Amtsgericht Flensburg Beschluss, 19. Apr. 2017 - 90 F 7/17

ECLI:ECLI:DE:AGFLENS:2017:0419.90F7.17.00
bei uns veröffentlicht am19.04.2017

Tenor

1. Die elterliche Sorge für die beteiligten Kinder V. (*xx.xx.2008) und W. (*xx.xx.2011) wird den beteiligten Kindeseltern gemeinsam übertragen.

2. Von der Erhebung von Gerichtskosten wird abgesehen, außergerichtliche Kosten trägt jeder Beteiligte selbst.

3. Der Verfahrenswert wird auf 3.000,00 € festgesetzt.

Gründe

I.

1

Der antragstellende Kindesvater begehrt die Begründung der gemeinsamen elterlichen Sorge für seine beiden verfahrensbeteiligten Kinder, für welche die Kindesmutter seit der Geburt die alleinige elterliche Sorge innehat.

2

Die beteiligten Kindeseltern leben seit Juni 2012 getrennt voneinander. Nach der Trennung blieben die Kinder zunächst bei der Kindesmutter und wurden sodann im September 2012 zunächst in Kurzzeitpflege fremduntergebracht. Seit dem 21.09.2012 leben sie durchgehend bis jetzt in der Pflegefamilie B./M. Nachdem die alleinsorgeberechtigte Kindesmutter ihre Zustimmung zur Fremdunterbringung widerrufen hatte, wurden im Januar 2013 auf Anregung des Stadtjugendamtes Flensburg Verfahren auf Übertragung des Aufenthaltsbestimmungsrechts initiiert (eA = Az. 96 F 7/13, Hauptsache = 96 F 34/13), die nach sachverständiger Begutachtung damit endeten, dass die Kindesmutter ihre Zustimmung zum Verbleib der beiden Kinder in der Pflegefamilie erteilte. Wegen der Einzelheiten und des Ergebnisses der Begutachtung (u.a. erheblich eingeschränkte Erziehungsfähigkeit der Kindesmutter; nur durch Fremdunterbringung auszuschließende Gefährdung des Wohles beider Kinder) wird auf das schriftliche Gutachten der Sachverständigen Dipl.-Psych. S. vom 06.09.2013 verwiesen (Bl. 54-117 der Akte 96 F 34/13).

3

Seit Februar 2015 befindet sich V. in einer Traumatherapie, während der ein vollständiger Ausschluss der Elternkontakte angezeigt war und auch einvernehmlich zwischen den Beteiligten eingehalten wurde. Dabei bezog sich der Ausschluss der Umgangskontakte nicht nur auf V., sondern auch auf seine Schwester W., da es mittelbar Kindeswohl beeinträchtigende Einflüsse auf V. durch einen Umgang W.../Eltern zu verhindern galt, und zwar im Interesse V.s, wegen dessen besonderer psychischer Konstitution auf den Bericht des Jugendamtes vom 02.12.2016 (Bl. 1-4 d.A. 90 F 188/16) sowie den Bericht des Kinderzentrums P. vom 02.10.2014 (Bl. 38-56 der v.g. Akte) verwiesen wird.

4

Ein jüngst durch das Stadtjugendamt F. initiiertes Verfahren gemäß § 1632 Abs. 4 BGB (Aktenzeichen 90 F 188/16, AG Flensburg) endete im Januar 2017 erneut mit einer Zustimmung der Kindesmutter zum Verbleib der Kinder in der Pflegefamilie. Der Kindesvater, der in diesem - wie auch den übrigen - Verfahren beteiligt war, hat im letzten Verfahren einen Antrag auf Beteiligung an der elterlichen Sorge angekündigt, den er nun im vorliegenden Verfahren verfolgt.

5

Der Kindesvater beantragt,

6

wie erkannt.

7

Die Kindesmutter beantragt,

8

den Antrag des Kindesvaters zurückzuweisen.

9

Die Pflegeeltern der Kinder sind gemäß § 161 FamFG (schriftlich) angehört worden und haben sich für die Begründung einer gemeinsamen elterlichen Sorge ausgesprochen (schriftliche Stellungnahme vom 13.02.2017 - Bl. 15 d.A.). Gleiches gilt für die beteiligte Verfahrensbeiständin (vgl. Terminsvermerk vom 06.03.2017 - Bl. 25 d.A.).

II.

10

Die Entscheidung zur Begründung der gemeinsamen elterlichen Sorge, für die das hiesige Familiengericht aufgrund des gewöhnlichen Aufenthaltes der beiden beteiligten Kinder im hiesigen Bezirk in der Obhut einer Pflegefamilie zuständig ist (§ 152 Abs. 2 FamFG), beruht auf § 1626a BGB. Nach dieser Vorschrift überträgt das Familiengericht bei - wie hier gegebener - mütterlicher Alleinsorge auf Antrag eines Elternteils - hier des Vaters - die elterliche Sorge oder einen Teil der elterlichen Sorge beiden Eltern gemeinsam, wenn die Übertragung dem Kindeswohl nicht widerspricht. Dies ist hier der Fall; im Ergebnis kann nicht festgestellt werden, dass die Übertragung der elterlichen Sorge auf beide Elternteile gemeinsam in Abkehr von der mütterlichen Alleinsorge dem Wohl der beiden beteiligten Kinder zuwiderläuft.

1.

11

Vorrangiger Maßstab der Entscheidung nach § 1626a Abs. 2 BGB ist das Kindeswohl (BT-Drucks. 17/11048 S. 14). Für die Prüfung, ob die Übertragung der gemeinsamen Sorge dem Kindeswohl nicht widerspricht, gelten die zur Aufhebung der gemeinsamen elterlichen Sorge nach § 1671 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 BGB entwickelten Grundsätze (vgl. grundlegend: BGH v. 15.06.2016, XII ZB 419/15 - juris Rnrn. 10-17 m.w.Nachw. = FamRZ 2016, 1439).

12

Die Entscheidung hängt in den von § 1626a Abs. 2 BGB erfassten Verfahrenskonstellationen davon ab, ob die Übertragung der elterlichen Sorge auf die Eltern gemeinsam dem Kindeswohl widerspricht. Wie bei § 1671 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 BGB sind alle für und gegen die gemeinsame Sorge sprechenden Umstände im Rahmen einer einzelfallbezogenen und umfassenden Betrachtung gegeneinander abzuwägen (BGH aaO. - juris Rn. 19 m.V.a. BGHZ 185, 272 = FamRZ 2010, 1060 Rn. 18 ff.; BVerfG FamRZ 2010, 1403 Rn. 58).

13

Gewichtige Gesichtspunkte des Kindeswohls sind die Erziehungseignung der Eltern, die Bindungen des Kindes, die Prinzipien der Förderung und der Kontinuität sowie die Beachtung des Kindeswillens. Diese Kriterien stehen aber nicht kumulativ nebeneinander. Jedes von ihnen kann im Einzelfall mehr oder weniger bedeutsam für die Beurteilung sein, was dem Kindeswohl entspricht. Zu berücksichtigen sind dabei auch die durch Art. 6 Abs. 2 Satz 1 GG gewährleisteten Elternrechte (Senatsbeschluss BGHZ 185, 272 = FamRZ 2010, 1060 Rn. 19 f.).

14

Bei der Entscheidung über die Anordnung oder Aufhebung der gemeinsamen elterlichen Sorge ist auch zu berücksichtigen, wenn es im Verhältnis der Eltern an einer Grundlage für ein Zusammenwirken im Sinne des Kindeswohls fehlt. Ein nachhaltiger und tiefgreifender Elternkonflikt kann zur Folge haben, dass die gemeinsame elterliche Sorge dem Kindeswohl widerspricht (BGH aaO. - juris Rn. 21).

15

Das Vorliegen eines Elternkonflikts oder die Ablehnung der gemeinsamen elterlichen Sorge durch die Mutter sprechen allerdings für sich genommen noch nicht gegen die gemeinsame elterliche Sorge (BGH aaO. - juris Rn. 22 m.V.a. BT-Drucks. 17/11048 S. 17). Allein die Verweigerungshaltung eines Elternteils ist kein entscheidender Gesichtspunkt dafür, dass die Beibehaltung oder Übertragung der gemeinsamen elterlichen Sorge dem Kindeswohl widerspricht (BGH aaO. m.V.a. OLG Köln NJW-RR 2008, 1319, 1320). Dass Eltern in Einzelfragen verschiedener Meinung sind und ihre Meinungsverschiedenheiten im Einzelfall streitig ausgetragen haben, genügt ebenfalls nicht, um die gemeinsame elterliche Sorge abzulehnen. Es gehört zur Normalität im Eltern-Kind-Verhältnis, dass sich in Einzelfragen die für das Kind beste Lösung erst aus Kontroversen herausbildet (BGH aaO. m.V.a. OLG Karlsruhe Beschluss vom 2. April 2015 - 18 UF 253/14 - juris Rn. 16). Hierdurch können sogar mehr Argumente abgewogen werden als bei Alleinentscheidungen und so dem Kindeswohl besser entsprechende Ergebnisse erreicht werden (BGH aaO. m.V.a. vgl. BT-Drucks. 17/11048 S. 17; KG FamRZ 2011, 1659). Insbesondere sieht das Gesetz für einzelne kontrovers diskutierte und von den Eltern nicht lösbare Fragen mit § 1628 BGB ein geeignetes Instrumentarium vor (BGH aaO.).

16

Die gemeinsame Ausübung der Elternverantwortung setzt allerdings ein Mindestmaß an Übereinstimmung in wesentlichen Bereichen der elterlichen Sorge und insgesamt eine tragfähige soziale Beziehung zwischen den Eltern voraus (BGH aaO. - juris Rn. 23 m.V.a. BGH vom 12. Dezember 2007 - XII ZB 158/05 - FamRZ 2008, 592 Rn. 11 m.w.N.; BT-Drucks. 17/11048 S. 17 m.w.N.). Die gemeinsame elterliche Sorge ist daher nicht anzuordnen, wenn eine schwerwiegende und nachhaltige Störung auf der Kommunikationsebene der Eltern vorliegt, die zudem befürchten lässt, dass den Eltern eine gemeinsame Entscheidungsfindung nicht möglich sein wird und das Kind folglich erheblich belastet würde, würde man die Eltern zwingen, die Sorge gemeinsam zu tragen (BGH aaO. - juris Rn. 24 m.V.a. OLG Schleswig FamRZ 2014, 1374, 1375; KG FamRZ 2014, 1375; OLG Koblenz FamRZ 2014, 319; BT-Drucks. 17/11048 S. 17; vgl. auch OLG Stuttgart [11. ZS] FamRZ 2015, 674; OLG Brandenburg [2. FamS] FamRZ 2014, 1856; OLG Köln NJW-RR 2008, 1319, 1320; Schilling NJW 2007, 3233, 3238). Maßgeblich ist, welche Auswirkungen die mangelnde Einigungsfähigkeit der Eltern bei einer Gesamtbeurteilung der Verhältnisse auf die Entwicklung und das Wohl des Kindes haben wird (BGH aaO. m.V.a. BGH v. 29.09.1999 - XII ZB 3/99 - FamRZ 1999, 1646, 1648). Die Gefahr einer erheblichen Belastung des Kindes kann sich im Einzelfall auch aus der Nachhaltigkeit und der Schwere des Elternkonflikts ergeben.

17

Eine vollständige Kommunikationsverweigerung der Eltern muss allerdings nicht gegeben sein (BGH aaO. - juris Rn. 25 m.V.a. die abw. Auffassung des OLG Brandenburg [4. FamS] FamRZ 2016, 240, 243). Die Kommunikation der Eltern ist bereits dann schwer und nachhaltig gestört, wenn sie zwar miteinander in Kontakt treten, hierbei aber regelmäßig nicht in der Lage sind, sich in der gebotenen Weise sachlich über die Belange des Kindes auszutauschen und auf diesem Wege zu einer gemeinsamen Entscheidung zu gelangen. Dann ist zu prüfen, ob hierdurch eine erhebliche Belastung des Kindes zu befürchten ist (BGH aaO. - juris Rn. 25).

