Bayerischer Verwaltungsgerichtshof Beschluss, 22. März 2019 - 1 ZB 17.594

bei uns veröffentlicht am22.03.2019
vorgehend
Verwaltungsgericht München, M 9 K 15.1443, 11.01.2017

Gericht

Bayerischer Verwaltungsgerichtshof

Tenor

I. Der Antrag auf Zulassung der Berufung wird abgelehnt.

II. Die Klägerin trägt die Kosten des Verfahrens.

III. Der Streitwert für das Zulassungsverfahren wird auf 5.000,- Euro festgesetzt.

Gründe

Die Klägerin begehrt die Feststellung der Rechtswidrigkeit einer denkmalrechtlichen Grabungserlaubnis. Eine solche wurde auf ihren Antrag am 12. März 2015 unter verschiedenen Auflagen erteilt. Mit Schriftsatz vom 15. April 2015 erhob die Klägerin zunächst Anfechtungsklage gegen den Bescheid vom 12. März 2015. Nachdem die Grabungsarbeiten nach Klageerhebung abgeschlossen worden waren, stellte sie im Rahmen einer Fortsetzungsfeststellungsklage den Antrag, festzustellen, dass der Bescheid vom 12. März 2015 rechtswidrig war. Bei rechtmäßiger Anwendung der Tatbestandsvoraussetzungen des Art. 7 und Art. 1 Abs. 4 BayDSchG hätte die Grabungserlaubnis zumindest ohne Auflagen erteilt werden müssen. Eine Erlaubnispflicht habe nicht bestanden, nachdem in dem Bereich der Grabungen keine Funde aus vor- oder frühgeschichtlicher Zeit und daher kein Bodendenkmal vorhanden seien. Das Verwaltungsgericht hat die Klage mit Urteil vom 11. Januar 2017 abgewiesen, da der Bescheid über die denkmalrechtliche Erlaubnis unter Auflagen rechtmäßig gewesen sei. Eine Erlaubnispflicht habe bestanden, da jedenfalls archäologische Funde aus dem 13. Jahrhundert aufzufinden gewesen seien und diese ausreichten, um ein Bodendenkmal anzunehmen.

Der Antrag auf Zulassung der Berufung hat keinen Erfolg. Die geltend gemachten Zulassungsgründe, auf deren Prüfung der Senat beschränkt ist, liegen nicht vor (§ 124 a Abs. 5 Satz 2 VwGO).

1. Ernstliche Zweifel an der Richtigkeit des Urteils (§ 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO) liegen nicht vor bzw. werden nicht dargelegt. Ernstliche Zweifel im Sinn dieser Vorschrift, die die Zulassung der Berufung rechtfertigen, sind zu bejahen, wenn ein einzelner tragender Rechtssatz oder eine einzelne erhebliche Tatsachenfeststellung des Verwaltungsgerichts mit schlüssigen Argumenten in Frage gestellt wird (vgl. BVerfG, B.v. 20.12.2010 - 1 BvR 2011/10 - NVwZ 2011, 546) und die Zweifel an der Richtigkeit einzelner Begründungselemente auf das Ergebnis durchschlagen. Dabei kommt es grundsätzlich nicht auf einzelne Elemente der Urteilsbegründung an, sondern auf das Ergebnis der Entscheidung, also auf die Richtigkeit des Urteils nach dem Sachausspruch in der Urteilsformel (vgl. BVerwG, B.v. 10.3.2004 - 7 AV 4/03 - DVBl 2004, 838; BayVGH, B.v. 24.2.2006 - 1 ZB 05.614 - juris Rn. 11; B.v. 19.3.2013 - 20 ZB 12.1881 - juris Rn. 2).

Ausweislich der Klagebegründung im erstinstanzlichen Verfahren war die Klage zunächst auf die Aufhebung der mit der Erlaubnis verbundenen belastenden Nebenbestimmungen (vgl. Bl. 28 der Akte des Verwaltungsgerichts) bzw. die Verpflichtung zur Erteilung einer Erlaubnis ohne die belastenden Nebenbestimmungen gerichtet (vgl. Bl. 37 der Akte des Verwaltungsgerichts). Streitgegenstand der ursprünglichen Anfechtungsklage war mithin die isolierte Anfechtung der Nebenbestimmungen der Erlaubnis bzw. ein Anspruch auf Verpflichtung des Antragsgegners zur Erteilung der Erlaubnis ohne Nebenbestimmungen, sofern eine isolierte Anfechtung der Auflagen nicht möglich sein sollte. Die nach Durchführung der Grabungen mit Schriftsatz vom 16. Dezember 2016 erhobene Fortsetzungsfeststellungklage muss sich auf diesen Streitgegenstand beziehen, da eine Fortsetzungsfeststellungsklage nur vorliegt, wenn der Streitgegenstand nicht ausgewechselt wird (vgl. BVerwG, U.v. 16.5.2007 -3 C 8.06 - BVerwGE 129, 27). Der im Rahmen der Fortsetzungsfeststellungsklage gestellte Antrag, „dass der Bescheid des Landratsamtes P* … vom 12. März 2015 rechtswidrig war“, kann daher nur so verstanden werden, dass die Feststellung der Rechtswidrigkeit der inhaltsbestimmenden Nebenbestimmungen begehrt wurde.

Für die Rechtswidrigkeit der Auflagen wird ausschließlich geltend gemacht, dass diese nicht erforderlich gewesen seien, da kein Bodendenkmal vorliege. Unabhängig von der Frage, ob sich die Klägerin mit diesem Vorbringen in Widerspruch zu der Beantragung der denkmalrechtlichen Erlaubnis setzt („venire contra factum proprium“), hat die Klägerin die Erlaubnisbedürftigkeit der Erdarbeiten mit ihrem Zulassungsvorbringen nicht durchgreifend in Frage gestellt.

