Berufsunfähigkeitszusatzversicherung: Nicht jede Verweisung ist zulässig
Diese Klarstellung traf das Oberlandesgericht (OLG) Karlsruhe. Zur Begründung führten die Richter aus, dass eine Verweisung auf der Grundlage einer konkreten Verweisungsklausel zwar nicht bereits schon deshalb grundsätzlich ausgeschlossen sei, weil der Verweisungsberuf kein Ausbildungsberuf sei. Es müsse vielmehr ein Vergleich im Einzelfall erfolgen. Bei diesem Vergleich müsse geprüft werden, welche Kenntnisse und Erfahrungen die ordnungsgemäße und sachgerechte Ausübung der Tätigkeit voraussetze. Eine Vergleichstätigkeit könne nur angenommen werden, wenn sie keine deutlich geringeren Kenntnisse und Fähigkeiten als die Ursprungstätigkeit erfordere. Im vorliegenden Fall ging der Vergleich zugunsten des Versicherungsnehmers aus. Die Tätigkeit eines Schulhausmeisters, die keine handwerklichen Qualifikationen verlange, entspreche eben nicht derjenigen eines handwerklich ausgebildeten Malergesellen (OLG Karlsruhe, 12 U 140/11).
Die Entscheidung im Einzelnen lautet:
OLG Karlsruhe: Urteil vom 30.12.2011 (Az: 12 U 140/11)
Zur Verweisung eines Handwerksgesellen auf den Beruf eines Hausmeisters, wenn die Bedingungen vorsehen, dass auf eine andere, der Ausbildung und Erfahrung sowie bisherigen Lebensstellung entsprechende Tätigkeit verwiesen werden kann.
Auf die Berufung des Klägers wird das Urteil des Landgerichts Karlsruhe vom 22. Juli 2011 - 5 O 348/10 - in der durch den Beschluss vom 4. August 2011 berichtigten Fassung im Kostenpunkt aufgehoben und im Übrigen wie folgt neu gefasst:
Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger für die Fortdauer der bedingungsgemäßen Berufsunfähigkeit ab 1. Oktober 2010, längstens bis zum Ablauf der Versicherung am 31. August 2028, zu der Berufsunfähigkeits-Zusatzversicherung Nummer ... eine Berufsunfähigkeitsrente von monatlich EUR 1.119,14 zum jeweils Monatsersten zu zahlen.
Es wird festgestellt, dass die Beklagte verpflichtet ist, den Kläger für die Dauer der bedingungsgemäßen Berufsunfähigkeit, längstens bis zum 31. August 2028, von der Beitragszahlungspflicht freizustellen.
Die Beklagte wird verurteilt, den Kläger wegen der Gebühren der vorgerichtlichen Tätigkeit seiner Bevollmächtigten in Höhe von EUR 1.761,08 nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 14. Oktober 2010 freizustellen.
Gründe:
Die Parteien streiten darum, ob die Beklagte berechtigt war, die Zahlung einer Berufsunfähigkeitsrente einzustellen, weil sie den bisher als Maler tätigen Kläger auf die tatsächlich ausgeübte Tätigkeit eines Schulhausmeisters verweisen durfte.
Zwischen den Parteien besteht seit dem 1. September 2003 eine fondsgebundene Lebensversicherung mit Berufsunfähigkeitszusatzversicherung. Die zugrundeliegenden Bedingungen enthalten unter anderen folgende Regelungen:
§ 1 Absatz 4 a):
„Berufsunfähigkeit im Sinne dieser Bedingungen liegt nicht vor, wenn die versicherte Person nach Eintritts des in Absatz 1, 2 oder 3 beschriebenen Zustands eine andere, ihrer Ausbildung und Erfahrung sowie bisherigen Lebensstellung entsprechende Tätigkeit ausübt und sie dazu aufgrund ihrer gesundheitlichen Verhältnisse zu mehr als 50% in der Lage ist.
