beschwerde gegen den Beschluss des Verwaltungsgerichts vom 22. Juni 2016 ist unbegründet. Die zu ihrer Begründung dargelegten Gründe, die allein Gegenstand der Prüfung durch den Senat sind (§ 146 Abs. 4 S. 6 VwGO), stellen das Ergebnis des angefochtenen Beschlusses nicht in Frage.

5

Soweit der Antragsteller meint, der angefochtene Beschluss leide an einem Verfahrensfehler, trifft dies nicht zu. Der Antragsteller beanstandet zu Unrecht, die erstinstanzliche Entscheidung sei zur Unzeit ergangen, weil die Antragserwiderung der Antragsgegnerin seinem Prozessbevollmächtigten mit gerichtlicher Verfügung vom 24. Mai 2016 lediglich „zur Kenntnisnahme und eventuellen Stellungnahme“ ohne Fristsetzung übersandt worden sei und sein Prozessbevollmächtigter sich bis zum 19. Juni 2016 im Urlaub befunden habe. Zwischen Übersendung der Antragserwiderung und Beschlussfassung lagen mehrere Wochen. In einer Konstellation wie der vorliegenden, in der es dem Antragsteller auch darum ging, noch vor Ende des Studienabschnitts im Juni 2016 wieder zur Ausbildung zugelassen zu werden, hätte der Prozessbevollmächtigte Vorsorge dafür treffen müssen, dass auch während seiner Urlaubsabwesenheit auf gerichtliche Verfügungen bei Bedarf in angemessener Zeit reagiert werden kann.

6

Der Antrag auf Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung des Widerspruchs gegen den Bescheid der Antragsgegnerin vom 2. Mai 2016 hat keinen Erfolg, weil die im Rahmen des Verfahrens nach § 80 Abs. 5 Satz 1 VwGO vorzunehmende Abwägung zwischen dem öffentlichen Vollziehungsinteresse und dem Interesse des Antragstellers an der Aussetzung der Vollziehung hier zu Ungunsten des Antragstellers ausgeht.

7

Das öffentliche Interesse an der sofortigen Vollziehung eines Verbots der Führung der Dienstgeschäfte gemäß § 66 Satz 1 BBG ist in aller Regel zu bejahen, sofern dieses nicht offenbar zu Unrecht ausgesprochen worden ist, um den Zweck eines solchen Verbots erfüllen zu können (vgl. Plog/Wiedow, Bundesbeamtengesetz- Kommentar, Stand Juli 2016, § 66 Rn. 31). § 66 Satz 1 BBG bestimmt, dass die oberste Dienstbehörde oder die von ihr bestimmte Behörde einer Beamtin oder einem Beamten aus zwingenden dienstlichen Gründen die Führung der Dienstgeschäfte verbieten kann.

8

Die Anordnung der sofortigen Vollziehung ist formell rechtmäßig. Die gemäß § 80 Abs. 3 VwGO erforderliche Begründung des Interesses an der sofortigen Vollziehung des Verwaltungsaktes ist entgegen der Auffassung des Antragstellers nicht zu beanstanden. Angesichts der Besonderheit der Maßnahme mit schon materiellrechtlich erforderlichen zwingenden Gründen besteht in aller Regel zugleich Anlass und Rechtfertigung, die sofortige Vollziehung anzuordnen. Dafür werden im Allgemeinen keine zusätzlichen Gründe angeführt werden können und müssen (Plog/Wiedow, a.a.O., § 66 Rn. 31). Im Bescheid heißt es dementsprechend zur Begründung des Sofortvollzuges, es sei sicherzustellen, dass der Dienstbetrieb der Bundespolizeieinrichtungen ungestört und ordnungsgemäß verlaufe und weitere Übergriffe verhindert würden. Das Verbot der Führung der Dienstgeschäfte sei daher mit sofortiger Vollziehbarkeit anzuordnen, um die bezweckte Wirkung zu gewährleisten. Diese Begründung ist hinreichend. Soweit der Antragsteller meint, es hätte einer weitergehenden Begründung bedurft, weshalb die Aufrechterhaltung des Ausbildungsbetriebs, die Einsatz- und Funktionsfähigkeit der Bundespolizei, das Ansehen des Beamtentums und der Schutz der anderen Auszubildenden gefährdet sein solle, obwohl er sich als Polizeikommissar in Ausbildung an der Verwaltungsfachhochschule befinde und keinen Außenkontakt habe, dringt er damit nicht durch. Denn zu Bundespolizeieinrichtungen, deren ordnungsgemäßer Betrieb sichergestellt werden soll, gehört auch die Hochschule selbst. Entscheidend für die Gefährdung der Funktionsfähigkeit der Bundespolizei - wie der öffentlichen Verwaltung im Allgemeinen - ist, ob der Dienstherr oder die Allgemeinheit künftig noch Vertrauen in eine ordnungsgemäße Aufgabenerfüllung durch die Bundespolizei hätten, wenn ihnen die Vorwürfe und das weitere Verbleiben des Antragstellers in der Ausbildung bis zur abschließenden Klärung bekannt würden. Darüber hinaus ist durch die polizeilichen und staatsanwaltschaftlichen Ermittlungen bereits Außenwirkung erzeugt worden.

