Bundesarbeitsgericht Urteil, 14. Sept. 2016 - 4 AZR 534/14

ECLI:ECLI:DE:BAG:2016:140916.U.4AZR534.14.0
bei uns veröffentlicht am14.09.2016

Tenor

Die Revision der Beklagten gegen das Urteil des Landesarbeitsgerichts Hamburg vom 8. Juli 2014 - 2 Sa 67/13 - wird auf ihre Kosten zurückgewiesen.

Tatbestand

1

Die Parteien streiten über tarifvertragliche Ansprüche des Klägers auf Gewährung bezahlter freier Tage sowie eine Jahressonderzahlung.

2

Der Kläger ist bei der Beklagten, einem Hafenbetrieb, seit 1989 als Hafenarbeiter zu einem Entgelt von zuletzt 22,00 Euro brutto pro Stunde beschäftigt. Die Beklagte war und ist Mitglied im Unternehmensverband Hafen Hamburg e.V. (im Folgenden Unternehmensverband), der wiederum Mitglied im Zentralverband der deutschen Seehafenbetriebe e.V. ist. Der Kläger ist Mitglied der Gewerkschaft ver.di.

3

Für das Arbeitsverhältnis der Parteien gelten ua. der zwischen dem Zentralverband der deutschen Seehafenbetriebe e.V. und der Gewerkschaft ver.di abgeschlossene „Rahmentarifvertrag für die Hafenarbeiter der deutschen Seehafenbetriebe“ (im Folgenden RTV) und der „Beschäftigungssicherungstarifvertrag zum Rahmentarifvertrag für die Hafenarbeiter der deutschen Seehafenbetriebe gültig ab 01.04.1992 in der Fassung vom 18.05.2011“ (im Folgenden BeschäftigungssicherungsTV). Aufgrund wirtschaftlicher Schwierigkeiten schloss die Beklagte zur Sicherung und zum Erhalt der Arbeitsplätze mit der Gewerkschaft ver.di am 20. Februar 2012 für das Jahr 2012 einen „Haustarifvertrag für die Beschäftigten der Fa. Carl Tiedemann (GmbH & Co.) KG“ (im Folgenden HausTV) ab. Ein entsprechender Tarifvertrag wurde in der Folgezeit zumindest auch für das Jahr 2013 abgeschlossen.

4

Mit Schreiben vom 28. Juni 2012 teilte die Beklagte dem Unternehmensverband Hafen Hamburg e.V. mit, sie „kündige“ ihre Mitgliedschaft fristgerecht zum 31. Dezember 2012.

5

Mit E-Mail vom 13. September 2012 wandte sich die ver.di-Gewerkschaftssekretärin H an die Geschäftsführerin der Beklagten und bat „dringend“, den Schritt des Austritts aus dem Unternehmensverband „zu überdenken bzw. zurückzunehmen“. Die Geschäftsführerin der Beklagten erläuterte die Entscheidung mit E-Mail vom 14. September 2012 und teilte mit, die Beklagte sei nicht aus dem Unternehmensverband ausgetreten, sondern habe lediglich die notwendige Kündigungsfrist einhalten wollen, um mit Wirkung zum 1. Januar 2013 austreten zu können.

6

In einer E-Mail der Gewerkschaftssekretärin vom 27. September 2012 heißt es:

        

„Die betriebliche Tarifkommission hat gestern nach eingehender Beratung folgendes beschlossen:

        

-       

die Tarifkommission fordert Sie auf, bis Freitag, den 05. Oktober 2012 nachzuweisen, dass CT sich in ungekündigter Mitgliedschaft in der Tarifgemeinschaft des Unternehmensverbandes Hafen Hamburg befindet, und zwar durch entsprechende Bestätigung des UV

        

-       

in diesem Fall ist die Tarifkommission, um weiteren Schaden vom Betrieb und den Arbeitsplätzen abzuwenden, bereit, den Haustarifvertrag mit sofortiger Wirkung, d.h. ab dem 01.10.2012, neu abzuschliessen und dem Vorstand der Fachgruppe Häfen auf seiner nächsten Sitzung am 10.10.2012 zur Zustimmung vorzulegen.“

7

Mit Schreiben vom 3. Dezember 2012 zog die Beklagte gegenüber dem Unternehmensverband Hafen Hamburg e.V., die „ausgesprochene Ankündigung einer Kündigung ... im vollen Umfang zurück…“. Mit E-Mail vom 4. Dezember 2012 bestätigte der Unternehmensverband Hafen Hamburg e.V. die tarifgebundene Vollmitgliedschaft der Beklagten über den 31. Dezember 2012 hinaus.

8

Der Prozessbevollmächtigte des Klägers hat mit Schreiben vom 6. Dezember 2012 - soweit für die Revision von Belang - fünf bezahlte freie Tage und die Jahressonderzahlung iHv. 3.806,00 Euro geltend gemacht.

9

Der Kläger hat die Auffassung vertreten, seitdem die Beklagte ihren Austritt aus dem Unternehmensverband erklärt habe, ständen ihm Ansprüche ausschließlich nach dem RTV zu. Ab diesem Zeitpunkt habe der HausTV nach § 17 Nr. 2 HausTV seine Geltung verloren. Diese Regelung solle gerade einer Drohung mit einem Austritt aus dem Unternehmensverband während laufender Tarifvertragsverhandlungen entgegenwirken. Die Beklagte habe die Folgen ihrer Kündigungserklärung nachträglich nicht mehr beseitigen können. Er habe deshalb zum einen Anspruch auf weitere bezahlte freie Tage, die als Schadensersatz zu gewähren seien, und zum anderen auf die volle Jahreszuwendung.

10

Der Kläger hat zuletzt beantragt,

        

1.    

festzustellen, dass ihm 2,5 weitere bezahlte freie Tage im Sinne von § 3 Rahmentarifvertrag für die Hafenarbeiter der Deutschen Seehafenbetriebe zu gewähren sind,

        

2.    

die Beklagte zu verurteilen, an ihn 3.806,00 Euro brutto nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten seit dem 1. Januar 2013 zu zahlen.

11

Die Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen. Sie hat die Auffassung vertreten, der HausTV habe seine Geltung nicht vor dem 31. Dezember 2012 verloren. Nach § 2 HausTV habe sie sich lediglich zur Mitgliedschaft im Unternehmensverband Hafen Hamburg e.V. während der Laufzeit des HausTV verpflichtet, was durch § 17 Nr. 2 Spiegelstrich 2 HausTV habe abgesichert werden sollen. Ihre Mitgliedschaft sei nicht vor dem 31. Dezember 2012 beendet worden. Würde der HausTV bereits mit der Kündigungserklärung seine Geltung verlieren, käme es zu einer nicht gewollten Übersicherung. Die Pflicht, Mitglied im Unternehmensverband zu bleiben, verletze überdies ihre durch Art. 9 Abs. 3 GG geschützte negative Koalitionsfreiheit.

12

Das Arbeitsgericht hat der Klage im Umfang der noch streitgegenständlichen Anträge stattgegeben. Das Landesarbeitsgericht hat die Berufung der Beklagten zurückgewiesen. Mit ihrer vom Landesarbeitsgericht zugelassenen Revision verfolgt die Beklagte ihr Klageabweisungsbegehren weiter.

Entscheidungsgründe

13

Die zulässige Revision ist unbegründet. Das Landesarbeitsgericht hat der Klage in dem noch streitgegenständlichen Umfang zu Recht stattgegeben.

14

I. Die Klage ist zulässig. Insbesondere besteht das nach § 256 Abs. 1 ZPO erforderliche Feststellungsinteresse für den Antrag zu 1. (vgl. dazu für Urlaubsansprüche BAG 12. April 2011 - 9 AZR 80/10 - Rn. 11 ff., BAGE 137, 328).

15

II. Die Klage ist auch begründet. Der Kläger hat nach §§ 3 und 9 RTV einen Anspruch auf die von ihm geltend gemachten zusätzlichen freien Tage sowie die Jahreszuwendung.

16

1. Für das Arbeitsverhältnis der Parteien galten bzw. gelten der RTV, der HausTV sowie der BeschäftigungssicherungsTV kraft beiderseitiger Tarifgebundenheit.

17

a) Der RTV lautet auszugsweise:

        

§ 3   

        

Verkürzung der Arbeitszeit durch bezahlte freie Tage

        

1.    

Die Arbeitszeit gemäß § 2 Ziff. 1 wird im Jahresdurchschnitt durch die Gewährung zusätzlicher freier Tage verkürzt, die jeweils mit dem Grundlohn der Frühschicht zu vergüten sind.

        

2.    

a.)     

Die Verkürzung der Arbeitszeit von 40 auf 35 Stunden erfolgt durch die Gewährung von 30 bezahlten freien Tagen.

