Bundesarbeitsgericht Urteil, 25. Jan. 2017 - 4 AZR 522/15

ECLI:ECLI:DE:BAG:2017:250117.U.4AZR522.15.0
bei uns veröffentlicht am25.01.2017

Tenor

1. Auf die Revision der Beklagten wird das Urteil des Landesarbeitsgerichts Köln vom 13. Juli 2015 - 2 Sa 439/15 - insoweit aufgehoben, als es die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Köln vom 2. Dezember 2014 - 14 Ca 2982/14 - zurückgewiesen hat.

2. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung - auch über die Kosten der Revision - an das Landesarbeitsgericht zurückverwiesen.

Tatbestand

1

Die Parteien streiten über die Anwendbarkeit von Tarifverträgen des Einzelhandels Nordrhein-Westfalen auf ihr Arbeitsverhältnis und damit zusammenhängende Vergütungsdifferenzen.

2

Die Klägerin ist seit März 2004 bei der Beklagten, die in K ein Einzelhandelskaufhaus betreibt und zu keinem Zeitpunkt Mitglied eines Arbeitgeberverbands war, beschäftigt und zuletzt in Teilzeit (30 von 37,5 Wochenarbeitsstunden) tätig.

3

Der Arbeitsvertrag der Klägerin enthält auf der ersten Seite auszugsweise folgende Regelungen:

        

„…    

        

Tarifliche

G 2, 4. Bj.

                          

Einstufung:

        
        

Vergütung:

Tarifentgelt:

1.559,91 €

        
                 

Gesamtentgelt 1.559,91 € “       

        
4

In den hieran angefügten Allgemeinen Vertragsbedingungen ist Folgendes vereinbart:

        

„…    

        

2. Vergütung

        

Die arbeitsvertraglich vorgesehene Eingruppierung des Mitarbeiters erfolgt vorbehaltlich einer späteren Überprüfung. Sollte sich hierbei eine fehlerhafte Eingruppierung herausstellen, erklärt sich der Mitarbeiter damit einverstanden, dass mit Wirkung ab dem auf die Feststellung folgenden Monats eine Neugruppierung herbeigeführt wird. Über-/Unterzahlungen werden mit der nächsten Vergütungsabrechnung verrechnet, wobei auf die sozialen Belange des Mitarbeiters Rücksicht zu nehmen ist und ggf. Überzahlungen auf mehrere Monate zu verteilen sind.

        

...    

        

Freiwillige übertarifliche Zulagen sonstiger Art können bei Änderung der Tarifbezüge, gleich aus welchem Anlass auf die tariflichen Erhöhungen angerechnet werden.

        

…       

        

13. Schlussbestimmung

        

Ergänzend gelten die gesetzlichen und tarifvertraglichen Regelungen, ebenso wie die im Betrieb geltenden Betriebsvereinbarungen.“

5

Die Vergütungstarifverträge im Einzelhandel in Nordrhein-Westfalen (Gehaltstarifvertrag/Lohntarifvertrag) waren bis zum 31. März 2000 und der Manteltarifvertrag für den Einzelhandel in Nordrhein-Westfalen (MTV) bis zum 31. März 2003 allgemeinverbindlich. Der MTV sah eine Verpflichtung des Arbeitgebers zur Eingruppierung vor. Die Beklagte wandte bei vielen Arbeitnehmern den gleichen Formulararbeitsvertrag an, unabhängig davon, ob zum Zeitpunkt des Vertragsschlusses noch die Vergütungstarifverträge und der MTV, nur der MTV oder keiner der Tarifverträge mehr allgemeinverbindlich waren.

6

Die Beklagte gab nach den Feststellungen des Landesarbeitsgerichts auch nach Außerkrafttreten der Allgemeinverbindlichkeit Vergütungserhöhungen aus den Vergütungstarifverträgen des Einzelhandels in Nordrhein-Westfalen vollständig an die Arbeitnehmer weiter. Erst nach einem Tarifabschluss vom 10. Dezember 2013, der rückwirkend ab dem Monat August 2013 eine Tariferhöhung von 3 % und zum 1. Mai 2014 von weiteren 2,1 % vorsah, erhöhte die Beklagte die Vergütung ihrer Arbeitnehmer zum 1. Januar 2014 lediglich um 2 %.

7

Am 23. April 2013 schlossen die Parteien in einem Rechtsstreit vor dem Arbeitsgericht Köln (- 20 Ca 61/13 -) einen Prozessvergleich, der ua. folgende Vereinbarung enthält, wonach die Klägerin ab dem 1. Mai 2013 entsprechend Vergütungsgruppe G III b 6. Tätigkeitsjahr vergütet wird.

8

Die Beklagte zahlte an die Klägerin für die Monate August bis Dezember 2013 eine Grundvergütung iHv. jeweils 2.412,44 Euro brutto und ab Januar 2014 iHv. 2.460,69 Euro brutto.

9

Mit ihrer der Beklagten am 30. April 2014 zugestellten Klage sowie mit einer der Beklagten am 21. August 2014 zugestellten Klageerweiterung hat die Klägerin zuletzt für den Zeitraum von August 2013 bis Juni 2014 Differenzvergütungsansprüche iHv. insgesamt 698,46 Euro brutto geltend gemacht. Sie hat dazu die Ansicht vertreten, sie habe einen Anspruch auf das jeweilige Tarifentgelt, da ihr Arbeitsvertrag iVm. dem Prozessvergleich vom 23. April 2013 die Tarifverträge des nordrhein-westfälischen Einzelhandels dynamisch in Bezug nehme. Bei dynamischer Tarifgeltung hätte ihre monatliche Grundvergütung ab August 2013 2.492,80 Euro brutto und ab Mai 2014 2.544,80 Euro brutto betragen.

10

Die Klägerin hat, soweit für die Revision von Bedeutung, beantragt,

        

        

die Beklagte zu verurteilen, an sie 698,46 Euro brutto (Vergütungsnachzahlung für die Monate August 2013 bis einschließlich Juni 2014) nebst Zinsen iHv. 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz

                 

aus 401,80 Euro ab dem 1. Januar 2014,

                 

aus jeweils 31,11 Euro ab dem 1. Februar, dem 1. März, dem 1. April und dem 1. Mai 2014

                 

sowie aus jeweils 84,11 Euro ab dem 1. Juni und dem 1. Juli 2014

                 

zu zahlen.

11

Die Beklagte hat zu ihrem Klageabweisungsantrag die Auffassung vertreten, dass der Arbeitsvertrag als statische Verweisung auf den bei Arbeitsvertragsschluss anwendbaren Vergütungstarifvertrag auszulegen sei. Dieser sei nach Ende der Allgemeinverbindlichkeit als betriebliche Vergütungsordnung verbindlich gewesen. Spätestens mit dem gerichtlichen Vergleich vom 23. April 2013 sei eine statische Anwendung vereinbart worden. Ein Arbeitgeber wolle im Übrigen nie dynamisch an Tarifverträge gebunden sein, wenn er selber nicht Mitglied im Arbeitgeberverband ist. Dies sei so offensichtlich, dass auch Arbeitnehmer dies erkennen müssten und § 305c BGB nicht zur Anwendung gelangen könne, da es an einem zweifelhaften Auslegungsergebnis fehle.

12

Das Arbeitsgericht hat der Klage stattgegeben. Das Landesarbeitsgericht hat das erstinstanzliche Urteil auf die Berufung der Beklagten lediglich im Zinsausspruch abgeändert. Mit der vom Landesarbeitsgericht zugelassenen Revision erstrebt die Beklagte weiterhin die Abweisung der Klage.

Entscheidungsgründe

13

Die Revision der Beklagten ist begründet. Das Urteil des Landesarbeitsgerichts ist nicht rechtsfehlerfrei; insbesondere wird die Begründung der Entscheidung von den festgestellten Tatsachen nicht getragen. Das führt zur Aufhebung des Berufungsurteils (§ 562 Abs. 1 ZPO), soweit die Beklagte mit ihrer Berufung unterlegen war, und insoweit zur Zurückverweisung der Sache an das Landesarbeitsgericht (§ 563 Abs. 1 ZPO), da es für eine abschließende Entscheidung an den notwendigen Tatsachenfeststellungen fehlt.

14

I. Das Landesarbeitsgericht hat die Klage für begründet erachtet, weil der Arbeitsvertrag der Parteien die „Vergütungstarifverträge für den Einzelhandel in NRW“ dynamisch in Bezug nehme. Danach ergebe sich aus der Differenz zwischen der Tarifvergütung der „Tarifgruppe G III b 6. Tätigkeitsjahr“ und der bereits an die Klägerin gezahlten Bruttovergütung ein Anspruch auf die geltend gemachten Bruttodifferenzbeträge in der begehrten Höhe.

15

II. Diese Auffassung ist nicht rechtsfehlerfrei, weil sie von den Tatsachenfeststellungen nicht getragen ist. Eine Anspruchsgrundlage für die zuerkannten Ansprüche auf die monatlichen Bruttoentgelte nach dem „Vergütungstarifvertrag“ ist derzeit nicht ersichtlich.

16

1. Das Landesarbeitsgericht ist noch zutreffend davon ausgegangen, dass in der arbeitsvertraglichen Vereinbarung hinsichtlich der Höhe des vereinbarten monatlichen Arbeitsentgelts zeitdynamisch auf einen nach seinem räumlichen, fachlichen und persönlichen Geltungsbereich für die Klägerin einschlägigen, die Höhe des monatlichen Entgelts regelnden Tarifvertrag Bezug genommen wird.

17

a) Bei dem zwischen den Parteien bestehenden Arbeitsvertrag handelt es sich um einen Formularvertrag, dessen Auslegung durch das Landesarbeitsgericht vom Revisionsgericht ohne Einschränkung überprüft werden kann (st. Rspr., vgl. nur BAG 19. Mai 2010 - 4 AZR 796/08 - Rn. 15 mwN, BAGE 134, 283).