Nach Art. 7 Abs. 1 BayDSchG bedarf der Erlaubnis, wer auf einem Grundstück nach Bodendenkmälern graben oder zu einem anderen Zweck Erdarbeiten auf dem Grundstück vornehmen will, obwohl er weiß oder vermutet oder den Umständen nach annehmen muss, dass sich dort Bodendenkmäler befinden. Die Erlaubnisbedürftigkeit setzt nach dem Gesetzeswortlaut nicht zwingend voraus, dass ein Bodendenkmal gemäß Art. 1 Abs. 4 BayDSchG mit Gewissheit vorhanden ist. Es reicht vielmehr aus, wenn der Vorhabenträger vermutet oder den Umständen nach annehmen muss, dass sich auf dem Grundstück Bodendenkmäler befinden. Es genügt somit die Vornahme von Grabungen in dem Bewusstsein des möglichen Vorhandenseins von Bodendenkmälern (vgl. Eberl/Martin/Spennemann, Bayerisches Denkmalschutzgesetz, 7. Aufl. 2016, Art. 7 Rn. 1). Wegen der für Bodendenkmäler bestehenden Besonderheit, dass eine durch Grabungen vermittelte, sichere Feststellung über deren Vorhandensein gleichzeitig auch die zumindest teilweise Zerstörung des Denkmals bedeutet, lässt der Gesetzgeber für das Bestehen der Erlaubnispflicht die Vermutung genügen, dass im Bereich der geplanten Erdarbeiten ein Bodendenkmal liegt. Art. 7 Abs. 1 Satz 1 Alt. 2 BayDSchG schützt damit auch vermutete Bodendenkmäler vor ungezielten Erdarbeiten (vgl. Martin/Krautzberger, Handbuch Denkmalschutz und Denkmalpflege, 4. Aufl. 2017, Teil E Rn. 19).

Die von der Klägerin und dem Verwaltungsgericht erörterte Frage, ob Bodendenkmäler im Sinn von Art. 1 Abs. 4 BayDSchG nur Sachen aus vor- oder frühgeschichtlicher Zeit und nur ausnahmsweise auch solche späterer Zeitstellung sein können, ist nicht entscheidungserheblich. Das Landesamt für Denkmalpflege hat in seiner Stellungnahme vom 23. Mai 2017 dargelegt, dass in dem Bereich der Grabungen nicht nur mit mittelalterlichen, sondern auch mit älteren, urgeschichtlichen Siedlungsspuren zu rechnen gewesen sei. Diese Vermutung wird durch Funde aus der Jungsteinzeit bis zur vorrömischen Eisenzeit in nur ca. 150 m Entfernung zur streitgegenständlichen Fläche begründet. Die Klägerin wendet hiergegen lediglich ein, es bestehe keine räumliche Nähe der Funde zur streitgegenständlichen Fläche und es werde deren Lage auf einer Insel nicht hinreichend berücksichtigt. Weshalb eine Entfernung von ca. 150 m zum Fundort gegen das Auffinden ähnlicher Funde spricht, ist nicht nachvollziehbar, nachdem es sich um Spuren einer Siedlung handelt. Solche haben regelmäßig keine so eng begrenzte Ausdehnung wie beispielsweise ein einzelnes Gebäude. Zudem hat das Landesamt für Denkmalpflege schlüssig auf die ähnlich günstige topographische Lage der streitgegenständlichen Fläche am Flussübergang hingewiesen. Angesichts der besonderen fachlichen Kompetenz des Landesamtes für Denkmalpflege (vgl. BayVGH, U.v. 2.8.2018 - 2 B 18.742 - juris Rn. 45) reichen die Einwände der Klägerin nicht aus, die von diesem mit konkreten Tatsachen begründete Vermutung zu erschüttern. Soweit die Klägerin geltend macht, dass für die Rechtmäßigkeit des Bescheids auf den Zeitpunkt des Erlasses der Grabungserlaubnis abzustellen sei, übersieht sie, dass ein Anspruch auf Erlass einer Erlaubnis ohne Auflagen streitgegenständlich war; die Auflagen können nicht isoliert angefochten werden.

Die Klägerin musste vermuten, dass sich im Bereich der geplanten Erdarbeiten ein Bodendenkmal befindet. Der Wortlaut des Art. 7 Abs. 1 Satz 1 BayDSchG stellt auf das Bewusstsein des Vorhabenträgers über das mögliche Vorhandensein eines Bodendenkmals ab (vgl. Eberl/Martin/Spennemann, Bayerisches Denkmalschutzgesetz, Art. 7 Rn. 1). Dies setzt indes nicht voraus, dass dieser alle Umstände kennt, die die rechtliche Bewertung der möglichen Funde als Bodendenkmal im Sinn von Art. 1 Abs. 4 BayDSchG ermöglichen. Vielmehr verdeutlicht Art. 7 Abs. 1 Satz 1 Alt. 3 BayDSchG, dass es ausreicht, wenn der Vorhabenträger die Umstände kennt, aus denen auf das Vorhandensein von Bodendenkmälern geschlossen werden muss (vgl. Eberl/Martin/Spennemann, Bayerisches Denkmalschutzgesetz, Art. 7 Rn. 2). Dass der Klägerin solche Umstände waren bekannt waren, ergibt sich schon daraus, dass sie einen Antrag auf Erlaubnis gestellt hat. Sie wurde im Baugenehmigungsverfahren mit Schreiben der Unteren Denkmalschutzbehörde vom 15. Januar 2015 auf die bodendenkmalrechtliche Problematik hingewiesen, weiter war ein Bodendenkmal in der Denkmalliste eingetragen. Der Einwand der Klägerin, sie habe keine Umstände gekannt, die auf zu erwartende Funde der Früh- oder Vorgeschichte schließen ließen, unterstellt, dass der Vorhabenträger selbst in der Lage sein müsse, eine rechtliche Bewertung der möglichen Funde vornehmen zu können. Diese Anforderung stellt das Gesetz nicht. Nachdem die Erlaubnispflicht dem Schutz der Bodendenkmäler vor Zerstörung durch Grabungen dient, kann sie nicht von der rechtlichen Bewertung der Erkenntnisse durch den Vorhabenträger abhängen, da sie ansonsten leer liefe und der beabsichtigte Schutz vermuteter Bodendenkmäler nicht gewährleistet werden könnte. Die Eintragung in die Denkmalliste hat lediglich nachrichtlichen Charakter (Art. 2 Abs. 1 Satz 1 BayDSchG). Es wird kein Vertrauensschutz begründet, dass nur die darin erfassten Objekte die Denkmaleigenschaft begründen oder - wie hier - nur mit mittelalterlichen und frühneuzeitlichen Funden gerechnet werden muss (vgl. BGH, U.v. 6.6.2013 - III ZR 196/12 - NJW 2013, 3370).

