Kündigungsrecht: Bei Alkoholsucht gelten die Grundsätze der krankheitsbedingten Kündigung

published on 29/01/2013 13:45
Kündigungsrecht: Bei Alkoholsucht gelten die Grundsätze der krankheitsbedingten Kündigung
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Hinweis auf gerichtsbekannten Kontrollverlust von Alkoholikern reicht als alleinige Begründung nicht aus-LAG Rheinland-Pfalz vom 06.09.12-Az:11 Sa 167/12
Eine Kündigung wegen Alkoholsucht ist nach den für die krankheitsbedingte Kündigung geltenden Grundsätzen zu beurteilen.

Das entschied das Landesarbeitsgericht (LAG) Rheinland-Pfalz und bestätigte damit noch einmal die gefestigte Rechtsprechung. Dabei betonten die Richter, dass der Hinweis des Arbeitgebers auf den gerichtsbekannten Kontrollverlust von Alkoholikern nicht den erforderlichen Vortrag zu konkreten betrieblichen und/oder wirtschaftlichen Auswirkungen der Alkoholerkrankung ersetze. Es müsse vielmehr in jedem Einzelfall geprüft werden, ob
  • eine erhebliche Beeinträchtigung der betrieblichen Interessen vorliege,
  • der Arbeitnehmer auch zukünftig krankheitsbedingt seine arbeitsvertraglichen Pflichten nicht bzw. nicht in ausreichendem Umfang erfüllen könne (negative Gesundheitsprognose) und ob
  • bei einer Interessenabwägung die Interessen des Arbeitgebers an einer Beendigung des Arbeitsverhältnisses die Interessen des Arbeitnehmers am weiteren Bestand überwiegen.
Erst wenn diese drei Punkte erfüllt seien, sei eine Kündigung wegen der Alkoholsucht möglich (LAG Rheinland-Pfalz, 11 Sa 167/12).


Die Entscheidung im Einzelnen lautet:

LAG Rheinland-Pfalz Urteil vom 06.09.2012 (Az: 11 Sa 167/12)

Eine Kündigung wegen Alkoholsucht ist nach den für die krankheitsbedingte Kündigung geltenden Grundsätzen zu beurteilen.

Der Hinweis des Arbeitgebers auf den gerichtsbekannten Kontrollverlust von Alkoholikern ersetzt nicht den erforderlichen Vortrag zu konkreten betrieblichen und/oder wirtschaftlichen Auswirkungen der Alkoholerkrankung.

Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Koblenz vom 13.01.2012, Az. 2 Ca 1213/11, wird kostenpflichtig zurückgewiesen.

Die Revision wird nicht zugelassen.


Tatbestand:

Die Parteien streiten über die Wirksamkeit einer ordentlichen Kündigung aus personenbedingten Gründen.

Der 1970 geborene, ledige Kläger ist seit dem 01.08.1991 bei der Beklagten, einer Großbäckerei, als Bäcker zu einer Bruttomonatsvergütung von zuletzt durchschnittlich 2.600,- EUR beschäftigt. Es besteht kein schriftlicher Arbeitsvertrag. Bei der Beklagten sind mehr als 10 Arbeitnehmer tätig. Ein Betriebsrat existiert nicht.

Im Jahr 2010 fehlte der Kläger krankheitsbedingt an 105 Arbeitstagen.

Um den Jahreswechsel 2010/11 offenbarte der Kläger gegenüber dem Backstubenleiter ein Alkoholproblem. Ab dem 05.01.2012 befand sich der Kläger für eine Woche zur stationären Behandlung in der Fachklinik A. Im Anschluss war er arbeitsunfähig zu Hause, bevor er ab dem 01.02.2011 eine Rehabilitationsmaßnahme begann. Diese brach er nach 5 Tagen ab. Hieraus resultieren 26 Arbeitstage Arbeitsunfähigkeit im Jahr 2011. Der Kläger nahm zwei Wochen Alturlaub und kehrte dann an den Arbeitsplatz in der Brotabteilung zurück.

Am 11.03.2011 führte der unmittelbare Vorgesetzte mit dem Kläger ein Rückkehrgespräch.

Mit Schreiben vom 15.03.2011 kündigte die Beklagte das Arbeitsverhältnis zum 31.10.2011.

Hiergegen hat der Kläger am 04.04.2011 Klage erhoben.

Mitte Juli 2011 arbeitete der Kläger nach Anfrage durch den Backstubenleiter während drei Wochen 6 statt 5 Tage in der Woche.

Der Kläger hat erstinstanzlich vorgetragen, dass er im Jahr 2010 wegen einer Lungenerkrankung gefehlt habe. Die Rehabilitationsmaßnahme im Februar 2011 habe er aus finanziellen Gründen abgebrochen, da er auf den Arbeitslohn der Beklagten angewiesen sei. Er sei noch nie aufgrund alkoholbedingter Probleme im Betrieb aufgefallen und arbeite nach wie vor unbeaufsichtigt.

Der Kläger hat erstinstanzlich beantragt, festzustellen, dass das Arbeitsverhältnis zwischen den Parteien durch die Kündigung vom 15.03.2011 nicht aufgelöst worden ist, im Falle des Obsiegens mit dem Antrag zu 1. die Beklagte zu verurteilen, den Kläger bis zum rechtskräftigen Abschluss des Kündigungsschutzverfahrens zu unveränderten arbeitsvertraglichen Bedingungen als Bäcker weiter zu beschäftigen.

