Amtsgericht Düsseldorf Urteil, 01. Okt. 2014 - 24 C 3609/14
Tenor
Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin EUR 2.394,88 nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten seit dem 01.04.2014 zu zahlen. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
Die Kosten des Rechtsstreites tragen die Klägerin zu 1/3 und die Beklagte zu 2/3.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110% des jeweils zu vollstreckenden Betrages.
1
Tatbestand:
2Die Klägerin begehrt die Rückzahlung von im Rahmen eines Telekommunikationsvertrages an die Beklagte gezahlten Nutzungsgebühren.
3Zwischen der Klägerin und der Beklagten besteht u.a. ein Mobilfunkvertrag zu dem Tarif N inklusive Bereitstellung eines Smartphones mit der Rufnummer #####/####. Die Klägerin hatte diesen Mobilfunkvertrag für ihren minderjährigen Sohn abgeschlossen, der das Smartphone während einer Familienreise nach Nordamerika im August 2013 nutzte. Er rief Internetdienstleistungen über die Internetseite web.W.de ab.
4Die Beklagte stellte für diese Internetnutzung außerhalb der EU mit Rechnung vom 16.08.2013 einen Betrag in Höhe von EUR 950,11 (Erfassungszeitraum 13.07.2013 bis 12.08.2014) und mit Rechnung vom 18.09.2013 einen Betrag in Höhe von EUR 3.020,36 (Erfassungszeitraum 13.08.2013 bis 12.09.2013), insgesamt also EUR 3.970,47, in Rechnung.
5Am 12.08.2013 versandte die Beklagte per SMS auf das Smartphone die Mitteilung, dass das Limit von 50 EUR für Datenservices im Ausland erreicht wäre. Zudem teilte die Beklagte der Klägerin auf dem Postweg mit Schreiben vom 13.08.2013 mit, dass in den letzten Tagen erhöhte Kosten für die Nutzung von Datendiensten im Ausland angefallen seien.
6Wörtlich erhielt die Klägerin folgende SMS am 12.08.2013 um 2:51 Uhr:
7„Sehr geehrter W-Kunde, Sie haben Ihr Limit von 50,00 EUR (zzgl. USt.) für Datendienste im Ausland erreicht. Wenn Sie diese bis zum Ende des Abrechnungszeitraums weiterhin nutzen möchten, antworten Sie mit Ihrem Kundenkennwort per SMS.“
8Die Beklagte erhielt von dem streitgegenständlichen Mobiltelefon um 8:05 Uhr desselben Tages eine SMS mit dem Kundenkennwort „XXX“. Daraufhin sendete die Beklagte eine weitere SMS an die Klägerin:
9„Wenn Sie das Limit beim Surfen im Ausland aufheben wollen, antworten Sie bitte mit JA.“
10Die Klägerin antwortete mit „JA“. Die Beklagte versendete die folgende SMS:
11„Sehr geehrter Kunde, das W Data Roaming Limit ist für Sie aufgehoben. Viele Grüße, Ihr W Team.“
12Dieselben SMS wurden nach Ende des ersten Erfassungszeitraumes am 13.08.2013 sowie am 19.08.2013 erneut ausgetauscht. Wegen der einzelnen versendeten SMS wird auf das Protokoll in Anlage K5, Bl. 56 GA, verwiesen.
13Die Klägerin beschwerte sich mit Schreiben vom 01.10.2013 schriftlich bei der Beklagten über die Rechnungshöhe. Daraufhin verrechnete die Beklagte aus Kulanz mit der Rechnung von Oktober/November 2013 einen Betrag in Höhe von EUR 378,15. Eine weitergehende Rückerstattung lehnte die Beklagte mit Schreiben vom 31.01.2014 ab.
14Die Klägerin ist der Ansicht, die Beklagte sei zu einer fairen und transparenten Kostenkommunikation verpflichtet. Die Beklagte sei im Rahmen ihrer vertraglichen Nebenpflichten zur Schadensabwendung/Schadensminimierung verpflichtet gewesen. Die Beklagte habe diese Pflichten verletzt, da die gewählten Informationsvarianten ungeeignet waren, den Sohn der Klägerin vor der Kostenfalle zu schützen.
15Der Nutzer hätte mit der erstmaligen Nutzung des Daten-Roaming-Dienstes durch die Klägerin konkrete und substanzielle Tarifinformationen über den geltenden Leistungstarif erhalten müssen, wie dies in Art. 15 der EU Datenroaming Verordnung III 531/2012 in Absatz 6 auch für Dienste außerhalb Europas festgelegt sei. Die seitens der Beklagten versendeten SMS hätten die Klägerin nicht über die Höhe des Entgeltes pro Datenroaming-Nutzungseinheit in Kenntnis gesetzt.
16Die Klägerin beantragt,
17die Beklagte zu verurteilen, der Klägerin EUR 3.592,32 nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz ab Rechtshängigkeit zu zahlen.
18Die Beklagte beantragt,
19die Klage abzuweisen.
20Die Beklagte ist der Ansicht, die EU-Verordnung Nr. 531/2012 sei auf den vorliegenden Fall nicht anwendbar, da die streitigen Datenverbindungen außerhalb der EU genutzt worden seien. Die Klägerin habe keine Leistungen eines Roamingpartners der Beklagten genutzt, sodass Art. 15 Abs. 6 der Verordnung nicht anwendbar sei.
21Die Beklagte ist der Ansicht, sie habe einen vertraglichen Anspruch auf die abgerechneten Entgelte gehabt. Schutzpflichten habe sie nicht verletzt, da die Klägerin mehrfach per SMS darüber informiert wurde, dass das Limit für Auslandsdatenverbindungen erreicht wurde und die Klägerin habe die Aufhebung des Datenlimits mindestens 3 Mal per SMS veranlasst hat.
22Die vorgenommenen Einstellungen und Benachrichtigungen seien EU-verordnungskonform. Es sei allgemein bekannt, dass bei Datennutzungen im Ausland erhebliche Mehrkosten entstehen könnten, sodass es der Klägerin oblegen hätte, sich vor der Aufhebung des Limits mit der Beklagten in Verbindung zu setzen und die Kosten abzufragen.
23Die Beklagte behauptet, die Klägerin am 13.08.2013 per SMS aufgefordert zu haben, sich wegen erhöhter Datenverbindungskosten bei der Beklagten zu melden.
24Das postalische Schreiben vom 13.08.2013 sei auch beachtlich, da der Beklagten nicht bekannt war, wo sich die Klägerin befand und wie lange sie abwesend sein würde.
25Die Beklagte behauptet im nachgelassenen Schriftsatz, die Klägerin sei bei der Einreise in die USA bzw. bei der Einwahl in ein örtliches Mobilfunknetz per SMS über die anfallenden Roaming-Kosten informiert worden. Der Klägerin seien die maximalen Preise für ankommende Gespräche, ein Gespräch im Reiseland, Gespräche nach Deutschland, sowie die neben den Kosten des örtlichen Anbieters anfallenden Roamingkosten und Aufschläge sowie Kosten für Datenverbindungen mitgeteilt worden. Die zusätzlichen Kosten des Netzbetreibers seien der Beklagten nicht bekannt gewesen und auch nicht Gegenstand der Informationspflicht der EU-Richtlinie; die Kunden seien nur über eigene Kosten zu informieren.