2. Die Berufung ist auch nicht aufgrund besonderer tatsächlicher oder rechtlicher Schwierigkeiten gemäß § 124 Abs. 2 Nr. 2 VwGO zuzulassen. Besondere tatsächliche oder rechtliche Schwierigkeiten weist eine Rechtssache dann auf‚ wenn die Beantwortung der für die Entscheidung erheblichen Fragen in tatsächlicher oder rechtlicher Hinsicht voraussichtlich das durchschnittliche Maß nicht unerheblich überschreitende Schwierigkeiten bereitet‚ wenn sie sich also wegen der Komplexität und abstrakten Fehleranfälligkeit aus der Mehrzahl der verwaltungsgerichtlichen Verfahren heraushebt (vgl. BayVGH‚ B.v. 20.4.2016 - 15 ZB 14.2686 - juris Rn. 63 und Rudisile in Schoch/Schneider/Bier‚ VwGO‚ Stand September 2018‚ § 124 Rn. 28 m.w.N.).

Die Zulassungsbegründung nennt zur Darlegung besonderer tatsächlicher oder rechtlicher Schwierigkeiten die komplexe Auslegungsfrage, die mit den Ausführungen zur Begründung ernstlicher Zweifel aufgeworfen worden sei und eine vertiefte Auseinandersetzung mit dem historischen Gesetzeszweck bedürfe. Wie sich aus den vorstehenden Erwägungen ergibt, ist die umfangreich problematisierte Auslegung des Art. 1 Abs. 4 BayDSchG nicht entscheidungserheblich.

3. Die Zulassungsbegründung erfüllt ferner nicht die Anforderungen an die Darlegung des Zulassungsgrundes gemäß § 124 Abs. 2 Nr. 3 VwGO. Grundsätzliche Bedeutung im Sinn dieser Vorschrift kommt einer Rechtssache zu, wenn eine Rechts- oder Tatsachenfrage für die Entscheidung des Rechtsstreits erheblich, bislang höchstrichterlich oder obergerichtlich nicht geklärt und über den zu entscheidenden Einzelfall hinaus bedeutsam ist; die Frage muss ferner im Interesse der Einheitlichkeit der Rechtsprechung oder der Fortentwicklung des Rechts einer berufungsgerichtlichen Klärung zugänglich sein und dieser Klärung auch bedürfen (vgl. BVerwG, B.v. 16.11.2010 - 6 B 58.10 - juris Rn. 3; B.v. 17.12.2010 - 8 B 38.10 - juris Rn. 7 f.). Um den auf die grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache gestützten Zulassungsantrag zu begründen, muss der Rechtsmittelführer eine konkrete Rechts- oder Tatsachenfrage formulieren, ausführen, weshalb diese Frage für den Rechtsstreit entscheidungserheblich ist, erläutern, weshalb die Frage klärungsbedürftig ist und darlegen, weshalb der Frage eine über die einzelfallbezogene Rechtsanwendung hinausgehende Bedeutung zukommt. Die Zulassungsbegründung formuliert jedoch keine konkrete Rechts- oder Tatsachenfrage, sondern verweist nur pauschal auf die Rechtsfragen, die im Rahmen der Begründung ernstlicher Zweifel gemäß § 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO aufgeworfen worden seien.

Die Klägerin hat die Kosten des Zulassungsverfahrens zu tragen‚ da ihr Rechtsmittel erfolglos geblieben ist (§ 154 Abs. 2 VwGO).

Die Festsetzung des Streitwerts beruht auf § 63 Abs. 2 Satz 1‚ § 47 Abs. 1 und 3‚ § 52 Abs. 1 GKG und entspricht dem vom Verwaltungsgericht festgesetzten Betrag.

Mit der Ablehnung des Zulassungsantrags wird das Urteil des Verwaltungsgerichts rechtskräftig (§ 124a Abs. 5 Satz 4 VwGO).

Urteilsbesprechung zu Bayerischer Verwaltungsgerichtshof Beschluss, 22. März 2019 - 1 ZB 17.594

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Referenzen - Gesetze

Verwaltungsgerichtsordnung - VwGO | § 154


(1) Der unterliegende Teil trägt die Kosten des Verfahrens. (2) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen demjenigen zur Last, der das Rechtsmittel eingelegt hat. (3) Dem Beigeladenen können Kosten nur auferlegt werden, we

Gerichtskostengesetz - GKG 2004 | § 52 Verfahren vor Gerichten der Verwaltungs-, Finanz- und Sozialgerichtsbarkeit


(1) In Verfahren vor den Gerichten der Verwaltungs-, Finanz- und Sozialgerichtsbarkeit ist, soweit nichts anderes bestimmt ist, der Streitwert nach der sich aus dem Antrag des Klägers für ihn ergebenden Bedeutung der Sache nach Ermessen zu bestimmen.

Verwaltungsgerichtsordnung - VwGO | § 124


(1) Gegen Endurteile einschließlich der Teilurteile nach § 110 und gegen Zwischenurteile nach den §§ 109 und 111 steht den Beteiligten die Berufung zu, wenn sie von dem Verwaltungsgericht oder dem Oberverwaltungsgericht zugelassen wird. (2) Die B

Verwaltungsgerichtsordnung - VwGO | § 124a


(1) Das Verwaltungsgericht lässt die Berufung in dem Urteil zu, wenn die Gründe des § 124 Abs. 2 Nr. 3 oder Nr. 4 vorliegen. Das Oberverwaltungsgericht ist an die Zulassung gebunden. Zu einer Nichtzulassung der Berufung ist das Verwaltungsgericht nic
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(2) Die Berufung ist nur zuzulassen,

1.
wenn ernstliche Zweifel an der Richtigkeit des Urteils bestehen,
2.
wenn die Rechtssache besondere tatsächliche oder rechtliche Schwierigkeiten aufweist,
3.
wenn die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat,
4.
wenn das Urteil von einer Entscheidung des Oberverwaltungsgerichts, des Bundesverwaltungsgerichts, des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes oder des Bundesverfassungsgerichts abweicht und auf dieser Abweichung beruht oder
5.
wenn ein der Beurteilung des Berufungsgerichts unterliegender Verfahrensmangel geltend gemacht wird und vorliegt, auf dem die Entscheidung beruhen kann.