18

Entgegen einer in der Rechtsprechung vertretenen Meinung (OLG Brandenburg [4. FamS] FamRZ 2016, 240, 243; OLG Celle [10. ZS] FamRZ 2014, 857; OLG Stuttgart [16. ZS] FamRZ 2014, 1715, 1716) muss die Belastung des Kindes nicht bereits tatsächlich bestehen. Es genügt die begründete Befürchtung, dass es zu einer solchen Belastung kommt (BGH aaO. m.V.a. OLG Celle [15. ZS] FamRZ 2016, 385, 386; BGH vom 15. November 2007 - XII ZB 136/04 - FamRZ 2008, 251 Rn. 24). Dafür genügt die begründete Besorgnis, dass die Eltern auch in Zukunft nicht in der Lage sein werden, ihre Streitigkeiten in wesentlichen Bereichen der elterlichen Sorge konstruktiv und ohne gerichtliche Auseinandersetzungen beizulegen. Denn ein fortgesetzter destruktiver Elternstreit führt für ein Kind zwangsläufig zu erheblichen Belastungen (BGH aaO. m.V.a. BGH v. 12.12.2007 - XII ZB 158/05 - FamRZ 2008, 592 Rn. 15; Gödde ZfJ 2004, 201, 207, 209 sowie BGH vom 15.11.2007 - XII ZB 136/04 - FamRZ 2008, 251 Rn. 24). Notwendig ist hierfür die Einschätzung im Einzelfall, ob der Elternkonflikt so nachhaltig und so tiefgreifend ist, dass gemeinsame, dem Kindeswohl dienliche Entscheidungen der Eltern in den wesentlichen Belangen der elterlichen Sorge auch für die Zukunft nicht gewährleistet sind (BGH aaO. - juris Rn. 27 m.w.N.). Ebenfalls nicht erforderlich ist die teilweise geforderte zusätzliche Feststellung einer günstigen Prognose der Alleinsorge eines Elternteils dahingehend, dass die Eltern aufgrund der gerichtlichen Entscheidung für die Alleinsorge ihren Streit nicht fortsetzen werden (BGH aaO. entgegen OLG Brandenburg [4. FamS] FamRZ 2016, 240, 243 und FamRZ 2015, 760, 762). In die Abwägung ist vielmehr einzubeziehen, ob durch die Alleinsorge die Konfliktfelder zwischen den Eltern eingegrenzt werden, was für sich genommen bereits dem Kindeswohl dienlich sein kann (BGH aaO. - juris Rn. 28 m.V.a. Staudinger/Coester BGB [2016] § 1671 Rn. 137), während bereits das Risiko, dass das Kind durch die Begründung der gemeinsamen Sorge verstärkt dem fortdauernden Konflikt der Eltern ausgesetzt wird, dem Kindeswohl entgegenstehen kann (BGH aaO. m.V.a. BGH v, 15.11.2007 - XII ZB 136/04 - FamRZ 2008, 251 Rn. 24). Dabei gehören zu den wesentlichen Bereichen der elterlichen Sorge, für die ein Mindestmaß an Verständigungsmöglichkeiten gefordert werden muss, alle nach § 1687 Abs. 1 Satz 1 BGB gemeinsam zu treffenden Entscheidungen (BGH aaO. - juris Rn. 29).

19

Werden im familiengerichtlichen Verfahren nach § 1626a II BGB konkrete tatsächliche Umstände dargelegt oder sind solche Umstände erkennbar, die ein Indiz gegen die gemeinsame elterliche Sorge sein können, hat das Gericht im Rahmen seiner in diesem Fall zum Tragen kommenden uneingeschränkten Amtsermittlungspflicht (§ 26 FamFG) umfassend und ergebnisoffen aufzuklären, ob die Anhaltspunkte, die (auf den ersten Blick) geeignet erscheinen, einer gemeinsamen elterlichen Sorge entgegenzustehen, auch tatsächlich durchgreifende Bedenken gegen die Begründung der gemeinsamen elterliche Sorge rechtfertigen (vgl. hierzu BGH aaO. Rnrn. 32, 37). Dabei enthält die Neuregelung des § 1626a BGB weder ein Regel-Ausnahme-Verhältnis noch einen Vorrang noch eine Vermutung zugunsten der gemeinsamen elterlichen Sorge (BGH aaO. - juris Rnrn. 35-37 m.w.Nachw.). Erst wenn sich nach erschöpfender Sachaufklärung nicht feststellen lässt, dass die gemeinsame Sorge dem Kindeswohl widerspricht, ergibt sich aus der negativen Formulierung der Kindeswohlprüfung eine gesetzgeberische Entscheidung zur (objektiven) Feststellungslast. Aus dieser insoweit entsprechend dem gesetzlichen Leitbild zu Lasten der Aufrechterhaltung der Alleinsorge der Mutter getroffenen Regelung folgt, dass im Zweifelsfall die Übertragung der elterlichen Sorge auf die Eltern gemeinsam auszusprechen ist (BGH aaO. - juris Rn. 38; vgl. zum Ganzen auch Splitt in FF 2017, 47-54; Burschel NZFam 2016, 801; Etzold/Löhnig NZFam 2016, 769).

2.

20

Gemessen an diesen Maßstäben sind im vorliegenden Fall im Ergebnis keinerlei Umstände festzustellen, die durchgreifend gegen die erstmalige Begründung der gemeinsamen elterlichen Sorge sprechen. Dass die gemeinsame elterliche Sorge dem Wohl der beiden hier beteiligten Kinder widerspricht, kann nicht festgestellt werden:

21

Es mag zwar sein - und dies ist in den beiden Erörterungsterminen vom 06.03.2017 im hiesigen Verfahren sowie vom 12.01.2017 im damaligen Kindschaftsverfahren i.S.v. § 1632 IV BGB (Az. 90 F 188/16) durchaus erkennbar geworden -, dass die Kommunikationsebene der Beteiligten - wie insbesondere von der beteiligten Kindesmutter ins Feld geführt - (deutlich) gestört ist. Dass diese Störung jedoch derart tiefgreifend ist, dass eine konstruktive Erörterung der wesentlichen sorgerechtlichen Fragen und Belange ihrer Kinder nicht möglich wäre, kann nicht festgestellt werden. Wenn auch unter Beteiligung eines „Helfersystems“ haben die beteiligten Kindeseltern im Verfahren 90 F 188/16 im Erörterungstermin vom 12.01.2017 zum weiteren Aufenthalt bzw. Verbleib ihrer gemeinsamen Kinder in der aktuellen Pflegefamilie eine gemeinsame Auffassung gefunden und den Verbleib dort befürwortet.

22

Angesichts der im vorliegenden Fall gegebenen besonderen Ausgangssituation kann nicht prognostiziert werden, dass künftig die kommunikativen Probleme der Kindeseltern auf der Elternebene der Erarbeitung und dem konsensualen Treffen gemeinsamer Entscheidungen im Bereich des Sorgerechts entgegenstehen werden. Denn - zumindest mittelfristig - werden die beteiligten Kindeseltern im Wesentlichen im Rahmen der planmäßigen oder auch außerplanmäßigen Hilfeplangespräche zusammen mit dem zuständigen Jugendamt aufeinandertreffen. Insofern ist das „Setting“ auch künftig dem des gerichtlichen Erörterungstermins vergleichbar, indem es den Kindeseltern im Ergebnis auch gelungen ist, eine übereinstimmende Entscheidung zu entwickeln.

23

Im Übrigen kann derzeit aufgrund dieser besonderen Ausgangslage der in der Pflegefamilie befindlichen Kinder und der entsprechend starken Einbindung des bzw. der Unterstützung durch das Jugendamt im sorgerechtlichen Kontext ebenfalls nicht prognostiziert werden, dass sich etwaige Uneinigkeiten der Kindeseltern negativ auf die Kinder auswirken würden. Die Kinder sind dem (dauerhaften) Konflikt nicht ausgesetzt, sie bekommen von diesem derzeit und mittelfristig vielmehr gar nichts mit. In Verfahren nach §1626a BGB ist es schon per se schwierig, das künftige Scheitern einer gemeinsamen Elternverantwortung zu prognostizieren, da - anders als im Bereich des § 1671 BGB - bisher keine gemeinsame Verantwortung vorgelegen hat, die kindeswohldienlich wahrzunehmen gewesen wäre und nicht entsprechend ausgefüllt worden ist. Vorliegend gilt dies im besonderen Maße, weil die beteiligten Kindeseltern zumindest mittelfristig keinerlei Kontakt zu ihren Kindern haben werden und gleichzeitig in das unterstützende Helfersystem des Jugendamtes eingebunden sein werden.

24

Kann insofern nicht hinreichend begründbar prognostiziert werden, dass aufgrund der Kommunikationsprobleme der Eltern eine diesen obliegende gemeinsame Elternverantwortung (wahrscheinlich) scheitern wird, spricht nach Auffassung des zur Entscheidung berufenen Gerichts - auch wenn dies im Ergebnis für die Entscheidung dahinstehen kann - im Gegenteil sogar einiges für die Einrichtung einer gemeinsamen elterlichen Sorge. Im vorliegenden Fall besteht nämlich aufgrund der besonderen Konstellation - wenn auch gegebenenfalls derzeit nur abstrakt - eine gegen über dem „Normalfall“ erhöhte Möglichkeit eines künftig notwendig werdenden Eingriffs in das bisher alleinige Sorgerecht der Mutter. In diesem Fall wäre gemäß § 1680 Abs. 2, Abs. 3 BGB der (bisher nicht sorgeberechtigte) Kindesvater vorrangig vor einem Ergänzungspfleger/Vormund zur „Übernahme“ der elterlichen Sorge bzw. des entzogenen Teilbereichs berufen. Durch die jetzige Installation der gemeinsamen elterlichen Sorge besteht für diesen Fall nicht nur der Vorteil, dass dem Kindesvater dann der entzogene Teil des Sorgerechts der Kindesmutter „automatisch kraft Gesetzes anwachsen“ würde (vgl. § 1680 Abs. 1, Abs. 3 BGB), sondern insbesondere auch der Vorteil, dass der dann bereits mitsorgeberechtigte Vater aufgrund der mit dem Sorgerecht einhergehenden Verantwortung einerseits und der Möglichkeit der Informationserlangung vom Jugendamt andererseits, deutlich besser den ihm „angewachsenen“ Verantwortungsbereich ausfüllen könnte, als er dies ohne vorherige gemeinsame elterliche Sorge und Verweisung auf den § 1686 Abs.1 BGB könnte.

3.

25

Das Gericht hat im wohlverstandenen Interesse der Kinder - entsprechend dem Einverständnis aller übrigen Verfahrensbeteiligten sowie der Anregung der Pflegeeltern - von der Anhörung der Kinder abgesehen (§ 159 Abs. 3 FamFG), da eine nicht unerhebliche Beeinträchtigung seines Gesundheitszustandes zu besorgen wäre (vgl. Haberland, jurisPR-BGHZivilR 15/2016 Anm. 1 m.w.Nachw.). Denn angesichts der (psychischen) Besonderheiten des beteiligten, in fortlaufender Therapie befindlichen Kindes V., die derzeit nach wie vor notwendig machen, dass beide Elternteile keinen Kontakt zu diesem wie zu seiner Schwester haben, ist jegliche Störung - wie sie auch eine gerichtliche Anhörung und Konfrontation mit den verfahrensgegenständlichen Themen bedeuten würde - unbedingt zu vermeiden. Dies gilt auch für eine mittelbare Irritation des beteiligten Kindes V. durch entsprechende Äußerungen oder Verhaltensweisen seiner Schwester, so dass auch diese im vorliegenden Verfahren nicht persönlich angehört werden konnte. Unabhängig davon ist im Übrigen ein Erkenntnisgewinn durch die Anhörung der beiden Kinder (insbesondere bei V.) zu der sehr abstrakten Frage der Begründung der gemeinsamen Sorge ihrer Eltern, zu denen sie seit geraumer Zeit keinerlei Kontakt haben, nicht zu erwarten.