18

b) Nach dem vom Landesarbeitsgericht festgestellten Wortlaut der im Arbeitsvertrag getroffenen Vergütungsvereinbarung war für die Klägerin bei einer „Tarifliche[n] Einstufung: G 2, 4. Bj.“ ein „Tarifentgelt“ iHv. 1.559,91 Euro vorgesehen.

19

aa) Der Senat hat - im Anschluss an die Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts vom 13. Februar 2013 (- 5 AZR 2/12 -) - hinsichtlich vergleichbarer Formulierungen in Allgemeinen Geschäftsbedingungen entschieden, dass der durchschnittliche Arbeitnehmer bei einer derartigen Verknüpfung von einem festen Entgeltbetrag und dessen Bezeichnung als Tarifgehalt idR redlicherweise davon ausgehen darf, der in der Klausel festgehaltene Betrag werde nicht für die Dauer des Arbeitsverhältnisses statisch sein, sondern solle sich entsprechend den tariflichen Entwicklungen des maßgebenden Tarifvertrags verändern. Ein redlicher Arbeitgeber würde - wenn er die von ihm gestellte Klausel nicht so verstanden wissen wollte - die Bezeichnung als Tarifentgelt unterlassen, um klar und deutlich zum Ausdruck zu bringen (vgl. § 307 Abs. 1 Satz 2 BGB), dass er nicht „nach Tarif“ zahlen will, sondern sich das vereinbarte Entgelt ausschließlich nach den konkret bezifferten Parteivereinbarungen richten soll (vgl. nur BAG 8. Juli 2015 - 4 AZR 51/14 - Rn. 16; 13. Mai 2015 - 4 AZR 244/14 - Rn. 17 ff.).

20

bb) Der Wille der Beklagten zur dynamischen Inbezugnahme von tariflichen Entgeltregelungen folgt nach der zutreffenden Ansicht des Landesarbeitsgerichts ferner aus Ziff. 2 der Allgemeinen Vertragsbedingungen. Die dortige Anrechnungsregelung - „Freiwillige übertarifliche Zulagen sonstiger Art können bei Änderung der Tarifbezüge, gleich aus welchem Anlass auf die tariflichen Erhöhungen angerechnet werden“ - darf ein durchschnittlicher Arbeitnehmer so verstehen, dass die Beklagte sich auch unabhängig von der - ohnehin vor Vertragsschluss beendeten - Allgemeinverbindlichkeit dieses Tarifvertrags zur Zahlung des jeweiligen Tarifentgelts verpflichten wollte. Zwar hat der Anrechnungsvorbehalt nicht ausschließlich bei einer dynamischen Inbezugnahme der tariflichen Entgeltbestimmungen einen Anwendungsbereich (anders aber bei nicht allgemeinverbindlichen Tarifverträgen BAG 8. Juli 2015 - 4 AZR 51/14 - Rn. 17; 13. Mai 2015 - 4 AZR 244/14 - Rn. 18; 20. April 2012 - 9 AZR 504/10 - Rn. 29), sondern auch dann, wenn künftig Tarifvertragsänderungen für allgemeinverbindlich erklärt werden. Allerdings hat die Beklagte den Anrechnungsvorbehalt nicht auf diese Fallkonstellation beschränkt. Zudem hat sie durch den Zusatz „gleich aus welchem Anlass“ zum Ausdruck gebracht, dass Anlass für eine Erhöhung des tariflichen Entgelts der Klägerin nicht ausschließlich ein künftiger für allgemeinverbindlich erklärter Tarifvertrag, sondern jede künftige tarifliche Entgeltsteigerung sein kann. Die Klausel setzt daher eine Änderung des Entgelts in der Folge einer tariflichen Dynamik voraus und erfasst gerade nicht die erstmalige Anwendbarkeit oder Geltung eines Tarifvertrags.

21

2. Als rechtsfehlerhaft erweist sich hingegen die vom Landesarbeitsgericht vorgenommene Auslegung des zwischen den Parteien vor dem Arbeitsgericht Köln am 23. April 2013 geschlossenen Prozessvergleichs, wonach die Klägerin ab dem 1. Mai 2013 entsprechend Vergütungsgruppe G III b 6. Tätigkeitsjahr zu vergüten ist. Ob die Parteien dadurch die arbeitsvertragliche zeitdynamische Bezugnahme auf den nach seinem räumlichen, fachlichen und persönlichen Geltungsbereich für die Klägerin einschlägigen, die Höhe des monatlichen Entgelts regelnden Tarifvertrag in eine statische Bezugnahme geändert haben, kann auf der Grundlage der Feststellungen des Landesarbeitsgerichts nicht abschließend beurteilt werden.

22

Dabei kann offenbleiben, ob die Auslegung des materiell-rechtlichen Inhalts eines Prozessvergleichs durch das Landesarbeitsgericht der vollen revisionsrechtlichen Überprüfung unterliegt (so zB BAG 22. Mai 2003 - 2 AZR 250/02 - zu II 3 der Gründe; 31. Juli 2002 - 10 AZR 513/01 - zu II 3 a der Gründe, BAGE 102, 103; 9. Oktober 1996 - 5 AZR 246/95 - zu 4 der Gründe) oder ob sie nur darauf überprüft werden kann, ob das Berufungsgericht Auslegungsregeln verletzt, gegen Denkgesetze oder Erfahrungssätze verstoßen, wesentliche Tatsachen unberücksichtigt gelassen oder eine gebotene Auslegung unterlassen hat (so zB BAG 23. Juni 2016 - 8 AZR 757/14 - Rn. 14; 21. Januar 2014 - 3 AZR 362/11 - Rn. 55; 15. September 2004 - 4 AZR 9/04 - zu I 1 b bb (1) der Gründe, BAGE 112, 50; offengelassen 9. Dezember 2015 - 7 AZR 117/14 - Rn. 23, BAGE 153, 365). Die Auslegung des Landesarbeitsgerichts hält auch einer eingeschränkten Überprüfung nicht stand.

23

a) Das Landesarbeitsgericht hat angenommen, eine statische Geltung der tariflichen Vergütungshöhe lasse sich dem Vergleich nicht entnehmen. Der Vergleichstext laute nicht dahin, dass eine „richtige“ Vergütungsgruppe festgestellt wird, sondern, dass der Klägerin die Zahlungen „entsprechend“ einer als richtig festgestellten Vergütungsgruppe zustehen. Dies könne nur dahin verstanden werden, dass der jeweilige Vergütungsbetrag, der sich für die gefundene Vergütungsgruppe ergibt, an die Klägerin gezahlt werde. Der Vergleich unterscheide damit einen vollstreckungsfähigen Nachzahlungsbetrag und eine fortlaufend für die Zukunft geltende abstrakte Vergütungsregelung, die der jeweiligen Vergütung der Tarifgruppe G III b, 6. Tätigkeitsjahr entspricht, sich also auch in der Zukunft bei Änderungen aus der abstrakt genannten Vergütungsgruppe ableitet.

24

b) Diese Ausführungen sind zum einen nicht nachvollziehbar und lassen zum anderen - das rügt die Beklagte mit ihrer Revision zu Recht - wesentliche Aspekte der Vertragsauslegung außer Acht.

25

aa) Nach §§ 133, 157 BGB sind Verträge - auch Prozessvergleiche - so auszulegen, wie die Parteien sie nach Treu und Glauben unter Berücksichtigung der Verkehrssitte verstehen mussten. Dabei ist zwar vom Wortlaut auszugehen. Zur Ermittlung des wirklichen Willens der Parteien sind jedoch auch die außerhalb der Vereinbarung liegenden Umstände einzubeziehen, soweit sie einen Schluss auf den Sinngehalt der Erklärung zulassen. Ebenso sind die bestehende Interessenlage und der mit dem Rechtsgeschäft verfolgte Zweck zu berücksichtigen (st. Rspr., vgl. nur BAG 24. September 2015 - 2 AZR 716/14 - Rn. 35, BAGE 153, 20; 10. Dezember 2014 - 10 AZR 63/14 - Rn. 21; 21. Januar 2014 - 3 AZR 362/11 - Rn. 57 mwN).

26

bb) Der (Teil-)Wortlaut des Prozessvergleichs - soweit vom Landesarbeitsgericht festgestellt - lässt nicht eindeutig erkennen, ob die Parteien mit der vereinbarten Vergütungsgruppe (weiterhin) an die tarifvertragliche Dynamik anknüpfen oder für die Zukunft eine statische Entgeltvereinbarung treffen wollten. Er enthält weder in die eine noch in die andere Richtung einen klarstellenden Zusatz (zB „des derzeit geltenden …“ oder „des jeweils geltenden …“), wobei der Umstand, dass die Parteien eine Tarifgruppe und nicht einen bezifferten Entgeltbetrag benannt haben, eher für eine dynamische Regelung spricht.

27

cc) Auf der Grundlage des vom Landesarbeitsgericht festgestellten Inhalts des Prozessvergleichs ist die Erwägung, der Vergleich unterscheide zwischen einem vollstreckungsfähigen Nachzahlungsbetrag und einer fortlaufend für die Zukunft geltenden abstrakten Vergütungsregelung, die der jeweiligen Vergütung der Tarifgruppe G III b, 6. Tätigkeitsjahr entspreche, nicht nachvollziehbar. Die vom Landesarbeitsgericht festgestellte Vereinbarung in dem Prozessvergleich hat keinen vollstreckungsfähigen Inhalt, sondern enthält lediglich eine materiell-rechtliche Vereinbarung. Weiterhin folgt entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts allein aus dem Umstand, dass die Vereinbarung in die Zukunft gerichtet war, nicht, dass sie nicht statisch auf den zum Zeitpunkt des Vergleichsabschlusses geltenden Tarifvertrag hätte Bezug nehmen können.

