Bayerisches Landessozialgericht Urteil, 13. Juli 2015 - L 15 SB 16/14
Tenor
I.
Die Berufung gegen das Urteil des Sozialgerichts München
II. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.
III.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Streitig ist, ob die Herabsetzung des Grads der Behinderung (GdB) gemäß § 69 Sozialgesetzbuch Neuntes Buch (SGB IX) von 50 auf 40 nach Ablauf der Zeit der Heilungsbewährung zu Recht erfolgt ist.
Die 1952 geborene Klägerin ist Lehrerin an einem Gymnasium.
Im Jahr 2009 war bei ihr ein duktales Karzinom in situ der rechten Brust diagnostiziert und am
1. Erkrankung der Brust rechts (in Heilungsbewährung) - Einzel-GdB 50
2. Bluthochdruck, Herzklappenfehler - Einzel-GdB 10.
Nach Nachprüfung von Amts wegen und entsprechender Anhörung der Klägerin setzte der Beklagte mit Änderungsbescheid vom
Dagegen legten die Bevollmächtigten der Klägerin Widerspruch ein und begründeten diesen mit Schreiben vom
Nach wiederholter Befassung des versorgungsärztlichen Diensts wies der Beklagte den Widerspruch mit Widerspruchsbescheid vom
Dagegen haben die Bevollmächtigten der Klägerin am
Am
Auf Antrag der Klägerin gemäß § 109 Sozialgerichtsgesetz (SGG) hat die die Klägerin behandelnde Fachärztin für physikalische und rehabilitative Medizin Dr. L. unter dem Datum des „16.04.2012“ (Anmerkung des Senats: Es handelt sich bei der Jahreszahl offensichtlich um einen Schreibfehler; richtig ist 2013) ein Gutachten erstellt. Die Frage, ob sich im Gesundheitszustand der Klägerin gegenüber dem Bescheid vom 14.10.2009 eine wesentliche Änderung eingestellt habe, hat die Sachverständige verneint. Zwar liege kein Rezidiv der Brusterkrankung vor, andererseits habe sich daraus aber offensichtlich ein neuropathisches Schmerzsyndrom entwickelt, was hinsichtlich der Lebensqualität eine deutliche Verschlechterung darstelle. Früher sei die Erkrankung der Brust weitgehend symptomlos gewesen. Bei Abwägung dieser beiden Sachverhalte habe sich keine Änderung ergeben. Die Einzelbeschwerden (Bluthochdruck, Wirbelsäulen- und Gelenkserkrankungen, Schwerhörigkeit) seien jeweils mit einem GdB von 10 bis 20 korrekt bewertet, die Migräne sei mit 30 zu bewerten. Ausschlaggebend für den GdB sei jedoch die gegenwärtig bestehende chronische Schmerzstörung samt Angst-Depression-Reaktion, die mit einem GdB von 50 zu bewerten sei. Der Gesamt-GdB betrage 50.
Der Beklagte hat sich dem Gutachten von Dr. L. nicht anschließen können (versorgungsärztliche Stellungnahme vom
Mit Urteil vom 11.12.2013
Am
Der Senat hat in der Folge Befundberichte der behandelnden Psychotherapeutin und eines von der Klägerin angegebenen Schmerztherapeuten eingeholt, der die Klägerin am 25.01.2013 behandelt hatte.
Im Auftrag des Senats hat der Neurologe und Psychiater Dr. E. am 05.02.2015 ein Gutachten erstellt. Er ist dabei zu dem Ergebnis gekommen, dass beim Gesundheitszustand der Klägerin zum Zeitpunkt des Erlasses des angefochtenen Bescheids eine wesentliche Änderung gegenüber dem Bescheid vom 14.10.2009 eingetreten sei, weil damals noch die Phase der Heilungsbewährung vorgelegen habe. Am 08.08.2012 lägen bei der Klägerin eine seelische Störung und eine Migräne vor, die jeweils mit einem GdB von 20 zu bewerten seien; das gleiche gelte zum Zeitpunkt der Untersuchung. Insgesamt betrage der GdB zu beiden Zeitpunkten 40.
Mit Schreiben des Senats vom
Mit Schreiben vom 18.05.2015 haben die Bevollmächtigten der Klägerin um Verlängerung der Antragsfrist für ein Gutachten nach § 109 SGG bis zum 09.07.2015 gebeten und dies damit begründet, dass nicht sichergestellt werden könne, dass der behandelnde Arzt kurzfristig ein Behandlungsgespräch ermögliche. Dazu hat der Senat der Klägerin mit Schreiben vom 29.05.2015 mitgeteilt, dass eine Fristverlängerung mit Blick auf die Rechtsprechung des Bundessozialgerichts nicht angezeigt sei. Die Bevollmächtigten der Klägerin haben sich mit Schreiben vom 03.06.2015 dahingehend geäußert, dass ihnen das gerichtliche Schreiben vom 10.04.2015 erst am 23.04.2015 zugegangen und daher für die Klägerin eine weitaus kürzere Frist verblieben sei, als dies das Gericht angenommen habe. Mit Schreiben vom 08.06.2015 haben sie beantragt, den Neurologen (spezielle Schmerztherapie) Dr. D. gemäß § 109 SGG mit einer Begutachtung zu beauftragen. Dazu hat der Senat den Bevollmächtigten mit Schreiben vom 08.06.2015 mitgeteilt, dass kein Anlass bestehe, den Antrag gemäß § 109 SGG zuzulassen. Der jetzt rund sechs Wochen nach dem angegebenen Zugang des gerichtlichen Schreibens gestellte Antrag sei nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts verspätet.
Die Klägerin beantragt,
nach § 109 SGG Herrn Dr. D. (Facharzt für Neurologie) gutachterlich zu hören, zudem, das Urteil des Sozialgerichts München
Der Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Der Senat hat die Akten des Beklagten und des SG B-Stadt beigezogen. Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Inhalt dieser Akten und der Berufungsakte, die Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen sind, Bezug genommen.
Gründe
Die Berufung ist zulässig, aber unbegründet.
Die Herabsetzung des GdB von 50 auf 40 nach Ablauf der Zeit der Heilungsbewährung ist nicht zu beanstanden.
1. Streitgegenstand
Streitgegenstand ist die mit Bescheid vom 08.02.2012 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 08.08.2012 getroffene Entscheidung des Beklagten, nach Ablauf der Zeit der Heilungsbewährung den GdB von 50 auf 40 herabzusetzen, die mit der Anfechtungsklage angegriffen wird. Bei dieser Entscheidung gemäß § 48 Sozialgesetzbuch Zehntes Buch (SGB X) handelt es sich nicht um einen Verwaltungsakt mit Dauerwirkung, weil sich der Regelungsgehalt des Herabsetzungsbescheids im (teilweisen) Entzug des vormals festgestellten GdB erschöpft und der angefochtene Bescheid keine darüber hinausgehende Dauerwirkung hat (ständige Rechtsprechung, vgl. z. B. Bundessozialgericht - BSG - Urteile
An der Einordnung der Klageart ändert auch die Tatsache nichts, dass die Klägerin im erstinstanzlichen Verfahren noch einen Antrag („und den Beklagten ... zu verpflichten, einen GdB von mehr als 40 festzustellen“) gestellt hat, der an eine (weitergehende) Anfechtungs- und Verpflichtungsklage denken lassen könnte. Denn jedenfalls durch den im Berufungsverfahren gestellten Antrag („das Urteil des Sozialgerichts München
2. Herabsetzungsbescheid
Die Anfechtungsklage ist unbegründet, da die Herabsetzung des GdB mit Bescheid vom 08.02.2012 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 08.08.2012 rechtmäßig gewesen ist. Der Beklagte hat den GdB am 08.08.2012, dem maßgeblichen Zeitpunkt für die Anfechtungsklage, zutreffend nicht mehr mit 50 bewertet.
2.1. Voraussetzungen für die Herabsetzung des GdB - allgemein
Rechtsgrundlage des mit der Klage angefochtenen Bescheids ist § 48 Abs. 1 Satz 1 SGB X. Danach ist ein Verwaltungsakt mit Dauerwirkung mit Wirkung für die Zukunft aufzuheben, soweit in den tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnissen, die bei seinem Erlass vorgelegen haben, eine wesentliche Änderung eingetreten ist. Bei Feststellungsbescheiden nach § 69 Abs. 1 SGB IX handelt es sich um Verwaltungsakte mit Dauerwirkung (vgl. - noch zum Schwerbehindertengesetz - BSG, Urteil vom 19.09.2000, Az.: B 9 SB 3/00 R). Eine Aufhebung ist dabei nur insoweit zulässig, als eine wesentliche Änderung der Verhältnisse eingetreten ist.
Eine wesentliche Änderung ist dann anzunehmen, wenn sich durch eine Besserung (oder Verschlechterung) der behinderungsbedingt eingeschränkten Gesundheitszustands eine Herabsetzung (oder Erhöhung) des GdB um wenigstens 10 ergibt. Handelt es sich bei den dem GdB zugrunde liegenden Gesundheitseinschränkungen um solche, bei denen - wie dies bei Krebserkrankungen der Fall ist - der GdB wegen der Art der Erkrankung zunächst höher festgestellt worden ist, als es die tatsächlichen Funktionseinschränkungen erfordern, liegt eine Änderung der Verhältnisse im Sinn des § 48 SGB X auch dann vor, wenn bei der der Feststellung des GdB zugrunde liegenden Erkrankung die Zeit der sogenannten Heilungsbewährung ohne das Auftreten eines Rezidivs abgelaufen ist (vgl. Versorgungsmedizinische Grundsätze [VG], Anlage zu § 2 der Versorgungsmedizin-Verordnung, Teil A Nr. 7. Buchst. b; siehe auch unten Ziff. 2.3.1., erster Spiegelstrich).
Von einer wesentlichen Änderung im Sinne einer Besserung alleine deshalb auszugehen, weil die Zeit der Heilungsbewährung abgelaufen ist, verbietet sich jedoch. Vielmehr ist - neben dem Ablauf der Heilungsbewährung - auch zu berücksichtigen, ob anderweitige Änderungen tatsächlicher Art in dem der Feststellung des GdB zugrunde liegenden Gesundheitszustand eingetreten sind. Liegt einerseits ein rezidivfreier Ablauf der Zeit der Heilungsbewährung vor und sind andererseits seit der bestandskräftig gewordenen Feststellung des GdB neue Gesundheitsstörungen aufgetreten, so ist nur dann eine Herabsetzung des GdB zulässig, wenn zum Zeitpunkt der erneuten Entscheidung zum GdB, die nach Ablauf der Zeit der Heilungsbewährung getroffen wird, Gesundheitsbeeinträchtigungen vorliegen, die einen niedrigeren GdB begründen, als er zuvor bestandskräftig festgestellt worden ist. Insoweit besteht kein Unterschied zu den Fällen, in denen die Herabsetzung des GdB nicht auf den Gesichtspunkt der Heilungsbewährung gestützt wird, sondern auf die Besserung einer früher sich funktionell stärker auswirkenden Gesundheitsstörung.
Rechtsgrundlage für die Feststellung des Vorliegens einer Behinderung und des GdB ist § 69 Abs. 1 SGB IX in Verbindung mit den seit dem 01.01.2009 maßgeblichen VG. Die VG haben die Anhaltspunkte für die ärztliche Gutachtertätigkeit im sozialen Entschädigungsrecht und nach dem Schwerbehindertenrecht (AHP) abgelöst, die für die Zeit vor dem 01.01.2009 weiterhin als antizipierte Sachverständigengutachten beachtlich sind (vgl. BSG, Urteile
2.2. Herabsetzung des GdB im hier zu entscheidenden Fall
Nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme steht es zur Überzeugung des Senats fest, dass im Gesundheitszustand der Klägerin zum maßgeblichen Zeitpunkt (Widerspruchsbescheid vom 08.08.2012) im Vergleich zu den gesundheitlichen Verhältnissen, die dem bestandskräftigen Bescheid vom 14.10.2009 zugrunde gelegen haben, infolge des rezidivfreien Ablaufs der Zeit der Heilungsbewährung von zwei Jahren eine wesentliche Änderung gemäß § 48 Abs. 1 Satz 1 SGB X im Sinn einer Besserung eingetreten ist, auch wenn die Klägerin zwischenzeitlich an neuen Gesundheitsstörungen leidet. Dies rechtfertigt bei Berücksichtigung der Vorgaben der VG (zumindest) die Herabsetzung des GdB auf 40.
Bei dieser Einschätzung stützt sich der Senat auf das Ergebnis der Beweisaufnahme, insbesondere auf die überzeugenden und nachvollziehbar begründeten Gutachten des Internisten M. und des Neurologen und Psychiaters Dr. E.. Beide gerichtsbekannte und sehr erfahrene Gutachter haben die bei der Klägerin vorliegenden gesundheitlichen Beeinträchtigungen vollständig erfasst und in Übereinstimmung mit den zu beachtenden Vorgaben der VG zutreffend gewürdigt. Der Senat macht sich diese sachverständigen Feststellungen zu eigen.
Nicht folgen kann der Senat hingegen der Ärztin für physikalische und rehabilitative Medizin Dr. L., die die Klägerin behandelt und ein Gutachten nach § 109 SGG erstellt hat. Denn deren Gutachten enthält weder eine ausreichende Erhebung der medizinischen Befunde noch stehen die Feststellungen dieser Sachverständigen in Übereinstimmung mit den zu beachtenden Vorgaben der VG.
Im Einzelnen ist zu den jeweiligen Gesundheitsstörungen und deren Bewertung Folgendes festzuhalten:
2.2.1. Erkrankung der Brust in Heilungsbewährung
Es ist im Vergleich zum Gesundheitszustand zum Zeitpunkt des Erlasses des bestandskräftigen Bescheids eine Besserung eingetreten, die einer Reduzierung des GdB von 50 auf 20 entspricht.