4.

26

Die Kostenentscheidung folgt aus § 81 FamFG. Die Verfahrenswertfestsetzung beruht auf § 45 Abs.1 FamGKG. Gründe, vom Regelverfahrenswert von 3.000,00 € Unterbilligkeitsgesichtspunkten nach oben oder unten abzuweichen (§ 45 Abs. 3 FamGKG), sind vorliegend nicht ersichtlich.


Urteilsbesprechung zu Amtsgericht Flensburg Beschluss, 19. Apr. 2017 - 90 F 7/17

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(2) Die Personensorge umfasst ferner das Recht, den Umgang des Kindes auch mit Wirkung für und gegen Dritte zu bestimmen.

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1.
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2.
die Anordnung zum Wohl des Kindes erforderlich ist.

(1) Das Gericht kann in Verfahren, die die Person des Kindes betreffen, die Pflegeperson im Interesse des Kindes als Beteiligte hinzuziehen, wenn das Kind seit längerer Zeit in Familienpflege lebt. Satz 1 gilt entsprechend, wenn das Kind auf Grund einer Entscheidung nach § 1682 des Bürgerlichen Gesetzbuchs bei dem dort genannten Ehegatten, Lebenspartner oder Umgangsberechtigten lebt.

(2) Die in Absatz 1 genannten Personen sind anzuhören, wenn das Kind seit längerer Zeit in Familienpflege lebt.

(1) Während der Anhängigkeit einer Ehesache ist unter den deutschen Gerichten das Gericht, bei dem die Ehesache im ersten Rechtszug anhängig ist oder war, ausschließlich zuständig für Kindschaftssachen, sofern sie gemeinschaftliche Kinder der Ehegatten betreffen.

(2) Ansonsten ist das Gericht zuständig, in dessen Bezirk das Kind seinen gewöhnlichen Aufenthalt hat.

(3) Ist die Zuständigkeit eines deutschen Gerichts nach den Absätzen 1 und 2 nicht gegeben, ist das Gericht zuständig, in dessen Bezirk das Bedürfnis der Fürsorge bekannt wird.

(4) Für die in den §§ 1693 und 1802 Absatz 2 Satz 3 in Verbindung mit § 1867 bezeichneten Maßnahmen ist auch das Gericht zuständig, in dessen Bezirk das Bedürfnis der Fürsorge bekannt wird. Es soll die angeordneten Maßnahmen dem Gericht mitteilen, bei dem eine Vormundschaft oder Pflegschaft anhängig ist.

(1) Sind die Eltern bei der Geburt des Kindes nicht miteinander verheiratet, so steht ihnen die elterliche Sorge gemeinsam zu,

1.
wenn sie erklären, dass sie die Sorge gemeinsam übernehmen wollen (Sorgeerklärungen),
2.
wenn sie einander heiraten oder
3.
soweit ihnen das Familiengericht die elterliche Sorge gemeinsam überträgt.

(2) Das Familiengericht überträgt gemäß Absatz 1 Nummer 3 auf Antrag eines Elternteils die elterliche Sorge oder einen Teil der elterlichen Sorge beiden Eltern gemeinsam, wenn die Übertragung dem Kindeswohl nicht widerspricht. Trägt der andere Elternteil keine Gründe vor, die der Übertragung der gemeinsamen elterlichen Sorge entgegenstehen können, und sind solche Gründe auch sonst nicht ersichtlich, wird vermutet, dass die gemeinsame elterliche Sorge dem Kindeswohl nicht widerspricht.

(3) Im Übrigen hat die Mutter die elterliche Sorge.

(1) Leben Eltern nicht nur vorübergehend getrennt und steht ihnen die elterliche Sorge gemeinsam zu, so kann jeder Elternteil beantragen, dass ihm das Familiengericht die elterliche Sorge oder einen Teil der elterlichen Sorge allein überträgt. Dem Antrag ist stattzugeben, soweit

1.
der andere Elternteil zustimmt, es sei denn, das Kind hat das 14. Lebensjahr vollendet und widerspricht der Übertragung, oder
2.
zu erwarten ist, dass die Aufhebung der gemeinsamen Sorge und die Übertragung auf den Antragsteller dem Wohl des Kindes am besten entspricht.

(2) Leben Eltern nicht nur vorübergehend getrennt und steht die elterliche Sorge nach § 1626a Absatz 3 der Mutter zu, so kann der Vater beantragen, dass ihm das Familiengericht die elterliche Sorge oder einen Teil der elterlichen Sorge allein überträgt. Dem Antrag ist stattzugeben, soweit

1.
die Mutter zustimmt, es sei denn, die Übertragung widerspricht dem Wohl des Kindes oder das Kind hat das 14. Lebensjahr vollendet und widerspricht der Übertragung, oder
2.
eine gemeinsame Sorge nicht in Betracht kommt und zu erwarten ist, dass die Übertragung auf den Vater dem Wohl des Kindes am besten entspricht.

(3) Ruht die elterliche Sorge der Mutter nach § 1751 Absatz 1 Satz 1, so gilt der Antrag des Vaters auf Übertragung der gemeinsamen elterlichen Sorge nach § 1626a Absatz 2 als Antrag nach Absatz 2. Dem Antrag ist stattzugeben, soweit die Übertragung der elterlichen Sorge auf den Vater dem Wohl des Kindes nicht widerspricht.

(4) Den Anträgen nach den Absätzen 1 und 2 ist nicht stattzugeben, soweit die elterliche Sorge auf Grund anderer Vorschriften abweichend geregelt werden muss.

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
XII ZB 419/15
vom
15. Juni 2016
in der Familiensache
Nachschlagewerk: ja
BGHZ: ja
BGHR: ja
BGB § 1626 a Abs. 2; FamFG §§ 155 a, 159

a) Auch bei der "negativen" Kindeswohlprüfung nach § 1626 a Abs. 2 Satz 1
BGB ist vorrangiger Maßstab für die Entscheidung das Kindeswohl. Notwendig
ist die umfassende Abwägung aller für und gegen die gemeinsame Sorge
sprechenden Umstände. Dafür gelten die zur Aufhebung der gemeinsamen
elterlichen Sorge nach § 1671 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 BGB entwickelten Grundsätze.

b) Erst wenn sich nach erschöpfender Sachaufklärung nicht feststellen lässt,
dass die gemeinsame Sorge dem Kindeswohl widerspricht, ergibt sich aus
der negativen Formulierung der Kindeswohlprüfung die (objektive) Feststellungslast
dahin, dass im Zweifelsfall die Übertragung der elterlichen Sorge
auf die Eltern gemeinsam auszusprechen ist.

c) Gründe, die der gemeinsamen elterlichen Sorge im Sinne von § 1626 a
Abs. 2 Satz 2 BGB entgegenstehen können, sind bereits dann gegeben,
wenn sich aus den dem Gericht dargelegten oder sonst ersichtlichen konkreten
tatsächlichen Anhaltspunkten die Möglichkeit ergibt, dass die gemeinsame
elterliche Sorge nicht mit dem Kindeswohl vereinbar ist. Unbeachtlich
sind dagegen Umstände, die keinen Bezug zum konkreten Fall oder dem
Wohl des Kindes aufweisen.

d) Zur persönlichen Anhörung des Kindes im Sorgerechtsverfahren.
BGH, Beschluss vom 15. Juni 2016 - XII ZB 419/15 - OLG Brandenburg
AG Perleberg
ECLI:DE:BGH:2016:150616BXIIZB419.15.0

Der XII. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat am 15. Juni 2016 durch den Vorsitzenden Richter Dose, die Richter Dr. Klinkhammer, Dr. Nedden-Boeger und Guhling und die Richterin Dr. Krüger
beschlossen:
Auf die Rechtsbeschwerde der Antragsgegnerin wird der Beschluss des 4. Senats für Familiensachen des Brandenburgischen Oberlandesgerichts vom 3. August 2015 aufgehoben. Die Sache wird zur erneuten Behandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsbeschwerdeverfahrens, an das Oberlandesgericht zurückverwiesen. Wert: 3.000 €

Gründe:

A.

1
Der Antragsteller begehrt die gemeinsame elterliche Sorge mit der Antragsgegnerin für die am 3. September 2009 geborene gemeinsame Tochter L. .
2
Der Antragsteller (im Folgenden: Vater) und die Antragsgegnerin (im Folgenden: Mutter) lebten bis 2012 in nichtehelicher Lebensgemeinschaft. Aus dieser ist neben der betroffenen Tochter ein im Jahr 2000 geborener Sohn hervorgegangen. Für den Sohn, der beim Vater wohnt, üben die Eltern das Sorgerecht gemeinsam aus. Für ihre Tochter haben sie keine Sorgeerklärungen abgegeben.
3
Das Amtsgericht hat die Eltern persönlich angehört. Es hat einen Verfahrensbeistand bestellt, diesen wie auch das Jugendamt angehört und sodann den Antrag des Vaters zurückgewiesen. Auf dessen Beschwerde hat das Oberlandesgericht im schriftlichen Verfahren ohne persönliche Anhörungen der Beteiligten die elterliche Sorge für das Kind den Eltern gemeinsam übertragen. Hiergegen richtet sich die zugelassene Rechtsbeschwerde der Antragsgegnerin.

B.

4
Die Rechtsbeschwerde hat Erfolg. Sie führt zur Aufhebung des angefochtenen Beschlusses und zur Zurückverweisung der Sache an das Oberlandesgericht.

I.

5
Das Oberlandesgericht hat seine Entscheidung wie folgt begründet:
6
Voraussetzung der Übertragung der gemeinsamen elterlichen Sorge auf beide Eltern sei nach § 1626 a Abs. 2 Satz 1 BGB, dass die Übertragung dem Kindeswohl nicht widerspreche. Aus der doppelten Verneinung ergäben sich die verfahrensrechtlichen Anforderungen an die negative Kindeswohlprüfung. Die gemeinsame elterliche Sorge sei anzuordnen, wenn keine Gegengründe festgestellt werden könnten. Damit habe der Gesetzgeber eine widerlegliche Vermutung eingeführt, die für die Kindeswohldienlichkeit der gemeinsamen elterlichen Sorge spreche, wenn ein Elternteil durch seinen Antrag zu erkennen gebe , dass er die gemeinsame Sorge vorziehe. Diese Vermutung dürfe durch Er- mittlungen von Amts wegen nicht beeinträchtigt werden. Zwar müsse das Gericht Anhaltspunkten, auch aus Quellen außerhalb des Vortrags der Beteiligten, die gegen die gemeinsame Sorge sprechen, nachgehen. Ermittlungen, die auf Tatsachen gerichtet seien, die für eine gemeinsame Sorge sprechen, müssten aber nicht durchgeführt werden. Die vor Einführung des Antragsrechts des Vaters vertretene Auffassung, es gebe weder eine rechtlich noch eine tatsächlich begründete Vermutung für den Vorrang der gemeinsamen Sorge vor der Alleinsorge , könne sich dagegen nicht mehr durchsetzen. Der Vortrag der Antragsgegnerin , des Verfahrensbeistands und des Jugendamts sei nicht geeignet, die Vermutung der Kindeswohldienlichkeit der gemeinsamen Sorge zu widerlegen. Zur Erschütterung der Vermutung geeignete Gesichtspunkte für ungünstige Auswirkungen auf das Kindeswohl und eine günstige Prognose der Alleinsorge der Antragsgegnerin ließen sich dem Vortrag der Beteiligten nicht entnehmen. Es sei nicht zu erwarten, dass durch eine Ablehnung der gemeinsamen Sorge die derzeit offensichtlich unzulängliche, dringend verbesserungsbedürftige Kommunikation zwischen den Eltern gefördert und der Elternstreit beendet würde. Das Kind fühle sich nicht durch Entscheidungen der Eltern belastet, sondern durch den Umstand, dass beide nicht miteinander reden. Dem Willen des nicht ganz sechs Jahre alten Kindes komme jedenfalls kein entscheidendes Gewicht zu. Altersgemäß werde die Fähigkeit zur Beurteilung tatsächlicher Umstände und erst recht hypothetischer Verläufe nicht ausgeprägt sein. Mit dem Ermessen der Bedeutung eines abstrakten Gedankenbildes wie dem Rechtsinstitut der elterlichen Sorge werde dem Kind zu viel abverlangt. Auch sonst seien keine Anhaltspunkte ersichtlich, die gegen die gemeinsame elterliche Sorge sprächen. Daher sei auch im Beschwerdeverfahren nach § 155 a Abs. 3 und 4 Satz 1 FamFG in einem schnellen, schriftlichen Verfahren ohne mündliche Verhandlung zu entscheiden.

