Amtsgericht Wedding Urteil, 29. Dez. 2020 - 20 C 862/19

bei uns veröffentlicht am03.08.2023

Eingereicht durch

Rechtsanwalt Dirk Streifler - Partner

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Gericht

Amtsgericht Wedding

Richter

Beteiligte Anwälte

Prozessbevollmächtigte/r der Beklagtenseite

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Wirtschaftsrecht / Existenzgründung / Insolvenzrecht / Gesellschaftsrecht / Strafrecht
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Amtsgericht Wedding

Im Namen des Volkes

Urteil

 

In dem Rechtsstreit

 

A, Rumänien

- Klägerin -

 

Prozessbevollmächtigte:

Rechtsanwälte Transport & Logistiek Advocaten, Kolenkaai 4, 8800 Roeselare, Belgien

 

gegen

 

B-GmbH, vertreten durch d. Geschäftsführer, Berlin

- Beklagte -

 

Prozessbevollmächtigte:

Rechtsanwälte Streifler & Kollegen, Oranienburger Straße 6'9, 10117 Berlin,

 

hat das Amtsgericht Wedding durch die Richterin Seliger am 29.12.2020 ohne mündliche Ver­handlung gemäß Art. 5 Abs. 1, 7 Abs. 3 der Verordnung (EG) Nr. 861/2007 des Europäischen Parlaments und des Rates zur Einführung eines europäischen Verfahrens für geringfügige Forderungen („VO 861/2007") für Recht erkannt:

 

1.                    Die Klage wird abgewiesen.

2.                    Die Kosten des Rechtsstreits hat die Klägerin zu tragen.

3.                    Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

 

Der Streitwert wird endgültig auf 500,00 Euro festgesetzt.

Tatbestand

Vom Abfassen eines Tatbestandes wird mit Blick auf § 313a Abs. 1 Satz 1 ZPO abgesehen.

Entscheidungsgründe

I.

Die Beklagte wird von der Klägerin im Rahmen des europäischen Verfahrens für geringfügige Forderungen auf Zahlung aus einem Transportauftrag in Anspruch genommen.

II.

Die Klage ist zulässig (siehe unter 11.1), aber begründet (siehe unter 11.2).

1. Die Zuständigkeit des Amtsgerichts Wedding folgt aus Art. 1Abs. 1 und Art. 63 Abs. 1 der Ver­ ordnung (EU) Nr. 1215/2012 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 12. Dezem­ ber 2012 über die gerichtliche Zustandigkeit und die Anerkennung und Vollstreckung von Ent­ scheidungen in Zivil- und Handelssachen ("EuGWO") in Verbindung mit § 23 Nr. 1 des Gerichts­ verfassungsgesetzes (GVG).

2.   Die Klägerin hat gegen die Beklagte keinen Anspruch auf Zahlung von 500,00 Euro:

Zwar war der mit der Klage geltend gemachte Anspruch der Klägerin gegen die Beklagte auf Zah­lung von 500,00 Euro aus dem Transportauftrag zur Nummer ........ vorliegend wie bei einem Anerkenntnis (§ 307 ZPO) als bestehend zugrunde zu legen, da er zwischen den Parteien un­streitig war.

Der streitgegenständliche Zahlungsanspruch der Klägerin gegen die Beklagte ist jedoch in Höhe von 5,000 Euro durch Erfüllung erloschen (§ 362 Abs. 1 BGB), soweit die Beklagte - was zwischen den Parteien unstreitig geblieben ist diesen Betrag auf die klägerische Forderung gezahlt hat.

Im Übrigen ist der streitgegenständliche Anspruch aus dem Transportauftrag zur Nummer .......... erloschen durch wirksame Aufrechnung der Beklagten mit einer ihr gegen die Klägerin zustehenden Schadenersatzforderung wegen der Verletzung einer Abrede über die Rückgabe von im Rahmen des Transportauftrags verwendeten Europaletten, § 389 BGB.

Die Beklagte hat der Klägerin gegenüber die Aufrechnung mit Schriftsatz vom 29. Mai 2020 er­ klärt, § 388 Abs. 1 BGB.

Es bestand zudem eine Aufrechnungslage im Sinne des § 387 BGB. Gemäß § 287 BGB kann in dem Fall. dass zwei Personen einander Leistungen schulden, die ihrem Gegenstand nach gleich­artig sind, jeder Teil seine Forderung gegen die Forderung des anderen Teils aufrechnen, sobald er die ihm gebührende Leistung fordern und die ihm obliegende Leistung bewirken kann. Diese Voraussetzungen waren vorliegend erfüllt.

Der erfüllbaren Forderung der Klägerin gegen die Beklagte aus dem Transportauftrag zur Num­mer ......... stand die fällige und gleichartige, weil ebenfalls auf Geldzahlung gerichtete Scha­denersatzforderung der Beklagen gegen die Klägerin in Höhe von 495,00 Euro gegenüber. 

Vorliegend kann dahinstehen, ob sich die Gegenforderung der Beklagten bereits aufgrund ihrer Allgemeinen Geschäftsbedingungen (AGB) ergeben bzw. ob diese wirksam in das Vertrags­ verhältnis zwischen den Parteien einbezogen wurden. Denn ein aufrechenbarer Schadenersatz­anspruch der Beklagten gegen die Klägerin in·Höhe von 495,00 Euro ergab sich jedenfalls aus den §§ 280 Abs. 1 und Abs. 2, 281, 249 BGB in Verbindung mit dem geschlossenen Transport­ vertrag.