Tenor

1. Der Beschluss des Oberverwaltungsgerichts Berlin-Brandenburg vom 28. Juni 2010 - 12 N 33.10 - verletzt den Beschwerdeführer in seinem Grundrecht aus Artikel 19 Absatz 4 des Grundgesetzes.

Der Beschluss des Oberverwaltungsgerichts Berlin-Brandenburg vom 28. Juni 2010 - 12 N 33.10 - wird aufgehoben. Die Sache wird an das Oberverwaltungsgericht Berlin-Brandenburg zurückverwiesen.

2. ...

Gründe

I.

1

Der Beschwerdeführer wendet sich mit seiner Verfassungsbeschwerde gegen einen Beschluss des Oberverwaltungsgerichts, mit dem sein Antrag auf Zulassung der Berufung gegen ein verwaltungsgerichtliches Urteil zurückgewiesen wurde. Im erstinstanzlichen Verfahren hatte er eine Reduzierung der von ihm für das Jahr 2001 geforderten Abgaben für ein ärztliches Versorgungswerk angestrebt.

2

1. § 20 Abs. 1 Satz 1 der Satzung der Berliner Ärzteversorgung in der Fassung vom 1. April 2000 verpflichtet jedes Mitglied zur Leistung von Versorgungsabgaben, sofern Einkünfte aus ärztlicher Berufsausübung erzielt werden. Als allgemeine Versorgungsabgabe ist eine "Normalabgabe" zu zahlen, die gemäß § 23 Abs. 1 Satz 1 der Satzung dem höchsten Pflichtbeitrag zur Angestelltenversicherung im gleichen Jahr entspricht. Als Mindestabgabe ist der 0,2-fache Betrag der Normalabgabe zu zahlen. In ständiger Verwaltungspraxis mussten im streitgegenständlichen Zeitraum Mitglieder, deren Einkommen 2.000 DM pro Monat unterschritt, nur einen reduzierten Versorgungsbeitrag in Höhe des hälftigen Beitragssatzes der Rentenversicherung der Angestellten erbringen (im Folgenden: Härtefallregelung).

3

Im Jahr 2001 belief sich der höchste Pflichtbeitrag zur Rentenversicherung der Angestellten auf 1.661,70 DM (849,61 €).

4

2. Der Beschwerdeführer ist Arzt und war aufgrund seiner Mitgliedschaft in der Ärztekammer, der Beklagten des Ausgangsverfahrens (im Folgenden: Beklagte) auch Mitglied der von ihr eingerichteten Ärzteversorgung.

5

Auf Grundlage eines Honorarvertrags war der Beschwerdeführer ab Juli 2000 als Bereitschaftsarzt für eine Privatklinik tätig. Da er zunächst weniger als 2.000 DM pro Monat verdiente, beantragte er bei der Beklagten eine Beitragsreduzierung auf Basis der Härtefallregelung, die diese mit Bescheid von Februar 2001 ab Januar 2000 gewährte. Für den Zeitraum ab Januar 2001 setzte die Beklagte gegenüber dem Beschwerdeführer unter Zugrundelegung der Härtefallregelung einen monatlichen Beitrag von 81,20 DM fest. Die Tätigkeit des Beschwerdeführers als Bereitschaftsarzt endete mit Ablauf des Monats Oktober 2001. Das letzte Honorar wurde im November 2001 ausgezahlt. Für den Rest des Jahres 2001 erzielte der Beschwerdeführer keine Einnahmen aus ärztlicher Tätigkeit mehr.

6

a) Nachdem der Beschwerdeführer den Einkommensteuerbescheid für das Jahr 2001 vorgelegt hatte, aus dem sich Einkünfte aus selbständiger Arbeit in Höhe von 20.291 DM (10.374,62 €) ergaben, setzte die Beklagte im Mai 2003 für das Jahr 2001 bezüglich der Monate Januar bis Oktober 2001, ausgehend vom 0,2-fachen der Normalabgabe, einen monatlichen Beitrag von jeweils 169,92 € fest. Unter Berücksichtigung bereits gezahlter Beiträge und vorhandener Guthaben forderte sie vom Beschwerdeführer zugleich eine Nachzahlung in Höhe von 1.206,79 €. Der gegen die Höhe der Abgabe gerichtete Widerspruch des Beschwerdeführers blieb erfolglos.

7

b) Mit seiner daraufhin erhobenen Klage verlangte der Beschwerdeführer eine Reduzierung des Nachzahlungsbetrags auf 485,52 €, weil er der Härtefallregelung unterfalle. Sein monatliches Einkommen unterschreite die Grenze von 2.000 DM, weil das erst im November 2001 ausgezahlte Honorar nicht mehr als Einkommen berücksichtigt werden dürfe.

8

Das Verwaltungsgericht wies die Klage ab. Die Beklagte habe die Versorgungsabgaben für 2001 in der zutreffenden Höhe festgesetzt. Die Härtefallregelung könnte nicht zugunsten des Beschwerdeführers angewendet werden, weil sein monatliches Einkommen mehr als 2.000 DM pro Monat betragen habe. Abzustellen sei auf das Einkommen, das sich aus dem Einkommensteuerbescheid für das Jahr 2001 ergebe. Weder habe der Beschwerdeführer belegen können, dass in den im Steuerbescheid ausgewiesenen Einkünften auch Einkommen aus dem Jahr 2000 enthalten sei, noch komme es für das von Januar bis Oktober 2001 erarbeitete Einkommen auf den Zeitpunkt des Zuflusses an. Da nur für die Dauer der ärztlichen Tätigkeit Abgaben zu leisten seien, habe die Beklagte den 2001 verdienten Betrag auch richtigerweise lediglich auf 10 statt auf 12 Monate verteilt.

