Umgangsrecht: Klagbarer Anspruch des Kindes auf Durchführung von Umgangskontakten

bei uns veröffentlicht am04.03.2007

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Rechtsanwalt

für Familien- und Erbrecht

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Zusammenfassung des Autors
Rechtsberatung zu Familienrecht und Erbrecht durch die Rechtsanwälte S&K in Berlin Mitte

Nicht nur Eltern können ein Umgangsrecht mit ihrem Kind einklagen. Auch Kinder können den Umgang mit jedem Elternteil einklagen. Dies machte das Oberlandesgericht (OLG) Stuttgart in einem Rechtsstreit um die Gewährung von Prozesskostenhilfe deutlich. In dem Verfahren hatte ein Kind nicht miteinander verheirateter Eltern die Regelung des Umgangs mit seinem Vater verlangt. Dieser hatte kein Interesse an einem Umgang mit dem Kind. Das Amtsgericht hat die Prozesskostenhilfe für ein Umgangsverfahren abgelehnt.

Das OLG hob diese Entscheidung auf und bewilligte die Prozesskostenhilfe. Die Richter verdeutlichten, dass das Umgangsrecht nicht nur dem von der Personensorge ausgeschlossenen Elternteil ermöglichen solle, sich von dem körperlichen und geistigen Befinden des Kindes sowie seiner Entwicklung fortlaufend zu überzeugen. Vielmehr ergebe sich aus dem Gesetz auch ein eigenes persönliches Recht des Kindes auf Umgang mit jedem Elternteil. Insoweit bestehe eine Umgangspflicht der Eltern. Prozesskostenhilfe für einen Umgangsregelungsantrag könne nicht mit der Begründung verweigert werden, eine Umgangspflicht sei wegen des entgegenstehenden Willens des Elternteils nicht durchsetzbar. Erst nach Anhörung aller Beteiligten könne die Interessenlage von Eltern und Kind sachgerecht bewertet werden. Auch sei zu klären, ob der Umgang mit dem Vater dem Kindeswillen entspreche.

Hinweis:
Bedeutsam ist die - nicht näher begründete - Ansicht des OLG, dass es nicht erforderlich sei, vor dem Antrag auf Regelung des Umgangsrechts um Unterstützung und Vermittlung des Jugendamts nachzusuchen. Lehne ein Sorgeberechtigter jeglichen Umgang des anderen Elternteils mit dem Kind ab, sei es nicht mutwillig, das Umgangsrecht ohne ein vorgeschaltetes Mediationsverfahren einzuklagen (OLG Stuttgart, 17 WF 80/06).

Urteile

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Oberlandesgericht Stuttgart Beschluss, 31. März 2006 - 17 WF 80/06

bei uns veröffentlicht am 31.03.2006

Tenor Auf die sofortige Beschwerde der Antragstellerin wird der Beschluss des Amtsgerichts Tuttlingen - Familiengericht - vom 02.03.2006 (2 F 47/06) abgeändert und der Antragstellerin Prozesskostenhilfe für das Umgangsverfahren

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Referenzen

Tenor

Auf die sofortige Beschwerde der Antragstellerin wird der Beschluss des Amtsgerichts Tuttlingen - Familiengericht - vom 02.03.2006 (2 F 47/06) abgeändert

und der Antragstellerin Prozesskostenhilfe für das Umgangsverfahren ohne Ratenzahlung unter Beiordnung von Rechtsanwalt S. bewilligt.

Gründe

 
Die gemäß § 127 Abs. 2 Satz 2 ZPO zulässige sofortige Beschwerde der Antragstellerin ist begründet.
Die beabsichtigte Rechtsverfolgung der Antragstellerin bietet hinreichende Aussicht auf Erfolg (§ 114 ZPO). Das Amtsgericht hat zu Unrecht die Erfolgsaussichten des Antrags auf Regelung des Umgangs verneint.
Das Umgangsrecht soll nicht nur dem von der Personensorge ausgeschlossenen Elternteil die Möglichkeit geben, sich von dem körperlichen und geistigen Befinden seines Kindes sowie seiner Entwicklung fortlaufend zu überzeugen, sondern es soll auch dem Kind Gelegenheit geben, sich ein eigenständiges, auf persönlichen Erfahrungen beruhendes Bild von dem Elternteil zu machen, der das Kind nicht in seiner Obhut hat.
Gemäß § 1684 Abs. 1 BGB hat das Kind das Recht auf Umgang mit jedem Elternteil; jeder Elternteil ist zum Umgang mit dem Kind verpflichtet und berechtigt. Das Umgangsrecht ist also nicht nur ein Recht, sondern auch eine Pflicht der Eltern. Die Eltern haben angesichts dieser Verpflichtung die Aufgabe alles zu tun, dass das Kind die Möglichkeit zum Umgang mit dem Vater hat. Dabei werden sie nicht nur zu überlegen haben, weshalb der Umgang abgebrochen wurde und welchen Anteil sie an dieser Entwicklung haben, sondern werden im Interesse des Kindes auch dessen Wünsche und Neigungen zu beachten haben.
Prozesskostenhilfe kann nicht mit der Begründung verweigert werden, dass eine Umgangspflicht wegen des entgegenstehenden Willens des Antragsgegners nicht durchsetzbar sei. Die Interessenlage der Eltern und des Kindes kann das Amtsgericht erst nach einer persönlichen Anhörung aller Beteiligten sachgerecht bewerten. Dabei wird auch aufgeklärt werden können, ob der Umgang mit dem Vater dem Kindeswillen entspricht. Der Vater wird sich dann selbst ein Bild machen können und hat Gelegenheit zur Prüfung, inwieweit er bereit ist, seine Vaterpflichten zu erfüllen.
Wenn auch nach dem bisherigen Sachvortrag davon auszugehen ist, dass die Antragstellerin sich bislang nicht um die Unterstützung und Vermittlung des Jugendamts bemüht hat, so steht dies dennoch einem Antrag beim Familiengericht nicht entgegen. Das Jugendamt wird zu beteiligen sein.