28

dd) Die außerhalb der Vereinbarung liegenden Rahmenbedingungen, also die - auch prozessuale - Vorgeschichte des Vergleichs und die Umstände seines Zustandekommens, die Rückschlüsse auf die Interessenlage der Parteien und den mit dem Vergleich verfolgten Zweck zulassen können, hat das Landesarbeitsgericht bei seiner Auslegung weder berücksichtigt noch hat es Feststellungen dazu getroffen.

29

3. Das Landesarbeitsgericht hat es ferner versäumt, festzustellen, an welche (Entgelt-)Tarifverträge welcher Tarifvertragsparteien die von ihm angenommene arbeitsvertragliche Anbindung erfolgt ist. Ohne eine - Zweifel ausschließende - Identität des oder der Tarifvertrags/Tarifverträge zu benennen, an die die Arbeitsvertragsparteien den Inhalt ihres Arbeitsverhältnisses (hier: die Vergütung) dynamisch ankoppeln wollten, und ohne die nach Beendigung des hiervon ursprünglich erfassten Tarifvertrags als gleichfalls von der Verweisungsklausel erfassten „Folgetarifverträge“ zu benennen, ist eine Bestimmung des zu einem Jahre später nach dieser vertraglichen Verweisungsklausel maßgebenden Tarifvertrags nicht möglich. Das Landesarbeitsgericht hat sich darauf beschränkt, die Dynamik der Verweisungsklausel zu begründen; auf welchen Tarifvertrag sie sich aus welchen Gründen mehr als 10 Jahre später beziehen sollte, auf welche Anspruchsgrundlage sich also die Klägerin berufen kann, und inwieweit die dort - mutmaßlich - genannten Tatbestandsvoraussetzungen erfüllt sind, hat das Landesarbeitsgericht nicht angesprochen.

30

a) Nimmt ein Arbeitsvertrag dynamisch auf einen Tarifvertrag Bezug, muss dieser jedenfalls dann nach Datum und Tarifvertragsparteien feststehen, wenn unmittelbar aus seinen Regelungen oder aus solchen der von der Verweisung dynamisch erfassten Folgetarifverträge Zahlungsansprüche abgeleitet werden. Andernfalls kann nicht nachvollziehbar begründet werden, warum die vom Gericht angenommene tarifliche Regelung als letztlich vertraglich vereinbarte Anspruchsgrundlage verbindlich sein soll.

31

Diese Anforderung gilt grundsätzlich ungeachtet einer möglicherweise vorherrschenden oder - regional - besonders bedeutungsvollen Praxis bestimmter Tarifvertragsparteien. Eine solche kann nur dann zur Bestimmung der von den Arbeitsvertragsparteien gemeinten Tarifvertragsparteien herangezogen werden, wenn die praktischen Verhältnisse vom Landesarbeitsgericht tatsächlich festgestellt sind, und wenn diese so gestaltet sind, dass sie die Beteiligung jeder anderen möglichen Tarifvertragspartei nach den Umständen ausschließen. Dies ist mangels klägerischen Vortrags bzw. landesarbeitsgerichtlicher Tatsachenfeststellungen vorliegend nicht gegeben.

32

b) Nach Maßgabe dieser Anforderungen ist dem Berufungsurteil keine Anspruchsgrundlage für den der Klägerin zugesprochenen Zahlungsanspruch zu entnehmen. Weder ist derjenige Tarifvertrag benannt, auf den sich die Verweisungsklausel zum Zeitpunkt des Arbeitsvertragsschlusses nach Auffassung des Landesarbeitsgerichts bezogen haben soll, noch derjenige, dem das Berufungsgericht die Zahlungsverpflichtung der Beklagten für den Streitzeitraum entnommen hat.

33

aa) Soweit das Berufungsgericht in den Entscheidungsgründen in diesem Zusammenhang ausführt, die Beklagte habe zum Zeitpunkt des Arbeitsvertragsschlusses „den Gehaltstarifvertrag für Arbeitnehmer im Einzelhandel NRW“ angewandt, ist bereits dieser nicht präzise bezeichnet. Ein Rückgriff auf die vorherigen allgemeinverbindlichen Entgelttarifverträge ist schon deshalb nicht möglich, weil deren Allgemeinverbindlichkeit und damit die - unabhängig von einer vertraglichen Vereinbarung bestehende - normative Wirkung bereits seit dem 31. März 2000, mithin vor Abschluss des Arbeitsvertrags beendet war. Sie wurde danach auch nicht ersetzt oder erneuert.

34

bb) Den im Berufungsurteil gleichfalls herangezogenen vorher allgemeinverbindlichen Lohn- und Gehaltstarifverträgen des Einzelhandels in Nordrhein-Westfalen lässt sich der zum Zeitpunkt des Arbeitsvertragsschlusses von der Verweisungsklausel erfasste Entgelttarifvertrag auch nicht mittelbar entnehmen. Es ist zwar bekannt, dass diese Tarifverträge vom Einzelhandelsverband Nordrhein-Westfalen e.V. auf der einen und der Gewerkschaft Handel, Banken und Versicherungen im DGB, Landesbezirksleitung Nordrhein-Westfalen sowie der Deutschen Angestellten-Gewerkschaft, Landesverband Nordrhein-Westfalen, auf der anderen Seite geschlossen wurden. Für evtl. Folgetarifverträge in der Zeit ab dem Ende der Allgemeinverbindlichkeit im Jahr 2000 fehlt es an tatsächlichen Feststellungen über die Identität der jeweiligen Tarifvertragsparteien im Einzelhandel des Landes Nordrhein-Westfalen. So ist im Berufungsurteil keiner der Folgetarifverträge, die von der dynamischen Verweisungsklausel erfasst sein sollten, durch die Bezeichnung der sie abschließenden Tarifvertragsparteien und - mit einer Ausnahme (dazu unten) - nach Abschlussdatum oder dem Zeitpunkt des Inkrafttretens gekennzeichnet worden.

35

Es soll deshalb nur ergänzend und zur Verdeutlichung darauf hingewiesen werden, dass es im Einzelhandel des Landes Nordrhein-Westfalen auf beiden Seiten der Sozialpartner verschiedene tarifvertragsschließende Parteien gab und gibt. Neben der Vereinten Dienstleistungsgewerkschaft ver.di, die Rechtsnachfolgerin ua. der Gewerkschaft HBV und der DAG geworden ist (vgl. dazu BAG 4. Juli 2007 - 4 AZR 491/06 - Rn. 48 ff., BAGE 123, 213), dem Deutschen Gewerkschaftsbund als Dachverband angehört und (wohl) regelmäßig auf Arbeitnehmerseite Tarifverträge vereinbart, hat in der Vergangenheit nach der Tarifsammlung des Bundesarbeitsgerichts am 10. Dezember 2013 die „DHV - Die Berufsgewerkschaft e.V.“, die nach dem - nicht rechtskräftigen - Beschluss des Landesarbeitsgerichts Hamburg vom 4. Mai 2016 (- 5 TaBV 8/15 -; Rechtsbeschwerde beim Bundesarbeitsgericht anhängig) eine tariffähige Gewerkschaft ist, einen Lohntarifvertrag für den Einzelhandel in Nordrhein-Westfalen geschlossen, ebenso wie bereits am 25. Juli 2008 einen Manteltarifvertrag. Tarifvertragspartner auf Arbeitgeberseite war ua. dabei der „Handelsverband BAG Nordrhein-Westfalen, der allerdings auch mit der Gewerkschaft ver.di Tarifverträge vereinbart hat. Ferner ist der Vorgängertarifvertrag zum Manteltarifvertrag der Gewerkschaft ver.di vom 10. Dezember 2013 im Jahre 2008 sowohl vom „Handelsverband BAG Nordrhein-Westfalen - Landesarbeitsgemeinschaft der Mittel- und Großbetriebe des Einzelhandels in Nordrhein-Westfalen e.V.“ als auch vom „Einzelhandelsverband Nordrhein-Westfalen“ geschlossen worden. Ein ausdrücklich hierzu vereinbarter „Ergänzungstarifvertrag“ vom 29. Juni 20111 dagegen wurde auf der Arbeitgeberseite (nur) vom „Handelsverband Nordrhein-Westfalen e.V.“ mit der Gewerkschaft ver.di vereinbart. Die zum Zeitpunkt des Vertragsschlusses der Parteien nicht mehr allgemeinverbindlichen Lohn- und Gehaltstarifverträge waren 1999 auf Arbeitgeberseite jeweils allein vom „Einzelhandelsverband Nordrhein-Westfalen e.V.“ geschlossen worden. Der bis zum Jahre 2003 allgemeinverbindliche Manteltarifvertrag ist dagegen 1996 auf Arbeitgeberseite vom „Einzelhandelsverband Nordrhein e.V.“ und dem „Landesverband des Westfälisch-Lippischen Einzelhandels e.V.“ vereinbart worden.

36

Damit sind in der Zeit vom Abschluss des Arbeitsvertrags bis zu dem hier maßgebenden Zeitraum allein auf Arbeitnehmerseite mindestens zwei Gewerkschaften und auf Arbeitgeberseite mindestens fünf verschiedene Tarifvertragsparteien im Einzelhandel für das Land Nordrhein-Westfalen aufgetreten. Das begründet nicht, aber verdeutlicht, dass es sich bei der Anforderung nach der Bezeichnung einer Anspruchsgrundlage durch die Bezeichnung des oder der das Arbeitsverhältnis bestimmenden Tarifvertrags/Tarifverträge um zwingende Maßgaben handelt.