Unter der bisherigen Lebensstellung ist die Lebensstellung in finanzieller und sozialer Hinsicht zu verstehen, die vor Eintritt der gesundheitlichen Beeinträchtigung gemäß Absatz 1 oder 2 bestanden hat. Die dabei für die versicherte Person zumutbare Einkommensreduzierung wird von uns je nach Lage des Einzelfalles auf die im Rahmen der höchstrichterlichen Rechtsprechung festgelegte Größe im Vergleich zum jährlichen Bruttoeinkommen im zuletzt ausgeübten Beruf, vor Eintritt der gesundheitlichen Beeinträchtigung, begrenzt.“
§ 10 der Bedingungen räumt der Beklagten die Möglichkeit ein, das Fortbestehen der Berufsunfähigkeit nachzuprüfen und insbesondere Feststellungen darüber zu treffen, ob nunmehr eine Verweisung möglich ist.
Der 1968 geborene Kläger ist gelernter Maler. Er war zunächst über etwa 15 Jahre - mit Unterbrechungen jeweils im Winter - bei der Firma L tätig. Am 2. April 2007 wechselte er unter Beibehaltung seines bisherigen Berufs zu der S GmbH. Den Malerberuf kann er aufgrund eines am 6. Juli 2007 erlittenen Arbeitsunfalls, der unter anderem eine Verletzung des linken Sprunggelenks zur Folge hatte, nicht mehr ausüben. Die Beklagte bewilligte ihm daher ab dem 1. August 2007 Beitragsfreiheit und zahlte die vereinbarte dynamische Rente in Höhe von EUR 1.119,14.
Mit Schreiben vom 17.09.2009 leitete die Beklagte ein Nachprüfungsverfahren ein. Dabei erhielt sie Kenntnis davon, dass der Kläger eine Tätigkeit als Schulhausmeister bei der Gemeinde D aufgenommen hat; neben den eigentlichen Hausmeisterpflichten verkauft er in den Pausen Lebensmittel an die Angehörigen der Schule.
Der Kläger hat die Auffassung vertreten, er könne auf den Beruf des Schulhausmeisters nicht verwiesen werden. Diese entspreche nicht seiner bisherigen Ausbildung; er erziele auch ein geringeres Einkommen. Seine Nebeneinkünfte aus dem Pausenverkauf - deren Höhe zwischen den Parteien streitig ist - könnten in diesem Zusammenhang nicht berücksichtigt werden. Die Arbeit als Hausmeister sei zudem überobligatorisch, weil das erforderliche häufige Treppensteigen zu einer übermäßigen Belastung des unfallgeschädigten Fußgelenks führe.
Die Berufung ist begründet. Der Kläger hat Anspruch darauf, dass ihm die Beklagte weiterhin eine Berufsunfähigkeitsrente zahlt, ihn von der Beitragsleistung befreit und die vorgerichtlichen Anwaltskosten erstattet.
Die Beklagte hat nicht bewiesen, dass der Kläger eine bedingungsgemäße Vergleichstätigkeit ausgeübt hat und sie daher berechtigt war, ihre Leistungen einzustellen.
Die Beklagte hat, da sie ihre Leistungspflicht zunächst anerkannt und die Berufsunfähigkeitsrente bezahlt hat, die Tatsachen, aus denen sich die Verweisbarkeit des Klägers auf eine tatsächlich ausgeübte Tätigkeit ergeben sollen, zu beweisen; den Kläger trifft insoweit lediglich eine sekundäre Darlegungslast. Auf diese Beurteilung der Beweislastverteilung hat der Senat die Parteien mit seiner Verfügung vom 21. November 2011 hingewiesen. Sie entspricht auch der von der Beklagten selbst in erster Instanz zunächst vertretenen Rechtsauffassung, die sich auf die Entscheidung des Bundesgerichtshofs vom 21. April 2010 stützt.
Die Verweisung des Klägers auf den Hausmeisterberuf scheitert nicht schon daran, dass dessen soziale Wertschätzung hinter derjenigen zurückbleibt, die ein Malergeselle genießt. Auch wenn der Malergeselle eine handwerklich-fachlich anspruchsvollere Tätigkeit ausüben mag, wird die soziale Wertschätzung des Hausmeisters doch auch von dem Umstand geprägt, dass diesem in vielerlei Hinsicht die Sicherheit der Schülerinnen und Schüler, etwa vor gefährlichen Gegenständen oder Glätte, anvertraut ist und seine Arbeit einige Flexibilität und Organisationsvermögen verlangt. Die soziale Wertschätzung des Schulhausmeisters geht in diesem Zusammenhang wegen des ständig notwendigen Kontakts zu den Schülern und Lehrern über diejenige hinaus, die ein für ein sonstiges Gebäude beschäftigter Hausmeister genießt.