Das im Jahr 2009 bei der Klägerin diagnostizierte und operativ behandelte Karzinom der rechten Brust in Form eines DCIS hat unstreitig kein Rezidiv nach sich gezogen. Dies haben wiederholte Untersuchungen ergeben.
Nach Ablauf der Heilungsbewährungszeit von in diesem Fall zwei Jahren (vgl. VG Teil B Nr. 14.1 a. E.) ist für den einseitigen Teilverlust der Brust ein GdB von 20 anzusetzen, was in Übereinstimmung mit den VG steht (vgl. dort Teil B Nr. 14.1).
2.2.2. Bewegungseinschränkung der rechten Schulter
Zwar ist im Vergleich zum Gesundheitszustand zum Zeitpunkt des Erlasses des bestandskräftigen Bescheids eine Verschlechterung der Beweglichkeit der rechten Schulter eingetreten. Es spricht aber - folgt man den eigenen Angaben der Klägerin zu dieser Gesundheitsstörung - vieles dafür, dass der vom Beklagten aufgrund der Berichte der behandelnden Ärzte und daran anschließend auch von den gerichtlichen Gutachtern zugrunde gelegte GdB von 20 zu hoch gegriffen ist. Gleichwohl geht der Senat zugunsten der Klägerin in der Folge von einem GdB von 20 aus, wobei diese für die Klägerin günstige Betrachtung im Ergebnis ohne rechtliche Relevanz ist.
Die bei der Klägerin vorliegende Einschränkung der Beweglichkeit in der Schulter ist von sachverständiger Seite aus mit einem GdB von 20 beurteilt worden. Dies steht mit Blick darauf, dass die Klägerin bei den gutachtlichen Untersuchungen demonstriert hat, dass sie nicht in der Lage sei, den rechten Arm über die Horizontale anzuheben, in Übereinstimmung mit den Vorgaben der VG (vgl. dort Teil B Nr. 18.13), zumal es nach den Vorgaben der VG (vgl. dort Teil B Nr. 14.1) geboten ist, Funktionseinschränkungen im Schultergürtel, wenn sie die Folge der operativen Behandlung eines Brustkarzinoms sind, gesondert zu berücksichtigen.
Gleichwohl erscheint diese Bewertung dem Senat als ausgesprochen großzügig, wenn nicht sogar überzogen. Die Vorbehalte des Senats gegenüber einem GdB von 20 stützt der Senat darauf, dass es sich bei der Einschränkung der Bewegungsfähigkeit, wie sie die Klägerin bei der gutachtlichen Untersuchung gezeigt hat, offensichtlich nicht um einen Dauerzustand handelt. Diese Zweifel an einem Dauerzustand hat die Klägerin selbst geweckt, da sie bei der Untersuchung durch Dr. E. angegeben hat, den rechten Arm „manchmal“ nicht mehr anheben zu können. Damit eine Gesundheitsstörung bei der Ermittlung des GdB Berücksichtigung finden kann, muss es sich aber um einen Dauerzustand in dem Sinn handeln, dass die funktionelle Einschränkung über mehr als sechs Monate anhält (vgl. § 2 Abs. 1 Satz 1 SGB IX; VG Teil A Nr. 2 Buchst. f). Liegen funktionelle Gesundheitsstörungen in einem schwankenden Ausmaß vor, kann der Ermittlung des GdB nur die durchschnittliche Funktionseinschränkung zugrunde gelegt werden (vgl. VG Teil A Nr. 2 Buchst. f). Da eine auf die Horizontale eingeschränkte Armhebefähigkeit, die nach den Vorgaben der VG mit einem GdB von 20 zu bewerten wäre (vgl. VG Teil B Nr. 18.13), den eigenen Angaben der Klägerin folgend, keinen Dauerzustand darstellt und daher auf die durchschnittliche Einschränkung der Bewegungsfähigkeit, die jedenfalls einer weniger stark ausgeprägten Beschränkung der Armhebung als auf 90 Grad entspricht, abzustellen wäre, wäre bei exakter Anwendung der VG kein GdB von 20 vertretbar, sondern allenfalls von 10 (ein GdB von 10 entspricht einer Beschränkung der Armhebung auf über 90 bis 120 Grad). Zugunsten der Klägerin und zur Vermeidung weiterer mit nicht unerheblichen Kosten verbundener Aufklärung im Sinn eines orthopädischen Gutachtens legt der Senat in der Folge jedoch für die Funktionsbeeinträchtigung der rechten Schulter unter Zurückstellung von Bedenken zugunsten der Klägerin einen GdB von 20 zugrunde.
2.2.3. Funktionsbehinderung der Wirbelsäule
Ob im Vergleich zum Gesundheitszustand zum Zeitpunkt des Erlasses des bestandskräftigen Bescheids eine Verschlechterung des Funktionszustands der Wirbelsäule eingetreten ist, lässt sich mangels Befunde zum Vergleichszeitpunkt nicht mehr sicher aufklären; aber auch bei Zugrundelegung fehlender Funktionsbeeinträchtigungen zum Zeitpunkt des bestandskräftigen Bescheids ist eine für den Gesamt-GdB relevante Verschlimmerung nicht eingetreten. Denn der GdB für die Wirbelsäule ist mit 10, allenfalls 20 im untersten Bereich zu bewerten, was für den Gesamt-GdB nicht von Relevanz ist (vgl. auch VG Teil A Nr. 3 Buchst. d ee).
Wie sich bei der Untersuchung durch den Sachverständigen M. gezeigt hat, sind die bei der Klägerin im Bereich der Wirbelsäule vorliegenden Funktionsstörungen vergleichsweise gering ausgeprägt. So war die Beweglichkeit bei der gutachtlichen Untersuchung weitgehend unbeeinträchtigt und der Finger-Boden-Abstand betrug 0 cm. Die Bewegungsmaße bewegen damit sich im Normbereich. Derart geringe funktionelle Beeinträchtigungen sind nach den VG (vgl. dort Teil B Nr. 18.9) auch bei Einbeziehung der behaupteten Schmerzen mit einem GdB von allenfalls 10 zu bewerten.
Sofern die Klägerin zur Begründung von Klage und Berufung vorgetragen hat, dass sie unter massiven Funktionsbeeinträchtigungen in allen drei Abschnitten der Wirbelsäule leiden würde, ist diese Behauptung nicht durch die Befundberichte der behandelnden Ärzte gestützt und klar widerlegt durch die Feststellungen des Sachverständigen M.. Auch im Gutachten gemäß § 109 SGG sind keine Befunde dargestellt, die einen GdB von mehr als 20 begründen würden; im Übrigen ist auch diese Gutachterin nur von einem GdB von 10 bis 20 für die Wirbelsäule ausgegangen.
2.2.4. Psychische Gesundheitsstörung/Depression
Es ist im Vergleich zum Gesundheitszustand zum Zeitpunkt des Erlasses des bestandskräftigen Bescheids eine Verschlechterung des psychischen Gesundheitszustands eingetreten, der bei zugunsten der Klägerin großzügigster Betrachtung einen GdB von 20 rechtfertigt.
Wie den Befundberichten der behandelnden Ärzte zu entnehmen ist, hat sich der psychische Gesundheitszustand der Klägerin seit dem Zeitpunkt der angefochtenen Entscheidung nicht entscheidend verändert. Der Senat geht daher davon aus, dass das vom Sachverständigen Dr. E. erhobene Bild dem entspricht, wie es zum maßgeblichen Zeitpunkt des Herabsetzungsbescheids vorgelegen hat. Wie aus dem Gutachten des Dr. E. ersichtlich wird, liegen eigentlich keine objektiven Befunde dafür vor, von einer krankheitswertigen psychischen Gesundheitsstörung auszugehen. So war der psychiatrische Untersuchungsbefund bei der Untersuchung durch Dr. E. weitgehend unauffällig; auch bei den zuvor durchgeführten Untersuchungen waren allenfalls schwach ausgeprägte Hinweise auf eine depressive Verstimmung der Klägerin zu erkennen. Gleichwohl lässt sich bei großzügigster Betrachtung und einer Zusammenschau aus Gutachten und Befundberichten der behandelnden Ärzte bei Berücksichtigung der VG (vgl. dort Teil B Nr. 3.7) eine Gesundheitsstörung mit einer gewissen Ähnlichkeit zu einer Depression erkennen, die zugunsten der Klägerin mit einem GdB von 20 Berücksichtigung finden kann. Diese Einschätzung bewegt sich aber zweifellos im obersten Bereich des von den VG eröffneten Beurteilungsspielraums.
2.2.5. Migräne
Rechtliche Gründe sprechen gegen eine Berücksichtigung der Migräne im Rahmen einer Entscheidung nach § 48 SGB X; gleichwohl geht der Senat zugunsten der Klägerin im Rahmen der Prüfung davon aus, dass insofern eine Verschlimmerung eingetreten ist und die Migräne - großzügig bewertet - mit einem GdB von 20 zu beurteilen ist.
2.2.5.1. Rechtliche Gründe gegen eine Berücksichtigung der Migräne
Gegen eine Berücksichtigung der Migräne im Rahmen der angefochtenen Entscheidung gemäß § 48 SGB X spricht, dass die Migräne bereits zum Zeitpunkt des bestandskräftigen Bescheids aus dem Jahr 2009 vorgelegen hat.
Im Rahmen einer Entscheidung gemäß § 48 SGB X können nur die Gesundheitsstörungen Berücksichtigung finden, die Ausdruck einer wesentlichen Änderung im Vergleich zu dem Zustand sind, wie er der zuletzt bestandskräftig gewordenen Entscheidung zugrunde gelegen hat. Für eine Berücksichtigung beim GdB kommen daher nur die Gesundheitsstörungen in Betracht, die nach dem letzten bestandskräftigen Bescheid aufgetreten sind (vgl. zum Bereich der Kriegsopferversorgung und dort zur vergleichbaren Frage der Anerkennung weiterer Schädigungsfolgen: Urteil des Senats
Wie die Klägerin bei der Begutachtung durch Dr. E. selbst angegeben hat, hat sie unter der Migräne bereits lange vor der Erkrankung der Brust gelitten. Insofern würde - bei strenger rechtlicher Betrachtung - eine Berücksichtigung der Migräne als GdB-relevante Gesundheitsstörung nur im Weg einer Überprüfungsentscheidung gemäß § 44 SGB X in Betracht kommen, die bislang vom Beklagten nicht getroffen worden ist und daher auch nicht Streitgegenstand sein kann.
2.2.5.2. Berücksichtigung der Migräne zugunsten der Klägerin
Sofern die Migräne gleichwohl Berücksichtigung findet, ist für diese Gesundheitsstörung ein GdB von 20 bei großzügiger Betrachtung vertretbar.
Zugunsten der Klägerin geht der Senat davon aus, dass der Beklagte die Migräne bei seiner Entscheidung gemäß § 48 SGB X berücksichtigt hat, weil er mangels entsprechender Informationen irrtümlich davon ausgegangen ist, dass diese Gesundheitsstörung zum Zeitpunkt der bestandskräftig gewordenen Entscheidung noch nicht vorgelegen hat.
Wie sowohl der Sachverständige M. als auch der neurologisch-psychiatrische Gutachter Dr. E. festgestellt haben, kann für die Migräne ein GdB von 20 bei großzügiger Betrachtung vertreten werden. Diese Betrachtung ist insofern deshalb großzügig, weil sie der Migräne ganz überwiegend die subjektiven Angaben der Klägerin als wahr zugrunde legt, obwohl deren Angaben zur monatlichen Anzahl der Migräneanfälle durchaus wechselnd und damit nicht unbedingt überzeugend sind und auch mit den von ärztlicher Seite angegebenen Zeiten der Arbeitsunfähigkeit von 6 (in 2012) und 11 (in 2013) Tagen bei monatlich bis zu vier Migräneattacken von einer Dauer bis zu vier Tagen, in denen die Klägerin nach Angabe ihrer Psychotherapeutin nicht aufstehen kann (vgl. Befundbericht der Psychotherapeutin C. vom 13.08.2014), schwerlich in Einklang zu bringen sind, und jedenfalls bis zum Jahr 2013 und die erstmalige Untersuchung durch Dr. D. keine ausreichenden medikamentösen Therapiemaßnahmen ergriffen worden sind. Erst Dr. D., der die Klägerin erstmals am 25.01.2013 untersucht hat, hat einen Vorschlag zur medikamentösen auch präventiven Therapie gemacht. Insofern ist festzuhalten, dass jedenfalls bis zu diesem Zeitpunkt kaum objektivierbare Belege für eine stärkere Ausprägung der Migräne vorhanden sind, so dass bei Beachtung der Vorgaben der VG (vgl. dort Teil B Nr. 2.3: mittelgradige Verlaufsform [häufigere Anfälle, jeweils einen oder mehrere Tage anhaltend]: GdB 20 - 40) nur bei großzügiger Bewertung ein GdB von 20 zugrunde zu legen ist.
2.2.6. Schwerhörigkeit und Tinnitus
Es ist im Vergleich zum Gesundheitszustand zum Zeitpunkt des Erlasses des bestandskräftigen Bescheids von einer Verschlechterung, die einem Anstieg des GdB von 0 auf 20 entspricht, auszugehen, weil bei der Klägerin eine Einschränkung des Hörvermögens durch ein Audiogramm sowie ein Tinnitus nachgewiesen sind.
Nach den sachverständigen Feststellungen und der Auswertung des zum maßgeblichen Zeitpunkt vorliegenden Audiogramms vom 05.07.2011, aus dem sich ein prozentualer Hörverlust von 55% rechts und 34% links ergibt, lässt sich ein GdB von 20 nur im unteren Bereich feststellen. Dies steht in Übereinstimmung mit den Vorgaben der VG (vgl. dort Teil B Nr. 5.2.4).