II.

7
Dies hält rechtlicher Überprüfung nicht stand.
8
1. Das Oberlandesgericht hat seiner Entscheidung zutreffend die Vorschriften in der Fassung des Gesetzes zur Reform der elterlichen Sorge nicht miteinander verheirateter Eltern vom 16. April 2013 (BGBl. I S. 795) zugrunde gelegt. Dieses Gesetz ist zwar erst am 19. Mai 2013 und damit nach der Einleitung des erstinstanzlichen Verfahrens in Kraft getreten. Nach Art. 229 § 30 EGBGB ist der Antrag des Vaters aber ab dem Inkrafttreten des Gesetzes als Antrag nach § 1626 a Abs. 2 BGB zu behandeln. Da das Gesetz keine weitere Übergangsvorschrift enthält, sind dessen Regelungen auch in Verfahren anzuwenden , die bei Inkrafttreten noch nicht abgeschlossen waren.
9
2. Nach § 1626 a Abs. 2 BGB überträgt das Familiengericht auf Antrag eines Elternteils die elterliche Sorge oder einen Teil der elterlichen Sorge beiden Eltern gemeinsam, wenn die Übertragung dem Kindeswohl nicht widerspricht. Trägt der andere Elternteil keine Gründe vor, die der Übertragung der gemeinsamen elterlichen Sorge entgegenstehen können, und sind solche Gründe auch sonst nicht ersichtlich, wird vermutet, dass die gemeinsame elterliche Sorge dem Kindeswohl nicht widerspricht. Nach § 1671 Abs. 2 BGB kann der Vater zudem die Übertragung der alleinigen Sorge beantragen, die mangels Zustimmung der Mutter dann zu erfolgen hat, wenn eine gemeinsame Sorge nicht in Betracht kommt und zu erwarten ist, dass die Übertragung auf den Vater dem Wohl des Kindes am besten entspricht (§ 1671 Abs. 2 Satz 2 Nr. 2 BGB).
10
a) Vorrangiger Maßstab der Entscheidung nach § 1626 a Abs. 2 BGB ist das Kindeswohl (BT-Drucks. 17/11048 S. 14). Für die Prüfung, ob die Übertragung der gemeinsamen Sorge dem Kindeswohl nicht widerspricht, gelten die zur Aufhebung der gemeinsamen elterlichen Sorge nach § 1671 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 BGB entwickelten Grundsätze.
11
aa) Wie das Oberlandesgericht nicht verkannt hat, ist die Vorschrift des § 1626 a BGB Ausdruck des Kindeswohlprinzips, welches das Recht der elterlichen Sorge insgesamt beherrscht (vgl. § 1697 a BGB). Das Gesetz beruht auf der Annahme, dass die gemeinsame elterliche Sorge grundsätzlich den Bedürfnissen des Kindes nach Beziehungen zu beiden Elternteilen entspricht (BTDrucks. 17/11048 S. 12 unter Bezugnahme auf BVerfG FamRZ 2003, 285, 288 f.). Daraus ergibt sich das gesetzliche Leitbild, dass grundsätzlich beide Eltern die gemeinsame elterliche Sorge für ein Kind tragen sollen, wenn keine Gründe vorliegen, die hiergegen sprechen (BT-Drucks. 17/11048 S. 17).
12
Die Sorge ist den Eltern vom Familiengericht demzufolge auch dann gemeinsam zu übertragen, wenn sich nicht feststellen lässt, ob die gemeinsame elterliche Sorge dem Kindeswohl besser entspricht als die Alleinsorge der Mutter (vgl. OLG Karlsruhe FamRZ 2015, 2168, 2169; Johannsen/Henrich/Jaeger Familienrecht 6. Aufl. § 1626 a BGB Rn. 11; BeckOK BGB/Veit [Stand 1. Mai 2015] § 1626 a Rn. 24). Eine den Antrag auf gemeinsame Sorge ablehnende Entscheidung kann nur dann ergehen, wenn die Übertragung der elterlichen Sorge auf die Eltern gemeinsam dem Kindeswohl widerspricht, also mit ihm unvereinbar wäre (OLG Koblenz FamRZ 2014, 319; BeckOGK BGB/Schumann [Stand: 1. September 2015] § 1626 a Rn. 95).
13
bb) Ebenso wie bei § 1671 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 BGB ist auch bei der „negativen Kindeswohlprüfung“ nach § 1626 a Abs. 2 BGB das Kindeswohl vorrangiger Maßstab für die gerichtliche Entscheidung. Der anzuwendende Maßstab für eine Zurückweisung des Antrags auf gemeinsame elterliche Sorge stimmt mit dem der Sorgerechtsübertragung bei Trennung sorgeberechtigter Eltern nach § 1671 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 BGB überein. In beiden Fällen ist von der gemeinsamen elterlichen Sorge abzuweichen, wenn und soweit die Alleinsorge eines Elternteils dem Kindeswohl besser entspricht. Daher können die zur Aufhebung der gemeinsamen elterlichen Sorge nach § 1671 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 BGB entwickelten Grundsätze auch im Rahmen von § 1626 a Abs. 2 Satz 1 BGB angewendet werden.
14
Die Übertragung der gemeinsamen elterlichen Sorge ist somit unter den gleichen Voraussetzungen abzulehnen, unter denen im Fall des § 1671 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 BGB die gemeinsame elterliche Sorge aufzuheben wäre (vgl. OLG Stuttgart FamRZ 2015, 674; OLG Karlsruhe FamRZ 2015, 2168, 2169 und Beschluss vom 2. April 2015 - 18 UF 253/14 - juris Rn. 15; OLG Koblenz FamRZ 2014, 319; BeckOK BGB/Veit [Stand: 1. Mai 2015] § 1626 a Rn. 30.1; a.A. BeckOGK BGB/Schumann [Stand: 1. September 2015] § 1626 a Rn. 100; Staudinger/Coester BGB [2015] § 1626 a Rn. 88).
15
cc) Dass der Gesetzgeber die Voraussetzungen in § 1671 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 BGB positiv und in § 1626 a Abs. 2 Satz 1 BGB negativ formuliert hat, berücksichtigt die unterschiedliche rechtliche Ausgangssituation, begründet aber im Ergebnis keine materiell-rechtlichen Unterschiede hinsichtlich der Ausübung der gemeinsamen Sorge durch beide Eltern. Während nach § 1626 a Abs. 2 Satz 1 BGB zu entscheiden ist, ob die gemeinsame elterliche Sorge begründet werden soll, muss nach § 1671 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 BGB geprüft werden, ob die bestehende gemeinsame elterliche Sorge aufzuheben ist. In beiden Fällen ist letztlich zu entscheiden, ob im wohlverstandenen Interesse des Kindes die Eltern zukünftig die elterliche Sorge gemeinsam ausüben sollen oder ob die Sorge aus Kindeswohlgründen nur einem Elternteil allein zuzuweisen bzw. zu belassen ist. Dass in den Fällen des § 1671 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 BGB im Gegensatz zum Fall des § 1626 a Abs. 2 BGB von zusammenlebenden Eltern eine Sorgegemeinschaft bisher schon gelebt worden ist (vgl. Staudinger/Coester BGB [2015] § 1626 a Rn. 88), ist zwar als tatsächlicher Gesichtspunkt zu berücksichtigen , besagt aber nichts zu dem anzuwendenden Maßstab, der in beiden Fällen der gleiche ist. Sowohl im Rahmen der erstmaligen Anordnung als auch bei der Aufhebung der bestehenden gemeinsamen elterlichen Sorge setzt eine Entscheidung gegen die gemeinsame elterliche Sorge die Feststellung voraus, dass die gemeinsame elterliche Sorge dem Kindeswohl widerspricht.
16
Auch nach § 1671 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 BGB darf die elterliche Sorge nur dann einem Elternteil allein zugewiesen werden, wenn die Voraussetzungen der Ausübung der gemeinsamen Sorge fehlen (vgl. BVerfG FamRZ 1995, 789, 792). Damit ist sichergestellt, dass sich die Wahrnehmung des Elternrechts am Kindeswohl ausrichtet und dass die Rechte des Kindes Beachtung finden (vgl. BVerfG FamRZ 2010, 1403, 1405). Die Alleinsorge ist daher anzuordnen, wenn die gemeinsame elterliche Sorge aus Kindeswohlgründen ausscheidet (KG FamRZ 1999, 616; Palandt/Götz BGB 75. Aufl. § 1671 Rn. 12; vgl. OLG Brandenburg [2. FamS] Beschluss vom 15. Februar 2016 - 10 UF 216/14 - juris Rn. 37), also dem Kindeswohl widerspricht. Dem entspricht der Maßstab des § 1626 a Abs. 2 Satz 1 BGB, nach dem die alleinige Sorge nur aufrechterhalten bleibt, wenn das Gericht feststellt, dass die Übertragung der gemeinsamen Sorge auf die Eltern dem Kindeswohl widerspricht. Deshalb ist es auch sachgerecht , in beiden Fällen dieselben Grundsätze anzuwenden (vgl. auch BVerfG FamRZ 2010, 1403 Rn. 58 sowie EGMR FamRZ 2010, 103, 106).
17
dd) Dass im Rahmen von § 1626 a Abs. 2 BGB und § 1671 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 BGB keine unterschiedlichen materiell-rechtlichen Voraussetzungen gelten , wird durch den systematischen Zusammenhang der beiden Gesetzesnormen gestützt. Wären an die Übertragung der Sorge auf die Eltern gemeinsam geringere Anforderungen zu stellen als an die Aufrechterhaltung der gemein- samen elterlichen Sorge im Fall des § 1671 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 BGB, so könnte es zu dem widersprüchlichen Ergebnis kommen, dass nach Übertragung der Sorge auf die Eltern gemeinsam auf entsprechenden Antrag der Mutter dieser die alleinige Sorge nach §§ 1696 Abs. 1 Satz 2, 1671 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 BGB ohne Bindung an die vorherige Sorgerechtsübertragung sogleich wieder zurückübertragen werden müsste.