26Die Klage wurde der Beklagten am 31.03.2014 zugestellt.
27Entscheidungsgründe:
28Die Klage ist zulässig, aber nur teilweise begründet.
29I.
30Die örtliche Zuständigkeit des Amtsgerichts Düsseldorf ergibt sich aus §§ 12,17 ZPO, da die Beklagte ihren Sitz in Düsseldorf hat. Die sachliche Zuständigkeit ergibt sich aus § 23 Nr. 1 GVG, weil der Streitwert EUR 5.000,00 nicht übersteigt.
31II.
32Die Klage ist lediglich in Höhe von EUR 2.394,88 begründet. Die Klägerin hat einen Anspruch auf Schadensersatz in Höhe von EUR 2.394,88 gegen die Beklagte aus §§ 280 Abs. 1, 241 Abs. 2 BGB i.V.m. Art. 15 Abs. 3, 6 Verordnung (EU) Nr. 531/2012 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 13.06.2012 über das Roaming in öffentlichen Mobilfunknetzen in der Union („EU-Roaming-VO“). Der Schadensersatzanspruch der Klägerin ist jedoch wegen Mitverschuldens der Klägerin um 1/3 des geltend gemachten Betrages gemäß § 254 BGB zu kürzen.
331) Der Klägerin steht ein Anspruch auf Schadensersatz gemäß §§ 280 Abs. 1, 241 Abs. 2 BGB wegen Verletzung von Warn-, Fürsorge- und Schutzpflichten zu. Die Beklagte hat die ihr gegenüber der Klägerin obliegenden Schutzpflichten verletzt, indem sie die Klägerin nicht in einer den Vorgaben des Art. 15 Abs. 3 EU-Roaming-VO entsprechenden Weise über die Kosten weiterer Einheiten der Datennutzung aufgeklärt hat.
34a) Zwar hat grundsätzlich jede Partei im Rahmen vertraglicher Beziehungen ihre Belange selbst wahrzunehmen; jede Partei hat selbst darauf bedacht zu sein, die Leistungen seiner Gegenseite nicht in einem Umfang in Anspruch zu nehmen, der zu unerwünscht hohen Entgeltforderungen führt. Dennoch besteht die vertragliche Nebenpflicht, Rücksicht auf die Rechte, Rechtsgüter und Interessen des anderen Teils zu nehmen. Umfang und Inhalt der Rücksichtnahmepflichten hängen vom Vertragszweck, der Vertragssitte und den Anforderungen des redlichen Geschäftsverkehrs ab. So bestehen Hinweis- und Aufklärungspflichten gegenüber dem Vertragspartner, wenn dieser mangels eigener Kenntnisse der Gefährdung seiner Belange nicht selbst in ausreichendem Maß entgegenwirken kann (BGH, Urteil v. 15.03.2012, Az. III ZR 190/11, NJW 2012, 2103). Nebenpflicht im Rahmen eines Mobilfunkvertrages ist die Pflicht beider Vertragspartner, für eine möglichst reibungslose und transparente Abwicklung des Vertragsverhältnisses zu sorgen (LG Saarbrücken, Urteil v. 09.03.2012, Az. 10 S 12/12, NJW 2012, 2819; AG Wiesbaden, Urteil v. 03.07.2012, Az. 91 C 1526/12, NJW-RR 2013, 302). Bereits vor Erlass der EU-Roaming-VO waren in der Rechtsprechung umfassende Schutzpflichten des Mobilfunkanbieters, insbesondere Hinweis- und Aufklärungspflichten des Anbieters gegenüber seinen Kunden zur Vermeidung unerwartet hoher Rechnungen anerkannt (BGH, aaO, mwN). Der Mobilfunkanbieter sollte seine Kunden vor einer unbewussten Selbstschädigung schützen. Dies sollte regelmäßig durch Versenden von Warnmitteilungen per SMS, E-Mail oder Pop-up-Fenstern auf das Endgerät sowie der Einrichtung eines sog. Cut-Off-Mechanismus geschehen. Der Mobilfunknutzer sollte konkret, substanziell und individuell auf den aktuell geltenden Tarif hingewiesen werden. Für den Kunden erschließe sich nicht allein durch den Hinweis auf die Kostenpflichtigkeit von Roaming-Diensten, dass der Auslandstarif im Vergleich zu dem inländischen Preis unvergleichlich hoch sein kann und deshalb bei der Inanspruchnahme von Roaming-Diensten exorbitant hohe Gebühren anfallen können (LG Saarbrücken, aaO).
35b) In der EU-Roaming-Verordnung wurden die Hinweis- und Aufklärungspflichten der Mobilfunkanbieter kodifiziert. Regelungen zu den konkreten Hinweispflichten bei Überschreitung vorgegebener Obergrenzen bei Datenroaming finden sich in Art. 15 Abs. 3 EU-Roaming-Verordnung.
36aa) Diese Regelung gilt gemäß Art. 15 Abs. 6, 1. Unterabs. EU-Roaming-VO auch für Datenroamingdienste, die von Roamingkunden bei Reisen außerhalb der Union genutzt und von einem Roaminganbieter bereitgestellt werden. Dies ist auch sachgerecht, da eine Hinweispflicht als vertragliche Nebenpflicht gerade auch für die Nutzung von Mobilfunkgeräten außerhalb der Europäischen Union besteht. Es sind keine Gründe ersichtlich, die für eine unterschiedliche Behandlung der Pflichten im Verhältnis zwischen Kunde und Mobilfunkanbieter je nach Reiseort sprechen. Die Gefahr hoher Schäden ist für die Kunden angesichts der noch höheren Roaming-Kosten im EU-Ausland sogar noch naheliegender und die Notwendigkeit eines warnenden Hinweises des Mobilfunkanbieters zur Wahrung der Kundeninteressen umso dringlicher (AG Wiesbaden, Urteil v. 03.07.2012, Az. 91 C 1526/12, NJW-RR 2013, 302).