9

Die Anordnung der sofortigen Vollziehung ist auch materiell rechtmäßig; denn es gibt keine Anhaltspunkte dafür, dass das Verbot der Führung der Dienstgeschäfte offensichtlich zu Unrecht ausgesprochen worden sein könnte.

10

Zutreffend hat das Verwaltungsgericht ausgeführt, dass gegen die formelle Rechtmäßigkeit des Bescheides vom 2. Mai 2016 keine Bedenken bestünden, insbesondere die fehlende Anhörung vor Erlass des streitgegenständlichen Bescheides unbeachtlich sei, weil entweder Gründe für ein Absehen von der Anhörung (gemäß § 28 Abs. 2 Nr. 1 VwVfG) vorlägen oder jedenfalls die Möglichkeit der Nachholung bis zum Abschluss des Klageverfahrens bestehe (vgl. § 45 Abs. 2 VwVfG). Damit wird dem verfassungsrechtlich verankerten Anspruch auf rechtliches Gehör Genüge getan.

11

Gründe, die gegen die materielle Rechtmäßigkeit des Bescheides sprechen könnten, ergeben sich nicht aus der Beschwerdebegründung (und sind auch nicht ersichtlich).

12

Ob zwingende dienstliche Gründe im Sinne von § 66 BBG zu bejahen sind, ist nach den Kenntnissen, die zum Zeitpunkt des Erlasses des Verbots vorgelegen haben, zu beurteilen. Da es sich um ein vorläufiges Verbot im Sinne einer materiellrechtlichen Eilmaßnahme handelt - denn es erlischt gemäß § 66 Satz 2 BBG, wenn nicht bis zum Ablauf von drei Monaten gegen den Beamten ein Disziplinarverfahren oder ein sonstiges auf Rücknahme der Ernennung oder auf Beendigung des Beamtenverhältnisses gerichtetes Verfahren eingeleitet worden ist -, kann keine abschließende Klärung des Sachverhalts gefordert werden (vgl. Plog/Wiedow, a.a.O. § 66 Rn. 30). Die endgültige Aufklärung ist dem staatsanwaltschaftlichen Ermittlungsverfahren und dem bereits im Juli eingeleiteten Entlassungsverfahren vorbehalten.

13

Die Ausübung von Dienstgeschäften setzt nicht voraus, dass dem Beamten ein Amt im statusrechtlichen Sinne verliehen ist. Es genügt vielmehr, dass ihm Dienstgeschäfte zur Wahrnehmung übertragen sind, weshalb auch ein Beamter auf Widerruf im Vorbereitungsdienst – wie hier – Dienstgeschäfte im Sinne der Vorschrift ausübt (vgl. Plog/Wiedow, a.a.O., § 66 Rn. 16).