Sofern die Bevollmächtigten der Klägerin der Meinung sind, dass für die Einschränkung des Hörvermögens ein höherer GdB anzusetzen sei, weil der Klägerin ein Hörgerät verordnet worden sei, ist dies nicht nachvollziehbar. Die Höhe des GdB ergibt sich aus dem prozentualen Hörverlust und nicht aus der Verordnung eines Hörgeräts. Sollte sich bei der Klägerin zu einem Zeitpunkt nach dem 08.08.2012 eine stärkere Einschränkung des Hörvermögens eingestellt haben, wäre dies im vorliegenden Verfahrens rechtlich unbeachtlich, da eine solche Veränderung nach dem maßgeblichen Zeitpunkt der letzten Behördenentscheidung eingetreten wäre.
An der zum GdB getroffenen Einschätzung ändert auch nichts die Tatsache, dass die Klägerin das Vorliegen eines Tinnitus angibt. Denn dieser hat, wie sich aus den eingeholten Gutachten ergibt, keine nennenswerten psychischen Begleiterscheinungen und ist daher mit einem GdB von allenfalls 10 nicht erhöhend bei der Beeinträchtigung des Hörvermögens zu berücksichtigen (vgl. VG Teil B Nr. 5.3). Im Übrigen würde eine weitergehende Erhöhung des GdB für den Tinnitus wegen von der Klägerin behaupteter erheblicher psychovegetativer Begleiterscheinungen, die ohnehin nicht nachgewiesen sind, auch eine Doppelbewertung darstellen, da die bei der Klägerin vorliegenden gering ausgeprägten psychischen Gesundheitsbeeinträchtigungen bereits im Rahmen einer Depression großzügigste Berücksichtigung gefunden haben.
2.2.7. Weitere Gesundheitsstörungen
Weitere Gesundheitsstörungen, die einen GdB von 20 oder mehr begründen würden und daher von Bedeutung für die Feststellung des Gesamt-GdB sein könnten (vgl. VG Teil A Nr. 3 Buchst. d ee), liegen nach übereinstimmender Einschätzung aller Sachverständigen, auch der von der Klägerin selbst benannten Gutachterin, nicht vor.
2.2.8. Gesamtbetrachtung
Ein Vergleich des Gesundheitszustands der Klägerin, wie er zum Zeitpunkt des bestandskräftigen Bescheids im Jahr 2009 vorgelegen hat, mit dem Gesundheitszustand, wie er zum maßgeblichen Zeitpunkt der letzten Verwaltungsentscheidung (Widerspruchsbescheid vom 08.08.2012) gegeben war, zeigt, dass eine Besserung eingetreten ist, die eine Herabsetzung des GdB von 50 auf zumindest 40 erfordert.
Was die Bewertung des (Gesamt-)GdB zum maßgeblichen Zeitpunkt betrifft, folgt der Senat der Einschätzung der Sachverständigen M. und Dr. E.. Deren Einschätzung steht in Übereinstimmung mit den Vorgaben der VG (vgl. dort Teil A Nr. 3). Dabei weist der Senat ausdrücklich darauf hin, dass der vom Beklagten und auch den Gutachten M. und Dr. E. angenommene GdB von 40 durchaus als sehr großzügig zu bezeichnen ist und dem Senat aufgrund der Erfahrung aus vielen Vergleichsfällen auch eine Herabsetzung auf einen GdB von 30 nicht abwegig erschienen wäre.
2.3. Ergänzende Hinweise
2.3.1. Gutachten der Dr. L.
Das Gutachten, das diese Ärztin für physikalische und rehabilitative Medizin, die die Klägerin auch behandelt, gemäß § 109 SGG erstellt hat, hat wegen erheblicher Lücken und Mängel keine Berücksichtigung finden können und war unverwertbar:
- Wie die Ausführungen der Sachverständigen zur Beweisfrage der Besserung zeigen, sind dieser Gutachterin die in den VG aufgestellten Grundsätze zur Beurteilung einer Gesundheitsstörung mit Heilungsbewährung unbekannt.
Sie hat die Frage einer Besserung verneint und dies damit begründet, dass zwar kein Rezidiv der Brusterkrankung vorliege, sich aber ein neuropathisches Schmerzsyndrom entwickelt habe, was die Lebensqualität deutlich beeinträchtige. Früher sei - so Dr. L. - die Erkrankung der Brust weitgehend symptomlos gewesen. Bei Abwägung dieser beiden Sachverhalte habe sich - so ihre Ansicht - keine Änderung ergeben.
Bei dieser Argumentation verkennt die Sachverständige völlig die Bedeutung der Zeit der Heilungsbewährung und die in den VG aufgestellten Grundsätze zur Festsetzung der Höhe des GdB bei insbesondere malignen Erkrankungen in dieser Zeit. Denn der GdB in der Zeit der Heilungsbewährung muss gerade nicht dem GdB entsprechen, wie er für die rein funktionellen Einschränkungen zugrunde zu legen wäre. Dies wird aus den VG an zwei Stellen deutlich.
VG Teil A Nr. 2. Buchst. h:
„Gesundheitsstörungen, die erst in der Zukunft zu erwarten sind, sind beim GdS nicht zu berücksichtigen. Die Notwendigkeit des Abwartens einer Heilungsbewährung stellt eine andere Situation dar; während der Zeit dieser Heilungsbewährung ist ein höherer GdS gerechtfertigt, als er sich aus dem festgestellten Schaden ergibt.“
VG Teil A Nr. 7. Buchst. b:
„Nach Ablauf der Heilungsbewährung ist auch bei gleichbleibenden Symptomen eine Neubewertung des GdS zulässig, weil der Ablauf der Heilungsbewährung eine wesentliche Änderung der Verhältnisse darstellt.“
Die Feststellung des GdB entspricht daher für die Zeit der laufenden Heilungsbewährung einer pauschalen Feststellung, die nicht den funktionellen Einschränkungen entsprechen muss, sondern einen deutlich höheren GdB ergeben kann, als er den funktionellen Einschränkungen entsprechen würde. Erst für die Zeit nach Ablauf der Heilungsbewährung ist der GdB nach den konkreten funktionellen Auswirkungen der vorliegenden Gesundheitsstörungen zu bemessen (vgl. BSG, Urteile
- Dem Gutachten fehlt weitgehend ein sorgfältig und ausreichend erhobener Befund über den Gesundheitszustand der Klägerin als Grundlage für eine nachvollziehbare sozialmedizinische Beurteilung.
- Die Einschätzung der Sachverständigen Dr. L. zu einer chronischen Schmerzstörung samt Angst-Depression-Reaktion ist in keiner Weise nachvollziehbar. Ganz abgesehen davon, dass schon die von der Sachverständigen gestellten Diagnosen nicht plausibel sind, wie dies auch dem Gutachten von Dr. E. zu entnehmen ist, wäre ein GdB von 50 für eine derartige Gesundheitsstörung mit dem bei der Klägerin mehrfach von anderen Gutachtern festgestellten objektiven Befund nicht ansatzweise zu vereinbaren. Dabei ist auch zu berücksichtigen, dass die Klägerin ohne größere Arbeitsunfähigkeitszeiten nach wie vor ihrem Beruf als Gymnasiallehrerin nachgeht. Bei einem GdB von 50 für eine psychische Gesundheitsstörung wäre dies nicht nur nicht zu erwarten, sondern so gut wie ausgeschlossen.
2.3.2. Potentielle spätere Änderungen im Gesundheitszustand der Klägerin
Sollten sich nach dem maßgeblichen Zeitpunkt Verschlechterungen im Gesundheitszustand der Klägerin ergeben haben, wären diese aus rechtlichen Gründen in diesem Verfahren nicht zu berücksichtigen, da Gegenstand des Verfahrens eine Besserungsentscheidung ist. Die Klägerin müsste insofern derartige Veränderungen in ihrem Gesundheitszustand im Weg eines neuen Verschlimmerungsantrags geltend machen.
3. Antrag auf Einholung eines Gutachtens nach § 109 SGG bei Dr. D.
Der erstmals am 08.06.2015 gestellte und in der mündlichen Verhandlung am 13.07.2015 wiederholte Antrag gemäß § 109 SGG wurde grob fahrlässig zu spät gestellt und ist daher zurückzuweisen. Denn anderenfalls hätte sich die Erledigung des Rechtsstreits verzögert.
Gemäß § 109 Abs. 1 SGG ist im sozialgerichtlichen Verfahren auf Antrag des Behinderten ein bestimmter Arzt gutachtlich zu hören. Die Anhörung kann von der Einzahlung eines Kostenvorschusses abhängig gemacht werden (§ 109 Abs. 1 Satz 2 SGG). Abgelehnt werden kann die Anhörung nur unter den Voraussetzungen des § 109 Abs. 2 SGG. Eine Ablehnung ist möglich, wenn der Antrag entweder in Verschleppungsabsicht oder aus grober Nachlässigkeit zu spät vorgebracht worden ist und sich bei einer Zulassung des Beweisantrags die Erledigung des Rechtsstreits verzögern würde.
Grobe Nachlässigkeit ist das Außerachtlassen jeder prozessualen Sorgfalt. Sie liegt regelmäßig dann vor, wenn der behinderte Mensch oder dessen Bevollmächtigter den Antrag auf gutachtliche Anhörung eines bestimmten Arztes nach § 109 SGG nicht in angemessener Frist stellt, obwohl er erkennt oder erkennen muss, dass die von Amts wegen durchzuführende Beweisaufnahme beendet ist (vgl. BSG, Urteil vom 24.03.1961, Az.: 10 RV 303/57).
Die Voraussetzungen für eine Ablehnung des Antrags gemäß § 109 SGG sind vorliegend gegeben.
Mit Schreiben vom 10.04.2015 hat der Berichterstatter des Senats den Bevollmächtigten der Klägerin das für diese im Ergebnis negative Gutachten des Dr. E. vom 05.02.2015 mit ausführlichen Erläuterungen und dem Hinweis darauf, dass die Beweisaufnahme von Amts wegen abgeschlossen sei und Erfolgsaussichten für die Berufung nicht zu erkennen seien, übersandt. Dabei hat der Berichterstatter, gerade mit Blick auf den zu dieser Zeit herrschenden Poststreik, eine besonders großzügige Frist bis zum 25.05.2015 (Eingang bei Gericht) gesetzt. Den rechtskundigen Bevollmächtigten der Klägerin musste daher bewusst sein, dass ein Antrag gemäß § 109 SGG nur innerhalb der vom Gericht gesetzten Frist zulässig war. Gleichwohl haben sie innerhalb der Frist keinen Sachverständigen nach § 109 SGG benannt, sondern nur eine Fristverlängerung beantragt. Dies reicht nicht für eine fristwahrende Antragstellung gemäß § 109 SGG aus. Denn ein Antrag gemäß § 109 SGG setzt voraus, dass der Antrag klar und unmissverständlich und mit dem - zumindest bestimmbaren - Namen des Arztes gestellt wird; eine lediglich unbestimmte Ankündigung eines Antrags gemäß § 109 SGG reicht nicht (vgl. BSG, Beschluss vom 23.10.1957, Az.: 4 RJ 142/57,
Den Antrag gemäß § 109 SGG haben die Bevollmächtigten der Klägerin erst am 08.06.2015 gestellt und damit zu einem Zeitpunkt, an dem die vom Gericht gesetzte Frist bereits seit rund zwei Wochen abgelaufen war. Diese Überschreitung der Frist erfolgte grob fahrlässig mit der Konsequenz, dass die Einholung eines Gutachtens gemäß § 109 SGG vom Gericht abgelehnt werden kann.
Die Bevollmächtigten der Klägerin können die verspätete Antragstellung nicht damit entschuldigen, dass das gerichtliche Schreiben vom 10.04.2015 erst am 23.04.2015 bei ihnen eingegangen sei. Sofern die Bevollmächtigten der Klägerin dem Senat unterstellen, es sei die Absicht des Senats gewesen, der Klägerin sechs Wochen Zeit ab Kenntnis der gerichtlichen Aufforderung zur Stellungnahme für eine Antragstellung gemäß § 109 SGG zu geben, irren sie. Vielmehr hat der Berichterstatter des Senats gerade mit Blick auf potentielle (auch streikbedingte) Verzögerungen in der Postzustellung eine großzügige Frist von sechs Wochen gesetzt, um auf jeden Fall, also auch bei einer verzögerten Übermittlung des gerichtlichen Schreibens, sicherzustellen, dass der Klägerin bis zum Ablauf der gerichtlich gesetzten Frist genügend Zeit verbleibt, zusammen mit ihren Bevollmächtigten über eine Antragstellung gemäß § 109 SGG zu beraten. Sofern die Bevollmächtigten der Klägerin offenbar davon ausgehen, dass eine Frist von vier Wochen, wie sie im vorliegenden Fall tatsächlich ab Zugang des gerichtlichen Schreibens vom 10.04.2015 eröffnet war, zu kurz wäre, irren sie. Vielmehr ist eine Frist von vier Wochen für die Stellung eines Antrags gemäß § 109 SGG bei weitem ausreichend. Dabei nimmt der Senat Bezug auf die Rechtsprechung des BSG, der ausdrücklich eine Frist von sechs Wochen sogar als unnötig lang angesehen hat (vgl. BSG, Beschluss vom 10.12.1958, Az.: 4 RJ 143/58; Urteil des Senats
Da die Zulassung des Antrags gemäß § 109 SGG einer Entscheidung in der mündlichen Verhandlung vom 13.07.2015 entgegengestanden wäre und daher das Verfahren verzögert hätte, war der Antrag zurückzuweisen.
