Arbeitsgericht Nürnberg Endurteil, 28. März 2017 - 8 Ca 6967/14
Tenor
1. Es wird festgestellt, dass die Weisung der Beklagten an die Klägerin, nach dem die Klägerin entsprechend der Kleiderordnung und ohne auffällige, großflächige, religiöse, politische und sonstige weltanschauliche Zeichen am Arbeitsplatz zu erscheinen und ihre Arbeit aufzunehmen hat, unwirksam ist.
2. Die Beklagte wird verurteilt, für den Monat Juni 2016 an die Klägerin
€ 1.214,72 brutto nebst Zinsen hieraus in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 01.07.2016 zu zahlen.
3. Die Beklagte wird verurteilt, für den Monat Juli 2016 an die Klägerin
€ 1.214,72 brutto nebst Zinsen hieraus in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 01.08.2016 zu zahlen.
4. Die Beklagte wird verurteilt, für den Monat August 2016 an die Klägerin
€ 1.214,72 brutto nebst Zinsen hieraus in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 01.09.2016 zu zahlen.
5. Die Beklagte wird verurteilt, für den Monat September 2016 an die Klägerin
€ 1.214,72 brutto abzüglich € 286,50 netto nebst Zinsen aus dem Differenzbetrag hieraus in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 01.10.2016 zu zahlen.
6. Die Beklagte wird verurteilt, für den Monat Oktober 2016 an die Klägerin
€ 1.214,72 brutto abzüglich € 573,00 netto nebst Zinsen aus dem Differenzbetrag hieraus in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 01.11.2016 zu zahlen.
7. Die Beklagte wird verurteilt, für den Monat November 2016 an die Klägerin
€ 1.214,72 brutto abzüglich € 573,00 netto nebst Zinsen aus dem Differenzbetrag hieraus in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 01.12.2016 zu zahlen.
8. Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin weitere € 440,71 brutto nebst Zinsen hieraus in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 15.10.2016 zu zahlen.
9. Die Beklagte wird verurteilt, für den Monat Dezember 2016 an die Klägerin
€ 1.214,72 brutto abzüglich € 573,00 netto nebst Zinsen aus dem Differenzbetrag hieraus in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 01.01.2017 zu zahlen.
10. Die Beklagte wird verurteilt, für den Monat Januar 2017 an die Klägerin
€ 391,84 brutto abzüglich € 191,00 netto nebst Zinsen aus dem Differenzbetrag hieraus in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 01.02.2017 zu zahlen.
11. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
12. Die Beklagte trägt die Kosten des Rechtsstreits.
13. Der Streitwert wird auf 8.633,81 € festgesetzt.
14. Die Berufung wird nicht gesondert zugelassen.
Tatbestand
I.
„Wir legen größten Wert auf ein gepflegtes, professionelles Erscheinungsbild gegenüber unseren Kunden. Als Arbeitskleidung ist die für den jeweiligen Bereich vorgesehene Berufskleidung ( zum Beispiel weißer Berufsmantel) zu tragen. Legere Freizeitbekleidung, wie insbesondere Trainings- und Jogginganzüge sowie Kopfbedeckungen aller Art dürfen bei Kundenkontakt nicht getragen werden.“
II.
„Die Klägerin wird mit Inventurtätigkeiten in der Filiale in A-Stadt mit einem Arbeitsbeginn 08.00 Uhr und einer monatlichen Arbeitszeit von 80 Stunden wie bisher bis auf Weiteres beschäftigt. Im Übrigen verbleibt es bei den arbeitsvertraglichen Regelungen gemäß Arbeitsvertrag vom 15.06.2004. Mit dieser Regelung ist keine Änderung des arbeitgeberseitigen Direktionsrechts verbunden.“
1. Es wird festgestellt, dass die Weisung der Beklagten an die Klägerin, nachdem die Klägerin entsprechend der Kleiderordnung und ohne auffällige großflächige religiöse, politische und sonstige weltanschauliche Zeichen am Arbeitsplatz zu erscheinen und ihre Arbeit aufzunehmen hat, unwirksam ist.
Hilfsweise:
2. Die Beklagte wird verurteilt, für den Monat Juni 2016 an die Klägerin
€ 1.214,72 brutto nebst Zinsen hieraus in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 01.07.2016 zu zahlen.
3. Die Beklagte wird verurteilt, für den Monat Juli 2016 an die Klägerin
€ 1.214,72 brutto nebst Zinsen hieraus in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 01.08.2016 zu zahlen.
4. Die Beklagte wird verurteilt, für den Monat Juli 2016 an die Klägerin einen weiteren pauschalen Schadenersatz in Höhe von € 40,00 netto zu zahlen.
5. Die Beklagte wird verurteilt, für den Monat August 2016 an die Klägerin
€ 1.214,72 brutto nebst Zinsen hieraus in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 01.09.2016 zu zahlen.
6. Die Beklagte wird verurteilt, für den Monat August 2016 an die Klägerin einen weiteren pauschalen Schadenersatz in Höhe von € 40,00 netto zu zahlen.
7. Die Beklagte wird verurteilt, für den Monat September 2016 an die Klägerin
€ 1.214,72 brutto abzüglich € 286,50 netto nebst Zinsen aus dem Differenzbetrag hieraus in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 01.10.2016 zu zahlen.
8. Die Beklagte wird verurteilt, für den Monat September 2016 an die Klägerin einen weiteren pauschalen Schadenersatz in Höhe von € 40,00 netto zu zahlen.
9. Die Beklagte wird verurteilt, für den Monat Oktober 2016 an die Klägerin
€ 1.214,72 brutto abzüglich € 573,00 netto nebst Zinsen aus dem Differenzbetrag hieraus in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 01.11.2016 zu zahlen.
10. Die Beklagte wird verurteilt, für den Monat Oktober 2016 an die Klägerin einen weiteren pauschalen Schadenersatz in Höhe von € 40,00 netto zu zahlen.
11. Die Beklagte wird verurteilt, für den Monat November 2016 an die Klägerin
€ 1.214,72 brutto abzüglich € 573,00 netto nebst Zinsen aus dem Differenzbetrag hieraus in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 01.12.2016 zu zahlen.
12. Die Beklagte wird verurteilt, für den Monat November 2016 an die Klägerin einen weiteren pauschalen Schadenersatz in Höhe von € 40,00 netto zu zahlen.
13. Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin weitere € 440,71 brutto nebst Zinsen hieraus in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 15.10.2016 zu zahlen.
14. Die Beklagte wird verurteilt, für den Monat Dezember 2016 an die Klägerin
€ 1.214,72 brutto abzüglich € 573,00 netto nebst Zinsen aus dem Differenzbetrag hieraus in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 01.01.2017 zu zahlen.
15. Die Beklagte wird verurteilt, für den Monat Dezember 2016 an die Klägerin einen weiteren pauschalen Schadenersatz in Höhe von € 40,00 netto zu zahlen.
16. Die Beklagte wird verurteilt, für den Monat Januar 2017 an die Klägerin
€ 391,84 brutto abzüglich € 191,00 netto nebst Zinsen aus dem Differenzbetrag hieraus in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 01.02.2017 zu zahlen.
17. Die Beklagte wird verurteilt, für den Monat Dezember 2016 an die Klägerin einen weiteren pauschalen Schadenersatz in Höhe von € 40,00 netto zu zahlen.
Klageabweisung.
Gründe
„Art. 2 Abs. 2 Buchst. a der Richtlinie 2000/78/EG des Rates vom 27. November 2000 zur Festlegung eines allgemeinen Rahmens für die Verwirklichung der Gleichbehandlung in Beschäftigung und Beruf ist dahin auszulegen, dass das Verbot, ein islamisches Kopftuch zu tragen, das sich aus einer internen Regel eines privaten Unternehmens ergibt, die das sichtbare Tragen jedes politischen, philosophischen oder religiösen Zeichens am Arbeitsplatz verbietet, keine unmittelbare Diskriminierung wegen der Religion oder der Weltanschauung im Sinne dieser Richtlinie darstellt.
Eine solche interne Regel eines privaten Unternehmens kann hingegen eine mittelbare Diskriminierung im Sinne von Art. 2 Abs. 2 Buchst. b der Richtlinie 2000/78 darstellen, wenn sich erweist, dass die dem Anschein nach neutrale Verpflichtung, die sie enthält, tatsächlich dazu führt, dass Personen mit einer bestimmten Religion oder Weltanschauung in besonderer Weise benachteiligt werden, es sei denn, sie ist durch ein rechtmäßiges Ziel wie die Verfolgung einer Politik der politischen, philosophischen und religiösen Neutralität durch den Arbeitgeber im Verhältnis zu seinen Kunden sachlich gerechtfertigt, und die Mittel zur Erreichung dieses Ziels sind angemessen und erforderlich; dies zu prüfen, ist Sache des vorlegenden Gerichts.“
Urteilsbesprechung zu Arbeitsgericht Nürnberg Endurteil, 28. März 2017 - 8 Ca 6967/14
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Arbeitsgericht Nürnberg Endurteil, 28. März 2017 - 8 Ca 6967/14 zitiert oder wird zitiert von 3 Urteil(en).
(1) Die Freiheit des Glaubens, des Gewissens und die Freiheit des religiösen und weltanschaulichen Bekenntnisses sind unverletzlich.
(2) Die ungestörte Religionsausübung wird gewährleistet.
(3) Niemand darf gegen sein Gewissen zum Kriegsdienst mit der Waffe gezwungen werden. Das Nähere regelt ein Bundesgesetz.
(1) Auf Feststellung des Bestehens oder Nichtbestehens eines Rechtsverhältnisses, auf Anerkennung einer Urkunde oder auf Feststellung ihrer Unechtheit kann Klage erhoben werden, wenn der Kläger ein rechtliches Interesse daran hat, dass das Rechtsverhältnis oder die Echtheit oder Unechtheit der Urkunde durch richterliche Entscheidung alsbald festgestellt werde.
(2) Bis zum Schluss derjenigen mündlichen Verhandlung, auf die das Urteil ergeht, kann der Kläger durch Erweiterung des Klageantrags, der Beklagte durch Erhebung einer Widerklage beantragen, dass ein im Laufe des Prozesses streitig gewordenes Rechtsverhältnis, von dessen Bestehen oder Nichtbestehen die Entscheidung des Rechtsstreits ganz oder zum Teil abhängt, durch richterliche Entscheidung festgestellt werde.
Der Arbeitgeber kann Inhalt, Ort und Zeit der Arbeitsleistung nach billigem Ermessen näher bestimmen, soweit diese Arbeitsbedingungen nicht durch den Arbeitsvertrag, Bestimmungen einer Betriebsvereinbarung, eines anwendbaren Tarifvertrages oder gesetzliche Vorschriften festgelegt sind. Dies gilt auch hinsichtlich der Ordnung und des Verhaltens der Arbeitnehmer im Betrieb. Bei der Ausübung des Ermessens hat der Arbeitgeber auch auf Behinderungen des Arbeitnehmers Rücksicht zu nehmen.
Tenor
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1. Die Revision der Klägerin gegen das Urteil des Landesarbeitsgerichts Niedersachsen vom 1. März 2011 - 1 Sa 571/10 - wird zurückgewiesen.
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2. Die Klägerin hat die Kosten der Revision zu tragen.
Tatbestand
- 1
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Die Parteien streiten über die Wirksamkeit einer Versetzung und einer hilfsweise ausgesprochenen Änderungskündigung.
- 2
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Die 1972 geborene, ledige Klägerin ist seit dem 25. Oktober 1999 als Flugbegleiterin tätig, zuletzt mit einer Bruttomonatsvergütung von 2.020,00 Euro.
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In einem Schreiben vom 1. April 2000 heißt es auszugsweise:
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„Stationierung
Sehr geehrte Frau S,
wir freuen uns, Ihnen mit Wirkung zum 01.04.2000 eine Stationierung in Hannover anbieten zu können.
Die übrigen Bedingungen Ihres Arbeitsvertrages behalten weiterhin Gültigkeit.
Wir weisen bei dieser Gelegenheit ausdrücklich darauf hin, dass diese Versetzung auf eigenen Wunsch erfolgt und somit keine Umzugskosten erstattet werden können.
Bitte senden Sie die beiliegende Kopie als Zeichen Ihres Einverständnisses bis zum 24.03.2000 unterschrieben an uns zurück.“
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Im Arbeitsvertrag vom 26. November 2001 heißt es auszugsweise:
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„1.
Beginn, Art und Ort der Beschäftigung
Der Mitarbeiter wird ab 01.12.2001 als Flugbegleiter/in im Teilzeitmodell 3 Y mit einer verkürzten Arbeitszeit in HAJ beschäftigt.
Danach beträgt die jährliche reduzierte Arbeitszeit 75 % der Arbeitszeit eines vergleichbaren vollzeitbeschäftigten Mitarbeiters.
…
C ist berechtigt, aus betrieblichen Gründen mit einer Vorlauffrist von einem Monat zum monatlichen Planungsbeginn, Änderungen des vertraglich vereinbarten Teilzeitmodells vorzunehmen.
Der Mitarbeiter und C können jederzeit einvernehmliche Änderungen vereinbaren.
…
C kann den Mitarbeiter vorübergehend oder auf Dauer auf einem anderen Flugzeugmuster, einem anderen Ort sowie befristet auch bei einem anderen Unternehmen einsetzen.
2.
Rechte und Pflichten
Die gegenseitigen Rechte und Pflichten ergeben sich aus dem Gesetz, den Tarifverträgen und Betriebsvereinbarungen der C in ihrer jeweils geltenden Fassung sowie aus den Dienstvorschriften der C und den Bestimmungen dieses Vertrages.“
- 5
-
Aus organisatorischen Gründen beginnt und endet der Einsatz der Crews bei der Beklagten nicht durchweg an ihrem Stationierungsort. In den Fällen, in denen der Einsatz von anderen Flughäfen aus erfolgt und auch dort endet, hat die Beklagte nach den anwendbaren tarifvertraglichen Regelungen die erforderlichen Transporte zu gewährleisten und die Transportzeiten als Arbeitszeit zu bezahlen (Dead-Head-Kosten).
- 6
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Nach Maßgabe einer Geschäftsführungsvorlage vom 26. September 2008 entschied sich die Beklagte zur Stationsschließung in Hannover zum 31. Dezember 2009. Am Standort Hannover beschäftigte die Beklagte zuletzt ca. 40 Arbeitnehmer. Flugzeuge sind in Hannover nicht mehr stationiert und es beginnen dort keine Flüge mehr mit einer von Hannover aus eingesetzten Crew. Die vorher bestehenden Postfächer und ein Raum für die Mitarbeiter/innen wurden abgeschafft.
-
Nachdem die Beklagte ihr Flugprogramm ab Hannover seit Mai 2008 zumindest erheblich reduziert hatte, schloss sie am 7. Juli 2009 mit der nach § 117 Abs. 2 BetrVG eingerichteten Personalvertretung eine „Vereinbarung über die Beendigung der Stationierung von Cockpit - Kabinenpersonal in Hannover“. Die Präambel lautet:
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„C beabsichtigt, am Ende des Kalenderjahres 2009 den Stationierungsort Hannover für das fliegende Personal aufzugeben. Hierdurch fallen an diesem Stationierungsort insgesamt 43 Arbeitsplätze für das fliegende Personal (5 Flugkapitäne, 1 Copilot, 10 Purser, 27 Flugbegleiter) mit einem Vollzeitäquivalent von 33,9 Stellen weg. Dies ist im Hinblick auf die dauerhafte Streichung von regelmäßigen An- und Abflügen ex Hannover unumgänglich.“
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Ein Teil der betroffenen Mitarbeiter/innen bewarb sich auf freie Arbeitsplätze in Frankfurt am Main und Hamburg. Des Weiteren bot die Beklagte die Möglichkeit eines Einsatzes von Hannover aus im Wege der Abordnung zur Tochtergesellschaft C B (CiB) an, der allerdings mit schlechteren tariflichen Bedingungen verbunden war. Einzelheiten regelte ein von der Beklagten mit der Personalvertretung abgeschlossener „Teilinteressenausgleich Kabine über die Beendigung der Stationierung von Cockpit- und Kabinenpersonal am Flughafen Hannover“ vom 13. März 2009. Die Klägerin war nur bereit, zu unveränderten Arbeitsbedingungen bei der CiB tätig zu werden.
- 9
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Nach Beteiligung der Personalvertretung, die sich nicht äußerte, versetzte die Beklagte die Klägerin mit Schreiben vom 17. September 2009 mit Wirkung zum 1. Januar 2010 unter Beibehaltung ihrer bisherigen Funktion als Flugbegleiterin von Hannover nach Frankfurt am Main. Hilfsweise kündigte die Beklagte das Arbeitsverhältnis betriebsbedingt zum nächstmöglichen Termin unter gleichzeitigem Angebot der Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses ab dem 1. April 2010 mit der Maßgabe, dass Stationierungsort nunmehr Frankfurt am Main sein solle. Dieses Angebot nahm die Klägerin unter Vorbehalt an.
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Die Klägerin hat die Versetzung für unwirksam gehalten. Als Arbeitsort sei vertraglich Hannover vereinbart. Das Weisungsrecht der Beklagten umfasse nicht die Befugnis, den Arbeitsort einseitig zu ändern. Die Vertragsklausel, auf die sich die Beklagte stütze, sei unwirksam. Sie verstoße gegen § 307 BGB. Die Änderungskündigung sei sozial ungerechtfertigt. Auch bei vollständiger Schließung des Stationierungsorts Hannover könne die Klägerin von dort aus eingesetzt werden, gegebenenfalls bei der Tochtergesellschaft CiB.
-
Die Klägerin hat beantragt
-
1.
festzustellen, dass die Änderungen der Arbeitsbedingungen im Zusammenhang mit der ordentlichen Änderungskündigung der Beklagten gemäß dem Schreiben vom 17. September 2009 sozial ungerechtfertigt oder aus anderen Gründen rechtsunwirksam sind,
2.
festzustellen, dass der Inhalt des Arbeitsverhältnisses der Parteien durch die Änderungskündigung der Beklagten vom 17. September 2009 nicht geändert wird,
3.
die Beklagte zu verurteilen, sie zu unveränderten Bedingungen des Arbeitsvertrags vom 26. November 2001 als Flugbegleiterin in Vollzeit vom Stationierungsort Hannover zu beschäftigen.
- 12
-
Die Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen. Als „Arbeitsort“ sei für die Klägerin vertraglich nicht Hannover festgelegt, die im Jahr 2000 erfolgte Zuordnung der Klägerin zum Flughafen Hannover habe das Direktionsrecht der Beklagten nicht eingeschränkt. Die Stationierung fliegenden Personals in Hannover sei unwirtschaftlich geworden. Während die in Hannover stationierten Mitarbeiter bis Anfang 2008 weit überwiegend auch von Hannover aus eingesetzt wurden, seien im Jahr 2009 90 % der Einsätze nach vorheriger Dead-Head-Anreise erfolgt. Hierdurch seien monatliche Mehrkosten in Höhe von 96.950,00 Euro wegen zusätzlicher Dead-Head-Transporte, Übernachtungskosten und Bezahlung zusätzlicher Einsatztage entstanden.
-
Das Arbeitsgericht hat der Klage stattgegeben. Auf die Berufung der Beklagten hat das Landesarbeitsgericht die Klage insgesamt abgewiesen. Mit der vom Landesarbeitsgericht zugelassenen Revision verfolgt die Klägerin ihr Begehren weiter.
Entscheidungsgründe
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Die zulässige Revision ist unbegründet. Die mit Schreiben vom 17. September 2009 erfolgte Versetzung von Hannover nach Frankfurt am Main ist wirksam. Dies hat auch die Unbegründetheit der gegen die vorsorglich ausgesprochene Änderungskündigung erhobenen Klage zur Folge.
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I. Das vertragliche Weisungsrecht der Beklagten umfasst die Befugnis, der Klägerin nach Maßgabe des § 106 GewO einen anderen Einsatzort als den bisherigen zuzuweisen(vgl. BAG 13. Juni 2012 - 10 AZR 296/11 -).
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1. Bei der Prüfung der Wirksamkeit einer Versetzung, die auf Regelungen in Allgemeinen Geschäftsbedingungen gemäß § 305 ff. BGB beruht, ist zunächst durch Auslegung der Inhalt der vertraglichen Regelungen unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls zu ermitteln (im Einzelnen: BAG 25. August 2010 - 10 AZR 275/09 - Rn. 17 ff., BAGE 135, 239). Festzustellen ist, ob ein bestimmter Tätigkeitsinhalt und Tätigkeitsort vertraglich festgelegt sind und welchen Inhalt ein gegebenenfalls vereinbarter Versetzungsvorbehalt hat (BAG 19. Januar 2011 - 10 AZR 738/09 - Rn. 12, AP BGB § 307 Nr. 50 = EzA GewO § 106 Nr. 7).
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a) Allgemeine Geschäftsbedingungen sind dabei nach ihrem objektiven Inhalt und typischen Sinn einheitlich so auszulegen, wie sie von verständigen und redlichen Vertragspartnern unter Abwägung der Interessen der normalerweise beteiligten Verkehrskreise verstanden werden, wobei nicht die Verständnismöglichkeiten des konkreten, sondern die des durchschnittlichen Vertragspartners des Verwenders zugrunde zu legen sind. Ansatzpunkt für die nicht am Willen der konkreten Vertragspartner zu orientierende Auslegung Allgemeiner Geschäftsbedingungen ist in erster Linie der Vertragswortlaut. Ist der Wortlaut eines Formularvertrags nicht eindeutig, kommt es für die Auslegung entscheidend darauf an, wie der Vertragstext aus der Sicht der typischerweise an Geschäften dieser Art beteiligten Verkehrskreise zu verstehen ist, wobei der Vertragswille verständiger und redlicher Vertragspartner beachtet werden muss (zB BAG 10. Dezember 2008 - 10 AZR 1/08 - Rn. 14, AP BGB § 307 Nr. 40 = EzA BGB 2002 § 307 Nr. 40). Von Bedeutung für das Auslegungsergebnis sind ferner der von den Vertragsparteien verfolgte Regelungszweck sowie die der jeweils anderen Seite erkennbare Interessenlage der Beteiligten (BAG 9. Juni 2010 - 5 AZR 332/09 - Rn. 36, AP BGB § 611 Abhängigkeit Nr. 121 = EzA BGB 2002 § 611 Arbeitnehmerbegriff Nr. 18).
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b) Bei der Auslegung der vertraglichen Bestimmungen ist zu beachten, dass die Bestimmung eines Orts der Arbeitsleistung in Kombination mit einer im Arbeitsvertrag durch Versetzungsvorbehalt geregelten Einsatzmöglichkeit im gesamten Unternehmen regelmäßig die vertragliche Beschränkung auf den im Vertrag genannten Ort der Arbeitsleistung verhindert (BAG 19. Januar 2011 - 10 AZR 738/09 - Rn. 15, AP BGB § 307 Nr. 50 = EzA GewO § 106 Nr. 7; 13. April 2010 - 9 AZR 36/09 - Rn. 27, AP BGB § 307 Nr. 45 = EzA BGB 2002 § 307 Nr. 47; Preis/Genenger NZA 2008, 969, 970). Es macht keinen Unterschied, ob im Arbeitsvertrag auf eine Festlegung des Orts der Arbeitsleistung verzichtet und diese dem Arbeitgeber im Rahmen von § 106 GewO vorbehalten bleibt oder ob der Ort der Arbeitsleistung bestimmt, aber die Möglichkeit der Zuweisung eines anderen Orts vereinbart wird. In diesem Fall wird lediglich klargestellt, dass § 106 Satz 1 GewO gelten und eine Versetzungsbefugnis an andere Arbeitsorte bestehen soll.
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c) Fehlt es an einer Festlegung des Inhalts oder des Orts der Leistungspflicht im Arbeitsvertrag, ergibt sich der Umfang der Weisungsrechte des Arbeitgebers aus § 106 GewO. Auf die Zulässigkeit eines darüber hinaus vereinbarten Versetzungsvorbehalts kommt es dann nicht an. Weist der Arbeitgeber dem Arbeitnehmer einen anderen Arbeitsort zu, so unterliegt dies der Ausübungskontrolle gemäß § 106 Satz 1 GewO, § 315 Abs. 3 BGB.
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2. Die Auslegung des Arbeitsvertrags der Klägerin ergibt, dass ihr Einsatzort nicht vertraglich festgelegt ist.
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a) Nach den Feststellungen des Landesarbeitsgerichts haben die Parteien einen Formularvertrag geschlossen, auf den die Vorschriften über Allgemeine Geschäftsbedingungen nach § 305 ff. BGB zur Anwendung kommen. Die Auslegung Allgemeiner Geschäftsbedingungen durch das Berufungsgericht unterliegt der vollen revisionsrechtlichen Nachprüfung (BAG 24. Oktober 2007 - 10 AZR 825/06 - Rn. 15, BAGE 124, 259).
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b) Der schriftliche Arbeitsvertrag vom 26. November 2001 enthält keine Festlegung des Arbeitsorts. Es heißt dort, die Klägerin werde in HAJ (= Hannover) beschäftigt, der Arbeitgeber könne die Klägerin auch „vorübergehend oder auf Dauer … [an] einem anderen Ort … einsetzen“. Damit ist hinreichend klargestellt, dass die Bestimmung des Einsatzorts im Vertrag lediglich die damalige Ausübung des Weisungsrechts in Bezug auf den Arbeitsort darstellt. Daran konnte für die Beteiligten kein Zweifel bestehen. Auch unter Berücksichtigung der Mitteilung der Beklagten vom 1. April 2000 ergibt sich keine vertragliche Festlegung des Arbeitsorts; abgesehen davon wurde der Vertrag vom 26. November 2001 zeitlich nach dieser Mitteilung geschlossen. Nach dem Schreiben vom 1. April 2000 wurde der Stationierungsort auf Wunsch der Klägerin nach Hannover verlegt. Diese im Schreiben selbst als „Versetzung“ bezeichnete Maßnahme hielt sich im Rahmen der durch den Arbeitsvertrag beschriebenen Grenzen des Weisungsrechts. Die Vertragsbedingungen sollten - abgesehen von der Versetzung - ausdrücklich unverändert bleiben. Entgegen der Auffassung der Revision bleibt hier auch kein Raum für die Anwendung der Unklarheitenregel des § 305c Abs. 2 BGB; erhebliche Zweifel an der Richtigkeit des gefundenen Auslegungsergebnisses bestehen nicht (vgl. dazu BAG 25. August 2010 - 10 AZR 275/09 - Rn. 20, BAGE 135, 239).
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Etwas anderes ergibt sich auch nicht aus den im Bereich der Luftfahrt geltenden Regelungen über Flug-, Dienst- und Ruhezeiten. Nach § 20 ArbZG iVm. § 5 Abs. 1 der Zweiten Durchführungsverordnung zur Betriebsordnung für Luftfahrtgerät(2. DV LuftBO) bzw. nach Art. 1 iVm. Ziff. 3.1 des Anhangs III Abschn. Q OPS 1.1090 der Verordnung (EG) Nr. 859/2008 vom 20. August 2008 (ABl. EU L 254 vom 20. September 2008 S. 1, 223) ist die Beklagte verpflichtet, für jedes Besatzungsmitglied eine Heimatbasis anzugeben. Aus diesen Vorschriften ergibt sich aber nicht die Verpflichtung, die Heimatbasis arbeitsvertraglich so festzuschreiben, dass eine Änderung nur im Wege einer Änderungskündigung erfolgen könnte. Vielmehr schließen auch diese Vorschriften nicht aus, dass der Arbeitgeber im Rahmen der vertraglichen Regelungen im Wege des Direktionsrechts diese Heimatbasis verändert und gegenüber dem Besatzungsmitglied neu benennt. Eine solche Neubenennung ist durch die Versetzung vom 17. September 2009 erfolgt.
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c) Der Arbeitsvertrag hat sich im Hinblick auf den Arbeitsort nicht dadurch auf Hannover konkretisiert, dass die Klägerin seit dem Jahr 2000 dort tätig gewesen ist. Eine den Arbeitsvertrag abändernde Vereinbarung haben die Parteien nicht - insbesondere auch nicht stillschweigend - getroffen.
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aa) Es ist nicht grundsätzlich ausgeschlossen, dass Arbeitspflichten sich, ohne dass darüber ausdrückliche Erklärungen ausgetauscht werden, nach längerer Zeit auf bestimmte Arbeitsbedingungen konkretisieren (vgl. BAG 17. August 2011 - 10 AZR 202/10 - Rn. 19 mwN, EzA GewO § 106 Nr. 9). Die Nichtausübung des Direktionsrechts über einen längeren Zeitraum schafft aber regelmäßig keinen Vertrauenstatbestand dahin gehend, dass der Arbeitgeber von diesem vertraglich und/oder gesetzlich eingeräumten Recht in Zukunft keinen Gebrauch mehr machen will. Die Nichtausübung des Direktionsrechts hat keinen Erklärungswert. Nur beim Hinzutreten besonderer Umstände, aufgrund derer der Arbeitnehmer darauf vertrauen darf, dass er nicht in anderer Weise eingesetzt werden soll, kann es durch konkludentes Verhalten zu einer vertraglichen Beschränkung der Ausübung des Direktionsrechts kommen (vgl. BAG 17. August 2011 - 10 AZR 202/10 - aaO).