                 

b.)     

Hafenarbeiter, deren Beschäftigungsverhältnis nach dem 31.12.2000 begründet wird, erhalten abweichend von Ziff. 2a) freie bezahlte Tage nach folgender Staffelung:

                          

Im 1. Kalenderjahr der Beschäftigung   8 Tage

                          

Im 2. Kalenderjahr der Beschäftigung 16 Tage

                          

Im 3. Kalenderjahr der Beschäftigung 24 Tage

                          

Ab dem 4. Kalenderjahr der Beschäftigung 30 Tage

        

3.    

Hafenarbeiter, die in dem jeweiligen Kalenderjahr neu eingestellt werden bzw. ausscheiden, erhalten für jeden angefangenen Monat der Beschäftigung ein Zwölftel der freien Tage.

        

…       

        

§ 9     

        

Jahreszuwendung (13. Monatslohn)

        

1.    

Zusätzlich zum tariflichen Arbeitsentgelt erhalten die Hafenarbeiter eine Jahreszuwendung.

        

2.    

Diese Jahreszuwendung beträgt:

                 

…       

                 

d)    

nach mehr als 48-monatigem ununterbrochenem Besitz der Hafenarbeitskarte 173 Grundstundenlöhne (13. Monatslohn).

                 

…       

        
        

4.    

Für die Berechnung der Jahreszuwendung ist die im Monat Oktober des jeweiligen Kalenderjahres maßgebliche Lohngruppe des Mitarbeiters heranzuziehen. …

                 

Grundsätzlich ist der Betrag in einer Summe und in zeitlichem Zusammenhang mit dem Jahresende zu zahlen.

                 

…       

        

§ 22   

        

Ausschlussfristen

        

Ansprüche aus dem Arbeitsverhältnis müssen spätestens 2 Monate nach Aushändigung der Lohnabrechnung und/oder nach ihrer Fälligkeit schriftlich geltend gemacht werden.

        

Für denselben Sachverhalt reicht die einmalige Geltendmachung des Anspruchs aus, um die Ausschlussfrist auch für später fällig werdende Leistungen unwirksam zu machen.

        

Nach Ablauf dieser Frist sind die Ansprüche aus dem Arbeitsverhältnis erloschen.“

18

b) Im HausTV heißt es ua.:

        

- Präambel -

        

Dieser Tarifvertrag wird auf Basis der Beschäftigungssicherungstarifverträge für Hafenarbeiter und für Angestellte und vor dem Hintergrund der marktbedingten wirtschaftlichen Schwierigkeiten der Fa. Carl Tiedemann abgeschlossen und dient dem Zweck, zu deren Behebung und damit zum Erhalt der Arbeitsplätze beizutragen.

        

Weiterer wesentlicher Bestandteil des Sanierungskonzepts ist das innerbetriebliche Reorganisationsverfahren.

        

…       

        

§ 2     

Mitgliedschaft der Fa. Carl Tiedemann im Unternehmensverband Hafen Hamburg

        

CT verpflichtet sich zur tarifgebundenen Mitgliedschaft im Unternehmensverband Hafen Hamburg e.V. mindestens während der Laufzeit dieses Tarifvertrages.

        

§ 3 Reorganisationsverfahren

        

Bestandteil dieses Tarifvertrages ist die Verpflichtung seitens CT, ein innerbetriebliches Reorganisationsverfahren mit dem Ziel durchzuführen, durch eine Überprüfung des gesamten Betriebes in wirtschaftlicher und organisatorischer Hinsicht und dauerhafte Verbesserungen der innerbetrieblichen Abläufe die wirtschaftliche Basis des Betriebes zu konsolidieren.

        

Über die Durchführung des Reorganisationsverfahrens wird eine gesonderte Vereinbarung getroffen, die Bestandteil dieses Haustarifvertrages ist.

        

...     

        

§ 6 Regelungen für Hafenarbeiter

        

…       

        

6.2 Freie Tage nach § 3 RTV

        

Abweichend von § 3 RTV besteht Anspruch auf 25 bezahlte freie Tage (AZV-Tage). …

        

6.3 Jahreszuwendung

        

Die Zahlung der Jahreszuwendung gemäß § 9 Ziffer 2 RTV entfällt.

        

…       

        

§ 12 Kündigungsschutz

        

Während der Laufzeit dieses Haustarifvertrages ist gemäß § 2 Ziffer 6 der Beschäftigungssicherungstarifverträge für diejenigen Arbeitsverhältnisse, die unter den Geltungsbereich des Haustarifvertrages fallen, der Ausspruch von betriebsbedingten Beendigungskündigungen ausgeschlossen.

        

§ 17 Laufzeit

        

1.    

Dieser Tarifvertrag tritt 01.01.2012 in Kraft und endet am 31.12.2012, ohne dass es einer Kündigung bedarf. Er entfaltet keine Nachwirkung.

        

2.    

Der Tarifvertrag endet ohne Frist und ohne Nachwirkung

                 

-       

bei Ausspruch betriebsbedingter Beendigungskündigungen entgegen dem Verbot gem. § 2 Ziffer 6 der Beschäftigungssicherungstarifverträge,

                 

-       

mit der Erklärung des Austritts von CT aus dem Unternehmensverband Hafen Hamburg e.V. bzw. aus der Tarifbindung,

                 

-       

bei Nichteinhaltung der Vereinbarung gem. § 3 dieses Tarifvertrages.“

19

c) Der BeschäftigungssicherungsTV enthält ua. folgende Regelung:

        

§ 8 Laufzeit

        

2.    

…       

                 

Die betrieblichen Regelungen enden ohne Frist und ohne Nachwirkung

                 

-       

bei Ausspruch betriebsbedingter Beendigungskündigungen entgegen dem Verbot gem. § 2 Ziffer 6,

                 

-       

mit der Erklärung des Austritts des Mitglieds aus dem Arbeitgeberverband bzw. aus der Tarifbindung,

                 

-       

bei Verstößen des Unternehmens gegen § 5 dieses Tarifvertrages.“

20

2. In Anwendung dieser tariflichen Regelungen stehen dem Kläger die geltend gemachten Ansprüche aus §§ 3 und 9 RTV für das Jahr 2012 zu. Diese Regelungen werden nicht (mehr) durch die Regelungen des HausTV verdrängt. Mit dem Zugang der Erklärung des Austritts der Beklagten aus dem Unternehmensverband Hafen Hamburg e.V. vom 28. Juni 2012 ist die Geltung der den RTV verdrängenden Regelungen des HausTV entfallen.

21

a) Das ergibt die Auslegung von § 17 Nr. 2 HausTV(zu den Kriterien der Auslegung des normativen Teils eines Tarifvertrags vgl. etwa BAG 10. Dezember 2014 - 4 AZR 503/12 - Rn. 19 ff., BAGE 150, 184; 7. Juli 2004 - 4 AZR 433/03 - zu I 1 b aa der Gründe, BAGE 111, 204).

22

aa) Nach dem Wortlaut des § 17 Nr. 2 Spiegelstrich 2 HausTV endet der Tarifvertrag ohne Frist und ohne Nachwirkung ua. „mit der Erklärung des Austritts von CT aus dem Unternehmensverband … bzw. aus der Tarifbindung“. Der Begriff „Erklärung“ hat keinen eindeutigen Inhalt und enthält entgegen der Auffassung des Landesarbeitsgerichts weder im juristischen Sinne noch im Sinne des allgemeinen Sprachgebrauchs eine Zeitbestimmung. Unter einer Erklärung wird allgemein eine „offizielle Äußerung, Mitteilung“ (Duden Das Bedeutungswörterbuch 4. Aufl.) verstanden, also eine Willens- oder Wissensäußerung als solche, deren rechtliche Wirkung abhängig vom jeweiligen Kontext zu bestimmen ist. Der Umstand, dass die Tarifvertragsparteien den Eintritt der auflösenden Bedingung jedoch ausdrücklich an die „Erklärung“ des Austritts und nicht an den Austritt als solchen geknüpft haben, indiziert aber, dass sie dem Begriff der Erklärung einen eigenen Bedeutungsgehalt beigemessen haben. Da es für die Wirksamkeit einer empfangsbedürftigen Willenserklärung im Regelfall auf den Zeitpunkt ihres Zugangs beim Erklärungsempfänger ankommt (§ 130 BGB), spricht der Wortlaut dafür, dass die auflösende Bedingung nach dem Willen der Tarifvertragsparteien bereits im Zeitpunkt des Zugangs beim Unternehmensverband eintreten sollte.

23

bb) Der systematische Zusammenhang des HausTV bestärkt dieses Verständnis.