4. Abschließender informatorischer Hinweis der Vollständigkeit halber
Lediglich der Vollständigkeit halber, ohne dass dies im vorliegenden Verfahren wegen des maßgeblichen Zeitpunkts von rechtlicher Bedeutung wäre, weist der Senat die Klägerin auf Folgendes hin:
Selbst wenn der Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung im vorliegenden Verfahren der maßgebliche Zeitpunkt gewesen wäre, hätte die Berufung keinen Erfolg haben können. Denn bei Würdigung sämtlicher gesundheitlicher Beeinträchtigungen der Klägerin, wie sie sich zuletzt im Berufungsverfahren gezeigt haben, käme ein höherer GdB als 40 nicht in Betracht. Dies ergibt sich insbesondere aus dem aktuellen Gutachten des Dr. E. vom 05.02.2015, das im Berufungsverfahren eingeholt worden ist. Dr. E. hat, vorsorglich befragt zu der Bewertung des GdB zum Zeitpunkt der gutachterlichen Untersuchung, die überzeugende Einschätzung geäußert, dass der GdB nach wie vor mit 40 einzustufen sei. Weder bei den das neurologisch-psychiatrische Fachgebiet betreffenden Gesundheitsstörungen noch bei den Gesundheitsstörungen auf für ihn fachfremden Gebieten hat er Anhaltspunkte dafür erkennen können, dass die Behinderungen nicht korrekt bewertet worden wären. Seine Einschätzung zum GdB hat er im Rahmen seines Gutachtens ausführlich begründet, wobei - wie auch schon oben dargestellt - die Einschätzung zu den Einzel-GdB und damit auch zum Gesamt-GdB durchaus sehr großzügig für die Klägerin ist. Irgendwelche Hinweise, auch von Seiten der Klägerin, darauf, dass sich ihr Gesundheitszustand seitdem weiter verschlechtert hätte, gibt es nicht, auch nicht betreffend das Hörvermögen. Aber sogar selbst dann, wenn sich seit dem Audiogramm vom 05.07.2011 das Hörvermögen der Klägerin weiter verschlechtert haben sollte, so dass jetzt auf beiden Ohren eine mittelgradige Schwerhörigkeit vorliegen würde, was die Bevollmächtigten der Klägerin lediglich deswegen vermutet haben, weil der Klägerin ein Hörgerät verordnet worden ist, ohne aber dafür weitere Befunde vorzulegen, würde dies keinen Gesamt-GdB von 50 bewirken. Denn eine auf beiden Ohren vorliegende mittelgradige Schwerhörigkeit begründet einen GdB von 30 keinesfalls im oberen Bereich, sondern eher im unteren Bereich. Denn selbst dann, wenn auf einem Ohr eine mittelgradige Schwerhörigkeit gegeben wäre, auf dem anderen Ohr aber bereits eine hochgradige Schwerhörigkeit, würde dies keinen höheren GdB als 30 bedeuten (vgl. VG Teil B Nr. 5.2.4). Angesichts der Tatsache, dass der bei der Klägerin zum maßgeblichen Zeitpunkt festgestellte GdB von 40 eine für die Klägerin ausgesprochen großzügige Bewertung darstellt, würde eine Erhöhung des Einzel-GdB für das Hörvermögen von 20 auf 30 noch keine Bedeutung für die Höhe des Gesamt-GdB haben, wobei für die vorgenannte Einschätzung zum Gesamt-GdB keine weitere sachverständige Stellungnahme erforderlich wäre, sondern dies der Senat aufgrund tatrichterlicher Kompetenz in freier Beweiswürdigung (§ 128 Abs. 1 Satz 1 SGG) feststellen dürfte (ständige Rspr. des BSG, vgl. z. B.
Die Klägerin hat daher mit ihrer Berufung keinen Erfolg.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 Sozialgerichtsgesetz (SGG).
Ein Grund für die Zulassung der Revision liegt nicht vor (§ 160 Abs. 2 Nrn. 1 und 2 SGG).
Urteilsbesprechung zu Bayerisches Landessozialgericht Urteil, 13. Juli 2015 - L 15 SB 16/14
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Bayerisches Landessozialgericht Urteil, 13. Juli 2015 - L 15 SB 16/14 zitiert oder wird zitiert von 3 Urteil(en).
(1) Auf Antrag des Versicherten, des behinderten Menschen, des Versorgungsberechtigten oder Hinterbliebenen muß ein bestimmter Arzt gutachtlich gehört werden. Die Anhörung kann davon abhängig gemacht werden, daß der Antragsteller die Kosten vorschießt und vorbehaltlich einer anderen Entscheidung des Gerichts endgültig trägt.
(2) Das Gericht kann einen Antrag ablehnen, wenn durch die Zulassung die Erledigung des Rechtsstreits verzögert werden würde und der Antrag nach der freien Überzeugung des Gerichts in der Absicht, das Verfahren zu verschleppen, oder aus grober Nachlässigkeit nicht früher vorgebracht worden ist.
(1) Soweit in den tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnissen, die beim Erlass eines Verwaltungsaktes mit Dauerwirkung vorgelegen haben, eine wesentliche Änderung eintritt, ist der Verwaltungsakt mit Wirkung für die Zukunft aufzuheben. Der Verwaltungsakt soll mit Wirkung vom Zeitpunkt der Änderung der Verhältnisse aufgehoben werden, soweit
- 1.
die Änderung zugunsten des Betroffenen erfolgt, - 2.
der Betroffene einer durch Rechtsvorschrift vorgeschriebenen Pflicht zur Mitteilung wesentlicher für ihn nachteiliger Änderungen der Verhältnisse vorsätzlich oder grob fahrlässig nicht nachgekommen ist, - 3.
nach Antragstellung oder Erlass des Verwaltungsaktes Einkommen oder Vermögen erzielt worden ist, das zum Wegfall oder zur Minderung des Anspruchs geführt haben würde, oder - 4.
der Betroffene wusste oder nicht wusste, weil er die erforderliche Sorgfalt in besonders schwerem Maße verletzt hat, dass der sich aus dem Verwaltungsakt ergebende Anspruch kraft Gesetzes zum Ruhen gekommen oder ganz oder teilweise weggefallen ist.
(2) Der Verwaltungsakt ist im Einzelfall mit Wirkung für die Zukunft auch dann aufzuheben, wenn der zuständige oberste Gerichtshof des Bundes in ständiger Rechtsprechung nachträglich das Recht anders auslegt als die Behörde bei Erlass des Verwaltungsaktes und sich dieses zugunsten des Berechtigten auswirkt; § 44 bleibt unberührt.
(3) Kann ein rechtswidriger begünstigender Verwaltungsakt nach § 45 nicht zurückgenommen werden und ist eine Änderung nach Absatz 1 oder 2 zugunsten des Betroffenen eingetreten, darf die neu festzustellende Leistung nicht über den Betrag hinausgehen, wie er sich der Höhe nach ohne Berücksichtigung der Bestandskraft ergibt. Satz 1 gilt entsprechend, soweit einem rechtmäßigen begünstigenden Verwaltungsakt ein rechtswidriger begünstigender Verwaltungsakt zugrunde liegt, der nach § 45 nicht zurückgenommen werden kann.
(4) § 44 Abs. 3 und 4, § 45 Abs. 3 Satz 3 bis 5 und Abs. 4 Satz 2 gelten entsprechend. § 45 Abs. 4 Satz 2 gilt nicht im Fall des Absatzes 1 Satz 2 Nr. 1.
Haben Leistungsempfänger Krankengeld, Verletztengeld, Versorgungskrankengeld oder Übergangsgeld bezogen und wird im Anschluss daran eine Leistung zur medizinischen Rehabilitation oder zur Teilhabe am Arbeitsleben ausgeführt, so wird bei der Berechnung der diese Leistungen ergänzenden Leistung zum Lebensunterhalt von dem bisher zugrunde gelegten Arbeitsentgelt ausgegangen; es gilt die für den Rehabilitationsträger jeweils geltende Beitragsbemessungsgrenze.
(1) Soweit in den tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnissen, die beim Erlass eines Verwaltungsaktes mit Dauerwirkung vorgelegen haben, eine wesentliche Änderung eintritt, ist der Verwaltungsakt mit Wirkung für die Zukunft aufzuheben. Der Verwaltungsakt soll mit Wirkung vom Zeitpunkt der Änderung der Verhältnisse aufgehoben werden, soweit
- 1.
die Änderung zugunsten des Betroffenen erfolgt, - 2.
der Betroffene einer durch Rechtsvorschrift vorgeschriebenen Pflicht zur Mitteilung wesentlicher für ihn nachteiliger Änderungen der Verhältnisse vorsätzlich oder grob fahrlässig nicht nachgekommen ist, - 3.
nach Antragstellung oder Erlass des Verwaltungsaktes Einkommen oder Vermögen erzielt worden ist, das zum Wegfall oder zur Minderung des Anspruchs geführt haben würde, oder - 4.
der Betroffene wusste oder nicht wusste, weil er die erforderliche Sorgfalt in besonders schwerem Maße verletzt hat, dass der sich aus dem Verwaltungsakt ergebende Anspruch kraft Gesetzes zum Ruhen gekommen oder ganz oder teilweise weggefallen ist.
(2) Der Verwaltungsakt ist im Einzelfall mit Wirkung für die Zukunft auch dann aufzuheben, wenn der zuständige oberste Gerichtshof des Bundes in ständiger Rechtsprechung nachträglich das Recht anders auslegt als die Behörde bei Erlass des Verwaltungsaktes und sich dieses zugunsten des Berechtigten auswirkt; § 44 bleibt unberührt.
(3) Kann ein rechtswidriger begünstigender Verwaltungsakt nach § 45 nicht zurückgenommen werden und ist eine Änderung nach Absatz 1 oder 2 zugunsten des Betroffenen eingetreten, darf die neu festzustellende Leistung nicht über den Betrag hinausgehen, wie er sich der Höhe nach ohne Berücksichtigung der Bestandskraft ergibt. Satz 1 gilt entsprechend, soweit einem rechtmäßigen begünstigenden Verwaltungsakt ein rechtswidriger begünstigender Verwaltungsakt zugrunde liegt, der nach § 45 nicht zurückgenommen werden kann.
(4) § 44 Abs. 3 und 4, § 45 Abs. 3 Satz 3 bis 5 und Abs. 4 Satz 2 gelten entsprechend. § 45 Abs. 4 Satz 2 gilt nicht im Fall des Absatzes 1 Satz 2 Nr. 1.
Haben Leistungsempfänger Krankengeld, Verletztengeld, Versorgungskrankengeld oder Übergangsgeld bezogen und wird im Anschluss daran eine Leistung zur medizinischen Rehabilitation oder zur Teilhabe am Arbeitsleben ausgeführt, so wird bei der Berechnung der diese Leistungen ergänzenden Leistung zum Lebensunterhalt von dem bisher zugrunde gelegten Arbeitsentgelt ausgegangen; es gilt die für den Rehabilitationsträger jeweils geltende Beitragsbemessungsgrenze.
(1) Soweit in den tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnissen, die beim Erlass eines Verwaltungsaktes mit Dauerwirkung vorgelegen haben, eine wesentliche Änderung eintritt, ist der Verwaltungsakt mit Wirkung für die Zukunft aufzuheben. Der Verwaltungsakt soll mit Wirkung vom Zeitpunkt der Änderung der Verhältnisse aufgehoben werden, soweit
- 1.
die Änderung zugunsten des Betroffenen erfolgt, - 2.
der Betroffene einer durch Rechtsvorschrift vorgeschriebenen Pflicht zur Mitteilung wesentlicher für ihn nachteiliger Änderungen der Verhältnisse vorsätzlich oder grob fahrlässig nicht nachgekommen ist, - 3.
nach Antragstellung oder Erlass des Verwaltungsaktes Einkommen oder Vermögen erzielt worden ist, das zum Wegfall oder zur Minderung des Anspruchs geführt haben würde, oder - 4.
der Betroffene wusste oder nicht wusste, weil er die erforderliche Sorgfalt in besonders schwerem Maße verletzt hat, dass der sich aus dem Verwaltungsakt ergebende Anspruch kraft Gesetzes zum Ruhen gekommen oder ganz oder teilweise weggefallen ist.
(2) Der Verwaltungsakt ist im Einzelfall mit Wirkung für die Zukunft auch dann aufzuheben, wenn der zuständige oberste Gerichtshof des Bundes in ständiger Rechtsprechung nachträglich das Recht anders auslegt als die Behörde bei Erlass des Verwaltungsaktes und sich dieses zugunsten des Berechtigten auswirkt; § 44 bleibt unberührt.
(3) Kann ein rechtswidriger begünstigender Verwaltungsakt nach § 45 nicht zurückgenommen werden und ist eine Änderung nach Absatz 1 oder 2 zugunsten des Betroffenen eingetreten, darf die neu festzustellende Leistung nicht über den Betrag hinausgehen, wie er sich der Höhe nach ohne Berücksichtigung der Bestandskraft ergibt. Satz 1 gilt entsprechend, soweit einem rechtmäßigen begünstigenden Verwaltungsakt ein rechtswidriger begünstigender Verwaltungsakt zugrunde liegt, der nach § 45 nicht zurückgenommen werden kann.
(4) § 44 Abs. 3 und 4, § 45 Abs. 3 Satz 3 bis 5 und Abs. 4 Satz 2 gelten entsprechend. § 45 Abs. 4 Satz 2 gilt nicht im Fall des Absatzes 1 Satz 2 Nr. 1.
(1) Auf Antrag des Versicherten, des behinderten Menschen, des Versorgungsberechtigten oder Hinterbliebenen muß ein bestimmter Arzt gutachtlich gehört werden. Die Anhörung kann davon abhängig gemacht werden, daß der Antragsteller die Kosten vorschießt und vorbehaltlich einer anderen Entscheidung des Gerichts endgültig trägt.
(2) Das Gericht kann einen Antrag ablehnen, wenn durch die Zulassung die Erledigung des Rechtsstreits verzögert werden würde und der Antrag nach der freien Überzeugung des Gerichts in der Absicht, das Verfahren zu verschleppen, oder aus grober Nachlässigkeit nicht früher vorgebracht worden ist.