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bb) Derartige besondere Umstände hat die Klägerin nicht vorgetragen. Dass die Beklagte im Jahr 2000 auf den Wunsch der Klägerin nach Versetzung eingegangen ist und sie in Hannover stationiert hat, konnte für sich genommen keinen Vertrauenstatbestand begründen und keine Konkretisierung der Arbeitspflicht auf diesen Arbeitsort bewirken; im Übrigen ist der Arbeitsvertrag zeitlich nachfolgend einschließlich der Versetzungsklausel neu abgeschlossen worden.
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II. Die Beklagte hat von ihrem Weisungsrecht nach billigem Ermessen (§ 106 GewO, § 315 BGB) Gebrauch gemacht.
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1. Dem Inhaber des Bestimmungsrechts nach § 315 Abs. 1 BGB verbleibt für die rechtsgestaltende Leistungsbestimmung ein nach billigem Ermessen auszufüllender Spielraum. Innerhalb des Spielraums können dem Bestimmungsberechtigten mehrere Entscheidungsmöglichkeiten zur Verfügung stehen. Dem Gericht obliegt nach § 315 Abs. 3 BGB die Prüfung, ob der Arbeitgeber als Gläubiger die Grenzen seines Bestimmungsrechts beachtet hat(vgl. BAG 13. Juni 2012 - 10 AZR 296/11 - Rn. 28; BGH 18. Oktober 2007 - III ZR 277/06 - Rn. 20, BGHZ 174, 48).
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2. Die Leistungsbestimmung nach billigem Ermessen (§ 106 Satz 1 GewO, § 315 BGB) verlangt eine Abwägung der wechselseitigen Interessen nach verfassungsrechtlichen und gesetzlichen Wertentscheidungen, den allgemeinen Wertungsgrundsätzen der Verhältnismäßigkeit und Angemessenheit sowie der Verkehrssitte und Zumutbarkeit.
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a) In die Abwägung sind alle Umstände des Einzelfalls einzubeziehen. Hierzu gehören die Vorteile aus einer Regelung, die Risikoverteilung zwischen den Vertragsparteien, die beiderseitigen Bedürfnisse, außervertragliche Vor- und Nachteile, Vermögens- und Einkommensverhältnisse sowie soziale Lebensverhältnisse, wie familiäre Pflichten und Unterhaltsverpflichtungen (BAG 13. April 2010 - 9 AZR 36/09 - Rn. 40, AP BGB § 307 Nr. 45 = EzA BGB 2002 § 307 Nr. 47; 21. Juli 2009 - 9 AZR 404/08 - Rn. 22, EzA TVG § 4 Luftfahrt Nr. 18; bereits auch: 28. November 1989 - 3 AZR 118/88 - zu II 1 a der Gründe, BAGE 63, 267). Eine soziale Auswahl wie im Falle des § 1 Abs. 3 KSchG findet nicht statt. Soweit es auf die Zumutbarkeit des neu zugewiesenen Arbeitsorts ankommt, kann aus den sozialrechtlichen Regeln über die Zumutbarkeit einer Beschäftigung kein belastbarer Maßstab für die arbeitsrechtliche Beurteilung des Ermessensgebrauchs nach § 106 Satz 1 GewO, § 315 BGB bei einer Versetzung abgeleitet werden(vgl. BAG 17. August 2011 - 10 AZR 202/10 - Rn. 22, 25, EzA GewO § 106 Nr. 9).
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b) Ausgehend von diesen Grundsätzen ist die Annahme des Landesarbeitsgerichts, die Beklagte habe bei ihrer Versetzungsentscheidung billiges Ermessen gewahrt, nicht zu beanstanden.
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Dabei kann dahinstehen, ob die Kontrolle der Ausübung des billigen Ermessens wegen der zu berücksichtigenden Umstände des Einzelfalls nur einer eingeschränkten Überprüfung durch das Revisionsgericht unterliegt (vgl. dazu BAG 14. Juli 2010 - 10 AZR 182/09 - Rn. 92 mwN, BAGE 135, 128). Die landesarbeitsgerichtliche Entscheidung hält auch einer vollen Überprüfung durch das Revisionsgericht stand.
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Das Landesarbeitsgericht hat alle maßgeblichen Faktoren in seine Erwägungen mit einbezogen. Es hat zugunsten der Beklagten die unternehmerische Entscheidung zur Schließung des Standorts Hannover und die entsprechenden wirtschaftlichen Erwägungen berücksichtigt. Entgegen der Auffassung der Klägerin bestehen auch keine Anhaltspunkte dafür, dass die unternehmerische Entscheidung der Beklagten nicht „nachhaltig“ gewesen sei. Dies gilt unabhängig von der Frage, ob, wie die Klägerin meint, eine unternehmerische Organisationsentscheidung im Rahmen einer Versetzung auf „Nachhaltigkeit“ iSd. Rechtsprechung zu betriebsbedingten Kündigungen (BAG 17. Juni 1999 - 2 AZR 141/99 - BAGE 92, 71) zu überprüfen ist (vgl. dazu BAG 26. September 2012 - 10 AZR 412/11 -).
- 34
-
Maßgeblicher Zeitpunkt für die Ausübungskontrolle ist der Zeitpunkt, zu dem der Arbeitgeber die Ermessensentscheidung zu treffen hat (BAG 14. Juli 2010 - 10 AZR 182/09 - Rn. 89 mwN, BAGE 135, 128). Dies war hier die Entscheidung über die der Klägerin mit Schreiben vom 17. September 2009 mitgeteilte Versetzung. Es gibt nach den insoweit nicht angegriffenen Feststellungen des Landesarbeitsgerichts keinerlei Anhaltspunkte dafür, dass zu diesem Zeitpunkt davon auszugehen war, dass die Beklagte in absehbarer Zeit oder überhaupt wieder einmal Flüge in relevantem Umfang von Hannover beginnen lassen würde. Vielmehr hatte sich die Beklagte nach den Feststellungen des Landesarbeitsgerichts zur Schließung der Station in Hannover entschlossen und hat dies auch entsprechend umgesetzt. Flugzeuge sind nicht mehr in Hannover stationiert und es beginnen dort keine Flüge mehr mit einer von Hannover aus eingesetzten Crew. Mit der zuständigen Personalvertretung sind am 13. März 2009 ein Teilinteressenausgleich und am 7. Juli 2009 eine „Vereinbarung über die Beendigung der Stationierung von Cockpit - Kabinenpersonal in Hannover“ geschlossen worden. Die letztgenannte Vereinbarung beinhaltet umfangreiche Regelungen über die daraus folgenden personellen Maßnahmen und über die Abmilderung der wirtschaftlichen Folgen für die Beschäftigten. Auch die Klägerin hat in den Tatsacheninstanzen weder greifbare Anhaltspunkte dafür benannt, dass es sich nur um eine vorübergehende Maßnahme handelte noch dafür, dass ab Hannover erneut Flüge stattfinden würden und damit die zur Begründung der Versetzung herangezogenen wirtschaftlichen Umstände nur für einen vorübergehenden Zeitraum vorliegen würden. Bei den Ausführungen im Schriftsatz vom 31. August 2012 handelt es sich um neuen Sachvortrag, der in der Revisionsinstanz gemäß § 559 ZPO keine Beachtung mehr finden kann.
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Zutreffend hat das Landesarbeitsgericht weiter die von der Beklagten mit der Personalvertretung vereinbarten Regelungen zur Abmilderung der für die Arbeitnehmer entstehenden Mehraufwendungen an Freizeit und Fahrtkosten berücksichtigt. Andererseits hat es die für die Klägerin bestehenden Belastungen, die insbesondere in den Kosten für zusätzliche Fahrten und dem erhöhten Freizeitaufwand bestehen, einbezogen. Weitere Umstände, die vom Landesarbeitsgericht fehlerhafterweise nicht berücksichtigt worden wären, benennt auch die Revision nicht. Ihre Angriffe betreffen vielmehr im Wesentlichen die Frage der Nachhaltigkeit der getroffenen unternehmerischen Entscheidung, an der aber aus den oben genannten Gründen keine Zweifel ersichtlich sind.
- 36
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III. Die erhobene Änderungsschutzklage ist unbegründet. Hat der Arbeitnehmer - wie hier - das Änderungsangebot des Arbeitgebers unter Vorbehalt angenommen und Änderungsschutzklage nach § 4 Satz 2 KSchG erhoben, streiten die Parteien nicht über die Beendigung des Arbeitsverhältnisses und damit nicht über die Rechtswirksamkeit der ausgesprochenen Kündigung, sondern nur noch über die Berechtigung des Angebots auf Änderung der Arbeitsbedingungen. Streitgegenstand der Änderungsschutzklage ist nicht die Wirksamkeit der Kündigung, sondern der Inhalt der für das Arbeitsverhältnis geltenden Vertragsbedingungen (BAG 19. Juli 2012 - 2 AZR 25/11 - Rn. 20, NZA 2012, 1038; 26. Januar 2012 - 2 AZR 102/11 - Rn. 13, EzA KSchG § 2 Nr. 84; 26. August 2008 - 1 AZR 353/07 - Rn. 17, AP KSchG 1969 § 2 Nr. 139 = EzA KSchG § 2 Nr. 72). Vom Arbeitgeber erstrebte Änderungen, die sich schon durch die Ausübung des Weisungsrechts gemäß § 106 Satz 1 GewO durchsetzen lassen, halten sich im Rahmen der vertraglichen Vereinbarungen und sind keine „Änderung der Arbeitsbedingungen“ iSv. § 2 Satz 1, § 4 Satz 2 KSchG. Soll der bestehende Vertragsinhalt nicht geändert werden, liegt in Wirklichkeit kein Änderungsangebot vor; die vermeintlich erst herbeizuführenden Vertragsbedingungen gelten bereits. Eine Änderungskündigung ist „überflüssig“. Eine Änderungsschutzklage ist dann unbegründet (BAG 19. Juli 2012 - 2 AZR 25/11 - Rn. 21, aaO; 26. Januar 2012 - 2 AZR 102/11 - Rn. 14, aaO).
- 37
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IV. Aus den genannten Gründen besteht auch kein Anspruch auf Beschäftigung vom Stationierungsort Hannover aus.
-
V. Die Klägerin hat nach § 97 Abs. 1 ZPO die Kosten der Revision zu tragen.
-
Schmitz-Scholemann
W. Reinfelder
Mestwerdt
R. Baschnagel
Stefan Fluri
Tenor
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1. Die Revision der Klägerin gegen das Urteil des Landesarbeitsgerichts Düsseldorf vom 22. März 2012 - 15 Sa 1204/11 - wird zurückgewiesen.
-
2. Die Kosten des Revisionsverfahrens hat die Klägerin zu tragen.
Tatbestand
- 1
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Die Klägerin hat die Unwirksamkeit einer Versetzung und einer vorsorglich ausgesprochenen Änderungskündigung geltend gemacht.
- 2
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Die Beklagte ist ein Luftverkehrsunternehmen mit Sitz in Düsseldorf, das neben Flugkapitänen und Copiloten ca. 100 Flugbegleiter beschäftigt.
- 3
-
Die 1969 geborene Klägerin steht als Flugbegleiterin in den Diensten der Beklagten. Sie war zuletzt bei einem monatlichen Bruttogehalt von rund 2.500,00 Euro von Münster/Osnabrück aus tätig.
- 4
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In dem Arbeitsvertrag der Klägerin vom 8. Dezember 1994 heißt es ua.:
-
„1.
Beginn der Tätigkeit
Die Mitarbeiterin wird ab 03.12.1994 im Bereich Flugbetrieb, Beschäftigungsort Münster/Osnabrück, als Flugbegleiterin eingestellt.
2.
Rechte und Pflichten
Die Rechte und Pflichten der Mitarbeiterin ergeben sich aus den einschlägigen Gesetzen, den jeweils gültigen Vergütungsvereinbarungen, den Betriebsvereinbarungen sowie den Dienstvorschriften der Eurowings AG. Durch ihre Unterschrift bestätigt die Mitarbeiterin gleichzeitig den Erhalt der Betriebsvereinbarung.“
- 5
-
Die Betriebsvereinbarung Nr. 1 für das Bordpersonal der Eurowings vom 15. September 1993 (im Folgenden: BV Nr. 1) ist seinerzeit von der Arbeitgeberin und einer informell eingerichteten „Bordvertretung“ geschlossen worden. § 3 Abs. 8 der BV Nr. 1 lautet:
-
„Der Mitarbeiter kann unter Berücksichtigung seiner Kenntnisse und Fähigkeiten je nach betrieblichen Erfordernissen an einen anderen dienstlichen Wohnsitz versetzt werden und mit anderen im Rahmen der Geschäftstätigkeit des Flugbetriebes der Eurowings liegenden Aufgaben im In- und Ausland betraut werden. Dies gilt auch bei vorübergehendem oder aushilfsweisem Einsatz in Zusammenhang mit dem Flug- und Verkehrsbetrieb.“
- 6
-
Der Manteltarifvertrag Nr. 2 für die Beschäftigten des Kabinenpersonals der Eurowings Luftverkehrs AG vom 15. März 2006 (im Folgenden: MTV Nr. 2), den die Beklagte anwendet, enthält in § 4 Abs. 6 ua. die nachfolgenden Regelungen:
-
„a)
Der Beschäftigte kann unter Berücksichtigung seiner Kenntnisse und Fähigkeiten, je nach den betrieblichen Erfordernissen, an einen anderen Einsatzort versetzt werden und mit anderen im Rahmen der Geschäftstätigkeit des Flugbetriebes der Eurowings liegenden Aufgaben im In- und Ausland betraut werden. Bei Schwangerschaft ist EW berechtigt, die Beschäftigte für eine Diensttätigkeit am Boden einzusetzen, sofern auch die Zustimmung des örtlich zuständigen Bodenbetriebsrates vorliegt. Hierbei sind die Bestimmungen des Mutterschutzgesetzes zu beachten.
b)
Alle Beschäftigten, die zum 01.04.2004 an einen neuen dienstlichen Einsatzort versetzt worden sind, erhalten auf Antrag die Möglichkeit, auf eigene Kosten zu ihrem ehemaligen dienstlichen Einsatzort oder an eine 4-Base-Station zurückzukehren. Für diese einmalige Rückkehrmöglichkeit gilt eine Ausschlussfrist bis zum 30.06.2006. Der Rückkehrantrag muss innerhalb dieser Ausschlussfrist schriftlich bei der EW-Personalleitung eingegangen sein. EW wird eine Vorlaufzeit zur Umsetzung des Rückkehrantrages von 3 Monaten nach Antragstellung eingeräumt, und zwar zum Monatsersten des nach Ablauf dieses 3-Monatszeitraums folgenden Kalendermonats.
Die Rückkehrmöglichkeit gemäß b) Satz 1 gilt nicht für die Beschäftigten, denen ein unbefristeter Arbeitsvertrag an einem 4-Base-Standort angeboten wurde.“
- 7
-
Unter dem 24. Januar 2011 schlossen die Arbeitgeberin und die bei ihr auf der Basis des Tarifvertrags Personalvertretung Nr. 1 vom 19. März/7. April 2008 gebildete Personalvertretung für die Kabinenmitarbeiter (im Folgenden: PV Kabine) einen Interessenausgleich sowie einen Sozialplan. Aus Ziff. 2 des Interessenausgleichs ergibt sich, dass von den dienstlichen Einsatzorten Köln, Dortmund, Münster/Osnabrück, Hannover, München, Nürnberg, Paderborn, Stuttgart und Berlin aus keine Einsätze von Mitarbeitern mehr erfolgen und daher die diesen Einsatzorten zugeordneten Arbeitsplätze gestrichen werden. Nach Ziff. 1 des Interessenausgleichs wird der Einsatz der Mitarbeiter ausschließlich ab Düsseldorf oder Hamburg erfolgen. Die Versetzungen sollen zum 1. Juni bzw. 1. August 2011 durchgeführt werden. In Härtefällen können Arbeitnehmer bis zum 31. März 2014 an ihren bisherigen Einsatzorten bleiben (Ziff. 3 Buchst. e des Interessenausgleichs). Im Sozialplan vom 24. Januar 2011 sind unter bestimmten Voraussetzungen verschiedene Kompensationszahlungen an von Versetzungen betroffene Arbeitnehmer vorgesehen.
- 8
-
Am 24. März 2011 übergab die Beklagte der PV Kabine das Unterrichtungsschreiben vom 23. März 2011 und bat um Zustimmung zur beabsichtigten Versetzung der Klägerin von ihrem bisherigen Einsatzort nach Düsseldorf.
- 9
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Mit Schreiben vom 1. April 2011 teilte die Beklagte der Klägerin mit, dass sie zum 1. Juni 2011 von ihrem bisherigen dienstlichen Einsatzort an den neuen dienstlichen Einsatzort Düsseldorf versetzt werde. Gegen diese arbeitgeberseitige Maßnahme wehrt sich die Klägerin mit ihrer Klage.
- 10
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Unter dem 31. Mai 2011 kündigte die Beklagte „vorsorglich“ das Arbeitsverhältnis zum 30. November 2011 und bot der Klägerin zugleich die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses mit neuem dienstlichen Einsatzort Düsseldorf an. Die Klägerin nahm das Änderungsangebot unter Vorbehalt an. Auch gegen diese Änderungskündigung wendet sich die Klägerin mit der vorliegenden Klage.
- 11
-
Die Klägerin hat die Ansicht vertreten, die arbeitgeberseitige Maßnahme vom 1. April 2011 sei unwirksam. Es fehle bereits an einer rechtlichen Versetzungsgrundlage. Der Dienstort sei vertraglich vereinbart und könne nicht einseitig geändert werden. Die Versetzung entspreche zudem nicht billigem Ermessen. Sie sei nicht durch betriebliche Erfordernisse gerechtfertigt und treffe die Klägerin in ihren persönlichen Belangen übermäßig hart. Die Personalvertretung sei nicht ordnungsgemäß über die Versetzung unterrichtet worden. Die Änderungskündigung sei sozialwidrig.
- 12
-
Die Klägerin hat beantragt
-
1.
festzustellen, dass die Versetzung der Beklagten vom 1. April 2011 unwirksam ist,
2.
festzustellen, dass die Änderung der Arbeitsbedingungen durch Änderungskündigung vom 31. Mai 2011 sozial ungerechtfertigt und unwirksam ist.
- 13
-
Die Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen. Sie hat die Ansicht vertreten, die Versetzung sei nicht bereits nach dem Arbeitsvertrag ausgeschlossen. Der Vertrag lege den Arbeitsort nicht fest. Die Versetzung entspreche billigem Ermessen. Ihr liege die durch den Interessenausgleich festgeschriebene unternehmerische Entscheidung zugrunde, in Zukunft die Flugbegleiter nur noch von Düsseldorf und Hamburg aus einzusetzen, wo die Umläufe hauptsächlich begönnen. Ohne Versetzung müssten die nicht in Düsseldorf oder Hamburg stationierten Flugbegleiter - wie bisher schon in erheblichem Umfang - zu den Abflugorten gebracht werden, was unproduktive Kosten verursache. Diese Flugbegleiter stünden dann aufgrund der tarifvertraglichen Regelungen über die Flugdienstzeit nur noch mit geringeren Stundenzahlen zum Einsatz zur Verfügung. Durch die Verlagerung könne deshalb das Arbeitszeitpotenzial der Flugbegleiter besser genutzt werden. Die Versetzung halte einer Interessenabwägung stand, zumal die Klägerin mit anderen betroffenen Flugbegleiterinnen gemeinsam eine Wohnung am neuen Einsatzort anmieten und die sie treffenden Nachteile steuerlich geltend machen könne. Auch sehe der Sozialplan einen gewissen Ausgleich vor. Die vorsorglich ausgesprochene Änderungskündigung sei wirksam, weil die angebotenen Vertragsänderungen aus den Gründen der Versetzung gerechtfertigt seien.
- 14
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Das Arbeitsgericht hat die Klage abgewiesen. Das Landesarbeitsgericht hat die Berufung der Klägerin zurückgewiesen. Mit der vom Landesarbeitsgericht zugelassenen Revision verfolgt die Klägerin ihre Klageanträge weiter.
Entscheidungsgründe
- 15
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Die Revision hat keinen Erfolg. Die Vorinstanzen haben im Ergebnis richtig entschieden. Die Klage ist unbegründet.
- 16
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A. Die von der Beklagten ausgesprochene Versetzung ist wirksam. Die Beklagte war nach dem Arbeitsvertrag nicht daran gehindert, der Klägerin in Ausübung des Direktionsrechts einen anderen als den ursprünglichen Arbeitsort zuzuweisen (zu I). Die Versetzung hält auch der erforderlichen Ausübungskontrolle stand (§ 106 GewO). Die vom Landesarbeitsgericht vertretene Auffassung, einer Abwägung der Belange des Arbeitnehmers mit denen des Arbeitgebers bedürfe es bei Vorliegen einer nicht missbräuchlichen Unternehmerentscheidung nicht, ist zwar mit § 106 GewO nicht vereinbar(zu II). Diese unzutreffende rechtliche Bewertung hat sich jedoch auf das Ergebnis nicht ausgewirkt. Denn die vom Landesarbeitsgericht zur Begründung seiner Entscheidung selbständig tragend in Bezug genommenen Entscheidungsgründe des arbeitsgerichtlichen Urteils rechtfertigen die Klageabweisung. Die vom Arbeitsgericht vorgenommene Abwägung der beiderseitigen Interessen ist revisionsrechtlich nicht zu beanstanden (zu III). Die Zustimmung der Personalvertretung gilt nach § 99 Abs. 3 Satz 2 BetrVG als erteilt(zu IV). Die Änderungsschutzklage hat keinen Erfolg (zu V).
- 17
-
I. Das vertragliche Weisungsrecht der Beklagten umfasst die Befugnis, der Klägerin nach Maßgabe des § 106 GewO einen anderen Einsatzort als den bisherigen zuzuweisen(vgl. für einen gleich gelagerten Fall: BAG 26. September 2012 - 10 AZR 311/11 -).
- 18
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1. Bei der Prüfung der Wirksamkeit einer Versetzung, die auf Regelungen in Allgemeinen Geschäftsbedingungen gemäß § 305 ff. BGB beruht, ist zunächst durch Auslegung der Inhalt der vertraglichen Regelungen unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls zu ermitteln (im Einzelnen: BAG 25. August 2010 - 10 AZR 275/09 - Rn. 17 ff., BAGE 135, 239). Festzustellen ist, ob ein bestimmter Tätigkeitsinhalt und Tätigkeitsort vertraglich festgelegt sind und welchen Inhalt ein gegebenenfalls vereinbarter Versetzungsvorbehalt hat (BAG 26. September 2012 - 10 AZR 311/11 - Rn. 16; 19. Januar 2011 - 10 AZR 738/09 - Rn. 12).
- 19
-
a) Die Bestimmung eines Orts der Arbeitsleistung in Kombination mit einer im Arbeitsvertrag durch Versetzungsvorbehalt geregelten Einsatzmöglichkeit im gesamten Unternehmen verhindert regelmäßig die vertragliche Beschränkung auf den im Vertrag genannten Ort der Arbeitsleistung (BAG 26. September 2012 - 10 AZR 311/11 - Rn. 18; 19. Januar 2011 - 10 AZR 738/09 - Rn. 15; 13. April 2010 - 9 AZR 36/09 - Rn. 27). Es macht keinen Unterschied, ob im Arbeitsvertrag auf eine Festlegung des Orts der Arbeitsleistung verzichtet und diese dem Arbeitgeber im Rahmen von § 106 GewO vorbehalten bleibt oder ob der Ort der Arbeitsleistung bestimmt, aber die Möglichkeit der Zuweisung eines anderen Orts vereinbart wird. In diesem Fall wird lediglich klargestellt, dass § 106 Satz 1 GewO gelten und eine Versetzungsbefugnis an andere Arbeitsorte bestehen soll.
- 20
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b) Fehlt es an einer Festlegung des Inhalts oder des Orts der Leistungspflicht im Arbeitsvertrag, ergibt sich der Umfang der Weisungsrechte des Arbeitgebers aus § 106 GewO. Auf die Zulässigkeit eines darüber hinaus vereinbarten Versetzungsvorbehalts kommt es dann nicht an. Weist der Arbeitgeber dem Arbeitnehmer einen anderen Arbeitsort zu, so unterliegt dies der Ausübungskontrolle gemäß § 106 Satz 1 GewO, § 315 Abs. 3 BGB(BAG 26. September 2012 - 10 AZR 311/11 - Rn. 19).
- 21
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2. Die Auslegung des Arbeitsvertrags der Klägerin ergibt, dass ihr Einsatzort nicht vertraglich festgelegt ist.
- 22
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a) Das Landesarbeitsgericht ist davon ausgegangen, dass es sich bei dem Arbeitsvertrag der Parteien um Allgemeine Geschäftsbedingungen handelt, auf die die Vorschriften des § 305 ff. BGB zur Anwendung kommen. Die Parteien sind dieser angesichts des Erscheinungsbildes des Arbeitsvertrags sich aufdrängenden Annahme nicht entgegengetreten. Die Auslegung Allgemeiner Geschäftsbedingungen durch das Berufungsgericht unterliegt der vollen revisionsrechtlichen Nachprüfung (BAG 24. Oktober 2007 - 10 AZR 825/06 - Rn. 15, BAGE 124, 259).
- 23
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b) Der Arbeitsvertrag enthält keine das Direktionsrecht beschränkende Festlegung des Arbeitsorts.
- 24
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aa) Unter Ziff. 1 des Arbeitsvertrags ist vorgesehen, dass die Klägerin am Beschäftigungsort Münster/Osnabrück „eingestellt“ wird. Darin liegt keine vertragliche Beschränkung des Direktionsrechts auf Münster/Osnabrück als Arbeitsort. Die betreffende Passage des Vertrags ist mit „Beginn der Tätigkeit“ überschrieben und legt lediglich fest, wo die Arbeitnehmerin bei Vertragsbeginn ihre Arbeit aufnehmen soll. Die Regelung bestimmt nicht den Inhalt der geschuldeten Arbeitsleistung, sondern den Ort ihrer erstmaligen Ausübung. Die Regelung in § 3 Abs. 8 BV Nr. 1, nach der der Mitarbeiter unter Berücksichtigung seiner Kenntnisse und Fähigkeiten an einen anderen dienstlichen Wohnsitz versetzt werden kann, beschreibt den Umfang des Weisungsrechts, der ausdrücklich auch die Arbeitsleistung an anderen Orten einschließt.
- 25
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(1) Die BV Nr. 1 ist unstreitig keine Betriebsvereinbarung iSd. Betriebsverfassungsgesetzes. Sie gilt demnach nicht aufgrund von § 77 Abs. 4 BetrVG.
- 26
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(2) Bei der BV Nr. 1 handelt es sich um vom Arbeitgeber ohne kollektivrechtliche Grundlage mit Vertretern der Belegschaft verabredete Allgemeine Arbeitsbedingungen. Sie gelten nur dann, wenn die Parteien des Arbeitsvertrags ihre Geltung wirksam vereinbart haben.
- 27
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(3) Letzteres ist hier der Fall. Im Arbeitsvertrag ist die Geltung der „Betriebsvereinbarung“ ausdrücklich vorgesehen. Gemeint war die BV Nr. 1. Ein Exemplar wurde der Klägerin bei Vertragsschluss ausgehändigt.
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(4) Die damit gegebene Bezugnahme auf die Allgemeinen Arbeitsbedingungen (BV Nr. 1) als solche ist nicht nach § 305 ff. BGB zu beanstanden. Soweit allerdings auf die „jeweilige“ Fassung der Betriebsvereinbarung Bezug genommen wird, dürfte dies nach § 308 Nr. 4 BGB unwirksam sein(vgl. BAG 11. Februar 2009 - 10 AZR 222/08 - Rn. 23 ff.; vgl. auch Preis NZA 2010, 361). Hierauf kommt es aber nicht an, da es allein um die bei Vertragsschluss ausgehändigte Fassung geht.
- 29
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(5) Die in Bezug genommene Klausel ist hinreichend eindeutig, transparent und angemessen. Sie knüpft die Ausübung des Weisungsrechts in Bezug auf den Arbeitsort an betriebliche Erfordernisse und enthält damit jedenfalls nicht weniger strenge Voraussetzungen als das Gesetz.
- 30
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bb) Zusätzlich ist die Versetzungsbefugnis durch § 4 Abs. 6 Buchst. a MTV Nr. 2, der für die Parteien kraft Verbandszugehörigkeit gilt und ebenfalls eine Versetzungsmöglichkeit bei betrieblichen Erfordernissen vorsieht, gegeben. Der Wortlaut der Regelung ist nahezu identisch mit § 3 Abs. 8 BV Nr. 1.
- 31
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c) Etwas anderes ergibt sich nicht aus den im Bereich der Luftfahrt geltenden Regelungen über Flug-, Dienst- und Ruhezeiten. Nach § 20 ArbZG iVm. § 5 Abs. 1 der Zweiten Durchführungsverordnung zur Betriebsordnung für Luftfahrtgerät(2. DV LuftBO) bzw. nach Art. 1 iVm. Ziff. 3.1 des Anhangs III Abschn. Q OPS 1.1090 der Verordnung (EG) Nr. 859/2008 vom 20. August 2008 (ABl. EU L 254 vom 20. September 2008 S. 1, 223) ist die Beklagte verpflichtet, für jedes Besatzungsmitglied eine Heimatbasis anzugeben. Aus diesen Vorschriften ergibt sich aber nicht die Verpflichtung, die Heimatbasis arbeitsvertraglich so festzuschreiben, dass eine Änderung nur im Wege einer Änderungskündigung erfolgen könnte. Vielmehr schließen auch diese Vorschriften nicht aus, dass der Arbeitgeber im Rahmen der vertraglichen Regelungen im Wege des Direktionsrechts die Heimatbasis verändert und gegenüber dem Besatzungsmitglied neu benennt.