37bb) Gemäß Art. 15 Abs. 3 EU-Roaming-Verordnung ist der Mobilfunkanbieter dazu verpflichtet, dem Kunden Obergrenzen für die Nutzung von Datenroaming zur Verfügung zu stellen, optional nach Datenvolumen (Art. 15 Abs. 3, Unterabs. 3 EU-Roaming-Verordnung) oder nach monatlich abzurechnendem Höchstbetrag (Art. 15 Abs. 3, Unterabs. 2 EU-Roaming-Verordnung). Sollte der Höchstbetrag oder die Obergrenze des Datenvolumens überschritten werden, so hat der Mobilfunkanbieter eine Meldung an das mobile Gerät des Kunden zu senden. In der Meldung ist der Roamingkunde darüber zu informieren, wie er die weitere Erbringung der Datenroamingdienste veranlassen kann, falls er dies wünscht, und welche Kosten für jede weitere Nutzungseinheit anfallen (Art. 15 Abs. 3, Unterabs. 7 EU-Roaming-Verordnung). Bereits vor Erlass der Verordnung war anerkannt, dass eine Hinweispflicht in Bezug auf die konkrete Höhe der anfallenden Gebühren erforderlich ist. Fehlt dem Nutzer ein Gebührenparameter, kann er die anfallenden Entgelte bei der mobilen Internetnutzung noch nicht einmal schätzen. (BGH, Urteil v. 15.03.2012, Az. III ZR 190/11, NJW 2012, 2103).
38In dem vorliegenden Fall hat die Beklagte die Klägerin mehrfach per SMS auf die Überschreitung des Daten-Limits hingewiesen und darüber informiert, wie sie die weitere Nutzung der Raomingdienste veranlassen kann. Dementsprechend hat die Klägerin daraufhin per Kundenkennwort und weitere Bestätigung per SMS die weitere Nutzung veranlasst. Jedoch hat die Beklagte die Klägerin entgegen der Vorgaben des Art. 15 Abs. 3, Unterabs. 7 EU-Roaming-Verordnung nicht auf die Kosten für jede weitere Einheit hingewiesen. Die Klägerin war also darüber informiert, dass die Kostenobergrenze überschritten war und es zu einer gegenüber der üblichen Rechnungshöhe überhöhten Mobilfunkrechnung können würde. Über die konkrete Höhe der entstehenden Kosten war sie jedoch nicht informiert und konnte dies mangels Kenntnis der Gebührenparameter auch nicht abschätzen. Da die Verordnung eine Meldung an das mobile Gerät des Kunden vorsieht, ist das postalische Schreiben der Beklagten vom 13.08.2013 nicht beachtlich.
39cc) Da die Beklagte ihre in Art. 15 Abs. 3, Unterabs. 7 EU-Roaming-Verordnung konkret normierte Hinweispflicht verletzt hat, kann dahinstehen, ob die Beklagte die Klägerin tatsächlich per SMS am 13.08.2013 dazu aufgefordert hat, sich bei ihr wegen der hohen Kosten zu melden.
40dd) Die Verhandlung war auch nicht aufgrund des in der mündlichen Verhandlung vom 27.08.2014 nachgelassenen Schriftsatzes der Beklagten vom 10.09.2014 wieder zu eröffnen, da der darin enthaltene neue Sachvortrag für die Entscheidung des Rechtsstreites nicht erheblich war. Die Beklagte trägt vor, die Klägerin bereits bei der Einreise in die USA bzw. bei der Einwahl in ein örtliches Mobilfunknetz allgemein über die anfallenden Roamingkosten und Aufschläge informiert zu haben. Mit dieser allgemeinen Information genügt die Beklagte ihrer nach Art. 15 Abs. 2 EU-Roaming-Verordnung obliegenden Pflicht zur Versendung einer automatischen Nachricht mit grundlegenden Tarifinformationen. Die in Art. 15 Abs. 3 EU-Roaming-Verordnung normierten Hinweis- und Schutzpflichten gehen jedoch über diese allgemeine Aufklärungspflicht hinaus und sind daneben zu erfüllen. Die Beklagte hat also – auch den neuen Sachvortrag als richtig unterstellt – ihre konkrete Hinweispflicht nicht erfüllt. Daher war auch dem Antrag der Beklagten, die Klägerin zur Vorlage vollständiger SMS-Listen der streitgegenständlichen SIM-Karte nicht stattzugeben.
41Unerheblich ist auch, dass die Beklagte behauptet, die zusätzlichen Kosten des örtlichen Netzbetreibers seien der Beklagten nicht bekannt gewesen und daher nicht Gegenstand der Informationspflicht nach der EU-Verordnung. Die Beklagte hat nämlich in ihren SMS an die Klägerin bei Überschreiten des Daten-/Kostenlimits gar keine Angaben zu den Kosten weiterer Einheiten gemacht, auch nicht zu den eigenen Kosten. Der allgemeine Hinweis bei der Einreise in die USA genügt nach den Vorgaben der EU-Roaming-Verordnung nicht.
423) Die überhöhten Kosten sind als Schaden gemäß § 249 BGB grundsätzlich ersatzfähig. Es ist davon auszugehen, dass die Klägerin den Zugriff auf das Internet über die SIM-Karte unter Nutzung von Roamingdiensten unterlassen hätte, wenn die Beklagte ihrer Hinweispflicht entsprechend der Verordnung nachgekommen wäre und über die exorbitanten Kosten hingewiesen hätte. Hiervon ist aufgrund der Tatsache, dass es andere kostengünstigere Möglichkeiten gibt, auf das Internet zuzugreifen, wie z.B. die Nutzung eines öffentlichen Hot-Spot-Systems oder Besuch eines Internetcafés, auszugehen. Es entspricht der allgemeinen Lebenserfahrung, dass derjenige, der eine Internetflatrate bucht, bei mehreren Möglichkeiten die günstigste Alternative auswählt (vgl. LG Saarbrücken, Urteil v. 09.03.2012, Az. 10 S 12/12, NJW 2012, 2819).
434) Der Anspruch ist jedoch gemäß § 254 Abs 1 BGB aufgrund des Mitverschuldens der Klägerin um 1/3 zu kürzen. Die Klägerin hat durch ihr fahrlässiges Verhalten an der Entstehung des Schadens mitgewirkt. Die Klägerin hat auf die mehrfachen Mitteilungen der Beklagten, dass das Daten-/Kostenlimit überschritten war, jeweils nach Versand des Kundenkennworts und weiterer Bestätigung die Roamingdienste weiter genutzt, ohne sich über die entstehenden Kosten zu informieren. Dadurch hat sie die im Verkehr erforderliche Sorgfalt außer Acht gelassen.
44a) Das Verschulden i.S.d. § 254 Abs. 1 BGB liegt in jedem „Verschulden gegen sich selbst“, d.h. einer Außerachtlassung der eigenen Interessen. Die Verletzung einer Rechtspflicht ist dagegen nicht erforderlich. Ein Mitverschulden liegt dann vor, wenn der Geschädigte für seine Rechtsgüter eine vermeidbare Gefahrenquelle geschaffen hat bzw. nicht überwacht hat, oder Hinweise auf das Vorhandensein einer Gefahr nicht beachtet hat. Maßgeblich ist, ob der Geschädigte die Sorgfalt außer Acht gelassen hat, die ein verständiger Mensch im eigenen Interesse aufwendet, um sich vor Schaden zu bewahren, wobei ein objektiver Maßstab anzulegen ist (Münchener Kommentar zum BGB/Oetker, 6. Aufl. 2012, § 254 BGB, Rn. 3, 29 ff.).