37

cc) Das Landesarbeitsgericht wendet im Ergebnis dann einen nicht näher bezeichneten Lohn- oder Gehaltstarifvertrag an, von dessen Erfassung durch die arbeitsvertragliche Verweisungsklausel es offenbar ausgeht. Auch dies hätte einer Begründung bedurft, insbesondere vor dem Hintergrund, dass die früher allgemeinverbindlichen Lohn- bzw. Gehaltstarifverträge auf Arbeitgeberseite von dem „Einzelhandelsverband Nordrhein-Westfalen e.V.“ die letzten, dem Revisionsgericht vorliegenden Lohn- und Gehaltstarifverträge jedoch vom „Handelsverband Nordrhein-Westfalen e. V.“ geschlossen wurden. In der dazwischen liegenden Zeit haben auch andere Verbände mit den Gewerkschaften Deutsche Angestellten-Gewerkschaft (DAG) und Handel, Banken und Versicherungen (HBV) bzw. der Gewerkschaft ver.di Gehalts- und Lohntarifverträge abgeschlossen. Aber auch die bereits oben genannte „DHV - Die Berufsgewerkschaft e.V.“ ist insoweit tätig geworden, zum Beispiel durch den Abschluss eines Lohntarifvertrags vom 10. Dezember 2013, eines Manteltarifvertrags oder schon im Jahre 2003 durch den Abschluss eines Lohntarifvertrags mit der „Landesarbeitsgemeinschaft der Mittel- und Großbetriebe des Einzelhandels in Nordrhein-Westfalen e.V.“ Auf weitere Unklarheiten ist bereits oben hingewiesen worden.

38

c) Auf den Umstand, dass zu den Tatbestandsmerkmalen der vom Berufungsgericht als zutreffend angesehenen Anspruchsgrundlage, insbesondere zum persönlichen Geltungsbereich des dabei „angewandten“ Tarifvertrags sowie zur Tätigkeit der Klägerin und damit zu der Erfüllung der Anforderungen des Tätigkeitsmerkmals der von ihr geltend gemachten Gehaltsgruppe keinerlei Ausführungen im Berufungsurteil gemacht worden sind, kommt es danach nicht mehr an.

39

III. Der Rechtsstreit ist nicht zur Endentscheidung reif, da es noch tatrichterlicher Feststellungen bedarf.

40

1. Soweit es um die Auslegung des Vergleichs vom 23. April 2013 geht, mangelt es an Feststellungen über die Rahmenbedingungen des vom Landesarbeitsgerichts festgestellten (Teil-)Wortlauts des Vergleichs, insbesondere über dessen Vorgeschichte und die Umstände seines Zustandekommens, die Rückschlüsse auf die Interessenlage der Parteien und den mit dem Vergleich verfolgten Zweck zulassen können. Diese wird es im Rahmen einer erneuten Berufungsverhandlung und Entscheidung nachzuholen haben.

41

2. Sollte sich aus der Auslegung des gerichtlichen Vergleichs vom 23. April 2013 die Vereinbarung einer (weiteren) dynamischen Anwendung eines „Entgelttarifvertrags“ ergeben, bedarf es zur Bestimmung der konkreten Anspruchsgrundlage weiteren Vortrags der Parteien, zu dessen Erbringung ihnen nach Maßgabe des Art. 103 Abs. 1 GG Gelegenheit zu geben ist. Es wird dabei darauf ankommen, den Arbeitsvertrag der Parteien iVm. dem gerichtlichen Vergleich auszulegen und zu überprüfen, hinsichtlich welchen Tarifvertrags welcher Tarifvertragsparteien die Arbeitsvertragsparteien zum Entgelt eine dynamische Vereinbarung getroffen haben und welcher jeweils neue Tarifvertrag nach dem Ende des vorherigen von dieser Verweisungsklausel erfasst war. Hat die Dynamik bis zum Streitzeitraum nicht geendet, wird festzustellen sein, auf welchen konkreten Tarifvertrag sie sich im August 2013 und dem nachfolgenden Zeitraum erstreckt hat. Die dort ggf. vorgesehenen Anspruchsgrundlagen sind sodann hinsichtlich der Erfüllung ihrer Tatbestandsmerkmale auf den festgestellten Sachverhalt anzuwenden.

        

    Creutzfeldt    

        

    Klose    

        

    Rinck    

        

        

        

    Creutzfeldt    

        

    Mayr    

                 

Urteilsbesprechung zu Bundesarbeitsgericht Urteil, 25. Jan. 2017 - 4 AZR 522/15

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(1) Im Falle der Aufhebung des Urteils ist die Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das Berufungsgericht zurückzuverweisen. Die Zurückverweisung kann an einen anderen Spruchkörper des Berufungsgerichts erfolgen. (2) Das Berufungsgerich

Bürgerliches Gesetzbuch - BGB | § 307 Inhaltskontrolle


(1) Bestimmungen in Allgemeinen Geschäftsbedingungen sind unwirksam, wenn sie den Vertragspartner des Verwenders entgegen den Geboten von Treu und Glauben unangemessen benachteiligen. Eine unangemessene Benachteiligung kann sich auch daraus ergeben,

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Bei der Auslegung einer Willenserklärung ist der wirkliche Wille zu erforschen und nicht an dem buchstäblichen Sinne des Ausdrucks zu haften.

Bürgerliches Gesetzbuch - BGB | § 157 Auslegung von Verträgen


Verträge sind so auszulegen, wie Treu und Glauben mit Rücksicht auf die Verkehrssitte es erfordern.
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(1) Insoweit die Revision für begründet erachtet wird, ist das angefochtene Urteil aufzuheben. (2) Wird das Urteil wegen eines Mangels des Verfahrens aufgehoben, so ist zugleich das Verfahren insoweit aufzuheben, als es durch den Mangel betroffen

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Bundesarbeitsgericht Urteil, 25. Jan. 2017 - 4 AZR 522/15 zitiert oder wird zitiert von 2 Urteil(en).

Bundesarbeitsgericht Urteil, 25. Jan. 2017 - 4 AZR 522/15 zitiert 1 Urteil(e) aus unserer Datenbank.

Bundesarbeitsgericht Urteil, 24. Sept. 2015 - 2 AZR 716/14

bei uns veröffentlicht am 24.09.2015

Tenor 1. Auf die Revision des Klägers wird das Urteil des Landesarbeitsgerichts Niedersachsen vom 13. Mai 2014 - 3 Sa 675/13 - aufgehoben.
1 Urteil(e) in unserer Datenbank zitieren Bundesarbeitsgericht Urteil, 25. Jan. 2017 - 4 AZR 522/15.

Landesarbeitsgericht Rheinland-Pfalz Urteil, 08. Juni 2017 - 6 Sa 400/16

bei uns veröffentlicht am 08.06.2017

weitere Fundstellen ... Tenor I. Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Trier vom 18. Mai 2016 - 5 Ca 1624/15 - wird kostenpflichtig zurückgewiesen. II. Die Revision wird nicht zugelassen. Tatbestand 1 Die

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(1) Bestimmungen in Allgemeinen Geschäftsbedingungen, die nach den Umständen, insbesondere nach dem äußeren Erscheinungsbild des Vertrags, so ungewöhnlich sind, dass der Vertragspartner des Verwenders mit ihnen nicht zu rechnen braucht, werden nicht Vertragsbestandteil.

(2) Zweifel bei der Auslegung Allgemeiner Geschäftsbedingungen gehen zu Lasten des Verwenders.

(1) Insoweit die Revision für begründet erachtet wird, ist das angefochtene Urteil aufzuheben.

(2) Wird das Urteil wegen eines Mangels des Verfahrens aufgehoben, so ist zugleich das Verfahren insoweit aufzuheben, als es durch den Mangel betroffen wird.

(1) Im Falle der Aufhebung des Urteils ist die Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das Berufungsgericht zurückzuverweisen. Die Zurückverweisung kann an einen anderen Spruchkörper des Berufungsgerichts erfolgen.

(2) Das Berufungsgericht hat die rechtliche Beurteilung, die der Aufhebung zugrunde gelegt ist, auch seiner Entscheidung zugrunde zu legen.

(3) Das Revisionsgericht hat jedoch in der Sache selbst zu entscheiden, wenn die Aufhebung des Urteils nur wegen Rechtsverletzung bei Anwendung des Gesetzes auf das festgestellte Sachverhältnis erfolgt und nach letzterem die Sache zur Endentscheidung reif ist.

(4) Kommt im Fall des Absatzes 3 für die in der Sache selbst zu erlassende Entscheidung die Anwendbarkeit von Gesetzen, auf deren Verletzung die Revision nach § 545 nicht gestützt werden kann, in Frage, so kann die Sache zur Verhandlung und Entscheidung an das Berufungsgericht zurückverwiesen werden.

(1) Bestimmungen in Allgemeinen Geschäftsbedingungen sind unwirksam, wenn sie den Vertragspartner des Verwenders entgegen den Geboten von Treu und Glauben unangemessen benachteiligen. Eine unangemessene Benachteiligung kann sich auch daraus ergeben, dass die Bestimmung nicht klar und verständlich ist.

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1.
mit wesentlichen Grundgedanken der gesetzlichen Regelung, von der abgewichen wird, nicht zu vereinbaren ist oder
2.
wesentliche Rechte oder Pflichten, die sich aus der Natur des Vertrags ergeben, so einschränkt, dass die Erreichung des Vertragszwecks gefährdet ist.

(3) Die Absätze 1 und 2 sowie die §§ 308 und 309 gelten nur für Bestimmungen in Allgemeinen Geschäftsbedingungen, durch die von Rechtsvorschriften abweichende oder diese ergänzende Regelungen vereinbart werden. Andere Bestimmungen können nach Absatz 1 Satz 2 in Verbindung mit Absatz 1 Satz 1 unwirksam sein.

Bei der Auslegung einer Willenserklärung ist der wirkliche Wille zu erforschen und nicht an dem buchstäblichen Sinne des Ausdrucks zu haften.

Verträge sind so auszulegen, wie Treu und Glauben mit Rücksicht auf die Verkehrssitte es erfordern.

Tenor

1. Auf die Revision des Klägers wird das Urteil des Landesarbeitsgerichts Niedersachsen vom 13. Mai 2014 - 3 Sa 675/13 - aufgehoben.