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d) Die Arbeitspflicht der Klägerin hat sich nicht dadurch auf den bisherigen Einsatzort räumlich konkretisiert, dass die Klägerin seit Vertragsbeginn im Wesentlichen von dort aus tätig gewesen ist. Eine den Arbeitsvertrag abändernde Vereinbarung haben die Parteien nicht - insbesondere auch nicht stillschweigend - getroffen.
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aa) Es ist nicht grundsätzlich ausgeschlossen, dass Arbeitspflichten sich, ohne dass darüber ausdrückliche Erklärungen ausgetauscht werden, nach längerer Zeit auf bestimmte Arbeitsbedingungen konkretisieren (vgl. BAG 17. August 2011 - 10 AZR 202/10 - Rn. 19 mwN). Die Nichtausübung des Direktionsrechts über einen längeren Zeitraum schafft aber regelmäßig keinen Vertrauenstatbestand dahin gehend, dass der Arbeitgeber von diesem vertraglich und/oder gesetzlich eingeräumten Recht in Zukunft keinen Gebrauch mehr machen will. Die Nichtausübung des Direktionsrechts hat keinen Erklärungswert. Nur beim Hinzutreten besonderer Umstände, aufgrund derer der Arbeitnehmer darauf vertrauen darf, dass er nicht in anderer Weise eingesetzt werden soll, kann es durch konkludentes Verhalten zu einer vertraglichen Beschränkung der Ausübung des Direktionsrechts kommen (vgl. BAG 17. August 2011 - 10 AZR 202/10 - aaO).
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bb) Derartige besondere Umstände hat die Klägerin nicht vorgetragen. Sie sind auch ansonsten nicht ersichtlich. Allein die lange Verweildauer am bisherigen Einsatzort lässt keinen Rückschluss darauf zu, die Parteien hätten - in Abänderung ihres Vertrags - nunmehr den bisherigen Ort zum vertraglich vereinbarten Arbeitsort bestimmt. Zu Recht weist das Landesarbeitsgericht darauf hin, dass sich Gegenteiliges nicht aus § 4 Abs. 6 MTV Nr. 2 ergibt. Das Rückkehrrecht nach dessen Buchst. b sagt nichts darüber aus, ob die vorangegangene Bestimmung des Einsatzorts auf einer Vertragsänderung oder der Ausübung des Weisungsrechts beruhte.
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e) Die Auffassung der Revision, es handele sich bei der Maßnahme der Beklagten deshalb um eine nur durch Änderungskündigung durchsetzbare Vertragsänderung, weil die Versetzung mit einem beträchtlichen Eingriff in das Verhältnis von Leistung und Gegenleistung sowie in weitere maßgebliche Interessen der Klägerin verbunden sei, greift nicht durch.
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aa) Mit der Versetzung greift die Beklagte nicht in das vom Vertrag festgelegte Verhältnis von Leistung und Gegenleistung ein. Die Dauer der Arbeitszeit hat sich ebenso wenig geändert wie die Höhe der für die Arbeit zu leistenden Vergütung. Geändert hat sich zu einem gewissen Teil die von der Klägerin während der Arbeitszeit zu erbringende Tätigkeit. Sie besteht im Wesentlichen nur noch aus der an Bord verbrachten Zeit. Einen Anspruch, die Arbeitszeit nicht mit der Arbeit an Bord zu verbringen, hat die Klägerin nicht. Sie muss jetzt erheblich höhere Reisekosten für die Wege zwischen Wohnung und Arbeitsort tragen. Dies erhöht die mit der Berufsausübung verbundenen Belastungen, verringert jedoch nicht die vertraglich vereinbarte Arbeitsvergütung.
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bb) Auch die weiteren Beeinträchtigungen des persönlichen Lebens der Klägerin führen nicht dazu, dass die Ausübung des Weisungsrechts allein um deswillen die rechtliche Qualität einer Vertragsänderung aufwiese. Diese Umstände sind vielmehr, ebenso wie die Erhöhung der finanziellen Belastungen, bei der Ausübungskontrolle im Rahmen der Prüfung, ob die Beklagte bei der Versetzung billiges Ermessen gewahrt hat, zu berücksichtigen.
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II. Die Auffassung des Landesarbeitsgerichts, es habe bei der hier gegebenen Sachlage einer umfassenden Ausübungskontrolle nach § 106 Satz 1 GewO, § 315 BGB in Bezug auf die Versetzung nicht bedurft, ist unzutreffend. Sie steht mit dem Gesetz nicht im Einklang.
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1. Dem Inhaber des Bestimmungsrechts nach § 106 GewO, § 315 Abs. 1 BGB verbleibt auch im Falle der Versetzung für die rechtsgestaltende Leistungsbestimmung ein - hier freilich auf betriebliche Gründe beschränkter - nach billigem Ermessen auszufüllender Spielraum. Innerhalb des Spielraums können dem Bestimmungsberechtigten mehrere Entscheidungsmöglichkeiten zur Verfügung stehen. Dem Gericht obliegt nach § 315 Abs. 3 Satz 1 BGB die Prüfung, ob der Arbeitgeber als Gläubiger die Grenzen seines Bestimmungsrechts beachtet hat(vgl. BAG 13. Juni 2012 - 10 AZR 296/11 - Rn. 28; BGH 18. Oktober 2007 - III ZR 277/06 - Rn. 20, BGHZ 174, 48).
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2. Die Leistungsbestimmung nach billigem Ermessen (§ 106 Satz 1 GewO, § 315 BGB) verlangt eine Abwägung der wechselseitigen Interessen nach verfassungsrechtlichen und gesetzlichen Wertentscheidungen, den allgemeinen Wertungsgrundsätzen der Verhältnismäßigkeit und Angemessenheit sowie der Verkehrssitte und Zumutbarkeit. In die Abwägung sind alle Umstände des Einzelfalls einzubeziehen. Hierzu gehören die Vorteile aus einer Regelung, die Risikoverteilung zwischen den Vertragsparteien, die beiderseitigen Bedürfnisse, außervertragliche Vor- und Nachteile, Vermögens- und Einkommensverhältnisse sowie soziale Lebensverhältnisse wie familiäre Pflichten und Unterhaltsverpflichtungen (BAG 13. April 2010 - 9 AZR 36/09 - Rn. 40; 21. Juli 2009 - 9 AZR 404/08 - Rn. 22; bereits auch: 28. November 1989 - 3 AZR 118/88 - zu II 1 a der Gründe, BAGE 63, 267).
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a) Beruht die Weisung auf einer unternehmerischen Entscheidung, so kommt dieser besonderes Gewicht zu. Eine unternehmerische Entscheidung führt aber nicht dazu, dass die Abwägung mit Interessen des Arbeitnehmers von vornherein ausgeschlossen wäre und sich die Belange des Arbeitnehmers nur in dem vom Arbeitgeber durch die unternehmerische Entscheidung gesetzten Rahmen durchsetzen könnten. Das unternehmerische Konzept ist zwar nicht auf seine Zweckmäßigkeit hin zu überprüfen. Die Arbeitsgerichte können vom Arbeitgeber nicht verlangen, von ihm nicht gewollte Organisationsentscheidungen zu treffen. Wohl aber kann die Abwägung mit den Belangen des Arbeitnehmers ergeben, dass ein Konzept auch unter Verzicht auf die Versetzung durchsetzbar war.
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b) Die gegenteilige Auffassung des Landesarbeitsgerichts findet im Gesetz keine Stütze; § 106 GewO verlangt eine umfassende und offene Abwägung aller in Betracht kommenden Belange(BAG 17. August 2011- 10 AZR 202/10 - Rn. 28 ff.). Die unternehmerische Entscheidung ist dabei ein wichtiger, aber nicht der alleinige, sondern regelmäßig nur einer unter mehreren Abwägungsgesichtspunkten. Im Einzelfall können besonders schwerwiegende, zB auch verfassungsrechtlich geschützte Interessen des Arbeitnehmers entgegenstehen (vgl. BeckOK ArbR/Tillmanns Stand 1. März 2013 GewO § 106 Rn. 52 mit zahlreichen Nachweisen). Es kommt darauf an, ob das Interesse des Arbeitgebers an der Durchsetzung seiner Organisationsentscheidung auch im Einzelfall die Weisung rechtfertigt (BAG 13. Juni 2012 - 10 AZR 296/11 - Rn. 31). Das ist der Fall, wenn die zugrunde liegende unternehmerische Entscheidung die Versetzung auch angesichts der für den Arbeitnehmer entstehenden Nachteile nahelegt und sie nicht willkürlich oder missbräuchlich erscheinen lässt (BAG 26. September 2012 - 10 AZR 412/11 - Rn. 37).
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3. Eine soziale Auswahl wie im Fall des § 1 Abs. 3 KSchG findet nicht statt. Soweit es auf die Zumutbarkeit des neu zugewiesenen Arbeitsorts ankommt, kann aus den sozialrechtlichen Regeln über die Zumutbarkeit einer Beschäftigung kein belastbarer Maßstab für die arbeitsrechtliche Beurteilung des Ermessensgebrauchs nach § 106 Satz 1 GewO, § 315 BGB bei einer Versetzung abgeleitet werden(vgl. BAG 17. August 2011 - 10 AZR 202/10 - Rn. 22, 25).
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III. Die Anwendung dieser Maßstäbe auf den Streitfall ergibt, dass die Versetzung der Klägerin billigem Ermessen entspricht. Die Auffassung des Landesarbeitsgerichts, eine einzelfallbezogene Interessenabwägung habe in Fällen der vorliegenden Art nicht stattzufinden, steht zwar, wie ausgeführt, nicht mit dem Gesetz im Einklang. Jedoch ist die vom Landesarbeitsgericht als selbständig tragende Entscheidungsbegründung in Bezug genommene Würdigung des Arbeitsgerichts, die Beklagte habe bei der Ausübung ihres Weisungsrechts billiges Ermessen (§ 106 GewO, § 315 BGB) gewahrt, revisionsrechtlich nicht zu beanstanden.
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1. Zutreffend ist die Würdigung, dass auf Seiten der Beklagten die unternehmerische Entscheidung zur Neuordnung der Stationierung der Flugbegleiter zu berücksichtigen ist. Die Zweckmäßigkeit dieser Neuordnung war auch keiner Kontrolle zu unterziehen. Es sind keine Anhaltspunkte dafür ersichtlich, die Neuordnung sei etwa nur vorgeschoben, um lästig gewordene Vertragspflichten abzuschütteln. Anzeichen für Missbräuchlichkeit der Reorganisation als solcher sind nicht erkennbar. Angesichts des Umstands, dass die Beklagte seit dem Juni 2010 ihre Flugumläufe nahezu ausschließlich von Düsseldorf und Hamburg beginnen ließ, ist die Entscheidung, dort auch die Flugbegleiter zu stationieren, naheliegend. Auch die von der Beklagten vorgelegten Aufstellungen über die Auslastung des Personals mit Flugarbeitszeit zeigen, dass die getroffenen Entscheidungen einleuchtend sind. Das gilt selbst dann, wenn die Beklagte nicht aus jeder einzelnen Versetzung finanziellen Nutzen zieht. Einer durch viele Einzelmaßnahmen umgesetzten Neuordnung kann die Plausibilität nicht mit der Begründung abgesprochen werden, einer oder mehrere Teilakte seien für sich genommen nicht gewinnbringend. Für die Beurteilung der unternehmerischen Entscheidung ist vielmehr ihr Gesamtkonzept maßgeblich. Die Entscheidung ist ersichtlich nicht etwa nur für einen kurzen Zeitraum oder unter dem Vorbehalt alsbaldiger Änderung getroffen worden. Vielmehr zeugen die umfangreichen Reorganisationen der Beklagten von dem anhaltend, ernsthaft und nachdrücklich verfolgten Bestreben, ihre Tätigkeit auf die beiden Orte Hamburg und Düsseldorf zu konzentrieren. Auch der Abschluss von Interessenausgleich und Sozialplan sowie insbesondere die Zusage, bis zum Jahr 2015 keine betriebsbedingten Kündigungen auszusprechen, zeigen, dass die Entscheidung der Beklagten auf langfristigen Überlegungen und Berechnungen beruht.
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2. Das Interesse der Klägerin an der Beibehaltung ihres bisherigen Einsatzorts muss demgegenüber zurücktreten. Unzumutbare persönliche, familiäre oder sonstige außervertraglich entstandene Belastungen hat die Klägerin nicht vorgetragen. Von Bedeutung ist dabei, dass der Tätigkeit einer Flugbegleiterin eine gewisse Volatilität stets innewohnt und die Erwartung der sozialen und sonstigen Vorteile eines ortsfesten Arbeitseinsatzes zu dauerhaft unveränderten Zeiten vom Vertragszweck von vornherein nicht gedeckt sein kann. Die Versetzung unterstreicht diese Besonderheiten, verursacht sie aber nicht. Die zweifellos auftretenden Unbequemlichkeiten und zusätzlich entstehenden Kosten muss die Klägerin hinnehmen, wie das Arbeitsgericht nachvollziehbar angenommen hat. Sie gehen im Grundsatz nicht über das hinaus, was Arbeitnehmern regelmäßig zugemutet wird, nämlich die Belastungen des Wegs zur und von der Arbeit zu tragen. Aufgrund des abgeschlossenen Sozialplans gewährt die Beklagte einen nicht unbeachtlichen finanziellen Ausgleich. Insbesondere hatte die Klägerin auch die Möglichkeit, den Misslichkeiten einer längeren Anfahrt zum Arbeitsort durch einen Umzug auszuweichen.
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IV. Die Versetzung ist nicht nach § 117 Abs. 2, § 99 BetrVG unwirksam. Die Beklagte hat die PV Kabine mit Schreiben vom 23. März 2011 unterrichtet. Inwiefern die Unterrichtung nicht ausreichend gewesen sein soll, ist nicht erkennbar. Der angegebene Versetzungsgrund war die Reduzierung der Einsatzorte auf zwei. Damit war nicht ausgeschlossen, dass übergangsweise noch einzelne Umläufe von anderen Einsatzorten aus stattfanden. Insbesondere sieht die im Interessenausgleich vorgesehene Härtefallregelung eine zeitliche Übergangsphase für die Versetzungen ausdrücklich vor. All dies ändert nichts an der für die Versetzung maßgeblichen Grundentscheidung. Dass die Beklagte ihr bekannte und wesentliche Umstände gegenüber der PV Kabine verschwiegen hätte, ist nicht ersichtlich. Die Personalvertretung hat auch keine Nachfragen angebracht. Nach § 99 Abs. 3 Satz 2 BetrVG gilt ihre Zustimmung als erteilt.
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V. Die erhobene Änderungsschutzklage ist unbegründet. Hat der Arbeitnehmer - wie hier - das Änderungsangebot des Arbeitgebers unter Vorbehalt angenommen und Änderungsschutzklage nach § 4 Satz 2 KSchG erhoben, streiten die Parteien nicht über die Beendigung des Arbeitsverhältnisses und damit nicht über die Rechtswirksamkeit der ausgesprochenen Kündigung, sondern nur über die Berechtigung des Angebots auf Änderung der Arbeitsbedingungen. Streitgegenstand der Änderungsschutzklage ist allein der Inhalt der für das Arbeitsverhältnis geltenden Vertragsbedingungen (BAG 19. Juli 2012 - 2 AZR 25/11 - Rn. 20; 26. Januar 2012 - 2 AZR 102/11 - Rn. 13, BAGE 140, 328; 26. August 2008 - 1 AZR 353/07 - Rn. 17). Vom Arbeitgeber erstrebte Änderungen, die sich schon durch die Ausübung des Weisungsrechts gemäß § 106 Satz 1 GewO durchsetzen lassen, halten sich im Rahmen der vertraglichen Vereinbarungen und sind keine „Änderung der Arbeitsbedingungen“ iSv. § 2 Satz 1, § 4 Satz 2 KSchG. Soll der bestehende Vertragsinhalt nicht geändert werden, liegt in Wirklichkeit kein Änderungsangebot vor; die vermeintlich erst herbeizuführenden Vertragsbedingungen gelten bereits. Die Änderungskündigung ist „überflüssig“. Eine Änderungsschutzklage ist dann unbegründet (BAG 19. Juli 2012 - 2 AZR 25/11 - Rn. 21; 26. Januar 2012 - 2 AZR 102/11 - Rn. 14, aaO).
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B. Die Kosten des Revisionsverfahrens fallen der Klägerin nach § 97 Abs. 1 ZPO zur Last.
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Mikosch
Mestwerdt
Schmitz-Scholemann
Schürmann
R. Bicknase
Der Arbeitgeber kann Inhalt, Ort und Zeit der Arbeitsleistung nach billigem Ermessen näher bestimmen, soweit diese Arbeitsbedingungen nicht durch den Arbeitsvertrag, Bestimmungen einer Betriebsvereinbarung, eines anwendbaren Tarifvertrages oder gesetzliche Vorschriften festgelegt sind. Dies gilt auch hinsichtlich der Ordnung und des Verhaltens der Arbeitnehmer im Betrieb. Bei der Ausübung des Ermessens hat der Arbeitgeber auch auf Behinderungen des Arbeitnehmers Rücksicht zu nehmen.
Tenor
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1. Auf die Revision des Klägers wird das Urteil des Landesarbeitsgerichts Schleswig-Holstein vom 20. Januar 2009 - 5 Sa 270/08 - aufgehoben, soweit es die ordentliche Kündigung für wirksam erachtet hat.
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2. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung - auch über die Kosten der Revision - an das Landesarbeitsgericht zurückverwiesen.
Tatbestand
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Die Parteien streiten - noch - über die Wirksamkeit einer ordentlichen Kündigung.
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Der 1963 geborene, verheiratete und zwei Kindern zum Unterhalt verpflichtete Kläger trat im November 1995 in die Dienste der Rechtsvorgängerin der Beklagten, die ein Einzelhandelsunternehmen betreibt.
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Der Kläger war zunächst als Helfer in der „Waschstraße“ tätig. Nach deren Stilllegung wurde er ab Oktober 2003 in dem zugehörigen Warenhaus als „Ladenhilfe“ weiterbeschäftigt. Dort setzt die Beklagte regelmäßig weit mehr als zehn Arbeitnehmer ein.
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Zu den Arbeitsaufgaben einer „Ladenhilfe“ gehört es, sämtliche im Einkaufsmarkt anfallenden Auffüll- und Verräumarbeiten auszuführen. Die Beklagte, die eine Spezialisierung ihrer Mitarbeiter anstrebt und diese möglichst bestimmten Bereichen zuordnet, setzte den Kläger zunächst im Getränkebereich der Abteilung „Allgemeine Lebensmittel“ ein. Nachdem der Kläger den Wunsch nach einem Arbeitsplatzwechsel geäußert hatte, wies sie ihm ab März 2007 Arbeiten in der Frischwarenabteilung zu. Während seiner dortigen Tätigkeit war der Kläger mehrmals wegen Krankheit arbeitsunfähig. Im Anschluss an eine Arbeitsunfähigkeit im Januar 2008 stellte sie ihm eine „Rückumsetzung“ in den Getränkebereich in Aussicht. Nach einer weiteren Erkrankung wies sie ihn am 25. Februar 2008 mündlich an, wieder in der Getränkeabteilung zu arbeiten. Der Kläger weigerte sich, der Anordnung Folge zu leisten. Er berief sich auf seinen - muslimischen - Glauben, der ihm den Umgang mit Alkohol und damit auch das Ein- und Ausräumen alkoholischer Produkte verbiete. Diesen Standpunkt behielt er auch nach schriftlicher Aufforderung zur Arbeitsaufnahme im Getränkebereich bei. Die Beklagte stellte ihn daraufhin für den 25. Februar 2008 von der Arbeitsleistung frei. Kurz darauf legte der Kläger eine ärztliche Bescheinigung über eine voraussichtlich bis 4. März 2008 bestehende Arbeitsunfähigkeit vor.
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Nach Anhörung des Betriebsrats kündigte die Beklagte das Arbeitsverhältnis mit Schreiben vom 1. März 2008 fristlos und mit einem weiteren Schreiben vom 5. März 2008 vorsorglich fristgemäß zum 30. August 2008.
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Der Kläger hat Kündigungsschutzklage erhoben und geltend gemacht, die Kündigungen seien unwirksam. Er sei nicht verpflichtet gewesen, der Weisung vom 25. Februar 2008 Folge zu leisten. Die Beklagte habe ihm die Arbeiten schon nicht ohne Zustimmung des Betriebsrats zuweisen dürfen. Die Umsetzung stelle zudem eine Sanktion für seine wiederholt aufgetretenen Erkrankungen dar. Unabhängig davon sei die Arbeit im Getränkebereich mit seinen Glaubensüberzeugungen nicht vereinbar. Darauf habe die Beklagte Rücksicht nehmen müssen. Ihm als gläubigem Moslem seien jegliche Handlungen verboten, die der gewerblichen Verbreitung von Alkoholika dienten. Das Alkoholverbot beziehe sich auch auf das Ein- und Ausräumen von Alkoholika und sei für jeden Moslem verbindlich. Zumindest erkenne er die religiösen Vorgaben für sich als verbindlich an. Er habe bei Begründung des Arbeitsverhältnisses nicht damit rechnen müssen, beim Verkauf alkoholhaltiger Getränke mitwirken zu sollen. Mit solchen Produkten sei er erstmals im Jahr 2006 nach einer Reduzierung des Personalbestands in der Getränkeabteilung in Berührung gekommen. Von da an habe er bei seiner Arbeit ein schlechtes Gewissen gehabt. Der Konflikt sei für ihn schließlich unerträglich geworden. Er habe sich entschieden, künftig strikt seinen Glaubensüberzeugungen zu folgen. Die Beklagte könne ihm andere Arbeiten etwa in den Bereichen Drogerie, Obst und Gemüse, Haushaltswaren oder Backwaren zuweisen. Er sei auch bereit, Einkaufswagen zu schieben. Ihm sei der Kontakt mit Produkten, die in irgendeiner Weise Alkohol enthielten, nicht gänzlich verboten, sondern nur insoweit, als dem Alkohol Rauschmittelqualität zukomme.
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Der Kläger hat beantragt
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festzustellen, dass das Arbeitsverhältnis der Parteien durch die Kündigungen vom 1. März 2008 und 5. März 2008 nicht beendet worden ist.
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Die Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen. Sie hat die Auffassung vertreten, der Kläger habe seine Arbeitsleistung in vorwerfbarer Weise beharrlich verweigert. Die an ihn ergangene Weisung, in der Getränkeabteilung zu arbeiten, sei rechtmäßig. Auf die Glaubensüberzeugungen des Klägers habe sie insoweit Rücksicht genommen, als sie ihn weder mit dem Ausschank noch mit der Verköstigung alkoholischer Getränke betraut habe. Da der Kläger bislang die nunmehr verweigerten Tätigkeiten verrichtet habe, könne er sich nicht auf eine Änderung seiner Gewissenslage berufen. Angesichts seiner in der Frischwarenabteilung angefallenen hohen Arbeitsunfähigkeitszeiten habe ihre Weisung auch dem Schutz seiner Gesundheit gedient. Alkoholhaltige Produkte fänden sich im Übrigen im gesamten Warensortiment. Sie verkaufe beispielsweise mit Alkohol gefüllte Pralinen und führe im Bereich der Molkereiprodukte oftmals eine Käseverkostung mit Weinprobe durch. Ihr könne nicht zugemutet werden, den Kläger ständig in einer neuen Abteilung einzuarbeiten. Ein Einsatz in der Drogerieabteilung und im „Nonfood“-Bereich scheide aus. Dort kämen nur Fachkräfte mit Spezialwissen zum Einsatz.
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Das Arbeitsgericht hat die Klage abgewiesen. Das Landesarbeitsgericht hat auf die Berufung des Klägers festgestellt, dass das Arbeitsverhältnis der Parteien durch die fristlose Kündigung vom 1. März 2008 nicht beendet worden ist. Die weitergehende Berufung hat es zurückgewiesen. Mit der vom Bundesarbeitsgericht zugelassenen Revision verfolgt der Kläger seinen Feststellungsantrag hinsichtlich der ordentlichen Kündigung weiter.
Entscheidungsgründe
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Die Revision ist begründet. Sie führt zur Aufhebung des Berufungsurteils und zur Zurückverweisung des Rechtsstreits an das Landesarbeitsgericht (§ 562 Abs. 1, § 563 Abs. 1 Satz 1 ZPO). Der Senat kann mangels ausreichender Tatsachenfeststellungen nicht abschließend entscheiden, ob die ordentliche Kündigung vom 5. März 2008 sozial gerechtfertigt ist.
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I. Die von Amts wegen zu beachtenden Prozessfortsetzungsvoraussetzungen liegen vor. Anders als die Beklagte gemeint hat, sind die gesetzlichen Anforderungen an eine ordnungsgemäße Berufungsbegründung iSv. § 64 Abs. 6 ArbGG iVm. § 520 Abs. 3 Nr. 2 ZPO erfüllt. Das Arbeitsgericht hat die Kündigungsschutzklage mit der Begründung abgewiesen, das Arbeitsverhältnis sei bereits durch die außerordentliche Kündigung aufgelöst worden. Die Berufungsbegründung des Klägers hat sich mit sämtlichen dafür tragenden Erwägungen des erstinstanzlichen Urteils hinreichend auseinandergesetzt. Eines näheren Eingehens auf die ordentliche Kündigung bedurfte es unter diesen Umständen nicht (vgl. BAG 5. Oktober 1995 - 2 AZR 909/94 - zu II 1 der Gründe, BAGE 81, 111).
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II. Auf der Grundlage der bisherigen Feststellungen des Landesarbeitsgerichts kann nicht beurteilt werden, ob die Kündigung vom 5. März 2008 iSv. § 1 Abs. 2 KSchG sozial gerechtfertigt ist. Der Kläger hat nachvollziehbar dargelegt, dass er sich an das islamische Alkoholverbot gebunden fühle, aus dem er ableite, auch das Einräumen alkoholischer Getränke unterlassen zu müssen. Seine hierauf gestützte Weigerung, im Getränkebereich im Kontakt mit alkoholischen Getränken zu arbeiten, berechtigte die Beklagte nur dann zur Kündigung, wenn keine andere, den Glaubenskonflikt vermeidende und ihr den Umständen nach zumutbare Möglichkeit einer Beschäftigung bestanden hat. Dazu, ob eine solche Alternative gegeben war, hat das Landesarbeitsgericht keine ausreichenden Feststellungen getroffen.
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1. Die Kündigung vom 5. März 2008 ist nicht iSv. § 1 Abs. 2 KSchG durch Gründe im Verhalten des Klägers bedingt.
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a) Allerdings stellt die beharrliche Weigerung des Arbeitnehmers, eine vertraglich geschuldete, rechtmäßig und damit wirksam zugewiesene Arbeit zu leisten, eine erhebliche Pflichtverletzung dar und ist in der Regel geeignet, jedenfalls die ordentliche Kündigung des Arbeitsverhältnisses sozial zu rechtfertigen (BAG 13. März 2008 - 2 AZR 88/07 - Rn. 36, AP KSchG 1969 § 1 Nr. 87 = EzA KSchG § 1 Verhaltensbedingte Kündigung Nr. 73; 5. April 2001 - 2 AZR 580/99 - zu II 2 a der Gründe mwN, BAGE 97, 276).
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Im Streitfall hat die Beklagte den Kläger am 25. Februar 2008 angewiesen, wieder im Getränkebereich zu arbeiten. Die Annahme des Landesarbeitsgerichts, der Kläger habe sich dieser Anordnung „beharrlich“ widersetzt, ist revisionsrechtlich nicht zu beanstanden. Ein Arbeitnehmer verweigert die ihm übertragene Arbeit beharrlich, wenn er sie bewusst und nachhaltig nicht leisten will. Das war hier der Fall. Der Kläger hat sowohl auf die mündliche als auch auf die nachfolgende schriftliche Anordnung der Beklagten deutlich zu erkennen gegeben, Arbeiten im Getränkebereich jedenfalls dann nicht auszuführen, wenn von ihm auch der Umgang mit alkoholhaltigen Getränken verlangt werde. Seine Weigerung war endgültig.
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b) Die Beklagte hat dem Kläger jedoch die Arbeiten im Getränkebereich, weil und soweit sie ihn in Glaubenskonflikte brachten, nicht wirksam nach § 106 Satz 1 GewO zugewiesen. Der Kläger hat deshalb mit seiner Weigerung, sie durchzuführen, seine Vertragspflichten nicht verletzt.