18
b) Die Entscheidung hängt in den beiden von § 1626 a Abs. 2 BGB erfassten Verfahrenskonstellationen davon ab, ob die Übertragung der elterlichen Sorge auf die Eltern gemeinsam dem Kindeswohl widerspricht.
19
aa) Wie bei § 1671 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 BGB sind alle für und gegen die gemeinsame Sorge sprechenden Umstände im Rahmen einer einzelfallbezogenen und umfassenden Betrachtung gegeneinander abzuwägen (vgl. Senatsbeschluss BGHZ 185, 272 = FamRZ 2010, 1060 Rn. 18 ff.; BVerfG FamRZ 2010, 1403 Rn. 58).
20
Gewichtige Gesichtspunkte des Kindeswohls sind die Erziehungseignung der Eltern, die Bindungen des Kindes, die Prinzipien der Förderung und der Kontinuität sowie die Beachtung des Kindeswillens. Diese Kriterien stehen aber nicht kumulativ nebeneinander. Jedes von ihnen kann im Einzelfall mehr oder weniger bedeutsam für die Beurteilung sein, was dem Kindeswohl entspricht. Zu berücksichtigen sind dabei auch die durch Art. 6 Abs. 2 Satz 1 GG gewährleisteten Elternrechte (Senatsbeschluss BGHZ 185, 272 = FamRZ 2010, 1060 Rn. 19 f.).
21
bb) Bei der Entscheidung über die Anordnung oder Aufhebung der gemeinsamen elterlichen Sorge ist auch zu berücksichtigen, wenn es im Verhältnis der Eltern an einer Grundlage für ein Zusammenwirken im Sinne des Kin- deswohls fehlt. Ein nachhaltiger und tiefgreifender Elternkonflikt kann zur Folge haben, dass die gemeinsame elterliche Sorge dem Kindeswohl widerspricht.
22
(1) Das Vorliegen eines Elternkonflikts oder die Ablehnung der gemeinsamen elterlichen Sorge durch die Mutter sprechen für sich genommen allerdings noch nicht gegen die gemeinsame elterliche Sorge (BT-Drucks. 17/11048 S. 17). Allein die Verweigerungshaltung eines Elternteils ist kein entscheidender Gesichtspunkt dafür, dass die Beibehaltung oder Übertragung der gemeinsamen elterlichen Sorge dem Kindeswohl widerspricht (vgl. OLG Köln NJW-RR 2008, 1319, 1320). Dass Eltern in Einzelfragen verschiedener Meinung sind und ihre Meinungsverschiedenheiten im Einzelfall streitig ausgetragen haben, genügt ebenfalls nicht, um die gemeinsame elterliche Sorge abzulehnen. Es gehört zur Normalität im Eltern-Kind-Verhältnis, dass sich in Einzelfragen die für das Kind beste Lösung erst aus Kontroversen herausbildet (OLG Karlsruhe Beschluss vom 2. April 2015 - 18 UF 253/14 - juris Rn. 16). Hierdurch können sogar mehr Argumente abgewogen werden als bei Alleinentscheidungen und so dem Kindeswohl besser entsprechende Ergebnisse erreicht werden (vgl. BTDrucks. 17/11048 S. 17; KG FamRZ 2011, 1659). Insbesondere sieht das Gesetz für einzelne kontrovers diskutierte und von den Eltern nicht lösbare Fragen mit § 1628 BGB ein geeignetes Instrumentarium vor.
23
(2) Die gemeinsame Ausübung der Elternverantwortung setzt allerdings ein Mindestmaß an Übereinstimmung in wesentlichen Bereichen der elterlichen Sorge und insgesamt eine tragfähige soziale Beziehung zwischen den Eltern voraus (Senatsbeschluss vom 12. Dezember 2007 - XII ZB 158/05 - FamRZ 2008, 592 Rn. 11 mwN; BT-Drucks. 17/11048 S. 17 mwN).
24
Die gemeinsame elterliche Sorge ist daher nicht anzuordnen, wenn eine schwerwiegende und nachhaltige Störung auf der Kommunikationsebene der Eltern vorliegt, die befürchten lässt, dass den Eltern eine gemeinsame Entscheidungsfindung nicht möglich sein wird und das Kind folglich erheblich belastet würde, würde man die Eltern zwingen, die Sorge gemeinsam zu tragen (OLG Schleswig FamRZ 2014, 1374, 1375; KG FamRZ 2014, 1375; OLG Koblenz FamRZ 2014, 319; BT-Drucks. 17/11048 S. 17; vgl. auch OLG Stuttgart [11. ZS] FamRZ 2015, 674; OLG Brandenburg [2. FamS] FamRZ 2014, 1856; OLG Köln NJW-RR 2008, 1319, 1320; Schilling NJW 2007, 3233, 3238). Maßgeblich ist, welche Auswirkungen die mangelnde Einigungsfähigkeit der Eltern bei einer Gesamtbeurteilung der Verhältnisse auf die Entwicklung und das Wohl des Kindes haben wird (Senatsbeschluss vom 29. September 1999 - XII ZB 3/99 - FamRZ 1999, 1646, 1648). Die Gefahr einer erheblichen Belastung des Kindes kann sich im Einzelfall auch aus der Nachhaltigkeit und der Schwere des Elternkonflikts ergeben.
25
(3) Eine vollständige Kommunikationsverweigerung der Eltern muss allerdings nicht gegeben sein (a.A. OLG Brandenburg [4. FamS] FamRZ 2016, 240, 243). Die Kommunikation der Eltern ist bereits dann schwer und nachhaltig gestört, wenn sie zwar miteinander in Kontakt treten, hierbei aber regelmäßig nicht in der Lage sind, sich in der gebotenen Weise sachlich über die Belange des Kindes auszutauschen und auf diesem Wege zu einer gemeinsamen Entscheidung zu gelangen. Dann ist zu prüfen, ob hierdurch eine erhebliche Belastung des Kindes zu befürchten ist.
26
Entgegen einer in der Rechtsprechung vertretenen Meinung (OLG Brandenburg [4. FamS] FamRZ 2016, 240, 243; OLG Celle [10. ZS] FamRZ 2014, 857; OLG Stuttgart [16. ZS] FamRZ 2014, 1715, 1716) muss die Belastung des Kindes nicht bereits tatsächlich bestehen. Es genügt die begründete Befürchtung , dass es zu einer solchen Belastung kommt (OLG Celle [15. ZS] FamRZ 2016, 385, 386; vgl. auch Senatsbeschluss vom 15. November 2007 - XII ZB 136/04 - FamRZ 2008, 251 Rn. 24).
27
Dafür genügt die begründete Besorgnis, dass die Eltern auch in Zukunft nicht in der Lage sein werden, ihre Streitigkeiten in wesentlichen Bereichen der elterlichen Sorge konstruktiv und ohne gerichtliche Auseinandersetzungen beizulegen. Denn ein fortgesetzter destruktiver Elternstreit führt für ein Kind zwangsläufig zu erheblichen Belastungen (Senatsbeschluss vom 12. Dezember 2007 - XII ZB 158/05 - FamRZ 2008, 592 Rn. 15; Gödde ZfJ 2004, 201, 207, 209; vgl. auch Senatsbeschluss vom 15. November 2007 - XII ZB 136/04 - FamRZ 2008, 251 Rn. 24). Notwendig ist hierfür die Einschätzung im Einzelfall, ob der Elternkonflikt so nachhaltig und so tiefgreifend ist, dass gemeinsame, dem Kindeswohl dienliche Entscheidungen der Eltern in den wesentlichen Belangen der elterlichen Sorge auch für die Zukunft nicht gewährleistet sind (vgl. Senatsbeschluss vom 15. November 2007 - XII ZB 136/04 - FamRZ 2008, 251 Rn. 23).
28
Ebenfalls nicht erforderlich ist die teilweise geforderte zusätzliche Feststellung einer günstigen Prognose der Alleinsorge eines Elternteils dahingehend , dass die Eltern aufgrund der gerichtlichen Entscheidung für die Alleinsorge ihren Streit nicht fortsetzen werden (a.A. OLG Brandenburg [4. FamS] FamRZ 2016, 240, 243 und FamRZ 2015, 760, 762). In die Abwägung ist vielmehr einzubeziehen, ob durch die Alleinsorge die Konfliktfelder zwischen den Eltern eingegrenzt werden, was für sich genommen bereits dem Kindeswohl dienlich sein kann (vgl. Staudinger/Coester BGB [2016] § 1671 Rn. 137), während bereits das Risiko, dass das Kind durch die Begründung der gemeinsamen Sorge verstärkt dem fortdauernden Konflikt der Eltern ausgesetzt wird, dem Kindeswohl entgegenstehen kann (vgl. Senatsbeschluss vom 15. November 2007 - XII ZB 136/04 - FamRZ 2008, 251 Rn. 24).
29
(4) Zu den wesentlichen Bereichen der elterlichen Sorge, für die ein Mindestmaß an Verständigungsmöglichkeiten gefordert werden muss, gehören alle nach § 1687 Abs. 1 Satz 1 BGB gemeinsam zu treffenden Entscheidungen, zu denen entgegen der Auffassung des Oberlandesgerichts auch die Grundentscheidungen über den persönlichen Umgang des Kindes mit dem nicht betreuenden Elternteil zählen (Senatsbeschluss vom 12. Dezember 2007 - XII ZB 158/05 - FamRZ 2008, 592 Rn. 12 mwN; Schilling NJW 2007, 3233, 3234). Die Art und Weise, wie die Eltern insoweit in der Lage zu gemeinsamen Entscheidungen sind, kann bei der Gesamtabwägung nicht unberücksichtigt bleiben.
30
c) In verfahrensrechtlicher Hinsicht bestehen bei der Übertragung der Sorge auf die Eltern gemeinsam nach § 1626 a Abs. 2 BGB gegenüber den Fällen des § 1671 BGB Besonderheiten im Hinblick auf den Umfang der gerichtlichen Sachverhaltsaufklärung.
31