2. Die Sache wird zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Revision, an das Landesarbeitsgericht zurückverwiesen.

Tatbestand

1

Die Parteien streiten über die Wirksamkeit einer Kündigung und darüber, ob der Rechtsstreit durch einen Prozessvergleich beendet ist.

2

Der Beklagte ist der Insolvenzverwalter über das Vermögen der A GmbH. Der Kläger war seit Juli 2004 bei dieser beschäftigt. Er war seit Juli 2005 als EDV-Fachkraft tätig. Im Jahre 2005 übertrug er seiner Arbeitgeberin eine sog. „ERP-Entwicklerlizenz“. Diese ermöglichte das Erstellen von Softwarelösungen auf Basis der Grundsoftware des Lizenzgebers.

3

Im Jahr 2011 beschloss die Arbeitgeberin, ihre EDV-Anlagen künftig von einem externen Dienstleister betreuen zu lassen. Mit Schreiben vom 20. September 2011 kündigte sie das Arbeitsverhältnis des Klägers mit Wirkung zum 30. November 2011.

4

Der Kläger hat gegen die Kündigung rechtzeitig die vorliegende Klage erhoben. Er hat außerdem gem. § 9 KSchG die Auflösung des Arbeitsverhältnisses begehrt. Im Termin zur mündlichen Verhandlung vor dem Arbeitsgericht am 15. Februar 2012 haben die Prozessparteien zur Erledigung des Rechtsstreits einen Vergleich geschlossen. Danach bestand zwischen ihnen Einigkeit, dass ihr Arbeitsverhältnis aufgrund der Kündigung zum Ablauf des 30. November 2011 sein Ende gefunden habe. Die spätere Insolvenzschuldnerin verpflichtete sich in Nr. 2 des Vergleichs zur Zahlung einer Abfindung in Höhe von 3.120,00 Euro brutto, in Nr. 3 zur „Rückübertragung“ der ihr im Jahre 2005 übertragenen Entwicklerlizenz auf den Kläger und in Nr. 4 zur Erteilung eines Zeugnisses mit einer „guten“ Bewertung von dessen Führung und Leistung.

5

Die Arbeitgeberin zahlte die vereinbarte Abfindung und erteilte ein Arbeitszeugnis. Der Kläger forderte sie vergeblich auf, ihm auch die Entwicklerlizenz zurück zu übertragen. Die Arbeitgeberin berief sich darauf, sie könne die Forderung nicht erfüllen. Ihre ehemalige Prokuristin habe den Vertrag mit dem Lizenzgeber bereits im Spätsommer 2011 gekündigt. Dies habe ihr am Vergleichsschluss beteiligter Geschäftsführer nicht gewusst. Im Rahmen der Zwangsvollstreckung aus dem Vergleich hat der Kläger den Antrag angekündigt, die Arbeitgeberin zu verurteilen, an ihn 5.165,10 Euro zum erneuten Erwerb der Lizenz zu zahlen. Das Arbeitsgericht hat Zweifel daran geäußert, dass Nr. 3 des Vergleichs einen vollstreckbaren Inhalt habe.

6

Mit Schreiben vom 11. März 2013 hat der Kläger den Rücktritt vom Vergleich erklärt. Mit Schriftsatz vom selben Tag hat er die Feststellung begehrt, dass das gerichtliche Verfahren nicht beendet sei. Seinen Auflösungsantrag hat er zurückgenommen.

7

Am 30. August 2013 wurde das Insolvenzverfahren über das Vermögen der Insolvenzschuldnerin eröffnet und der Beklagte zum Insolvenzverwalter bestellt. Der Kläger hat das Verfahren gegen ihn aufgenommen.

8

Der Kläger hat die Auffassung vertreten, ihm stehe ein Recht zum Rücktritt von dem Prozessvergleich zu. Die Insolvenzschuldnerin habe ihre darin begründete Verpflichtung zur Rückübertragung der Entwicklerlizenz nicht erfüllt. Er habe mit der Lizenz wieder eine selbständige Tätigkeit aufnehmen wollen. Diese sei schon vor Beginn des Arbeitsverhältnisses mit der Insolvenzschuldnerin Grundlage seines Lebensunterhalts gewesen. Ohne die Rückübertragung ergebe die einvernehmliche Aufgabe des Arbeitsverhältnisses für ihn keinen Sinn. Da die von ihm erbrachte Gegenleistung nicht teilbar sei, könne er von dem Vergleich insgesamt zurücktreten. Das Kündigungsschutzverfahren sei demnach fortzusetzen. Die Kündigung sei schon deshalb unwirksam, weil er bei der Insolvenzschuldnerin zum Datenschutzbeauftragten bestellt gewesen sei.

9

Der Kläger hat beantragt

        

1.    

festzustellen, dass das Verfahren durch den Vergleich vom 15. Februar 2012 nicht beendet ist;

        

2.    

festzustellen, dass sein Arbeitsverhältnis durch die schriftliche Kündigung vom 20. September 2011 nicht beendet wurde und über den 30. November 2011 zu unveränderten Bedingungen fortbesteht;

        

3.    

den Beklagten zu verurteilen, ihn zu unveränderten Bedingungen weiterzubeschäftigen.

10

Der Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen. Er hat den Vergleich für wirksam gehalten.

11

Das Arbeitsgericht hat die Klage abgewiesen. Das Landesarbeitsgericht hat festgestellt, der Vergleich vom 15. Februar 2012 habe den Rechtsstreit beendet. Mit seiner Revision verfolgt der Kläger sein Klagebegehren weiter.

Entscheidungsgründe

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Die Revision ist begründet. Das Landesarbeitsgericht hat auf der Grundlage der bisherigen Feststellungen zu Unrecht angenommen, der Rechtsstreit sei durch den Vergleich vom 15. Februar 2012 beendet. Ob das Kündigungsschutzverfahren durch den Vergleich erledigt ist, steht noch nicht fest.

13

I. Die Anträge des Klägers sind zulässig.

14

1. Den Antrag auf Feststellung, dass das Verfahren durch den Vergleich vom 15. Februar 2012 nicht beendet sei, hat das Landesarbeitsgericht zutreffend nicht als eigenständigen Sachantrag verstanden. Ziel des Klägers ist die sachliche Bescheidung der Anträge zu 2. und 3. Dafür ist als Vorfrage zu klären, ob der Rechtsstreit durch den Vergleich vom 15. Februar 2012 beendet ist. Einer gesonderten Feststellung dazu bedarf es nicht (vgl. BAG 11. Juli 2012 - 2 AZR 42/11 - Rn. 13). Ein rechtliches Interesse an einer entsprechenden Zwischenfeststellung (§ 256 Abs. 2 ZPO) hat der Kläger nicht dargelegt.

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2. Zu Recht hat das Landesarbeitsgericht angenommen, der Streit über die Beendigungswirkung des Vergleichs vom 15. Februar 2012 sei in dem ursprünglichen Kündigungsrechtsstreit auszutragen.

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a) Streiten die Parteien über die Wirksamkeit eines Prozessvergleichs, ist dieser Streit jedenfalls dann im Ausgangsverfahren auszutragen, wenn der Vergleich nicht allein aus Gründen unwirksam ist, die erst nach seinem Abschluss entstanden sind (BAG 24. April 2014 - 8 AZR 429/12 - Rn. 16; 11. Juli 2012 - 2 AZR 42/11 - Rn. 14; BGH 11. August 2010 - XII ZB 60/08 - Rn. 15; BSG 24. Januar 1991 - 2 RU 51/90 -; Stein/Jonas/Münzberg 22. Aufl. ZPO § 794 Rn. 71; Rosenberg/Schwab/Gottwald Zivilprozessrecht 17. Aufl. § 130 Rn. 48 ff.; Zöller/Stöber ZPO 30. Aufl. § 794 Rn. 15a; PG/Scheuch ZPO 5. Aufl. § 794 Rn. 24; vgl. auch BGH 21. November 2013 - VII ZR 48/12 - Rn. 14). Einer neuen Klage, mit der das ursprüngliche Prozessziel bei unverändert gebliebenem Streitgegenstand weiterverfolgt werden soll, stünde der Einwand anderweitiger Rechtshängigkeit entgegen, weil der unwirksame Prozessvergleich nicht zur Beendigung des Ursprungsverfahrens geführt hätte (BGH 29. Juli 1999 - III ZR 272/98 - zu 2 der Gründe, BGHZ 142, 253). Ist der Vergleich wirksam, so ist auszusprechen, dass der Rechtsstreit durch ihn erledigt ist (BAG 11. Juli 2012 - 2 AZR 42/11 - aaO; BGH 10. März 1955 - II ZR 201/53 - BGHZ 16, 388).

17

b) Es bedarf keiner Entscheidung, ob dies anders zu beurteilen ist, wenn eine materiell-rechtliche Unwirksamkeit des Prozessvergleichs nur aus Gründen in Rede steht, die erst nach seinem Abschluss entstanden sind (vgl. dazu einerseits BAG 5. August 1982 - 2 AZR 199/80 - zu B II 4 der Gründe, BAGE 40, 17; andererseits BGH 10. März 1955 - II ZR 201/53 - zu II 3 der Gründe, BGHZ 16, 388). Nach dem Vorbringen des Klägers kommt auch eine - anfängliche - Unwirksamkeit des Vergleichs gem. § 779 Abs. 1 iVm. § 139 BGB in Betracht. Der Kläger hat zwar ausdrücklich nur geltend gemacht, wirksam von dem Vergleich zurückgetreten zu sein. Er hat sich dafür aber ua. darauf berufen, dass er den Vergleich ohne die Aussicht auf eine erfolgreiche Rückübertragung der Entwicklerlizenz nicht abgeschlossen hätte. Werden hinsichtlich eines Prozessvergleichs sowohl anfängliche als auch nachträgliche Mängel geltend gemacht, ist die Klärung seiner Wirksamkeit im Ausgangsverfahren herbeizuführen (BAG 24. April 2014 - 8 AZR 429/12 - Rn. 29; 11. Juli 2012 - 2 AZR 42/11 - Rn. 14).