45b) Es ist allgemein bekannt, dass bei Datennutzungen im Ausland erhebliche Mehrkosten entstehen können. Dies gilt umso mehr, wenn es – wie im vorliegenden Fall – um Datennutzung außerhalb der Europäischen Union geht. Die Klägerin hat die Aufhebung des Roaming-Limits mehrfach veranlasst, ohne sich über die entstehenden Kosten zu informieren, obwohl ihr klar gewesen sein muss, dass die Kosten erheblich sein würden. Dies gilt insbesondere vor dem Hintergrund, dass die Benachrichtigung der Beklagten über die Überschreitung des Limits bereits nach einem Tag der Nutzung in den USA bei der Klägerin eingegangen war. Wenn das Limit von EUR 50,00 bereits nach einem Tag überschritten ist, so legt dies nahe, dass die Roaming-Kosten erheblich sind. Die Klägerin hat trotz dieses Hinweises keine Informationen eingeholt und stattdessen die Überschreitung des Limits aktiv bestätigt. Ein verständiger Mensch in dieser Situation hätte sich im eigenen Interesse über die Kosten informiert, um solche überhöhten Kosten zu vermeiden. Damit hat die Klägerin zur Entstehung der überhöhten Kosten in fahrlässiger Weise beigetragen.
46c) Das Mitverschulden der Klägerin ist im Rahmen einer umfassenden Abwägung der Umstände des vorliegenden Falls mit 1/3 zu bewerten, da die Pflichtverletzung der Beklagten zwar weit überwiegt, der Verursachungsbeitrag der Klägerin – gerade auch vor dem Hintergrund der mehrmaligen Freischaltung des Limits über einen Zeitraum von ca. 1 Monat – auch nicht unerheblich ins Gewicht fällt.
47III.
48Der Zinsanspruch gründet sich auf §§ 291, 288 Abs. 1 ZPO, da die Klage der Beklagten am 31.03.2013 zugestellt wurde.
49IV.
50Die prozessualen Nebenentscheidungen beruhen auf §§ 92 Abs. 1, 709 ZPO.
51V.
52Der Streitwert wird auf EUR 3.592,32 festgesetzt.
53Rechtsbehelfsbelehrung:
54Gegen dieses Urteil ist das Rechtsmittel der Berufung für jeden zulässig, der durch dieses Urteil in seinen Rechten benachteiligt ist,
55a) wenn der Wert des Beschwerdegegenstandes 600,00 EUR übersteigt oder
56b) wenn die Berufung in dem Urteil durch das Amtsgericht zugelassen worden ist.
57Die Berufung muss innerhalb einer Notfrist von einem Monat nach Zustellung dieses Urteils schriftlich bei dem Landgericht Düsseldorf, Werdener Straße 1, 40227 Düsseldorf, eingegangen sein. Die Berufungsschrift muss die Bezeichnung des Urteils, gegen das die Berufung gerichtet wird, sowie die Erklärung, dass gegen dieses Urteil Berufung eingelegt werde, enthalten.
58Die Berufung ist, sofern nicht bereits in der Berufungsschrift erfolgt, binnen zwei Monaten nach Zustellung dieses Urteils schriftlich gegenüber dem Landgericht Düsseldorf zu begründen.
59Die Parteien müssen sich vor dem Landgericht Düsseldorf durch einen Rechtsanwalt vertreten lassen, insbesondere müssen die Berufungs- und die Berufungsbegründungsschrift von einem solchen unterzeichnet sein.
60Mit der Berufungsschrift soll eine Ausfertigung oder beglaubigte Abschrift des angefochtenen Urteils vorgelegt werden.
Urteilsbesprechung zu Amtsgericht Düsseldorf Urteil, 01. Okt. 2014 - 24 C 3609/14
Urteilsbesprechungen zu Amtsgericht Düsseldorf Urteil, 01. Okt. 2014 - 24 C 3609/14
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Amtsgericht Düsseldorf Urteil, 01. Okt. 2014 - 24 C 3609/14 zitiert oder wird zitiert von 1 Urteil(en).
Die Zuständigkeit der Amtsgerichte umfaßt in bürgerlichen Rechtsstreitigkeiten, soweit sie nicht ohne Rücksicht auf den Wert des Streitgegenstandes den Landgerichten zugewiesen sind:
- 1.
Streitigkeiten über Ansprüche, deren Gegenstand an Geld oder Geldeswert die Summe von fünftausend Euro nicht übersteigt; - 2.
ohne Rücksicht auf den Wert des Streitgegenstandes: - a)
Streitigkeiten über Ansprüche aus einem Mietverhältnis über Wohnraum oder über den Bestand eines solchen Mietverhältnisses; diese Zuständigkeit ist ausschließlich; - b)
Streitigkeiten zwischen Reisenden und Wirten, Fuhrleuten, Schiffern oder Auswanderungsexpedienten in den Einschiffungshäfen, die über Wirtszechen, Fuhrlohn, Überfahrtsgelder, Beförderung der Reisenden und ihrer Habe und über Verlust und Beschädigung der letzteren, sowie Streitigkeiten zwischen Reisenden und Handwerkern, die aus Anlaß der Reise entstanden sind; - c)
Streitigkeiten nach § 43 Absatz 2 des Wohnungseigentumsgesetzes; diese Zuständigkeit ist ausschließlich; - d)
Streitigkeiten wegen Wildschadens; - e)
(weggefallen) - f)
(weggefallen) - g)
Ansprüche aus einem mit der Überlassung eines Grundstücks in Verbindung stehenden Leibgedings-, Leibzuchts-, Altenteils- oder Auszugsvertrag.
(1) Verletzt der Schuldner eine Pflicht aus dem Schuldverhältnis, so kann der Gläubiger Ersatz des hierdurch entstehenden Schadens verlangen. Dies gilt nicht, wenn der Schuldner die Pflichtverletzung nicht zu vertreten hat.
(2) Schadensersatz wegen Verzögerung der Leistung kann der Gläubiger nur unter der zusätzlichen Voraussetzung des § 286 verlangen.
(3) Schadensersatz statt der Leistung kann der Gläubiger nur unter den zusätzlichen Voraussetzungen des § 281, des § 282 oder des § 283 verlangen.
(1) Hat bei der Entstehung des Schadens ein Verschulden des Beschädigten mitgewirkt, so hängt die Verpflichtung zum Ersatz sowie der Umfang des zu leistenden Ersatzes von den Umständen, insbesondere davon ab, inwieweit der Schaden vorwiegend von dem einen oder dem anderen Teil verursacht worden ist.
(2) Dies gilt auch dann, wenn sich das Verschulden des Beschädigten darauf beschränkt, dass er unterlassen hat, den Schuldner auf die Gefahr eines ungewöhnlich hohen Schadens aufmerksam zu machen, die der Schuldner weder kannte noch kennen musste, oder dass er unterlassen hat, den Schaden abzuwenden oder zu mindern. Die Vorschrift des § 278 findet entsprechende Anwendung.