Die Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen.

Die Beklagte hat vorgetragen, der Kläger habe im Rückkehrgespräch keine Erklärung für die Unterbrechung des Heilungsprozesses gegeben. Er sei weder therapiebereit noch -fähig gewesen, so dass mit zukünftigen Ausfällen wegen der Suchterkrankung gerechnet werden müsse. Es dürfe als gerichtsbekannt unterstellt werden, dass Alkoholiker unter einem erheblichen Kontrollverlust leiden und ein unbeaufsichtigtes Arbeiten im Produktionsbetrieb unmöglich sei. Hinzu käme, dass die erheblichen Fehlzeiten die Planungssicherheit im Betrieb beeinträchtigten.

Das Arbeitsgericht Koblenz hat der Klage mit Urteil vom 13.01.2012 stattgegeben und hat zur Begründung im Wesentlichen folgendes ausgeführt:

Krankheitsbedingte Fehlzeiten könnten dann zur Grundlage einer personenbedingten Kündigung gemacht werden, wenn dem Arbeitnehmer über einen Zeitraum von mindestens 2 Jahren in jedem Jahr Entgeltfortzahlung für mehr als 6 Wochen zu gewähren war und daher anzunehmen ist, dass sich dieser Zustand nicht ändern werde. Diese Voraussetzung läge hier nicht vor, weil der Kläger mit seinen krankheitsbedingten Fehlzeiten im Jahr 2011 vor Ausspruch der Kündigung den sechswöchigen Entgeltfortzahlungszeitraum nicht überschritten habe.

Hinsichtlich der behaupteten betrieblichen Beeinträchtigungen fehle es an einem substantiierten Vortrag der Beklagten.

Das Urteil ist der Beklagten am 06.03.2012 zugestellt worden. Sie hat hiergegen am 04.04.2012 Berufung eingelegt und diese mit Schriftsatz vom 04.05.2012, eingegangen am 08.05.2012, innerhalb der bis zum 06.06.2012 verlängerten Frist begründet

Die Beklagte ist der Auffassung, das Arbeitsgericht habe die Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts verkannt, denn dieses stelle für die Fehlzeiten in der Vergangenheit nicht auf feste mathematische Größen ab, sondern betrachte durchaus auch den Einzelfall. Bei einem Alkoholiker stehe die Prognose künftiger Fehlzeiten und ihrer betrieblichen Auswirkungen im Vordergrund. Entscheidend sei, dass man dem Kläger die Möglichkeit zur Reha gewährt und er diese Maßnahme nach 5 Tagen abgebrochen habe. Der Kläger sei weder therapiebereit noch therapiefähig gewesen, so dass ohne weiteres unterstellt werden dürfe, dass zukünftig erhebliche Fehlzeiten anfallen werden.

Mit der Tatsache, dass zur Einhaltung der Sicherheits- und Hygienevorschriften im Produktionsbereich eine ständige Aufsicht des Klägers notwendig sei, habe sie die betrieblichen Belange hinreichend erläutert. Ihr sei es schlichtweg unzumutbar, den Kläger unter diesen Bedingungen zu beschäftigen, da auch nicht ansatzweise eine Besserung in Sicht sei.

Die Beklagte beantragt, unter Änderung des Urteils des Arbeitsgerichts Koblenz vom 13.01.2012, Aktenzeichen 2 Ca 1213/11, die Klage abzuweisen.

Der Kläger beantragt, die Berufung kostenpflichtig zurückzuweisen.

Der Kläger ist der Auffassung, es fehle substantiierter Vortrag der Beklagten für eine negative Zukunftsprognose. Er habe unbeanstandet im Betrieb gearbeitet. Es habe nie alkoholbedingte Ausfallerscheinungen oder betriebliche Störungen gegeben. Eine ständige Aufsicht sei nicht erforderlich.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf sämtliche Schriftsätze der Parteien und die Feststellungen in den Sitzungsprotokollen verwiesen.


Entscheidungsgründe:

Die nach § 64 Abs. 2c ArbGG statthafte Berufung der Beklagten ist gemäß

§§ 66 Abs. 1, 64 Abs. 6 ArbGG i. V. m. §§ 517, 519 ZPO form- und fristgerecht eingelegt und begründet worden. Sie ist somit zulässig.

In der Sache ist die Berufung jedoch nicht begründet. Das Arbeitsgericht hat der Klage zu Recht stattgegeben. Die Kündigung vom 15.03.2011 ist nicht nach § 1 Abs. 1 und 2 KSchG sozial gerechtfertigt.

Eine Kündigung wegen Alkoholsucht ist nach den für die krankheitsbedingte Kündigung geltenden Grundsätzen zu beurteilen.

Die krankheitsbedingte Kündigung ist im Rahmen einer dreistufigen Überprüfung nur dann sozial gerechtfertigt, wenn aufgrund objektiver Umstände (insbesondere bisheriger Fehlzeiten) bei einer lang anhaltenden Erkrankung mit einer weiteren Arbeitsunfähigkeit auf nicht absehbare Zeit bzw. bei häufigeren Kurzerkrankungen auch weiterhin mit erheblichen krankheitsbedingten Fehlzeiten gerechnet werden muss; die entstandenen und prognostizierten Fehlzeiten zu einer erheblichen Beeinträchtigung der betrieblichen Interessen des Arbeitgebers führen und sich im Rahmen der umfassenden Interessenabwägung im Einzelfall eine unzumutbare betriebliche oder wirtschaftliche Belastung des Arbeitgebers ergibt.