§ 4 a) der dem Vertrag zugrunde liegenden Bedingungen macht die dort geregelte konkrete Verweisung aber auch davon abhängig, dass der Versicherte eine andere seiner „Ausbildung und Erfahrung“ entsprechende Tätigkeit ausübt. Diese Voraussetzung sieht der Senat nicht als erfüllt an.
Zu Recht verweist das Landgericht allerdings darauf, dass nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs eine Verweisung auf der Grundlage einer konkreten Verweisungsklausel nicht bereits grundsätzlich deshalb ausgeschlossen ist, weil der Beruf, auf den die versicherte Person verwiesen werden soll, kein Ausbildungsberuf ist. Bei dem anzustellenden Vergleich ist vielmehr zu prüfen, welche Kenntnisse und Erfahrungen die ordnungsgemäße und sachgerechte Ausübung der Tätigkeit voraussetzt. Eine Vergleichstätigkeit ist dann gefunden, wenn die neue Erwerbstätigkeit keine deutlich geringeren Kenntnisse und Fähigkeiten erfordert.
Das Landgericht geht zutreffend davon, dass auch die Tätigkeit als Schulhausmeister grundsätzlich handwerkliche Fähigkeiten voraussetzt und darüber hinaus Organisationsvermögen, Flexibilität und soziale Kompetenz erforderlich sind. Damit ist die Vergleichbarkeit aber noch nicht festgestellt. Aus der glaubhaften und lebensnahen Schilderung seiner Tätigkeit, die der Kläger dem Landgericht bei der Parteianhörung gegeben hat, ergibt sich, dass der Kläger in beträchtlichem Umfang Tätigkeiten ausführen muss, die eine besondere - insbesondere handwerkliche - Qualifikation nicht erfordern. Das betrifft insbesondere die Ausgabe von Kreide, Schwamm und Lappen, die Beaufsichtigung des Hofdienstes und die Verrichtung von Botendiensten (Transport der Post zum Rathaus und zur Post), das Leeren der Mülleimer, das Rasenmähen und Unkrautjäten im Außenbereich sowie die Kontrolle von Sanitäreinrichtungen. Handwerklichen Tätigkeiten kommt daneben (Auswechseln von Glühbirnen in einer Höhe unterhalb von 2 m, Auswechseln von Toilettendeckeln, gelegentliches Richten von Türgriffen, Anbringen abgerissener Haken u. ä.) nur relativ geringes Gewicht zu; es handelt sich zudem um Tätigkeiten, für die gewöhnlich keine handwerkliche Ausbildung benötigt wird, sondern die auch Laien in der eigenen Wohnung selbst zu verrichten pflegen. Einen Bezug zu der bisherigen Tätigkeit als Maler hat der Hausmeisterdienst nur insoweit, als der Kläger bekundet hat, dass er die Schulkinder bei der Ausführung von Malerarbeiten anleite. Auch im Hinblick auf die Organisation von handwerklichen Arbeiten Dritter kommen dem Kläger in seiner neuen Tätigkeit nur sehr beschränkte Befugnisse zu, so darf er Aufträge an Fachhandwerker nur bis zu einem Wert von EUR 300,00 selbst vergeben.
Bei einer wertenden Gesamtbetrachtung entspricht die Tätigkeit des Schulhausmeisters in der bei dem Kläger gegebenen Ausprägung nach der erforderlichen Ausbildung und den erforderlichen Erfahrungen damit insgesamt nicht derjenigen eines Malergesellen. Dass dem Kläger in seiner bisherigen Tätigkeit Führungsaufgaben nicht übertragen waren - er gibt insoweit an, dass es keinen Vorarbeiter im eigentlichen Sinne gegeben habe, wenn er auch meist die Führung bei einem Trupp von zwei bis drei Mann übernommen habe - rechtfertigt keine andere Beurteilung. Entscheidend ist in erster Linie, dass die bisherige Tätigkeit in handwerklich-fachlicher Hinsicht erhebliche höhere Anforderungen an Ausbildung und Erfahrung gestellt hat als die spätere Tätigkeit als Schulhausmeister.