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aa) Einem Prozessvergleich fehlt die verfahrensbeendende Wirkung auch dann, wenn er als materiell-rechtlicher Vertrag wegen Mängeln in der Regelung sonstiger, nicht rechtshängiger Fragen nach § 139 BGB insgesamt nichtig ist(vgl. BGH 6. März 1991 - XII ZB 88/90 - zu II 1 b und c der Gründe; MüKoBGB/Habersack 6. Aufl. § 779 Rn. 90).

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bb) Nach den bisherigen Feststellungen ist nicht ausgeschlossen, dass die Vereinbarung über die Verpflichtung zur „Rückübertragung“ der Entwicklerlizenz auf den Kläger in Nr. 3 des Vergleichs nach § 779 Abs. 1 BGB unwirksam ist.

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(1) Gemäß § 779 Abs. 1 BGB ist der Vergleich ein Vertrag, durch den der Streit oder die Ungewissheit der Parteien über ein Rechtsverhältnis im Wege gegenseitigen Nachgebens beseitigt wird. Ausreichend ist, dass in Elementen eines Rechtskonflikts Streit oder Ungewissheit bestanden hat und ausgeräumt worden ist; dabei kommt es auf die subjektive Beurteilung durch die Beteiligten im Zeitpunkt des Vergleichsschlusses an (MüKoBGB/Habersack 6. Aufl. § 779 Rn. 24). Gegenseitiges Nachgeben im fraglichen Sinne ist weit zu verstehen und kann auch dann gegeben sein, wenn eine Seite in Bezug auf das streitige Rechtsverhältnis ihre Position zwar ohne Einschränkung durchsetzt, dafür aber eine Gegenleistung verspricht (MüKoBGB/Habersack 6. Aufl. § 779 Rn. 26).

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(2) Nach den bisherigen Feststellungen ist offen, ob die Regelung über die „Rückübertragung“ der Entwicklerlizenz auf den Kläger einen Vergleich iSd. § 779 BGB darstellt. Es ist unklar, ob zwischen den Parteien des Vergleichs Streit über eine solche Verpflichtung der Insolvenzschuldnerin bestand. Das Landesarbeitsgericht hat lediglich angenommen, die Lizenz sei „bis zum Abschluss des Vergleichs“ nicht Gegenstand der Auseinandersetzungen der damaligen Parteien gewesen. Soweit es ausgeführt hat, der Vergleich regle in Nr. 3 nur das, was „möglicherweise“ auch ohne ihn gegolten hätte, bewegt sich dies im Bereich der Spekulation. Es ist nicht ausgeschlossen, dass die Parteien einen möglichen Streit über die Verpflichtung zur „Rückübertragung“ der Lizenz im Wege gegenseitigen Nachgebens beseitigt haben. Soweit der Kläger seinen vermeintlichen Anspruch ohne Einschränkung durchgesetzt haben sollte, ist nicht auszuschließen, dass er dafür an anderer Stelle - etwa mit Blick auf die Höhe der Abfindung für seine Einwilligung in die Beendigung des Arbeitsverhältnisses - nachgegeben hat.

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(3) Gemäß § 779 Abs. 1 BGB ist ein Vergleich unwirksam, wenn der nach seinem Inhalt als feststehend zugrunde gelegte Sachverhalt der Wirklichkeit nicht entspricht und der Streit oder die Ungewissheit bei Kenntnis der Sachlage nicht entstanden wäre. Der Irrtum der Parteien muss sich auf einen streitausschließenden Umstand beziehen (Staudinger/Marburger 2015 § 779 BGB Rn. 73 aE). Demzufolge kommt eine Unwirksamkeit der Vereinbarung in Nr. 3 des Vergleichs in Betracht, falls der mögliche Streit über eine Rückübertragung der Lizenz nicht entstanden wäre, sofern die damaligen Parteien die wahre Situation betreffend die Möglichkeit einer „Rückübertragung“ der Lizenz gekannt hätten.

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cc) Danach ist nicht ausgeschlossen, dass der Vergleich vom 15. Februar 2012 insgesamt unwirksam ist. Dies wäre gem. § 139 BGB der Fall, wenn nicht anzunehmen ist, dass die Parteien ihn auch ohne die Abrede über die Rückübertragung der Lizenz vereinbart hätten. Die Würdigung des Landesarbeitsgerichts, es könne nicht festgestellt werden, dass der Kläger an einer Teilleistung der Insolvenzschuldnerin kein Interesse habe, steht dem nicht entgegen. Sie bezieht sich auf die Tatbestandsvoraussetzungen nach § 323 Abs. 5 Satz 1 BGB. Für diese gelten hinsichtlich der Darlegungs- und Beweislast andere Regeln (vgl. Staudinger/Schwarze 2015 § 323 BGB Rn. B 148) als für die gesetzliche Vermutung des § 139 BGB(vgl. hierzu MüKoBGB/Busche 7. Aufl. § 139 Rn. 35).

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3. Selbst wenn es ausschließlich auf den vom Kläger erklärten Rücktritt vom Vergleich ankäme, läge kein Fall vor, in welchem der Rücktritt die Vereinbarung über die Erledigung des Rechtsstreits als Prozesshandlung unberührt ließe, der Rechtsstreit also selbst dann beendet wäre und nicht mehr weitergeführt werden könnte, wenn sich der Rücktritt als gerechtfertigt erwiese (zu einer solchen Konstellation vgl. BGH 5. Februar 1986 - VIII ZR 72/85 - zu II 3 der Gründe; 10. März 1955 - II ZR 201/53 - zu II 3 der Gründe, BGHZ 16, 388; MüKoBGB/Habersack 6. Aufl. § 779 Rn. 91; PG/Scheuch ZPO 5. Aufl. § 794 Rn. 28; Zöller/Stöber ZPO 30. Aufl. § 794 Rn. 15c; Musielak/Voit/Lackmann ZPO 12. Aufl. § 794 Rn. 24).

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a) Es kann dahinstehen, ob nicht wegen des besonderen Beschleunigungsgrundsatzes (§§ 9, 61a ArbGG) im arbeitsgerichtlichen Verfahren generell, dh. auch bei einem ausschließlich auf ein gesetzliches Recht gestützten Rücktritt der ursprüngliche Prozess fortzusetzen ist (vgl. dazu BAG 5. August 1982 - 2 AZR 199/80 - zu B II 4 c der Gründe, BAGE 40, 17).

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b) Zumindest der wirksame Rücktritt von einem zur Erledigung eines Kündigungsrechtsstreits geschlossenen Vergleich führt dazu, dass auch dessen prozessbeendende Wirkung entfällt (vgl. Bauer NZA 2002, 169, 171; Schaub/Linck 16. Aufl. § 122 Rn. 39; Reinfelder NZA 2013, 62, 67; APS/Rolfs 4. Aufl. AufhebVtr Rn. 106). Die Aufhebung des durch die einvernehmliche Prozessbeendigung bewirkten Eintritts der Wirksamkeitsfiktion des § 7 KSchG wäre anderenfalls nicht möglich.

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II. Auf der Basis der bisherigen Feststellungen durfte das Landesarbeitsgericht nicht annehmen, der Kündigungsschutzrechtsstreit sei durch den Vergleich vom 15. Februar 2012 beendet. Es hat nicht geprüft, ob dem Vergleich deshalb keine prozessbeendende Wirkung zukommt, weil er nach § 779 Abs. 1 iVm. § 139 BGB unwirksam ist. Dies ist, wie ausgeführt, nicht auszuschließen. Schon aus diesem Grund war die angefochtene Entscheidung aufzuheben. Den Parteien wird Gelegenheit zu ergänzendem Sachvortrag zu geben sein (§ 139 Abs. 2 ZPO). Ob bei Vergleichsschluss Streit über eine Verpflichtung zur „Rückübertragung“ der Lizenz auf den Kläger bestand, ob dieser für diese Abrede an anderer Stelle nachgegeben hat, ob ggf. der Streit über eine solche Verpflichtung nicht entstanden wäre, wenn die Beteiligten die wahre Sachlage betreffend die Möglichkeit einer „Rückübertragung“ gekannt hätten, und ob diese dann den Vergleich auch ohne die betreffende Abrede geschlossen hätten, ist bislang nicht festgestellt.

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III. Sollte das Landesarbeitsgericht nach neuer Verhandlung zu dem Ergebnis kommen, der Vergleich vom 15. Februar 2012 sei nach § 779 Abs. 1 iVm. § 139 BGB wirksam, wird es zu beachten haben, dass seine Würdigung, ein gesetzliches Rücktrittsrecht des Klägers nach § 326 Abs. 5 BGB oder § 323 Abs. 1 BGB sei gem. § 323 Abs. 5 Satz 1 BGB ausgeschlossen, nicht ohne Rechtsfehler ist.

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1. Unklar ist, ob das Landesarbeitsgericht angenommen hat, es habe sich bei dem Vergleich um einen gegenseitigen Vertrag iSd. §§ 320 ff. BGB gehandelt. Dafür spricht die Prüfung des gesetzlichen Rücktrittsrechts nach § 326 Abs. 5, § 323 BGB, dagegen spricht, dass es gemeint hat, in der Aufgabe des Arbeitsplatzes durch den Kläger liege keine Leistung iSd. § 241 Abs. 1 BGB. Träfe dies zu, wäre offen, weshalb ein gegenseitiger Vertrag vorgelegen haben sollte.