Es ist bereits fraglich, ob der kurze Zeitraum von Januar 2010 bis März 2011 ausreichend ist, um hierauf seitens des Arbeitgebers eine negative Gesundheitsprognose stützen zu können. In der Regel werden die zurückliegenden zwei bis drei Jahre als Prognosebasis herangezogen. Zwingend ist das allerdings nicht. Eine hinreichende Indizwirkung kann sich auch aus kürzeren Zeiträumen ergeben.

Doch selbst wenn zugunsten der Beklagten eine negative Gesundheitsprognose aufgrund des Abbruchs der Rehabilitationsmaßnahme unterstellt würde, so hat die Beklagte versäumt, ausreichend zu den erheblichen betrieblichen und wirtschaftlichen Beeinträchtigungen durch die bisherigen krankheitsbedingten Fehlzeiten des Klägers vorzutragen.

Kündigungsrelevante wirtschaftliche Belastungen in Form der zu zahlenden Entgeltfortzahlungskosten sind von der Beklagten gar nicht angeführt worden.

Soweit sie sich auf betriebliche Beeinträchtigungen berufen hat, verblieb ihr Vortrag hierzu abstrakt und damit nicht ausreichend. Es wird kein einziger suchtbedingter Ausfall bzw. keine suchtbedingte Reaktion des Klägers dargestellt, aufgrund derer sie sich verpflichtet sehen musste, die Arbeit des Klägers ständig zu überwachen. Der Kläger ist noch nie aufgrund alkoholbedingter Probleme im Betrieb aufgefallen. Selbst wenn ein singulärer alkoholbedingter Vorfall angeführt worden wäre, hätte das noch nicht die Annahme des Arbeitgebers gerechtfertigt, dieser Vorfall führe - sozusagen zwangsläufig - zu erheblichen betrieblichen Störungen.

Die angeblich erforderliche ständige Überwachung des Klägers ist nicht konkret dargestellt worden. Es ist mangels Vortrags der Beklagten nicht ersichtlich, inwieweit der Kläger seit dem Bekenntnis zu seinem Alkoholproblem stärker überwacht wird als seine Arbeitskollegen. Jedenfalls kann hiermit kein schwerwiegender Eingriff in die Organisation der Beklagten verbunden sein, denn sie hat es für sich noch als zumutbar erachtet, ihn im Juli 2011 für die Dauer von drei Wochen an 6 statt 5 Wochentagen einzusetzen.

Die Beklagte hat nicht vorgetragen, dass der Einsatz des Klägers nur noch eingeschränkt möglich sei. Gefährdungen für ihn selbst oder andere durch seine Tätigkeit als Bäcker sind nicht dargelegt worden.

Ebenso fehlt konkreter Vortrag zu den Zeiten, in denen der Kläger krankheitsbedingt im Betrieb gefehlt hat. Die Beklagte hat nicht dargelegt, weshalb es ihr nicht auch zukünftig zumutbar ist, mit den Fehlzeiten des Klägers umzugehen. Soweit sie auf Beeinträchtigungen in der Planungssicherheit des Betriebs verwiesen hat, stellt sie nicht dar, welche konkreten Schwierigkeiten in der Vergangenheit aufgetreten sind und wie sie hiermit umgegangen ist.

Entgegen der Auffassung der Beklagten reicht es nicht aus, auf den gerichtsbekannten erheblichen Kontrollverlust von Alkoholikern zu verweisen. Auf abstrakte Kriterien allein kann es nicht ankommen, da anderenfalls die zweite Prüfungsstufe der krankheitsbedingten Kündigung bei der Alkoholkrankheit obsolet würde. Dies stände der ständigen Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts, die oben zitiert worden ist, entgegen.

Nach alledem ist die Berufung der Beklagten mit der Kostenfolge aus § 97 Abs. 1 ZPO zurückzuweisen.

Ein Grund, der nach den hierfür maßgeblichen gesetzlichen Kriterien des § 72 Abs. 2 ArbGG die Zulassung der Revision rechtfertigen könnte, besteht nicht.

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Tenor

Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Koblenz vom 13.01.2012, Az. 2 Ca 1213/11, wird kostenpflichtig zurückgewiesen.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand

1

Die Parteien streiten über die Wirksamkeit einer ordentlichen Kündigung aus personenbedingten Gründen.

2

Der 1970 geborene, ledige Kläger ist seit dem 01.08.1991 bei der Beklagten, einer Großbäckerei, als Bäcker zu einer Bruttomonatsvergütung von zuletzt durchschnittlich 2.600,-- EUR beschäftigt. Es besteht kein schriftlicher Arbeitsvertrag. Bei der Beklagten sind mehr als 10 Arbeitnehmer tätig. Ein Betriebsrat existiert nicht.

3

Im Jahr 2010 fehlte der Kläger krankheitsbedingt an 105 Arbeitstagen.

4

Um den Jahreswechsel 2010/11 offenbarte der Kläger gegenüber dem Backstubenleiter ein Alkoholproblem. Ab dem 05.01.2012 befand sich der Kläger für eine Woche zur stationären Behandlung in der Fachklinik A.. Im Anschluss war er arbeitsunfähig zu Hause, bevor er ab dem 01.02.2011 eine Rehabilitationsmaßnahme begann. Diese brach er nach 5 Tagen ab. Hieraus resultieren 26 Arbeitstage Arbeitsunfähigkeit im Jahr 2011. Der Kläger nahm zwei Wochen Alturlaub und kehrte dann an den Arbeitsplatz in der Brotabteilung zurück.