(1) Verletzt der Schuldner eine Pflicht aus dem Schuldverhältnis, so kann der Gläubiger Ersatz des hierdurch entstehenden Schadens verlangen. Dies gilt nicht, wenn der Schuldner die Pflichtverletzung nicht zu vertreten hat.
(2) Schadensersatz wegen Verzögerung der Leistung kann der Gläubiger nur unter der zusätzlichen Voraussetzung des § 286 verlangen.
(3) Schadensersatz statt der Leistung kann der Gläubiger nur unter den zusätzlichen Voraussetzungen des § 281, des § 282 oder des § 283 verlangen.
BUNDESGERICHTSHOF
für Recht erkannt:
Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Revisionsrechtszugs , an das Berufungsgericht zurückverwiesen.
Von Rechts wegen
Tatbestand
- 1
- Die Parteien streiten um die Berechtigung einer Entgeltforderung der Klägerin für die Erbringung von Mobilfunkleistungen. Die Parteien schlossen 2004 einen Mobilfunkvertrag, der seinerzeit eine Datenübertragung per Mobiltelefon noch nicht erfasste. Die dem Vertrag zu Grunde liegenden Allgemeinen Geschäftsbedingungen der Klägerin lauteten auszugsweise wie folgt: "4.1 Der Kunde ist zur Zahlung der Benutzungsbeträge verpflichtet, wie sie sich aus den von Cellway veröffentlichten Tarifen in der jeweils gültigen Fassung im Einzelnen ergeben … 4.10 Sämtliche Bepreisungen für die Nutzung neuer Zugangs- und Sonderdienste , die erst zukünftig eingeführt oder in modifizierter Form angeboten werden, stellt unser Kundendienst auf Anfrage zur Verfügung."
- 2
- Im Mai 2007 erwarb der Beklagte bei einem anderen Unternehmen ein internetfähiges Mobiltelefon zu. Am 1. Januar 2008 rief er mit diesem Gerät über die Internetseite "youtube" einen Film ab, der eine Datenmenge von 45.835 KB beanspruchte und dessen Übertragung 21 Minuten und 17 Sekunden dauerte. Hierfür stellte die Klägerin dem Beklagten am 10. Januar 2008 750,8444 € nebst Umsatzsteuer in Rechnung. Dabei legte sie ihren Tarif "surfby -call" zu Grunde, der 0,19 € brutto für zehn Kilobyte (KB) zuzüglich eines "Onlinepreises" von 0,02 € je angefangene Stunde vorsah. In der Rechnung war auch das Entgelt für eine weitere Datenverbindung mit einer abgerufenen Datenkapazität von 1.188 KB zum selben Tarif enthalten. Ferner umfasste sie die Grundgebühr und das Entgelt für zwei netzinterne Verbindungen. Insgesamt belief sich die Rechnung vom 10. Januar 2008 auf 929,46 €.
- 3
- Nachdem der Beklagte die Begleichung der Entgeltforderung der Klägerin verweigerte, kündigte diese den Mobilfunkvertrag im Mai 2008. Sie verlangt mit ihrer Klage den offenen Rechnungsbetrag nebst Schadensersatz von 16,31 € wegen der vorzeitigen Vertragsbeendigung. Die Klage hat in den Vorinstanzen Erfolg gehabt. Mit seiner vom Berufungsgericht zugelassenen Revision verfolgt der Beklagte seinen Klageabweisungsantrag weiter, soweit der Klägerin ein höherer Betrag als die Grundgebühr und die Vergütung für zwei netz- interne Verbindungen (10,71 € nebst Umsatzsteuer = 12,74 €) zuerkannt worden ist.
Entscheidungsgründe
- 4
- Die zulässige Revision ist begründet. Sie führt im Umfang der Anfechtung des Berufungsurteils zu dessen Aufhebung und zur Zurückverweisung der Sache an die Vorinstanz.
I.
- 5
- Nach Ansicht des Berufungsgerichts ist die Klage in vollem Umfang begründet. Die Klägerin habe die dem Beklagten unter dem 10. Januar 2008 in Rechnung gestellten Leistungen erbracht. Dieser könne sich nicht darauf berufen , dass ihm die Tarife für die Internetdienste nicht mitgeteilt worden seien. Als der Vertrag zwischen den Parteien abgeschlossen worden sei, sei ein Surfen per Handy im Internet noch nicht möglich gewesen. Die Allgemeinen Geschäftsbedingungen der Klägerin bestimmten hinsichtlich möglicher künftiger Dienste, dass diese nach den jeweils geltenden Tarifen berechnet würden, welche auf Anfrage zugesandt würden. In diesen Bestimmungen könne keine unangemessene Benachteiligung für den Nutzer erkannt werden. Der Beklagte habe als Durchschnittskunde davon ausgehen müssen, dass, wenn inzwischen eine Benutzung des Internets auch mit dem Handy möglich sei, die Klägerin bei entsprechenden Verbindungen diese nach dem Datenvolumen vergütet haben wolle. Es sei ihm zuzumuten gewesen, sich über die hierfür berechneten Tarife zu informieren. Anhaltspunkte dafür, dass das in Rechnung gestellte Entgelt von 0,19 € je zehn KB Anfang 2008 als auffällig über dem Marktpreis liegender Wucherpreis anzusehen gewesen sei, gebe es nicht.
- 6
- Entgegen der Ansicht des Beklagten habe die Klägerin im Hinblick auf die Kosten der Internetverbindungen auch keine Hinweis- oder Aufklärungspflicht gehabt. Grundsätzlich sei es die Sache jeder Partei, ihre Interessen selbst wahrzunehmen. Es dürfte jedem Internetnutzer bekannt sein, dass, wenn keine Flatrate vereinbart sei, die Gefahr hoher Kosten bestehe.
- 7
- Insbesondere habe die Klägerin als Mobilfunkanbieterin keine Pflicht zu einem Hinweis auf die Datenmenge gehabt. Der Klägerin sei es gar nicht bekannt , welche Datenmenge ein Film habe, den der Nutzer herunterladen wolle. Selbst wenn eine technische Möglichkeit für die Klägerin bestanden haben sollte , festzustellen, welche Daten ein Nutzer herunterlade, könne nicht davon ausgegangen werden, dass sie bereits zum Zeitpunkt der Verbindung die notwendigen Erkenntnisse habe, um ihren Vertragspartner im Vorfeld zu warnen. Auch habe zumindest 2008 keine Verpflichtung des Verbindungsanbieters bestanden , bei Erreichen einer bestimmten Datenmenge die Verbindung zu kappen oder zumindest ab einer bestimmten Datenmenge eine Warnung vorzunehmen. Wenn ein Handybesitzer im Bewusstsein, dass er keine Datenflatrate besitze, über sein Gerät ins Internet gehe, liege dies in dessen Eigenverantwortung. Wolle er mögliche Kostenfallen vermeiden, obliege es ihm, sich entsprechend vorher zu informieren und sich gegebenenfalls eine Warnanzeige ab einer bestimmten Datenmenge selbst zu installieren.