aa) Während nach § 1671 Abs. 1 BGB, abgesehen vom Fall der Zustimmung des sorgeberechtigten Elternteils, keine Einschränkungen der Amtsermittlungspflicht sowie der gebotenen Anhörung Verfahrensbeteiligter und des Jugendamts vorgesehen sind, genügt es gemäß § 1626 a Abs. 2 Satz 2 BGB für die gerichtliche Übertragung der elterlichen Sorge auf die Eltern gemeinsam bereits, dass der andere Elternteil keine Gründe vorträgt, die der Übertragung der gemeinsamen elterlichen Sorge entgegenstehen können, und solche Gründe auch sonst nicht ersichtlich sind. Dem entspricht die verfahrensrechtliche Regelung in § 155 a Abs. 3 FamFG. Danach soll das Gericht in den Fällen des § 1626 a Abs. 2 Satz 2 BGB im schriftlichen Verfahren ohne Anhörung des Jugendamts und ohne persönliche Anhörung der Eltern entscheiden. Die persönliche Anhörung des Kindes ist allerdings durch die Regelung nicht einge- schränkt (Prütting/Helms/Hammer FamFG 3. Aufl. § 155 a Rn. 31; BTDrucks. 17/11048 S. 23).
32
Da nach § 1626 a Abs. 2 Satz 2 BGB bereits die Möglichkeit ausreicht, dass die Gründe einer gemeinsamen Sorge entgegenstehen, sind an deren Darlegung keine hohen Anforderungen zu stellen. Erforderlich ist, dass sich aus den dem Gericht vorliegenden Entscheidungsgrundlagen aufgrund konkreter tatsächlicher Anhaltspunkte die Möglichkeit ergibt, dass die gemeinsame elterliche Sorge nicht mit dem Kindeswohl vereinbar ist. Hinreichende Anhaltspunkte sind nicht erst dann gegeben, wenn der Tatsachenvortrag genügt, um in einer den Maßgaben der Rechtsprechung folgenden umfassenden Abwägung festzustellen , dass die gemeinsame elterliche Sorge dem Kindeswohl widerspricht (a.A. OLG Brandenburg [4. FamS] FamRZ 2016, 240, 243). Unbeachtlich sind dagegen Umstände, die keinen Bezug zum konkreten Fall oder dem Wohl des Kindes aufweisen (OLG Karlsruhe FamRZ 2014, 1797, 1798; vgl. auch die Beispiele in BT-Drucks. 17/11048 S. 18 sowie Prütting/Helms/Hammer FamFG 3. Aufl. § 155 a Rn. 23 ff.). Es genügt aber, wenn konkrete tatsächliche Umstände dargelegt werden oder erkennbar sind, die ein Indiz gegen die gemeinsame elterliche Sorge sein können (vgl. OLG Bremen FamRZ 2015, 2170, 2171; OLG Karlsruhe FamRZ 2014, 1797, 1798; OLG Frankfurt FamRZ 2014, 852, 853; BeckOK FamFG/Schlünder [Stand: 1. Januar 2016] § 155 a Rn. 16a). Liegen hinreichende Anhaltspunkte vor, löst dies die Amtsermittlungspflicht aus und führt zur im normalen Sorgerechtsverfahren durchzuführenden umfassenden Prüfung (OLG Karlsruhe FamRZ 2014, 1797, 1798; Staudinger/Coester BGB [2015] § 1626 a Rn. 119).
33
bb) Durch die in § 1626 a Abs. 2 Satz 2 BGB, § 155 a Abs. 3 FamFG getroffene Regelung schränkt das Gesetz den Amtsermittlungsgrundsatz nach §§ 26, 155 ff. FamFG ein (BT-Drucks. 17/11048 S. 18; Prütting/Helms/Hammer FamFG 3. Aufl. § 155 a Rn. 15). Es sieht unter den genannten Voraussetzungen eine hinreichende tatsächliche Entscheidungsgrundlage auch ohne erschöpfende Sachverhaltsaufklärung als gegeben an. Bereits auf Grundlage dieser nur eingeschränkt durchgeführten Amtsermittlung greift die in § 1626 a Abs. 2 Satz 2 BGB vorgesehene (Tatsachen-)Vermutung, dass die Übertragung der Sorge auf die Eltern gemeinsam dem Kindeswohl nicht widerspricht.
34
cc) Außerhalb von § 1626 a Abs. 2 Satz 2 BGB sieht das Gesetz hingegen keine Einschränkungen der gerichtlichen Amtsermittlungspflicht vor. Für das Verfahren in allen anderen Fällen - wie auch nach einer Überleitung gemäß § 155 a Abs. 4 FamFG - bestehen dann keine Besonderheiten. Es gelten wie im Verfahren zur Entscheidung nach § 1671 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 BGB die allgemeinen Verfahrensvorschriften, insbesondere hat nach § 26 FamFG eine erschöpfende Amtsaufklärung aller für das Kindeswohl erheblichen Umstände zu erfolgen (OLG Celle [15. ZS] FamRZ 2016, 385 f.; OLG Stuttgart [11. ZS] FamRZ 2015, 674; OLG Frankfurt FamRZ 2014, 1120; BT-Drucks. 17/11048 S. 23; Staudinger/Coester BGB [2015] § 1626 a Rn. 86; BeckOK BGB/Veit [Stand: 1. Mai 2015] § 1626 a Rn. 26).
35
Eine in Rechtsprechung und Literatur mit dem Oberlandesgericht vertretene Ansicht, nach der die Neuregelung ein Regel-Ausnahme-Verhältnis, einen Vorrang oder eine Vermutung zugunsten der gemeinsamen elterlichen Sorge begründe (vgl. OLG Brandenburg [1. FamS] Beschluss vom 12. März 2015 - 9 UF 214/14 - juris Rn. 9; OLG Brandenburg [4. FamS] FamRZ 2016, 240, 242 und FamRZ 2015, 760; OLG Celle [10. ZS] FamRZ 2014, 857, 858; Erman/Döll BGB 14. Aufl. § 1626 a Rn. 9; MünchKommFamFG/Schumann 2. Aufl. § 155 a Rn. 16; vgl. auch OLG Stuttgart [16. ZS] FamRZ 2014, 1715), und die Auffassung , für Umstände, die der Übertragung der Sorge gemeinsam entgegenste- hen, sei ein höheres Beweismaß zu fordern (OLG Nürnberg FamRZ 2014, 571 f.), finden im Gesetz keine Stütze.
36
Das Bundesverfassungsgericht und der Senat haben einen so verstandenen Vorrang der gemeinsamen elterlichen Sorge in Fällen des § 1671 BGB abgelehnt (BVerfG FamRZ 2004, 354, 355; Senatsbeschlüsse vom 11. Mai 2005 - XII ZB 33/04 - FamRZ 2005, 1167; vom 15. November 2007 - XII ZB 136/04 - FamRZ 2008, 251 Rn. 24 und vom 12. Dezember 2007 - XII ZB 158/05 - FamRZ 2008, 592 Rn. 10; vgl. Schilling NJW 2007, 3233, 3237 f.).
37
Davon ist der Gesetzgeber auch bei der Neufassung des § 1626 a BGB ausgegangen. Die Begründung des Gesetzentwurfs verweist darauf, dass außerhalb der ausdrücklich geregelten Vermutung des § 1626 a Abs. 2 Satz 2 BGB die Prüfung, ob die gemeinsame Sorge dem Kindeswohl widerspricht, unter uneingeschränkter Geltung des Amtsermittlungsgrundsatzes erfolgen muss (BT-Drucks. 17/11048 S. 18). Eine auf unvollständiger Sachverhaltsermittlung beruhende Vermutung stellt das Gesetz somit nur in § 1626 a Abs. 2 Satz 2 BGB für den dort genannten Fall auf. Daraus folgt im Umkehrschluss, dass es im Übrigen bei der Anwendbarkeit der allgemeinen Verfahrensvorschriften verbleibt (vgl. BT-Drucks. 17/11048 S. 23). Der Sachverhalt ist dann vom Familiengericht umfassend und ergebnisoffen aufzuklären (Staudinger/Coester BGB [2015] § 1626 a Rn. 79; BeckOK BGB/Veit [Stand: 1. Mai 2016] § 1626 a Rn. 26).
38
Erst wenn sich nach erschöpfender Sachaufklärung nicht feststellen lässt, dass die gemeinsame Sorge dem Kindeswohl widerspricht, ergibt sich aus der negativen Formulierung der Kindeswohlprüfung eine gesetzgeberische Entscheidung zur (objektiven) Feststellungslast. Aus dieser insoweit entspre- chend dem gesetzlichen Leitbild zu Lasten der Aufrechterhaltung der Alleinsorge der Mutter getroffenen Regelung folgt, dass im Zweifelsfall die Übertragung der elterlichen Sorge auf die Eltern gemeinsam auszusprechen ist.
39
3. Gemessen an diesen Maßstäben ist das Oberlandesgericht zu Unrecht von einem Fall des § 1626 a Abs. 2 Satz 2 BGB ausgegangen. Folglich durfte es auch nicht im vereinfachten Verfahren nach § 155 a Abs. 3 FamFG entscheiden. Ob ein Wechsel vom Regelverfahren zum vereinfachten Verfahren in der Beschwerdeinstanz zulässig war, braucht daher nicht entschieden zu werden.
40
Entgegen der Auffassung des Oberlandesgerichts hat die Mutter Gründe vorgetragen, die der gemeinsamen elterlichen Sorge entgegenstehen können. Solche Gründe ergeben sich zudem mit hinreichender Deutlichkeit aus den Stellungnahmen des Verfahrensbeistands und des Jugendamts, welche das Amtsgericht auch zu einer Zurückweisung des Antrags veranlasst haben.
41
Dass hinreichende Gründe im Sinne von § 1626 a Abs. 2 Satz 2 BGB vorgetragen und ersichtlich sind, ergibt sich überdies bereits aus der Begründung des angefochtenen Beschlusses. Denn das Oberlandesgericht ist selbst von einer offensichtlich unzulänglichen, dringend verbesserungsbedürftigen Kommunikation zwischen den Eltern ausgegangen und hat darin eine Ursache gesehen, von der zu befürchten sei, dass sie Leid und Kummer des Kindes bewirke. Damit liegen ausreichende Gründe vor, die die Durchführung des Regelverfahrens mit einer vollständigen Amtsaufklärung erfordern. Ob dieses letztlich zu einer Ablehnung der gemeinsamen Sorge führt, ist erst nach erschöpfender Aufklärung zu beurteilen. Denn jedenfalls aufgrund des von ihm erreichten Aufklärungsstands war dem Oberlandesgericht eine abschließende Würdigung und eine Übertragung der elterlichen Sorge auf die Eltern gemeinsam verwehrt.