9

c) Gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts beantragte der Beschwerdeführer die Zulassung der Berufung. Er berief sich hierbei ausdrücklich auf die Zulassungsgründe des § 124 Abs. 2 Nr. 1 und Nr. 4 der Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO). Das Verwaltungsgericht sei nicht befugt gewesen, das ihm erst im November zugeflossene Einkommen zu berücksichtigten, weil es auf den Zufluss des Entgelts während der Dauer der Beschäftigung ankomme. Weiter sei zu erwähnen, dass die Beklagte ihre Forderung auch bei Anwendung des Entstehungsprinzips nicht begründen könne; denn in diesem Fall müssten von seinen einkommensteuerrechtlich für das Jahr 2001 ermittelten Einkünften aus selbständiger Arbeit seine während der zweiten Dezemberhälfte 2000 erwirtschafteten Honorare in Höhe von 985,50 DM abgezogen werden, wodurch nur noch Jahreseinkünfte von 19.305 DM verblieben. Dies führe ebenfalls zur Anwendung der Härtefallregelung. Der Beschwerdeführer bezog sich dabei auf bereits im erstinstanzlichen Verfahren vorgelegte Unterlagen. Seinem Schriftsatz war darüber hinaus als Anlage ein von Januar 2010 datierendes Schreiben der Rechtsnachfolgerin der Klinik, für die er tätig gewesen war, beigefügt, aus dem sich ergab, dass der Beschwerdeführer im Monat Dezember 2000 am 2., 9., 25., 28. und 31. Dezember Dienste absolviert hatte.

10

d) Das Oberverwaltungsgericht wies den Zulassungsantrag zurück. Die Berufung sei nicht nach § 124 Abs. 2 Nr. 4 der Verwaltungsgerichtsordnung zuzulassen, weil ein Divergenzfall nicht gegeben sei. Auch ernstliche Zweifel an der Richtigkeit des verwaltungsgerichtlichen Urteils in Sinne von § 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO bestünden nicht. Die Auslegung des Verwaltungsgerichts sei sowohl mit Wortlaut als auch mit Sinn und Zweck der Satzung vereinbar. Die Ausführungen des Beschwerdeführers, die sein Einkommen im Jahr 2001 beträfen, seien in Bezug auf den Zulassungsgrund des § 124 Abs. 2 Nr. 4 VwGO nicht entscheidungserheblich. Nichts anderes ergebe sich, wenn man zu seinen Gunsten unterstelle, dass er insoweit ernsthafte Zweifel an der Richtigkeit der erstinstanzlichen Entscheidung habe geltend machen wollen; denn in diesem Fall sei durch die bloße Vorlage eines Honorarvertrags nicht nachgewiesen, dass im Januar 2001 Honorare für eine im Dezember 2000 ausgeübte ärztliche Tätigkeit gezahlt worden seien.

11

3. Mit seiner Verfassungsbeschwerde rügt der Beschwerdeführer eine Verletzung von Art. 2 in Verbindung mit Art. 20 Abs. 3, Art. 3 Abs. 1 und Art. 19 Abs. 4 GG.

12

a) Die Nichtzulassung der Berufung verstoße gegen Art. 19 Abs. 4 GG, hilfsweise gegen Art. 2 in Verbindung mit Art. 20 Abs. 3 GG als allgemeines Prozessgrundrecht auf ein faires Gerichtsverfahren. Der Zulassungsgrund des § 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO sei erfüllt, es bestünden ernstliche Zweifel an der Richtigkeit des erstinstanzlichen Urteils. Falsch sei schon, dass das Gericht auf das Entstehungsprinzip abgestellt habe, denn maßgebend sei das Zuflussprinzip. Das ihm erst im November 2001 zugegangene Honorar dürfe daher nicht mitberücksichtigt werden. Selbst bei Anwendung des Entstehungsprinzips müsse aber zu seinen Gunsten die Härtefallregelung eingreifen; auch dann liege sein durchschnittliches Monatseinkommen während des maßgeblichen Zeitraums unter der Grenze von 2.000 DM. Es müsse nämlich das Honorar, das in der zweiten Dezemberhälfte des Jahres 2000 von ihm erwirtschaftet worden sei, aus dem Einkommen, das sich aus dem Steuerbescheid 2001 ergebe, herausgerechnet werden.

13

b) Auch die Ablehnung der weiteren Zulassungsgründe verstoße gegen Art. 19 Abs. 4 GG. Im Übrigen verletze die Entscheidung des Oberverwaltungsgerichts Art. 3 Abs. 1 GG als Gleichbehandlungsgebot und Willkürverbot.

14

4. Der Senatsverwaltung für Justiz des Landes Berlin und der Ärztekammer Berlin wurde Gelegenheit zur Stellungnahme gegeben. Die Akten des Ausgangsverfahrens waren beigezogen.

II.

15

Die Kammer nimmt die Verfassungsbeschwerde zur Entscheidung an und gibt ihr statt, weil dies zur Durchsetzung des Grundrechts des Beschwerdeführers aus Art. 19 Abs. 4 GG angezeigt ist (§ 93a Abs. 2 Buchstabe b BVerfGG). Auch die weiteren Voraussetzungen des § 93c Abs. 1 Satz 1 BVerfGG für eine stattgebende Kammerentscheidung liegen vor. Die für die Beurteilung der Verfassungsbeschwerde maßgeblichen verfassungsrechtlichen Fragen sind durch das Bundesverfassungsgericht bereits geklärt (vgl. BVerfGE 78, 88 <98 f.>; 96, 27 <39>; 104, 220 <231 f.>). Die Verfassungsbeschwerde ist zudem offensichtlich begründet.

16

1. Der Beschluss des Oberverwaltungsgerichts vom 28. Juni 2010 verletzt das Grundrecht des Beschwerdeführers aus Art. 19 Abs. 4 GG.