14

Bei dem Begriff der zwingenden dienstlichen Gründe handelt es sich um einen unbestimmten Rechtsbegriff, der der vollen gerichtlichen Nachprüfung unterliegt. Zwingende dienstliche Gründe sind gegeben, wenn bei weiterer Ausübung des Dienstes durch den Beamten auf seinem bisherigen Dienstposten der Dienstbetrieb erheblich beeinträchtigt würde oder andere gewichtige dienstliche Nachteile ernsthaft zu besorgen wären (vgl. zu § 22 SG: BVerwG, Beschl. v. 19.11.1998 - 1 WB 36.98 -, Juris Rn. 5). Die zu befürchtenden Nachteile müssen so gewichtig sein, dass dem Dienstherrn die Führung der Dienstgeschäfte durch den Beamten bis zur abschließenden Klärung und Entscheidung nicht zugemutet werden kann (vgl. zu § 39 BeamtStG: OVG NRW, Beschl. v. 17.06.2013 - 6 A 2586/12 -, Juris 13). Anders als bei der vorläufigen Dienstenthebung im Zusammenhang mit einem Disziplinarverfahren kommt es bei einem Verbot der Führung der Dienstgeschäfte nach § 66 BBG nicht auf ein vorwerfbares Fehlverhalten des Beamten an, sondern auf die objektive Gefährdung des Dienstes. Das Verbot der Führung der Dienstgeschäfte dient gemäß § 66 BBG der dienstrechtlichen Gefahrenabwehr; die Maßnahme trägt nur vorläufigen Charakter. Mit ihr sollen durch eine sofortige oder wenigstens eine sehr rasche Entscheidung des Dienstherrn gravierende Nachteile durch die aktuelle Dienstausübung des Beamten für den Dienstherrn vermieden werden. Maßgebend ist die Prognose, dass die Aufgabenerfüllung der Verwaltung durch die vorerst weitere Amtsführung des Beamten objektiv gefährdet ist. Demnach ist nicht erforderlich, dass bereits Klarheit über den Grund für die Beeinträchtigung der dienstlichen Belange oder die weitere Verwendung und Behandlung des Beamten besteht; vielmehr eröffnet das Verbot der Führung der Dienstgeschäfte dem Dienstherrn die Möglichkeit, ohne Gefährdung der dienstlichen Interessen Ermittlungen anzustellen und eine solidere Grundlage für dauerhafte Entscheidungen zu gewinnen. Entsprechend dem Zweck des Verbots genügt insoweit der auf hinreichenden Anhaltspunkten beruhende Verdacht einer Gefahrenlage. Die endgültige Aufklärung ist den in § 66 Satz 2 BBG aufgeführten weiteren Verfahren vorbehalten (so auch zu § 39 BeamtStG: OVG NRW, Beschl. v. 30.07.2015 - 6 A 1454/13 -, Juris Rn. 7 ff. m.w.N.).

15

Für ein Verbot der Führung der Dienstgeschäfte ist daher keine erschöpfende Aufklärung erforderlich; es genügt vielmehr, wenn der zuständige Vorgesetzte auf Grund der vorliegenden Erkenntnisse zu der begründeten Überzeugung gelangt, dass dienstliche Gründe ein sofortiges Handeln erfordern und das Verbot der Führung der Dienstgeschäfte als zwingend geboten erscheinen lassen (vgl. zu § 22 SG: BVerwG, Beschl. v. 19.11.1998 - 1 WB 36.98, Juris Rn.).

16

Dass Letzteres vorliegend der Fall war, stellt das Beschwerdevorbringen nicht durchgreifend in Frage.

17

Die Antragsgegnerin hat begründete Zweifel daran, dass der Antragsteller die persönliche und fachliche Eignung für sein Amt besitzt. Denn es gibt konkrete Anhaltspunkte dafür, dass er aufgrund seiner rechtsextremen und zumindest latent rassistischen Einstellung nicht die Gewähr dafür bietet, jederzeit für die freiheitlich demokratische Grundordnung im Sinne des Grundgesetzes einzutreten. Die Pflicht des Beamten zur Verfassungstreue ist ein hergebrachter Grundsatz des Berufsbeamtentums im Sinne des Art. 33 Abs. 5 GG, die auch für das Beamtenverhältnis auf Widerruf im Vorbereitungsdienst gilt (BVerwG, Urt. v.09.06.1981 - 2 C 48.78 -, Juris Rn. 24). Da Beamte auf Widerruf gemäß § 37 Abs. 1 Satz 1 BBG jederzeit entlassen werden können, können berechtigte Zweifel an der Verfassungstreue einen sachlichen Grund für die Entlassung aus dem Beamtenverhältnis auf Widerruf darstellen; der Nachweis eines konkreten Dienstvergehens oder einer schuldhaften Verletzung der Pflicht zur Verfassungstreue ist insoweit nicht erforderlich (vgl. BVerwG, Urt. v. 09.06.1981, a.a.O., Juris Rn. 20).

18

Das Vorbringen des Antragstellers, das Verwaltungsgericht habe aus der beigezogenen Ermittlungsakte der Staatsanwaltschaft fehlerhaft zitiert und deshalb zu Unrecht das Vorliegen der „zwingenden dienstlichen Gründe“ bejaht, greift nicht durch. Ob tatsächlich ungenau zitiert wurde, kann dahinstehen, weil der Akteninhalt die Annahme „zwingender dienstlicher Gründe“ rechtfertigt.