Soweit die Beklagte unter Berufung auf Entscheidungen der Oberlandesgerichte Köln (Urteil vom 20. Juni 1991 - 5 U 196/90) und Saarbrücken (Urteil vom 31. Januar 1996 - 5 U 374/95) die Auffassung vertritt, bei dem Berufsvergleich müssten diejenigen Kenntnisse und Fähigkeiten unberücksichtigt bleiben, die der Versicherte gerade wegen seiner Berufsunfähigkeit nicht mehr nutzen könne, weil es ansonsten überhaupt keine vergleichbare Tätigkeit im Sinne der allgemeinen Versicherungsbedingungen mehr gebe, vermag der Senat dem nicht zu folgen.
Die Berufsunfähigkeitsversicherung ist keine (bloße) Erwerbsunfähigkeitsversicherung. Wollte man der wohl auch vom Oberlandesgericht Köln vertretenen Auffassung der Beklagten folgen, dass die Kenntnisse und Fähigkeiten, die leidensbedingt verloren wurden, nicht in den Vergleich der Berufe einzustellen sind, hätte dies eine weitgehende Entwertung des Berufsunfähigkeitsschutzes zur Folge, der mit der Versicherung verbunden ist. Sie würde etwa für jeden Handwerker, der die mit seinem Beruf verbundenen manuellen Tätigkeiten in relevantem Umfang nicht mehr ausüben kann, zur Folge haben, dass er auf praktisch jede andere Tätigkeit verwiesen werden könnte. Die Berufsunfähigkeitsversicherung soll aber - im Gegensatz zur Erwerbsunfähigkeitsversicherung - nicht nur die Nachteile ausgleichen, die ein Versicherter hat, weil er überhaupt nicht mehr arbeiten kann, sondern diejenigen, die mit dem Verlust der Fähigkeit verbunden sind, den bisherigen Beruf auszuüben. Die mit der konkreten Verweisungsklausel verbundene Einschränkung des Versicherungsschutzes muss deshalb auf Fälle beschränkt werden, in denen der Versicherte einen neuen Beruf ergreift und dabei in relevantem Umfang auf die Ausbildung und die Erfahrungen zurückgreifen kann, die er in dem bisherigen Beruf erworben hat.
Entgegen der Auffassung der Beklagten ist es auch nicht so, dass die konkrete Verweisungsklausel inhaltsleer würde, wenn man auch die krankheitsbedingt verlorenen Kenntnisse und Fähigkeiten in den Vergleich einbezieht. So kann es etwa für einen Handwerker durchaus Tätigkeiten geben - etwa in der Führung eines größeren Handwerksbetriebs, der hauptberuflichen Anleitung von Lehrlingen oder als technischer Verkaufsberater -, in denen er auf seine bisherigen körperlichen Fähigkeiten nicht mehr angewiesen ist, aber gleichwohl in erheblichem Umfang die Kenntnisse und Erfahrungen nutzen kann, die ihm die Ausübung seines bisherigen Berufs ermöglicht haben.
Die Entscheidung des Oberlandesgerichts Saarbrücken, die durch Nichtannahme der Revision rechtskräftig geworden ist und einen Vergleich zwischen einem gynäkologischen Oberarzt im Krankenhaus und einem niedergelassenen Arzt dieser Fachrichtung zieht, spricht aus, dass der Berufsvergleich nicht bedeuten kann, dass eine Vergleichstätigkeit gefunden werden muss, in der sämtliche Kenntnisse und Fähigkeiten aus dem alten Beruf verwertet werden können. Das muss schon deshalb richtig sein, weil es sich ansonsten nicht um einen vergleichbaren, sondern um denselben Beruf handelt. So liegt der Sachverhalt hier aber nicht. Der Kläger kann die handwerklichen Kenntnisse und Erfahrungen, die er als Malergeselle gewonnen hat, im neuen Beruf allenfalls in geringem Umfang verwenden.
Bei der notwendigen wertenden Gesamtbetrachtung ist auch zu berücksichtigen, dass der Beruf des Schulhausmeister im Allgemeinen keine Aufstiegsmöglichkeiten bietet, während dem Malergeselle solche Aufstiegsmöglichkeiten grundsätzlich offen stehen, er etwa die Position eines Kolonnenführers übernehmen kann.
Ob der Verweis des Klägers auf die Hausmeistertätigkeit (auch) deshalb ausgeschlossen ist, weil er eine nicht mehr zumutbare Einkommenseinbuße erlitten hat, muss der Senat vor diesem Hintergrund nicht mehr klären.