5

Am 11.03.2011 führte der unmittelbare Vorgesetzte mit dem Kläger ein Rückkehrgespräch.

6

Mit Schreiben vom 15.03.2011 kündigte die Beklagte das Arbeitsverhältnis zum 31.10.2011.

7

Hiergegen hat der Kläger am 04.04.2011 Klage erhoben.

8

Mitte Juli 2011 arbeitete der Kläger nach Anfrage durch den Backstubenleiter während drei Wochen 6 statt 5 Tage in der Woche.

9

Der Kläger hat erstinstanzlich vorgetragen, dass er im Jahr 2010 wegen einer Lungenerkrankung gefehlt habe. Die Rehabilitationsmaßnahme im Februar 2011 habe er aus finanziellen Gründen abgebrochen, da er auf den Arbeitslohn der Beklagten angewiesen sei. Er sei noch nie aufgrund alkoholbedingter Probleme im Betrieb aufgefallen und arbeite nach wie vor unbeaufsichtigt.

10

Der Kläger hat erstinstanzlich beantragt,

11

festzustellen, dass das Arbeitsverhältnis zwischen den Parteien durch die Kündigung vom 15.03.2011 nicht aufgelöst worden ist,
im Falle des Obsiegens mit dem Antrag zu 1. die Beklagte zu verurteilen, den Kläger bis zum rechtskräftigen Abschluss des Kündigungsschutzverfahrens zu unveränderten arbeitsvertraglichen Bedingungen als Bäcker weiter zu beschäftigen.

12

Die Beklagte hat beantragt,

13

die Klage abzuweisen.

14

Die Beklagte hat vorgetragen, der Kläger habe im Rückkehrgespräch keine Erklärung für die Unterbrechung des Heilungsprozesses gegeben. Er sei weder therapiebereit noch –fähig gewesen, so dass mit zukünftigen Ausfällen wegen der Suchterkrankung gerechnet werden müsse. Es dürfe als gerichtsbekannt unterstellt werden, dass Alkoholiker unter einem erheblichen Kontrollverlust leiden und ein unbeaufsichtigtes Arbeiten im Produktionsbetrieb unmöglich sei. Hinzu käme, dass die erheblichen Fehlzeiten die Planungssicherheit im Betrieb beeinträchtigten.

15

Das Arbeitsgericht Koblenz hat der Klage mit Urteil vom 13.01.2012 stattgegeben und hat zur Begründung im Wesentlichen folgendes ausgeführt:

16

Krankheitsbedingte Fehlzeiten könnten dann zur Grundlage einer personenbedingten Kündigung gemacht werden, wenn dem Arbeitnehmer über einen Zeitraum von mindestens 2 Jahren in jedem Jahr Entgeltfortzahlung für mehr als 6 Wochen zu gewähren war und daher anzunehmen ist, dass sich dieser Zustand nicht ändern werde. Diese Voraussetzung läge hier nicht vor, weil der Kläger mit seinen krankheitsbedingten Fehlzeiten im Jahr 2011 vor Ausspruch der Kündigung den sechswöchigen Entgeltfortzahlungszeitraum nicht überschritten habe.

17

Hinsichtlich der behaupteten betrieblichen Beeinträchtigungen fehle es an einem substantiierten Vortrag der Beklagten.

18

Das Urteil ist der Beklagten am 06.03.2012 zugestellt worden. Sie hat hiergegen am 04.04.2012 Berufung eingelegt und diese mit Schriftsatz vom 04.05.2012, eingegangen am 08.05.2012, innerhalb der bis zum 06.06.2012 verlängerten Frist begründet.

19

Die Beklagte ist der Auffassung, das Arbeitsgericht habe die Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts verkannt, denn dieses stelle für die Fehlzeiten in der Vergangenheit nicht auf feste mathematische Größen ab, sondern betrachte durchaus auch den Einzelfall. Bei einem Alkoholiker stehe die Prognose künftiger Fehlzeiten und ihrer betrieblichen Auswirkungen im Vordergrund. Entscheidend sei, dass man dem Kläger die Möglichkeit zur Reha gewährt und er diese Maßnahme nach 5 Tagen abgebrochen habe. Der Kläger sei weder therapiebereit noch therapiefähig gewesen, so dass ohne Weiteres unterstellt werden dürfe, dass zukünftig erhebliche Fehlzeiten anfallen werden.

20

Mit der Tatsache, dass zur Einhaltung der Sicherheits- und Hygienevorschriften im Produktionsbereich eine ständige Aufsicht des Klägers notwendig sei, habe sie die betrieblichen Belange hinreichend erläutert. Ihr sei es schlichtweg unzumutbar, den Kläger unter diesen Bedingungen zu beschäftigen, da auch nicht ansatzweise eine Besserung in Sicht sei.

21

Die Beklagte beantragt,

22

unter Änderung des Urteils des Arbeitsgerichts Koblenz vom 13.01.2012, Aktenzeichen 2 Ca 1213/11, die Klage abzuweisen.

23

Der Kläger beantragt,

24

die Berufung kostenpflichtig zurückzuweisen.