17

a) Art. 19 Abs. 4 GG enthält ein Grundrecht auf effektiven und möglichst lückenlosen richterlichen Rechtsschutz gegen Akte der öffentlichen Gewalt (vgl. BVerfGE 8, 274 <326>; 67, 43 <58>; 96, 27 <39>; stRspr). Die Vorschrift erfordert zwar keinen Instanzenzug (vgl. BVerfGE 49, 329 <343>; 83, 24 <31>; 87, 48 <61>; 92, 365 <410>; 96, 27 <39>; stRspr); eröffnet das Prozessrecht aber eine weitere Instanz, so gewährleistet Art. 19 Abs. 4 GG in diesem Rahmen die Effektivität des Rechtsschutzes im Sinne eines Anspruchs auf eine wirksame gerichtliche Kontrolle (vgl. BVerfGE 40, 272 <274 f.>; 54, 94 <96 f.>; 65, 76 <90>; 96, 27 <39>; stRspr). Das Rechtsmittelgericht darf ein von der jeweiligen Prozessordnung eröffnetes Rechtsmittel daher nicht ineffektiv machen und für den Beschwerdeführer "leerlaufen" lassen (vgl. BVerfGE 78, 88 <98 f.>; 96, 27 <39>; 104, 220 <231 f.>). Sehen die prozessrechtlichen Vorschriften - wie §§ 124, 124a VwGO - die Möglichkeit vor, die Zulassung eines Rechtsmittels zu erstreiten, so verbietet Art. 19 Abs. 4 GG eine Auslegung und Anwendung dieser Rechtsnormen, die die Beschreitung des eröffneten Rechtswegs in einer unzumutbaren, aus Sachgründen nicht mehr zu rechtfertigenden Weise erschwert (vgl. BVerfGE 78, 88 <98 f.>; 96, 27 <39>; 104, 220 <231 f.>). Vor diesem Hintergrund dürfen an die Darlegung eines Zulassungsgrundes keine überspannten Anforderungen gestellt werden. Insbesondere ist der in § 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO enthaltene Zulassungsgrund der ernstlichen Zweifel an der Richtigkeit des erstinstanzlichen Urteils immer schon dann erfüllt, wenn der Kläger im Zulassungsverfahren einen einzelnen tragenden Rechtssatz oder eine einzelne erhebliche Tatsachenfeststellung mit schlüssigen Gegenargumenten in Frage gestellt hat (vgl. BVerfGE 110, 77 <83>; BVerfG, Beschluss der 2. Kammer des Ersten Senats vom 23. Juni 2000 - 1 BvR 830/00 -, juris, Rn. 15).

18

b) Diese Maßstäbe hat das Oberverwaltungsgericht verkannt und den Zugang des Beschwerdeführers zur Berufungsinstanz dadurch in unzumutbarer Weise verkürzt.

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aa) Verfassungsrechtlich nicht haltbar ist schon der rechtliche Ausgangspunkt des Oberverwaltungsgerichts, eine Zulassung der Berufung nach § 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO komme nicht in Betracht, weil der Beschwerdeführer nicht "nachgewiesen" habe, dass im Januar 2001 gezahltes Honorar auch Einkommen für eine im Dezember 2000 ausgeübte ärztliche Tätigkeit enthalte. Des Nachweises einer solchen Behauptung durch den Antragsteller bedarf es im Berufungszulassungsverfahren gerade nicht. Schlüssige Gegenargumente liegen vielmehr bereits dann vor, wenn der Antragsteller substantiiert rechtliche oder tatsächliche Umstände aufzeigt, aus denen sich die gesicherte Möglichkeit ergibt, dass die erstinstanzliche Entscheidung unrichtig ist. Ob tatsächliche Umstände, die ein Antragsteller schlüssig behauptet, auch wirklich gegeben sind, muss bei Unklarheiten nach Zulassung der Berufung während des sich anschließenden Berufungsverfahrens im Rahmen der Amtsermittlung geklärt werden. Es ist nicht zulässig, diese Prüfung ins Zulassungsverfahren vorzuverlagern und damit die eigentlich erforderliche Beweisaufnahme zu umgehen (vgl. auch BVerfG, Beschluss der 2. Kammer des Ersten Senats vom 21. Dezember 2009 - 1 BvR 812/09 -, juris, Rn. 22).

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bb) Der fehlerhafte rechtliche Ansatz des Oberverwaltungsgerichts führt auch zu einem verfassungsrechtlich nicht hinnehmbaren Ergebnis. Das Gericht hätte die Berufung nach § 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO zulassen müssen, weil der Beschwerdeführer im Berufungszulassungsverfahren eine das verwaltungsgerichtliche Urteil tragende Tatsachenfeststellung mit schlüssigen Gegenargumenten in Frage gestellt hat.

21

(1) Das Verwaltungsgericht geht, unter Zugrundelegung der ständigen Verwaltungspraxis der Beklagten, davon aus, dass ein Kammermitglied Anspruch auf einen (reduzierten) Beitrag in Höhe des hälftigen Beitragssatzes zur Rentenversicherung der Angestellten hat, sofern es einen Monatsverdienst von weniger als 2.000 DM erzielt. Für den Beschwerdeführer verneint das Gericht dann einen solchen, die 2.000 DM-Grenze unterschreitenden Verdienst pro Monat, weil die von ihm im Jahr 2001 erzielten Einnahmen von 20.291 DM auf 10 Monate, nämlich den Zeitraum von Januar bis einschließlich Oktober 2001, zu verteilen seien. Denn die Einnahmen könnten nur auf die Monate verteilt werden, in denen sie erarbeitet worden seien; auf den Zeitpunkt des Zuflusses komme es nicht an. Für die Höhe der Einnahmen stützt sich das Verwaltungsgericht auf die aus dem Einkommensteuerbescheid für das Jahr 2001 ergebende Einkommenshöhe, unterstellt also, dass die sich aus dem Einkommensteuerbescheid ergebenden Einnahmen vom Beschwerdeführer in dem Zeitraum von Januar bis Oktober 2001 erarbeitet worden sind und stützt seine Entscheidung auf diese Annahme.

22

(2) Demgegenüber hat der Beschwerdeführer zur Begründung seines Antrags auf Zulassung der Berufung eingewandt, in den Einnahmen, die in dem Einkommensteuerbescheid 2001 ausgewiesen seien, seien auch Verdienste aus dem Jahr 2000 enthalten, und zwar Honorare in Höhe von 985,50 DM, die er durch seine ärztliche Tätigkeit in der zweiten Dezemberhälfte 2000 erwirtschaftet habe. Zum Beleg seiner Behauptung hat er das Schreiben von Januar 2010, wonach er im Dezember 2000 an fünf Tagen Dienste wahrgenommen hat, vorgelegt. Darüber hinaus hat er vorgetragen, aufgrund des klinikinternen Abrechnungsmodus sei das Honorar während seiner Tätigkeit immer jeweils von Monatsmitte zu Monatsmitte berechnet und anschließend ausgezahlt worden. Da hiernach für die Monate Januar bis Oktober 2001 nur noch ein Einkommen von 19.305 DM verbleibe - also weniger als 2.000 DM monatlich - sei die Härtefallklausel schon aus diesem Grunde auf ihn anzuwenden.