19

Aufgrund der Angaben, die fünf Studierende am 25. April 2016 gegenüber dem Prodekan des Zentralen Lehrbereichs hinsichtlich des Antragstellers gemacht haben, bestehen konkrete Anhaltspunkte, dass der Antragsteller eine rechtsextreme und fremdenfeindliche Einstellung hat erkennen lassen. Seine Kollegen berichteten über mehrfach und öffentlich getätigte rechtsradikale Äußerungen des Antragstellers, sowie darüber, dass der Antragsteller im Besitz von Bildmaterial mit mutmaßlich nationalsozialistischen Inhalten sei. Diese Angaben haben sich zum einen durch die polizeilichen Vernehmungen der Kollegen des Antragstellers (vgl. Synopse der Zeugenaussagen, Bl. 148 bis 150 der polizeilichen Ermittlungsakte - BA B) und zum anderen aufgrund der beim Antragsteller auf dem Mobiltelefon vorgefundenen Fotos (Bl. 130 bis 146 BA B) bestätigt. Ob diese Feststellungen ausreichen, um den Grad strafbaren Verhaltens zu erreichen, ist irrelevant. Sie zeigen jedenfalls, dass der Antragsteller sich nicht von rechtsradikalem Gedankengut distanziert und mithin Zweifel an der charakterlichen Eignung im Hinblick auf die Ausübung des Berufes eines Polizisten der Bundespolizei gerechtfertigt sind. Soweit er geltend macht, die auf dem Mobiltelefon gespeicherten Bilder seien Privatsache, Bilder, auf denen Hakenkreuze abgebildet seien, seien ihm zugeschickt worden und stellten einen – auch so verstandenen – makabren Scherz dar, Bilder von Soldaten der Wehrmacht oder der Waffen-SS seien Ausdruck seines historischen Interesses, ist dies vor dem Hintergrund der Schilderungen der Kommilitonen über das Verhalten des Antragstellers - auch im Zusammenspiel mit dem Kommilitonen ... - als Schutzbehauptung zu werten.

20

Nach dem derzeitigen Aktenstand trifft es entgegen dem Vorbringen des Antragstellers nicht zu, dass er die abgespeicherten Fotos nicht weitergezeigt habe. So bezeugt etwa die Zeugin ..., dass der Antragsteller sowohl verschiedene „SS-Frisuren als auch Fotos mit Hakenkreuzen und SS-Runen auf seinem Handy hatte und überall rumgezeigt hat“ (Bl. 58 BA B). Auch die Zeugin ... gab an, dass der Antragsteller ihr ein Foto eines SS-Mannes gezeigt habe, bei dem SS-Runen auf dem Uniformkragen zu sehen gewesen seien, und ein weiteres Bild eines „Propagandaplakats mit einem abgebildeten SS-Mann“ (Bl. 55 BA B). Dass es ihm dabei lediglich um die Erörterung einer möglichen neuen Frisur gegangen sei, wie von ihm vorgetragen, erklärt nicht, weshalb er dafür Bilder mit Nazisymbolen ausgewählt hat.

21

Nach Angaben des Zeugen ... soll der Antragsteller „... als ... bezeichnet“ haben. Im Kontext mit den auf Bl. 144 bis 146 der Beiakte B befindlichen Bildern, die sich auf dem Mobiltelefon des Antragstellers fanden, lässt dies den Schluss auf eine ausländerfeindliche Gesinnung des Antragstellers zu. Dort heißt es zum Beispiel: „...“.

22

Soweit der Antragsteller bestreitet, jemals „Sieg Heil“ gerufen zu haben, widerspricht dies den Angaben mehrerer Zeugen, die einen entsprechenden Ausruf von ihm in angetrunkenem Zustand gehört haben wollen (vgl. Synopse, Bl. 148 ff. BA B).

23

Aufgrund dieser Erkenntnisse ist sein Vorbringen, er habe den Eid, den er auf die Verfassung geschworen habe, jederzeit gehalten und beabsichtige ihn auch nicht zu brechen, nicht glaubhaft. Die vom Antragsteller angeführte Vermutung, seine anzeigenerstattenden Kollegen hegten möglicherweise persönliche Animositäten gegen ihn, vermögen die konkreten Anhaltspunkte für fehlende charakterliche Eignung - insbesondere aufgrund der bei ihm vorgefundenen Bilder - ebenfalls nicht in Frage zu stellen.