25

Der Kläger ist der Auffassung, es fehle substantiierter Vortrag der Beklagten für eine negative Zukunftsprognose. Er habe unbeanstandet im Betrieb gearbeitet. Es habe nie alkoholbedingte Ausfallerscheinungen oder betriebliche Störungen gegeben. Eine ständige Aufsicht sei nicht erforderlich.

26

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf sämtliche Schriftsätze der Parteien und die Feststellungen in den Sitzungsprotokollen verwiesen.

Entscheidungsgründe

27

Die nach § 64 Abs. 2c ArbGG statthafte Berufung der Beklagten ist gemäß §§ 66 Abs. 1, 64 Abs. 6 ArbGG i.V.m. §§ 517, 519 ZPO form- und fristgerecht eingelegt und begründet worden. Sie ist somit zulässig.

28

In der Sache ist die Berufung jedoch nicht begründet. Das Arbeitsgericht hat der Klage zu Recht stattgegeben. Die Kündigung vom 15.03.2011 ist nicht nach § 1 Abs. 1 und 2 KSchG sozial gerechtfertigt.

I.

29

Eine Kündigung wegen Alkoholsucht ist nach den für die krankheitsbedingte Kündigung geltenden Grundsätzen zu beurteilen (vgl. unter vielen BAG 16.09.1999 – 2 AZR 123/99 – NZA 2000, 141; BAG 09.07.1998 – 2 AZR 201/98 – EzA § 626 BGB Krankheit Nr. 1; BAG 13.12.1990 – 2 AZR 336/90 – EzA § 1 KSchG Krankheit Nr. 33; LAG Rheinland-Pfalz 27.03.2008 – 10 Sa 669/07 – zitiert nach juris; LAG Rheinland-Pfalz 20.03.2008 – 2 Sa 612/07 – zitiert nach juris).

30

Die krankheitsbedingte Kündigung ist im Rahmen einer dreistufigen Überprüfung nur dann sozial gerechtfertigt, wenn aufgrund objektiver Umstände (insbesondere bisheriger Fehlzeiten) bei einer lang anhaltenden Erkrankung mit einer weiteren Arbeitsunfähigkeit auf nicht absehbare Zeit bzw. bei häufigeren Kurzerkrankungen auch weiterhin mit erheblichen krankheitsbedingten Fehlzeiten gerechnet werden muss; die entstandenen und prognostizierten Fehlzeiten zu einer erheblichen Beeinträchtigung der betrieblichen Interessen des Arbeitgebers führen und sich im Rahmen der umfassenden Interessenabwägung im Einzelfall eine unzumutbare betriebliche oder wirtschaftliche Belastung des Arbeitgebers ergibt (BAG 07.11.1985 EzA § 1 KSchG Krankheit Nr. 25; 16.02.1989 EzA § 1 KSchG Krankheit Nr. 26; 19.04.2007 EzA § 1 KSchG Krankheit Nr. 53; LAG Rheinland-Pfalz 30.08.2004 NZA-RR 2005, 368).

II.

31

Es ist bereits fraglich, ob der kurze Zeitraum von Januar 2010 bis März 2011 ausreichend ist, um hierauf seitens des Arbeitgebers eine negative Gesundheitsprognose stützen zu können. In der Regel werden die zurückliegenden zwei bis drei Jahre als Prognosebasis herangezogen. Zwingend ist das allerdings nicht (BAG 10.11.2005 – 2 AZR 44/05 – zitiert nach juris, Rn. 24). Eine hinreichende Indizwirkung kann sich auch aus kürzeren Zeiträumen ergeben (BAG 19.05.1993 – 2 AZR 598/92 - zitiert nach juris, Rn. 19).

III.

32

Doch selbst wenn zugunsten der Beklagten eine negative Gesundheitsprognose aufgrund des Abbruchs der Rehabilitationsmaßnahme unterstellt würde, so hat die Beklagte versäumt, ausreichend zu den erheblichen betrieblichen und wirtschaftlichen Beeinträchtigungen durch die bisherigen krankheitsbedingten Fehlzeiten des Klägers vorzutragen.

33

Kündigungsrelevante wirtschaftliche Belastungen in Form der zu zahlenden Entgeltfortzahlungskosten sind von der Beklagten gar nicht angeführt worden.

34

Soweit sie sich auf betriebliche Beeinträchtigungen berufen hat, verblieb ihr Vortrag hierzu abstrakt und damit nicht ausreichend. Es wird kein einziger suchtbedingter Ausfall bzw. keine suchtbedingte Reaktion des Klägers dargestellt, aufgrund derer sie sich verpflichtet sehen musste, die Arbeit des Klägers ständig zu überwachen. Der Kläger ist noch nie aufgrund alkoholbedingter Probleme im Betrieb aufgefallen. Selbst wenn ein singulärer alkoholbedingter Vorfall angeführt worden wäre, hätte das noch nicht die Annahme des Arbeitgebers gerechtfertigt, dieser Vorfall führe – sozusagen zwangsläufig – zu erheblichen betrieblichen Störungen (LAG Rheinland-Pfalz 10.02.2011 – 10 Sa 419/10 – zitiert nach juris, Rn. 43).

35

Die angeblich erforderliche ständige Überwachung des Klägers ist nicht konkret dargestellt worden. Es ist mangels Vortrags der Beklagten nicht ersichtlich, inwieweit der Kläger seit dem Bekenntnis zu seinem Alkoholproblem stärker überwacht wird als seine Arbeitskollegen. Jedenfalls kann hiermit kein schwerwiegender Eingriff in die Organisation der Beklagten verbunden sein, denn sie hat es für sich noch als zumutbar erachtet, ihn im Juli 2011 für die Dauer von drei Wochen an 6 statt 5 Wochentagen einzusetzen.