(1) Menschen mit Behinderungen sind Menschen, die körperliche, seelische, geistige oder Sinnesbeeinträchtigungen haben, die sie in Wechselwirkung mit einstellungs- und umweltbedingten Barrieren an der gleichberechtigten Teilhabe an der Gesellschaft mit hoher Wahrscheinlichkeit länger als sechs Monate hindern können. Eine Beeinträchtigung nach Satz 1 liegt vor, wenn der Körper- und Gesundheitszustand von dem für das Lebensalter typischen Zustand abweicht. Menschen sind von Behinderung bedroht, wenn eine Beeinträchtigung nach Satz 1 zu erwarten ist.
(2) Menschen sind im Sinne des Teils 3 schwerbehindert, wenn bei ihnen ein Grad der Behinderung von wenigstens 50 vorliegt und sie ihren Wohnsitz, ihren gewöhnlichen Aufenthalt oder ihre Beschäftigung auf einem Arbeitsplatz im Sinne des § 156 rechtmäßig im Geltungsbereich dieses Gesetzbuches haben.
(3) Schwerbehinderten Menschen gleichgestellt werden sollen Menschen mit Behinderungen mit einem Grad der Behinderung von weniger als 50, aber wenigstens 30, bei denen die übrigen Voraussetzungen des Absatzes 2 vorliegen, wenn sie infolge ihrer Behinderung ohne die Gleichstellung einen geeigneten Arbeitsplatz im Sinne des § 156 nicht erlangen oder nicht behalten können (gleichgestellte behinderte Menschen).
(1) Auf Antrag des Versicherten, des behinderten Menschen, des Versorgungsberechtigten oder Hinterbliebenen muß ein bestimmter Arzt gutachtlich gehört werden. Die Anhörung kann davon abhängig gemacht werden, daß der Antragsteller die Kosten vorschießt und vorbehaltlich einer anderen Entscheidung des Gerichts endgültig trägt.
(2) Das Gericht kann einen Antrag ablehnen, wenn durch die Zulassung die Erledigung des Rechtsstreits verzögert werden würde und der Antrag nach der freien Überzeugung des Gerichts in der Absicht, das Verfahren zu verschleppen, oder aus grober Nachlässigkeit nicht früher vorgebracht worden ist.
(1) Soweit in den tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnissen, die beim Erlass eines Verwaltungsaktes mit Dauerwirkung vorgelegen haben, eine wesentliche Änderung eintritt, ist der Verwaltungsakt mit Wirkung für die Zukunft aufzuheben. Der Verwaltungsakt soll mit Wirkung vom Zeitpunkt der Änderung der Verhältnisse aufgehoben werden, soweit
- 1.
die Änderung zugunsten des Betroffenen erfolgt, - 2.
der Betroffene einer durch Rechtsvorschrift vorgeschriebenen Pflicht zur Mitteilung wesentlicher für ihn nachteiliger Änderungen der Verhältnisse vorsätzlich oder grob fahrlässig nicht nachgekommen ist, - 3.
nach Antragstellung oder Erlass des Verwaltungsaktes Einkommen oder Vermögen erzielt worden ist, das zum Wegfall oder zur Minderung des Anspruchs geführt haben würde, oder - 4.
der Betroffene wusste oder nicht wusste, weil er die erforderliche Sorgfalt in besonders schwerem Maße verletzt hat, dass der sich aus dem Verwaltungsakt ergebende Anspruch kraft Gesetzes zum Ruhen gekommen oder ganz oder teilweise weggefallen ist.
(2) Der Verwaltungsakt ist im Einzelfall mit Wirkung für die Zukunft auch dann aufzuheben, wenn der zuständige oberste Gerichtshof des Bundes in ständiger Rechtsprechung nachträglich das Recht anders auslegt als die Behörde bei Erlass des Verwaltungsaktes und sich dieses zugunsten des Berechtigten auswirkt; § 44 bleibt unberührt.
(3) Kann ein rechtswidriger begünstigender Verwaltungsakt nach § 45 nicht zurückgenommen werden und ist eine Änderung nach Absatz 1 oder 2 zugunsten des Betroffenen eingetreten, darf die neu festzustellende Leistung nicht über den Betrag hinausgehen, wie er sich der Höhe nach ohne Berücksichtigung der Bestandskraft ergibt. Satz 1 gilt entsprechend, soweit einem rechtmäßigen begünstigenden Verwaltungsakt ein rechtswidriger begünstigender Verwaltungsakt zugrunde liegt, der nach § 45 nicht zurückgenommen werden kann.
(4) § 44 Abs. 3 und 4, § 45 Abs. 3 Satz 3 bis 5 und Abs. 4 Satz 2 gelten entsprechend. § 45 Abs. 4 Satz 2 gilt nicht im Fall des Absatzes 1 Satz 2 Nr. 1.
(1) Soweit sich im Einzelfall ergibt, dass bei Erlass eines Verwaltungsaktes das Recht unrichtig angewandt oder von einem Sachverhalt ausgegangen worden ist, der sich als unrichtig erweist, und soweit deshalb Sozialleistungen zu Unrecht nicht erbracht oder Beiträge zu Unrecht erhoben worden sind, ist der Verwaltungsakt, auch nachdem er unanfechtbar geworden ist, mit Wirkung für die Vergangenheit zurückzunehmen. Dies gilt nicht, wenn der Verwaltungsakt auf Angaben beruht, die der Betroffene vorsätzlich in wesentlicher Beziehung unrichtig oder unvollständig gemacht hat.
(2) Im Übrigen ist ein rechtswidriger nicht begünstigender Verwaltungsakt, auch nachdem er unanfechtbar geworden ist, ganz oder teilweise mit Wirkung für die Zukunft zurückzunehmen. Er kann auch für die Vergangenheit zurückgenommen werden.
(3) Über die Rücknahme entscheidet nach Unanfechtbarkeit des Verwaltungsaktes die zuständige Behörde; dies gilt auch dann, wenn der zurückzunehmende Verwaltungsakt von einer anderen Behörde erlassen worden ist.
(4) Ist ein Verwaltungsakt mit Wirkung für die Vergangenheit zurückgenommen worden, werden Sozialleistungen nach den Vorschriften der besonderen Teile dieses Gesetzbuches längstens für einen Zeitraum bis zu vier Jahren vor der Rücknahme erbracht. Dabei wird der Zeitpunkt der Rücknahme von Beginn des Jahres an gerechnet, in dem der Verwaltungsakt zurückgenommen wird. Erfolgt die Rücknahme auf Antrag, tritt bei der Berechnung des Zeitraumes, für den rückwirkend Leistungen zu erbringen sind, anstelle der Rücknahme der Antrag.
(1) Soweit in den tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnissen, die beim Erlass eines Verwaltungsaktes mit Dauerwirkung vorgelegen haben, eine wesentliche Änderung eintritt, ist der Verwaltungsakt mit Wirkung für die Zukunft aufzuheben. Der Verwaltungsakt soll mit Wirkung vom Zeitpunkt der Änderung der Verhältnisse aufgehoben werden, soweit
- 1.
die Änderung zugunsten des Betroffenen erfolgt, - 2.
der Betroffene einer durch Rechtsvorschrift vorgeschriebenen Pflicht zur Mitteilung wesentlicher für ihn nachteiliger Änderungen der Verhältnisse vorsätzlich oder grob fahrlässig nicht nachgekommen ist, - 3.
nach Antragstellung oder Erlass des Verwaltungsaktes Einkommen oder Vermögen erzielt worden ist, das zum Wegfall oder zur Minderung des Anspruchs geführt haben würde, oder - 4.
der Betroffene wusste oder nicht wusste, weil er die erforderliche Sorgfalt in besonders schwerem Maße verletzt hat, dass der sich aus dem Verwaltungsakt ergebende Anspruch kraft Gesetzes zum Ruhen gekommen oder ganz oder teilweise weggefallen ist.
(2) Der Verwaltungsakt ist im Einzelfall mit Wirkung für die Zukunft auch dann aufzuheben, wenn der zuständige oberste Gerichtshof des Bundes in ständiger Rechtsprechung nachträglich das Recht anders auslegt als die Behörde bei Erlass des Verwaltungsaktes und sich dieses zugunsten des Berechtigten auswirkt; § 44 bleibt unberührt.
(3) Kann ein rechtswidriger begünstigender Verwaltungsakt nach § 45 nicht zurückgenommen werden und ist eine Änderung nach Absatz 1 oder 2 zugunsten des Betroffenen eingetreten, darf die neu festzustellende Leistung nicht über den Betrag hinausgehen, wie er sich der Höhe nach ohne Berücksichtigung der Bestandskraft ergibt. Satz 1 gilt entsprechend, soweit einem rechtmäßigen begünstigenden Verwaltungsakt ein rechtswidriger begünstigender Verwaltungsakt zugrunde liegt, der nach § 45 nicht zurückgenommen werden kann.
(4) § 44 Abs. 3 und 4, § 45 Abs. 3 Satz 3 bis 5 und Abs. 4 Satz 2 gelten entsprechend. § 45 Abs. 4 Satz 2 gilt nicht im Fall des Absatzes 1 Satz 2 Nr. 1.
(1) Auf Antrag des Versicherten, des behinderten Menschen, des Versorgungsberechtigten oder Hinterbliebenen muß ein bestimmter Arzt gutachtlich gehört werden. Die Anhörung kann davon abhängig gemacht werden, daß der Antragsteller die Kosten vorschießt und vorbehaltlich einer anderen Entscheidung des Gerichts endgültig trägt.
(2) Das Gericht kann einen Antrag ablehnen, wenn durch die Zulassung die Erledigung des Rechtsstreits verzögert werden würde und der Antrag nach der freien Überzeugung des Gerichts in der Absicht, das Verfahren zu verschleppen, oder aus grober Nachlässigkeit nicht früher vorgebracht worden ist.
Tenor
-
Auf die Revision des Klägers wird das Urteil des Sächsischen Landessozialgerichts vom 26. August 2009 aufgehoben.
-
Die Sache wird zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an dieses Gericht zurückverwiesen.
Tatbestand
- 1
-
Streitig ist die Höhe des Grades der Behinderung (GdB) des Klägers nach dem Schwerbehindertenrecht.
- 2
-
Wegen eines juxtakortikalen Chondrosarkoms (bösartiger Knochentumor) im Bereich des linken Schulterblattes bei familiärer Osteochondromatose wurde am 23.9.2002 bei dem 1960 geborenen Kläger eine subtotale Schulterblattentfernung links durchgeführt.
- 3
-
Auf seinen im September 2002 angebrachten Antrag stellte das Amt für Familie und Soziales Leipzig durch Bescheid vom 2.6.2003 wegen "Erkrankung des Schulterblattes links (in Heilungsbewährung), Teilverlust des Schulterblattes links, Bewegungseinschränkung des Schultergelenkes links" einen GdB von 50 fest. Den Widerspruch des Klägers wies das Sächsische Landesamt für Familie und Soziales (Landesversorgungsamt) durch Widerspruchsbescheid vom 8.9.2003 zurück. Nach Überprüfung aufgrund gerichtlichen Vergleichs (Sozialgericht
Leipzig - S 2 SB 277/03) stellte die ehemalige sächsische Versorgungsverwaltung mit Bescheid vom 30.1.2004 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 30.3.2005 fest, dass der GdB weiter 50 betrage.
- 4
-
Nach Beweiserhebung hat das vom Kläger angerufene SG Leipzig die auf Feststellung des GdB mit 80 gerichtete Klage abgewiesen (Urteil vom 24.7.2007). Zur Überzeugung des Gerichts sei das Chondrosarkom des Schulterblattes im Frühstadium entfernt worden, so dass nach Nr 26.1 Abs 3 Anhaltspunkte für die ärztliche Gutachtertätigkeit im sozialen Entschädigungsrecht und nach dem Schwerbehindertenrecht (AHP) ein GdB von 50 angemessen sei. Die beim Kläger verbliebenen Organ- und Gliedmaßenschäden seien nicht mit einem GdB von mehr als 50 zu bewerten, so dass der Gesamt-GdB ebenfalls 50 betrage.
- 5
-
Während des vom Kläger geführten Berufungsverfahrens ist die beklagte Stadt Leipzig an die Stelle des Freistaates Sachsen getreten. Das Sächsische Landessozialgericht (LSG) hat den bereits erstinstanzlich als Sachverständigen gehörten Unfallchirurgen Prof. Dr. J. ergänzend befragt sowie ein weiteres Sachverständigengutachten von dem Orthopäden Prof. Dr. W. beigezogen. Prof. Dr. J. ist in seiner Stellungnahme vom 10.11.2008 bei seiner im Gutachten vom 14.10.2006 vertretenen Auffassung verblieben, dass die generalisierten funktionellen Defizite des Klägers die Einschätzung eines GdB von 60 rechtfertigten. Prof. Dr. W. hat in seinem Gutachten vom 2.12.2008 die Zuerkennung eines Gesamt-GdB von 70 für gerechtfertigt gehalten.
- 6
-
Durch Urteil vom 26.8.2009 hat das LSG die Berufung des Klägers zurückgewiesen. Zur Begründung hat es im Wesentlichen ausgeführt:
Richtiger Klagegegner sei die Stadt Leipzig. Der Freistaat Sachsen sei aufgrund einer Zuständigkeitsänderung durch sächsische Landesgesetze zum 1.8.2008 kraft Gesetzes aus dem Verfahren ausgeschieden und durch die Beklagte ersetzt worden. Diese landesgesetzlichen Bestimmungen stünden mit höherrangigem Recht in Einklang.
