Asylrecht: Schädigung des Ansehens von Asylbewerbern als strafschärfende Erwägung

bei uns veröffentlicht am14.02.2017

Rechtsgebiete

Autoren

Rechtsanwalt Dirk Streifler - Partner

EnglischDeutsch
Zusammenfassung des Autors
Die Stellung als Asylbewerber kann als Grund für eine Strafschärfung nicht genügen, da sich hieraus keine gesteigerte Pflicht zur Unterlassung von Gewalttaten ableiten lässt.
Es wurde strafschärfend in Erwägung gezogen, dass der Angeklagte durch seine Tat das Ansehen in Deutschland lebender Asylbewerber stark geschädigt habe. Hierdurch würde dieser allerdings zu Unrecht für die Vorurtele Dritter verantwortlich gemacht, sodass die Erwägung als rechtsfehlerhaft anzusehen ist.
Etwas anderes kann nur dann gelten, wenn die Tat durch die Ausländereigenschaft des Täters oder seine Stellung als Asylbewerber in einer Weise geprägt wird, die für die Schuldgewichtung als relevant anzusehen wäre.

Der BGH hat in seinem Beschluss vom 25.10.2016 (2 StR 386/16) folgendes entschieden:

Die strafschärfende Erwägung, ein wegen Landfriedensbruch und gefährlicher Körperverletzung verurteilter Asylbewerber habe durch seine Tat das Ansehen der in Deutschland lebenden Asylbewerber stark geschädigt und einer positiven Einstellung der Bevölkerung gegenüber anwesenden Asylsuchenden und anderen Ausländern entgegengewirkt, ist rechtsfehlerhaft.

Tenor:

Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Meiningen vom 7. April 2016, auch soweit es die Angeklagten A. und B. betrifft, im Strafausspruch mit den Feststellungen aufgehoben.

Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere als Jugendkammer zuständige Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.

Die weitergehende Revision wird verworfen.

Gründe:


Das Landgericht hat den Angeklagten wegen Landfriedensbruchs in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung zu einer Freiheitsstrafe von drei Jahren verurteilt. Die auf die Verletzung materiellen Rechts gestützte Revision des Angeklagten hat im Strafausspruch Erfolg; im Übrigen ist sie offensichtlich unbegründet.

Das Landgericht hat zu Lasten des Angeklagten berücksichtigt, dass er "das Ansehen der Asylbewerber in Deutschland stark beschädigt und damit einer positiven Einstellung der Bevölkerung gegenüber anwesenden Asylsuchenden und anderen Ausländern entgegengewirkt" habe. Diese moralisierende Erwägung begegnet durchgreifenden rechtlichen Bedenken. Sie macht den Angeklagten zu Unrecht verantwortlich für die Vorurteile Dritter und lässt zudem besorgen, die Strafkammer habe den Umstand, dass es sich bei dem Angeklagten um einen Asylsuchenden handelt, straferschwerend berücksichtigt; das wäre nicht statthaft. Die Stellung als Asylbewerber als solche kann eine Erhöhung der Strafe grundsätzlich nicht begründen; denn aus ihr ergibt sich keine gesteigerte Pflicht, keine Gewalttaten zu begehen. Etwas anderes gilt zwar dann, wenn die Tat durch die Ausländereigenschaft des Täters oder seine Stellung als Asylbewerber in einer für die Schuldgewichtung erheblichen Weise geprägt wird. Auch wenn es sich bei der Tat um eine gewaltsame Auseinandersetzung zwischen Asylsuchenden in einer Flüchtlingsunterkunft handelte, liegt die Annahme eines solchen Ausnahmefalls nicht auf der Hand.

In gleicher Weise wie bei dem Angeklagten hat das Landgericht auch bei den nicht revidierenden Mitangeklagten A. und B. berücksichtigt, dass sie das Ansehen der Asylbewerber in Deutschland beschädigt haben, bei dem Angeklagten B. zudem, dass er mit seiner Tat einer positiven Einstellung der Bevölkerung gegenüber anwesenden Asylsuchenden und Ausländern entgegenwirkte. Aus diesem Grund war die Aufhebung auf diese Mitangeklagten zu erstrecken.

Urteile

1 Urteile zitieren order werden zitiert von diesem Artikel

1 Urteile werden in dem Artikel zitiert

Bundesgerichtshof Beschluss, 25. Okt. 2016 - 2 StR 386/16

bei uns veröffentlicht am 25.10.2016

BUNDESGERICHTSHOF BESCHLUSS 2 StR 386/16 vom 25. Oktober 2016 in der Strafsache gegen Nachschlagewerk: ja BGHSt: nein BGHR: ja Veröffentlichung: ja StGB § 46 Abs. 2 Die strafschärfende Erwägung, ein wegen Landfriedensbruch und gefährlicher Körperve

Artikel zu passenden Rechtsgebieten

Artikel zu Strafzumessung

Strafzumessung bei Steuerhinterziehung

10.02.2012

Das Strafmaß bei Steuerhinterziehung hängt grundsätzlich vom jeweils verwirklichten Delikt ab - Es sind jedoch Besonderheiten zu beachten.
Strafzumessung