36

Die Beklagte hat nicht vorgetragen, dass der Einsatz des Klägers nur noch eingeschränkt möglich sei. Gefährdungen für ihn selbst oder andere durch seine Tätigkeit als Bäcker sind nicht dargelegt worden.

37

Ebenso fehlt konkreter Vortrag zu den Zeiten, in denen der Kläger krankheitsbedingt im Betrieb gefehlt hat. Die Beklagte hat nicht dargelegt, weshalb es ihr nicht auch zukünftig zumutbar ist, mit den Fehlzeiten des Klägers umzugehen. Soweit sie auf Beeinträchtigungen in der Planungssicherheit des Betriebs verwiesen hat, stellt sie nicht dar, welche konkreten Schwierigkeiten in der Vergangenheit aufgetreten sind und wie sie hiermit umgegangen ist.

38

Entgegen der Auffassung der Beklagten reicht es nicht aus, auf den gerichtsbekannten erheblichen Kontrollverlust von Alkoholikern zu verweisen. Auf abstrakte Kriterien allein kann es nicht ankommen, da anderenfalls die zweite Prüfungsstufe der krankheitsbedingten Kündigung bei der Alkoholkrankheit obsolet würde. Dies stände der ständigen Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts, die oben zitiert worden ist, entgegen.

39

Nach alledem ist die Berufung der Beklagten mit der Kostenfolge aus § 97 Abs. 1 ZPO zurückzuweisen.

40

Ein Grund, der nach den hierfür maßgeblichen gesetzlichen Kriterien des § 72 Abs. 2 ArbGG die Zulassung der Revision rechtfertigen könnte, besteht nicht.

(1) Gegen die Urteile der Arbeitsgerichte findet, soweit nicht nach § 78 das Rechtsmittel der sofortigen Beschwerde gegeben ist, die Berufung an die Landesarbeitsgerichte statt.

(2) Die Berufung kann nur eingelegt werden,

a)
wenn sie in dem Urteil des Arbeitsgerichts zugelassen worden ist,
b)
wenn der Wert des Beschwerdegegenstandes 600 Euro übersteigt,
c)
in Rechtsstreitigkeiten über das Bestehen, das Nichtbestehen oder die Kündigung eines Arbeitsverhältnisses oder
d)
wenn es sich um ein Versäumnisurteil handelt, gegen das der Einspruch an sich nicht statthaft ist, wenn die Berufung oder Anschlussberufung darauf gestützt wird, dass der Fall der schuldhaften Versäumung nicht vorgelegen habe.

(3) Das Arbeitsgericht hat die Berufung zuzulassen, wenn

1.
die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat,
2.
die Rechtssache Rechtsstreitigkeiten betrifft
a)
zwischen Tarifvertragsparteien aus Tarifverträgen oder über das Bestehen oder Nichtbestehen von Tarifverträgen,
b)
über die Auslegung eines Tarifvertrags, dessen Geltungsbereich sich über den Bezirk eines Arbeitsgerichts hinaus erstreckt, oder
c)
zwischen tariffähigen Parteien oder zwischen diesen und Dritten aus unerlaubten Handlungen, soweit es sich um Maßnahmen zum Zwecke des Arbeitskampfs oder um Fragen der Vereinigungsfreiheit einschließlich des hiermit im Zusammenhang stehenden Betätigungsrechts der Vereinigungen handelt, oder
3.
das Arbeitsgericht in der Auslegung einer Rechtsvorschrift von einem ihm im Verfahren vorgelegten Urteil, das für oder gegen eine Partei des Rechtsstreits ergangen ist, oder von einem Urteil des im Rechtszug übergeordneten Landesarbeitsgerichts abweicht und die Entscheidung auf dieser Abweichung beruht.

(3a) Die Entscheidung des Arbeitsgerichts, ob die Berufung zugelassen oder nicht zugelassen wird, ist in den Urteilstenor aufzunehmen. Ist dies unterblieben, kann binnen zwei Wochen ab Verkündung des Urteils eine entsprechende Ergänzung beantragt werden. Über den Antrag kann die Kammer ohne mündliche Verhandlung entscheiden.

(4) Das Landesarbeitsgericht ist an die Zulassung gebunden.

(5) Ist die Berufung nicht zugelassen worden, hat der Berufungskläger den Wert des Beschwerdegegenstands glaubhaft zu machen; zur Versicherung an Eides Statt darf er nicht zugelassen werden.

(6) Für das Verfahren vor den Landesarbeitsgerichten gelten, soweit dieses Gesetz nichts anderes bestimmt, die Vorschriften der Zivilprozeßordnung über die Berufung entsprechend. Die Vorschriften über das Verfahren vor dem Einzelrichter finden keine Anwendung.