II.
- 8
- Dies hält nicht in allen Punkten der rechtlichen Nachprüfung stand.
- 9
- 1. Dem Berufungsgericht ist jedoch darin beizupflichten, dass die Klägerin im Ausgangspunkt einen Entgeltanspruch gegen den Beklagten erworben hat, weil dieser sich mit seinem Mobiltelefon in das Internet eingewählt und Daten heruntergeladen hat. Die Ausführungen der Vorinstanz zur Erweiterung des ursprünglich zwischen den Parteien geschlossenen Vertrags um die Option, das Mobilfunkgerät auch zum Empfang von Daten aus dem Internet zu nutzen, sind nicht zu beanstanden. Dies gilt auch für die Erwägungen zu dem hierfür zu entrichtenden Entgelt und zu dessen Höhe. Insbesondere bestehen keine Bedenken dagegen, dass in den Allgemeinen Geschäftsbedingungen der Klägerin die Erweiterung des ursprünglich vereinbarten Leistungsspektrums vorgesehen und für den Fall, dass der Kunde die zusätzliche Option, wie hier die Datenübertragung per Internet, in Anspruch nimmt, auf den jeweils gültigen veröffentlichten Tarif verwiesen wird. Nicht zuletzt im Hinblick auf die ständige Fortentwicklung der Kommunikationstechnik besteht keine unangemessene Benachteiligung des Vertragspartners des Verwenders (§ 307 Abs. 1 Satz 1 BGB), wenn der Vertrag der Klägerin die Möglichkeit einräumt, zusätzliche Leistungen anzubieten , sofern deren Inanspruchnahme, wie im vorliegenden Sachverhalt, dem Kunden frei gestellt ist. Rechtlich nicht zu beanstanden ist ferner die weitgehend dem Tatrichter vorbehaltene Würdigung des Berufungsgerichts, der Preis von 0,19 € für je zehn KB sei zumindest 2008 nicht sittenwidrig überhöht gewesen (siehe zu einem solchen Preis im Jahr 2008 jedoch auch Schmidt MMR 2011, 838 f in der Anmerkung zu OLG Schleswig MMR 2011, 836). Zu allen diesen Punkten erhebt auch die Revision keine Rügen.
- 10
- 2. Demgegenüber ist nach dem bisherigen Sach- und Streitstand ein Schadensersatzanspruch des Beklagten gegen die Klägerin nach § 280 Abs. 1 BGB wegen Verletzung einer Hinweispflicht (§ 241 BGB) nicht auszuschließen, der zur Folge hat, dass der Forderung der Klägerin zumindest teilweise gemäß § 242 BGB der Einwand des "dolo agit, qui petit quod statim redditurus est" entgegen steht. Die Klägerin war bei Erweiterung ihres Angebots um den mobilen Internetzugang zu einem Hinweis auf die mit der volumenabhängigen Entgeltberechnung verbundenen Gefahren verpflichtet. Es kommt darüber hinaus je nach den im Januar 2008 bestehenden technischen Möglichkeiten und Usancen in Betracht, dass die Klägerin verpflichtet war, den Beklagten durch eine auf sein Mobilfunkgerät zu sendende Mitteilung zu warnen, sobald eine von dem normalen Nutzungsverhalten außergewöhnlich abweichende Gebührenhöhe erreicht war, um ihm die Möglichkeit zu geben, die Datenübertragung abzubrechen und so das Entstehen einer unerwünscht hohen weiteren Entgeltforderung zu verhindern.
- 11
- a) Allerdings bestand und besteht noch keine gesetzlich normierte Pflicht der Diensteanbieter zu derartigen Hinweisen.
- 12
- § 45n Abs. 6 Satz 1 Nr. 5 TKG in der noch nicht im Bundesgesetzblatt verkündeten Fassung des Gesetzes zur Änderung telekommunikationsrechtlicher Regelungen (Gesetzesbeschluss des Deutschen Bundestags vom 27. Oktober 2011, Plenarprotokoll 17/136, S. 1609) sieht zwar eine Ermächtigung zum Erlass einer Rechtsverordnung vor, durch die Anbieter öffentlich zugänglicher Telekommunikationsdienste verpflichtet werden können, geeignete Einrichtungen anzubieten, um die Kosten der Inanspruchnahme der Telekommunikationsdienste zu kontrollieren. Diese Befugnis schließt die Verpflichtung zu unentgeltlichen Warnhinweisen bei anormalen oder übermäßigem Verbraucherver- halten ein. Das Gesetz ist jedoch noch nicht in Kraft getreten; eine Rechtsverordnung ist noch nicht erlassen worden.
- 13
- b) Dies schließt indessen nicht aus, dass sich eine solcheVerpflichtung bereits als Nebenpflicht aus dem zwischen den Parteien geschlossenen Mobilfunkvertrag ergab.
- 14
- aa) Grundsätzlich hat zwar jede Partei im Rahmen vertraglicher Beziehungen aufgrund der im Zivilrecht herrschenden Privatautonomie ihre Belange selbst wahrzunehmen. Insbesondere obliegt es einem Vertragspartner, selbst darauf bedacht zu sein, die Leistungen seiner Gegenseite nicht in einem Umfang in Anspruch zu nehmen, der zu unerwünscht hohen Entgeltforderungen führt. In Fallgestaltungen jedoch, in denen der Vertragsgegner über eine überlegene Sachkunde verfügt, können ihn gemäß § 241 Abs. 2 BGB Hinweis- und Aufklärungspflichten zur Wahrung des Leistungs- oder Integritätsinteresses seines Partners treffen, wenn dieser mangels eigener Kenntnisse der Gefährdung seiner Belange nicht selbst in ausreichendem Maß entgegenwirken kann (vgl. z.B. BGH, Urteil vom 19. Februar 1975 - VIII ZR 144/73, BGHZ 64, 46, 49; Bamberger/Roth/Grüneberg/Sutschet, BGB, 2. Aufl., § 241 Rn. 77; Palandt/ Grüneberg, BGB, 71. Aufl., § 280 Rn. 30). Insbesondere in Bereichen, in denen nicht spezifisch vorgebildeten Verbrauchern die Nutzung anspruchsvoller Technik angeboten wird, kommen solche Hinweis- und Aufklärungspflichten des Vertragspartners in Betracht, der im Gegensatz zur anderen Seite über den notwendigen Sachverstand verfügt. Dies trifft auch und gerade auf den Telekommunikationssektor zu. In diesem kommt nicht nur komplizierte Technik mit einer mittlerweile schon schwer zu überblickenden Fülle von Anwendungsmöglichkeiten und Tarifen zum Einsatz. Vielmehr zeichnet sich dieser Bereich überdies im Verbund mit der Computertechnologie durch eine besonders dynamische Fort- entwicklung aus (vgl. hierzu Senatsurteil vom 9. Juni 2011 - III ZR 157/10, WM 2011, 1678 Rn. 28), die der Durchschnittsverbraucher nicht ständig nachverfolgt.