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aa) Aufgrund seines Weisungsrechts (§ 106 GewO)kann der Arbeitgeber eine im Arbeitsvertrag nur abstrakt umschriebene Leistungspflicht des Arbeitsnehmers nach Zeit, Ort und Art der Leistung einseitig näher bestimmen, soweit diese nicht durch Gesetz oder Vertrag festgelegt ist. Der Regelung des § 106 Satz 1 GewO kommt insoweit klarstellende Bedeutung zu (BAG 13. Oktober 2009 - 9 AZR 722/08 - Rn. 18, AP AGG § 7 Nr. 1 = EzA AGG § 10 Nr. 2). Das Weisungsrecht darf dabei nur nach billigem Ermessen ausgeübt werden. Das verlangt, dass der Arbeitgeber bei seiner Entscheidung die wesentlichen Umstände des Einzelfalls abgewogen und die beiderseitigen Interessen angemessen berücksichtigt hat. Maßgeblich ist der Zeitpunkt, in dem der Arbeitgeber seine Entscheidung trifft (vgl. BAG 15. September 2009 - 9 AZR 643/08 - Rn. 26 und 29, AP TVG § 1 Altersteilzeit Nr. 44 = EzA TVG § 4 Altersteilzeit Nr. 31). Ob die Entscheidung billigem Ermessen entspricht, unterliegt nach § 106 Satz 1 GewO iVm. § 315 Abs. 3 BGB der gerichtlichen Kontrolle(BAG 19. Januar 2011 - 10 AZR 738/09 - Rn. 18, EzA-SD 2011 Nr. 9, 8; 25. Oktober 1989 - 2 AZR 633/88 - Rn. 41, AP BGB § 611 Direktionsrecht Nr. 36 = EzA KSchG § 1 Verhaltensbedingte Kündigung Nr. 30).
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bb) Danach war die Weisung der Beklagten vom 25. Februar 2008 nicht schon deshalb unbeachtlich, weil sie nach § 99 BetrVG der Zustimmung des Betriebsrats bedurft hätte. Eine Versetzung iSv. § 99 Abs. 1, § 95 Abs. 3 Satz 1 BetrVG lag nicht vor. Dem Kläger wurde mit der Übertragung von Aufgaben im Getränkebereich kein anderer „Arbeitsbereich“ im Sinne dieser Regelung zugewiesen. Der Gegenstand und das Gesamtbild der Tätigkeit einer mit einfachen Ein- und Ausräumarbeiten in der Frischwarenabteilung beschäftigten Ladenhilfe wird nicht dadurch verändert, dass die Arbeiten nunmehr in der Getränkeabteilung zu verrichten sind. Dafür, dass der Getränkebereich intern einem eigenen „Arbeitsregime“ unterläge, fehlt es an Anhaltspunkten (vgl. dazu BAG 17. Juni 2008 - 1 ABR 38/07 - Rn. 21 ff. mwN, AP BetrVG 1972 § 99 Versetzung Nr. 47 = EzA BetrVG 2001 § 95 Nr. 8).
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cc) Die Weisung war ebenso wenig deshalb unwirksam, weil sich die Beklagte wegen der Erkrankungen des Klägers entschlossen hatte, diesen wieder im Getränkebereich einzusetzen. Ein Verstoß gegen das gesetzliche Maßregelungsverbot (§ 612a BGB)ist insoweit nicht ersichtlich. Die Arbeitsunfähigkeitszeiten des Klägers sind während seiner Tätigkeit in der Frischwarenabteilung angestiegen, ohne dass freilich feststünde, sie seien durch diese Tätigkeit verursacht worden. Bei den übrigen Mitarbeitern des Bereichs sind nach den Feststellungen des Landesarbeitsgerichts weitaus geringere Fehlzeiten angefallen. Unter diesen Umständen ist nicht zu erkennen, dass die angestrebte Änderung des Einsatzbereichs von sachfremden Motiven getragen gewesen wäre. Näher liegt die Annahme, die Beklagte habe eine immerhin mögliche, mit den Arbeitsumständen in der Frischwarenabteilung zusammenhängende Krankheitsursache sowohl im betrieblichen als auch im Interesse der Gesundheit des Klägers ausschließen wollen. Darauf hat das Berufungsgericht zutreffend hingewiesen.
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dd) Die angeordnete Tätigkeit im Getränkebereich bewegte sich im arbeitsvertraglich vereinbarten Leistungsspektrum. Die Parteien haben bei Schließung der Waschstraße im Jahr 2003 einen neuen Arbeitsvertrag geschlossen. Danach wurde der Kläger als „Ladenhilfe“ weiterbeschäftigt und war dementsprechend grundsätzlich verpflichtet, sämtliche im Warenhaus anfallenden Hilfsarbeiten auszuführen. Das schließt die ihm zugewiesenen Arbeiten ein. Mit der im Jahr 2006 auf seinen Wunsch erfolgten Umsetzung in die Frischwarenabteilung hat sich die Beklagte ihres Rechts, ihm Arbeiten im Getränkebereich zuzuweisen, nicht begeben. Ebenso wenig ist ersichtlich, dass sie zumindest darauf verzichtet hätte, ihn mit dem Ein- und Ausräumen alkoholhaltiger Getränke zu beauftragen.
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ee) Die Beklagte hat aber bei der Ausübung ihres Weisungsrechts auf die Glaubensüberzeugungen des Klägers nicht hinreichend Bedacht genommen. Ihre Weisung, im Getränkebereich zu arbeiten, entsprach damit nicht billigem Ermessen.
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(1) Der Arbeitgeber muss einen ihm offenbarten und beachtlichen Glaubens- oder Gewissenskonflikt des Arbeitnehmers bei der Ausübung seines Weisungsrechts berücksichtigen. Dies setzt voraus, dass der Arbeitnehmer darlegt, ihm sei wegen einer aus einer spezifischen Sachlage folgenden Gewissensnot heraus nicht zuzumuten, die an sich vertraglich geschuldete Leistung zu erbringen. Lässt sich aus den festgestellten Tatsachen im konkreten Fall ein die verweigerte Arbeit betreffender Glaubens- oder Gewissenskonflikt ableiten, so unterliegt die Relevanz und Gewichtigkeit der Gewissensbildung keiner gerichtlichen Kontrolle (vgl. BAG 22. Mai 2003 - 2 AZR 426/02 - zu B II 5 b dd der Gründe, AP KSchG 1969 § 1 Wartezeit Nr. 18 = EzA BGB 2002 § 242 Kündigung Nr. 2; 24. Mai 1989 - 2 AZR 285/88 - zu B I 1 b der Gründe, BAGE 62, 59).
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(a) Das gebietet die verfassungskonforme Auslegung und Anwendung von § 106 Satz 1 GewO. Das bei der Ausübung des Leistungsbestimmungsrechts zu wahrende billige Ermessen wird inhaltlich durch die Grundrechte des Arbeitnehmers mitbestimmt. Kollidieren diese mit dem Recht des Arbeitgebers, dem Arbeitnehmer im Rahmen der gleichfalls grundrechtlich geschützten unternehmerischen Betätigungsfreiheit (Art. 12 Abs. 1 Satz 2 GG) eine von der vertraglichen Vereinbarung gedeckte Tätigkeit zuzuweisen, sind die gegensätzlichen Rechtspositionen grundrechtskonform auszugleichen. Dabei sind die kollidierenden Grundrechte in ihrer Wechselwirkung zu sehen und so zu begrenzen, dass sie im Sinne einer praktischen Konkordanz für alle Beteiligten möglichst weitgehend wirksam werden. Insoweit gilt seit seinem Inkrafttreten für § 106 GewO nichts anderes als zuvor für § 315 Abs. 1 BGB(BAG 13. August 2010 - 1 AZR 173/09 - AP GG Art. 9 Nr. 141 = EzA GG Art. 9 Nr. 100; 10. Oktober 2002 - 2 AZR 472/01 - zu B II 3 c der Gründe mwN, BAGE 103, 111; AnwK-ArbR/Boecken 2. Aufl. § 106 GewO Rn. 92; ErfK/Preis 11. Aufl. § 106 GewO Rn. 6). Auf das unverzichtbare Schutzminimum der Glaubens- und Bekenntnisfreiheit nach Art. 4 Abs. 1 GG ist Bedacht zu nehmen. Es ist die Intensität des umstrittenen Eingriffs ebenso zu berücksichtigen wie der Umstand, dass die Vertragspartner mit dem Abschluss des Vertrags in eine Begrenzung grundrechtlicher Freiheiten eingewilligt haben (vgl. BAG 10. Oktober 2002 - 2 AZR 472/01 - zu B II 3 c der Gründe mwN, aaO; ErfK/Schmidt 11. Aufl. Art. 4 GG Rn. 25).
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(b) Ob und inwieweit der Arbeitgeber bei der Ausübung seines Weisungsrechts auf die Glaubensüberzeugungen des Arbeitnehmers Rücksicht nehmen muss, ist damit eine Frage des Einzelfalls.
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(aa) Wenn die Weisung mit fundamentalen, unüberwindbaren Glaubensüberzeugungen des Arbeitnehmers kollidiert, wird es häufig nicht billigem Ermessen entsprechen, wenn der Arbeitgeber an ihr festhält und deren Befolgung verlangt. Das wird in der Regel auch bei einem erst im Anschluss an eine arbeitgeberseitige Weisung offenbarten Konflikt gelten. Zwar ist eine Weisung so lange, wie der Arbeitnehmer einen Glaubenskonflikt noch nicht offenbart hat, für den Arbeitnehmer verbindlich. Offenbart aber der Arbeitnehmer nach erteilter Weisung einen solchen ernsten Konflikt, kann sich für den Arbeitgeber aus § 241 Abs. 2 BGB die Verpflichtung ergeben, von seinem Direktionsrecht unter Berücksichtigung der entgegenstehenden Belange des Arbeitnehmers erneut Gebrauch zu machen(vgl. BAG 19. Mai 2010 - 5 AZR 162/09 - Rn. 27, EzA BGB 2002 § 615 Nr. 33).
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(bb) Auch die Glaubensfreiheit ist freilich nicht ohne jede Schranke garantiert. Beschränkt wird sie durch kollidierende Grundrechte oder Verfassungsaufträge (BVerfG 21. Juli 2009 - 1 BvR 1358/09 - Rn. 14, NJW 2009, 3151). Etwas anderes kann deshalb gelten, wenn auf Seiten des Arbeitgebers nicht nur sein vertraglich begründetes und aktuell ausgeübtes Weisungsrecht als solches steht, sondern seine Weisung weitergehend durch Art. 12 Abs. 1 GG oder durch andere grundrechtlich relevante Rechtsgüter geschützt ist, die ein - ggf. nur kurzfristiges - Hintanstellen der Glaubensüberzeugungen geboten erscheinen lassen. Auch wird der Arbeitgeber, gestützt auf Art. 12 Abs. 1 GG, uU erwarten und verlangen können, dass der Arbeitnehmer eine gewisse - knappe - Ankündigungsfrist einhält, um ihm eine möglichst reibungslose organisatorische Umstellung zu ermöglichen und Folgeschäden zu vermeiden.
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(cc) Die Frage, ob der Arbeitgeber dem Arbeitnehmer die Arbeitsleistung trotz eines ernsten, unüberwindbaren Glaubens- oder Gewissenskonflikts verbindlich zuweisen darf, hängt dagegen nicht ohne Weiteres von der Vorhersehbarkeit des Konflikts ab.
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Das ist insbesondere dann nicht der Fall, wenn der Arbeitnehmer zwar erkennen konnte, er verpflichte sich zu Arbeiten, die bestimmten Glaubensinhalten derjenigen Religion, welcher er angehört, widersprechen, er persönlich aber diese Glaubensinhalte bei Vertragsschluss noch nicht als für sich verbindlich angesehen hatte. Der Umstand, dass die Möglichkeit eines Glaubenskonflikts in diesem Sinne für den Arbeitnehmer vorhersehbar war, nimmt dessen späterer Erklärung, er berufe sich nunmehr auf seine (geänderte) Glaubensüberzeugung, nichts von ihrer rechtlichen Beachtlichkeit; der aktuelle Glaubenskonflikt des Arbeitnehmers ist nicht deshalb weniger bedeutsam iSv. Art. 4 Abs. 1 GG. Eine den Konflikt gleichwohl ignorierende Arbeitsanweisung des Arbeitgebers braucht der Arbeitnehmer unter diesen Voraussetzungen in der Regel nicht zu befolgen.
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Eine andere Beurteilung kann geboten sein, wenn der Arbeitnehmer bei Vertragsschluss bereits positiv wusste, dass er die vertraglich eingegangenen Verpflichtungen um seiner Glaubensüberzeugungen willen sämtlich und von Beginn an nicht würde erfüllen können. Zum einen kann dies zu Zweifeln an der Ernsthaftigkeit seiner Überzeugungen führen. Zum anderen wird es einem Arbeitnehmer, der sich im Wissen um einen unvermeidlich auftretenden Glaubenskonflikt zur Erbringung der diesen auslösenden Arbeiten verpflichtet hat, nach § 242 BGB regelmäßig verwehrt sein, sich gegenüber einer entsprechenden Arbeitsanweisung auf seinen Glauben zu berufen. Die Aufforderung zur Leistung vertragsgemäßer Arbeiten entspricht dann trotz des offenbarten Glaubenskonflikts billigem Ermessen. Mit der Weigerung, ihr nachzukommen, verletzt der Arbeitnehmer seine vertraglichen Pflichten.
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(2) Die Neuregelung des Leistungsstörungsrechts verlangt nicht nach einem anderen rechtssystematischen Ausgangspunkt für die rechtliche Prüfung. Diese ist weiterhin im Rahmen von § 106 GewO und nicht von § 275 Abs. 3 BGB vorzunehmen.
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Zum einen kommt es auf ein religiös begründetes Leistungsverweigerungsrecht nur an, wenn das Leistungs-/Erfüllungsverlangen des Arbeitgebers billigem Ermessen iSv. § 106 Satz 1 BGB entspricht(ähnlich Kamanabrou GS Zachert, S. 400 f.; zum Meinungsstand auch: ErfK/Preis 11. Aufl. § 611 BGB Rn. 687; KR/Fischermeier 9. Aufl. § 626 BGB Rn. 141, 468; Schaub/Linck ArbR-Hdb. 11. Aufl. § 45 Rn. 30; Staudinger/Löwisch/Caspers (2009) § 275 BGB Rn. 104 f.; Henssler RdA 2002, 129, 131; Richardi NZA 2002, 1004, 1007; Greiner Ideelle Unzumutbarkeit S. 135 ff.). Zum anderen ergeben sich die Voraussetzungen, unter denen ein Glaubens- und Gewissenkonflikt für eine nach dem Arbeitsvertrag geschuldete Leistung Bedeutung gewinnen kann, in jedem Fall aus den Vorgaben höherrangigen Rechts. Die Prüfung von § 106 GewO ist deshalb vorrangig.
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(3) Gemessen an diesen Abwägungsgesichtspunkten entsprach die Arbeitsanweisung der Beklagten nicht billigem Ermessen gem. § 106 Satz 1 GewO. Der vom Kläger aufgezeigte Glaubenskonflikt fällt in den Schutzbereich des Art. 4 GG. Der Konflikt bestand nach den Feststellungen des Landesarbeitsgerichts ernsthaft. Der Kläger wusste weder bei dem ursprünglichen Vertragsschluss noch bei der späteren Vertragsänderung, dass er unweigerlich auftreten würde.
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(a) Die Glaubensfreiheit gemäß Art. 4 Abs. 1 GG gewährleistet dem Einzelnen einen Rechtsraum, in dem er sich die Lebensform zu geben vermag, die seiner Überzeugung entspricht(BVerfG 8. November 1969 - 1 BvR 59/56 - zu II 1 der Gründe, BVerfGE 12, 1). Zu ihr gehört nicht nur die innere Freiheit, zu glauben oder nicht zu glauben, sondern auch das Recht des Einzelnen, sein gesamtes Verhalten an den Lehren seines Glaubens auszurichten und seiner inneren Glaubensüberzeugung gemäß zu handeln (BVerfG 19. Oktober 1971 - 1 BvR 387/65 - zu B II 1 der Gründe mwN, BVerfGE 32, 98).
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(aa) Das Grundrecht ist offen für die Entfaltung verschiedener Religionen und Bekenntnisse. Unbeachtlich ist die zahlenmäßige Stärke oder Relevanz einer bestimmten Glaubenshaltung. Unter den Schutzbereich des Art. 4 GG fallen auch Verhaltensweisen, die nicht allgemein von den Gläubigen geteilt werden(BVerfG 19. Oktober 1971 - 1 BvR 387/65 - zu B II 1 der Gründe mwN, BVerfGE 32, 98). Glaubensfreiheit ist mehr als religiöse Toleranz. Für eine zulässige Berufung auf Art. 4 GG kommt es nur darauf an, dass das Verhalten wirklich von einer religiösen Überzeugung getragen und nicht anders motiviert ist. Andernfalls würde den Gerichten eine Bewertung von Glaubenshaltungen oder die Prüfung von theologischen Lehren aufgebürdet, die sie weder leisten können noch leisten dürfen (BAG 10. Oktober 2002 - 2 AZR 472/01 - zu B II 3 c aa der Gründe, BAGE 103, 111).
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(bb) Als Gewissensentscheidung ist jede ernste sittliche, dh. an den Kategorien „gut“ und „böse“ orientierte Entscheidung anzusehen, die der Einzelne in einer bestimmten Lage als für sich bindend und unbedingt verpflichtend innerlich erfährt, so dass er gegen sie nicht ohne ernste Gewissensnot handeln könnte. Die Gewissensfreiheit überschneidet sich mit der Glaubensfreiheit insoweit, als sie auch das religiös fundierte Gewissen schützt (vgl. BVerfG 11. April 1972 - 2 BvR 75/71 - zu B II 1 der Gründe, BVerfGE 33, 23; BVerwG 25. August 1993 - 6 C 8/91 - BVerwGE 94, 82).
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(cc) Beruft sich der Arbeitnehmer gegenüber einer nach dem Arbeitsvertrag geschuldeten Arbeitsleistung darauf, die Erfüllung der Arbeitspflicht bringe ihn aus religiösen Gründen in Gewissensnot, trifft ihn die Darlegungslast für einen konkreten und ernsthaften Glaubenskonflikt. Die nicht ernsthafte, möglicherweise nur vorgeschobene Berufung auf bestimmte Glaubensinhalte und -gebote kann keine Beachtung finden. Auch wenn Glaubensüberzeugungen keiner Nachprüfung anhand von Kriterien wie „irrig“, „beachtlich“ oder „unbeachtlich“ unterliegen, muss doch erkennbar sein, dass der Arbeitnehmer den von ihm ins Feld geführten Ge- oder Verboten seines Glaubens absolute Verbindlichkeit beimisst (zur Gewissensentscheidung vgl. BAG 24. Mai 1989 - 2 AZR 285/88 - zu B I 2 b bb der Gründe, BAGE 62, 59; siehe auch BVerwG 25. August 1993 - 6 C 8/91 - BVerwGE 94, 82 sowie die sich auf diese Entscheidung beziehende Gesetzesbegründung zu § 20 Abs. 1 Nr. 4 AGG [BR-Drucks. 329/06 S. 48]). Dazu müssen die betreffenden Verbote in Fällen der vorliegenden Art die Arbeitsverweigerung gewissermaßen „decken“. Ihre konkrete Reichweite, was die vertraglichen Pflichten betrifft, deren Erfüllung sie entgegenstehen soll, muss sich aus den Darlegungen des Arbeitnehmers unzweifelhaft ergeben. Nur so kann der Arbeitgeber erkennen, welchen Gebrauch er von seinem Direktionsrecht noch machen kann.
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(b) Die Würdigung des Landesarbeitsgerichts, es entspreche der ernsthaften religiösen Überzeugung des Klägers, dass er sich als gläubiger Moslem jeglicher Mitwirkung am Alkoholverkauf zu enthalten habe, lässt keinen Rechtsfehler erkennen. Der Kläger hat aufgezeigt, dass er sich durch verbindliche Ge- oder Verbote seines Glaubens daran gehindert sieht, der Weisung vom 25. Februar 2008 nachzukommen, soweit sie ihn dazu verpflichtet, durch das Umräumen und Bereitstellen alkoholischer Getränke an deren Verkauf mitzuwirken. Ob dieses Verständnis der islamischen Schriften der herrschenden Glaubenslehre entspricht, mag bezweifelt werden, ist jedoch nach dem verfassungsrechtlich gebotenen, subjektiven Gewissensbegriff nicht entscheidend. Ebenso wenig kommt es darauf an, ob die Haltung des Klägers, sein Glaube erlaube es ihm sehr wohl, mit Produkten umzugehen, die Alkohol in „chemisch veränderter Form“ enthielten, angesichts seines ansonsten strengen Verständnisses des Alkoholverbots in sich logisch und konsequent ist. Die innere Differenzierung erscheint zumindest möglich und stellt damit die Ernstlichkeit des Glaubenskonflikts nicht in Frage. Entsprechendes gilt für den Umstand, dass der Kläger zeitweise - möglicherweise ohne ausdrückliche Beanstandung - bereit war, Regale mit alkoholischen Getränken aufzufüllen. Der Kläger hat sich darauf berufen, er habe diesen Einsatz zunehmend als gewissensbelastend empfunden und sich zwischenzeitlich dazu entschlossen, strikt nach den Vorgaben seines Glaubens zu leben. Als ein äußeres Zeichen hierfür kann seine im Jahr 2007 geäußerte Bitte gelten, ihm andere Arbeit zu übertragen, auch wenn er seinen Glaubenskonflikt seinerzeit gegenüber der Beklagten nicht ausdrücklich offenbart haben sollte.
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(c) Der Kläger konnte zwar, nachdem er von der Beklagten im Oktober 2003 als „Ladenhilfe“ übernommen wurde, nicht ausschließen, bei seiner Tätigkeit mit Alkoholika in Berührung zu kommen. Abgesehen davon, dass er ursprünglich als Helfer in der Waschstraße eingestellt worden war und der Grund für die Vertragsänderung in den betrieblichen Verhältnissen der Beklagten lag, haben sich seine jetzigen religiösen Überzeugungen aber offenbar erst im Verlauf des Arbeitsverhältnisses mit längerem Abstand zum Zeitpunkt der vertraglichen Vereinbarung entwickelt und musste er überdies nicht zwingend damit rechnen, dass er als Ladenhilfe in den Verkauf alkoholischer Getränke eingebunden würde.
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Die Arbeitsanweisung der Beklagten vom 25. Februar 2008 widersprach damit billigem Ermessen und war unverbindlich. Der Kläger hat mit seiner Weigerung, ihr Folge zu leisten, seine vertraglichen Pflichten nicht verletzt.
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2. Ob die Kündigung vom 5. März 2008 iSv. § 1 Abs. 2 KSchG durch Gründe in der Person des Klägers bedingt ist, vermag der Senat nicht abschließend zu beurteilen.
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a) Ergibt die Abwägung im Rahmen des § 106 Satz 1 GewO, dass eine Arbeitsanweisung des Arbeitgebers nicht der Billigkeit entspricht, braucht der Arbeitnehmer ihr nicht nachzukommen. Allerdings schränkt die religiös begründete Begrenzung des Weisungsrechts des Arbeitgebers den auf wirksam ausgeübter Vertragsfreiheit (Art. 12 Abs. 1 GG) beruhenden Inhalt des Arbeitsvertrags als solchen nicht ein. Der vertraglich vereinbarte Tätigkeitsumfang reduziert sich wegen des Glaubenskonflikts nicht etwa von vornherein auf den konfliktfreien Bereich. Vielmehr ist der Arbeitnehmer aus persönlichen Gründen außerstande, einen Teil der vertraglich (weiterhin) versprochenen Leistungen zu erbringen. Aufgrund dieses Umstands kann eine Kündigung des Arbeitsverhältnisses durch einen in seiner Person liegenden Grund nach § 1 Abs. 2 KSchG gerechtfertigt sein(BAG 22. Mai 2003 - 2 AZR 426/02 - zu II 5 b dd der Gründe mwN, AP KSchG 1969 § 1 Wartezeit Nr. 18 = EzA BGB 2002 § 242 Kündigung Nr. 2).
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b) Ist der Arbeitnehmer aufgrund eines offenbarten beachtlichen Glaubenskonflikts teilweise außerstande, seine arbeitsvertraglichen Verpflichtungen zu erfüllen, berechtigt dies den Arbeitgeber gleichwohl nicht zur Kündigung, wenn er den Arbeitnehmer im Betrieb oder Unternehmen entweder innerhalb des vertraglich vereinbarten Leistungsspektrums oder aber zu geänderten Vertragsbedingungen unter Vermeidung des Konflikts sinnvoll weiterbeschäftigen kann (vgl. dazu BAG 10. Juni 2010 - 2 AZR 1020/08 - Rn. 15, AP KSchG 1969 § 1 Personenbedingte Kündigung Nr. 31 = EzA KSchG § 1 Personenbedingte Kündigung Nr. 25; 10. Oktober 2002 - 2 AZR 472/01 - zu B II 2 a der Gründe, BAGE 103, 111).
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c) Ob bei der Beklagten eine solche alternative Beschäftigungsmöglichkeit für den Kläger bestand, hat das Landesarbeitsgericht nicht festgestellt. Festgestellt hat es lediglich, dass eine Beschäftigung des Klägers in der Drogerieabteilung und der „Nonfood“-Abteilung ausgeschlossen gewesen sei, weil ihm die dafür notwendigen Fachkenntnisse gefehlt hätten. Offen ist, ob die Beklagte den Kläger in anderen Bereichen des Warenhauses, etwa im Bereich „Backwaren“ oder „Obst und Gemüse“ hätte einsetzen können. Darauf hat sich der Kläger ausdrücklich berufen. Auch hat er seine Bereitschaft zum Ausdruck gebracht, in der Getränkeabteilung zu arbeiten, wenn er von der Verpflichtung ausgenommen werde, alkoholische Getränke zu beräumen. Aus dem Umstand, dass das Landesarbeitsgericht angenommen hat, der Beklagten sei es bis zum Ablauf der Kündigungsfrist durchaus möglich und zumutbar gewesen, den Kläger außerhalb des Getränkebereichs einzusetzen, kann nicht ohne Weiteres geschlossen werden, diese Möglichkeit habe auch noch nach Fristablauf bestanden.
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d) Einer möglichen Wirksamkeit der Kündigung unter personenbedingten Gesichtspunkten steht nicht entgegen, dass sich die Beklagte gegenüber dem Betriebsrat nicht ausdrücklich auf solche Aspekte berufen hat. Nach § 102 Abs. 1 Satz 2 BetrVG hat der Arbeitgeber dem Betriebsrat die Gründe für die Kündigung mitzuteilen. Das umfasst zwar auch die Mitteilung darüber, ob eine außerordentliche oder ordentliche Beendigung des Arbeitsverhältnisses angestrebt wird (Fitting 25. Aufl. § 102 BetrVG Rn. 25 mwN). Nicht erforderlich ist aber, dass der Arbeitgeber die kündigungsrelevanten Tatsachen einem der Kündigungsgründe des § 1 Abs. 2 Satz 1 KSchG zuordnet. Tut er dies dennoch, bindet ihn dies im späteren Kündigungsschutzprozess grundsätzlich nicht. Er kann sich im Rahmen des dem Betriebsrat unterbreiteten tatsächlichen Kündigungssachverhalts auch auf andere rechtliche Gesichtspunkte berufen, sofern die mitgeteilten Tatsachen diese neuen Aspekte tragen.
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e) Ebenso wenig steht der möglichen Wirksamkeit einer personenbedingten Kündigung ein Diskriminierungsverbot entgegen. Eine unmittelbare Benachteiligung des Klägers wegen seiner Religion iSv. § 7 Abs. 1 iVm. §§ 1, 3 Abs. 1 AGG scheidet aus. Die Kündigung ist nicht deshalb erfolgt, weil der Kläger Moslem ist, sondern weil er sich außerstande sieht, bestimmte vertraglich eingegangene Verpflichtungen zu erfüllen. Auch eine mittelbare Diskriminierung liegt nicht vor. Unabhängig davon, ob mit einer solchen Kündigung eine besondere Benachteiligung iSv. § 3 Abs. 2 AGG einhergehen kann, ist es jedenfalls durch ein rechtmäßiges Ziel sachlich gerechtfertigt und als Mittel zu dessen Erreichung angemessen und erforderlich, dass der Arbeitgeber das Arbeitsverhältnis mit einem Arbeitnehmer beendet, der wegen seiner Glaubensüberzeugungen subjektiv nicht in der Lage ist, die vertraglich übernommenen Aufgaben zu verrichten, und anderweitig nicht eingesetzt werden kann.
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3. Dies führt zur Zurückverweisung der Sache an das Landesarbeitsgericht. Die Beurteilung, ob eine den Glaubenskonflikt vermeidende Beschäftigungsalternative bestand, ist zunächst und im Wesentlichen Tatfrage. Dazu wird das Landesarbeitsgericht die nötigen Feststellungen zu treffen haben.
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a) Dabei ist zu beachten, dass im Kündigungsschutzprozess der Arbeitgeber die Voraussetzungen des Kündigungsgrundes darlegen und ggf. beweisen muss. Das betrifft auch das Fehlen einer anderweitigen Beschäftigungsmöglichkeit iSv. § 1 Abs. 2 Satz 2 KSchG. Beruft sich ein Arbeitnehmer darauf, dass es ihm aus Glaubensgründen nicht möglich sei, die vertraglich geschuldete Tätigkeit auszuführen, hat er auf Nachfrage des Arbeitgebers aufzuzeigen, worin die religiösen Bedenken bestehen und welche vom Arbeitsvertrag umfassten Tätigkeiten ihm seine religiöse Überzeugung verbietet, um verbleibende Einsatzmöglichkeiten prüfen zu können. Im Streitfall gilt dies in besonderem Maße für den Umgang mit Produkten, die Alkohol enthalten und außerhalb der Getränkeabteilung vertrieben werden. Dieser materiell-rechtlichen Obliegenheit des Arbeitnehmers folgt die Darlegungslast im Prozess. Es ist Sache des sich auf einen Glaubenskonflikt berufenden Arbeitnehmers, zumindest in Grundzügen aufzuzeigen, wie er sich eine mit seinen Glaubensüberzeugungen in Einklang stehende Beschäftigung im Rahmen der vom Arbeitgeber vorgegebenen Betriebsorganisation vorstellt. Nur dann kann zuverlässig beurteilt werden, ob es dem Arbeitgeber möglich und zumutbar war, dem Arbeitnehmer andere Arbeit zu übertragen.