III.

42
Die Beschwerdeentscheidung ist gemäß § 74 Abs. 5 FamFG aufzuheben. In Anbetracht der bislang unvollständigen Tatsachenaufklärung ist die Sache noch nicht zur Endentscheidung reif. Sie ist daher an das Oberlandesgericht zurückzuverweisen (§ 74 Abs. 6 Satz 1 FamFG).
43
Für das weitere Verfahren weist der Senat darauf hin, dass das Oberlandesgericht nunmehr das Verfahren nach § 155 FamFG durchzuführen hat und hierzu gemäß § 68 Abs. 3 FamFG - zumal bei einer Abweichung von dem vorinstanzlichen Ergebnis - sämtliche gebotenen Anhörungen der Verfahrensbeteiligten und des - bisher mangels Antrags gemäß § 162 Abs. 2 Satz 2 FamFG nicht förmlich beteiligten - Jugendamts durchzuführen hat.
44
Dabei wird auch das betroffene Kind anzuhören sein. Entgegen einer in Rechtsprechung und Literatur vertretenen Auffassung (OLG Karlsruhe Beschluss vom 2. April 2015 - 18 UF 253/14 - juris Rn. 38 und FamRZ 2015, 2168, 2170; MünchKommFamFG/Schumann 2. Aufl. § 155 a Rn. 20; Johannsen/ Henrich/Büte Familienrecht 6. Aufl. § 155 a FamFG Rn. 13) kann auf die Anhörung von Kindern, die das 14. Lebensjahr noch nicht vollendet haben, grundsätzlich nicht verzichtet werden. Gemäß § 159 Abs. 2 FamFG ist ein solches Kind dann persönlich anzuhören, wenn die Neigungen, Bindungen oder der Wille des Kindes für die Entscheidung von Bedeutung sind oder wenn eine persönliche Anhörung aus sonstigen Gründen angezeigt ist. Die Neigungen, Bindungen und der Kindeswille sind gewichtige Gesichtspunkte des Kindeswohls (Senatsbeschluss BGHZ 185, 272 = FamRZ 2010, 1060 Rn. 19), so dass in allen Verfahren betreffend das Sorgerecht regelmäßig eine Anhörung auch des unter 14 Jahre alten Kindes erforderlich ist (Prütting/Helms/Hammer FamFG 3. Aufl. § 159 Rn. 7; Keidel/Engelhardt FamFG 18. Aufl. § 159 Rn. 8).
45
Die persönliche Anhörung dient neben der Gewährung des rechtlichen Gehörs vor allem auch der Sachaufklärung (Senatsbeschluss vom 11. Juli 1984 - IVb ZB 73/83 - FamRZ 1985, 169, 172). Dass die Mutter als Inhaberin der alleinigen Sorge das am Verfahren beteiligte Kind in diesem Verfahren grundsätzlich vertritt (vgl. Senatsbeschluss BGHZ 191, 48 = FamRZ 2011, 1788 Rn. 8), kann die persönliche Anhörung nicht ersetzen.
46
Die Anhörung kann auch regelmäßig nicht deswegen abgelehnt werden, weil dem Kind die abstrakte rechtliche Konstruktion der gemeinsamen elterlichen Sorge nicht vermittelbar sei (a.A. OLG Karlsruhe FamRZ 2015, 2168, 2170; OLG Brandenburg [4. FamS] FamRZ 2016, 240, 242). Dies verkennt, dass es Aufgabe des Gerichts ist, das Verfahren, insbesondere die Umstände sowie die Art und Weise der Kindesanhörung, unter Berücksichtigung des Alters , des Entwicklungsstands und der sonstigen Fähigkeiten des Kindes so zu gestalten, dass das Kind seine persönlichen Beziehungen zu den Eltern erkennbar werden lassen kann (vgl. § 159 Abs. 4 FamFG). Denn in der Regel wird eine Entscheidung den Belangen des Kindes nur dann gerecht, wenn es diese Möglichkeit hat (BVerfG FamRZ 1981, 124, 126). Wegen fehlender Äußerungsfähigkeit wird nur bei sehr jungen Kindern (zur in der Rechtsprechung verbreitet vertretenen Altersgrenze von etwa drei Jahren vgl. Senatsurteil vom 12. Februar 1992 - XII ZR 53/91 - DAVorm 1992, 499, 507 mwN) oder bei aufgrund besonderer Umstände erheblich eingeschränkter Fähigkeit des Kindes, sich zu seinem Willen und seinen Beziehungen zu äußern, auf die Anhörung verzichtet werden können. Regelmäßig wird der Richter erst im Verlauf der Anhörung feststellen können, ob und in welcher Weise er mit dem Kind über den Verfahrensgegenstand sprechen kann (vgl. Carl FamRZ 2016, 244, 245). Selbst wenn das Kind seine Wünsche nicht unmittelbar zum Ausdruck bringen kann, ergeben sich möglicherweise aus dem Verhalten des Kindes Rückschlüsse auf dessen Wünsche oder Bindungen (Senatsurteil vom 12. Februar 1992 - XII ZR 53/91 - DAVorm 1992, 499, 507). Gegen die Anhörung des Kindes spricht auch nicht, dass es vielen Kindern gleichgültig ist, ob ein Elternteil allein oder beide gemeinsam die elterliche Sorge ausüben (so Johannsen /Henrich/Büte Familienrecht 6. Aufl. § 155 a FamFG Rn. 13). Erst durch eine persönliche Anhörung kann überprüft werden, ob auch das im Einzelfall betroffene Kind so empfindet.
47
Die Belastung für das Kind kann nur im Ausnahmefall ein Grund sein, gemäß § 159 Abs. 3 Satz 1 FamFG von der Anhörung abzusehen (vgl. Carl/Karle in Carl/Clauß/Karle Kindesanhörung im Familienrecht Rn. 401 ff.). Eine eventuell gegebene Belastung des Kindes ist durch die Gestaltung der Anhörung auf ein zumutbares Maß zu reduzieren. Dose Klinkhammer Nedden-Boeger Guhling Krüger
Vorinstanzen:
AG Perleberg, Entscheidung vom 25.02.2015 - 16.1 F 13/13 -
OLG Brandenburg, Entscheidung vom 03.08.2015 - 13 UF 50/15 -

(1) Sind die Eltern bei der Geburt des Kindes nicht miteinander verheiratet, so steht ihnen die elterliche Sorge gemeinsam zu,

1.
wenn sie erklären, dass sie die Sorge gemeinsam übernehmen wollen (Sorgeerklärungen),
2.
wenn sie einander heiraten oder
3.
soweit ihnen das Familiengericht die elterliche Sorge gemeinsam überträgt.

(2) Das Familiengericht überträgt gemäß Absatz 1 Nummer 3 auf Antrag eines Elternteils die elterliche Sorge oder einen Teil der elterlichen Sorge beiden Eltern gemeinsam, wenn die Übertragung dem Kindeswohl nicht widerspricht. Trägt der andere Elternteil keine Gründe vor, die der Übertragung der gemeinsamen elterlichen Sorge entgegenstehen können, und sind solche Gründe auch sonst nicht ersichtlich, wird vermutet, dass die gemeinsame elterliche Sorge dem Kindeswohl nicht widerspricht.

(3) Im Übrigen hat die Mutter die elterliche Sorge.

(1) Leben Eltern nicht nur vorübergehend getrennt und steht ihnen die elterliche Sorge gemeinsam zu, so kann jeder Elternteil beantragen, dass ihm das Familiengericht die elterliche Sorge oder einen Teil der elterlichen Sorge allein überträgt. Dem Antrag ist stattzugeben, soweit

1.
der andere Elternteil zustimmt, es sei denn, das Kind hat das 14. Lebensjahr vollendet und widerspricht der Übertragung, oder
2.
zu erwarten ist, dass die Aufhebung der gemeinsamen Sorge und die Übertragung auf den Antragsteller dem Wohl des Kindes am besten entspricht.

(2) Leben Eltern nicht nur vorübergehend getrennt und steht die elterliche Sorge nach § 1626a Absatz 3 der Mutter zu, so kann der Vater beantragen, dass ihm das Familiengericht die elterliche Sorge oder einen Teil der elterlichen Sorge allein überträgt. Dem Antrag ist stattzugeben, soweit

1.
die Mutter zustimmt, es sei denn, die Übertragung widerspricht dem Wohl des Kindes oder das Kind hat das 14. Lebensjahr vollendet und widerspricht der Übertragung, oder
2.
eine gemeinsame Sorge nicht in Betracht kommt und zu erwarten ist, dass die Übertragung auf den Vater dem Wohl des Kindes am besten entspricht.

(3) Ruht die elterliche Sorge der Mutter nach § 1751 Absatz 1 Satz 1, so gilt der Antrag des Vaters auf Übertragung der gemeinsamen elterlichen Sorge nach § 1626a Absatz 2 als Antrag nach Absatz 2. Dem Antrag ist stattzugeben, soweit die Übertragung der elterlichen Sorge auf den Vater dem Wohl des Kindes nicht widerspricht.

(4) Den Anträgen nach den Absätzen 1 und 2 ist nicht stattzugeben, soweit die elterliche Sorge auf Grund anderer Vorschriften abweichend geregelt werden muss.

(1) Ehe und Familie stehen unter dem besonderen Schutze der staatlichen Ordnung.

(2) Pflege und Erziehung der Kinder sind das natürliche Recht der Eltern und die zuvörderst ihnen obliegende Pflicht. Über ihre Betätigung wacht die staatliche Gemeinschaft.

(3) Gegen den Willen der Erziehungsberechtigten dürfen Kinder nur auf Grund eines Gesetzes von der Familie getrennt werden, wenn die Erziehungsberechtigten versagen oder wenn die Kinder aus anderen Gründen zu verwahrlosen drohen.

(4) Jede Mutter hat Anspruch auf den Schutz und die Fürsorge der Gemeinschaft.

(5) Den unehelichen Kindern sind durch die Gesetzgebung die gleichen Bedingungen für ihre leibliche und seelische Entwicklung und ihre Stellung in der Gesellschaft zu schaffen wie den ehelichen Kindern.

Können sich die Eltern in einer einzelnen Angelegenheit oder in einer bestimmten Art von Angelegenheiten der elterlichen Sorge, deren Regelung für das Kind von erheblicher Bedeutung ist, nicht einigen, so kann das Familiengericht auf Antrag eines Elternteils die Entscheidung einem Elternteil übertragen. Die Übertragung kann mit Beschränkungen oder mit Auflagen verbunden werden.

11
b) Zutreffend ist das Oberlandesgericht davon ausgegangen, dass eine dem Kindeswohl entsprechende gemeinsame Ausübung der Elternverantwortung ein Mindestmaß an Übereinstimmung in wesentlichen Bereichen der elterlichen Sorge und insgesamt eine tragfähige soziale Beziehung zwischen den Eltern voraussetzt (BVerfG FamRZ 2004, 354, 355; BVerfG FamRZ 2004, 1015, 1016). Die Überprüfung dieser Voraussetzungen muss anhand konkreter tatrichterlicher Feststellungen erfolgen und darf sich nicht auf formelhafte Wendungen beschränken (Senatsbeschluss vom 11. Mai 2005 - XII ZB 33/04 - FamRZ 2005, 1167).
24
Für die Begründung eines gemeinsamen Sorgerechts spricht auch nicht der Einwand der Rechtsbeschwerde, selbst eine fehlende Kommunikationsbereitschaft der Eltern entbinde diese nicht von der Pflicht, auf der "Elternebene" zum Wohle des Kindes zu kooperieren und einen Konsens zu suchen. Art. 224 § 2 Abs. 3 EGBGB enthält wie § 1671 Abs. 2 BGB keine gesetzliche Vermutung dafür, dass die gemeinsame Sorge im Zweifel die beste Form der Wahrnehmung elterlicher Verantwortung ist (vgl. Senatsbeschlüsse vom 11. Mai 2005 - XII ZB 33/04 - FamRZ 2005, 1167 und vom 29. September 1999 - XII ZB 3/99 - FamRZ 1999, 1646, 1647; BT-Drucks. 13/4899 S. 63). Einem solchen normativen Vorrang der gemeinsamen Sorge stünde bereits entgegen, dass sich elterliche Gemeinsamkeit in der Realität nicht verordnen lässt (vgl. Senats- beschluss vom 29. September 1999 - XII ZB 3/99 - FamRZ 1999, 1646, 1647). Sofern das Gericht davon überzeugt ist, dass die Eltern auch in absehbarer Zukunft keine gemeinsame Kommunikationsbasis für das Kind betreffende Fragen finden können, darf es vielmehr davon ausgehen, dass eine Begründung der gemeinsamen Sorge mehr Nachteile als Vorteile für das Kind mit sich bringen würde (vgl. BVerfGE 107, 150, 173 f. = FamRZ 2003, 285, 289). In diesem Fall hat es bei der Alleinsorge zu bleiben, auch wenn wichtige Sorgerechtsfragen im Sinne von § 1687 Abs. 1 Satz 1 BGB im Entscheidungszeitpunkt nicht anstehen. Bereits das Risiko, dass das Kind durch die Begründung der gemeinsamen Sorge verstärkt dem fortdauernden Konflikt der Eltern ausgesetzt wird, steht regelmäßig der Feststellung der Kindeswohldienlichkeit entgegen.
11
b) Zutreffend ist das Oberlandesgericht davon ausgegangen, dass eine dem Kindeswohl entsprechende gemeinsame Ausübung der Elternverantwortung ein Mindestmaß an Übereinstimmung in wesentlichen Bereichen der elterlichen Sorge und insgesamt eine tragfähige soziale Beziehung zwischen den Eltern voraussetzt (BVerfG FamRZ 2004, 354, 355; BVerfG FamRZ 2004, 1015, 1016). Die Überprüfung dieser Voraussetzungen muss anhand konkreter tatrichterlicher Feststellungen erfolgen und darf sich nicht auf formelhafte Wendungen beschränken (Senatsbeschluss vom 11. Mai 2005 - XII ZB 33/04 - FamRZ 2005, 1167).
24
Für die Begründung eines gemeinsamen Sorgerechts spricht auch nicht der Einwand der Rechtsbeschwerde, selbst eine fehlende Kommunikationsbereitschaft der Eltern entbinde diese nicht von der Pflicht, auf der "Elternebene" zum Wohle des Kindes zu kooperieren und einen Konsens zu suchen. Art. 224 § 2 Abs. 3 EGBGB enthält wie § 1671 Abs. 2 BGB keine gesetzliche Vermutung dafür, dass die gemeinsame Sorge im Zweifel die beste Form der Wahrnehmung elterlicher Verantwortung ist (vgl. Senatsbeschlüsse vom 11. Mai 2005 - XII ZB 33/04 - FamRZ 2005, 1167 und vom 29. September 1999 - XII ZB 3/99 - FamRZ 1999, 1646, 1647; BT-Drucks. 13/4899 S. 63). Einem solchen normativen Vorrang der gemeinsamen Sorge stünde bereits entgegen, dass sich elterliche Gemeinsamkeit in der Realität nicht verordnen lässt (vgl. Senats- beschluss vom 29. September 1999 - XII ZB 3/99 - FamRZ 1999, 1646, 1647). Sofern das Gericht davon überzeugt ist, dass die Eltern auch in absehbarer Zukunft keine gemeinsame Kommunikationsbasis für das Kind betreffende Fragen finden können, darf es vielmehr davon ausgehen, dass eine Begründung der gemeinsamen Sorge mehr Nachteile als Vorteile für das Kind mit sich bringen würde (vgl. BVerfGE 107, 150, 173 f. = FamRZ 2003, 285, 289). In diesem Fall hat es bei der Alleinsorge zu bleiben, auch wenn wichtige Sorgerechtsfragen im Sinne von § 1687 Abs. 1 Satz 1 BGB im Entscheidungszeitpunkt nicht anstehen. Bereits das Risiko, dass das Kind durch die Begründung der gemeinsamen Sorge verstärkt dem fortdauernden Konflikt der Eltern ausgesetzt wird, steht regelmäßig der Feststellung der Kindeswohldienlichkeit entgegen.