24

(1) Der Kontext des Tarifvertrags spricht dafür, dass mit der Regelung des § 17 Nr. 2 HausTV die von der Beklagten eingegangenen tarifvertraglichen Verpflichtungen abgesichert werden sollten. So wird nach § 12 HausTV während der Laufzeit des HausTV gemäß § 2 Ziffer 6 der Beschäftigungssicherungstarifverträge für diejenigen Arbeitsverhältnisse, die unter den Geltungsbereich des HausTV fallen, der Ausspruch von betriebsbedingten Beendigungskündigungen ausgeschlossen. Nach § 17 Nr. 2 Spiegelstrich 1 HausTV endet der HausTV bei Ausspruch betriebsbedingter Beendigungskündigungen. Nach § 2 HausTV hat sich die Beklagte zur tarifgebundenen Mitgliedschaft im Unternehmensverband mindestens während der Laufzeit des HausTV verpflichtet. Nach § 17 Nr. 2 Spiegelstrich 2 HausTV endet der HausTV mit der Erklärung des Austritts ohne Frist und ohne Nachwirkung. Gemäß § 3 HausTV trifft die Beklagte schließlich die Verpflichtung, ein innerbetriebliches Reorganisationsverfahren durchzuführen. Verstößt sie dagegen, endet der HausTV nach § 17 Nr. 2 Spiegelstrich 3 HausTV ebenfalls.

25

(2) Aus diesen (Sicherungs-)Zwecken folgt jedoch entgegen der Auffassung der Revision nicht, dass es lediglich auf die Mitgliedschaft unabhängig von deren Status (ungekündigt, gekündigt) ankommt.

26

(a) Zunächst fehlt es - anders als bei den Regelungen in § 17 Nr. 2 Spiegelstriche 1 und 3 HausTV - an einer ausdrücklichen Bezugnahme auf eine konkrete tarifvertragliche Verpflichtung der Beklagten. § 2 HausTV kann deshalb nicht ohne Weiteres zur Auslegung von § 17 Nr. 2 Spiegelstrich 2 HausTV herangezogen werden.

27

(b) Gegen eine solche Heranziehung spricht maßgebend der Umstand, dass der HausTV ausweislich seiner Präambel „auf Basis der Beschäftigungssicherungstarifverträge für Hafenarbeiter …“ abgeschlossen worden ist. Der BeschäftigungssicherungsTV sieht in seinem § 8 Nr. 2 Satz 2 Spiegelstrich 2 eine mit § 17 Nr. 2 Spiegelstrich 2 HausTV wortgleiche Sanktionsregelung vor, ohne dass er gleichzeitig eine dem § 2 HausTV entsprechende Regelung enthielte. Da die Tarifvertragsparteien des HausTV diese Regelung erkennbar übernehmen wollten, kann sich ihre Auslegung nicht an § 2 HausTV orientieren.

28

cc) Auch Sinn und Zweck der Regelung sprechen für das Auslegungsergebnis, dass bereits die Erklärung des Verbandsaustritts zur Beendigung des HausTV führt. § 2 HausTV bezweckt einen Gleichlauf von Tarifgebundenheit der Beklagten auf der einen und Geltung des (Sanierungs-)Tarifvertrags auf der anderen Seite. Dadurch soll gewährleistet werden, dass die Beklagte, deren Verpflichtungen aus dem RTV teilweise vorübergehend abgesenkt werden, diese im Übrigen aufgrund unmittelbarer Tarifgebundenheit zu erfüllen hat. Schon die Gefährdung dieses Gleichlaufs durch eine Kündigung der - tarifgebundenen - Mitgliedschaft im Unternehmensverband sollte durch die Regelung unterbunden werden.

29

b) Die Regelung in § 17 Nr. 2 Spiegelstrich 2 HausTV ist auch wirksam. Entgegen der Auffassung der Beklagten wird ihr Grundrecht auf negative Koalitionsfreiheit nicht verletzt.

30

aa) Art. 9 Abs. 3 GG gewährleistet als individuelles Freiheitsrecht das Recht jedes Einzelnen, eine Koalition zu gründen, einer Koalition beizutreten oder ihr fernzubleiben oder aus ihr auszutreten sowie das Recht, durch koalitionsmäßige Betätigung die in der Grundrechtsnorm genannten Zwecke zu verfolgen. Elemente der Gewährleistung der Koalitionsfreiheit sind demnach insbesondere die Gründungs- und Beitrittsfreiheit, die Freiheit des Austritts und des Fernbleibens (sh. nur BVerfG 3. Juli 2000 - 1 BvR 945/00 - zu II 2 a der Gründe mwN zur verfassungsgerichtlichen Rechtsprechung; BAG 1. Juli 2009 - 4 AZR 261/08 - Rn. 38, BAGE 131, 176). Dabei stellt nicht jeder tatsächliche Druck, einer Koalition beizutreten oder in dieser zu verbleiben, einen unzulässigen Eingriff in die negative Koalitionsfreiheit dar (vgl. BVerfG 15. Juli 1980 - 1 BvR 24/74 - zu B II 2 a der Gründe, BVerfGE 55, 7; 14. Juni 1983 - 2 BvR 488/80 - zu B I der Gründe, BVerfGE 64, 208). Allerdings kann eine ausdrückliche Verpflichtung des Arbeitgebers in einem Firmentarifvertrag, die Mitgliedschaft in einem bestimmten Arbeitgeberverband aufrechtzuerhalten, gegen Art. 9 Abs. 3 Satz 2 iVm. Satz 1 GG verstoßen. Der Arbeitgeber verliert durch eine derartige Verpflichtung seine grundrechtlich garantierte Freiheit, aus dem Verband auszutreten. Der freiwilligen Beschränkung der negativen Koalitionsfreiheit werden hierdurch Grenzen gesetzt (BAG 10. Dezember 2002 - 1 AZR 96/02 - zu B I 3 b bb der Gründe, BAGE 104, 155). Auch hat der Bundesgerichtshof wiederholt entschieden, die durch Art. 9 Abs. 3 GG garantierte Freiheit, eine Koalition zu verlassen, dürfe nicht unangemessen durch zeitliche Austrittshindernisse erschwert werden. Einem Mitglied einer Koalition seien lediglich „mäßige“ Kündigungsfristen zuzumuten (BGH 4. Juli 1977 - II ZR 30/76 -; 22. September 1980 - II ZR 34/80 -; für den Austritt aus dem Arbeitgeberverband BGH 29. Juli 2014 - II ZR 243/13 - Rn. 23 ff., BGHZ 202, 202).

31

bb) Im Entscheidungsfall ist die negative Koalitionsfreiheit der Beklagten durch die tarifliche Regelung von § 17 Nr. 2 Spiegelstrich 2 HausTV nicht verletzt.

32

(1) Eine Verletzung des nach Art. 9 Abs. 3 GG gewährleisteten Grundrechts kommt bereits deshalb nicht in Betracht, weil sich die Beklagte mit dem Abschluss des HausTV nicht verpflichtet hat, ihre Mitgliedschaft im Arbeitgeberverband - längerfristig - zu garantieren. Sie ist lediglich die Verpflichtung eingegangen, ihre Mitgliedschaft für die Laufzeit des Sanierungszwecken dienenden HausTV - gleichsam als Gegenleistung für dessen Abschluss - aufrechtzuerhalten. § 17 Nr. 2 Spiegelstrich 2 HausTV untersagt zudem nicht den Austritt aus dem Arbeitgeberverband. Die Vorschrift geht gerade umgekehrt von einer solchen - jederzeitigen - Möglichkeit aus.

33

(2) Mit der an die Erklärung eines Austritts während der Laufzeit geknüpften Rechtsfolge des § 17 Nr. 2 Spiegelstrich 2 HausTV wird auch kein unangemessener Druck auf die Beklagte ausgeübt, die Mitgliedschaft im Arbeitgeberverband aufrechtzuerhalten. Der Eintritt der auflösenden Bedingung führt lediglich zu einem „Wiederaufleben“ des RTV, also einer uneingeschränkten Geltung bis zum Ablauf der Kündigungsfrist und einer anschließenden Nachbindung iSv. § 3 Abs. 3 TVG. Dies stellt keinen Verstoß gegen Art. 9 Abs. 3 GG dar. Die Beklagte hat ihre Bindung an die von dem Arbeitgeberverband vereinbarten Tarifverträge durch ihren Beitritt zu diesem in Ausübung der ihr zustehenden Koalitionsfreiheit selbst herbeigeführt. Die Fortgeltung der Bindung an den Tarifvertrag ist durch die - frühere - Mitgliedschaft der Beklagten im Arbeitgeberverband legitimiert (vgl. BAG 1. Juli 2009 - 4 AZR 261/08 - Rn. 43, BAGE 131, 176; 7. November 2001 - 4 AZR 703/00 - zu 1 c dd (1) der Gründe, BAGE 99, 283).