Strafrecht: Zur Tatprovokation durch verdeckte Ermittler

02.12.2015

Die rechtsstaatswidrige Provokation einer Straftat durch Angehörige von Strafverfolgungsbehörden oder von ihnen gelenkte Dritte hat regelmäßig ein Verfahrenshindernis zur Folge.
Strafzumessung

Strafrecht: Höchstmaß der Bewährungsverlängerung gemäß § 56a Abs.1 S.2 StGB ist 5 Jahre

20.02.2012

Überschreitung um die Hälfte der ursprünglich bestimmten Bewährungszeit ist unzulässig-OLG Jena vom 15.01.10-1 Ws 538/09
Strafzumessung

StPO: Zur Feststellung einer prozessualen Tatidentität

09.11.2016

Zwischen dem Transport von Drogen in einem Pkw zum Zwecke des unerlaubten Handeltreibens durch einen Fahrer, der nicht im Besitz einer Fahrerlaubnis ist.
Strafzumessung

Strafrecht: Freiheitsstrafen auch im Bereich der Bagatellkriminalität nicht ausgeschlossen

09.06.2016

Auch in Fällen verhältnismäßig geringen Tatunrechts mit vorangegangenen, fruchtlosen Sanktionen kann mit der, im Verhältnis zur Geldstrafe deutlich belastenderen, Strafart der Freiheitsstrafe reagiert werden.
Strafzumessung

Referenzen

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
2 StR 386/16
vom
25. Oktober 2016
in der Strafsache
gegen
Nachschlagewerk: ja
BGHSt: nein
BGHR: ja
Veröffentlichung: ja
Die strafschärfende Erwägung, ein wegen Landfriedensbruch und gefährlicher
Körperverletzung verurteilter Asylbewerber habe durch seine Tat das Ansehen
der in Deutschland lebenden Asylbewerber stark geschädigt und einer positiven
Einstellung der Bevölkerung gegenüber anwesenden Asylsuchenden und anderen
Ausländern entgegengewirkt, ist rechtsfehlerhaft.
BGH, Beschluss vom 25. Oktober 2016 - 2 StR 386/16 - LG Meiningen
wegen Landfriedensbruch
ECLI:DE:BGH:2016:251016B2STR386.16.0

Der 2. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat nach Anhörung des Generalbundesanwalts und des Beschwerdeführers am 25. Oktober 2016 gemäß § 349 Abs. 2 und 4 StPO, § 357 StPO beschlossen:
1. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Meiningen vom 7. April 2016, auch soweit es die Angeklagten A. und B. betrifft, im Strafausspruch mit den Feststellungen aufgehoben. 2. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels , an eine andere als Jugendkammer zuständige Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen. 3. Die weitergehende Revision wird verworfen.

Gründe:

1
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen Landfriedensbruchs in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung zu einer Freiheitsstrafe von drei Jahren verurteilt. Die auf die Verletzung materiellen Rechts gestützte Revision des Angeklagten hat im Strafausspruch Erfolg; im Übrigen ist sie offensichtlich unbegründet.
2
1. Das Landgericht hat zu Lasten des Angeklagten berücksichtigt, dass er "das Ansehen der Asylbewerber in Deutschland stark beschädigt und damit einer positiven Einstellung der Bevölkerung gegenüber anwesenden Asylsuchenden und anderen Ausländern entgegengewirkt" habe. Diese moralisieren- de Erwägung begegnet durchgreifenden rechtlichen Bedenken. Sie macht den Angeklagten zu Unrecht verantwortlich für die Vorurteile Dritter und lässt zudem besorgen, die Strafkammer habe den Umstand, dass es sich bei dem Angeklagten um einen Asylsuchenden handelt, straferschwerend berücksichtigt; das wäre nicht statthaft (vgl. BGH StV 1991, 105). Die Stellung als Asylbewerber als solche kann eine Erhöhung der Strafe grundsätzlich nicht begründen; denn aus ihr ergibt sich keine gesteigerte Pflicht, keine Gewalttaten zu begehen (BGHR StGB § 46 Abs. 2 Lebensumstände 13; BGH, Beschluss vom 7. Juli 1998 - 5 StR 297/98). Etwas anderes gilt zwar dann, wenn die Tat durch die Ausländereigenschaft des Täters oder seine Stellung als Asylbewerber in einer für die Schuldgewichtung erheblichen Weise geprägt wird (vgl. BGHR StGB § 46 Abs. 2 Lebensumstände 13). Auch wenn es sich bei der Tat um eine gewaltsame Auseinandersetzung zwischen Asylsuchenden in einer Flüchtlingsunterkunft handelte, liegt die Annahme eines solchen Ausnahmefalls nicht auf der Hand.
3
2. In gleicher Weise wie bei dem Angeklagten hat das Landgericht auch bei den nicht revidierenden Mitangeklagten A. und B. berücksichtigt , dass sie das Ansehen der Asylbewerber in Deutschland beschädigt haben, bei dem Angeklagten B. zudem, dass er mit seiner Tat einer positiven Einstellung der Bevölkerung gegenüber anwesenden Asylsuchenden und Ausländern entgegenwirkte. Aus diesem Grund war die Aufhebung auf diese Mitangeklagten zu erstrecken (§ 357 StPO). Fischer Krehl Ott Zeng Bartel