(1) Leben Eltern, denen die elterliche Sorge gemeinsam zusteht, nicht nur vorübergehend getrennt, so ist bei Entscheidungen in Angelegenheiten, deren Regelung für das Kind von erheblicher Bedeutung ist, ihr gegenseitiges Einvernehmen erforderlich. Der Elternteil, bei dem sich das Kind mit Einwilligung des anderen Elternteils oder auf Grund einer gerichtlichen Entscheidung gewöhnlich aufhält, hat die Befugnis zur alleinigen Entscheidung in Angelegenheiten des täglichen Lebens. Entscheidungen in Angelegenheiten des täglichen Lebens sind in der Regel solche, die häufig vorkommen und die keine schwer abzuändernden Auswirkungen auf die Entwicklung des Kindes haben. Solange sich das Kind mit Einwilligung dieses Elternteils oder auf Grund einer gerichtlichen Entscheidung bei dem anderen Elternteil aufhält, hat dieser die Befugnis zur alleinigen Entscheidung in Angelegenheiten der tatsächlichen Betreuung. § 1629 Abs. 1 Satz 4 und § 1684 Abs. 2 Satz 1 gelten entsprechend.

(2) Das Familiengericht kann die Befugnisse nach Absatz 1 Satz 2 und 4 einschränken oder ausschließen, wenn dies zum Wohl des Kindes erforderlich ist.

Das Gericht hat von Amts wegen die zur Feststellung der entscheidungserheblichen Tatsachen erforderlichen Ermittlungen durchzuführen.

(1) Sind die Eltern bei der Geburt des Kindes nicht miteinander verheiratet, so steht ihnen die elterliche Sorge gemeinsam zu,

1.
wenn sie erklären, dass sie die Sorge gemeinsam übernehmen wollen (Sorgeerklärungen),
2.
wenn sie einander heiraten oder
3.
soweit ihnen das Familiengericht die elterliche Sorge gemeinsam überträgt.

(2) Das Familiengericht überträgt gemäß Absatz 1 Nummer 3 auf Antrag eines Elternteils die elterliche Sorge oder einen Teil der elterlichen Sorge beiden Eltern gemeinsam, wenn die Übertragung dem Kindeswohl nicht widerspricht. Trägt der andere Elternteil keine Gründe vor, die der Übertragung der gemeinsamen elterlichen Sorge entgegenstehen können, und sind solche Gründe auch sonst nicht ersichtlich, wird vermutet, dass die gemeinsame elterliche Sorge dem Kindeswohl nicht widerspricht.

(3) Im Übrigen hat die Mutter die elterliche Sorge.

(1) Leben Eltern nicht nur vorübergehend getrennt und steht ihnen die elterliche Sorge gemeinsam zu, so kann jeder Elternteil beantragen, dass ihm das Familiengericht die elterliche Sorge oder einen Teil der elterlichen Sorge allein überträgt. Dem Antrag ist stattzugeben, soweit

1.
der andere Elternteil zustimmt, es sei denn, das Kind hat das 14. Lebensjahr vollendet und widerspricht der Übertragung, oder
2.
zu erwarten ist, dass die Aufhebung der gemeinsamen Sorge und die Übertragung auf den Antragsteller dem Wohl des Kindes am besten entspricht.

(2) Leben Eltern nicht nur vorübergehend getrennt und steht die elterliche Sorge nach § 1626a Absatz 3 der Mutter zu, so kann der Vater beantragen, dass ihm das Familiengericht die elterliche Sorge oder einen Teil der elterlichen Sorge allein überträgt. Dem Antrag ist stattzugeben, soweit

1.
die Mutter zustimmt, es sei denn, die Übertragung widerspricht dem Wohl des Kindes oder das Kind hat das 14. Lebensjahr vollendet und widerspricht der Übertragung, oder
2.
eine gemeinsame Sorge nicht in Betracht kommt und zu erwarten ist, dass die Übertragung auf den Vater dem Wohl des Kindes am besten entspricht.

(3) Ruht die elterliche Sorge der Mutter nach § 1751 Absatz 1 Satz 1, so gilt der Antrag des Vaters auf Übertragung der gemeinsamen elterlichen Sorge nach § 1626a Absatz 2 als Antrag nach Absatz 2. Dem Antrag ist stattzugeben, soweit die Übertragung der elterlichen Sorge auf den Vater dem Wohl des Kindes nicht widerspricht.

(4) Den Anträgen nach den Absätzen 1 und 2 ist nicht stattzugeben, soweit die elterliche Sorge auf Grund anderer Vorschriften abweichend geregelt werden muss.

(1) Stand die elterliche Sorge den Eltern gemeinsam zu und ist ein Elternteil gestorben, so steht die elterliche Sorge dem überlebenden Elternteil zu.

(2) Ist ein Elternteil, dem die elterliche Sorge gemäß § 1626a Absatz 3 oder § 1671 allein zustand, gestorben, so hat das Familiengericht die elterliche Sorge dem überlebenden Elternteil zu übertragen, wenn dies dem Wohl des Kindes nicht widerspricht.

(3) Die Absätze 1 und 2 gelten entsprechend, soweit einem Elternteil die elterliche Sorge entzogen wird.

Jeder Elternteil kann vom anderen Elternteil bei berechtigtem Interesse Auskunft über die persönlichen Verhältnisse des Kindes verlangen, soweit dies dem Wohl des Kindes nicht widerspricht.

(1) Das Gericht hat das Kind persönlich anzuhören und sich einen persönlichen Eindruck von dem Kind zu verschaffen.

(2) Von der persönlichen Anhörung und der Verschaffung eines persönlichen Eindrucks nach Absatz 1 kann das Gericht nur absehen, wenn

1.
ein schwerwiegender Grund dafür vorliegt,
2.
das Kind offensichtlich nicht in der Lage ist, seine Neigungen und seinen Willen kundzutun,
3.
die Neigungen, Bindungen und der Wille des Kindes für die Entscheidung nicht von Bedeutung sind und eine persönliche Anhörung auch nicht aus anderen Gründen angezeigt ist oder
4.
das Verfahren ausschließlich das Vermögen des Kindes betrifft und eine persönliche Anhörung nach der Art der Angelegenheit nicht angezeigt ist.
Satz 1 Nummer 3 ist in Verfahren nach den §§ 1666 und 1666a des Bürgerlichen Gesetzbuchs, die die Person des Kindes betreffen, nicht anzuwenden. Das Gericht hat sich in diesen Verfahren einen persönlichen Eindruck von dem Kind auch dann zu verschaffen, wenn das Kind offensichtlich nicht in der Lage ist, seine Neigungen und seinen Willen kundzutun.

(3) Sieht das Gericht davon ab, das Kind persönlich anzuhören oder sich einen persönlichen Eindruck von dem Kind zu verschaffen, ist dies in der Endentscheidung zu begründen. Unterbleibt eine Anhörung oder die Verschaffung eines persönlichen Eindrucks allein wegen Gefahr im Verzug, ist sie unverzüglich nachzuholen.

(4) Das Kind soll über den Gegenstand, Ablauf und möglichen Ausgang des Verfahrens in einer geeigneten und seinem Alter entsprechenden Weise informiert werden, soweit nicht Nachteile für seine Entwicklung, Erziehung oder Gesundheit zu befürchten sind. Ihm ist Gelegenheit zur Äußerung zu geben. Hat das Gericht dem Kind nach § 158 einen Verfahrensbeistand bestellt, soll die persönliche Anhörung und die Verschaffung eines persönlichen Eindrucks in dessen Anwesenheit stattfinden. Im Übrigen steht die Gestaltung der persönlichen Anhörung im Ermessen des Gerichts.

(1) Das Gericht kann die Kosten des Verfahrens nach billigem Ermessen den Beteiligten ganz oder zum Teil auferlegen. Es kann auch anordnen, dass von der Erhebung der Kosten abzusehen ist. In Familiensachen ist stets über die Kosten zu entscheiden.

(2) Das Gericht soll die Kosten des Verfahrens ganz oder teilweise einem Beteiligten auferlegen, wenn

1.
der Beteiligte durch grobes Verschulden Anlass für das Verfahren gegeben hat;
2.
der Antrag des Beteiligten von vornherein keine Aussicht auf Erfolg hatte und der Beteiligte dies erkennen musste;
3.
der Beteiligte zu einer wesentlichen Tatsache schuldhaft unwahre Angaben gemacht hat;
4.
der Beteiligte durch schuldhaftes Verletzen seiner Mitwirkungspflichten das Verfahren erheblich verzögert hat;
5.
der Beteiligte einer richterlichen Anordnung zur Teilnahme an einem kostenfreien Informationsgespräch über Mediation oder über eine sonstige Möglichkeit der außergerichtlichen Konfliktbeilegung nach § 156 Absatz 1 Satz 3 oder einer richterlichen Anordnung zur Teilnahme an einer Beratung nach § 156 Absatz 1 Satz 4 nicht nachgekommen ist, sofern der Beteiligte dies nicht genügend entschuldigt hat.

(3) Einem minderjährigen Beteiligten können Kosten in Kindschaftssachen, die seine Person betreffen, nicht auferlegt werden.

(4) Einem Dritten können Kosten des Verfahrens nur auferlegt werden, soweit die Tätigkeit des Gerichts durch ihn veranlasst wurde und ihn ein grobes Verschulden trifft.

(5) Bundesrechtliche Vorschriften, die die Kostenpflicht abweichend regeln, bleiben unberührt.

(1) In einer Kindschaftssache, die

1.
die Übertragung oder Entziehung der elterlichen Sorge oder eines Teils der elterlichen Sorge,
2.
das Umgangsrecht einschließlich der Umgangspflegschaft,
3.
das Recht auf Auskunft über die persönlichen Verhältnisse des Kindes,
4.
die Kindesherausgabe oder
5.
die Genehmigung einer Einwilligung in einen operativen Eingriff bei einem Kind mit einer Variante der Geschlechtsentwicklung (§ 1631e Absatz 3 des Bürgerlichen Gesetzbuchs)
betrifft, beträgt der Verfahrenswert 4 000 Euro.

(2) Eine Kindschaftssache nach Absatz 1 ist auch dann als ein Gegenstand zu bewerten, wenn sie mehrere Kinder betrifft.

(3) Ist der nach Absatz 1 bestimmte Wert nach den besonderen Umständen des Einzelfalls unbillig, kann das Gericht einen höheren oder einen niedrigeren Wert festsetzen.