34

(3) Danach kommt es auf die von der Revision aufgeworfene Frage, ob die satzungsmäßige Kündigungsfrist von sechs Monaten zum Ende des Kalenderjahres unter verfassungsrechtlichen Gesichtspunkten unwirksam ist, nicht an (vgl. zu einem Verstoß gegen Art. 9 Abs. 3 GG durch eine Austrittsfrist von mehr als sechs Monaten in einer Satzung eines Arbeitgeberverbands BGH 29. Juli 2014 - II ZR 243/13 - Rn. 23 ff., BGHZ 202, 202).

35

c) Die Beklagte hat mit Schreiben vom 28. Juni 2012 ihren Austritt aus dem Unternehmensverband wirksam erklärt.

36

aa) Entgegen ihrer Auffassung handelte es sich bei diesem Schreiben ausweislich des Wortlauts um eine Kündigungserklärung, die mit Ablauf der Kündigungsfrist ohne weitere Erklärung zur Beendigung der Mitgliedschaft führen sollte, und nicht lediglich um eine „Ankündigung“ einer Kündigung.

37

bb) Das Schreiben der Beklagten vom 3. Dezember 2012, mit welchem sie ihre „Ankündigung einer Kündigung der Mitgliedschaft … im vollen Umfang zurück[zog]“, konnte die wirksame Austrittserklärung nicht rückwirkend beseitigen. Diese Austrittserklärung ist eine Kündigungserklärung und damit eine einseitige empfangsbedürftige Willenserklärung. Sie ist bedingungsfeindlich und kann nach ihrem Zugang nicht mehr einseitig zurückgenommen werden. Sie kann allenfalls gemäß § 140 BGB in einen Antrag auf erneuten Beitritt umgedeutet werden. Diesen hat der Unternehmensverband zwar mit E-Mail vom 4. Dezember 2012 angenommen. Aber selbst wenn man darin einen „rückwirkenden Vertragsschluss“ sehen wollte, wäre dieser nicht geeignet, die „Erklärung des Austritts“ aus dem Unternehmensverband mit der - tariflichen - Folge der auflösenden Bedingung des § 17 Nr. 2 Spiegelstrich 2 HausTV zu beseitigen.

38

d) Schließlich gilt der HausTV auch nicht deshalb fort, weil die Tarifvertragsparteien sich später auf dessen durchgehenden Fortbestand geeinigt hätten. Mit E-Mail vom 13. September 2012 hat die Gewerkschaftssekretärin von ver.di die Beklagte gebeten, den Schritt des Austritts zu überdenken bzw. zurückzunehmen. Am folgenden Tag hat die Geschäftsführerin der Beklagten angekündigt, „einen Dialog“ mit der Gewerkschaft aufnehmen zu wollen. Darin liegt weder die Annahme eines Angebots noch ein - hinreichend bestimmter - Antrag auf Neuabschluss des HausTV. Erst in der E-Mail der Gewerkschaftssekretärin H vom 27. September 2012 liegt ein auf den Neuabschluss des HausTV gerichtetes Angebot mit Wirkung zum 1. Oktober 2012. Die Beklagte hat diesen Antrag nicht angenommen. Eine Annahme kann auch nicht in der „Rücknahme“ der Kündigung gesehen werden. Diese Erklärung ist der Gewerkschaft ver.di nicht zugegangen. Zudem wäre sie auch nicht rechtzeitig erfolgt, da der Antrag mit Ablauf des 5. Oktober 2012 erloschen war (§§ 146, 148 BGB). Die Geltung des Antrags war ausdrücklich bis zu diesem Datum befristet.

39

e) Die noch streitigen Ansprüche des Klägers sind - wie das Landesarbeitsgericht zu Recht angenommen hat - auch nicht nach § 22 RTV verfallen. Dagegen hat die Revision keine Einwendungen mehr erhoben.

40

III. Die Beklagte hat gemäß § 97 Abs. 1 ZPO die Kosten ihrer erfolglosen Revision zu tragen.

        

    Eylert    

        

    Klose    

        

    Rinck    

        

        

        

    Kiefer    

        

    G. Kleinke    

                 

Urteilsbesprechung zu Bundesarbeitsgericht Urteil, 14. Sept. 2016 - 4 AZR 534/14

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Bundesarbeitsgericht Urteil, 12. Apr. 2011 - 9 AZR 80/10

bei uns veröffentlicht am 12.04.2011

Tenor Die Revision der Beklagten gegen das Urteil des Landesarbeitsgerichts Hamburg vom 29. Oktober 2009 - 2 Sa 146/09 - wird zurückgewiesen.

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(1) Alle Deutschen haben das Recht, Vereine und Gesellschaften zu bilden.

(2) Vereinigungen, deren Zwecke oder deren Tätigkeit den Strafgesetzen zuwiderlaufen oder die sich gegen die verfassungsmäßige Ordnung oder gegen den Gedanken der Völkerverständigung richten, sind verboten.

(3) Das Recht, zur Wahrung und Förderung der Arbeits- und Wirtschaftsbedingungen Vereinigungen zu bilden, ist für jedermann und für alle Berufe gewährleistet. Abreden, die dieses Recht einschränken oder zu behindern suchen, sind nichtig, hierauf gerichtete Maßnahmen sind rechtswidrig. Maßnahmen nach den Artikeln 12a, 35 Abs. 2 und 3, Artikel 87a Abs. 4 und Artikel 91 dürfen sich nicht gegen Arbeitskämpfe richten, die zur Wahrung und Förderung der Arbeits- und Wirtschaftsbedingungen von Vereinigungen im Sinne des Satzes 1 geführt werden.

(1) Auf Feststellung des Bestehens oder Nichtbestehens eines Rechtsverhältnisses, auf Anerkennung einer Urkunde oder auf Feststellung ihrer Unechtheit kann Klage erhoben werden, wenn der Kläger ein rechtliches Interesse daran hat, dass das Rechtsverhältnis oder die Echtheit oder Unechtheit der Urkunde durch richterliche Entscheidung alsbald festgestellt werde.

(2) Bis zum Schluss derjenigen mündlichen Verhandlung, auf die das Urteil ergeht, kann der Kläger durch Erweiterung des Klageantrags, der Beklagte durch Erhebung einer Widerklage beantragen, dass ein im Laufe des Prozesses streitig gewordenes Rechtsverhältnis, von dessen Bestehen oder Nichtbestehen die Entscheidung des Rechtsstreits ganz oder zum Teil abhängt, durch richterliche Entscheidung festgestellt werde.

Tenor

Die Revision der Beklagten gegen das Urteil des Landesarbeitsgerichts Hamburg vom 29. Oktober 2009 - 2 Sa 146/09 - wird zurückgewiesen.

Die Beklagte hat die Kosten des Revisionsverfahrens zu tragen.

Tatbestand

1

Die Parteien streiten in der Revisionsinstanz noch darüber, ob dem Kläger aus dem Jahr 2007 ein tariflicher Mehrurlaubsanspruch von zehn Arbeitstagen zusteht.

2

Der schwerbehinderte Kläger ist seit 1975 bei der Beklagten beschäftigt. Diese betreibt ein Dienstleistungsunternehmen zur Wartung, Instandhaltung und Ausstattung von Flugzeugen im Verbund des DLH-Konzerns.

3

Nach Ziff. 3 des Arbeitsvertrags ergeben sich die Rechte und Pflichten des Klägers aus den jeweils gültigen Tarifverträgen, den Betriebsvereinbarungen und Dienstvorschriften der DLH. Die Parteien wenden deshalb auf ihr Arbeitsverhältnis den Manteltarifvertrag Nr. 14 für das Bodenpersonal in der Fassung vom 1. Januar 2007 (MTV Boden) an. Dort heißt es zum Urlaubsanspruch ua.:

        

㤠32 Erholungsurlaub

        

(1)     

Jeder Mitarbeiter hat in jedem vom 01. Januar bis 31. Dezember laufenden Urlaubsjahr Anspruch auf Erholungsurlaub, der möglichst zusammenhängend zu nehmen und zu gewähren ist. …

        

...     

        
        

§ 36 Anteiliger Urlaub im laufenden Urlaubsjahr

        

...     

        
        

(3)     

Wechselt der Mitarbeiter im laufenden Kalenderjahr zwischen der DLH und LSG oder einer Gesellschaft im Tarifvertrag zur Erweiterung des Geltungsbereiches oder einer anderen Gesellschaft im Lufthansa-Konzern, so stehen ihm aus den Arbeitsverhältnissen insgesamt mehr als 12/12 des tariflichen Urlaubs zu.