(7) Die Vorschriften der §§ 46c bis 46g, 49 Abs. 1 und 3, des § 50, des § 51 Abs. 1, der §§ 52, 53, 55 Abs. 1 Nr. 1 bis 9, Abs. 2 und 4, des § 54 Absatz 6, des § 54a, der §§ 56 bis 59, 61 Abs. 2 und 3 und der §§ 62 und 63 über den elektronischen Rechtsverkehr, Ablehnung von Gerichtspersonen, Zustellungen, persönliches Erscheinen der Parteien, Öffentlichkeit, Befugnisse des Vorsitzenden und der ehrenamtlichen Richter, Güterichter, Mediation und außergerichtliche Konfliktbeilegung, Vorbereitung der streitigen Verhandlung, Verhandlung vor der Kammer, Beweisaufnahme, Versäumnisverfahren, Inhalt des Urteils, Zwangsvollstreckung und Übersendung von Urteilen in Tarifvertragssachen gelten entsprechend.

(8) Berufungen in Rechtsstreitigkeiten über das Bestehen, das Nichtbestehen oder die Kündigung eines Arbeitsverhältnisses sind vorrangig zu erledigen.

(1) Die Frist für die Einlegung der Berufung beträgt einen Monat, die Frist für die Begründung der Berufung zwei Monate. Beide Fristen beginnen mit der Zustellung des in vollständiger Form abgefassten Urteils, spätestens aber mit Ablauf von fünf Monaten nach der Verkündung. Die Berufung muß innerhalb einer Frist von einem Monat nach Zustellung der Berufungsbegründung beantwortet werden. Mit der Zustellung der Berufungsbegründung ist der Berufungsbeklagte auf die Frist für die Berufungsbeantwortung hinzuweisen. Die Fristen zur Begründung der Berufung und zur Berufungsbeantwortung können vom Vorsitzenden einmal auf Antrag verlängert werden, wenn nach seiner freien Überzeugung der Rechtsstreit durch die Verlängerung nicht verzögert wird oder wenn die Partei erhebliche Gründe darlegt.

(2) Die Bestimmung des Termins zur mündlichen Verhandlung muss unverzüglich erfolgen. § 522 Abs. 1 der Zivilprozessordnung bleibt unberührt; die Verwerfung der Berufung ohne mündliche Verhandlung ergeht durch Beschluss des Vorsitzenden. § 522 Abs. 2 und 3 der Zivilprozessordnung findet keine Anwendung.

Die Berufungsfrist beträgt einen Monat; sie ist eine Notfrist und beginnt mit der Zustellung des in vollständiger Form abgefassten Urteils, spätestens aber mit dem Ablauf von fünf Monaten nach der Verkündung.

(1) Die Berufung wird durch Einreichung der Berufungsschrift bei dem Berufungsgericht eingelegt.

(2) Die Berufungsschrift muss enthalten:

1.
die Bezeichnung des Urteils, gegen das die Berufung gerichtet wird;
2.
die Erklärung, dass gegen dieses Urteil Berufung eingelegt werde.

(3) Mit der Berufungsschrift soll eine Ausfertigung oder beglaubigte Abschrift des angefochtenen Urteils vorgelegt werden.

(4) Die allgemeinen Vorschriften über die vorbereitenden Schriftsätze sind auch auf die Berufungsschrift anzuwenden.

(1) Die Kündigung des Arbeitsverhältnisses gegenüber einem Arbeitnehmer, dessen Arbeitsverhältnis in demselben Betrieb oder Unternehmen ohne Unterbrechung länger als sechs Monate bestanden hat, ist rechtsunwirksam, wenn sie sozial ungerechtfertigt ist.

(2) Sozial ungerechtfertigt ist die Kündigung, wenn sie nicht durch Gründe, die in der Person oder in dem Verhalten des Arbeitnehmers liegen, oder durch dringende betriebliche Erfordernisse, die einer Weiterbeschäftigung des Arbeitnehmers in diesem Betrieb entgegenstehen, bedingt ist. Die Kündigung ist auch sozial ungerechtfertigt, wenn

1.
in Betrieben des privaten Rechts
a)
die Kündigung gegen eine Richtlinie nach § 95 des Betriebsverfassungsgesetzes verstößt,
b)
der Arbeitnehmer an einem anderen Arbeitsplatz in demselben Betrieb oder in einem anderen Betrieb des Unternehmens weiterbeschäftigt werden kann
und der Betriebsrat oder eine andere nach dem Betriebsverfassungsgesetz insoweit zuständige Vertretung der Arbeitnehmer aus einem dieser Gründe der Kündigung innerhalb der Frist des § 102 Abs. 2 Satz 1 des Betriebsverfassungsgesetzes schriftlich widersprochen hat,
2.
in Betrieben und Verwaltungen des öffentlichen Rechts
a)
die Kündigung gegen eine Richtlinie über die personelle Auswahl bei Kündigungen verstößt,
b)
der Arbeitnehmer an einem anderen Arbeitsplatz in derselben Dienststelle oder in einer anderen Dienststelle desselben Verwaltungszweigs an demselben Dienstort einschließlich seines Einzugsgebiets weiterbeschäftigt werden kann
und die zuständige Personalvertretung aus einem dieser Gründe fristgerecht gegen die Kündigung Einwendungen erhoben hat, es sei denn, daß die Stufenvertretung in der Verhandlung mit der übergeordneten Dienststelle die Einwendungen nicht aufrechterhalten hat.
Satz 2 gilt entsprechend, wenn die Weiterbeschäftigung des Arbeitnehmers nach zumutbaren Umschulungs- oder Fortbildungsmaßnahmen oder eine Weiterbeschäftigung des Arbeitnehmers unter geänderten Arbeitsbedingungen möglich ist und der Arbeitnehmer sein Einverständnis hiermit erklärt hat. Der Arbeitgeber hat die Tatsachen zu beweisen, die die Kündigung bedingen.