- 7
-
Der Bescheid vom 2.6.2003 und der Bescheid vom 30.1.2004 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 30.3.2005 seien rechtmäßig. Die vorliegende Osteochondromatose könne nicht mit einem alle betroffenen Körperteile abdeckenden GdB bewertet werden. Sie sei in den AHP nicht aufgeführt und auch nicht mit einer Gelenkerkrankung des rheumatisch entzündlichen Formenkreises vergleichbar. Die sich daraus ergebenden Funktionsstörungen seien daher einzeln zu bewerten. Es ergäben sich Einzel-GdB von jeweils 10 für die leichte Funktionsstörung im Bereich des linken Hüftgelenks, das leichte Funktionsdefizit in den oberen Sprunggelenken, die mittelschweren Funktionsdefizite beider Handgelenke und Unterarme sowie ein Teil-GdB von 20 für die schwere Funktionsstörung im Bereich des linken Schultergelenks. Der Zustand nach Entfernung des Chondrosarkoms des Schulterblattes links sei, wie es auch das SG zutreffend angenommen habe, mit einem Einzel-GdB von 50 zu bewerten, weil die Entfernung im Frühstadium erfolgt sei. Nach Nr 26.1 Abs 3 AHP bzw Teil B Nr 1.c Anlage zu § 2 Versorgungsmedizin-Verordnung vom 10.12.2008 (Anl VersMedV) sei der GdB für das Chondrosarkom von 50 nicht entsprechend höher zu bewerten, da weder der verbliebene Körperschaden bzw Organ- oder Gliedmaßenschaden noch außergewöhnliche Folgen oder Begleiterscheinungen der Behandlung einen GdB von 50 oder mehr bedingten. Bis zum Ablauf der Heilungsbewährung - in der Regel bis zum Ablauf des fünften Jahres nach Geschwulstbeseitigung - sei beim Kläger somit ein GdB von 50 festzustellen. Prof. Dr. J. habe die Einzel-GdB zu einem Gesamt-GdB von 60 addiert, was unzulässig sei. Prof. Dr. W. habe bei seiner Gesamt-GdB-Bildung nicht die Maßgabe nach Nr 26.1 Abs 3 AHP bzw Teil B Nr 1.c Anl VersMedV beachtet.
- 8
-
Mit der - vom Bundessozialgericht (BSG) zugelassenen - Revision macht der Kläger eine Verletzung des § 69 Abs 1 SGB IX iVm den AHP und der Anl VersMedV geltend. Das angefochtene Urteil weiche zur Bildung des Gesamt-GdB insbesondere von dem Urteil des BSG vom 30.9.2009 - B 9 SB 4/08 R - ab. Zudem habe das LSG den Sachverhalt nicht hinreichend aufgeklärt. Insbesondere zur Frage, ob der Tumor im Frühstadium oder in einem anderen Stadium entfernt worden sei, habe das LSG seinen Sachvortrag nicht zur Kenntnis genommen. Ebenfalls habe das LSG den Sachverhalt hinsichtlich der von ihm - dem Kläger - behaupteten Vererblichkeit seiner Erkrankung nicht hinreichend aufgeklärt. Zudem habe das LSG den Grundsatz der Gewährung rechtlichen Gehörs (§ 62 SGG) verletzt, indem es überraschend und ohne eigene Sachkunde keinem der beiden vorinstanzlich gehörten ärztlichen Fachgutachter gefolgt sei. Schließlich habe das LSG gegen § 62 SGG auch dadurch verstoßen, dass es dem Sachverständigen Prof. Dr. Wirth höhere Sachkunde zugesprochen habe als Prof. Dr. J. Hierzu habe er - der Kläger - sich nicht äußern können.
- 9
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Der Kläger beantragt,
das Urteil des Sächsischen Landessozialgerichts vom 26. August 2009 und das Urteil des Sozialgerichts Leipzig vom 24. Juli 2007 sowie die Bescheide des Amtes für Familie und Soziales Leipzig vom 2. Juni 2003 und 30. Januar 2004 in Gestalt des Widerspruchsbescheides des Landesversorgungsamtes vom 30. Mai 2005 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, bei ihm ab 6. September 2002 einen höheren GdB als 50 festzustellen.
- 10
-
Die Beklagte beantragt,
die Revision zurückzuweisen.
- 11
-
Sie hält das angefochtene Urteil für zutreffend.
- 12
-
Die Beteiligten haben sich mit einer Entscheidung durch Urteil ohne mündliche Verhandlung (§ 124 Abs 2 SGG) einverstanden erklärt.
Entscheidungsgründe
- 13
-
Die Revision des Klägers ist zulässig und im Sinne der Aufhebung und Zurückverweisung der Sache an das LSG begründet.
- 14
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Im Laufe des Berufungsverfahrens ist auf Beklagtenseite kraft Gesetzes ein Beteiligtenwechsel erfolgt (vgl dazu BSG SozR 4-1500 § 57 Nr 2 RdNr 4; BSGE 99, 9 = SozR 4-3250 § 69 Nr 6, RdNr 13 f; BSGE 102, 149 = SozR 4-1100 Art 85 Nr 1, RdNr 20). Zum 1.8.2008 ist die Stadt Leipzig an die Stelle des Freistaates Sachsen getreten, weil von diesem Zeitpunkt an die bis dahin von den Ämtern für Familie und Soziales des Landes wahrgenommenen Aufgaben des Schwerbehindertenrechts nach dem SGB IX auf die Landkreise und kreisfreien Städte übertragen worden sind. Dies geschah durch Art 44 Nr 5 Gesetz zur Neuordnung der Sächsischen Verwaltung vom 29.1.2008 (Sächsisches GVBl 138) und ergänzender landesrechtlicher Regelungen, deren Inhalt als Landesrecht das LSG für das Revisionsgericht bindend festgestellt hat (§ 202 SGG iVm § 560 ZPO; s Leitherer in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 9. Aufl 2008, § 162 RdNr 7). Einwendungen gegen diese Feststellungen des Inhalts des Sächsischen Landesrechtes sind nicht erhoben worden.
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Diese durch das Sächsische Landesgesetz erfolgte Zuständigkeitsänderung ist mit revisiblem Recht (vgl § 162 SGG) vereinbar. Sie ist rechtswirksam erfolgt. Nach der Rechtsprechung des erkennenden Senats zu der dem erwähnten sächsischem Landesrecht ähnlichen Zuständigkeitsveränderung in Nordrhein-Westfalen verstößt die Übertragung der Aufgaben des Schwerbehindertenrechts auf die Kreise und kreisfreien Städte nicht gegen höherrangiges Bundesrecht, insbesondere nicht gegen Vorschriften des Grundgesetzes (Urteile vom 23.4.2009 - B 9 VG 1/08 R - juris und - B 9 SB 3/08 R - juris, Urteil vom 29.4.2010 - B 9 SB 1/10 R - juris; zur Übertragung der Aufgaben des Sozialen Entschädigungsrechts einschließlich der Kriegsopferversorgung, der Soldatenversorgung und der Opferentschädigung auf die Kommunalen Landschaftsverbände in Nordrhein-Westfalen s Urteile vom 11.12.2008 - B 9 V 3/07 R - SGb 2009, 95 und - B 9 VS 1/08 R - BSGE 102, 149 = SozR 4-1100 Art 85 Nr 1). Die für die Verwaltungsreform in Nordrhein-Westfalen geltende Rechtslage muss in gleicher Weise für die ebenfalls durch formelles Landesgesetz erfolgte Zuständigkeitsänderung in Sachsen gelten. Gegenteilige rechtliche Bedenken sind nicht ersichtlich und auch vom Kläger nicht vorgebracht worden.
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Gegenstand des Revisionsverfahrens ist der Anspruch des Klägers auf Feststellung eines höheren GdB als 50 ab Antragstellung im September 2002. Darüber ist in den angefochtenen Bescheiden vom 2.6.2003 und 30.1.2004 ablehnend entschieden, denn darin ist für den Kläger lediglich ein GdB von 50 festgestellt worden. Weitere Bescheide, insbesondere für die Zeit nach Ablauf der Heilungsbewährung sind nicht ergangen.
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Ob der Kläger, wie das LSG entschieden hat, nur Anspruch auf die bereits erfolgte Feststellung eines GdB von 50 oder, wie der Kläger geltend macht, Anspruch auf Feststellung eines darüber hinausgehenden GdB hat, kann der Senat auf der Grundlage der tatsächlichen Feststellungen des LSG (s § 163 SGG) noch nicht abschließend entscheiden.
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Rechtsgrundlage für einen möglichen Anspruch des Klägers auf Feststellung eines höheren GdB als 50 ist § 69 Abs 1 und Abs 3 SGB IX vom 19.6.2001 (BGBl I 1046), für die Zeit ab 1.5.2004 idF des Gesetzes vom 23.4.2004 (BGBl I 606; aF) sowie - für die Zeit ab 21.12.2007 - idF des Gesetzes vom 13.12.2007 (BGBl I 2904; nF). Nach § 69 Abs 1 Satz 1 SGB IX (aller Fassungen) stellen die für die Durchführung des Bundesversorgungsgesetzes (BVG) zuständigen Behörden auf Antrag eines behinderten Menschen in einem besonderen Verfahren das Vorliegen einer Behinderung und den GdB fest. Als GdB werden dabei nach § 69 Abs 1 Satz 4 SGB IX (aller Fassungen) die Auswirkungen auf die Teilhabe am Leben in der Gesellschaft nach Zehnergraden abgestuft festgestellt. Liegen mehrere Beeinträchtigungen der Teilhabe am Leben in der Gesellschaft vor, wird der GdB gemäß § 69 Abs 3 Satz 1 SGB IX (aller Fassungen) nach den Auswirkungen der Beeinträchtigungen in ihrer Gesamtheit unter Berücksichtigung ihrer wechselseitigen Beziehungen festgestellt.
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Gemäß § 69 Abs 1 Satz 5 SGB IX in den bis zum 20.12.2007 maßgeblichen Fassungen (aF) gelten bei der Feststellung der Behinderung (des GdB) die Maßstäbe des § 30 Abs 1 BVG entsprechend(BSG SozR 4-3250 § 69 Nr 10 RdNr 16 bis 21 mwN). Durch diesen Verweis stellt § 69 SGB IX auf das versorgungsrechtliche Bewertungssystem ab, dessen Ausgangspunkt die "Mindestvomhundertsätze" für eine größere Zahl erheblicher äußerer Körperschäden iS der Nr 5 Allgemeine Verwaltungsvorschriften zu § 30 BVG sind. Von diesen Mindestvomhundertsätzen leiten sich die aus den Erfahrungen der Versorgungsverwaltung und den Erkenntnissen der medizinischen Wissenschaft gewonnenen Tabellenwerte der AHP ab. In § 69 Abs 1 Satz 5 SGB IX in der ab 21.12.2007 geltenden Fassung (nF) wird zusätzlich auf die auf Grund des § 30 Abs 17 BVG mit Wirkung ab 1.1.2009 erlassene Rechtsverordnung Bezug genommen. Anzuwenden sind vorliegend für die Zeit ab Antragstellung im September 2002 bis zum Ende des Jahres 2008 die AHP 1996, 2004, 2005 und 2008. Für die Zeit ab 1.1.2009 ist die Anl VersMedV Grundlage für die Feststellung des GdB. Aus diesem Wechsel ergeben sich hier keine inhaltlichen Abweichungen, da der Wortlaut der maßgebenden Abschnitte der AHP und der Anl VersMedV ("Versorgungsmedizinische Grundsätze") identisch ist.
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Nach der ständigen Rechtsprechung des Senats ist davon auszugehen, dass die AHP grundsätzlich den Maßstab angeben, nach dem der GdB einzuschätzen ist (BSGE 91, 205 = SozR 4-3250 § 69 Nr 2; BSG SozR 4-3250 § 69 Nr 9). Bei den AHP handelt es sich um antizipierte Sachverständigengutachten, die im konkreten Verwaltungs- und Gerichtsverfahren zu beachten sind (zum Ganzen s BSG SozR 4-3250 § 69 Nr 9 RdNr 25 mwN). Entsprechendes gilt für die seit dem 1.1.2009 in Kraft befindliche VersMedV als verbindliche Rechtsquelle. Zweifel am Inhalt der AHP oder der Anl VersMedV, der durch besondere, vor allem medizinische Sachkunde bestimmt ist, sind vorzugsweise durch Nachfrage bei dem verantwortlichen Urheber, hier also beim Ärztlichen Sachverständigenbeirat Versorgungsmedizin bzw bei dem für diesen geschäftsführend tätigen BMAS (§ 3 VersMedV) zu klären (vgl dazu BSG Urteil vom 24.4.2008 - B 9/9a SB 6/06 R - juris RdNr 21). Im Übrigen sind AHP und VersMedV auf inhaltliche Verstöße gegen höherrangige Rechtsnormen - insbesondere § 69 SGB IX - zu überprüfen(BSG Urteil vom 23.4.2009 - B 9 SB 3/08 R -, SozialVerw 2009, 59, 62 mwN). Dabei sind sie im Lichte des § 69 SGB IX auszulegen. Bei nach entsprechender Auslegung verbleibenden Verstößen gegen § 69 SGB IX sind diese Rechtsquellen nicht anzuwenden(BSG Urteil vom 23.4.2009, aaO).
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Bei der Feststellung des (Gesamt)-GdB ist das seit jeher im Schwerbehindertenrecht geltende Finalitätsprinzip (zum Rechtszustand nach dem Schwerbehindertengesetz s BSG SozR 3870 § 57 Nr 1 S 5; s auch Teil A Nr 2.a Satz 1 Anl VersMedV) zu beachten, das sowohl im Behinderungsbegriff des § 2 Abs 1 SGB IX als auch in den Prinzipien zur Feststellung des GdB nach § 69 Abs 1 und Abs 3 SGB IX festgeschrieben worden ist. Danach sind alle dauerhaften Gesundheitsstörungen unabhängig von ihrem Entstehungsgrund zu erfassen und ihre Auswirkungen auf die Teilhabe am Leben in der Gesellschaft zu berücksichtigen (BSG Urteil vom 11.12.2008 - B 9/9a SB 4/07 R - zum Begriff der sog Organkomplikationen unter Hinweis auf Knickrehm, SGb 2008, 220, 221; s auch Nr 18 Abs 1 AHP/Teil A Nr 2.a Anl VersMedV). Das BSG (aaO) hat dargelegt, dass möglicherweise durch eine Haupterkrankung (dort: Diabetes Mellitus) hervorgerufene Gesundheitsstörungen (dort: zB Netzhautveränderungen etc) wie von der Haupterkrankung unabhängig entstandene Gesundheitsstörungen zu behandeln sind und in ihren Auswirkungen auf die Teilhabefähigkeit unabhängig von dem für die Haupterkrankung festzustellenden Einzel-GdB separat zu berücksichtigen sind. Entsprechend hat das BSG im Falle der durch die Haupterkrankung (Schilddrüsenentfernung wegen Karzinom) hervorgerufenen Verletzung eines Stimmbandnervs entschieden (BSG Urteil vom 30.9.2009 - B 9 SB 4/08 R - SozR 4-3250 § 69 Nr 10). Danach begegnet es durchgreifenden Bedenken, mit der GdB-Bewertung eines Zustands nach Tumorentfernung während der Heilungsbewährung auch abgrenzbare und nennenswerte Schäden an anderen Organen zu erfassen, die nicht immer mit einer derartigen Behandlung verbunden sind.