                 

…       

        

(4)     

Bei Arbeitsbefreiung ohne Fortzahlung der Vergütung - ausgenommen der Fälle des § 12 a - und Ruhen des Arbeitsverhältnisses, die 15 Kalendertage in einem Jahr überschreiten, wird der Urlaub anteilig für diejenige Zeit gekürzt, in der das Arbeitsverhältnis ruhte, und zwar für jeden Kalendertag um 1/365, sofern gesetzlich nichts anderes bestimmt ist. …

        

§ 37 Verfallen und Übertragung des Urlaubsanspruchs

        

(1)     

Nicht genommener Erholungsurlaub verfällt ohne Anspruch auf Abgeltung am 31. März des folgenden Jahres, frühestens jedoch 6 Monate nach Beendigung der Wartezeit.

        

(2)     

Hat jedoch der Mitarbeiter den Anspruch auf Urlaub erfolglos geltend gemacht, so ist ihm der Urlaub nachzugewähren.“

4

Nach § 32 Abs. 3 MTV Boden beträgt der Urlaubsanspruch ab dem fünften Jahr der Beschäftigung 30 Urlaubstage.

5

2007 gewährte die Beklagte dem Kläger 14 Urlaubstage. Danach war der Kläger vom 28. Juli 2007 bis zum 30. April 2008 arbeitsunfähig erkrankt. Mit Urlaubsantrag vom 23. April 2008 verlangte er erfolglos, ihm für die Zeit vom 2. Mai bis zum 30. Mai 2008 Urlaub aus dem Vorjahr zu gewähren. Am 8. Mai 2008 nahm der Kläger seine Arbeitstätigkeit wieder auf. Die Zeitkontenliste der Beklagten vom 8. Mai 2008 für die Abrechnungsperiode 1. Mai bis 31. Mai 2008 weist einen Resturlaubsanspruch des Klägers von 21 Tagen aus. Mit Schreiben seines Prozessbevollmächtigten vom 10. Juni 2008 forderte der Kläger die Beklagte auf, seinen Urlaubsanspruch iHv. 21 Resturlaubstagen zu bestätigen. Vorinstanzlich hat der Kläger geltend gemacht, ihm stehe aus dem Jahr 2007 noch eine Urlaubsdauer von 21 Tagen zu, nämlich fünf Tage Zusatzurlaub nach § 125 Abs. 1 Satz 1 Halbs. 1 SGB IX, sechs Tage gesetzlicher Mindesturlaub sowie zehn Tage tariflicher Mehrurlaub.

6

Er hat die Auffassung vertreten, seine Urlaubsansprüche seien nicht verfallen, da er nur wegen seiner Arbeitsunfähigkeit daran gehindert gewesen sei, den Urlaub tatsächlich in Anspruch zu nehmen.

7

Der Kläger hat vorinstanzlich beantragt

        

festzustellen, dass ihm aus dem Jahr 2007 noch ein Resturlaubsanspruch von 21 Arbeitstagen zusteht.

8

Die Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen. Sie hat die Auffassung vertreten, der tarifliche Mehrurlaub des Klägers sei nach § 37 Abs. 1 MTV Boden verfallen. Der MTV Boden enthalte hinsichtlich des Verfalls der Urlaubsansprüche eine eigenständige von § 7 Abs. 3 BUrlG abweichende Regelung.

9

Das Arbeitsgericht hat die Klage abgewiesen. Das Landesarbeitsgericht hat der Klage stattgegeben. Darauf hat die Beklagte dem Zeitkonto des Klägers elf Urlaubstage gutgeschrieben. Sie wendet sich in der Revision nur noch gegen die Feststellung des Landesarbeitsgerichts, dass dem Kläger aus dem Jahr 2007 noch ein Anspruch auf Resturlaub von zehn Arbeitstagen für nicht gewährten tariflichen Mehrurlaub zusteht.

Entscheidungsgründe

10

A. Die Revision der Beklagten ist unbegründet. Das Landesarbeitsgericht hat zu Recht festgestellt, dass dem Kläger wegen des 2007 zwar entstandenen, aber nicht voll erfüllten Urlaubsanspruchs noch zehn Urlaubstage zu gewähren sind.

11

I. Die Feststellungsklage ist zulässig. Insbesondere besteht das nach § 256 Abs. 1 ZPO erforderliche Feststellungsinteresse.

12

1. Eine Feststellungsklage ist dann zulässig, wenn auf diesem Wege eine sachgemäße, einfache Erledigung der Streitpunkte zu erreichen ist und prozesswirtschaftliche Erwägungen gegen einen Zwang zur Leistungsklage sprechen (BAG 9. September 2003 - 9 AZR 468/02 - zu I der Gründe, EzA TVG § 4 Chemische Industrie Nr. 6).

13

2. So ist es hier. Eine Leistungsklage wäre nur als Klage auf Abgabe einer Willenserklärung iSv. § 894 ZPO möglich. Denn der Arbeitgeber hat zur Erfüllung des Urlaubsanspruchs den Arbeitnehmer von der Arbeitspflicht freizustellen. Diese Freistellung erfolgt durch einseitige empfangsbedürftige Willenserklärung, wobei der Arbeitgeber gemäß § 7 Abs. 1 Satz 1 BUrlG die Urlaubswünsche des Arbeitnehmers zu berücksichtigen hat(BAG 20. Januar 2009 - 9 AZR 650/07 - Rn. 24). Vollstreckbar wäre ein entsprechender Titel aber nur, wenn er auf Abgabe einer bestimmten Willenserklärung gerichtet ist (vgl. PG/Olzen ZPO 3. Aufl. § 887 Rn. 6). Bei mangelnder Bestimmtheit der Klage auf Abgabe einer Willenserklärung wäre nur eine Vollstreckung nach § 888 ZPO möglich(OLG Hamm 25. Juni 1970 - 14 W 31/70 - MDR 1971, 401).

14

3. Eine Klage iSv. § 894 ZPO auf Gewährung des Urlaubs für einen bestimmten kalendermäßig festgelegten Zeitraum wäre weder prozesswirtschaftlicher als die Feststellungsklage, noch wäre sie dem Arbeitnehmer zumutbar. Wird der Schuldner zur Abgabe einer empfangsbedürftigen Willenserklärung antragsgemäß verurteilt, gilt nach § 894 ZPO die Willenserklärung erst dann als abgegeben, wenn das Urteil rechtskräftig geworden ist(BAG 15. September 2009 - 9 AZR 608/08 - Rn. 23, AP BGB § 311a Nr. 3 = EzA ZPO 2002 § 894 Nr. 1). Zum Zeitpunkt der Klageerhebung ist nicht bekannt, wann ein gegebenenfalls stattgebendes Urteil rechtskräftig wird. Der Kläger müsste deshalb seinen mit der Leistungsklage angegebenen Urlaubszeitraum mittels Klageänderung fortlaufend anpassen. Das wäre zB dann nicht mehr möglich, wenn der zuletzt beantragte Urlaubszeitraum zwischen Verkündung und Ablauf der Rechtsmittelfrist läge.

15

4. Auf eine Klage zur Gewährung des Urlaubs für einen nicht festgelegten Zeitraum darf der Arbeitnehmer nicht verwiesen werden. Dabei kann dahinstehen, ob ein entsprechender Titel nach § 888 ZPO zu vollstrecken wäre. Bei einer solchen Klage müsste der Arbeitnehmer auf sein Recht gemäß § 7 Abs. 1 Satz 1 BUrlG, den Urlaub nach seinen Wünschen zeitlich festzulegen, verzichten. Denn im Hinblick auf die nach § 894 ZPO erforderliche Bestimmtheit müsste die Klage dahin ausgelegt werden, dass der Arbeitnehmer seinem beklagten Arbeitgeber die zeitliche Festlegung des Urlaubs überlassen wolle. Nach § 7 Abs. 1 Satz 1 BUrlG hat der Arbeitgeber demgegenüber bei der zeitlichen Festlegung des Urlaubs die Urlaubswünsche des Arbeitnehmers zu berücksichtigen, es sei denn, dass dem dringende betriebliche Belange oder Urlaubswünsche anderer Arbeitnehmer entgegenstehen, die unter sozialen Gesichtspunkten den Vorrang verdienen(BAG 14. August 2007 - 9 AZR 934/06 - Rn. 12, AP BUrlG § 7 Nr. 38 = EzA BUrlG § 7 Nr. 119). Prozesswirtschaftliche Erwägungen rechtfertigen es nicht, dem Arbeitnehmer dieses erste Bestimmungsrecht zu entziehen und seine materiellen Ansprüche deshalb einzuschränken.