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b) Auch die Frage, welche Anstrengungen dem Arbeitgeber mit Blick auf eine anderweitige Beschäftigung des von einem Glaubenskonflikt betroffenen Arbeitnehmer zumutbar sind, unterliegt der Einzelfallbeurteilung. Regelmäßig zumutbar ist dem Arbeitgeber die Zuweisung einer anderen Tätigkeit, wenn dem keine betrieblichen Gründe, zu denen sowohl wirtschaftliche als auch organisatorische Gründe zählen können, entgegenstehen. Betriebliche Gründe stehen der Übertragung einer anderen Tätigkeit in der Regel nicht entgegen, wenn ein Arbeitsplatz frei ist und Bedarf an der fraglichen Tätigkeit besteht. Kann die Zuweisung einer anderen Tätigkeit nur durch einen Aufgabentausch mit anderen Arbeitnehmern erfolgen, kann einer solchen Maßnahme die dem Arbeitgeber gegenüber allen Arbeitnehmern obliegende Pflicht zur Rücksichtnahme aus § 241 Abs. 2 BGB entgegenstehen. Allgemein gilt, dass die Verpflichtung zur Berücksichtigung einer konfliktvermeidenden Beschäftigungsalternative vom Arbeitgeber nicht verlangt, die Belange des Arbeitnehmers unter Hintanstellung eigener schutzwürdiger Interessen oder der anderer Arbeitnehmer durchzusetzen (vgl. auch BAG 19. Mai 2010 - 5 AZR 162/09 - Rn. 27 ff., EzA BGB 2002 § 615 Nr. 33). Bei der Frage, welche Anstrengungen dem Arbeitgeber im Hinblick auf eine Umsetzung zuzumuten sind, kann auch die Möglichkeit, den Konflikt vorherzusehen, Berücksichtigung finden. So wird der Arbeitgeber im Fall eines vorhersehbaren Konflikts nur naheliegende, ohne erhebliche Schwierigkeiten durchsetzbare Möglichkeiten einer Umsetzung ergreifen müssen.
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c) Als alternative Beschäftigungsmöglichkeit ist auch die vom Kläger zuletzt ausgeübte Tätigkeit in der Frischwarenabteilung in Betracht zu ziehen. Ob der Arbeitsplatz im Kündigungszeitpunkt frei war, hat das Landesarbeitsgericht nicht festgestellt. Ebenso wenig hat es geklärt, welche konkreten Belastungen mit den Erkrankungen des Klägers einhergingen. Es lässt sich deshalb nicht beurteilen, ob das betriebliche Interesse der Beklagten, den Kläger nicht mehr in diesem Bereich einzusetzen, höher zu bewerten ist als dessen Interesse an einer Weiterbeschäftigung.
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Kreft
Berger
Schmitz-Scholemann
Kreft
Hans Frey
Der Arbeitgeber kann Inhalt, Ort und Zeit der Arbeitsleistung nach billigem Ermessen näher bestimmen, soweit diese Arbeitsbedingungen nicht durch den Arbeitsvertrag, Bestimmungen einer Betriebsvereinbarung, eines anwendbaren Tarifvertrages oder gesetzliche Vorschriften festgelegt sind. Dies gilt auch hinsichtlich der Ordnung und des Verhaltens der Arbeitnehmer im Betrieb. Bei der Ausübung des Ermessens hat der Arbeitgeber auch auf Behinderungen des Arbeitnehmers Rücksicht zu nehmen.
(1) Die Freiheit des Glaubens, des Gewissens und die Freiheit des religiösen und weltanschaulichen Bekenntnisses sind unverletzlich.
(2) Die ungestörte Religionsausübung wird gewährleistet.
(3) Niemand darf gegen sein Gewissen zum Kriegsdienst mit der Waffe gezwungen werden. Das Nähere regelt ein Bundesgesetz.
Der Arbeitgeber kann Inhalt, Ort und Zeit der Arbeitsleistung nach billigem Ermessen näher bestimmen, soweit diese Arbeitsbedingungen nicht durch den Arbeitsvertrag, Bestimmungen einer Betriebsvereinbarung, eines anwendbaren Tarifvertrages oder gesetzliche Vorschriften festgelegt sind. Dies gilt auch hinsichtlich der Ordnung und des Verhaltens der Arbeitnehmer im Betrieb. Bei der Ausübung des Ermessens hat der Arbeitgeber auch auf Behinderungen des Arbeitnehmers Rücksicht zu nehmen.
(1) Alle Deutschen haben das Recht, Beruf, Arbeitsplatz und Ausbildungsstätte frei zu wählen. Die Berufsausübung kann durch Gesetz oder auf Grund eines Gesetzes geregelt werden.
(2) Niemand darf zu einer bestimmten Arbeit gezwungen werden, außer im Rahmen einer herkömmlichen allgemeinen, für alle gleichen öffentlichen Dienstleistungspflicht.
(3) Zwangsarbeit ist nur bei einer gerichtlich angeordneten Freiheitsentziehung zulässig.
(1) Die Freiheit des Glaubens, des Gewissens und die Freiheit des religiösen und weltanschaulichen Bekenntnisses sind unverletzlich.
(2) Die ungestörte Religionsausübung wird gewährleistet.
(3) Niemand darf gegen sein Gewissen zum Kriegsdienst mit der Waffe gezwungen werden. Das Nähere regelt ein Bundesgesetz.
Tenor
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1. Auf die Revision des Klägers wird das Urteil des Landesarbeitsgerichts Schleswig-Holstein vom 20. Januar 2009 - 5 Sa 270/08 - aufgehoben, soweit es die ordentliche Kündigung für wirksam erachtet hat.
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2. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung - auch über die Kosten der Revision - an das Landesarbeitsgericht zurückverwiesen.
Tatbestand
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Die Parteien streiten - noch - über die Wirksamkeit einer ordentlichen Kündigung.
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Der 1963 geborene, verheiratete und zwei Kindern zum Unterhalt verpflichtete Kläger trat im November 1995 in die Dienste der Rechtsvorgängerin der Beklagten, die ein Einzelhandelsunternehmen betreibt.
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Der Kläger war zunächst als Helfer in der „Waschstraße“ tätig. Nach deren Stilllegung wurde er ab Oktober 2003 in dem zugehörigen Warenhaus als „Ladenhilfe“ weiterbeschäftigt. Dort setzt die Beklagte regelmäßig weit mehr als zehn Arbeitnehmer ein.
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Zu den Arbeitsaufgaben einer „Ladenhilfe“ gehört es, sämtliche im Einkaufsmarkt anfallenden Auffüll- und Verräumarbeiten auszuführen. Die Beklagte, die eine Spezialisierung ihrer Mitarbeiter anstrebt und diese möglichst bestimmten Bereichen zuordnet, setzte den Kläger zunächst im Getränkebereich der Abteilung „Allgemeine Lebensmittel“ ein. Nachdem der Kläger den Wunsch nach einem Arbeitsplatzwechsel geäußert hatte, wies sie ihm ab März 2007 Arbeiten in der Frischwarenabteilung zu. Während seiner dortigen Tätigkeit war der Kläger mehrmals wegen Krankheit arbeitsunfähig. Im Anschluss an eine Arbeitsunfähigkeit im Januar 2008 stellte sie ihm eine „Rückumsetzung“ in den Getränkebereich in Aussicht. Nach einer weiteren Erkrankung wies sie ihn am 25. Februar 2008 mündlich an, wieder in der Getränkeabteilung zu arbeiten. Der Kläger weigerte sich, der Anordnung Folge zu leisten. Er berief sich auf seinen - muslimischen - Glauben, der ihm den Umgang mit Alkohol und damit auch das Ein- und Ausräumen alkoholischer Produkte verbiete. Diesen Standpunkt behielt er auch nach schriftlicher Aufforderung zur Arbeitsaufnahme im Getränkebereich bei. Die Beklagte stellte ihn daraufhin für den 25. Februar 2008 von der Arbeitsleistung frei. Kurz darauf legte der Kläger eine ärztliche Bescheinigung über eine voraussichtlich bis 4. März 2008 bestehende Arbeitsunfähigkeit vor.
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Nach Anhörung des Betriebsrats kündigte die Beklagte das Arbeitsverhältnis mit Schreiben vom 1. März 2008 fristlos und mit einem weiteren Schreiben vom 5. März 2008 vorsorglich fristgemäß zum 30. August 2008.
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Der Kläger hat Kündigungsschutzklage erhoben und geltend gemacht, die Kündigungen seien unwirksam. Er sei nicht verpflichtet gewesen, der Weisung vom 25. Februar 2008 Folge zu leisten. Die Beklagte habe ihm die Arbeiten schon nicht ohne Zustimmung des Betriebsrats zuweisen dürfen. Die Umsetzung stelle zudem eine Sanktion für seine wiederholt aufgetretenen Erkrankungen dar. Unabhängig davon sei die Arbeit im Getränkebereich mit seinen Glaubensüberzeugungen nicht vereinbar. Darauf habe die Beklagte Rücksicht nehmen müssen. Ihm als gläubigem Moslem seien jegliche Handlungen verboten, die der gewerblichen Verbreitung von Alkoholika dienten. Das Alkoholverbot beziehe sich auch auf das Ein- und Ausräumen von Alkoholika und sei für jeden Moslem verbindlich. Zumindest erkenne er die religiösen Vorgaben für sich als verbindlich an. Er habe bei Begründung des Arbeitsverhältnisses nicht damit rechnen müssen, beim Verkauf alkoholhaltiger Getränke mitwirken zu sollen. Mit solchen Produkten sei er erstmals im Jahr 2006 nach einer Reduzierung des Personalbestands in der Getränkeabteilung in Berührung gekommen. Von da an habe er bei seiner Arbeit ein schlechtes Gewissen gehabt. Der Konflikt sei für ihn schließlich unerträglich geworden. Er habe sich entschieden, künftig strikt seinen Glaubensüberzeugungen zu folgen. Die Beklagte könne ihm andere Arbeiten etwa in den Bereichen Drogerie, Obst und Gemüse, Haushaltswaren oder Backwaren zuweisen. Er sei auch bereit, Einkaufswagen zu schieben. Ihm sei der Kontakt mit Produkten, die in irgendeiner Weise Alkohol enthielten, nicht gänzlich verboten, sondern nur insoweit, als dem Alkohol Rauschmittelqualität zukomme.
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Der Kläger hat beantragt
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festzustellen, dass das Arbeitsverhältnis der Parteien durch die Kündigungen vom 1. März 2008 und 5. März 2008 nicht beendet worden ist.
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Die Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen. Sie hat die Auffassung vertreten, der Kläger habe seine Arbeitsleistung in vorwerfbarer Weise beharrlich verweigert. Die an ihn ergangene Weisung, in der Getränkeabteilung zu arbeiten, sei rechtmäßig. Auf die Glaubensüberzeugungen des Klägers habe sie insoweit Rücksicht genommen, als sie ihn weder mit dem Ausschank noch mit der Verköstigung alkoholischer Getränke betraut habe. Da der Kläger bislang die nunmehr verweigerten Tätigkeiten verrichtet habe, könne er sich nicht auf eine Änderung seiner Gewissenslage berufen. Angesichts seiner in der Frischwarenabteilung angefallenen hohen Arbeitsunfähigkeitszeiten habe ihre Weisung auch dem Schutz seiner Gesundheit gedient. Alkoholhaltige Produkte fänden sich im Übrigen im gesamten Warensortiment. Sie verkaufe beispielsweise mit Alkohol gefüllte Pralinen und führe im Bereich der Molkereiprodukte oftmals eine Käseverkostung mit Weinprobe durch. Ihr könne nicht zugemutet werden, den Kläger ständig in einer neuen Abteilung einzuarbeiten. Ein Einsatz in der Drogerieabteilung und im „Nonfood“-Bereich scheide aus. Dort kämen nur Fachkräfte mit Spezialwissen zum Einsatz.
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Das Arbeitsgericht hat die Klage abgewiesen. Das Landesarbeitsgericht hat auf die Berufung des Klägers festgestellt, dass das Arbeitsverhältnis der Parteien durch die fristlose Kündigung vom 1. März 2008 nicht beendet worden ist. Die weitergehende Berufung hat es zurückgewiesen. Mit der vom Bundesarbeitsgericht zugelassenen Revision verfolgt der Kläger seinen Feststellungsantrag hinsichtlich der ordentlichen Kündigung weiter.
Entscheidungsgründe
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Die Revision ist begründet. Sie führt zur Aufhebung des Berufungsurteils und zur Zurückverweisung des Rechtsstreits an das Landesarbeitsgericht (§ 562 Abs. 1, § 563 Abs. 1 Satz 1 ZPO). Der Senat kann mangels ausreichender Tatsachenfeststellungen nicht abschließend entscheiden, ob die ordentliche Kündigung vom 5. März 2008 sozial gerechtfertigt ist.
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I. Die von Amts wegen zu beachtenden Prozessfortsetzungsvoraussetzungen liegen vor. Anders als die Beklagte gemeint hat, sind die gesetzlichen Anforderungen an eine ordnungsgemäße Berufungsbegründung iSv. § 64 Abs. 6 ArbGG iVm. § 520 Abs. 3 Nr. 2 ZPO erfüllt. Das Arbeitsgericht hat die Kündigungsschutzklage mit der Begründung abgewiesen, das Arbeitsverhältnis sei bereits durch die außerordentliche Kündigung aufgelöst worden. Die Berufungsbegründung des Klägers hat sich mit sämtlichen dafür tragenden Erwägungen des erstinstanzlichen Urteils hinreichend auseinandergesetzt. Eines näheren Eingehens auf die ordentliche Kündigung bedurfte es unter diesen Umständen nicht (vgl. BAG 5. Oktober 1995 - 2 AZR 909/94 - zu II 1 der Gründe, BAGE 81, 111).
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II. Auf der Grundlage der bisherigen Feststellungen des Landesarbeitsgerichts kann nicht beurteilt werden, ob die Kündigung vom 5. März 2008 iSv. § 1 Abs. 2 KSchG sozial gerechtfertigt ist. Der Kläger hat nachvollziehbar dargelegt, dass er sich an das islamische Alkoholverbot gebunden fühle, aus dem er ableite, auch das Einräumen alkoholischer Getränke unterlassen zu müssen. Seine hierauf gestützte Weigerung, im Getränkebereich im Kontakt mit alkoholischen Getränken zu arbeiten, berechtigte die Beklagte nur dann zur Kündigung, wenn keine andere, den Glaubenskonflikt vermeidende und ihr den Umständen nach zumutbare Möglichkeit einer Beschäftigung bestanden hat. Dazu, ob eine solche Alternative gegeben war, hat das Landesarbeitsgericht keine ausreichenden Feststellungen getroffen.
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1. Die Kündigung vom 5. März 2008 ist nicht iSv. § 1 Abs. 2 KSchG durch Gründe im Verhalten des Klägers bedingt.
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a) Allerdings stellt die beharrliche Weigerung des Arbeitnehmers, eine vertraglich geschuldete, rechtmäßig und damit wirksam zugewiesene Arbeit zu leisten, eine erhebliche Pflichtverletzung dar und ist in der Regel geeignet, jedenfalls die ordentliche Kündigung des Arbeitsverhältnisses sozial zu rechtfertigen (BAG 13. März 2008 - 2 AZR 88/07 - Rn. 36, AP KSchG 1969 § 1 Nr. 87 = EzA KSchG § 1 Verhaltensbedingte Kündigung Nr. 73; 5. April 2001 - 2 AZR 580/99 - zu II 2 a der Gründe mwN, BAGE 97, 276).
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Im Streitfall hat die Beklagte den Kläger am 25. Februar 2008 angewiesen, wieder im Getränkebereich zu arbeiten. Die Annahme des Landesarbeitsgerichts, der Kläger habe sich dieser Anordnung „beharrlich“ widersetzt, ist revisionsrechtlich nicht zu beanstanden. Ein Arbeitnehmer verweigert die ihm übertragene Arbeit beharrlich, wenn er sie bewusst und nachhaltig nicht leisten will. Das war hier der Fall. Der Kläger hat sowohl auf die mündliche als auch auf die nachfolgende schriftliche Anordnung der Beklagten deutlich zu erkennen gegeben, Arbeiten im Getränkebereich jedenfalls dann nicht auszuführen, wenn von ihm auch der Umgang mit alkoholhaltigen Getränken verlangt werde. Seine Weigerung war endgültig.
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b) Die Beklagte hat dem Kläger jedoch die Arbeiten im Getränkebereich, weil und soweit sie ihn in Glaubenskonflikte brachten, nicht wirksam nach § 106 Satz 1 GewO zugewiesen. Der Kläger hat deshalb mit seiner Weigerung, sie durchzuführen, seine Vertragspflichten nicht verletzt.
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aa) Aufgrund seines Weisungsrechts (§ 106 GewO)kann der Arbeitgeber eine im Arbeitsvertrag nur abstrakt umschriebene Leistungspflicht des Arbeitsnehmers nach Zeit, Ort und Art der Leistung einseitig näher bestimmen, soweit diese nicht durch Gesetz oder Vertrag festgelegt ist. Der Regelung des § 106 Satz 1 GewO kommt insoweit klarstellende Bedeutung zu (BAG 13. Oktober 2009 - 9 AZR 722/08 - Rn. 18, AP AGG § 7 Nr. 1 = EzA AGG § 10 Nr. 2). Das Weisungsrecht darf dabei nur nach billigem Ermessen ausgeübt werden. Das verlangt, dass der Arbeitgeber bei seiner Entscheidung die wesentlichen Umstände des Einzelfalls abgewogen und die beiderseitigen Interessen angemessen berücksichtigt hat. Maßgeblich ist der Zeitpunkt, in dem der Arbeitgeber seine Entscheidung trifft (vgl. BAG 15. September 2009 - 9 AZR 643/08 - Rn. 26 und 29, AP TVG § 1 Altersteilzeit Nr. 44 = EzA TVG § 4 Altersteilzeit Nr. 31). Ob die Entscheidung billigem Ermessen entspricht, unterliegt nach § 106 Satz 1 GewO iVm. § 315 Abs. 3 BGB der gerichtlichen Kontrolle(BAG 19. Januar 2011 - 10 AZR 738/09 - Rn. 18, EzA-SD 2011 Nr. 9, 8; 25. Oktober 1989 - 2 AZR 633/88 - Rn. 41, AP BGB § 611 Direktionsrecht Nr. 36 = EzA KSchG § 1 Verhaltensbedingte Kündigung Nr. 30).
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bb) Danach war die Weisung der Beklagten vom 25. Februar 2008 nicht schon deshalb unbeachtlich, weil sie nach § 99 BetrVG der Zustimmung des Betriebsrats bedurft hätte. Eine Versetzung iSv. § 99 Abs. 1, § 95 Abs. 3 Satz 1 BetrVG lag nicht vor. Dem Kläger wurde mit der Übertragung von Aufgaben im Getränkebereich kein anderer „Arbeitsbereich“ im Sinne dieser Regelung zugewiesen. Der Gegenstand und das Gesamtbild der Tätigkeit einer mit einfachen Ein- und Ausräumarbeiten in der Frischwarenabteilung beschäftigten Ladenhilfe wird nicht dadurch verändert, dass die Arbeiten nunmehr in der Getränkeabteilung zu verrichten sind. Dafür, dass der Getränkebereich intern einem eigenen „Arbeitsregime“ unterläge, fehlt es an Anhaltspunkten (vgl. dazu BAG 17. Juni 2008 - 1 ABR 38/07 - Rn. 21 ff. mwN, AP BetrVG 1972 § 99 Versetzung Nr. 47 = EzA BetrVG 2001 § 95 Nr. 8).
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cc) Die Weisung war ebenso wenig deshalb unwirksam, weil sich die Beklagte wegen der Erkrankungen des Klägers entschlossen hatte, diesen wieder im Getränkebereich einzusetzen. Ein Verstoß gegen das gesetzliche Maßregelungsverbot (§ 612a BGB)ist insoweit nicht ersichtlich. Die Arbeitsunfähigkeitszeiten des Klägers sind während seiner Tätigkeit in der Frischwarenabteilung angestiegen, ohne dass freilich feststünde, sie seien durch diese Tätigkeit verursacht worden. Bei den übrigen Mitarbeitern des Bereichs sind nach den Feststellungen des Landesarbeitsgerichts weitaus geringere Fehlzeiten angefallen. Unter diesen Umständen ist nicht zu erkennen, dass die angestrebte Änderung des Einsatzbereichs von sachfremden Motiven getragen gewesen wäre. Näher liegt die Annahme, die Beklagte habe eine immerhin mögliche, mit den Arbeitsumständen in der Frischwarenabteilung zusammenhängende Krankheitsursache sowohl im betrieblichen als auch im Interesse der Gesundheit des Klägers ausschließen wollen. Darauf hat das Berufungsgericht zutreffend hingewiesen.
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dd) Die angeordnete Tätigkeit im Getränkebereich bewegte sich im arbeitsvertraglich vereinbarten Leistungsspektrum. Die Parteien haben bei Schließung der Waschstraße im Jahr 2003 einen neuen Arbeitsvertrag geschlossen. Danach wurde der Kläger als „Ladenhilfe“ weiterbeschäftigt und war dementsprechend grundsätzlich verpflichtet, sämtliche im Warenhaus anfallenden Hilfsarbeiten auszuführen. Das schließt die ihm zugewiesenen Arbeiten ein. Mit der im Jahr 2006 auf seinen Wunsch erfolgten Umsetzung in die Frischwarenabteilung hat sich die Beklagte ihres Rechts, ihm Arbeiten im Getränkebereich zuzuweisen, nicht begeben. Ebenso wenig ist ersichtlich, dass sie zumindest darauf verzichtet hätte, ihn mit dem Ein- und Ausräumen alkoholhaltiger Getränke zu beauftragen.
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ee) Die Beklagte hat aber bei der Ausübung ihres Weisungsrechts auf die Glaubensüberzeugungen des Klägers nicht hinreichend Bedacht genommen. Ihre Weisung, im Getränkebereich zu arbeiten, entsprach damit nicht billigem Ermessen.
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(1) Der Arbeitgeber muss einen ihm offenbarten und beachtlichen Glaubens- oder Gewissenskonflikt des Arbeitnehmers bei der Ausübung seines Weisungsrechts berücksichtigen. Dies setzt voraus, dass der Arbeitnehmer darlegt, ihm sei wegen einer aus einer spezifischen Sachlage folgenden Gewissensnot heraus nicht zuzumuten, die an sich vertraglich geschuldete Leistung zu erbringen. Lässt sich aus den festgestellten Tatsachen im konkreten Fall ein die verweigerte Arbeit betreffender Glaubens- oder Gewissenskonflikt ableiten, so unterliegt die Relevanz und Gewichtigkeit der Gewissensbildung keiner gerichtlichen Kontrolle (vgl. BAG 22. Mai 2003 - 2 AZR 426/02 - zu B II 5 b dd der Gründe, AP KSchG 1969 § 1 Wartezeit Nr. 18 = EzA BGB 2002 § 242 Kündigung Nr. 2; 24. Mai 1989 - 2 AZR 285/88 - zu B I 1 b der Gründe, BAGE 62, 59).
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(a) Das gebietet die verfassungskonforme Auslegung und Anwendung von § 106 Satz 1 GewO. Das bei der Ausübung des Leistungsbestimmungsrechts zu wahrende billige Ermessen wird inhaltlich durch die Grundrechte des Arbeitnehmers mitbestimmt. Kollidieren diese mit dem Recht des Arbeitgebers, dem Arbeitnehmer im Rahmen der gleichfalls grundrechtlich geschützten unternehmerischen Betätigungsfreiheit (Art. 12 Abs. 1 Satz 2 GG) eine von der vertraglichen Vereinbarung gedeckte Tätigkeit zuzuweisen, sind die gegensätzlichen Rechtspositionen grundrechtskonform auszugleichen. Dabei sind die kollidierenden Grundrechte in ihrer Wechselwirkung zu sehen und so zu begrenzen, dass sie im Sinne einer praktischen Konkordanz für alle Beteiligten möglichst weitgehend wirksam werden. Insoweit gilt seit seinem Inkrafttreten für § 106 GewO nichts anderes als zuvor für § 315 Abs. 1 BGB(BAG 13. August 2010 - 1 AZR 173/09 - AP GG Art. 9 Nr. 141 = EzA GG Art. 9 Nr. 100; 10. Oktober 2002 - 2 AZR 472/01 - zu B II 3 c der Gründe mwN, BAGE 103, 111; AnwK-ArbR/Boecken 2. Aufl. § 106 GewO Rn. 92; ErfK/Preis 11. Aufl. § 106 GewO Rn. 6). Auf das unverzichtbare Schutzminimum der Glaubens- und Bekenntnisfreiheit nach Art. 4 Abs. 1 GG ist Bedacht zu nehmen. Es ist die Intensität des umstrittenen Eingriffs ebenso zu berücksichtigen wie der Umstand, dass die Vertragspartner mit dem Abschluss des Vertrags in eine Begrenzung grundrechtlicher Freiheiten eingewilligt haben (vgl. BAG 10. Oktober 2002 - 2 AZR 472/01 - zu B II 3 c der Gründe mwN, aaO; ErfK/Schmidt 11. Aufl. Art. 4 GG Rn. 25).
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(b) Ob und inwieweit der Arbeitgeber bei der Ausübung seines Weisungsrechts auf die Glaubensüberzeugungen des Arbeitnehmers Rücksicht nehmen muss, ist damit eine Frage des Einzelfalls.
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(aa) Wenn die Weisung mit fundamentalen, unüberwindbaren Glaubensüberzeugungen des Arbeitnehmers kollidiert, wird es häufig nicht billigem Ermessen entsprechen, wenn der Arbeitgeber an ihr festhält und deren Befolgung verlangt. Das wird in der Regel auch bei einem erst im Anschluss an eine arbeitgeberseitige Weisung offenbarten Konflikt gelten. Zwar ist eine Weisung so lange, wie der Arbeitnehmer einen Glaubenskonflikt noch nicht offenbart hat, für den Arbeitnehmer verbindlich. Offenbart aber der Arbeitnehmer nach erteilter Weisung einen solchen ernsten Konflikt, kann sich für den Arbeitgeber aus § 241 Abs. 2 BGB die Verpflichtung ergeben, von seinem Direktionsrecht unter Berücksichtigung der entgegenstehenden Belange des Arbeitnehmers erneut Gebrauch zu machen(vgl. BAG 19. Mai 2010 - 5 AZR 162/09 - Rn. 27, EzA BGB 2002 § 615 Nr. 33).
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(bb) Auch die Glaubensfreiheit ist freilich nicht ohne jede Schranke garantiert. Beschränkt wird sie durch kollidierende Grundrechte oder Verfassungsaufträge (BVerfG 21. Juli 2009 - 1 BvR 1358/09 - Rn. 14, NJW 2009, 3151). Etwas anderes kann deshalb gelten, wenn auf Seiten des Arbeitgebers nicht nur sein vertraglich begründetes und aktuell ausgeübtes Weisungsrecht als solches steht, sondern seine Weisung weitergehend durch Art. 12 Abs. 1 GG oder durch andere grundrechtlich relevante Rechtsgüter geschützt ist, die ein - ggf. nur kurzfristiges - Hintanstellen der Glaubensüberzeugungen geboten erscheinen lassen. Auch wird der Arbeitgeber, gestützt auf Art. 12 Abs. 1 GG, uU erwarten und verlangen können, dass der Arbeitnehmer eine gewisse - knappe - Ankündigungsfrist einhält, um ihm eine möglichst reibungslose organisatorische Umstellung zu ermöglichen und Folgeschäden zu vermeiden.
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(cc) Die Frage, ob der Arbeitgeber dem Arbeitnehmer die Arbeitsleistung trotz eines ernsten, unüberwindbaren Glaubens- oder Gewissenskonflikts verbindlich zuweisen darf, hängt dagegen nicht ohne Weiteres von der Vorhersehbarkeit des Konflikts ab.
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Das ist insbesondere dann nicht der Fall, wenn der Arbeitnehmer zwar erkennen konnte, er verpflichte sich zu Arbeiten, die bestimmten Glaubensinhalten derjenigen Religion, welcher er angehört, widersprechen, er persönlich aber diese Glaubensinhalte bei Vertragsschluss noch nicht als für sich verbindlich angesehen hatte. Der Umstand, dass die Möglichkeit eines Glaubenskonflikts in diesem Sinne für den Arbeitnehmer vorhersehbar war, nimmt dessen späterer Erklärung, er berufe sich nunmehr auf seine (geänderte) Glaubensüberzeugung, nichts von ihrer rechtlichen Beachtlichkeit; der aktuelle Glaubenskonflikt des Arbeitnehmers ist nicht deshalb weniger bedeutsam iSv. Art. 4 Abs. 1 GG. Eine den Konflikt gleichwohl ignorierende Arbeitsanweisung des Arbeitgebers braucht der Arbeitnehmer unter diesen Voraussetzungen in der Regel nicht zu befolgen.