(3) Ist einem Arbeitnehmer aus dringenden betrieblichen Erfordernissen im Sinne des Absatzes 2 gekündigt worden, so ist die Kündigung trotzdem sozial ungerechtfertigt, wenn der Arbeitgeber bei der Auswahl des Arbeitnehmers die Dauer der Betriebszugehörigkeit, das Lebensalter, die Unterhaltspflichten und die Schwerbehinderung des Arbeitnehmers nicht oder nicht ausreichend berücksichtigt hat; auf Verlangen des Arbeitnehmers hat der Arbeitgeber dem Arbeitnehmer die Gründe anzugeben, die zu der getroffenen sozialen Auswahl geführt haben. In die soziale Auswahl nach Satz 1 sind Arbeitnehmer nicht einzubeziehen, deren Weiterbeschäftigung, insbesondere wegen ihrer Kenntnisse, Fähigkeiten und Leistungen oder zur Sicherung einer ausgewogenen Personalstruktur des Betriebes, im berechtigten betrieblichen Interesse liegt. Der Arbeitnehmer hat die Tatsachen zu beweisen, die die Kündigung als sozial ungerechtfertigt im Sinne des Satzes 1 erscheinen lassen.

(4) Ist in einem Tarifvertrag, in einer Betriebsvereinbarung nach § 95 des Betriebsverfassungsgesetzes oder in einer entsprechenden Richtlinie nach den Personalvertretungsgesetzen festgelegt, wie die sozialen Gesichtspunkte nach Absatz 3 Satz 1 im Verhältnis zueinander zu bewerten sind, so kann die Bewertung nur auf grobe Fehlerhaftigkeit überprüft werden.

(5) Sind bei einer Kündigung auf Grund einer Betriebsänderung nach § 111 des Betriebsverfassungsgesetzes die Arbeitnehmer, denen gekündigt werden soll, in einem Interessenausgleich zwischen Arbeitgeber und Betriebsrat namentlich bezeichnet, so wird vermutet, dass die Kündigung durch dringende betriebliche Erfordernisse im Sinne des Absatzes 2 bedingt ist. Die soziale Auswahl der Arbeitnehmer kann nur auf grobe Fehlerhaftigkeit überprüft werden. Die Sätze 1 und 2 gelten nicht, soweit sich die Sachlage nach Zustandekommen des Interessenausgleichs wesentlich geändert hat. Der Interessenausgleich nach Satz 1 ersetzt die Stellungnahme des Betriebsrates nach § 17 Abs. 3 Satz 2.

(1) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen der Partei zur Last, die es eingelegt hat.

(2) Die Kosten des Rechtsmittelverfahrens sind der obsiegenden Partei ganz oder teilweise aufzuerlegen, wenn sie auf Grund eines neuen Vorbringens obsiegt, das sie in einem früheren Rechtszug geltend zu machen imstande war.

(3) (weggefallen)

(1) Gegen das Endurteil eines Landesarbeitsgerichts findet die Revision an das Bundesarbeitsgericht statt, wenn sie in dem Urteil des Landesarbeitsgerichts oder in dem Beschluß des Bundesarbeitsgerichts nach § 72a Abs. 5 Satz 2 zugelassen worden ist. § 64 Abs. 3a ist entsprechend anzuwenden.

(2) Die Revision ist zuzulassen, wenn

1.
eine entscheidungserhebliche Rechtsfrage grundsätzliche Bedeutung hat,
2.
das Urteil von einer Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts, von einer Entscheidung des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes, von einer Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts oder, solange eine Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts in der Rechtsfrage nicht ergangen ist, von einer Entscheidung einer anderen Kammer desselben Landesarbeitsgerichts oder eines anderen Landesarbeitsgerichts abweicht und die Entscheidung auf dieser Abweichung beruht oder
3.
ein absoluter Revisionsgrund gemäß § 547 Nr. 1 bis 5 der Zivilprozessordnung oder eine entscheidungserhebliche Verletzung des Anspruchs auf rechtliches Gehör geltend gemacht wird und vorliegt.

(3) Das Bundesarbeitsgericht ist an die Zulassung der Revision durch das Landesarbeitsgericht gebunden.

(4) Gegen Urteile, durch die über die Anordnung, Abänderung oder Aufhebung eines Arrests oder einer einstweiligen Verfügung entschieden wird, ist die Revision nicht zulässig.

(5) Für das Verfahren vor dem Bundesarbeitsgericht gelten, soweit dieses Gesetz nichts anderes bestimmt, die Vorschriften der Zivilprozeßordnung über die Revision mit Ausnahme des § 566 entsprechend.

(6) Die Vorschriften der §§ 46c bis 46g, 49 Abs. 1, der §§ 50, 52 und 53, des § 57 Abs. 2, des § 61 Abs. 2 und des § 63 dieses Gesetzes über den elektronischen Rechtsverkehr, Ablehnung von Gerichtspersonen, Zustellung, Öffentlichkeit, Befugnisse des Vorsitzenden und der ehrenamtlichen Richter, gütliche Erledigung des Rechtsstreits sowie Inhalt des Urteils und Übersendung von Urteilen in Tarifvertragssachen und des § 169 Absatz 3 und 4 des Gerichtsverfassungsgesetzes über die Ton- und Fernseh-Rundfunkaufnahmen sowie Ton- und Filmaufnahmen bei der Entscheidungsverkündung gelten entsprechend.