Der Senat geht in diesem Punkt davon aus, dass der Einkommensvergleich nach den allgemeinen, von der Rechtsprechung zur Berufsunfähigkeitsversicherung entwickelten Grundsätzen vorzunehmen wäre und diese Grundsätze durch die dem Vertrag der Parteien zugrunde gelegten Bedingungen nicht modifiziert werden. Auf die in § 1 Absatz 4 a) der Bedingungen enthaltene Klausel, wonach die „zumutbare Einkommensreduzierung (…) je nach Lage des Einzelfalles auf die im Rahmen der höchstrichterlichen Rechtsprechung festgelegte Größe im Vergleich zum jährlichen Bruttoeinkommen im zuletzt ausgeübten Beruf, vor Eintritt der gesundheitlichen Beeinträchtigung, begrenzt“ werde, kann sich die Beklagte nicht berufen; sie ist unklar (§ 305 c Absatz 2 BGB). Welches die von der „höchstrichterlichen Rechtsprechung festgelegte Größe“ ist, lässt sie nicht erkennen. Zudem lässt sie eine Auslegung offen, bei der im Falle einer unzumutbaren Einkommenseinbuße durch die Versicherung lediglich das im neuen Beruf erzielte Einkommen auf denjenigen Betrag aufgestockt wird, bei dem die Einkommenseinbuße gerade noch vertretbar ist.
Bei dem Einkommensvergleich müsste dem Hausmeistergehalt des Klägers derjenige Verdienst gegenüber gestellt werden, den er zuletzt während seiner - allerdings kurzen - Tätigkeit bei der Firma S erzielt hat; dieser hat seine Lebensstellung in gesunden Tagen geprägt. Einen Fall wechselnder Erwerbsbiographie vermag der Senat ungeachtet dessen, dass der Kläger früher - während der Zeit bei der früheren Arbeitgeberin - immer wieder einmal arbeitslos war, angesichts dessen nicht anzunehmen, dass er seiner glaubhaften Schilderung zufolge lediglich von seinem Arbeitgeber immer wieder in den Wintermonate mangels geeignete Aufträge entlassen worden ist. Der Einkommensvergleich müsste - entgegen der Auffassung der Beklagten - auch nicht eine möglicherweise kürzere Arbeitszeit im neuen Beruf berücksichtigen. Zwar hätte der Kläger damit den Vorteil größerer Freizeit. Das ist jedoch angesichts des Zwecks der Berufsunfähigkeitsversicherung, den Unterhalt des Versicherten und seiner Familie auch in Zeiten der Krankheit sicherzustellen, nicht zu berücksichtigen; von der zusätzlich gewonnenen Freizeit kann der Unterhalt nicht bestritten werden.
Nicht abschließend angestellt werden kann der Einkommensvergleich allerdings deshalb, weil dieser nach Auffassung des Senats auch die Nebeneinkünfte einbeziehen müsste, die der Kläger durch den Pausenverkauf von Lebensmitteln an Schulangehörige erzielt hat. Es handelte sich dabei um eine typische Nebentätigkeit eines Hausmeisters, deren Übernahme ihm zudem nach seinem eigenen Vorbringen sogar nahegelegt worden ist. Bezüglich dieser Nebeneinkünfte hatte der Kläger seiner sekundären Darlegungslast bislang nicht genügt. Dazu wäre es erforderlich und zumutbar gewesen, dass der Kläger die - für steuerliche Zwecke ohnehin notwendigen - konkreten Aufzeichnungen darüber vorlegt, welche Einnahmen er aus dem Verkauf erzielt und welche Ausgaben diesen gegenüberstehen. Auf solche konkreten Aufzeichnungen hin wäre es dann allerdings Sache der Beklagten, ihren Vortrag zu beweisen, dass der Kläger aus dem Pausenverkauf monatliche Einkünfte von EUR 700 bis 900 erzielt.