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Gemäß Nr 26.1 Abs 3 AHP und Teil B Nr 1.c Anl VersMedV ist nach Behandlung bestimmter Krankheiten, die zu Rezidiven neigen, insbesondere bei bösartigen Geschwulsterkrankungen, eine Heilungsbewährung abzuwarten. Der Zeitraum der Heilungsbewährung beträgt in der Regel fünf Jahre, und zwar ab dem Zeitpunkt, an dem die Geschwulst durch Operation oder andere Primärtherapie als beseitigt angesehen werden kann. Die hinsichtlich der häufigsten und wichtigsten solcher Krankheiten im Folgenden angegebenen GdB/MdE/GdS-Anhaltswerte sind auf den "Zustand nach operativer oder anderweitiger Beseitigung der Geschwulst bezogen". Sie beziehen den "regelhaft verbleibenden Organ- oder Gliedmaßenschaden ein". "Außergewöhnliche Folgen oder Begleiterscheinungen der Behandlung - zB langdauernde schwere Auswirkungen einer wiederholten Chemotherapie - sind gegebenenfalls zusätzlich zu berücksichtigen". Ferner bestimmt Nr 26.1 Abs 3 AHP/Teil B Nr 1.c Anl VersMedV, dass, sofern bis zum Ablauf der Heilungsbewährung der GdB während dieser Zeit 50 beträgt, der GdB entsprechend höher zu bewerten ist, wenn der verbliebene Organ- oder Gliedmaßenschaden und/oder außergewöhnliche Folgen oder Begleiterscheinungen der Behandlung einen GdB von 50 oder mehr bedingen.
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Wie der Begriff des Organschadens zu verstehen ist, ist in den AHP und der Anl VersMedV nicht näher geregelt. Der erkennende Senat hat dazu mehrere Möglichkeiten aufgezeigt (BSG SozR 4-3250 § 69 Nr 10 RdNr 28). Jedenfalls aber darf die Einschätzung des Gesamt-GdB nicht unterschiedlich ausfallen in Fällen, in denen der Organschaden schon vor der Krebsoperation vorhanden war, und Fällen, in denen er erst mit oder nach der Operation aufgetreten ist (BSG aaO, RdNr 30, 31). Soweit Nr 26.1 Abs 3 letzter Satz AHP und Teil B Nr 1.c letzter Satz Anl VersMedV bestimmen, dass der wegen Heilungsbewährung anzunehmende GdB erhöht werden muss ("ist … höher zu bewerten"), wenn der verbliebene Organ- oder Gliedmaßenschaden (Körperschaden) - für sich allein - einen GdB von 50 oder mehr bedingt, kann sich diese Regelung mithin nur auf den von der Geschwulsterkrankung betroffenen Körperteil und die mit der Tumorentfernung typischerweise verbundenen Schäden beziehen. Ob die festgelegte Grenze eines GdB von 50 für derartige verbliebene Organ- oder Gliedmaßenschäden zu hoch angesetzt ist, muss hier nicht erörtert werden; denn die schwere Funktionsstörung des linken Schultergelenks, die neben dem Teilverlust des linken Schulterblatts als vom GdB des Zustands nach Tumorentfernung miterfasst angesehen werden könnte, bedingt nach den bisherigen Feststellungen des LSG nur einen GdB von 20.
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Die Feststellung des GdB ist tatrichterliche Aufgabe (BSGE 4, 147, 149 f; BSGE 62, 209, 212 ff = SozR 3870 § 3 Nr 26 S 83 f; BSG SozR 4-3250 § 69 Nr 10; zur Feststellung der Minderung der Erwerbsfähigkeit in der gesetzlichen Unfallversicherung als Tatsachenfeststellung s zuletzt BSG SozR 4-2700 § 56 Nr 2 RdNr 10 mwN) und kann im Revisionsverfahren nur durch entsprechende Verfahrensrügen angegriffen werden (vgl § 163 SGG). Sie ist jedoch in den dargestellten rechtlichen Rahmen eingebettet, den Verwaltung und Tatsachengerichte zwingend zu beachten haben. Entsprechende Rechtsverstöße durch das Tatsachengericht sind vom Revisionsgericht zu beanstanden (§ 162 SGG).
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Zur Feststellung des GdB werden in einem ersten Schritt die einzelnen nicht nur vorübergehenden Gesundheitsstörungen im Sinne von regelwidrigen (von der Norm abweichenden) Zuständen (s § 2 Abs 1 SGB IX) und die sich daraus ableitenden, für eine Teilhabebeeinträchtigung bedeutsamen Umstände festgestellt. In einem zweiten Schritt sind diese - soweit möglich - den in den AHP/der Anl VersMedV genannten Funktionssystemen zuzuordnen und mit einem Einzel-GdB zu bewerten. In einem dritten Schritt ist dann - in der Regel ausgehend von der Beeinträchtigung mit dem höchsten Einzel-GdB (vgl Nr 19 Abs 3 AHP/Teil A Nr 3.c Anl VersMedV) - in einer Gesamtschau unter Berücksichtigung der wechselseitigen Beziehungen der einzelnen Beeinträchtigungen der Gesamt-GdB zu bilden. Dabei können die Auswirkungen der einzelnen Beeinträchtigungen ineinander aufgehen (sich decken), sich überschneiden, sich verstärken oder beziehungslos nebeneinander stehen. Außerdem sind bei der Gesamtwürdigung die Auswirkungen mit denjenigen zu vergleichen, für die in der Tabelle der AHP/Anl VersMedV feste GdB/MdE-Werte bzw feste GdS-Werte angegeben sind (vgl Nr 19 Abs 2 AHP/Teil A Nr 3.b Anl VersMedV).
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Ausgehend von diesen rechtlichen Rahmenbedingungen hat das LSG im ersten Verfahrensschritt Feststellungen über die beim Kläger bestehenden, nicht nur vorübergehenden Gesundheitsstörungen getroffen, die für das Revisionsgericht bindend sind, zumal sie vom Kläger nicht mit zulässigen und begründeten Verfahrensrügen angegriffen worden sind (§ 163 SGG). Danach liegen ein Zustand nach Entfernung eines Chondrosarkoms mit Teilentfernung des linken Schulterblattes und schwerer Funktionsstörung im Bereich des linken Schultergelenks sowie - im Wesentlichen auf der Grundlage einer familiären Osteochondromatose - Funktionsstörungen im Bereich des linken Hüftgelenks und der oberen Sprunggelenke, mittelschwere Funktionsdefizite beider Handgelenke und Unterarme vor. Soweit sich der Kläger gegen die Feststellung des LSG wendet, das Chondrosarkom sei im Frühstadium entfernt worden, betrifft sein Vorbringen weniger den gegenwärtigen Gesundheitszustand, sondern vielmehr ein Merkmal, das nach Nr 26.1 Abs 3 AHP bzw Teil B Nr 1.c Anl VersMedV für die pauschale GdB-Bemessung während der Heilungsbewährung von Bedeutung ist.
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Der Senat lässt es dahinstehen, inwiefern die vom LSG im zweiten Verfahrensschritt vorgenommenen Feststellungen über die Zuordnung der Gesundheitsstörungen zu in den AHP und der Anl VersMedV aufgeführten Funktionssystemen und deren Bewertung mit jeweils einem Einzel-GdB bindend sind. Insbesondere bleibt offen, ob die vom LSG auf Nr 26.1 Abs 3 AHP und Teil B Nr 1.c Anl VersMedV gestützte Bewertung des Einzel-GdB für den Zustand nach Entfernung des Chondrosarkoms insoweit auf einer das BSG bindenden Tatsachenfeststellung beruht, als das LSG angenommen hat, die Entfernung sei im Frühstadium erfolgt. Denn selbst wenn die Bewertung des Einzel-GdB für den Zustand nach Tumorentfernung mit 50 im Ansatz zutreffend sein sollte, begegnet das weitere Vorgehen des LSG durchgreifenden rechtlichen Bedenken.
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Das LSG hat die Regelung der Nr 26.1 Abs 3 AHP bzw Teil B Nr 1.c Anl VersMedV unrichtig angewendet. Es hat bereits verkannt, dass diese Bestimmungen nur die Ermittlung des Einzel-GdB für den Zustand nach Tumorentfernung während der Heilungsbewährung und nicht die Bemessung des Gesamt-GdB betreffen. Es hätte zudem nicht alle mit der familiären Osteochondromatose des Klägers zusammenhängenden Funktionsstörungen in die Bemessung des Einzel-GdB für den Zustand nach Tumorentfernung einbeziehen, sondern insoweit nur die unmittelbar damit verbundenen Schäden berücksichtigen dürfen. Wäre danach der Einzel-GdB von 50 nicht zu erhöhen gewesen, so hätten die übrigen Gesundheitsstörungen (insbesondere im Bereich der Hände, Unterarme, Hüft- und Sprunggelenke) in einem dritten Verfahrensabschnitt in die Bildung des Gesamt-GdB einbezogen werden müssen.
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Es ist nicht ausgeschlossen, dass diese Vorgehensweise zu einem höheren Gesamt-GdB als 50 hätte führen können. Daran ändert auch der Umstand nichts, dass die betreffenden Funktionsstörungen nach den Feststellungen des LSG jeweils nur einen GdB von 10 bedingen.
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Nach Nr 19 Abs 4 AHP und Teil A Nr 3.d.ee Anl VersMedV führen, von Ausnahmefällen abgesehen, zusätzliche leichte Gesundheitsstörungen, die nur einen GdB von 10 bedingen, nicht zu einer Zunahme des Ausmaßes der Gesamtbeeinträchtigung. Ein derartiger Ausnahmefall könnte hier vorliegen. Die vom LSG festgestellten Beweglichkeitseinschränkungen am linken Hüftgelenk, den Handgelenken und Unterarmen sowie den oberen Sprunggelenken sind offenbar einer sog Systemerkrankung - nämlich einer familiären Osteochondromatose - zuzuordnen. Dadurch könnten die Auswirkungen der einzelnen Erscheinungen insgesamt ein stärkeres Gewicht erhalten. Hinzu könnten besondere seelische Begleiterscheinungen kommen, die sich aus der Vererblichkeit dieser Erkrankung ergeben.
- 31
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Sollte der Kläger - wie seinem Vorbringen entnommen werden könnte - darüber hinaus an einer psychischen Erkrankung leiden, wäre diese mit einem Einzel-GdB zu bewerten und bei der Bildung des Gesamt-GdB gesondert zu berücksichtigen.
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Nach alledem fehlen weitere tatrichterliche Feststellungen, die das BSG im Revisionsverfahren nicht nachholen kann. Das Berufungsurteil ist deshalb aufzuheben und die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das LSG zurückzuverweisen (§ 170 Abs 2 Satz 2 SGG).
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Im wiedereröffneten Berufungsverfahren wird das LSG erneut zu prüfen und festzustellen haben, ob sich das Chondrosarkom des linken Schulterblattes bei seiner Entfernung tatsächlich erst im Frühstadium oder - wie der Kläger geltend macht - in einem fortgeschrittenen Stadium befunden hat. Letzteres würde nach Nr 26.1 Abs 3 AHP bzw Teil B Nr 1.c Anl VersMedV während der Heilungsbewährung zu einem höheren Einzel-GdB führen.
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Das LSG wird auch über die Kosten des Revisionsverfahrens zu entscheiden haben.
Tenor
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Die Beschwerde des Klägers gegen die Nichtzulassung der Revision im Urteil des Landessozialgerichts Baden-Württemberg vom 21. Mai 2010 wird als unzulässig verworfen.
-
Kosten sind nicht zu erstatten.
Gründe
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Durch Urteil vom 21.5.2010 hat das Landessozialgericht Baden-Württemberg (LSG) die Herabsetzung des Grades der Behinderung (GdB) des Klägers von 50 auf 30 wegen Ablaufs einer Heilungsbewährung bestätigt. Gegen die Nichtzulassung der Revision in diesem Urteil hat der Kläger beim Bundessozialgericht (BSG) Beschwerde eingelegt. Zur Begründung macht er geltend, die Rechtssache habe grundsätzliche Bedeutung (§ 160 Abs 2 Nr 1 SGG).
- 2
-
Die Nichtzulassungsbeschwerde des Klägers ist unzulässig, weil er den behaupteten Zulassungsgrund nicht so dargelegt hat, wie es § 160a Abs 2 Satz 3 SGG verlangt.