16

II. Die Klage ist begründet. Der unstreitig 2007 entstandene und nicht erfüllte Anspruch auf zehn Tage tarifvertraglichen Mehrurlaub ist entgegen der Auffassung der Revision nicht nach § 37 Abs. 1 MTV Boden oder gemäß § 7 Abs. 3 BUrlG mit dem 31. März 2008, sondern erst während des Verzugs der Beklagten mit dem 31. März 2009 untergegangen. Der Kläger hat deshalb Anspruch nach § 280 Abs. 1, § 286 Abs. 1, § 287 Satz 2, § 249 Abs. 1 BGB auf noch zu gewährenden Ersatzurlaub.

17

1. Auf das Arbeitsverhältnis der Parteien ist nach Ziff. 3 des Arbeitsvertrags der Parteien der MTV Boden anzuwenden.

18

2. Der Urlaubsanspruch des Klägers ist entgegen der Auffassung der Revision nicht zum 31. März 2008 verfallen. Er konnte den Urlaub für das Jahr 2007 nicht bis zum 31. März 2008 antreten, da er vom 28. Juli 2007 bis zum 30. April 2008 durchgehend arbeitsunfähig erkrankt war. Sein Anspruch auf den übergesetzlichen tarifvertraglichen Mehrurlaub von zehn Arbeitstagen war damit auch bis zum Ende des Übertragungszeitraums gemäß § 37 Abs. 1 MTV Boden am 31. März 2008 nicht erfüllbar.

19

3. Nach der neueren Rechtsprechung des Senats führt die fortdauernde Arbeitsunfähigkeit zur weiteren automatischen Übertragung des gesetzlichen Mindesturlaubs und hindert so dessen Verfall (vgl. zuletzt BAG 4. Mai 2010 - 9 AZR 183/09 - Rn. 18, EzA BUrlG § 7 Abgeltung Nr. 17).

20

4. Entgegen der Revision ist diese Rechtsprechung auch auf den tariflichen Mehrurlaub nach dem MTV Boden anzuwenden. Die tarifliche Regelung lässt nicht erkennen, dass die Tarifvertragsparteien von dem Grundsatz, demzufolge die Bestimmungen zur Übertragung und zum Verfall des gesetzlichen Mindesturlaubs mit denen zum tariflichen Mehrurlaub gleichlaufen, abweichen wollen. Das ergibt die Auslegung der maßgeblichen Tarifvorschriften.

21

a) Die Tarifvertragsparteien können Urlaubs- und Urlaubsabgeltungsansprüche, die den von Art. 7 Abs. 1 derRichtlinie 2003/88/EG gewährleisteten und von §§ 1, 3 Abs. 1 BUrlG begründeten Anspruch auf Mindestjahresurlaub von vier Wochen übersteigen, frei regeln. Ihre Regelungsmacht ist nicht durch die für gesetzliche Urlaubsansprüche erforderliche richtlinienkonforme Fortbildung des § 7 Abs. 3 und Abs. 4 BUrlG beschränkt. Einem tariflich angeordneten Verfall des übergesetzlichen Urlaubsanspruchs und seiner Abgeltung steht nach dem klaren Richtlinienrecht und der gesicherten Rechtsprechung des EuGH kein Unionsrecht entgegen (vgl. BAG 4. Mai 2010 - 9 AZR 183/09 - Rn. 23 mwN, EzA BUrlG § 7 Abgeltung Nr. 17).

22

b) Der Senat hat die hier zu beurteilenden tariflichen Vorschriften deshalb anhand des innerstaatlichen Rechts auszulegen. Es ist zu prüfen, ob die Tarifvertragsparteien von ihrer freien Regelungsmacht Gebrauch gemacht haben. Dies kann sich daraus ergeben, dass sie entweder bei ihrer Verfallsregelung zwischen gesetzlichem Mindesturlaub und tarifvertraglichem Mehrurlaub unterschieden oder sich vom gesetzlichen Fristenregime gelöst und eigenständige vom BUrlG abweichende Regelungen zur Übertragung und zum Verfall des Urlaubsanspruchs getroffen haben. Beides ist nach § 37 Abs. 1 MTV Boden nicht der Fall.

23

aa) Unterscheidet ein Tarifvertrag zwischen gesetzlichem Mindesturlaub und tarifvertraglichem Mehrurlaub, ist es regelmäßig gerechtfertigt, auch hinsichtlich des Verfalls von Urlaubsansprüchen entsprechend zu differenzieren. Die vom Senat entwickelte richtlinienkonforme Fortbildung des § 7 Abs. 3 und Abs. 4 BUrlG betrifft nur die Mindesturlaubsansprüche(BAG 4. Mai 2010 - 9 AZR 183/09 - Rn. 18, EzA BUrlG § 7 Abgeltung Nr. 17). Trennen die Tarifvertragparteien zwischen gesetzlichem und tarifvertraglichem Urlaub, machen sie von ihrer freien, nicht durch § 13 Abs. 1 BUrlG beschränkten Regelungsmacht für den tariflichen Mehrurlaub Gebrauch. Es ist dann ausgeschlossen, ohne konkrete Anhaltspunkte die richtlinienkonforme Fortbildung von Vorschriften des BUrlG auch auf den tariflichen Mehrurlaub anzuwenden. Ein entsprechender zwischen beiden Urlaubsarten differenzierender Regelungswille der Tarifvertragsparteien lässt sich nicht schon daraus herleiten, dass ein Tarifvertrag sich vom gesetzlichen Urlaubsregime löst und stattdessen eigene Regeln aufstellt (so aber LAG Hamm 24. Februar 2011 - 16 Sa 727/10 - Rn. 49; LAG Düsseldorf 20. Januar 2011 - 11 Sa 1493/10 - Rn. 32, ZTR 2011, 377; LAG Rheinland-Pfalz 19. August 2010 - 10 Sa 244/10 - Rn. 31, ZTR 2011, 98). Denn ein solcher Tarifvertrag, der nicht zwischen beiden Urlaubsarten unterscheidet, löst sich insgesamt für gesetzlichen und tarifvertraglichen Urlaub vom Regime des BUrlG.

24

Die Tarifvertragsparteien haben im MTV Boden nicht zwischen gesetzlichem und tarifvertraglichem Urlaub unterschieden.

25

(1) Der Senat hat in ständiger Rechtsprechung die Auslegungsregel aufgestellt, für einen Regelungswillen, der zwischen gesetzlichen und übergesetzlichen tarifvertraglichen Ansprüchen unterscheide, müssten deutliche Anhaltspunkte bestehen. Trotz teilweiser Kritik in der Literatur und von Instanzgerichten hat der Senat auch für Tarifverträge hieran festgehalten (BAG 23. März 2010 - 9 AZR 128/09 - Rn. 35 ff. mwN, AP SGB IX § 125 Nr. 3 = EzA BUrlG § 7 Abgeltung Nr. 16).

26

(2) Solche Anhaltspunkte sind im MTV Boden nicht ersichtlich. Diese können sich nur daraus ergeben, dass der Tarifvertrag gesetzliche und tarifvertragliche Urlaubsansprüche unterschiedlich regelt. Das ist im MTV Boden nicht der Fall. Sämtliche Urlaubsregelungen differenzieren nicht zwischen gesetzlichem Urlaub und tarifvertraglichem Mehrurlaub.

27

bb) Haben die Tarifvertragsparteien einheitlich sowohl für den unionsrechtlich verbürgten Mindest- als auch für den übersteigenden Mehrurlaub von § 7 Abs. 3 BUrlG wesentlich abweichende Übertragungs- und Verfallsregeln vereinbart, so zeugt das ebenfalls für einen eigenständigen Regelungswillen. Danach soll der Arbeitnehmer das Risiko, den Urlaub nicht in Anspruch nehmen zu können, tragen. Dies schließt einen ergänzenden Rückgriff auf die - unionsrechtlich bedingt - reformierte Rechtsprechung des Senats, der zufolge der Urlaubsanspruch auch im Fall der krankheitsbedingten Unmöglichkeit einer Erfüllung erhalten bleibt, unabhängig davon aus, ob diese Rechtsprechung auf einer richtlinienkonformen Auslegung oder auf einer richtlinienkonformen Rechtsfortbildung beruht. Unerheblich ist in diesem Zusammenhang, dass die eigenständige Sonderregelung für den unionsrechtlich verbürgten Mindesturlaub im Hinblick auf § 13 Abs. 1 Satz 1, § 1 BUrlG iVm. § 134 BGB unwirksam ist. Für den vom Mindesturlaub abtrennbaren Teil der einheitlich geregelten Gesamturlaubsdauer, den sog. Mehrurlaub, bleibt sie gemäß § 139 BGB wirksam.