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2. Bei richtiger Würdigung stellt der streitgegenständliche Prozessvergleich einen gegenseitigen Vertrag iSd. §§ 320 ff. BGB dar (so auch Bauer NZA 2002, 169, 171; Bauer/Haußmann BB 1996, 901; Besgen/Velten NZA-RR 2010, 561, 562; Schaub/Linck 16. Aufl. § 122 Rn. 39; Reinfelder NZA 2013, 62, 63; APS/Rolfs 4. Aufl. AufhebVtr Rn. 105; Kittner/Zwanziger/Deinert-Zwanziger 8. Aufl. § 149 Rn. 34; aA v. Puttkamer BB 1996, 1440 f.).

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a) Ein Prozessvergleich ist nicht schon deshalb ein gegenseitiger Vertrag iSd. §§ 320 ff. BGB, weil er auf gegenseitigem Nachgeben beruht (BAG 27. August 2014 - 4 AZR 999/12 - Rn. 23, BAGE 149, 60; MüKoBGB/Habersack 6. Aufl. § 779 Rn. 26; Staudinger/Marburger 2015 § 779 BGB Rn. 49; Palandt/Sprau 74. Aufl. § 779 BGB Rn. 2; Molitor Schuldrecht II 7. Aufl. S. 147; Kortstock in Nipperdey Lexikon Arbeitsrecht 26. Aufl. Rücktritt; v. Puttkamer BB 1996, 1440 f.; vgl. die Nachweise zur Gegenmeinung bei Schallow Der mangelhafte Prozeßvergleich S. 160). Die Aufgabe wechselseitiger „Prätentionen“ und Rechtsstandpunkte erzeugt noch keine Leistungspflichten und stellt selbst keine „Leistung“ im schuldrechtlichen Sinne dar. Sie beschreibt nur das Zustandekommen des Vergleichs (Bork Der Vergleich S. 151, 176). Entscheidend ist statt dessen der jeweilige Vergleichsinhalt. Zum gegenseitigen Vertrag wird ein Vergleich dann, wenn in ihm ein synallagmatischer Leistungsaustausch geregelt ist. Es müssen also entweder beiderseitige Leistungspflichten neu begründet werden (so Hofstetter BB 1963, 1459, 1460) oder es muss zumindest eine Partei durch den Vergleich eine Leistung unmittelbar erbringen, wofür sich die andere Partei zu einer Gegenleistung verpflichtet (vgl. Bork Der Vergleich S. 175).

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b) Im Streitfall wurde durch den Vergleich vom 15. Februar 2012 jedenfalls die (Gegen-)Leistungspflicht der späteren Insolvenzschuldnerin zur Zahlung einer Abfindung neu begründet.

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c) Der Kläger hat seine (Gegen-)Leistung unmittelbar mit dem Abschluss des Vergleichs als solchem erbracht. Auch ein solches Zusammenfallen von Leistungsversprechen und Erfüllung genügt für die Annahme eines gegenseitigen Vertrags (BGH 12. Dezember 1991 - IX ZR 178/91 - zu II 2 b der Gründe, BGHZ 116, 319; LAG Baden-Württemberg 17. Juni 2011 - 12 Sa 1/10 - zu I 3 b der Gründe; Staudinger/Marburger 2015 § 779 BGB Rn. 51; MüKoBGB/Habersack 6. Aufl. § 779 Rn. 36; Palandt/Sprau 74. Aufl. § 779 BGB Rn. 11; Bork Der Vergleich S. 175; für eine analoge Anwendung der §§ 320 ff. BGB Medicus/Petersen Bürgerliches Recht 24. Aufl. Rn. 216 ff.). Leistung ist die Zuwendung eines wirklichen oder vermeintlichen Vorteils, der typischer-, wenn auch nicht notwendigerweise einen Vermögenswert hat (Palandt/Grüneberg 74. Aufl. § 241 BGB Rn. 4). Die geschuldete Leistung kann in einem Verhalten oder in der Herbeiführung eines Erfolgs liegen (MüKoBGB/Bachmann 6. Aufl. § 241 Rn. 18). Hier hat der Kläger der späteren Insolvenzschuldnerin dadurch einen Vorteil zugewendet, dass er sich mit ihr auf eine Beendigung des Arbeitsverhältnisses durch die Kündigung und auf eine Beendigung des Rechtsstreits geeinigt hat. Darin liegt nicht nur die Aufgabe einer Rechtsposition - der reklamierten Unwirksamkeit der Kündigung -, sondern mit der Einwilligung in die Beendigung eines Kündigungsrechtsstreits zugleich eine weiterreichende materiell-rechtliche „Zuwendung“. Die Abrede führt - sofern nicht die Klagefrist des § 4 Satz 1 KSchG ausnahmsweise noch nicht abgelaufen ist - zum Eintritt der Wirksamkeitsfiktion des § 7 KSchG. Dies wiederum ist für den Arbeitnehmer gleichbedeutend mit einem Verzicht auf weitere Ansprüche, die aus dem Fortbestand des Arbeitsverhältnisses resultieren könnten. Unabhängig von der Frage, ob die Kündigung des Arbeitgebers objektiv rechtswirksam ist oder nicht, bewirkt das Einverständnis mit der Prozesserledigung, dass die Beendigungswirkung der Kündigung aus einem eigenständigen Grund - der gesetzlichen Fiktion des § 7 KSchG - Platz greift.

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d) Die Einwilligung des Klägers in die Beendigung des Prozesses stand im Gegenseitigkeitsverhältnis jedenfalls mit der Verpflichtung der späteren Insolvenzschuldnerin zur Zahlung einer Abfindung. Der Arbeitgeber erklärt sich in Fällen wie diesen zur Zahlung einer gesetzlich nicht geschuldeten Abfindung typischerweise gerade und nur wegen der Beendigung des Rechtsstreits und der damit einhergehenden eigenständig begründeten Wirksamkeit der Kündigung bereit. Trotz ihrer Funktion als Entschädigung für den Verlust des Arbeitsplatzes (vgl. §§ 9, 10 KSchG) stellt die Abfindung deshalb (auch) eine Gegenleistung des Arbeitgebers für die Einwilligung des Arbeitnehmers in die Auflösung des Arbeitsverhältnisses dar (BAG 25. Juni 1987 - 2 AZR 504/86 - zu II 4 c der Gründe). Diese Vorstellung liegt im Übrigen auch § 1a KSchG zugrunde, dem zufolge der Arbeitnehmer im Zusammenhang mit einer auf dringende betriebliche Erfordernisse gestützten Kündigung Anspruch auf Zahlung einer Abfindung für den Fall hat, dass er die Klagefrist des § 4 Satz 1 KSchG verstreichen lässt, nachdem ihm der Arbeitgeber eben dafür die Abfindung in Aussicht gestellt hatte.

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3. Ein gesetzliches Rücktrittsrecht des Klägers nach § 326 Abs. 5 BGB setzt ferner voraus, dass auch die Verpflichtung zur Rückübertragung der Lizenz im Gegenseitigkeitsverhältnis stand(vgl. MüKoBGB/Ernst 7. Aufl. § 326 Rn. 7; Palandt/Grüneberg 74. Aufl. § 326 BGB Rn. 2; Staudinger/Otto 2009 § 326 BGB Rn. C 4) und es der Arbeitgeberin iSv. § 275 Abs. 1 BGB unmöglich war, ihre Leistungspflicht zu erfüllen. Um beurteilen zu können, ob die Verpflichtung zur Rückübertragung der Lizenz im Gegenseitigkeitsverhältnis steht, bedarf es einer Auslegung des Vergleichs gem. §§ 133, 157 BGB(vgl. Staudinger/Schwarze 2015 Vorbem. zu §§ 320 - 326 BGB Rn. 31). An ihr fehlt es bislang. Der Senat kann sie nicht selbst vornehmen. Nach §§ 133, 157 BGB sind Verträge - auch Prozessvergleiche - so auszulegen, wie die Parteien sie nach Treu und Glauben unter Berücksichtigung der Verkehrssitte verstehen mussten. Dabei ist zwar vom Wortlaut auszugehen. Zur Ermittlung des wirklichen Willens der Parteien sind jedoch auch die außerhalb der Vereinbarung liegenden Umstände einzubeziehen, soweit sie einen Schluss auf den Sinngehalt der Erklärung zulassen. Ebenso sind die bestehende Interessenlage und der mit dem Rechtsgeschäft verfolgte Zweck zu berücksichtigen (st. Rspr., vgl. nur BAG 10. Dezember 2014 - 10 AZR 63/14 - Rn. 21; 21. Januar 2014 - 3 AZR 362/11 - Rn. 57 mwN). Die für die Auslegung des Prozessvergleichs maßgeblichen Umstände des Vergleichsschlusses sind bislang nicht festgestellt. Dies gilt ebenso für die Tatsachen, aufgrund derer der Arbeitgeberin die Erfüllung ihrer Leistungspflicht ggf. unmöglich war. Insofern bedarf überdies der Klärung, welchen Inhalt genau die Pflicht zur „Rückübertragung“ der Lizenz auf den Kläger nach dem Vergleich haben sollte.

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4. Sollte die Verpflichtung der Arbeitgeberin nach Nr. 3 des Vergleichs nicht im Gegenseitigkeitsverhältnis gestanden haben oder sollte ihr die Erfüllung nicht iSv. § 275 Abs. 1 BGB unmöglich gewesen sein, kommt ein Rücktrittsrecht des Klägers nach § 323 Abs. 1 BGB in Betracht. Die Arbeitgeberin hätte dann iSv. § 323 Abs. 1 BGB nicht geleistet. Für einen Rücktritt nach § 323 Abs. 1 BGB ist es nicht erforderlich, dass eine im Gegenseitigkeitsverhältnis stehende Pflicht nicht erfüllt wurde(Palandt/Grüneberg 74. Aufl. § 323 BGB Rn. 1, 10; Bamberger/Roth/Grothe BGB 3. Aufl. Bd. 1 § 323 Rn. 4; NK-BGB Dauner-Lieb/Dubovitskaya BGB 2. Aufl. Bd. 2/1 § 323 Rn. 6; Jauernig/Stadler BGB 15. Aufl. § 323 Rn. 5a; Emmerich Das Recht der Leistungsstörungen § 19 II 8; vgl. auch BT-Drs. 14/6040 S. 183; aA MüKoBGB/Ernst 7. Aufl. § 323 Rn. 13; Canaris FS Kropholler S. 3, 5). Sofern nicht eine Fristsetzung durch den Kläger entbehrlich gewesen sein sollte, weil die Verweigerung der Leistung iSv. § 323 Abs. 2 Nr. 1 BGB bereits ernsthaft und endgültig war, wären Feststellungen dazu zu treffen, ob der Kläger der Arbeitgeberin iSv. § 323 Abs. 1 BGB eine angemessene Frist zur Leistung bestimmt hat.