- 3
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Grundsätzliche Bedeutung iS des § 160 Abs 2 Nr 1 SGG hat eine Rechtssache nur dann, wenn sie eine Rechtsfrage aufwirft, die - über den Einzelfall hinaus - aus Gründen der Rechtseinheit oder der Fortbildung des Rechts einer Klärung durch das Revisionsgericht bedürftig und fähig ist. Ein Beschwerdeführer muss daher anhand des anwendbaren Rechts sowie unter Berücksichtigung der höchstrichterlichen Rechtsprechung und des Schrifttums angeben, welche Rechtsfragen sich stellen, dass diese noch nicht geklärt sind, weshalb eine Klärung aus Gründen der Rechtseinheit oder Rechtsfortbildung erforderlich ist und dass das angestrebte Revisionsverfahren eine Klärung erwarten lässt. Um seiner Darlegungspflicht zu genügen, muss der Beschwerdeführer mithin Folgendes aufzeigen: (1) eine bestimmte Rechtsfrage, (2) ihre (abstrakte) Klärungsbedürftigkeit, (3) ihre (konkrete) Klärungsfähigkeit sowie (4) die über den Einzelfall hinausgehende Bedeutung der von ihm angestrebten Entscheidung, also eine Breitenwirkung (vgl BSG SozR 1500 § 160 Nr 17; BSGE 40, 158 = SozR 1500 § 160a Nr 11; BSG SozR 1500 § 160a Nr 7, 13, 31, 59, 65). Diesen Anforderungen genügt die vorliegende Beschwerdebegründung nicht.
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Der Kläger hält die Frage für eine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung, ob die Anlage "Versorgungsmedizinische Grundsätze" zur Versorgungsmedizin-Verordnung in ihrem Wortlaut und ihrer Rechtsanwendungspraxis bei karzinogenen Erkrankungen im Einklang mit dem Erkenntnisstand der medizinischen Wissenschaft nach wie vor eine Herabstufung unter einen Gesamt-GdB von 50 vorsehen darf. Bei dieser Frage handelt es sich nicht zweifelsfrei um eine reine Rechtsfrage, also eine Frage, die allein unter Anwendung juristischer Methodik beantwortet werden kann.
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Die Bemessung des GdB ist nach der ständigen Rechtsprechung des BSG in drei Schritten vorzunehmen und grundsätzlich tatrichterliche Aufgabe (BSGE 4, 147, 149 f; BSGE 62, 209, 212 ff = SozR 3870 § 3 Nr 26 S 83 f; BSG SozR 4-3250 § 69 Nr 10), wobei das Gericht nur bei der Feststellung der einzelnen nicht nur vorübergehenden Gesundheitsstörungen (erster Schritt) ausschließlich ärztliches Fachwissen heranziehen muss. Bei der Bemessung der Einzel-GdB und des Gesamt-GdB kommt es indessen nach § 69 SGB IX maßgebend auf die Auswirkungen der Gesundheitsstörungen auf die Teilnahme am Leben in der Gesellschaft an. Bei diesem zweiten und dritten Verfahrensschritt hat das Tatsachengericht über die medizinisch zu beurteilenden Verhältnisse hinaus weitere Umstände auf gesamtgesellschaftlichem Gebiet zu berücksichtigen. Diese Umstände sind in die als sog antizipierte Sachverständigengutachten anzusehenden Anhaltspunkte für die ärztliche Gutachtertätigkeit im sozialen Entschädigungsrecht und nach dem Schwerbehindertenrecht (AHP) einbezogen worden. Dementsprechend sind die AHP nach der ständigen Rechtsprechung des BSG im Verwaltungs- und Gerichtsverfahren zu beachten (s BSG SozR 4-3250 § 69 Nr 9 RdNr 25 mwN). Für die seit dem 1.1.2009 geltende Anlage "Versorgungsmedizinische Grundsätze" (VG) zur Versorgungsmedizin-Verordnung gilt das Gleiche.
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Die Feststellung des GdB ist dabei in einen rechtlichen Rahmen eingebettet, den das Tatsachengericht zwingend zu beachten hat. Rechtlicher Ausgangspunkt ist stets § 69 Abs 1, 3 und 4 SGB IX(s zuletzt BSG SozR 4-3250 § 69 Nr 10 RdNr 16 bis 21 mwN). AHP und VG setzen die gesetzlichen Vorgaben um, wobei insbesondere auch medizinische Sachkunde zum Tragen kommt. Es kann hier offenbleiben, inwieweit in diesem Rahmen grundsätzlich bedeutsame Rechtsfragen iS des § 160 Abs 2 Nr 1 SGG auftreten können. Jedenfalls hat der Kläger die höchstrichterliche Klärungsbedürftigkeit der von ihm aufgeworfenen Frage nicht hinreichend dargetan.
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Es wird schon nicht deutlich, auf welche Bestimmung der VG sich die Frage des Klägers bezieht. Sollte er insoweit auf Teil B Nr 1 Buchst c VG Bezug nehmen, so hätte er darlegen müssen, inwieweit sich daraus ergebe, dass eine Herabsetzung des GdB auf unter 50 zwingend vorgesehen sei. Besonderer Ausführungen hätte es schon deshalb bedurft, weil die betreffende Vorschrift an sich nur die pauschal bemessene Höhe des GdB während der Heilungsbewährung regelt. Für die Zeit danach ist der GdB nach den konkreten Auswirkungen der vorliegenden Gesundheitsstörungen zu bemessen (vgl dazu Teil A Nr 2 VG). Dabei sind selbstverständlich auch seelische Begleiterscheinungen und erst recht psychische Störungen, auf die der Kläger hinweist, zu berücksichtigen (vgl Teil A Nr 2 Buchst i VG). Insoweit ist nicht klar, inwiefern die VG nach Ansicht des Klägers in diesem Zusammenhang rechtliche Zweifelsfragen aufwerfen.
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Letztlich zielt die Frage des Klägers offenbar auf eine (möglichst unbeschränkte) Verlängerung der Heilungsbewährungszeit und der damit verbundenen pauschalen GdB-Bemessung. Sicher würde die Regelung in Teil B Nr 1 Buchst c VG gegen § 69 SGB IX verstoßen, wenn sie nicht dem aktuellen Stand der medizinischen Wissenschaft entspräche(vgl § 69 Abs 1 Satz 5 SGB IX iVm § 30 Abs 17 BVG; dazu auch § 2 Versorgungsmedizin-Verordnung). Da es zu den Aufgaben des beim Bundesministerium für Arbeit und Soziales gebildeten Ärztlichen Sachverständigenbeirats Versorgungsmedizin gehört, die Fortentwicklung der VG entsprechend dem aktuellen Stand der medizinischen Wissenschaft vorzubereiten, kann grundsätzlich davon ausgegangen werden, dass die Bestimmungen der VG diesem Qualitätsmaßstab entsprechen. Insoweit hätte es näherer Darlegungen des Klägers dazu bedurft, inwiefern aufgrund neuerer medizinischer Erkenntnisse eine längere Heilungsbewährungszeit geboten sein könnte. Der Kläger beschränkt sich hingegen auf allgemeine Behauptungen, ohne auf wissenschaftliche Quellen Bezug zu nehmen. Das reicht nicht aus.
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Soweit der Kläger schließlich die in seinem Fall erfolgte GdB-Bemessung angreift, rügt er im wesentlichen die berufungsgerichtliche Sachverhaltsaufklärung und Beweiswürdigung, ohne die Beschränkungen zu berücksichtigen, die sich bei behaupteten Verletzungen von § 103 und § 128 Abs 1 Satz 1 SGG für die Revisionszulassung aus § 160 Abs 2 Nr 3 Halbs 2 SGG ergeben.
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Die Beschwerde ist daher ohne Hinzuziehung ehrenamtlicher Richter als unzulässig zu verwerfen (§ 160a Abs 4 Satz 1 Halbs 2 iVm § 169 SGG).
(1) Auf Antrag des Versicherten, des behinderten Menschen, des Versorgungsberechtigten oder Hinterbliebenen muß ein bestimmter Arzt gutachtlich gehört werden. Die Anhörung kann davon abhängig gemacht werden, daß der Antragsteller die Kosten vorschießt und vorbehaltlich einer anderen Entscheidung des Gerichts endgültig trägt.
(2) Das Gericht kann einen Antrag ablehnen, wenn durch die Zulassung die Erledigung des Rechtsstreits verzögert werden würde und der Antrag nach der freien Überzeugung des Gerichts in der Absicht, das Verfahren zu verschleppen, oder aus grober Nachlässigkeit nicht früher vorgebracht worden ist.
(1) Soweit in den tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnissen, die beim Erlass eines Verwaltungsaktes mit Dauerwirkung vorgelegen haben, eine wesentliche Änderung eintritt, ist der Verwaltungsakt mit Wirkung für die Zukunft aufzuheben. Der Verwaltungsakt soll mit Wirkung vom Zeitpunkt der Änderung der Verhältnisse aufgehoben werden, soweit
- 1.
die Änderung zugunsten des Betroffenen erfolgt, - 2.
der Betroffene einer durch Rechtsvorschrift vorgeschriebenen Pflicht zur Mitteilung wesentlicher für ihn nachteiliger Änderungen der Verhältnisse vorsätzlich oder grob fahrlässig nicht nachgekommen ist, - 3.
nach Antragstellung oder Erlass des Verwaltungsaktes Einkommen oder Vermögen erzielt worden ist, das zum Wegfall oder zur Minderung des Anspruchs geführt haben würde, oder - 4.
der Betroffene wusste oder nicht wusste, weil er die erforderliche Sorgfalt in besonders schwerem Maße verletzt hat, dass der sich aus dem Verwaltungsakt ergebende Anspruch kraft Gesetzes zum Ruhen gekommen oder ganz oder teilweise weggefallen ist.
(2) Der Verwaltungsakt ist im Einzelfall mit Wirkung für die Zukunft auch dann aufzuheben, wenn der zuständige oberste Gerichtshof des Bundes in ständiger Rechtsprechung nachträglich das Recht anders auslegt als die Behörde bei Erlass des Verwaltungsaktes und sich dieses zugunsten des Berechtigten auswirkt; § 44 bleibt unberührt.
(3) Kann ein rechtswidriger begünstigender Verwaltungsakt nach § 45 nicht zurückgenommen werden und ist eine Änderung nach Absatz 1 oder 2 zugunsten des Betroffenen eingetreten, darf die neu festzustellende Leistung nicht über den Betrag hinausgehen, wie er sich der Höhe nach ohne Berücksichtigung der Bestandskraft ergibt. Satz 1 gilt entsprechend, soweit einem rechtmäßigen begünstigenden Verwaltungsakt ein rechtswidriger begünstigender Verwaltungsakt zugrunde liegt, der nach § 45 nicht zurückgenommen werden kann.
(4) § 44 Abs. 3 und 4, § 45 Abs. 3 Satz 3 bis 5 und Abs. 4 Satz 2 gelten entsprechend. § 45 Abs. 4 Satz 2 gilt nicht im Fall des Absatzes 1 Satz 2 Nr. 1.
(1) Auf Antrag des Versicherten, des behinderten Menschen, des Versorgungsberechtigten oder Hinterbliebenen muß ein bestimmter Arzt gutachtlich gehört werden. Die Anhörung kann davon abhängig gemacht werden, daß der Antragsteller die Kosten vorschießt und vorbehaltlich einer anderen Entscheidung des Gerichts endgültig trägt.
(2) Das Gericht kann einen Antrag ablehnen, wenn durch die Zulassung die Erledigung des Rechtsstreits verzögert werden würde und der Antrag nach der freien Überzeugung des Gerichts in der Absicht, das Verfahren zu verschleppen, oder aus grober Nachlässigkeit nicht früher vorgebracht worden ist.
Tenor
I. Das Urteil des Sozialgerichts München vom 26. Februar 2014 wird insoweit aufgehoben und die Klage abgewiesen, als die Klägerin die Feststellung der gesundheitlichen Voraussetzungen für das Merkzeichen aG begehrt.
II. Der Beklagte hat der Klägerin die notwendigen außergerichtlichen Kosten in beiden Rechtszügen zur Hälfte zu erstatten.
III. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
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1.
Funktionsbehinderung der rechten unteren Extremität bei eingeschränkter Beweglichkeit des rechten Kniegelenkes und ausgeprägten Knorpelschäden, anhaltende Reizerscheinungen bei Beinverkürzung um 3,5 cm sowie Innenrotationsfehlstellung (Einzel-GdB 40),
-
2.
Funktionsbehinderung der Wirbelsäule, degenerative Veränderungen, Muskel- und Nervenwurzelreizerscheinungen, Schmerzsyndrom (Einzel-GdB 30).
-
1.
Erkrankung der Brust rechts (in Heilungsbewährung) (Einzel-GdB 50),
-
2.
Funktionsbehinderung der rechten unteren Extremität bei eingeschränkter Beweglichkeit des rechten Kniegelenkes und ausgeprägten Knorpelschäden, anhaltende Reizerscheinungen bei Beinverkürzung um 3,5 cm sowie Innenrotationsfehlstellung (Einzel-GdB 40),
-
3.
Funktionsbehinderungen der Wirbelsäule, degenerative Veränderungen, Muskel- und Nervenwurzelreizerscheinungen, Schmerzsyndrom (Einzel-GdB 30).
Gründe
4.1.4. Dr. R.
(1) Auf Antrag des Versicherten, des behinderten Menschen, des Versorgungsberechtigten oder Hinterbliebenen muß ein bestimmter Arzt gutachtlich gehört werden. Die Anhörung kann davon abhängig gemacht werden, daß der Antragsteller die Kosten vorschießt und vorbehaltlich einer anderen Entscheidung des Gerichts endgültig trägt.
(2) Das Gericht kann einen Antrag ablehnen, wenn durch die Zulassung die Erledigung des Rechtsstreits verzögert werden würde und der Antrag nach der freien Überzeugung des Gerichts in der Absicht, das Verfahren zu verschleppen, oder aus grober Nachlässigkeit nicht früher vorgebracht worden ist.
(1) Das Gericht entscheidet nach seiner freien, aus dem Gesamtergebnis des Verfahrens gewonnenen Überzeugung. In dem Urteil sind die Gründe anzugeben, die für die richterliche Überzeugung leitend gewesen sind.
(2) Das Urteil darf nur auf Tatsachen und Beweisergebnisse gestützt werden, zu denen sich die Beteiligten äußern konnten.