Wiederum unabhängig davon, ob sich die Anwendbarkeit von deutschem Recht bereits aufgrund der (wirksam einbezogenen) AGB der Beklagten ergab, folgte sie vorliegnd jedenfalls aus Art. 5 Abs. 1 Satz 2 der Verordnung (EG) Nr. 593/2008 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 17. Juni 2008  über das  auf vertragliche Schuldverhältnisse  anzuwendende  Recht ("Rom-1-VO"). Gemäß Art. 5 Abs. 1 Satz 1 Rom-1-VO.ist, soweit die Parteien in Bezug auf einen Vertrag über die Beförderung von Gütern keine Rechtswahl nach Artikel 3 getroffen haben, das Recht des Staates anzuwenden, in dem der Beförderer seinen gewöhnlichen Aufenthalt hat, so­fern sich in diesem Staat auch der Übernahmeort oder der Ablieferungsort oder der gewöhnliche Aufenthalt des Absenders befindet. Sofern diese Voraussetzungen nicht erfüllt sind, ist nach Art. 5 Abs. 1 Satz 2 ROM-1-VO das Recht des Staates des von deri Parteien vereinbarten Abliefe­rungsorts anzuwenden: Vorliegend befindet sich weder der Übernahme- noch der Ablieferungsort oder der gewöhnliche Aufenthalt des Absenders in dem Staat, in dem der Beförderer, d. h. die Klägerin, seinen gewöhnlichen Aufenthalt hat. Denn während die Klägerin ihren Sitz in Rumänien hat, wurde das zu befördernde Gut innerhalb von Deutschland transportiert und auch die Beklagte als Absenderin hat ihren Geschäftssitz in Deutschland. Daher war gemäß Art. 5 Abs. 1 Satz 2 ROM-1-VO deutsches Recht anzuwenden, soweit dies das Recht des Staates an dem von der Parteien vereinbarten Ablieferungsort darstellt.

Die tatbestandlichen Voraussetzungen eines Schadenersatzanspruch der Beklagten gegen die Klägerin ·in Höhe von. 495,00 Euro gemäß der §§ 280 Abs. 1 und Abs. 2, 281, 249 BGB in Verbin­dung mit dem zwaischen den Parteien geschlossenen Transportvertrag sind erfüllt.

Die Klägerin hat ihre gegenüber der Beklagten aufgrund des geschlossenen Transportvertrags bestehende Verpflichtung zur Abgabe der für den Transport verwendeten 40 Paletten „im Auftrag" der Beklagten verletzt, §§ 280 Abs. 1 Satz 1, 281 Abs. 1 Satz 1 BGB. Anders als die Klägerin meint, reichte es gerade nicht aus, dass sie die Europaletten nach Änderung der Absprache statt zum Unternehmen C&C Hamburg zum Unternehmen D-GmbH & Co. KG transportierte und dort  gegen Aushändigung eines Palettenscheins abgab. Vielmehr hatte sie nach der klaren individualvertraglichen Absprache zwischen den Parteien in dem als Anlage B1 zu den Akten gereichten Transportauftrag (BI. 68 d. A.) die Paletten (auch) gegenüber der D-GmbH & Co. KG im Namen und im Auftrag der Beklagten abzugeben. Ausweislich des als Kopie zur Akte gereichten Palettenscheins (BI. 14 d. A.) erfolgte die Abgabe der Paletten durch den Fahrer der Klägerin als ihren Erfüllungsgehilfen (§ 278 BGB) jedoch im Namen der Klä­ gerin und damit gerade nicht - wie vereinbart - im Namen und im Auftrag der Beklagten.

Das Vertretenmüssen der Pflichtverletzung durch die Klägerin wird gemäß § 280 Abs. 1 Satz 2 BGB vermutet.

Die Beklagte forderte die Klägerin gemäß § 281 Abs. 1 Satz 1 BGB zudem erfolglos zur Erfüllung ihrer vertraglichen Verpflichtung zur Rückgabe der Paleten im Namen der Beklagten auf. Dies er­ folgte jedenfalls vermittels der Lademittelmahnung vom 5. Juni 2019 sowie telefonisch in der Wo­ che nach dem 10. Juni 2019.

Unter dem 22. Juli 2019 forderte die Beklagte die Klägerin sodann zur Zahlung von 495,00 Euro auf, § 281 Abs. 4 BGB.

Die Klägerin war der Beklagten daher gemäß § 249 Abs. 1 BGB zum Ersatz ihres Schadens ver­pflichtet. Ein Schaden der Beklagten wegen des Verlustes der Paletten bestand in Höhe von . 480,00 Euro (40 mal 12,00 Euro), soweit für die Neubeschaffung von Europaletten 12,00 Euro pro Stück anfallen. Darüber hinaus stand der Beklagten wegen ihrer durch die Pflichtverletzung be­dingten Nebenkosten in Form von Aufwendungen für Porto und Papier auch die geltend gemachte Schadenspauschale in Höhe von 15,00 Euro zu (§ 287 ZPO).

Die Nebenforderungen der Klägerin teilen das Schicksal der Hautforderung. Insbesondere geriet die Beklagte nicht ab dem 12. Juli 2020 in Verzug, soweit sie dem klägerischen Anspruch bereits zu diesem Zeitpunkt ihren vertraglichen Anspruch auf Aushändigung der Palettenschine bzw. sodann ihren Schadenersatzanspruch entgegenhielt, § 273 Abs. 1 BGB.

III.

Die Entscheidung über die Kostentragungspflicht beruht auf Art. 16 Satz 1 VO 861/2007, diejenige über die vorläufige Vollstreckbarkeit auf Art. 15 Abs. 1 VO 861/2007.

 

 

Seliger

Richterin

 

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