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Eine andere Beurteilung kann geboten sein, wenn der Arbeitnehmer bei Vertragsschluss bereits positiv wusste, dass er die vertraglich eingegangenen Verpflichtungen um seiner Glaubensüberzeugungen willen sämtlich und von Beginn an nicht würde erfüllen können. Zum einen kann dies zu Zweifeln an der Ernsthaftigkeit seiner Überzeugungen führen. Zum anderen wird es einem Arbeitnehmer, der sich im Wissen um einen unvermeidlich auftretenden Glaubenskonflikt zur Erbringung der diesen auslösenden Arbeiten verpflichtet hat, nach § 242 BGB regelmäßig verwehrt sein, sich gegenüber einer entsprechenden Arbeitsanweisung auf seinen Glauben zu berufen. Die Aufforderung zur Leistung vertragsgemäßer Arbeiten entspricht dann trotz des offenbarten Glaubenskonflikts billigem Ermessen. Mit der Weigerung, ihr nachzukommen, verletzt der Arbeitnehmer seine vertraglichen Pflichten.
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(2) Die Neuregelung des Leistungsstörungsrechts verlangt nicht nach einem anderen rechtssystematischen Ausgangspunkt für die rechtliche Prüfung. Diese ist weiterhin im Rahmen von § 106 GewO und nicht von § 275 Abs. 3 BGB vorzunehmen.
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Zum einen kommt es auf ein religiös begründetes Leistungsverweigerungsrecht nur an, wenn das Leistungs-/Erfüllungsverlangen des Arbeitgebers billigem Ermessen iSv. § 106 Satz 1 BGB entspricht(ähnlich Kamanabrou GS Zachert, S. 400 f.; zum Meinungsstand auch: ErfK/Preis 11. Aufl. § 611 BGB Rn. 687; KR/Fischermeier 9. Aufl. § 626 BGB Rn. 141, 468; Schaub/Linck ArbR-Hdb. 11. Aufl. § 45 Rn. 30; Staudinger/Löwisch/Caspers (2009) § 275 BGB Rn. 104 f.; Henssler RdA 2002, 129, 131; Richardi NZA 2002, 1004, 1007; Greiner Ideelle Unzumutbarkeit S. 135 ff.). Zum anderen ergeben sich die Voraussetzungen, unter denen ein Glaubens- und Gewissenkonflikt für eine nach dem Arbeitsvertrag geschuldete Leistung Bedeutung gewinnen kann, in jedem Fall aus den Vorgaben höherrangigen Rechts. Die Prüfung von § 106 GewO ist deshalb vorrangig.
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(3) Gemessen an diesen Abwägungsgesichtspunkten entsprach die Arbeitsanweisung der Beklagten nicht billigem Ermessen gem. § 106 Satz 1 GewO. Der vom Kläger aufgezeigte Glaubenskonflikt fällt in den Schutzbereich des Art. 4 GG. Der Konflikt bestand nach den Feststellungen des Landesarbeitsgerichts ernsthaft. Der Kläger wusste weder bei dem ursprünglichen Vertragsschluss noch bei der späteren Vertragsänderung, dass er unweigerlich auftreten würde.
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(a) Die Glaubensfreiheit gemäß Art. 4 Abs. 1 GG gewährleistet dem Einzelnen einen Rechtsraum, in dem er sich die Lebensform zu geben vermag, die seiner Überzeugung entspricht(BVerfG 8. November 1969 - 1 BvR 59/56 - zu II 1 der Gründe, BVerfGE 12, 1). Zu ihr gehört nicht nur die innere Freiheit, zu glauben oder nicht zu glauben, sondern auch das Recht des Einzelnen, sein gesamtes Verhalten an den Lehren seines Glaubens auszurichten und seiner inneren Glaubensüberzeugung gemäß zu handeln (BVerfG 19. Oktober 1971 - 1 BvR 387/65 - zu B II 1 der Gründe mwN, BVerfGE 32, 98).
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(aa) Das Grundrecht ist offen für die Entfaltung verschiedener Religionen und Bekenntnisse. Unbeachtlich ist die zahlenmäßige Stärke oder Relevanz einer bestimmten Glaubenshaltung. Unter den Schutzbereich des Art. 4 GG fallen auch Verhaltensweisen, die nicht allgemein von den Gläubigen geteilt werden(BVerfG 19. Oktober 1971 - 1 BvR 387/65 - zu B II 1 der Gründe mwN, BVerfGE 32, 98). Glaubensfreiheit ist mehr als religiöse Toleranz. Für eine zulässige Berufung auf Art. 4 GG kommt es nur darauf an, dass das Verhalten wirklich von einer religiösen Überzeugung getragen und nicht anders motiviert ist. Andernfalls würde den Gerichten eine Bewertung von Glaubenshaltungen oder die Prüfung von theologischen Lehren aufgebürdet, die sie weder leisten können noch leisten dürfen (BAG 10. Oktober 2002 - 2 AZR 472/01 - zu B II 3 c aa der Gründe, BAGE 103, 111).
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(bb) Als Gewissensentscheidung ist jede ernste sittliche, dh. an den Kategorien „gut“ und „böse“ orientierte Entscheidung anzusehen, die der Einzelne in einer bestimmten Lage als für sich bindend und unbedingt verpflichtend innerlich erfährt, so dass er gegen sie nicht ohne ernste Gewissensnot handeln könnte. Die Gewissensfreiheit überschneidet sich mit der Glaubensfreiheit insoweit, als sie auch das religiös fundierte Gewissen schützt (vgl. BVerfG 11. April 1972 - 2 BvR 75/71 - zu B II 1 der Gründe, BVerfGE 33, 23; BVerwG 25. August 1993 - 6 C 8/91 - BVerwGE 94, 82).
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(cc) Beruft sich der Arbeitnehmer gegenüber einer nach dem Arbeitsvertrag geschuldeten Arbeitsleistung darauf, die Erfüllung der Arbeitspflicht bringe ihn aus religiösen Gründen in Gewissensnot, trifft ihn die Darlegungslast für einen konkreten und ernsthaften Glaubenskonflikt. Die nicht ernsthafte, möglicherweise nur vorgeschobene Berufung auf bestimmte Glaubensinhalte und -gebote kann keine Beachtung finden. Auch wenn Glaubensüberzeugungen keiner Nachprüfung anhand von Kriterien wie „irrig“, „beachtlich“ oder „unbeachtlich“ unterliegen, muss doch erkennbar sein, dass der Arbeitnehmer den von ihm ins Feld geführten Ge- oder Verboten seines Glaubens absolute Verbindlichkeit beimisst (zur Gewissensentscheidung vgl. BAG 24. Mai 1989 - 2 AZR 285/88 - zu B I 2 b bb der Gründe, BAGE 62, 59; siehe auch BVerwG 25. August 1993 - 6 C 8/91 - BVerwGE 94, 82 sowie die sich auf diese Entscheidung beziehende Gesetzesbegründung zu § 20 Abs. 1 Nr. 4 AGG [BR-Drucks. 329/06 S. 48]). Dazu müssen die betreffenden Verbote in Fällen der vorliegenden Art die Arbeitsverweigerung gewissermaßen „decken“. Ihre konkrete Reichweite, was die vertraglichen Pflichten betrifft, deren Erfüllung sie entgegenstehen soll, muss sich aus den Darlegungen des Arbeitnehmers unzweifelhaft ergeben. Nur so kann der Arbeitgeber erkennen, welchen Gebrauch er von seinem Direktionsrecht noch machen kann.
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(b) Die Würdigung des Landesarbeitsgerichts, es entspreche der ernsthaften religiösen Überzeugung des Klägers, dass er sich als gläubiger Moslem jeglicher Mitwirkung am Alkoholverkauf zu enthalten habe, lässt keinen Rechtsfehler erkennen. Der Kläger hat aufgezeigt, dass er sich durch verbindliche Ge- oder Verbote seines Glaubens daran gehindert sieht, der Weisung vom 25. Februar 2008 nachzukommen, soweit sie ihn dazu verpflichtet, durch das Umräumen und Bereitstellen alkoholischer Getränke an deren Verkauf mitzuwirken. Ob dieses Verständnis der islamischen Schriften der herrschenden Glaubenslehre entspricht, mag bezweifelt werden, ist jedoch nach dem verfassungsrechtlich gebotenen, subjektiven Gewissensbegriff nicht entscheidend. Ebenso wenig kommt es darauf an, ob die Haltung des Klägers, sein Glaube erlaube es ihm sehr wohl, mit Produkten umzugehen, die Alkohol in „chemisch veränderter Form“ enthielten, angesichts seines ansonsten strengen Verständnisses des Alkoholverbots in sich logisch und konsequent ist. Die innere Differenzierung erscheint zumindest möglich und stellt damit die Ernstlichkeit des Glaubenskonflikts nicht in Frage. Entsprechendes gilt für den Umstand, dass der Kläger zeitweise - möglicherweise ohne ausdrückliche Beanstandung - bereit war, Regale mit alkoholischen Getränken aufzufüllen. Der Kläger hat sich darauf berufen, er habe diesen Einsatz zunehmend als gewissensbelastend empfunden und sich zwischenzeitlich dazu entschlossen, strikt nach den Vorgaben seines Glaubens zu leben. Als ein äußeres Zeichen hierfür kann seine im Jahr 2007 geäußerte Bitte gelten, ihm andere Arbeit zu übertragen, auch wenn er seinen Glaubenskonflikt seinerzeit gegenüber der Beklagten nicht ausdrücklich offenbart haben sollte.
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(c) Der Kläger konnte zwar, nachdem er von der Beklagten im Oktober 2003 als „Ladenhilfe“ übernommen wurde, nicht ausschließen, bei seiner Tätigkeit mit Alkoholika in Berührung zu kommen. Abgesehen davon, dass er ursprünglich als Helfer in der Waschstraße eingestellt worden war und der Grund für die Vertragsänderung in den betrieblichen Verhältnissen der Beklagten lag, haben sich seine jetzigen religiösen Überzeugungen aber offenbar erst im Verlauf des Arbeitsverhältnisses mit längerem Abstand zum Zeitpunkt der vertraglichen Vereinbarung entwickelt und musste er überdies nicht zwingend damit rechnen, dass er als Ladenhilfe in den Verkauf alkoholischer Getränke eingebunden würde.
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Die Arbeitsanweisung der Beklagten vom 25. Februar 2008 widersprach damit billigem Ermessen und war unverbindlich. Der Kläger hat mit seiner Weigerung, ihr Folge zu leisten, seine vertraglichen Pflichten nicht verletzt.
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2. Ob die Kündigung vom 5. März 2008 iSv. § 1 Abs. 2 KSchG durch Gründe in der Person des Klägers bedingt ist, vermag der Senat nicht abschließend zu beurteilen.
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a) Ergibt die Abwägung im Rahmen des § 106 Satz 1 GewO, dass eine Arbeitsanweisung des Arbeitgebers nicht der Billigkeit entspricht, braucht der Arbeitnehmer ihr nicht nachzukommen. Allerdings schränkt die religiös begründete Begrenzung des Weisungsrechts des Arbeitgebers den auf wirksam ausgeübter Vertragsfreiheit (Art. 12 Abs. 1 GG) beruhenden Inhalt des Arbeitsvertrags als solchen nicht ein. Der vertraglich vereinbarte Tätigkeitsumfang reduziert sich wegen des Glaubenskonflikts nicht etwa von vornherein auf den konfliktfreien Bereich. Vielmehr ist der Arbeitnehmer aus persönlichen Gründen außerstande, einen Teil der vertraglich (weiterhin) versprochenen Leistungen zu erbringen. Aufgrund dieses Umstands kann eine Kündigung des Arbeitsverhältnisses durch einen in seiner Person liegenden Grund nach § 1 Abs. 2 KSchG gerechtfertigt sein(BAG 22. Mai 2003 - 2 AZR 426/02 - zu II 5 b dd der Gründe mwN, AP KSchG 1969 § 1 Wartezeit Nr. 18 = EzA BGB 2002 § 242 Kündigung Nr. 2).
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b) Ist der Arbeitnehmer aufgrund eines offenbarten beachtlichen Glaubenskonflikts teilweise außerstande, seine arbeitsvertraglichen Verpflichtungen zu erfüllen, berechtigt dies den Arbeitgeber gleichwohl nicht zur Kündigung, wenn er den Arbeitnehmer im Betrieb oder Unternehmen entweder innerhalb des vertraglich vereinbarten Leistungsspektrums oder aber zu geänderten Vertragsbedingungen unter Vermeidung des Konflikts sinnvoll weiterbeschäftigen kann (vgl. dazu BAG 10. Juni 2010 - 2 AZR 1020/08 - Rn. 15, AP KSchG 1969 § 1 Personenbedingte Kündigung Nr. 31 = EzA KSchG § 1 Personenbedingte Kündigung Nr. 25; 10. Oktober 2002 - 2 AZR 472/01 - zu B II 2 a der Gründe, BAGE 103, 111).
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c) Ob bei der Beklagten eine solche alternative Beschäftigungsmöglichkeit für den Kläger bestand, hat das Landesarbeitsgericht nicht festgestellt. Festgestellt hat es lediglich, dass eine Beschäftigung des Klägers in der Drogerieabteilung und der „Nonfood“-Abteilung ausgeschlossen gewesen sei, weil ihm die dafür notwendigen Fachkenntnisse gefehlt hätten. Offen ist, ob die Beklagte den Kläger in anderen Bereichen des Warenhauses, etwa im Bereich „Backwaren“ oder „Obst und Gemüse“ hätte einsetzen können. Darauf hat sich der Kläger ausdrücklich berufen. Auch hat er seine Bereitschaft zum Ausdruck gebracht, in der Getränkeabteilung zu arbeiten, wenn er von der Verpflichtung ausgenommen werde, alkoholische Getränke zu beräumen. Aus dem Umstand, dass das Landesarbeitsgericht angenommen hat, der Beklagten sei es bis zum Ablauf der Kündigungsfrist durchaus möglich und zumutbar gewesen, den Kläger außerhalb des Getränkebereichs einzusetzen, kann nicht ohne Weiteres geschlossen werden, diese Möglichkeit habe auch noch nach Fristablauf bestanden.
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d) Einer möglichen Wirksamkeit der Kündigung unter personenbedingten Gesichtspunkten steht nicht entgegen, dass sich die Beklagte gegenüber dem Betriebsrat nicht ausdrücklich auf solche Aspekte berufen hat. Nach § 102 Abs. 1 Satz 2 BetrVG hat der Arbeitgeber dem Betriebsrat die Gründe für die Kündigung mitzuteilen. Das umfasst zwar auch die Mitteilung darüber, ob eine außerordentliche oder ordentliche Beendigung des Arbeitsverhältnisses angestrebt wird (Fitting 25. Aufl. § 102 BetrVG Rn. 25 mwN). Nicht erforderlich ist aber, dass der Arbeitgeber die kündigungsrelevanten Tatsachen einem der Kündigungsgründe des § 1 Abs. 2 Satz 1 KSchG zuordnet. Tut er dies dennoch, bindet ihn dies im späteren Kündigungsschutzprozess grundsätzlich nicht. Er kann sich im Rahmen des dem Betriebsrat unterbreiteten tatsächlichen Kündigungssachverhalts auch auf andere rechtliche Gesichtspunkte berufen, sofern die mitgeteilten Tatsachen diese neuen Aspekte tragen.
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e) Ebenso wenig steht der möglichen Wirksamkeit einer personenbedingten Kündigung ein Diskriminierungsverbot entgegen. Eine unmittelbare Benachteiligung des Klägers wegen seiner Religion iSv. § 7 Abs. 1 iVm. §§ 1, 3 Abs. 1 AGG scheidet aus. Die Kündigung ist nicht deshalb erfolgt, weil der Kläger Moslem ist, sondern weil er sich außerstande sieht, bestimmte vertraglich eingegangene Verpflichtungen zu erfüllen. Auch eine mittelbare Diskriminierung liegt nicht vor. Unabhängig davon, ob mit einer solchen Kündigung eine besondere Benachteiligung iSv. § 3 Abs. 2 AGG einhergehen kann, ist es jedenfalls durch ein rechtmäßiges Ziel sachlich gerechtfertigt und als Mittel zu dessen Erreichung angemessen und erforderlich, dass der Arbeitgeber das Arbeitsverhältnis mit einem Arbeitnehmer beendet, der wegen seiner Glaubensüberzeugungen subjektiv nicht in der Lage ist, die vertraglich übernommenen Aufgaben zu verrichten, und anderweitig nicht eingesetzt werden kann.
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3. Dies führt zur Zurückverweisung der Sache an das Landesarbeitsgericht. Die Beurteilung, ob eine den Glaubenskonflikt vermeidende Beschäftigungsalternative bestand, ist zunächst und im Wesentlichen Tatfrage. Dazu wird das Landesarbeitsgericht die nötigen Feststellungen zu treffen haben.
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a) Dabei ist zu beachten, dass im Kündigungsschutzprozess der Arbeitgeber die Voraussetzungen des Kündigungsgrundes darlegen und ggf. beweisen muss. Das betrifft auch das Fehlen einer anderweitigen Beschäftigungsmöglichkeit iSv. § 1 Abs. 2 Satz 2 KSchG. Beruft sich ein Arbeitnehmer darauf, dass es ihm aus Glaubensgründen nicht möglich sei, die vertraglich geschuldete Tätigkeit auszuführen, hat er auf Nachfrage des Arbeitgebers aufzuzeigen, worin die religiösen Bedenken bestehen und welche vom Arbeitsvertrag umfassten Tätigkeiten ihm seine religiöse Überzeugung verbietet, um verbleibende Einsatzmöglichkeiten prüfen zu können. Im Streitfall gilt dies in besonderem Maße für den Umgang mit Produkten, die Alkohol enthalten und außerhalb der Getränkeabteilung vertrieben werden. Dieser materiell-rechtlichen Obliegenheit des Arbeitnehmers folgt die Darlegungslast im Prozess. Es ist Sache des sich auf einen Glaubenskonflikt berufenden Arbeitnehmers, zumindest in Grundzügen aufzuzeigen, wie er sich eine mit seinen Glaubensüberzeugungen in Einklang stehende Beschäftigung im Rahmen der vom Arbeitgeber vorgegebenen Betriebsorganisation vorstellt. Nur dann kann zuverlässig beurteilt werden, ob es dem Arbeitgeber möglich und zumutbar war, dem Arbeitnehmer andere Arbeit zu übertragen.
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b) Auch die Frage, welche Anstrengungen dem Arbeitgeber mit Blick auf eine anderweitige Beschäftigung des von einem Glaubenskonflikt betroffenen Arbeitnehmer zumutbar sind, unterliegt der Einzelfallbeurteilung. Regelmäßig zumutbar ist dem Arbeitgeber die Zuweisung einer anderen Tätigkeit, wenn dem keine betrieblichen Gründe, zu denen sowohl wirtschaftliche als auch organisatorische Gründe zählen können, entgegenstehen. Betriebliche Gründe stehen der Übertragung einer anderen Tätigkeit in der Regel nicht entgegen, wenn ein Arbeitsplatz frei ist und Bedarf an der fraglichen Tätigkeit besteht. Kann die Zuweisung einer anderen Tätigkeit nur durch einen Aufgabentausch mit anderen Arbeitnehmern erfolgen, kann einer solchen Maßnahme die dem Arbeitgeber gegenüber allen Arbeitnehmern obliegende Pflicht zur Rücksichtnahme aus § 241 Abs. 2 BGB entgegenstehen. Allgemein gilt, dass die Verpflichtung zur Berücksichtigung einer konfliktvermeidenden Beschäftigungsalternative vom Arbeitgeber nicht verlangt, die Belange des Arbeitnehmers unter Hintanstellung eigener schutzwürdiger Interessen oder der anderer Arbeitnehmer durchzusetzen (vgl. auch BAG 19. Mai 2010 - 5 AZR 162/09 - Rn. 27 ff., EzA BGB 2002 § 615 Nr. 33). Bei der Frage, welche Anstrengungen dem Arbeitgeber im Hinblick auf eine Umsetzung zuzumuten sind, kann auch die Möglichkeit, den Konflikt vorherzusehen, Berücksichtigung finden. So wird der Arbeitgeber im Fall eines vorhersehbaren Konflikts nur naheliegende, ohne erhebliche Schwierigkeiten durchsetzbare Möglichkeiten einer Umsetzung ergreifen müssen.
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c) Als alternative Beschäftigungsmöglichkeit ist auch die vom Kläger zuletzt ausgeübte Tätigkeit in der Frischwarenabteilung in Betracht zu ziehen. Ob der Arbeitsplatz im Kündigungszeitpunkt frei war, hat das Landesarbeitsgericht nicht festgestellt. Ebenso wenig hat es geklärt, welche konkreten Belastungen mit den Erkrankungen des Klägers einhergingen. Es lässt sich deshalb nicht beurteilen, ob das betriebliche Interesse der Beklagten, den Kläger nicht mehr in diesem Bereich einzusetzen, höher zu bewerten ist als dessen Interesse an einer Weiterbeschäftigung.
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Kreft
Berger
Schmitz-Scholemann
Kreft
Hans Frey
(1) Die Parteien haben ihre Erklärungen über tatsächliche Umstände vollständig und der Wahrheit gemäß abzugeben.
(2) Jede Partei hat sich über die von dem Gegner behaupteten Tatsachen zu erklären.
(3) Tatsachen, die nicht ausdrücklich bestritten werden, sind als zugestanden anzusehen, wenn nicht die Absicht, sie bestreiten zu wollen, aus den übrigen Erklärungen der Partei hervorgeht.
(4) Eine Erklärung mit Nichtwissen ist nur über Tatsachen zulässig, die weder eigene Handlungen der Partei noch Gegenstand ihrer eigenen Wahrnehmung gewesen sind.
(1) Die Freiheit des Glaubens, des Gewissens und die Freiheit des religiösen und weltanschaulichen Bekenntnisses sind unverletzlich.
(2) Die ungestörte Religionsausübung wird gewährleistet.
(3) Niemand darf gegen sein Gewissen zum Kriegsdienst mit der Waffe gezwungen werden. Das Nähere regelt ein Bundesgesetz.
Tenor
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1. Auf die Revision des Klägers wird das Urteil des Landesarbeitsgerichts Schleswig-Holstein vom 20. Januar 2009 - 5 Sa 270/08 - aufgehoben, soweit es die ordentliche Kündigung für wirksam erachtet hat.
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2. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung - auch über die Kosten der Revision - an das Landesarbeitsgericht zurückverwiesen.
Tatbestand
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Die Parteien streiten - noch - über die Wirksamkeit einer ordentlichen Kündigung.
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Der 1963 geborene, verheiratete und zwei Kindern zum Unterhalt verpflichtete Kläger trat im November 1995 in die Dienste der Rechtsvorgängerin der Beklagten, die ein Einzelhandelsunternehmen betreibt.
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Der Kläger war zunächst als Helfer in der „Waschstraße“ tätig. Nach deren Stilllegung wurde er ab Oktober 2003 in dem zugehörigen Warenhaus als „Ladenhilfe“ weiterbeschäftigt. Dort setzt die Beklagte regelmäßig weit mehr als zehn Arbeitnehmer ein.
- 4
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Zu den Arbeitsaufgaben einer „Ladenhilfe“ gehört es, sämtliche im Einkaufsmarkt anfallenden Auffüll- und Verräumarbeiten auszuführen. Die Beklagte, die eine Spezialisierung ihrer Mitarbeiter anstrebt und diese möglichst bestimmten Bereichen zuordnet, setzte den Kläger zunächst im Getränkebereich der Abteilung „Allgemeine Lebensmittel“ ein. Nachdem der Kläger den Wunsch nach einem Arbeitsplatzwechsel geäußert hatte, wies sie ihm ab März 2007 Arbeiten in der Frischwarenabteilung zu. Während seiner dortigen Tätigkeit war der Kläger mehrmals wegen Krankheit arbeitsunfähig. Im Anschluss an eine Arbeitsunfähigkeit im Januar 2008 stellte sie ihm eine „Rückumsetzung“ in den Getränkebereich in Aussicht. Nach einer weiteren Erkrankung wies sie ihn am 25. Februar 2008 mündlich an, wieder in der Getränkeabteilung zu arbeiten. Der Kläger weigerte sich, der Anordnung Folge zu leisten. Er berief sich auf seinen - muslimischen - Glauben, der ihm den Umgang mit Alkohol und damit auch das Ein- und Ausräumen alkoholischer Produkte verbiete. Diesen Standpunkt behielt er auch nach schriftlicher Aufforderung zur Arbeitsaufnahme im Getränkebereich bei. Die Beklagte stellte ihn daraufhin für den 25. Februar 2008 von der Arbeitsleistung frei. Kurz darauf legte der Kläger eine ärztliche Bescheinigung über eine voraussichtlich bis 4. März 2008 bestehende Arbeitsunfähigkeit vor.
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Nach Anhörung des Betriebsrats kündigte die Beklagte das Arbeitsverhältnis mit Schreiben vom 1. März 2008 fristlos und mit einem weiteren Schreiben vom 5. März 2008 vorsorglich fristgemäß zum 30. August 2008.
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Der Kläger hat Kündigungsschutzklage erhoben und geltend gemacht, die Kündigungen seien unwirksam. Er sei nicht verpflichtet gewesen, der Weisung vom 25. Februar 2008 Folge zu leisten. Die Beklagte habe ihm die Arbeiten schon nicht ohne Zustimmung des Betriebsrats zuweisen dürfen. Die Umsetzung stelle zudem eine Sanktion für seine wiederholt aufgetretenen Erkrankungen dar. Unabhängig davon sei die Arbeit im Getränkebereich mit seinen Glaubensüberzeugungen nicht vereinbar. Darauf habe die Beklagte Rücksicht nehmen müssen. Ihm als gläubigem Moslem seien jegliche Handlungen verboten, die der gewerblichen Verbreitung von Alkoholika dienten. Das Alkoholverbot beziehe sich auch auf das Ein- und Ausräumen von Alkoholika und sei für jeden Moslem verbindlich. Zumindest erkenne er die religiösen Vorgaben für sich als verbindlich an. Er habe bei Begründung des Arbeitsverhältnisses nicht damit rechnen müssen, beim Verkauf alkoholhaltiger Getränke mitwirken zu sollen. Mit solchen Produkten sei er erstmals im Jahr 2006 nach einer Reduzierung des Personalbestands in der Getränkeabteilung in Berührung gekommen. Von da an habe er bei seiner Arbeit ein schlechtes Gewissen gehabt. Der Konflikt sei für ihn schließlich unerträglich geworden. Er habe sich entschieden, künftig strikt seinen Glaubensüberzeugungen zu folgen. Die Beklagte könne ihm andere Arbeiten etwa in den Bereichen Drogerie, Obst und Gemüse, Haushaltswaren oder Backwaren zuweisen. Er sei auch bereit, Einkaufswagen zu schieben. Ihm sei der Kontakt mit Produkten, die in irgendeiner Weise Alkohol enthielten, nicht gänzlich verboten, sondern nur insoweit, als dem Alkohol Rauschmittelqualität zukomme.
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Der Kläger hat beantragt
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festzustellen, dass das Arbeitsverhältnis der Parteien durch die Kündigungen vom 1. März 2008 und 5. März 2008 nicht beendet worden ist.
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Die Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen. Sie hat die Auffassung vertreten, der Kläger habe seine Arbeitsleistung in vorwerfbarer Weise beharrlich verweigert. Die an ihn ergangene Weisung, in der Getränkeabteilung zu arbeiten, sei rechtmäßig. Auf die Glaubensüberzeugungen des Klägers habe sie insoweit Rücksicht genommen, als sie ihn weder mit dem Ausschank noch mit der Verköstigung alkoholischer Getränke betraut habe. Da der Kläger bislang die nunmehr verweigerten Tätigkeiten verrichtet habe, könne er sich nicht auf eine Änderung seiner Gewissenslage berufen. Angesichts seiner in der Frischwarenabteilung angefallenen hohen Arbeitsunfähigkeitszeiten habe ihre Weisung auch dem Schutz seiner Gesundheit gedient. Alkoholhaltige Produkte fänden sich im Übrigen im gesamten Warensortiment. Sie verkaufe beispielsweise mit Alkohol gefüllte Pralinen und führe im Bereich der Molkereiprodukte oftmals eine Käseverkostung mit Weinprobe durch. Ihr könne nicht zugemutet werden, den Kläger ständig in einer neuen Abteilung einzuarbeiten. Ein Einsatz in der Drogerieabteilung und im „Nonfood“-Bereich scheide aus. Dort kämen nur Fachkräfte mit Spezialwissen zum Einsatz.
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Das Arbeitsgericht hat die Klage abgewiesen. Das Landesarbeitsgericht hat auf die Berufung des Klägers festgestellt, dass das Arbeitsverhältnis der Parteien durch die fristlose Kündigung vom 1. März 2008 nicht beendet worden ist. Die weitergehende Berufung hat es zurückgewiesen. Mit der vom Bundesarbeitsgericht zugelassenen Revision verfolgt der Kläger seinen Feststellungsantrag hinsichtlich der ordentlichen Kündigung weiter.
Entscheidungsgründe
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Die Revision ist begründet. Sie führt zur Aufhebung des Berufungsurteils und zur Zurückverweisung des Rechtsstreits an das Landesarbeitsgericht (§ 562 Abs. 1, § 563 Abs. 1 Satz 1 ZPO). Der Senat kann mangels ausreichender Tatsachenfeststellungen nicht abschließend entscheiden, ob die ordentliche Kündigung vom 5. März 2008 sozial gerechtfertigt ist.