24

Ob der Antragsteller in Gesprächen mit dem Kommilitonen ... zudem antisemitische und menschenverachtende Äußerungen getätigt oder solche gefallenen Äußerungen gutgeheißen hat, bedarf im vorliegenden einstweiligen Rechtsschutzverfahren keiner weitergehenden Aufklärung, weil die vorstehend aufgezählten Umstände ausreichen, um „zwingende dienstliche Gründe“ zu bejahen. Dementsprechend ist auch eine vom Antragsteller beantragte Zeugenvernehmung entbehrlich und einem etwaigen Hauptsacheverfahren bzw. Entlassungsverfahren vorbehalten.

25

Entgegen der Auffassung des Antragstellers führt der Umstand, dass er sich lediglich im Ausbildungsverhältnis befinde und keinen Außenkontakt habe, nicht dazu, dass das ausgesprochene Verbot unverhältnismäßig wäre. Dies ergibt sich aus den von Seiten der Antragsgegnerin angeführten Argumenten. Dazu heißt es zutreffend im Bescheid, ein Verbleib im Ausbildungsbetrieb würde zu einem erheblichen Ansehensverlust für die Bundespolizei führen und könnte dem Eindruck Vorschub leisten, die Bundespolizei dulde in ihren Reihen rechtsextremistische oder jedenfalls menschenverachtende Äußerungen. Darüber hinaus bestehe die Gefahr, dass die strafrechtlichen und dienstrechtlichen Ermittlungen erschwert werden könnten. Schließlich diene die Maßnahme auch dem Schutz der Mitstudierenden, die in dem laufenden Verfahren als Zeugen ausgesagt hätten. Im Beschwerdeverfahren hat die Antragsgegnerin ergänzend und zutreffend darauf hingewiesen, dass auch zu berücksichtigen sei, dass der Antragsteller im Rahmen der fachpraktischen Ausbildung in Uniform in der Öffentlichkeit tätig werden müsste.

26

Auch der Einwand des Antragstellers, der Bescheid sei rechtswidrig, weil die Antragsgegnerin kein Ermessen ausgeübt habe, verfängt nicht. Sofern die Tatbestandsvoraussetzungen der zwingenden dienstlichen Gründe für das Verbot der Führung der Dienstgeschäfte erfüllt sind, wird in aller Regel Ermessen nicht mehr hinsichtlich der Anordnung der Maßnahme als solcher (vgl. Plog/Wiedow, a.a.O., § 66 BBG Rn. 21 a.E.), sondern im Wesentlichen nur noch dahin eröffnet sein, ob es eine andere Möglichkeit gibt, den betreffenden Beamten amtsangemessen zu beschäftigen, gegebenenfalls auch zu Dauer und Umfang des Verbots (vgl. zu § 39 BeamtStG: OVG NRW, Beschl. v. 17.06.2013 – 6 A 2586/12 -, Juris Rn. 14). Da es für einen Widerrufsbeamten im Vorbereitungsdienst keine andere Möglichkeit der amtsangemessenen Beschäftigung gibt, heißt es zutreffend im Bescheid, die Maßnahme nach § 66 BBG sei aus vorbenannten Gründen unerlässlich.

27

Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO; die Festsetzung des Streitwertes beruht auf den § 53 Abs. 2, § 52 Abs. 1 und 2 GKG.

28

Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO, § 68 Abs. 1 Satz 5, § 66 Abs. 3 Satz 3 GKG).


(1) Geldentschädigungen, aus denen andere Entschädigungsberechtigte nach § 20 Abs. 3 zu befriedigen sind, sind unter Verzicht auf das Recht der Rücknahme bei dem nach § 54 Abs. 2 für das Verteilungsverfahren zuständigen Amtsgericht zu hinterlegen, soweit mehrere Personen auf sie Anspruch haben und eine Einigung dieser Personen über die Auszahlung nicht nachgewiesen ist.

(2) Andere Vorschriften, nach denen die Hinterlegung geboten oder statthaft ist, werden hierdurch nicht berührt.

(1) Der unterliegende Teil trägt die Kosten des Verfahrens.

(2) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen demjenigen zur Last, der das Rechtsmittel eingelegt hat.

(3) Dem Beigeladenen können Kosten nur auferlegt werden, wenn er Anträge gestellt oder Rechtsmittel eingelegt hat; § 155 Abs. 4 bleibt unberührt.

(4) Die Kosten des erfolgreichen Wiederaufnahmeverfahrens können der Staatskasse auferlegt werden, soweit sie nicht durch das Verschulden eines Beteiligten entstanden sind.

(5) Soweit der Antragsteller allein auf Grund von § 80c Absatz 2 unterliegt, fallen die Gerichtskosten dem obsiegenden Teil zur Last. Absatz 3 bleibt unberührt.