- 15
- Der Senat hat dementsprechend in seinem vorzitierten Urteil vom 9. Juni 2011 (aaO Rn. 14) im Hinblick auf die schwer zu durchschauende Vielzahl von Mobilfunktarifen eine Pflicht des Diensteanbieters angenommen, Kunden, die sein Angebot nur im Rahmen einer Kreditlinie nutzen dürfen, rechtzeitig vor Erreichen des Limits zu warnen, bevor er seine Leistungen einstellt. Auch in der instanzgerichtlichen Rechtsprechung werden Hinweis- und Aufklärungspflichten des Anbieters von Telekommunikationsdienstleistungen gegenüber seinen Kunden zur Vermeidung unerwartet hoher Rechnungen für unterschiedliche Konstellationen angenommen (OLG Schleswig MMR 2011, 836, 837 mit zustimmender Anmerkung von Schmidt aaO S. 838; LG Münster K&R 2011, 359, 360 jeweils zur Aktualisierung von Navigationskarten mit großem Datenvolumen auf einem neu erworbenen beziehungsweise vermieteten Mobilfunkgerät; LG Kleve, Urteil vom 15. Juni 2011 - 2 O 9/11, juris Rn. 22 zum Entstehen hoher nutzungsabhängiger Durchleitungsgebühren im Ausland [Roaming] bei Vereinbarung einer Flatrate im Inlandsverkehr; LG Bonn K&R 2010, 679 mit zustimmender Anmerkung von Schmidt aaO S. 680, 681 zur ständigen Verbindung eines Routers mit dem Internet bei zeitabhängigem Tarif; LG Kiel MMR 2003, 422, 423 zur Einwahl in das Internet zu beinahe 200-fachen Kosten einer Standardverbindung ; AG Frankfurt am Main MMR 2008, 496, 497 zum permanenten Einwählen eines Mobiltelefons in einen analogen Internetzugang; vgl. auch Landesgericht Feldkirch [Österreich], Urteil vom 7. September 2010 - 2 R 284/10w, im Internet abrufbar unter www.vol.at/2012/02/Entscheidung-LGFeldkirch -2r284_10w.pdf zum unbeabsichtigten Roaming im Grenzgebiet).
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- bb) Auch in der vorliegenden Fallgestaltung bestand eineHinweispflicht der Klägerin. Sie war gehalten, ihre Kunden bei Einführung des neuen Dienstes hinreichend deutlich - etwa durch ein Anschreiben, einen Hinweis auf den Rechnungen oder eine SMS - darüber zu unterrichten, dass der Zugang zum Internet per Mobilfunkgerät im Gegensatz zu den Telefonverbindungen nicht nach der Verbindungsdauer, sondern nach dem heruntergeladenen Datenvolumen berechnet wird. Entgegen der Ansicht des Berufungsgerichts musste ein Durchschnittskunde bei der Erweiterung des Leistungsspektrums der Klägerin nicht davon ausgehen, dass sie das Entgelt für den neuen Dienst nach anderen Parametern berechnen werde als für den Telefonverkehr, zumal bei der Internetnutzung über das Festnetz außerhalb von Pauschaltarifen eine zeitabhängige Entgeltberechnung zumindest weit verbreitet war. Darüber hinaus war die Klägerin verpflichtet, ihre Kunden darauf hinzuweisen, dass auch bei Nutzung nicht außergewöhnlich erscheinender Internetangebote sehr große Datenmengen anfallen können, die bei volumenabhängigen Verbindungsentgelten für den mobilen Netzzugang zu ungewöhnlich hohen Kosten führen. Der Durchschnittskunde musste auch hiermit mangels entsprechender Kenntnisse nicht rechnen, während der Klägerin als Telekommunikationsanbieter dies bekannt war. Hiernach bestand das Informationsgefälle, das für die Begründung von Hinweispflichten einer Vertragsseite zur Wahrung der Interessen des Gegners ausschlaggebend ist.
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- Ob die Klägerin diese Pflicht verletzt hat und ob solche notwendig abstrakt gehaltenen Hinweise den Beklagten davon abgehalten hätten, sein Mobilfunkgerät am 1. Januar 2008 wie geschehen zu nutzen, mithin ob der etwaige Verstoß dieser Pflichten kausal für den eingetretenen Schaden war, wird im neuen Berufungsverfahren festzustellen sein.
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- cc) Unter dem Vorbehalt im neuen Berufungsverfahren noch nachzuholender weiterer tatsächlicher Feststellungen bestand - neben der Pflicht zu den abstrakten Warnhinweisen bei Einführung der neuen Leistung - die Verpflichtung der Klägerin als Diensteanbieterin, ihre Kunden, etwa mittels einer SMS, zu warnen, wenn die Kosten für die jeweilige Inanspruchnahme des Internetdienstes den üblicherweise von einem durchschnittlichen Nutzer ausgeschöpften Rahmen signifikant überstiegen, so dass die Gefahr einer unbewussten Selbstschädigung nahe lag. Hierdurch hatte die Klägerin dem Nutzer die Möglichkeit zu geben, die Verbindung zur Vermeidung weiterer unerwünscht hoher Kosten zu beenden.
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- (1) Nach dem für das Revisionsverfahren maßgeblichen Sach- und Streitstand ist nicht auszuschließen, dass der Beklagte im Januar 2008 im Gegensatz zur Klägerin keine zureichenden Möglichkeiten hatte, das durch die jeweilige Internetnutzung angefallene Entgeltaufkommen während der Verbindung zu verfolgen. Bei einem zeitabhängigen Tarif hat der Nutzer wenigstens die Chance, die entstehenden Gebühren abzuschätzen, da er die hierfür maßgeblichen Parameter - die Dauer der Verbindung und das vereinbarte Entgelt pro Zeiteinheit - kennen kann, wenngleich Letzteres angesichts der weitverbreiteten Unübersichtlichkeit der Tarife schon nur mit Einschränkungen gilt (vgl. Senatsurteil vom 9. Juni 2011 - III ZR 157/10, WM 2011, 1678 Rn. 14). Demgegenüber ist es den Nutzern regelmäßig nicht möglich, die im vorliegenden Fall für die Entgelthöhe maßgeblichen, von dem Mobilfunkgerät heruntergeladenen Datenmengen zu überblicken (Schmidt MMR 2011, 838). Diese hängen von der Größe der jeweils angewählten Dateien ab, welche für den Kunden mit seinem Mobiltelefon regelmäßig nicht erkennbar ist. Hiervon ist jedenfalls im Revisionsverfahren auszugehen, da gegenteilige Feststellungen insoweit fehlen. Dies gilt auch, soweit das Berufungsgericht meint, es obliege dem Besitzer eines Mobil- funkgeräts, sich eine Warnanzeige selbst zu installieren. Damit setzt das Berufungsgericht das Bestehen einer solchen Möglichkeit und die Zumutbarkeit für den Durchschnittskunden, diese wahrzunehmen, voraus, ohne allerdings die tatsächlichen Voraussetzungen hierfür festzustellen. Auch im Vortrag der Parteien findet sich für diese Annahme keine Grundlage, da dieser Gesichtspunkt von keiner Seite angesprochen wurde. Fehlt damit dem Nutzer ein Gebührenparameter , kann er die anfallenden Entgelte bei der mobilen Internetnutzung noch nicht einmal schätzen. Demgegenüber muss der Diensteanbieter die abgerufenen Datenmengen erfassen, da er sie zur Entgeltermittlung und -abrechnung benötigt (§ 97 Abs. 1 TKG). Hiernach besteht ein weiteres Informationsgefälle zwischen dem Nutzer und dem Diensteanbieter, das Hinweispflichten des Letzteren zur Wahrung der Interessen seiner Kunden begründen kann.