Da eine Verweisung des Klägers auf den Beruf des Hausmeisters nach Auffassung des Senats bereits aus berufskundlichen Gründen scheitert, bedarf es auch keiner Entscheidung darüber, ob sich seine Tätigkeit aus gesundheitlichen Gründen als überobligatorisch darstellte. Der Auffassung des Landgerichts, hierzu sei nicht genügend vorzutragen, folgt der Senat nicht. Der Kläger hatte erstinstanzlich vorgetragen, dass er in einer Schule mit vier jeweils dreigeschossigen Gebäudetrakten beschäftigt sei, was wegen des notwendigen Treppensteigens eine ständige übermäßige Beanspruchung von Fuß und Bein zur Folge habe. Dazu hatte er Sachverständigengutachten angeboten. Mehr konnte er hierzu nicht vortragen. Er war insbesondere nicht gehalten, sich näher mit dem Privatsachverständigengutachten des Herrn Dr. K auseinanderzusetzen, das die Beklagte eingereicht hatte. Dieses Gutachten setzt sich mit den Folgen regelmäßigen Treppensteigens nicht konkret auseinander. Vielmehr ist nur die Rede davon (Seite 23 des Gutachtens), dass ein Leistungsvermögen von über 50% bestehe, wenn der Kläger die Hausmeistertätigkeit „mit einem Wechsel von Gehen, Stehen und Sitzen ausüben“ könne und „schweres Heben und Tragen nur in Ausnahmefällen“ notwendig ist. Die Ausführungen des Gutachtens könnten sogar eher als Indiz für die Richtigkeit des klägerischen Vorbringens gewertet werden. Soweit nämlich darin ausgeführt ist, dass mit einem schicksalhaften Fortschreiten des Verschleißes im linken Sprunggelenk und in der linken Fußwurzel gerechnet werden müsse, liegt es nicht fern, dass für Sprunggelenk und Fußwurzel zusätzliche Belastungen durch regelmäßiges Treppensteigen entstehen, das nach der vom Kläger glaubhaft geschilderten Beschaffenheit des Schulgebäudes notwendig ist.
Da die versicherungsvertraglichen Voraussetzungen für die Zahlung einer Berufsunfähigkeitsrente weiterhin vorliegen, ist die Beklagte auch verpflichtet, den Kläger gemäß dem im Versicherungsschein ausgewiesenen Versprechen von der Beitragszahlung freizustellen.
Die Beklagte hat ihre Versicherungsleistungen - wie unter A. im Einzelnen aufgezeigt - zu Unrecht eingestellt. Sie ist daher gemäß § 280 Absatz 1 Satz 1 BGB verpflichtet, den Kläger von den notwendigen vorgerichtlichen Rechtsverfolgungskosten freizustellen. Gegen die in der Klageschrift berechnete Höhe dieser Kosten hat die Beklagte nichts erinnert.
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Tenor
1. Auf die Berufung des Klägers wird das Urteil des Landgerichts Karlsruhe vom 22. Juli 2011 – 5 O 348/10 – in der durch den Beschluss vom 4. August 2011 berichtigten Fassung im Kostenpunkt aufgehoben und im Übrigen wie folgt neu gefasst:
Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger für die Fortdauer der bedingungsgemäßen Berufsunfähigkeit ab 1. Oktober 2010, längstens bis zum Ablauf der Versicherung am 31. August 2028, zu der Berufsunfähigkeits-Zusatzversicherung Nummer ... eine Berufsunfähigkeitsrente von monatlich EUR 1.119,14 zum jeweils Monatsersten zu zahlen.
Es wird festgestellt, dass die Beklagte verpflichtet ist, den Kläger für die Dauer der bedingungsgemäßen Berufsunfähigkeit, längstens bis zum 31. August 2028, von der Beitragszahlungspflicht freizustellen.
Die Beklagte wird verurteilt, den Kläger wegen der Gebühren der vorgerichtlichen Tätigkeit seiner Bevollmächtigten in Höhe von EUR 1.761,08 nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 14. Oktober 2010 freizustellen.
2. Die Kosten des Rechtsstreits trägt die Beklagte.
3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Die Beklagte kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110% des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht der Kläger vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110% des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.
4. Die Revision wird zugelassen.
Gründe
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(1) Verletzt der Schuldner eine Pflicht aus dem Schuldverhältnis, so kann der Gläubiger Ersatz des hierdurch entstehenden Schadens verlangen. Dies gilt nicht, wenn der Schuldner die Pflichtverletzung nicht zu vertreten hat.
(2) Schadensersatz wegen Verzögerung der Leistung kann der Gläubiger nur unter der zusätzlichen Voraussetzung des § 286 verlangen.
(3) Schadensersatz statt der Leistung kann der Gläubiger nur unter den zusätzlichen Voraussetzungen des § 281, des § 282 oder des § 283 verlangen.