23

(3) Damit hat der Beschwerdeführer die Prämisse des Verwaltungsgerichts, in dem aus dem Steuerbescheid ergebenden Einkommen seien keine Einnahmen aus dem Jahre 2000 enthalten, mit schlüssigen Gegenargumenten in Frage gestellt. Denn auf Grundlage der Behauptungen des Beschwerdeführers, die er zudem mit dem Schreiben von Januar 2010 belegt hat, erscheint es nicht lediglich als möglich, sondern sogar als nahe liegend, dass entgegen der Annahme des Verwaltungsgerichts im Steuerbescheid des Jahres 2001 als Einkommen auch Honorar berücksichtigt war, das der Beschwerdeführer im Dezember 2000 erarbeitet hatte. Dafür spricht nicht nur das Vorbringen des Beschwerdeführers, wonach sein Honorar in einem Abrechnungsmodus von Monatsmitte bis Monatsmitte berechnet und ausbezahlt wurde. Auch aus verwaltungspraktischen Gründen erscheint es wenig wahrscheinlich, dass insbesondere für eine ab dem 25. Dezember 2000, also während der Weihnachtsfeiertage und danach, geleistete Arbeit die Vergütung noch im selben Monat überwiesen werden konnte. Anhaltspunkte für eine Zahlung des Honorars im Voraus oder für Abschlagszahlungen gibt es nicht.

24

(4) Die Tatsachenfeststellungen, die der Beschwerdeführer mit seinem Vorbringen in Frage stellt, sind auch rechtlich erheblich. Denn das Verwaltungsgericht hätte, wären die Behauptungen des Beschwerdeführers zutreffend, seiner Klage jedenfalls teilweise stattgeben müssen. In diesem Fall hätte sich nämlich für 2001 ein in diesem Jahr "erarbeitetes" Honorar von lediglich 19.305,50 DM ergeben, weil 985,50 DM als Honorar für Dienste im Dezember 2000 von dem im Steuerbescheid 2001 ausgewiesenen Einkommen von 20.291 DM abzuziehen gewesen wären. Für die zehnmonatige ärztliche Tätigkeit des Beschwerdeführers im Jahr 2001 hätte sein monatlicher Verdienst folglich nur noch 1.930,55 DM betragen und damit die 2.000 DM-Grenze unterschritten. Nach der vom Verwaltungsgericht seiner Entscheidung zugrunde gelegten Rechtsauffassung - die vom Oberverwaltungsgericht in dem angegriffenen Beschluss auch nicht in Zweifel gezogen wird - wäre bei diesem geringen Einkommen die Härtefallregelung anzuwenden gewesen. Da sich die monatlichen Abgaben dementsprechend nur nach dem hälftigen Beitragssatz der Rentenversicherung für Angestellte, also der Hälfte von damals 19,1 %, errechnen würden, hätten sich diese nicht wie von der Beklagten festgesetzt auf - umgerechnet - 169,92 € belaufen, sondern lediglich auf 94,27 €. Auch die geltend gemachte Nachforderung würde sich entsprechend verringern.

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cc) Dem Beschwerdeführer kann auch nicht entgegengehalten werden, er habe den Zulassungsgrund im Berufungszulassungsverfahren nicht hinreichend dargelegt. Insbesondere ist es unschädlich, dass er in dem Zulassungsschriftsatz die von ihm vorgebrachten Argumente keinem beziehungsweise jedenfalls nicht dem zutreffenden Berufungszulassungsgrund des § 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO zugeordnet hat. Denn für eine den Anforderungen des § 124a Abs. 4 Satz 4 VwGO genügende Darlegung eines oder mehrerer Berufungszulassungsgründe ist es nicht notwendig, dass der Antragsteller ausdrücklich einen der in § 124 Abs. 2 VwGO normierten Zulassungsgründe oder die dort angeführten tatbestandlichen Voraussetzungen benennt. Ebenso ist es kein Hindernis, wenn der Antragsteller sein Vorbringen unter dem falschen Berufungszulassungsgrund erörtert oder verschiedene Gesichtspunkte, die bei unterschiedlichen Zulassungsgründen im Sinne von § 124 Abs. 2 VwGO relevant sein können, miteinander vermengt. Art. 19 Abs. 4 GG verpflichtet das den Zulassungsantrag prüfende Gericht nämlich dazu, den Vortrag des jeweiligen Antragstellers angemessen zu würdigen und durch sachgerechte Auslegung selbstständig zu ermitteln, welche Zulassungsgründe der Sache nach geltend gemacht werden und welche Einwände welchen Zulassungsgründen zuzuordnen sind (vgl. BVerfG, Beschluss der 3. Kammer des Ersten Senats vom 24. August 2010 - 1 BvR 2309/09 -, juris, Rn. 13; vgl. insoweit auch BVerfGK 5, 369 <375 f.>). Erst dann, wenn aus einer nicht auf einzelne Zulassungsgründe zugeschnittenen Begründung auch durch Auslegung nicht eindeutig ermittelt werden kann, auf welchen Zulassungsgrund der Antrag gestützt wird, stellt die Verwerfung des Antrags als unzulässig keine unzumutbare Erschwerung des Zugangs zur Berufungsinstanz dar (vgl. BVerfG, Beschluss der 3. Kammer des Ersten Senats vom 24. August 2010, a.a.O., Rn. 13). Dass sich das Vorbringen des Beschwerdeführers ohne Schwierigkeiten dem Zulassungsgrund des § 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO zuordnen lässt, folgt hier schon daraus, dass es vom Oberverwaltungsgericht unter diesem Gesichtspunkt geprüft wurde. Eine solche Zuordnung lag im Übrigen auch auf der Hand, weil die Ausführungen des Beschwerdeführers nur zu diesem Zulassungsgrund passen.

26

c) Die weiteren Argumente, die der Beschwerdeführer gegen die Richtigkeit des erstinstanzlichen Urteils vorgebracht hat, sind allerdings nicht geeignet, einen Verstoß gegen Art. 19 Abs. 4 GG zu begründen. Dass das Oberverwaltungsgericht im Hinblick auf diese Einwände das Vorliegen des Zulassungsgrundes des § 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO verneint hat, lässt keine Grundrechtsverletzung erkennen. Der Beschwerdeführer hat schon nicht nachvollziehbar dargelegt, warum die Annahme des Verwaltungsgerichts, der Zufluss des Einkommens erst nach dem Ablauf des Zeitraums der Tätigkeit sei unschädlich - maßgeblich sei vielmehr der Zeitpunkt des Erarbeitens -, fehlerhaft sein sollte. Der Ansatz des Gerichts, allein an den Tätigkeitszeitraum anzuknüpfen und den Zuflusszeitpunkt als unerheblich anzusehen, begegnet keinen verfassungsrechtlichen Bedenken.