28

Soweit die Instanzrechtsprechung einen eigenständigen, dem Gleichlauf von Mindest- und Mehrurlaub entgegenstehenden Regelungswillen bereits dann annimmt, wenn in einem Tarifvertrag von der Zwölftelungsregelung des § 5 BUrlG abgewichen wird(so ArbG München 11. Februar 2010 - 3 Ca 10454/09 -), kann dem nicht zugestimmt werden (zutreffend LAG München 29. Juli 2010 - 3 Sa 280/10 - Rn. 25 ff.). Entscheidend ist vielmehr, ob vom Fristenregime des BUrlG abgewichen oder zumindest durch die Differenzierung zwischen Mindest- und Mehrurlaub erkennbar gemacht wird, dass der Arbeitnehmer für den Mehrurlaub das Verfallsrisiko tragen soll.

29

Die Voraussetzungen einer solchen Abweichung sind im MTV Boden nicht erfüllt. Der MTV Boden regelt weder ein eigenständiges vom BUrlG abweichendes Fristenregime, noch lässt er erkennen, dass der Arbeitnehmer das Risiko der Inanspruchnahmemöglichkeit für den Mehrurlaub tragen soll.

30

(1) § 37 Abs. 1 MTV Boden wiederholt vorrangig die bereits im BUrlG bestimmte Befristung des Urlaubsanspruchs. Nach den Tarifregelungen muss der Urlaub - wie auch gemäß § 7 Abs. 3 Satz 1 BUrlG - im Urlaubsjahr gewährt und genommen werden. Denn § 32 Abs. 1 MTV Boden bestimmt, dass jeder Mitarbeiter in jedem vom 1. Januar bis 31. Dezember laufenden Urlaubsjahr Anspruch auf Erholungsurlaub hat. Im Zusammenhang mit § 37 Abs. 1 MTV Boden lässt sich hieraus herleiten, dass der Urlaub im Kalenderjahr gewährt und genommen werden muss. Diese Bindung an das Kalenderjahr wird durch § 37 Abs. 1 MTV Boden bestätigt(vgl. zum gleichlautenden § 17d MTV Cockpit BAG 11. April 2006 - 9 AZR 523/05 - Rn. 20, AP BUrlG § 7 Übertragung Nr. 28 = EzA BUrlG § 7 Nr. 116). Danach verfällt „nicht genommener Erholungsurlaub“ am 31. März des folgenden Jahres. Das zeigt, dass der Erholungsurlaub im Urlaubsjahr genommen werden soll und allenfalls auf die ersten drei Monate des folgenden Jahres übertragen wird. Dies wird durch die Überschrift dieser Tarifnorm „Verfallen und Übertragung des Urlaubsanspruchs“ verdeutlicht.

31

(2) Auch der in § 37 Abs. 1 MTV Boden angeordnete Verfall nicht genommenen Urlaubs am 31. März des folgenden Jahres entspricht dem Fristenregime des § 7 Abs. 3 Satz 3 BUrlG.

32

(3) Soweit die Tarifvertragsparteien für die Übertragung des Urlaubsanspruchs auf die ersten drei Monate des Folgejahres in Abweichung von § 7 Abs. 3 Satz 2 BUrlG auf betriebliche oder in der Person des Arbeitnehmers liegende rechtfertigende Gründe verzichtet haben, lässt dies nicht ausreichend ein eigenständiges abschließendes Fristenregime erkennen. Es wird lediglich, möglicherweise aus Praktikabilitätserwägungen, auf die ansonsten notwendige Prüfung der Übertragungsvoraussetzungen verzichtet. Eine solche Teilabweichung lässt nicht auf den Regelungswillen der Tarifvertragsparteien schließen, sich ansonsten vom Fristenregime des BUrlG lösen zu wollen, zumal sie hier den 31. März des Folgejahres aus der gesetzlichen Regelung des § 7 Abs. 3 Satz 3 BUrlG übernommen haben.

33

(4) Zwar ordnet § 37 Abs. 1 MTV Boden über den Wortlaut in § 7 BUrlG hinaus ausdrücklich den Verfall des Urlaubsanspruchs an. Auch hieraus lässt sich kein eigenständiger Regelungswille der Tarifvertragsparteien folgern. Sie haben lediglich die Rechtsprechung des Senats zu § 7 BUrlG deklaratorisch übernommen. Danach verfällt der gemäß § 7 Abs. 3 Satz 2 BUrlG auf das folgende Kalenderjahr übertragene und nicht bis zum 31. März des folgenden Jahres verwirklichte Urlaub mit Ablauf dieser Frist (so schon BAG 24. November 1987 - 8 AZR 140/87 - zu 2 der Gründe, BAGE 56, 340). Dasselbe gilt für die Regelung in § 37 Abs. 2 MTV Boden. Danach ist der vom Mitarbeiter erfolglos geltend gemachte Urlaub nachzugewähren. Dies entspricht der Rechtsprechung, nach der sich der Urlaubsanspruch gemäß § 280 Abs. 1, § 286 Abs. 1, § 287 Satz 2, § 249 Abs. 1 BGB in einen Schadensersatzanspruch umwandelt, der auf Gewährung von Ersatzurlaub als Naturalrestitution gerichtet ist, wenn der Arbeitgeber den rechtzeitig verlangten Urlaub nicht gewährt und der Urlaub aufgrund seiner Befristung verfällt(BAG 11. April 2006 - 9 AZR 523/05 - Rn. 24, AP BUrlG § 7 Übertragung Nr. 28 = EzA BUrlG § 7 Nr. 116). Ein vom BUrlG in Ausprägung der Rechtsprechung des Senats abweichender Regelungswille der Tarifvertragsparteien ergibt sich deshalb nicht.

34

(5) Die Revision verweist ohne Erfolg auf § 36 Abs. 4 Satz 1 MTV Boden. Danach wird der Urlaub anteilig um Zeiten der Arbeitsbefreiung ohne Fortzahlung der Vergütung gekürzt. Die Kürzung sollte nur stattfinden, „sofern gesetzlich nichts anderes bestimmt ist“. Die Beklagte beruft sich insoweit zu Unrecht auf die Entscheidung des Senats vom 24. März 2009 (- 9 AZR 983/07 - Rn. 85, BAGE 130, 119). Dort hat der Senat zwar die Formulierung in einer kirchlichen Arbeits- und Vergütungsordnung (KAVO) „soweit gesetzlich nicht anderes geregelt ist“ zum Anlass genommen, eine Unterscheidung zwischen gesetzlichen und übergesetzlichen Ansprüchen anzunehmen. Allerdings betraf diese Gesetzesvorbehaltsregelung ausschließlich den ausdrücklich in der KAVO auch in den Fristen abweichend vom BUrlG geregelten Verfall des Urlaubsanspruchs. Damit wird deutlich, dass die KAVO ein eigenes Fristen- und Verfallsregime bestimmte und lediglich sonstige, zwingende gesetzliche Regelungen des BUrlG weiter Bestand haben sollten. Ein solches eigenständiges Fristenregime sowie eine darauf bezogene Gesetzesvorbehaltsregelung enthält die Verfallsregelung des MTV Boden in seinem § 37 gerade nicht.

35

(6) Soweit § 36 Abs. 3 MTV Boden bestimmt, dass dem Arbeitnehmer insgesamt nicht mehr als 12/12 des tariflichen Urlaubs zustehen soll, wenn er zu einer anderen Gesellschaft im DLH-Konzern wechselt, kann dies im Einzelfall von § 5 Abs. 1 BUrlG abweichen. Entgegen der Auffassung der Revision schließt dies einen Rückgriff auf die Verfallsregelungen des § 7 BUrlG nicht aus. Dazu genügen Abweichungen bei der Berechnung des Urlaubsanspruchs nicht.

36

5. Der Anspruch verfiel jedoch gemäß § 37 Abs. 1 MTV Boden und nach § 7 Abs. 3 Satz 3 BUrlG spätestens zum 31. März 2009. Der wegen der mangelnden Möglichkeit der Inanspruchnahme infolge krankheitsbedingter Arbeitsunfähigkeit über den Übertragungszeitraum des ersten Quartals des Folgejahres hinaus fortbestehende Urlaubsanspruch unterfällt, sobald die Arbeitsunfähigkeit als Erfüllungshindernis des Urlaubsanspruchs wegfällt, erneut dem gesetzlichen oder tarifvertraglichen Fristenregime.