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- (2) Weitere Voraussetzung für eine Hinweispflicht der Klägerin gegenüber dem Beklagten ist allerdings, dass zum Zeitpunkt der dem Rechtsstreit zu Grunde liegenden Internetnutzungen, also im Januar 2008, bereits die technischen Möglichkeiten bestanden, das übliche Entgeltaufkommen eines Kunden festzustellen, mit dem aktuellen Gebührenanfall abzugleichen und während des laufenden von dem Mobilfunkgerät abgewickelten Datenverkehrs eine Warnung zu versenden. Sollte es nicht möglich gewesen sein, das übliche Entgeltaufkommen des jeweiligen Kunden individuell zu erfassen, war auf den Durchschnittsnutzer abzustellen. Weiterhin muss der Einsatz der entsprechenden Computerprogramme wirtschaftlich zumutbar gewesen sein.
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- (3) Zu den unter Nummern (1) und (2) angeführten tatsächlichen Umständen fehlen bislang Feststellungen des Berufungsgerichts. Für die Voraussetzungen einer Pflichtverletzung der Klägerin ist grundsätzlich der Beklagte darlegungs- und beweispflichtig. Für das weitere Verfahren weist der Senat jedoch darauf hin, dass an die Substantiierung des Vortrags des Beklagten keine hohen Anforderungen gestellt werden dürfen, obgleich er die Darlegungslast trägt. Vielmehr trifft die Klägerin eine sekundäre Darlegungslast, da der Beklagte keinen Einblick in die den Diensteanbietern im maßgeblichen Zeitraum zur Verfügung stehenden technischen Möglichkeiten haben kann, die Klägerin hingegen die wesentlichen Tatsachen kennt und ihr deshalb nähere Angaben möglich und zumutbar sind (vgl. Senatsurteil vom 17. Januar 2008 - III ZR 239/06, NJW 2008, 982 Rn. 16; BGH, Urteil vom 14. Juni 2005 - VI ZR 179/04, BGHZ 163, 209, 214 jeweils mwN; siehe auch Senatsurteil vom 13. Januar 2011 - III ZR 146/10, NJW 2011, 1509 Rn. 20).
- 22
- (4) Ein der Entgeltforderung der Klägerin entgegenzusetzender Schadensersatzanspruch des Beklagten wegen Verletzung einer Hinweispflicht scheidet jedoch aus, wenn die Klägerin den Pflichtenverstoß nicht zu vertreten hat (§ 280 Abs. 1 Satz 2 BGB). Dies ist namentlich dann nicht anzunehmen, wenn im Januar 2008 zwar schon die technischen Möglichkeiten für die in Rede stehenden Warnhinweise bestanden, deren praktische Anwendung jedoch noch völlig unüblich war. In diesem Fall kann es der Klägerin nicht zum Vorwurf der Fahrlässigkeit (§ 276 Abs. 1, 2 BGB) gereichen, wenn sie die (etwaig) vorhandenen Computerprogramme noch nicht zum Einsatz gebracht hat.
- 23
- 3. Da der Rechtsstreit wegen der nachzuholenden tatsächlichen Feststellungen noch nicht zur Endentscheidung reif ist, ist die Sache unter teilweiser Aufhebung des angefochtenen Berufungsurteils an die Vorinstanz zurückzuverweisen (§ 563 Abs. 1 Satz 1, Abs. 3 ZPO).
Seiters Tombrink
Vorinstanzen:
AG Duisburg, Entscheidung vom 04.01.2011 - 2 C 2984/10 -
LG Duisburg, Entscheidung vom 13.07.2011 - 11 S 25/11 -
(1) Wer zum Schadensersatz verpflichtet ist, hat den Zustand herzustellen, der bestehen würde, wenn der zum Ersatz verpflichtende Umstand nicht eingetreten wäre.
(2) Ist wegen Verletzung einer Person oder wegen Beschädigung einer Sache Schadensersatz zu leisten, so kann der Gläubiger statt der Herstellung den dazu erforderlichen Geldbetrag verlangen. Bei der Beschädigung einer Sache schließt der nach Satz 1 erforderliche Geldbetrag die Umsatzsteuer nur mit ein, wenn und soweit sie tatsächlich angefallen ist.
(1) Hat bei der Entstehung des Schadens ein Verschulden des Beschädigten mitgewirkt, so hängt die Verpflichtung zum Ersatz sowie der Umfang des zu leistenden Ersatzes von den Umständen, insbesondere davon ab, inwieweit der Schaden vorwiegend von dem einen oder dem anderen Teil verursacht worden ist.
(2) Dies gilt auch dann, wenn sich das Verschulden des Beschädigten darauf beschränkt, dass er unterlassen hat, den Schuldner auf die Gefahr eines ungewöhnlich hohen Schadens aufmerksam zu machen, die der Schuldner weder kannte noch kennen musste, oder dass er unterlassen hat, den Schaden abzuwenden oder zu mindern. Die Vorschrift des § 278 findet entsprechende Anwendung.
Tatsachen, die bei dem Gericht offenkundig sind, bedürfen keines Beweises.
(1) Die von einer Partei behaupteten Tatsachen bedürfen insoweit keines Beweises, als sie im Laufe des Rechtsstreits von dem Gegner bei einer mündlichen Verhandlung oder zum Protokoll eines beauftragten oder ersuchten Richters zugestanden sind.
(2) Zur Wirksamkeit des gerichtlichen Geständnisses ist dessen Annahme nicht erforderlich.
(1) Wenn jede Partei teils obsiegt, teils unterliegt, so sind die Kosten gegeneinander aufzuheben oder verhältnismäßig zu teilen. Sind die Kosten gegeneinander aufgehoben, so fallen die Gerichtskosten jeder Partei zur Hälfte zur Last.
(2) Das Gericht kann der einen Partei die gesamten Prozesskosten auferlegen, wenn
- 1.
die Zuvielforderung der anderen Partei verhältnismäßig geringfügig war und keine oder nur geringfügig höhere Kosten veranlasst hat oder - 2.
der Betrag der Forderung der anderen Partei von der Festsetzung durch richterliches Ermessen, von der Ermittlung durch Sachverständige oder von einer gegenseitigen Berechnung abhängig war.