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I. Die von Amts wegen zu beachtenden Prozessfortsetzungsvoraussetzungen liegen vor. Anders als die Beklagte gemeint hat, sind die gesetzlichen Anforderungen an eine ordnungsgemäße Berufungsbegründung iSv. § 64 Abs. 6 ArbGG iVm. § 520 Abs. 3 Nr. 2 ZPO erfüllt. Das Arbeitsgericht hat die Kündigungsschutzklage mit der Begründung abgewiesen, das Arbeitsverhältnis sei bereits durch die außerordentliche Kündigung aufgelöst worden. Die Berufungsbegründung des Klägers hat sich mit sämtlichen dafür tragenden Erwägungen des erstinstanzlichen Urteils hinreichend auseinandergesetzt. Eines näheren Eingehens auf die ordentliche Kündigung bedurfte es unter diesen Umständen nicht (vgl. BAG 5. Oktober 1995 - 2 AZR 909/94 - zu II 1 der Gründe, BAGE 81, 111).
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II. Auf der Grundlage der bisherigen Feststellungen des Landesarbeitsgerichts kann nicht beurteilt werden, ob die Kündigung vom 5. März 2008 iSv. § 1 Abs. 2 KSchG sozial gerechtfertigt ist. Der Kläger hat nachvollziehbar dargelegt, dass er sich an das islamische Alkoholverbot gebunden fühle, aus dem er ableite, auch das Einräumen alkoholischer Getränke unterlassen zu müssen. Seine hierauf gestützte Weigerung, im Getränkebereich im Kontakt mit alkoholischen Getränken zu arbeiten, berechtigte die Beklagte nur dann zur Kündigung, wenn keine andere, den Glaubenskonflikt vermeidende und ihr den Umständen nach zumutbare Möglichkeit einer Beschäftigung bestanden hat. Dazu, ob eine solche Alternative gegeben war, hat das Landesarbeitsgericht keine ausreichenden Feststellungen getroffen.
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1. Die Kündigung vom 5. März 2008 ist nicht iSv. § 1 Abs. 2 KSchG durch Gründe im Verhalten des Klägers bedingt.
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a) Allerdings stellt die beharrliche Weigerung des Arbeitnehmers, eine vertraglich geschuldete, rechtmäßig und damit wirksam zugewiesene Arbeit zu leisten, eine erhebliche Pflichtverletzung dar und ist in der Regel geeignet, jedenfalls die ordentliche Kündigung des Arbeitsverhältnisses sozial zu rechtfertigen (BAG 13. März 2008 - 2 AZR 88/07 - Rn. 36, AP KSchG 1969 § 1 Nr. 87 = EzA KSchG § 1 Verhaltensbedingte Kündigung Nr. 73; 5. April 2001 - 2 AZR 580/99 - zu II 2 a der Gründe mwN, BAGE 97, 276).
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Im Streitfall hat die Beklagte den Kläger am 25. Februar 2008 angewiesen, wieder im Getränkebereich zu arbeiten. Die Annahme des Landesarbeitsgerichts, der Kläger habe sich dieser Anordnung „beharrlich“ widersetzt, ist revisionsrechtlich nicht zu beanstanden. Ein Arbeitnehmer verweigert die ihm übertragene Arbeit beharrlich, wenn er sie bewusst und nachhaltig nicht leisten will. Das war hier der Fall. Der Kläger hat sowohl auf die mündliche als auch auf die nachfolgende schriftliche Anordnung der Beklagten deutlich zu erkennen gegeben, Arbeiten im Getränkebereich jedenfalls dann nicht auszuführen, wenn von ihm auch der Umgang mit alkoholhaltigen Getränken verlangt werde. Seine Weigerung war endgültig.
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b) Die Beklagte hat dem Kläger jedoch die Arbeiten im Getränkebereich, weil und soweit sie ihn in Glaubenskonflikte brachten, nicht wirksam nach § 106 Satz 1 GewO zugewiesen. Der Kläger hat deshalb mit seiner Weigerung, sie durchzuführen, seine Vertragspflichten nicht verletzt.
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aa) Aufgrund seines Weisungsrechts (§ 106 GewO)kann der Arbeitgeber eine im Arbeitsvertrag nur abstrakt umschriebene Leistungspflicht des Arbeitsnehmers nach Zeit, Ort und Art der Leistung einseitig näher bestimmen, soweit diese nicht durch Gesetz oder Vertrag festgelegt ist. Der Regelung des § 106 Satz 1 GewO kommt insoweit klarstellende Bedeutung zu (BAG 13. Oktober 2009 - 9 AZR 722/08 - Rn. 18, AP AGG § 7 Nr. 1 = EzA AGG § 10 Nr. 2). Das Weisungsrecht darf dabei nur nach billigem Ermessen ausgeübt werden. Das verlangt, dass der Arbeitgeber bei seiner Entscheidung die wesentlichen Umstände des Einzelfalls abgewogen und die beiderseitigen Interessen angemessen berücksichtigt hat. Maßgeblich ist der Zeitpunkt, in dem der Arbeitgeber seine Entscheidung trifft (vgl. BAG 15. September 2009 - 9 AZR 643/08 - Rn. 26 und 29, AP TVG § 1 Altersteilzeit Nr. 44 = EzA TVG § 4 Altersteilzeit Nr. 31). Ob die Entscheidung billigem Ermessen entspricht, unterliegt nach § 106 Satz 1 GewO iVm. § 315 Abs. 3 BGB der gerichtlichen Kontrolle(BAG 19. Januar 2011 - 10 AZR 738/09 - Rn. 18, EzA-SD 2011 Nr. 9, 8; 25. Oktober 1989 - 2 AZR 633/88 - Rn. 41, AP BGB § 611 Direktionsrecht Nr. 36 = EzA KSchG § 1 Verhaltensbedingte Kündigung Nr. 30).
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bb) Danach war die Weisung der Beklagten vom 25. Februar 2008 nicht schon deshalb unbeachtlich, weil sie nach § 99 BetrVG der Zustimmung des Betriebsrats bedurft hätte. Eine Versetzung iSv. § 99 Abs. 1, § 95 Abs. 3 Satz 1 BetrVG lag nicht vor. Dem Kläger wurde mit der Übertragung von Aufgaben im Getränkebereich kein anderer „Arbeitsbereich“ im Sinne dieser Regelung zugewiesen. Der Gegenstand und das Gesamtbild der Tätigkeit einer mit einfachen Ein- und Ausräumarbeiten in der Frischwarenabteilung beschäftigten Ladenhilfe wird nicht dadurch verändert, dass die Arbeiten nunmehr in der Getränkeabteilung zu verrichten sind. Dafür, dass der Getränkebereich intern einem eigenen „Arbeitsregime“ unterläge, fehlt es an Anhaltspunkten (vgl. dazu BAG 17. Juni 2008 - 1 ABR 38/07 - Rn. 21 ff. mwN, AP BetrVG 1972 § 99 Versetzung Nr. 47 = EzA BetrVG 2001 § 95 Nr. 8).
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cc) Die Weisung war ebenso wenig deshalb unwirksam, weil sich die Beklagte wegen der Erkrankungen des Klägers entschlossen hatte, diesen wieder im Getränkebereich einzusetzen. Ein Verstoß gegen das gesetzliche Maßregelungsverbot (§ 612a BGB)ist insoweit nicht ersichtlich. Die Arbeitsunfähigkeitszeiten des Klägers sind während seiner Tätigkeit in der Frischwarenabteilung angestiegen, ohne dass freilich feststünde, sie seien durch diese Tätigkeit verursacht worden. Bei den übrigen Mitarbeitern des Bereichs sind nach den Feststellungen des Landesarbeitsgerichts weitaus geringere Fehlzeiten angefallen. Unter diesen Umständen ist nicht zu erkennen, dass die angestrebte Änderung des Einsatzbereichs von sachfremden Motiven getragen gewesen wäre. Näher liegt die Annahme, die Beklagte habe eine immerhin mögliche, mit den Arbeitsumständen in der Frischwarenabteilung zusammenhängende Krankheitsursache sowohl im betrieblichen als auch im Interesse der Gesundheit des Klägers ausschließen wollen. Darauf hat das Berufungsgericht zutreffend hingewiesen.
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dd) Die angeordnete Tätigkeit im Getränkebereich bewegte sich im arbeitsvertraglich vereinbarten Leistungsspektrum. Die Parteien haben bei Schließung der Waschstraße im Jahr 2003 einen neuen Arbeitsvertrag geschlossen. Danach wurde der Kläger als „Ladenhilfe“ weiterbeschäftigt und war dementsprechend grundsätzlich verpflichtet, sämtliche im Warenhaus anfallenden Hilfsarbeiten auszuführen. Das schließt die ihm zugewiesenen Arbeiten ein. Mit der im Jahr 2006 auf seinen Wunsch erfolgten Umsetzung in die Frischwarenabteilung hat sich die Beklagte ihres Rechts, ihm Arbeiten im Getränkebereich zuzuweisen, nicht begeben. Ebenso wenig ist ersichtlich, dass sie zumindest darauf verzichtet hätte, ihn mit dem Ein- und Ausräumen alkoholhaltiger Getränke zu beauftragen.
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ee) Die Beklagte hat aber bei der Ausübung ihres Weisungsrechts auf die Glaubensüberzeugungen des Klägers nicht hinreichend Bedacht genommen. Ihre Weisung, im Getränkebereich zu arbeiten, entsprach damit nicht billigem Ermessen.
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(1) Der Arbeitgeber muss einen ihm offenbarten und beachtlichen Glaubens- oder Gewissenskonflikt des Arbeitnehmers bei der Ausübung seines Weisungsrechts berücksichtigen. Dies setzt voraus, dass der Arbeitnehmer darlegt, ihm sei wegen einer aus einer spezifischen Sachlage folgenden Gewissensnot heraus nicht zuzumuten, die an sich vertraglich geschuldete Leistung zu erbringen. Lässt sich aus den festgestellten Tatsachen im konkreten Fall ein die verweigerte Arbeit betreffender Glaubens- oder Gewissenskonflikt ableiten, so unterliegt die Relevanz und Gewichtigkeit der Gewissensbildung keiner gerichtlichen Kontrolle (vgl. BAG 22. Mai 2003 - 2 AZR 426/02 - zu B II 5 b dd der Gründe, AP KSchG 1969 § 1 Wartezeit Nr. 18 = EzA BGB 2002 § 242 Kündigung Nr. 2; 24. Mai 1989 - 2 AZR 285/88 - zu B I 1 b der Gründe, BAGE 62, 59).
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(a) Das gebietet die verfassungskonforme Auslegung und Anwendung von § 106 Satz 1 GewO. Das bei der Ausübung des Leistungsbestimmungsrechts zu wahrende billige Ermessen wird inhaltlich durch die Grundrechte des Arbeitnehmers mitbestimmt. Kollidieren diese mit dem Recht des Arbeitgebers, dem Arbeitnehmer im Rahmen der gleichfalls grundrechtlich geschützten unternehmerischen Betätigungsfreiheit (Art. 12 Abs. 1 Satz 2 GG) eine von der vertraglichen Vereinbarung gedeckte Tätigkeit zuzuweisen, sind die gegensätzlichen Rechtspositionen grundrechtskonform auszugleichen. Dabei sind die kollidierenden Grundrechte in ihrer Wechselwirkung zu sehen und so zu begrenzen, dass sie im Sinne einer praktischen Konkordanz für alle Beteiligten möglichst weitgehend wirksam werden. Insoweit gilt seit seinem Inkrafttreten für § 106 GewO nichts anderes als zuvor für § 315 Abs. 1 BGB(BAG 13. August 2010 - 1 AZR 173/09 - AP GG Art. 9 Nr. 141 = EzA GG Art. 9 Nr. 100; 10. Oktober 2002 - 2 AZR 472/01 - zu B II 3 c der Gründe mwN, BAGE 103, 111; AnwK-ArbR/Boecken 2. Aufl. § 106 GewO Rn. 92; ErfK/Preis 11. Aufl. § 106 GewO Rn. 6). Auf das unverzichtbare Schutzminimum der Glaubens- und Bekenntnisfreiheit nach Art. 4 Abs. 1 GG ist Bedacht zu nehmen. Es ist die Intensität des umstrittenen Eingriffs ebenso zu berücksichtigen wie der Umstand, dass die Vertragspartner mit dem Abschluss des Vertrags in eine Begrenzung grundrechtlicher Freiheiten eingewilligt haben (vgl. BAG 10. Oktober 2002 - 2 AZR 472/01 - zu B II 3 c der Gründe mwN, aaO; ErfK/Schmidt 11. Aufl. Art. 4 GG Rn. 25).
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(b) Ob und inwieweit der Arbeitgeber bei der Ausübung seines Weisungsrechts auf die Glaubensüberzeugungen des Arbeitnehmers Rücksicht nehmen muss, ist damit eine Frage des Einzelfalls.
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(aa) Wenn die Weisung mit fundamentalen, unüberwindbaren Glaubensüberzeugungen des Arbeitnehmers kollidiert, wird es häufig nicht billigem Ermessen entsprechen, wenn der Arbeitgeber an ihr festhält und deren Befolgung verlangt. Das wird in der Regel auch bei einem erst im Anschluss an eine arbeitgeberseitige Weisung offenbarten Konflikt gelten. Zwar ist eine Weisung so lange, wie der Arbeitnehmer einen Glaubenskonflikt noch nicht offenbart hat, für den Arbeitnehmer verbindlich. Offenbart aber der Arbeitnehmer nach erteilter Weisung einen solchen ernsten Konflikt, kann sich für den Arbeitgeber aus § 241 Abs. 2 BGB die Verpflichtung ergeben, von seinem Direktionsrecht unter Berücksichtigung der entgegenstehenden Belange des Arbeitnehmers erneut Gebrauch zu machen(vgl. BAG 19. Mai 2010 - 5 AZR 162/09 - Rn. 27, EzA BGB 2002 § 615 Nr. 33).
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(bb) Auch die Glaubensfreiheit ist freilich nicht ohne jede Schranke garantiert. Beschränkt wird sie durch kollidierende Grundrechte oder Verfassungsaufträge (BVerfG 21. Juli 2009 - 1 BvR 1358/09 - Rn. 14, NJW 2009, 3151). Etwas anderes kann deshalb gelten, wenn auf Seiten des Arbeitgebers nicht nur sein vertraglich begründetes und aktuell ausgeübtes Weisungsrecht als solches steht, sondern seine Weisung weitergehend durch Art. 12 Abs. 1 GG oder durch andere grundrechtlich relevante Rechtsgüter geschützt ist, die ein - ggf. nur kurzfristiges - Hintanstellen der Glaubensüberzeugungen geboten erscheinen lassen. Auch wird der Arbeitgeber, gestützt auf Art. 12 Abs. 1 GG, uU erwarten und verlangen können, dass der Arbeitnehmer eine gewisse - knappe - Ankündigungsfrist einhält, um ihm eine möglichst reibungslose organisatorische Umstellung zu ermöglichen und Folgeschäden zu vermeiden.
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(cc) Die Frage, ob der Arbeitgeber dem Arbeitnehmer die Arbeitsleistung trotz eines ernsten, unüberwindbaren Glaubens- oder Gewissenskonflikts verbindlich zuweisen darf, hängt dagegen nicht ohne Weiteres von der Vorhersehbarkeit des Konflikts ab.
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Das ist insbesondere dann nicht der Fall, wenn der Arbeitnehmer zwar erkennen konnte, er verpflichte sich zu Arbeiten, die bestimmten Glaubensinhalten derjenigen Religion, welcher er angehört, widersprechen, er persönlich aber diese Glaubensinhalte bei Vertragsschluss noch nicht als für sich verbindlich angesehen hatte. Der Umstand, dass die Möglichkeit eines Glaubenskonflikts in diesem Sinne für den Arbeitnehmer vorhersehbar war, nimmt dessen späterer Erklärung, er berufe sich nunmehr auf seine (geänderte) Glaubensüberzeugung, nichts von ihrer rechtlichen Beachtlichkeit; der aktuelle Glaubenskonflikt des Arbeitnehmers ist nicht deshalb weniger bedeutsam iSv. Art. 4 Abs. 1 GG. Eine den Konflikt gleichwohl ignorierende Arbeitsanweisung des Arbeitgebers braucht der Arbeitnehmer unter diesen Voraussetzungen in der Regel nicht zu befolgen.
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Eine andere Beurteilung kann geboten sein, wenn der Arbeitnehmer bei Vertragsschluss bereits positiv wusste, dass er die vertraglich eingegangenen Verpflichtungen um seiner Glaubensüberzeugungen willen sämtlich und von Beginn an nicht würde erfüllen können. Zum einen kann dies zu Zweifeln an der Ernsthaftigkeit seiner Überzeugungen führen. Zum anderen wird es einem Arbeitnehmer, der sich im Wissen um einen unvermeidlich auftretenden Glaubenskonflikt zur Erbringung der diesen auslösenden Arbeiten verpflichtet hat, nach § 242 BGB regelmäßig verwehrt sein, sich gegenüber einer entsprechenden Arbeitsanweisung auf seinen Glauben zu berufen. Die Aufforderung zur Leistung vertragsgemäßer Arbeiten entspricht dann trotz des offenbarten Glaubenskonflikts billigem Ermessen. Mit der Weigerung, ihr nachzukommen, verletzt der Arbeitnehmer seine vertraglichen Pflichten.
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(2) Die Neuregelung des Leistungsstörungsrechts verlangt nicht nach einem anderen rechtssystematischen Ausgangspunkt für die rechtliche Prüfung. Diese ist weiterhin im Rahmen von § 106 GewO und nicht von § 275 Abs. 3 BGB vorzunehmen.
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Zum einen kommt es auf ein religiös begründetes Leistungsverweigerungsrecht nur an, wenn das Leistungs-/Erfüllungsverlangen des Arbeitgebers billigem Ermessen iSv. § 106 Satz 1 BGB entspricht(ähnlich Kamanabrou GS Zachert, S. 400 f.; zum Meinungsstand auch: ErfK/Preis 11. Aufl. § 611 BGB Rn. 687; KR/Fischermeier 9. Aufl. § 626 BGB Rn. 141, 468; Schaub/Linck ArbR-Hdb. 11. Aufl. § 45 Rn. 30; Staudinger/Löwisch/Caspers (2009) § 275 BGB Rn. 104 f.; Henssler RdA 2002, 129, 131; Richardi NZA 2002, 1004, 1007; Greiner Ideelle Unzumutbarkeit S. 135 ff.). Zum anderen ergeben sich die Voraussetzungen, unter denen ein Glaubens- und Gewissenkonflikt für eine nach dem Arbeitsvertrag geschuldete Leistung Bedeutung gewinnen kann, in jedem Fall aus den Vorgaben höherrangigen Rechts. Die Prüfung von § 106 GewO ist deshalb vorrangig.
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(3) Gemessen an diesen Abwägungsgesichtspunkten entsprach die Arbeitsanweisung der Beklagten nicht billigem Ermessen gem. § 106 Satz 1 GewO. Der vom Kläger aufgezeigte Glaubenskonflikt fällt in den Schutzbereich des Art. 4 GG. Der Konflikt bestand nach den Feststellungen des Landesarbeitsgerichts ernsthaft. Der Kläger wusste weder bei dem ursprünglichen Vertragsschluss noch bei der späteren Vertragsänderung, dass er unweigerlich auftreten würde.
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(a) Die Glaubensfreiheit gemäß Art. 4 Abs. 1 GG gewährleistet dem Einzelnen einen Rechtsraum, in dem er sich die Lebensform zu geben vermag, die seiner Überzeugung entspricht(BVerfG 8. November 1969 - 1 BvR 59/56 - zu II 1 der Gründe, BVerfGE 12, 1). Zu ihr gehört nicht nur die innere Freiheit, zu glauben oder nicht zu glauben, sondern auch das Recht des Einzelnen, sein gesamtes Verhalten an den Lehren seines Glaubens auszurichten und seiner inneren Glaubensüberzeugung gemäß zu handeln (BVerfG 19. Oktober 1971 - 1 BvR 387/65 - zu B II 1 der Gründe mwN, BVerfGE 32, 98).
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(aa) Das Grundrecht ist offen für die Entfaltung verschiedener Religionen und Bekenntnisse. Unbeachtlich ist die zahlenmäßige Stärke oder Relevanz einer bestimmten Glaubenshaltung. Unter den Schutzbereich des Art. 4 GG fallen auch Verhaltensweisen, die nicht allgemein von den Gläubigen geteilt werden(BVerfG 19. Oktober 1971 - 1 BvR 387/65 - zu B II 1 der Gründe mwN, BVerfGE 32, 98). Glaubensfreiheit ist mehr als religiöse Toleranz. Für eine zulässige Berufung auf Art. 4 GG kommt es nur darauf an, dass das Verhalten wirklich von einer religiösen Überzeugung getragen und nicht anders motiviert ist. Andernfalls würde den Gerichten eine Bewertung von Glaubenshaltungen oder die Prüfung von theologischen Lehren aufgebürdet, die sie weder leisten können noch leisten dürfen (BAG 10. Oktober 2002 - 2 AZR 472/01 - zu B II 3 c aa der Gründe, BAGE 103, 111).
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(bb) Als Gewissensentscheidung ist jede ernste sittliche, dh. an den Kategorien „gut“ und „böse“ orientierte Entscheidung anzusehen, die der Einzelne in einer bestimmten Lage als für sich bindend und unbedingt verpflichtend innerlich erfährt, so dass er gegen sie nicht ohne ernste Gewissensnot handeln könnte. Die Gewissensfreiheit überschneidet sich mit der Glaubensfreiheit insoweit, als sie auch das religiös fundierte Gewissen schützt (vgl. BVerfG 11. April 1972 - 2 BvR 75/71 - zu B II 1 der Gründe, BVerfGE 33, 23; BVerwG 25. August 1993 - 6 C 8/91 - BVerwGE 94, 82).
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(cc) Beruft sich der Arbeitnehmer gegenüber einer nach dem Arbeitsvertrag geschuldeten Arbeitsleistung darauf, die Erfüllung der Arbeitspflicht bringe ihn aus religiösen Gründen in Gewissensnot, trifft ihn die Darlegungslast für einen konkreten und ernsthaften Glaubenskonflikt. Die nicht ernsthafte, möglicherweise nur vorgeschobene Berufung auf bestimmte Glaubensinhalte und -gebote kann keine Beachtung finden. Auch wenn Glaubensüberzeugungen keiner Nachprüfung anhand von Kriterien wie „irrig“, „beachtlich“ oder „unbeachtlich“ unterliegen, muss doch erkennbar sein, dass der Arbeitnehmer den von ihm ins Feld geführten Ge- oder Verboten seines Glaubens absolute Verbindlichkeit beimisst (zur Gewissensentscheidung vgl. BAG 24. Mai 1989 - 2 AZR 285/88 - zu B I 2 b bb der Gründe, BAGE 62, 59; siehe auch BVerwG 25. August 1993 - 6 C 8/91 - BVerwGE 94, 82 sowie die sich auf diese Entscheidung beziehende Gesetzesbegründung zu § 20 Abs. 1 Nr. 4 AGG [BR-Drucks. 329/06 S. 48]). Dazu müssen die betreffenden Verbote in Fällen der vorliegenden Art die Arbeitsverweigerung gewissermaßen „decken“. Ihre konkrete Reichweite, was die vertraglichen Pflichten betrifft, deren Erfüllung sie entgegenstehen soll, muss sich aus den Darlegungen des Arbeitnehmers unzweifelhaft ergeben. Nur so kann der Arbeitgeber erkennen, welchen Gebrauch er von seinem Direktionsrecht noch machen kann.
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(b) Die Würdigung des Landesarbeitsgerichts, es entspreche der ernsthaften religiösen Überzeugung des Klägers, dass er sich als gläubiger Moslem jeglicher Mitwirkung am Alkoholverkauf zu enthalten habe, lässt keinen Rechtsfehler erkennen. Der Kläger hat aufgezeigt, dass er sich durch verbindliche Ge- oder Verbote seines Glaubens daran gehindert sieht, der Weisung vom 25. Februar 2008 nachzukommen, soweit sie ihn dazu verpflichtet, durch das Umräumen und Bereitstellen alkoholischer Getränke an deren Verkauf mitzuwirken. Ob dieses Verständnis der islamischen Schriften der herrschenden Glaubenslehre entspricht, mag bezweifelt werden, ist jedoch nach dem verfassungsrechtlich gebotenen, subjektiven Gewissensbegriff nicht entscheidend. Ebenso wenig kommt es darauf an, ob die Haltung des Klägers, sein Glaube erlaube es ihm sehr wohl, mit Produkten umzugehen, die Alkohol in „chemisch veränderter Form“ enthielten, angesichts seines ansonsten strengen Verständnisses des Alkoholverbots in sich logisch und konsequent ist. Die innere Differenzierung erscheint zumindest möglich und stellt damit die Ernstlichkeit des Glaubenskonflikts nicht in Frage. Entsprechendes gilt für den Umstand, dass der Kläger zeitweise - möglicherweise ohne ausdrückliche Beanstandung - bereit war, Regale mit alkoholischen Getränken aufzufüllen. Der Kläger hat sich darauf berufen, er habe diesen Einsatz zunehmend als gewissensbelastend empfunden und sich zwischenzeitlich dazu entschlossen, strikt nach den Vorgaben seines Glaubens zu leben. Als ein äußeres Zeichen hierfür kann seine im Jahr 2007 geäußerte Bitte gelten, ihm andere Arbeit zu übertragen, auch wenn er seinen Glaubenskonflikt seinerzeit gegenüber der Beklagten nicht ausdrücklich offenbart haben sollte.
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(c) Der Kläger konnte zwar, nachdem er von der Beklagten im Oktober 2003 als „Ladenhilfe“ übernommen wurde, nicht ausschließen, bei seiner Tätigkeit mit Alkoholika in Berührung zu kommen. Abgesehen davon, dass er ursprünglich als Helfer in der Waschstraße eingestellt worden war und der Grund für die Vertragsänderung in den betrieblichen Verhältnissen der Beklagten lag, haben sich seine jetzigen religiösen Überzeugungen aber offenbar erst im Verlauf des Arbeitsverhältnisses mit längerem Abstand zum Zeitpunkt der vertraglichen Vereinbarung entwickelt und musste er überdies nicht zwingend damit rechnen, dass er als Ladenhilfe in den Verkauf alkoholischer Getränke eingebunden würde.
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Die Arbeitsanweisung der Beklagten vom 25. Februar 2008 widersprach damit billigem Ermessen und war unverbindlich. Der Kläger hat mit seiner Weigerung, ihr Folge zu leisten, seine vertraglichen Pflichten nicht verletzt.
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2. Ob die Kündigung vom 5. März 2008 iSv. § 1 Abs. 2 KSchG durch Gründe in der Person des Klägers bedingt ist, vermag der Senat nicht abschließend zu beurteilen.
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a) Ergibt die Abwägung im Rahmen des § 106 Satz 1 GewO, dass eine Arbeitsanweisung des Arbeitgebers nicht der Billigkeit entspricht, braucht der Arbeitnehmer ihr nicht nachzukommen. Allerdings schränkt die religiös begründete Begrenzung des Weisungsrechts des Arbeitgebers den auf wirksam ausgeübter Vertragsfreiheit (Art. 12 Abs. 1 GG) beruhenden Inhalt des Arbeitsvertrags als solchen nicht ein. Der vertraglich vereinbarte Tätigkeitsumfang reduziert sich wegen des Glaubenskonflikts nicht etwa von vornherein auf den konfliktfreien Bereich. Vielmehr ist der Arbeitnehmer aus persönlichen Gründen außerstande, einen Teil der vertraglich (weiterhin) versprochenen Leistungen zu erbringen. Aufgrund dieses Umstands kann eine Kündigung des Arbeitsverhältnisses durch einen in seiner Person liegenden Grund nach § 1 Abs. 2 KSchG gerechtfertigt sein(BAG 22. Mai 2003 - 2 AZR 426/02 - zu II 5 b dd der Gründe mwN, AP KSchG 1969 § 1 Wartezeit Nr. 18 = EzA BGB 2002 § 242 Kündigung Nr. 2).
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b) Ist der Arbeitnehmer aufgrund eines offenbarten beachtlichen Glaubenskonflikts teilweise außerstande, seine arbeitsvertraglichen Verpflichtungen zu erfüllen, berechtigt dies den Arbeitgeber gleichwohl nicht zur Kündigung, wenn er den Arbeitnehmer im Betrieb oder Unternehmen entweder innerhalb des vertraglich vereinbarten Leistungsspektrums oder aber zu geänderten Vertragsbedingungen unter Vermeidung des Konflikts sinnvoll weiterbeschäftigen kann (vgl. dazu BAG 10. Juni 2010 - 2 AZR 1020/08 - Rn. 15, AP KSchG 1969 § 1 Personenbedingte Kündigung Nr. 31 = EzA KSchG § 1 Personenbedingte Kündigung Nr. 25; 10. Oktober 2002 - 2 AZR 472/01 - zu B II 2 a der Gründe, BAGE 103, 111).