37

a) Der im Vorjahr wegen Arbeitsunfähigkeit nicht erfüllbare Urlaubsanspruch wird nach § 7 Abs. 3 Satz 2 BUrlG bei einem in der Person des Arbeitnehmers liegenden Grund automatisch übertragen. Er tritt dem am 1. Januar des Folgejahres nach § 4 BUrlG entstehenden neuen Urlaubsanspruch mit der Maßgabe hinzu, dass er nach § 7 Abs. 3 Satz 3 BUrlG bis zum 31. März des Folgejahres gewährt und genommen werden muss (Gaul/Bonanni/Ludwig DB 2009, 1013; Düwell dbr 8/2009 S. 9). Ist ein Urlaubsanspruch ausnahmsweise bis zum Ende des Übertragungszeitraums wegen Arbeitsunfähigkeit des Arbeitnehmers nicht erfüllbar, kann zwar nach der - unionsrechtlich bedingt - reformierten Rechtsprechung des Senats der Verfall des Urlaubsanspruchs nicht eintreten. Sowohl für den übertragenen als auch für den neu entstandenen Urlaubsteilanspruch gelten dann aber die in § 7 Abs. 3 Satz 1 BUrlG bestimmte Bezugsdauer bis zum 31. Dezember als auch die in einer Art perpetuierendem System eingreifenden Übertragungsregeln aus § 7 Abs. 3 Satz 2 und Satz 3 BUrlG; denn an diesen Befristungen des Urlaubsanspruchs ist für den Regelfall der möglichen Inanspruchnahme festzuhalten (AnwK-ArbR/Düwell 2. Aufl. § 7 BUrlG Rn. 91; dem folgend: LAG München 30. November 2010 - 6 Sa 684/10 - Rn. 30). Das ergibt sich aus folgenden Erwägungen:

38

aa) § 7 Abs. 3 Satz 1 und Satz 2 BUrlG erfasst nicht nur den Urlaubsanspruch des laufenden Jahres(so aber Bauer/Arnold NJW 2009, 631). Nach dem Wortlaut des § 7 Abs. 3 Satz 1 BUrlG muss der Urlaub im laufenden Kalenderjahr gewährt und genommen werden. Die Vorschrift beschränkt ihren Regelungsbereich deshalb nicht auf den für das „laufende Jahr“ entstandenen Urlaub. Sie regelt vielmehr jeden bestehenden gesetzlichen Mindesturlaub. Auch der wegen Arbeitsunfähigkeit fortbestehende Urlaubsanspruch ist gesetzlicher Urlaub im Sinne des BUrlG. Dieser muss im laufenden Kalenderjahr (dem Jahr seines Bestehens) gewährt und genommen werden.

39

bb) Auch aus der Rechtsprechung des EuGH folgt nicht, dass § 7 Abs. 3 BUrlG auf wegen Arbeitsunfähigkeit nicht verfallene Urlaubsansprüche keine Anwendung finden darf(so fälschlich Picker ZTR 2009, 230). Der EuGH hat vielmehr ausdrücklich bestätigt, dass Art. 7 Abs. 1 der Richtlinie 2003/88/EG einer nationalen Regelung nicht entgegensteht, die den Verlust des Urlaubsanspruchs am Ende eines Bezugszeitraums oder eines Übertragungszeitraums bestimmt, wenn der Arbeitnehmer tatsächlich die Möglichkeit hatte, den Urlaub zu nehmen ( EuGH 20. Januar 2009 - C-350/06 und C-520/06  - [Schultz-Hoff] Rn. 42, Slg. 2009, I-179). Deshalb kann der Urlaub in den folgenden Urlaubsjahren verfallen, wenn der Arbeitnehmer ihn nicht rechtzeitig genommen hat und er nicht an der Urlaubsnahme wegen Arbeitsunfähigkeit gehindert war.

40

b) Der Kläger hätte seinen Resturlaubsanspruch aus 2007 nach Wiederherstellung seiner Arbeitsfähigkeit ab Mai 2008 nehmen können. Es war deshalb Verfall spätestens zum 31. März 2009 eingetreten. Die Beklagte befand sich jedoch seit August 2008 mit der Urlaubsgewährung in Verzug, da der Kläger zuvor spätestens mit der ihr am 10. August 2008 zugestellten Klage seine Urlaubsansprüche erfolglos geltend gemacht hatte. Das begründet einen entsprechenden Ersatzurlaubsanspruch des Klägers aus Verzug.

41

III. Die Beklagte hat für den verfallenen Urlaub Ersatz nach § 249 Abs. 1 BGB zu leisten, weil sie sich gemäß § 286 BGB im Schuldnerverzug befand, als der Anspruch auf den restlichen tariflichen Mehrurlaub unterging.

42

B. Die Beklagte hat die Kosten ihrer erfolglosen Revision nach § 97 Abs. 1 ZPO zu tragen.

        

    Düwell    

        

    Suckow    

        

    Krasshöfer    

        

        

        

    D. Wege    

        

    Leitner    

                 

(1) Eine Willenserklärung, die einem anderen gegenüber abzugeben ist, wird, wenn sie in dessen Abwesenheit abgegeben wird, in dem Zeitpunkt wirksam, in welchem sie ihm zugeht. Sie wird nicht wirksam, wenn dem anderen vorher oder gleichzeitig ein Widerruf zugeht.

(2) Auf die Wirksamkeit der Willenserklärung ist es ohne Einfluss, wenn der Erklärende nach der Abgabe stirbt oder geschäftsunfähig wird.

(3) Diese Vorschriften finden auch dann Anwendung, wenn die Willenserklärung einer Behörde gegenüber abzugeben ist.

(1) Alle Deutschen haben das Recht, Vereine und Gesellschaften zu bilden.

(2) Vereinigungen, deren Zwecke oder deren Tätigkeit den Strafgesetzen zuwiderlaufen oder die sich gegen die verfassungsmäßige Ordnung oder gegen den Gedanken der Völkerverständigung richten, sind verboten.

(3) Das Recht, zur Wahrung und Förderung der Arbeits- und Wirtschaftsbedingungen Vereinigungen zu bilden, ist für jedermann und für alle Berufe gewährleistet. Abreden, die dieses Recht einschränken oder zu behindern suchen, sind nichtig, hierauf gerichtete Maßnahmen sind rechtswidrig. Maßnahmen nach den Artikeln 12a, 35 Abs. 2 und 3, Artikel 87a Abs. 4 und Artikel 91 dürfen sich nicht gegen Arbeitskämpfe richten, die zur Wahrung und Förderung der Arbeits- und Wirtschaftsbedingungen von Vereinigungen im Sinne des Satzes 1 geführt werden.

(1) Tarifgebunden sind die Mitglieder der Tarifvertragsparteien und der Arbeitgeber, der selbst Partei des Tarifvertrags ist.

(2) Rechtsnormen des Tarifvertrags über betriebliche und betriebsverfassungsrechtliche Fragen gelten für alle Betriebe, deren Arbeitgeber tarifgebunden ist.

(3) Die Tarifgebundenheit bleibt bestehen, bis der Tarifvertrag endet.

(1) Alle Deutschen haben das Recht, Vereine und Gesellschaften zu bilden.

(2) Vereinigungen, deren Zwecke oder deren Tätigkeit den Strafgesetzen zuwiderlaufen oder die sich gegen die verfassungsmäßige Ordnung oder gegen den Gedanken der Völkerverständigung richten, sind verboten.

(3) Das Recht, zur Wahrung und Förderung der Arbeits- und Wirtschaftsbedingungen Vereinigungen zu bilden, ist für jedermann und für alle Berufe gewährleistet. Abreden, die dieses Recht einschränken oder zu behindern suchen, sind nichtig, hierauf gerichtete Maßnahmen sind rechtswidrig. Maßnahmen nach den Artikeln 12a, 35 Abs. 2 und 3, Artikel 87a Abs. 4 und Artikel 91 dürfen sich nicht gegen Arbeitskämpfe richten, die zur Wahrung und Förderung der Arbeits- und Wirtschaftsbedingungen von Vereinigungen im Sinne des Satzes 1 geführt werden.

Entspricht ein nichtiges Rechtsgeschäft den Erfordernissen eines anderen Rechtsgeschäfts, so gilt das letztere, wenn anzunehmen ist, dass dessen Geltung bei Kenntnis der Nichtigkeit gewollt sein würde.

Der Antrag erlischt, wenn er dem Antragenden gegenüber abgelehnt oder wenn er nicht diesem gegenüber nach den §§ 147 bis 149 rechtzeitig angenommen wird.

Hat der Antragende für die Annahme des Antrags eine Frist bestimmt, so kann die Annahme nur innerhalb der Frist erfolgen.

(1) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen der Partei zur Last, die es eingelegt hat.

(2) Die Kosten des Rechtsmittelverfahrens sind der obsiegenden Partei ganz oder teilweise aufzuerlegen, wenn sie auf Grund eines neuen Vorbringens obsiegt, das sie in einem früheren Rechtszug geltend zu machen imstande war.

(3) (weggefallen)