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5. Für einen vertraglichen Ausschluss des gesetzlichen Rücktrittsrechts gibt es keine Anhaltspunkte. Diese müssten sich unmittelbar aus den Vereinbarungen im Vergleich selbst ergeben (vgl. Schaub/Linck 16. Aufl. § 122 Rn. 37; Kittner/Zwanziger/Deinert-Zwanziger 8. Aufl. § 149 Rn. 34; Reinfelder NZA 2013, 62, 63; Sperber BB 2012, 1034, 1036; Besgen/Velten NZA-RR 2010, 561, 562; Bauer/Haußmann BB 1996, 901 f.; aA LAG Köln 5. Januar 1996 - 4 Sa 909/94 - zu 3 b der Gründe; APS/Rolfs 4. Aufl. AufhebVtr Rn. 105; ders. in Preis Der Arbeitsvertrag 4. Aufl. II A 100 Rn. 34, 71; offengelassen in BAG 10. November 2011 - 6 AZR 357/10 - Rn. 19, BAGE 139, 376). Daran fehlt es. Die Interessenlage in einem Kündigungsschutzprozess und die Möglichkeit, sich den Widerruf des Vergleichs vorzubehalten, rechtfertigen für sich genommen nicht die Annahme, die Parteien wollten auch ein gesetzliches Rücktrittsrecht ausschließen. Ein Interesse daran hätte typischerweise ausschließlich der Arbeitgeber, weil in der Regel nur er seine Gegenleistung noch nicht mit dem Vergleichsschluss erbracht hat. Kommt er - und sei es unverschuldet - den eingegangenen Verpflichtungen nicht nach, hat der Arbeitnehmer regelmäßig kein Interesse am Fortbestand des Vergleichs. Etwas anderes folgt nicht schon daraus, dass der Arbeitnehmer - wie hier - einen Auflösungsantrag gestellt hat. Selbst wenn er damit zu erkennen gegeben hat, dass er an einer Auflösung des Arbeitsverhältnisses gegen Zahlung einer Abfindung interessiert ist, hat er in den betreffenden Vergleich allein zu den darin vereinbarten Konditionen eingewilligt. Dafür, dass die Beteiligten im Streitfall zumindest dann ein etwaiges gesetzliches Rücktrittsrecht des Klägers vertraglich hätten ausschließen wollen, wenn nur die Verpflichtung der Arbeitgeberin aus Nr. 3 des Vergleichs nicht erfüllt würde, gibt es keine Anhaltspunkte.

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6. Ein - mögliches - Recht des Klägers zum Rücktritt vom gesamten Vergleich wäre weder nach § 323 Abs. 5 Satz 1 BGB noch nach § 323 Abs. 5 Satz 2 BGB ausgeschlossen.

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a) § 323 Abs. 5 Satz 1 BGB findet keine Anwendung. Zwar hatte die Arbeitgeberin nur eine Teilleistung bewirkt. Es käme für die Zulässigkeit eines Rücktritts vom gesamten Vergleich aber nicht darauf an, ob der Kläger iSd. § 323 Abs. 5 Satz 1 BGB ein Interesse an dieser Teilleistung hatte: Ist die Gegenleistung nicht ihrerseits teilbar, ist § 323 Abs. 5 Satz 1 BGB nicht anwendbar, erstreckt sich das Rücktrittsrecht vielmehr ohne Weiteres auf den gesamten Vertrag(BGH 16. Oktober 2009 - V ZR 203/08 - Rn. 17; Palandt/Grüneberg 74. Aufl. § 323 BGB Rn. 25). Das mit dem Teilrücktritt angestrebte Ergebnis einer Beschränkung „des Vertrags“ auf den durchgeführten Teil lässt sich nicht erreichen, wenn nicht auch die Gegenleistung teilbar ist. Der Gläubiger kann seine - unteilbare - Leistung nicht auf einen Teil beschränken, der der Teilleistung des Schuldners entspricht (BGH 16. Oktober 2009 - V ZR 203/08 - aaO). So liegt der Fall hier. Die (Gegen-)Leistung des Klägers - die Einwilligung in die Beendigung des Arbeitsverhältnisses - ist unteilbar. Der Vergleich lässt sich daher nicht nur teilweise rückabwickeln.

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b) Auch § 323 Abs. 5 Satz 2 BGB stünde einem Rücktritt des Klägers vom gesamten Vergleich nicht entgegen.

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aa) Nach dieser Vorschrift kann der Gläubiger bei einer nicht vertragsgemäßen Leistung dann nicht vom Vertrag zurücktreten, wenn die Pflichtverletzung „unerheblich“ ist. Die Vorschrift bezieht sich auf den in § 323 Abs. 1 Satz 1 Alt. 2 BGB geregelten Fall der Schlechtleistung (Staudinger/Schwarze 2015 § 323 BGB Rn. A 22). Die Nichterfüllung einer einzelnen von mehreren Leistungsverpflichtungen ist dagegen eine Teilleistung im Sinne von § 323 Abs. 5 Satz 1 BGB und nicht eine Schlechtleistung im Sinne von § 323 Abs. 1 Satz 1 Alt. 2 BGB (zur Abgrenzung von Teil- und Schlechtleistung: Staudinger/Schwarze 2015 § 323 BGB Rn. B 138, Rn. C 6 f.). Im Streitfall ginge es demnach um eine Teil-, nicht um eine Schlechtleistung.

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bb) Auch eine entsprechende Anwendung von § 323 Abs. 5 Satz 2 BGB schiede aus.

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(1) Eine analoge Anwendung der Bestimmung wird für möglich gehalten, wenn eine nur unwesentliche Teilleistung unterblieben ist, die eine Rückabwicklung des Vertrags nicht „gebietet“ (Soergel/Gsell 13. Aufl. § 323 BGB Rn. 192; Palandt/Grüneberg 74. Aufl. § 323 BGB Rn. 32; beschränkt auf die Nichterfüllung einer von mehreren Nebenleistungspflichten: Dauner-Lieb/Dubovitskaya 2. Aufl. Band 2/1 § 323 BGB Rn. 8; Bamberger/Roth/Grothe 2. Aufl. Band 1 § 323 BGB Rn. 4, 40; Jauernig/Stadler 15. Aufl. § 323 BGB Rn. 5a; aA MüKoBGB/Ernst 6. Aufl. § 323 Rn. 226, 240). Die gesetzlichen Gründe für einen Ausschluss des Rücktritts wegen einer nur unerheblichen Schlechtleistung nach § 323 Abs. 5 Satz 2 BGB gälten auch für diesen Fall. Maßgeblich sei, ob das bei Schlecht- und Teilleistungen anzunehmende Rückabwicklungsinteresse des Gläubigers als so gering zu bewerten sei, dass dem Interesse am Bestand des Vertrags der Vorrang eingeräumt werden müsse. Letztlich sei § 323 Abs. 5 BGB eine Ausprägung des Grundsatzes von Treu und Glauben(§ 242 BGB). Die Bestimmung solle eine unverhältnismäßige Reaktion - den Rücktritt von dem gesamten Vertrag - bei einer nur unerheblichen Pflichtverletzung verhindern.

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(2) Es bedarf keiner Entscheidung, ob dem zu folgen ist. Im Streitfall fehlen Umstände, aufgrund derer die unterbliebene Teilleistung als so gering anzusehen wäre, dass das wegen der Unteilbarkeit der Gegenleistung grundsätzlich gegebene Interesse des Klägers am Rücktritt vom gesamten Vertrag hintanzutreten hätte. Im Gegenteil hat der Kläger geltend gemacht, der Wert, den die Lizenz für ihn bedeute, liege jedenfalls nicht unter dem der vereinbarten Abfindung.

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7. Ein mögliches Rücktrittsrecht des Klägers wäre nicht schon dadurch ausgeschlossen, dass er seinen Anspruch zunächst im Wege der Zwangsvollstreckung oder gar durch eine entsprechende Leistungsklage zu realisieren versucht hat. Ein auf Vertrag gestütztes Leistungsverlangen des Gläubigers ist regelmäßig nicht zugleich als einseitiger Verzicht auf das gesetzliche Rücktrittsrecht zu verstehen und lässt dieses unberührt (Staudinger/Schwarze 2015 § 323 BGB Rn. D 7, F 9; vgl. auch Palandt/Grüneberg 74. Aufl. § 323 BGB Rn. 33).

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IV. Sollte das Landesarbeitsgerichts zu dem Ergebnis kommen, die prozessbeendende Wirkung des Vergleichs vom 15. Februar 2012 sei entfallen, wird es die Zulässigkeit und Begründetheit der Sachanträge zu 2. und 3. zu prüfen haben.

        

    Kreft    

        

    Niemann    

        

    Rachor    

        

        

        

    Gans    

        

    Nielebock     

                 

(1) Vor Gericht hat jedermann Anspruch auf rechtliches Gehör.

(2) Eine Tat kann nur bestraft werden, wenn die Strafbarkeit gesetzlich bestimmt war, bevor die Tat begangen wurde.

(3) Niemand darf wegen derselben Tat auf Grund der allgemeinen Strafgesetze mehrmals bestraft werden.