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c) Ob bei der Beklagten eine solche alternative Beschäftigungsmöglichkeit für den Kläger bestand, hat das Landesarbeitsgericht nicht festgestellt. Festgestellt hat es lediglich, dass eine Beschäftigung des Klägers in der Drogerieabteilung und der „Nonfood“-Abteilung ausgeschlossen gewesen sei, weil ihm die dafür notwendigen Fachkenntnisse gefehlt hätten. Offen ist, ob die Beklagte den Kläger in anderen Bereichen des Warenhauses, etwa im Bereich „Backwaren“ oder „Obst und Gemüse“ hätte einsetzen können. Darauf hat sich der Kläger ausdrücklich berufen. Auch hat er seine Bereitschaft zum Ausdruck gebracht, in der Getränkeabteilung zu arbeiten, wenn er von der Verpflichtung ausgenommen werde, alkoholische Getränke zu beräumen. Aus dem Umstand, dass das Landesarbeitsgericht angenommen hat, der Beklagten sei es bis zum Ablauf der Kündigungsfrist durchaus möglich und zumutbar gewesen, den Kläger außerhalb des Getränkebereichs einzusetzen, kann nicht ohne Weiteres geschlossen werden, diese Möglichkeit habe auch noch nach Fristablauf bestanden.
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d) Einer möglichen Wirksamkeit der Kündigung unter personenbedingten Gesichtspunkten steht nicht entgegen, dass sich die Beklagte gegenüber dem Betriebsrat nicht ausdrücklich auf solche Aspekte berufen hat. Nach § 102 Abs. 1 Satz 2 BetrVG hat der Arbeitgeber dem Betriebsrat die Gründe für die Kündigung mitzuteilen. Das umfasst zwar auch die Mitteilung darüber, ob eine außerordentliche oder ordentliche Beendigung des Arbeitsverhältnisses angestrebt wird (Fitting 25. Aufl. § 102 BetrVG Rn. 25 mwN). Nicht erforderlich ist aber, dass der Arbeitgeber die kündigungsrelevanten Tatsachen einem der Kündigungsgründe des § 1 Abs. 2 Satz 1 KSchG zuordnet. Tut er dies dennoch, bindet ihn dies im späteren Kündigungsschutzprozess grundsätzlich nicht. Er kann sich im Rahmen des dem Betriebsrat unterbreiteten tatsächlichen Kündigungssachverhalts auch auf andere rechtliche Gesichtspunkte berufen, sofern die mitgeteilten Tatsachen diese neuen Aspekte tragen.
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e) Ebenso wenig steht der möglichen Wirksamkeit einer personenbedingten Kündigung ein Diskriminierungsverbot entgegen. Eine unmittelbare Benachteiligung des Klägers wegen seiner Religion iSv. § 7 Abs. 1 iVm. §§ 1, 3 Abs. 1 AGG scheidet aus. Die Kündigung ist nicht deshalb erfolgt, weil der Kläger Moslem ist, sondern weil er sich außerstande sieht, bestimmte vertraglich eingegangene Verpflichtungen zu erfüllen. Auch eine mittelbare Diskriminierung liegt nicht vor. Unabhängig davon, ob mit einer solchen Kündigung eine besondere Benachteiligung iSv. § 3 Abs. 2 AGG einhergehen kann, ist es jedenfalls durch ein rechtmäßiges Ziel sachlich gerechtfertigt und als Mittel zu dessen Erreichung angemessen und erforderlich, dass der Arbeitgeber das Arbeitsverhältnis mit einem Arbeitnehmer beendet, der wegen seiner Glaubensüberzeugungen subjektiv nicht in der Lage ist, die vertraglich übernommenen Aufgaben zu verrichten, und anderweitig nicht eingesetzt werden kann.
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3. Dies führt zur Zurückverweisung der Sache an das Landesarbeitsgericht. Die Beurteilung, ob eine den Glaubenskonflikt vermeidende Beschäftigungsalternative bestand, ist zunächst und im Wesentlichen Tatfrage. Dazu wird das Landesarbeitsgericht die nötigen Feststellungen zu treffen haben.
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a) Dabei ist zu beachten, dass im Kündigungsschutzprozess der Arbeitgeber die Voraussetzungen des Kündigungsgrundes darlegen und ggf. beweisen muss. Das betrifft auch das Fehlen einer anderweitigen Beschäftigungsmöglichkeit iSv. § 1 Abs. 2 Satz 2 KSchG. Beruft sich ein Arbeitnehmer darauf, dass es ihm aus Glaubensgründen nicht möglich sei, die vertraglich geschuldete Tätigkeit auszuführen, hat er auf Nachfrage des Arbeitgebers aufzuzeigen, worin die religiösen Bedenken bestehen und welche vom Arbeitsvertrag umfassten Tätigkeiten ihm seine religiöse Überzeugung verbietet, um verbleibende Einsatzmöglichkeiten prüfen zu können. Im Streitfall gilt dies in besonderem Maße für den Umgang mit Produkten, die Alkohol enthalten und außerhalb der Getränkeabteilung vertrieben werden. Dieser materiell-rechtlichen Obliegenheit des Arbeitnehmers folgt die Darlegungslast im Prozess. Es ist Sache des sich auf einen Glaubenskonflikt berufenden Arbeitnehmers, zumindest in Grundzügen aufzuzeigen, wie er sich eine mit seinen Glaubensüberzeugungen in Einklang stehende Beschäftigung im Rahmen der vom Arbeitgeber vorgegebenen Betriebsorganisation vorstellt. Nur dann kann zuverlässig beurteilt werden, ob es dem Arbeitgeber möglich und zumutbar war, dem Arbeitnehmer andere Arbeit zu übertragen.
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b) Auch die Frage, welche Anstrengungen dem Arbeitgeber mit Blick auf eine anderweitige Beschäftigung des von einem Glaubenskonflikt betroffenen Arbeitnehmer zumutbar sind, unterliegt der Einzelfallbeurteilung. Regelmäßig zumutbar ist dem Arbeitgeber die Zuweisung einer anderen Tätigkeit, wenn dem keine betrieblichen Gründe, zu denen sowohl wirtschaftliche als auch organisatorische Gründe zählen können, entgegenstehen. Betriebliche Gründe stehen der Übertragung einer anderen Tätigkeit in der Regel nicht entgegen, wenn ein Arbeitsplatz frei ist und Bedarf an der fraglichen Tätigkeit besteht. Kann die Zuweisung einer anderen Tätigkeit nur durch einen Aufgabentausch mit anderen Arbeitnehmern erfolgen, kann einer solchen Maßnahme die dem Arbeitgeber gegenüber allen Arbeitnehmern obliegende Pflicht zur Rücksichtnahme aus § 241 Abs. 2 BGB entgegenstehen. Allgemein gilt, dass die Verpflichtung zur Berücksichtigung einer konfliktvermeidenden Beschäftigungsalternative vom Arbeitgeber nicht verlangt, die Belange des Arbeitnehmers unter Hintanstellung eigener schutzwürdiger Interessen oder der anderer Arbeitnehmer durchzusetzen (vgl. auch BAG 19. Mai 2010 - 5 AZR 162/09 - Rn. 27 ff., EzA BGB 2002 § 615 Nr. 33). Bei der Frage, welche Anstrengungen dem Arbeitgeber im Hinblick auf eine Umsetzung zuzumuten sind, kann auch die Möglichkeit, den Konflikt vorherzusehen, Berücksichtigung finden. So wird der Arbeitgeber im Fall eines vorhersehbaren Konflikts nur naheliegende, ohne erhebliche Schwierigkeiten durchsetzbare Möglichkeiten einer Umsetzung ergreifen müssen.
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c) Als alternative Beschäftigungsmöglichkeit ist auch die vom Kläger zuletzt ausgeübte Tätigkeit in der Frischwarenabteilung in Betracht zu ziehen. Ob der Arbeitsplatz im Kündigungszeitpunkt frei war, hat das Landesarbeitsgericht nicht festgestellt. Ebenso wenig hat es geklärt, welche konkreten Belastungen mit den Erkrankungen des Klägers einhergingen. Es lässt sich deshalb nicht beurteilen, ob das betriebliche Interesse der Beklagten, den Kläger nicht mehr in diesem Bereich einzusetzen, höher zu bewerten ist als dessen Interesse an einer Weiterbeschäftigung.
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Kreft
Berger
Schmitz-Scholemann
Kreft
Hans Frey
(1) Die Kündigung des Arbeitsverhältnisses gegenüber einem Arbeitnehmer, dessen Arbeitsverhältnis in demselben Betrieb oder Unternehmen ohne Unterbrechung länger als sechs Monate bestanden hat, ist rechtsunwirksam, wenn sie sozial ungerechtfertigt ist.
(2) Sozial ungerechtfertigt ist die Kündigung, wenn sie nicht durch Gründe, die in der Person oder in dem Verhalten des Arbeitnehmers liegen, oder durch dringende betriebliche Erfordernisse, die einer Weiterbeschäftigung des Arbeitnehmers in diesem Betrieb entgegenstehen, bedingt ist. Die Kündigung ist auch sozial ungerechtfertigt, wenn
- 1.
in Betrieben des privaten Rechts - a)
die Kündigung gegen eine Richtlinie nach § 95 des Betriebsverfassungsgesetzes verstößt, - b)
der Arbeitnehmer an einem anderen Arbeitsplatz in demselben Betrieb oder in einem anderen Betrieb des Unternehmens weiterbeschäftigt werden kann
und der Betriebsrat oder eine andere nach dem Betriebsverfassungsgesetz insoweit zuständige Vertretung der Arbeitnehmer aus einem dieser Gründe der Kündigung innerhalb der Frist des § 102 Abs. 2 Satz 1 des Betriebsverfassungsgesetzes schriftlich widersprochen hat, - 2.
in Betrieben und Verwaltungen des öffentlichen Rechts - a)
die Kündigung gegen eine Richtlinie über die personelle Auswahl bei Kündigungen verstößt, - b)
der Arbeitnehmer an einem anderen Arbeitsplatz in derselben Dienststelle oder in einer anderen Dienststelle desselben Verwaltungszweigs an demselben Dienstort einschließlich seines Einzugsgebiets weiterbeschäftigt werden kann
und die zuständige Personalvertretung aus einem dieser Gründe fristgerecht gegen die Kündigung Einwendungen erhoben hat, es sei denn, daß die Stufenvertretung in der Verhandlung mit der übergeordneten Dienststelle die Einwendungen nicht aufrechterhalten hat.
(3) Ist einem Arbeitnehmer aus dringenden betrieblichen Erfordernissen im Sinne des Absatzes 2 gekündigt worden, so ist die Kündigung trotzdem sozial ungerechtfertigt, wenn der Arbeitgeber bei der Auswahl des Arbeitnehmers die Dauer der Betriebszugehörigkeit, das Lebensalter, die Unterhaltspflichten und die Schwerbehinderung des Arbeitnehmers nicht oder nicht ausreichend berücksichtigt hat; auf Verlangen des Arbeitnehmers hat der Arbeitgeber dem Arbeitnehmer die Gründe anzugeben, die zu der getroffenen sozialen Auswahl geführt haben. In die soziale Auswahl nach Satz 1 sind Arbeitnehmer nicht einzubeziehen, deren Weiterbeschäftigung, insbesondere wegen ihrer Kenntnisse, Fähigkeiten und Leistungen oder zur Sicherung einer ausgewogenen Personalstruktur des Betriebes, im berechtigten betrieblichen Interesse liegt. Der Arbeitnehmer hat die Tatsachen zu beweisen, die die Kündigung als sozial ungerechtfertigt im Sinne des Satzes 1 erscheinen lassen.
(4) Ist in einem Tarifvertrag, in einer Betriebsvereinbarung nach § 95 des Betriebsverfassungsgesetzes oder in einer entsprechenden Richtlinie nach den Personalvertretungsgesetzen festgelegt, wie die sozialen Gesichtspunkte nach Absatz 3 Satz 1 im Verhältnis zueinander zu bewerten sind, so kann die Bewertung nur auf grobe Fehlerhaftigkeit überprüft werden.
(5) Sind bei einer Kündigung auf Grund einer Betriebsänderung nach § 111 des Betriebsverfassungsgesetzes die Arbeitnehmer, denen gekündigt werden soll, in einem Interessenausgleich zwischen Arbeitgeber und Betriebsrat namentlich bezeichnet, so wird vermutet, dass die Kündigung durch dringende betriebliche Erfordernisse im Sinne des Absatzes 2 bedingt ist. Die soziale Auswahl der Arbeitnehmer kann nur auf grobe Fehlerhaftigkeit überprüft werden. Die Sätze 1 und 2 gelten nicht, soweit sich die Sachlage nach Zustandekommen des Interessenausgleichs wesentlich geändert hat. Der Interessenausgleich nach Satz 1 ersetzt die Stellungnahme des Betriebsrates nach § 17 Abs. 3 Satz 2.
(1) Ist unter den Parteien streitig, ob ein Schaden entstanden sei und wie hoch sich der Schaden oder ein zu ersetzendes Interesse belaufe, so entscheidet hierüber das Gericht unter Würdigung aller Umstände nach freier Überzeugung. Ob und inwieweit eine beantragte Beweisaufnahme oder von Amts wegen die Begutachtung durch Sachverständige anzuordnen sei, bleibt dem Ermessen des Gerichts überlassen. Das Gericht kann den Beweisführer über den Schaden oder das Interesse vernehmen; die Vorschriften des § 452 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 bis 4 gelten entsprechend.
(2) Die Vorschriften des Absatzes 1 Satz 1, 2 sind bei vermögensrechtlichen Streitigkeiten auch in anderen Fällen entsprechend anzuwenden, soweit unter den Parteien die Höhe einer Forderung streitig ist und die vollständige Aufklärung aller hierfür maßgebenden Umstände mit Schwierigkeiten verbunden ist, die zu der Bedeutung des streitigen Teiles der Forderung in keinem Verhältnis stehen.
Arbeitgeber und Arbeitnehmer können Abschluss, Inhalt und Form des Arbeitsvertrages frei vereinbaren, soweit nicht zwingende gesetzliche Vorschriften, Bestimmungen eines anwendbaren Tarifvertrages oder einer Betriebsvereinbarung entgegenstehen. Soweit die Vertragsbedingungen wesentlich sind, richtet sich ihr Nachweis nach den Bestimmungen des Nachweisgesetzes.
Der Gläubiger kommt in Verzug, wenn er die ihm angebotene Leistung nicht annimmt.
Ein wörtliches Angebot des Schuldners genügt, wenn der Gläubiger ihm erklärt hat, dass er die Leistung nicht annehmen werde, oder wenn zur Bewirkung der Leistung eine Handlung des Gläubigers erforderlich ist, insbesondere wenn der Gläubiger die geschuldete Sache abzuholen hat. Dem Angebot der Leistung steht die Aufforderung an den Gläubiger gleich, die erforderliche Handlung vorzunehmen.
(1) Eine Geldschuld ist während des Verzugs zu verzinsen. Der Verzugszinssatz beträgt für das Jahr fünf Prozentpunkte über dem Basiszinssatz.
(2) Bei Rechtsgeschäften, an denen ein Verbraucher nicht beteiligt ist, beträgt der Zinssatz für Entgeltforderungen neun Prozentpunkte über dem Basiszinssatz.
(3) Der Gläubiger kann aus einem anderen Rechtsgrund höhere Zinsen verlangen.
(4) Die Geltendmachung eines weiteren Schadens ist nicht ausgeschlossen.
(5) Der Gläubiger einer Entgeltforderung hat bei Verzug des Schuldners, wenn dieser kein Verbraucher ist, außerdem einen Anspruch auf Zahlung einer Pauschale in Höhe von 40 Euro. Dies gilt auch, wenn es sich bei der Entgeltforderung um eine Abschlagszahlung oder sonstige Ratenzahlung handelt. Die Pauschale nach Satz 1 ist auf einen geschuldeten Schadensersatz anzurechnen, soweit der Schaden in Kosten der Rechtsverfolgung begründet ist.
(6) Eine im Voraus getroffene Vereinbarung, die den Anspruch des Gläubigers einer Entgeltforderung auf Verzugszinsen ausschließt, ist unwirksam. Gleiches gilt für eine Vereinbarung, die diesen Anspruch beschränkt oder den Anspruch des Gläubigers einer Entgeltforderung auf die Pauschale nach Absatz 5 oder auf Ersatz des Schadens, der in Kosten der Rechtsverfolgung begründet ist, ausschließt oder beschränkt, wenn sie im Hinblick auf die Belange des Gläubigers grob unbillig ist. Eine Vereinbarung über den Ausschluss der Pauschale nach Absatz 5 oder des Ersatzes des Schadens, der in Kosten der Rechtsverfolgung begründet ist, ist im Zweifel als grob unbillig anzusehen. Die Sätze 1 bis 3 sind nicht anzuwenden, wenn sich der Anspruch gegen einen Verbraucher richtet.
(1) In Urteilsverfahren des ersten Rechtszugs besteht kein Anspruch der obsiegenden Partei auf Entschädigung wegen Zeitversäumnis und auf Erstattung der Kosten für die Zuziehung eines Prozeßbevollmächtigten oder Beistands. Vor Abschluß der Vereinbarung über die Vertretung ist auf den Ausschluß der Kostenerstattung nach Satz 1 hinzuweisen. Satz 1 gilt nicht für Kosten, die dem Beklagten dadurch entstanden sind, daß der Kläger ein Gericht der ordentlichen Gerichtsbarkeit, der allgemeinen Verwaltungsgerichtsbarkeit, der Finanz- oder Sozialgerichtsbarkeit angerufen und dieses den Rechtsstreit an das Arbeitsgericht verwiesen hat.
(2) Werden im Urteilsverfahren des zweiten und dritten Rechtszugs die Kosten nach § 92 Abs. 1 der Zivilprozeßordnung verhältnismäßig geteilt und ist die eine Partei durch einen Rechtsanwalt, die andere Partei durch einen Verbandsvertreter nach § 11 Abs. 2 Satz 2 Nr. 4 und 5 vertreten, so ist diese Partei hinsichtlich der außergerichtlichen Kosten so zu stellen, als wenn sie durch einen Rechtsanwalt vertreten worden wäre. Ansprüche auf Erstattung stehen ihr jedoch nur insoweit zu, als ihr Kosten im Einzelfall tatsächlich erwachsen sind.
(1) Eine Geldschuld ist während des Verzugs zu verzinsen. Der Verzugszinssatz beträgt für das Jahr fünf Prozentpunkte über dem Basiszinssatz.
(2) Bei Rechtsgeschäften, an denen ein Verbraucher nicht beteiligt ist, beträgt der Zinssatz für Entgeltforderungen neun Prozentpunkte über dem Basiszinssatz.
(3) Der Gläubiger kann aus einem anderen Rechtsgrund höhere Zinsen verlangen.
(4) Die Geltendmachung eines weiteren Schadens ist nicht ausgeschlossen.
(5) Der Gläubiger einer Entgeltforderung hat bei Verzug des Schuldners, wenn dieser kein Verbraucher ist, außerdem einen Anspruch auf Zahlung einer Pauschale in Höhe von 40 Euro. Dies gilt auch, wenn es sich bei der Entgeltforderung um eine Abschlagszahlung oder sonstige Ratenzahlung handelt. Die Pauschale nach Satz 1 ist auf einen geschuldeten Schadensersatz anzurechnen, soweit der Schaden in Kosten der Rechtsverfolgung begründet ist.
(6) Eine im Voraus getroffene Vereinbarung, die den Anspruch des Gläubigers einer Entgeltforderung auf Verzugszinsen ausschließt, ist unwirksam. Gleiches gilt für eine Vereinbarung, die diesen Anspruch beschränkt oder den Anspruch des Gläubigers einer Entgeltforderung auf die Pauschale nach Absatz 5 oder auf Ersatz des Schadens, der in Kosten der Rechtsverfolgung begründet ist, ausschließt oder beschränkt, wenn sie im Hinblick auf die Belange des Gläubigers grob unbillig ist. Eine Vereinbarung über den Ausschluss der Pauschale nach Absatz 5 oder des Ersatzes des Schadens, der in Kosten der Rechtsverfolgung begründet ist, ist im Zweifel als grob unbillig anzusehen. Die Sätze 1 bis 3 sind nicht anzuwenden, wenn sich der Anspruch gegen einen Verbraucher richtet.
(1) In Urteilsverfahren des ersten Rechtszugs besteht kein Anspruch der obsiegenden Partei auf Entschädigung wegen Zeitversäumnis und auf Erstattung der Kosten für die Zuziehung eines Prozeßbevollmächtigten oder Beistands. Vor Abschluß der Vereinbarung über die Vertretung ist auf den Ausschluß der Kostenerstattung nach Satz 1 hinzuweisen. Satz 1 gilt nicht für Kosten, die dem Beklagten dadurch entstanden sind, daß der Kläger ein Gericht der ordentlichen Gerichtsbarkeit, der allgemeinen Verwaltungsgerichtsbarkeit, der Finanz- oder Sozialgerichtsbarkeit angerufen und dieses den Rechtsstreit an das Arbeitsgericht verwiesen hat.
(2) Werden im Urteilsverfahren des zweiten und dritten Rechtszugs die Kosten nach § 92 Abs. 1 der Zivilprozeßordnung verhältnismäßig geteilt und ist die eine Partei durch einen Rechtsanwalt, die andere Partei durch einen Verbandsvertreter nach § 11 Abs. 2 Satz 2 Nr. 4 und 5 vertreten, so ist diese Partei hinsichtlich der außergerichtlichen Kosten so zu stellen, als wenn sie durch einen Rechtsanwalt vertreten worden wäre. Ansprüche auf Erstattung stehen ihr jedoch nur insoweit zu, als ihr Kosten im Einzelfall tatsächlich erwachsen sind.
(1) Eine Geldschuld ist während des Verzugs zu verzinsen. Der Verzugszinssatz beträgt für das Jahr fünf Prozentpunkte über dem Basiszinssatz.
(2) Bei Rechtsgeschäften, an denen ein Verbraucher nicht beteiligt ist, beträgt der Zinssatz für Entgeltforderungen neun Prozentpunkte über dem Basiszinssatz.
(3) Der Gläubiger kann aus einem anderen Rechtsgrund höhere Zinsen verlangen.
(4) Die Geltendmachung eines weiteren Schadens ist nicht ausgeschlossen.
(5) Der Gläubiger einer Entgeltforderung hat bei Verzug des Schuldners, wenn dieser kein Verbraucher ist, außerdem einen Anspruch auf Zahlung einer Pauschale in Höhe von 40 Euro. Dies gilt auch, wenn es sich bei der Entgeltforderung um eine Abschlagszahlung oder sonstige Ratenzahlung handelt. Die Pauschale nach Satz 1 ist auf einen geschuldeten Schadensersatz anzurechnen, soweit der Schaden in Kosten der Rechtsverfolgung begründet ist.
(6) Eine im Voraus getroffene Vereinbarung, die den Anspruch des Gläubigers einer Entgeltforderung auf Verzugszinsen ausschließt, ist unwirksam. Gleiches gilt für eine Vereinbarung, die diesen Anspruch beschränkt oder den Anspruch des Gläubigers einer Entgeltforderung auf die Pauschale nach Absatz 5 oder auf Ersatz des Schadens, der in Kosten der Rechtsverfolgung begründet ist, ausschließt oder beschränkt, wenn sie im Hinblick auf die Belange des Gläubigers grob unbillig ist. Eine Vereinbarung über den Ausschluss der Pauschale nach Absatz 5 oder des Ersatzes des Schadens, der in Kosten der Rechtsverfolgung begründet ist, ist im Zweifel als grob unbillig anzusehen. Die Sätze 1 bis 3 sind nicht anzuwenden, wenn sich der Anspruch gegen einen Verbraucher richtet.
(1) Das Urteilsverfahren findet in den in § 2 Abs. 1 bis 4 bezeichneten bürgerlichen Rechtsstreitigkeiten Anwendung.
(2) Für das Urteilsverfahren des ersten Rechtszugs gelten die Vorschriften der Zivilprozeßordnung über das Verfahren vor den Amtsgerichten entsprechend, soweit dieses Gesetz nichts anderes bestimmt. Die Vorschriften über den frühen ersten Termin zur mündlichen Verhandlung und das schriftliche Vorverfahren (§§ 275 bis 277 der Zivilprozeßordnung), über das vereinfachte Verfahren (§ 495a der Zivilprozeßordnung), über den Urkunden- und Wechselprozeß (§§ 592 bis 605a der Zivilprozeßordnung), über die Musterfeststellungsklage (§§ 606 bis 613 der Zivilprozessordnung), über die Entscheidung ohne mündliche Verhandlung (§ 128 Abs. 2 der Zivilprozeßordnung) und über die Verlegung von Terminen in der Zeit vom 1. Juli bis 31. August (§ 227 Abs. 3 Satz 1 der Zivilprozeßordnung) finden keine Anwendung. § 127 Abs. 2 der Zivilprozessordnung findet mit der Maßgabe Anwendung, dass die sofortige Beschwerde bei Bestandsschutzstreitigkeiten unabhängig von dem Streitwert zulässig ist.
(1) Den Wert des Streitgegenstands setzt das Arbeitsgericht im Urteil fest.
(2) Spricht das Urteil die Verpflichtung zur Vornahme einer Handlung aus, so ist der Beklagte auf Antrag des Klägers zugleich für den Fall, daß die Handlung nicht binnen einer bestimmten Frist vorgenommen ist, zur Zahlung einer vom Arbeitsgericht nach freiem Ermessen festzusetzenden Entschädigung zu verurteilen. Die Zwangsvollstreckung nach §§ 887 und 888 der Zivilprozeßordnung ist in diesem Fall ausgeschlossen.
(3) Ein über den Grund des Anspruchs vorab entscheidendes Zwischenurteil ist wegen der Rechtsmittel nicht als Endurteil anzusehen.
(1) Gegen die Urteile der Arbeitsgerichte findet, soweit nicht nach § 78 das Rechtsmittel der sofortigen Beschwerde gegeben ist, die Berufung an die Landesarbeitsgerichte statt.
(2) Die Berufung kann nur eingelegt werden,
- a)
wenn sie in dem Urteil des Arbeitsgerichts zugelassen worden ist, - b)
wenn der Wert des Beschwerdegegenstandes 600 Euro übersteigt, - c)
in Rechtsstreitigkeiten über das Bestehen, das Nichtbestehen oder die Kündigung eines Arbeitsverhältnisses oder - d)
wenn es sich um ein Versäumnisurteil handelt, gegen das der Einspruch an sich nicht statthaft ist, wenn die Berufung oder Anschlussberufung darauf gestützt wird, dass der Fall der schuldhaften Versäumung nicht vorgelegen habe.
(3) Das Arbeitsgericht hat die Berufung zuzulassen, wenn
- 1.
die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat, - 2.
die Rechtssache Rechtsstreitigkeiten betrifft - a)
zwischen Tarifvertragsparteien aus Tarifverträgen oder über das Bestehen oder Nichtbestehen von Tarifverträgen, - b)
über die Auslegung eines Tarifvertrags, dessen Geltungsbereich sich über den Bezirk eines Arbeitsgerichts hinaus erstreckt, oder - c)
zwischen tariffähigen Parteien oder zwischen diesen und Dritten aus unerlaubten Handlungen, soweit es sich um Maßnahmen zum Zwecke des Arbeitskampfs oder um Fragen der Vereinigungsfreiheit einschließlich des hiermit im Zusammenhang stehenden Betätigungsrechts der Vereinigungen handelt, oder
- 3.
das Arbeitsgericht in der Auslegung einer Rechtsvorschrift von einem ihm im Verfahren vorgelegten Urteil, das für oder gegen eine Partei des Rechtsstreits ergangen ist, oder von einem Urteil des im Rechtszug übergeordneten Landesarbeitsgerichts abweicht und die Entscheidung auf dieser Abweichung beruht.
(3a) Die Entscheidung des Arbeitsgerichts, ob die Berufung zugelassen oder nicht zugelassen wird, ist in den Urteilstenor aufzunehmen. Ist dies unterblieben, kann binnen zwei Wochen ab Verkündung des Urteils eine entsprechende Ergänzung beantragt werden. Über den Antrag kann die Kammer ohne mündliche Verhandlung entscheiden.
(4) Das Landesarbeitsgericht ist an die Zulassung gebunden.
(5) Ist die Berufung nicht zugelassen worden, hat der Berufungskläger den Wert des Beschwerdegegenstands glaubhaft zu machen; zur Versicherung an Eides Statt darf er nicht zugelassen werden.
(6) Für das Verfahren vor den Landesarbeitsgerichten gelten, soweit dieses Gesetz nichts anderes bestimmt, die Vorschriften der Zivilprozeßordnung über die Berufung entsprechend. Die Vorschriften über das Verfahren vor dem Einzelrichter finden keine Anwendung.
(7) Die Vorschriften der §§ 46c bis 46g, 49 Abs. 1 und 3, des § 50, des § 51 Abs. 1, der §§ 52, 53, 55 Abs. 1 Nr. 1 bis 9, Abs. 2 und 4, des § 54 Absatz 6, des § 54a, der §§ 56 bis 59, 61 Abs. 2 und 3 und der §§ 62 und 63 über den elektronischen Rechtsverkehr, Ablehnung von Gerichtspersonen, Zustellungen, persönliches Erscheinen der Parteien, Öffentlichkeit, Befugnisse des Vorsitzenden und der ehrenamtlichen Richter, Güterichter, Mediation und außergerichtliche Konfliktbeilegung, Vorbereitung der streitigen Verhandlung, Verhandlung vor der Kammer, Beweisaufnahme, Versäumnisverfahren, Inhalt des Urteils, Zwangsvollstreckung und Übersendung von Urteilen in Tarifvertragssachen gelten entsprechend.
(8) Berufungen in Rechtsstreitigkeiten über das Bestehen, das Nichtbestehen oder die Kündigung eines Arbeitsverhältnisses sind vorrangig zu erledigen.