27

Es gibt auch keine Anhaltspunkte dafür, dass die Annahme des Oberverwaltungsgerichts, der Zulassungsgrund des § 124 Abs. 2 Nr. 4 VwGO (Divergenz) sei nicht gegeben, gegen Art. 19 Abs. 4 GG verstoßen könnte. Die Gründe, mit denen das Gericht das Vorliegen des Zulassungsgrundes ablehnt, sind gut nachvollziehbar. Dass sie den Anforderungen des Art. 19 Abs. 4 GG nicht genügen könnten, ist nicht zu erkennen.

28

Eine Berufung auf den Zulassungsgrund des § 124 Abs. 2 Nr. 3 VwGO (grundsätzliche Bedeutung) scheitert schließlich unter dem Gesichtspunkt der Subsidiarität schon daran, dass sich der Beschwerdeführer auf diesen Grund im Berufungszulassungsverfahren weder ausdrücklich noch der Sache nach berufen hat.

29

2. Die angegriffene Entscheidung beruht auf dem festgestellten Verstoß gegen Art. 19 Abs. 4 GG. Ob der Beschluss auch gegen Art. 3 Abs. 1 GG beziehungsweise Art. 2 in Verbindung mit Art. 20 Abs. 3 GG verstößt, kann daher offenbleiben.

30

3. Die Entscheidung über die Auslagenerstattung beruht auf § 34a Abs. 2 BVerfGG.

Tenor

I. Das Urteil des Verwaltungsgerichts München vom 25. Juli 2016 wird auf die Berufung des Klägers dahingehend abgeändert, dass die Beklagte verpflichtet wird, auch die Vorbescheidsfrage 3 (denkmalschutzrechtliche Zulässigkeit) positiv zu beantworten. Die Berufung der Beklagten wird zurückgewiesen.

II. Die Beklagte trägt die Kosten des Verfahrens in beiden Rechtszügen.

III. Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar. Die Beklagte darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe des zu vollstreckenden Betrags abwenden, wenn nicht der Kläger vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

IV. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand

Der Kläger ist Eigentümer des mit einem zweigeschossigen Einfamilienhaus bebauten Grundstücks FlNr. 710/9 der Gemarkung P..., O...straße ... Mit seiner Verpflichtungsklage begehrt er die positive Beantwortung der Vorbescheidsfragen in seinem Vorbescheidsantrag vom 12. September 2014 für den Neubau eines Einfamilienhauses im südlichen, bislang als Garten genutzten Grundstücksteil. Das Einfamilienhaus soll eine Grundfläche von 8 x 9,96 m (79,68 m²) und die Garage eine Grundfläche von 3 x 7 m (21 m²) erhalten. Als Wandhöhe sind 4,93 m und als Firsthöhe des Satteldachs 7,06 m vorgesehen. Das Vorhabengrundstück liegt im unbebauten Innenbereich und im Umgriff des Denkmalensembles Villenkolonie Neu-Pasing I. Dieses ist in der Denkmalliste wie folgt beschrieben:

„Die 1892 gegründete und planmäßig angelegte Villenkolonie Neu-Pasing I ist als erstes Beispiel des organisierten Einfamilienhausbaus außerhalb des damaligen städtischen Burgfriedens ein Ensemble. Die Begrenzung ergibt sich aus der ursprünglichen Anlage des Quartiers, wie es zwischen die Bahnanlagen im Süden und den Verlauf des Nymphenburger Kanals im Westen und Norden eingebunden wurde. Im Osten ist die Grenze durch die flächenmäßige Ausdehnung bis etwa zur zeitlichen Zäsur durch den ersten Weltkrieg gegeben. Die Kolonie im Vorortgebiet und in Großstadtnähe mit einer Vielzahl originell gestalteter Einfamilienhäuser im Villen- und im Landhausstil vermittelt die siedlungspolitischen und wohnungsbaugeschichtlichen Entwicklungen des ausgehenden 19. und frühen 20. Jahrhunderts (...).

Die von August Exter 1892 begründete Villenkolonie Pasing sollte eine Kombination zwischen dem Wohnen im Einfamilienhaus auf relativ großem Gartengrundstück „in frischer, reiner Luft“ und der „außergewöhnlich günstigen Verbindung nach München“ herstellen (...).

Durch eine Standardisierung der Bauten außerhalb des Ballungsgebiets plante er, erschwinglichen Wohnraum für den Mittelstand zu schaffen. Die erstrebte Lage versprach zum gleichen Preis dreimal so große Grundstücke mit freistehendem Einfamilienhaus und großen Garten.

1892 erwirbt August Exter das Gelände nördlich des Pasinger Bahnhofs und parzelliert es in ein rasterartiges Straßennetz und in rechteckige Baublöcke. Das Grundrissschema ist einfach und zeigt hier geradlinige und parallel zueinander liegende Straßen in nord-südlicher Richtung, unterteilt von nur einer Querstraße (...).

Die Grundrissstruktur der Villenkolonie zeigt entsprechend dem rasterartigen Straßennetz regelmäßige, rechteckige Grundstücke, meist 40 m tief und 16,5 m oder doppelt so breit.

Auffällig sind demgegenüber die Unregelmäßigkeit der Baufluchten, die unterschiedliche Situierung der Gebäude innerhalb der Grundstücke und deren unterschiedliche Größen. Den Wünschen des einzelnen Käufers sollte hinsichtlich innerer und äußerer Gestaltung des Hauses entgegengekommen werden; ebenso hinsichtlich der Art der Situierung auf dem Grundstück. Der eindeutig ländliche Charakter der Villenkolonie entsteht durch die dichte Bepflanzung der Grundstücke mit Obstbäumen (...).

Bei den Häusern, die nur auf Bestellung gebaut wurden, handelt es sich um Einfamilienhäuser mit ein oder zwei Geschossen und ausgebautem Dachgeschoss, ausgestattet mit mindestens vier und höchstens acht Zimmern, Küche und Kammern, zuweilen auch Ateliers. Im Stil zeigt sich eine Mischung zwischen Landhäusern fast bäuerlichen Charakters und Villen in einer Synthese von Schweizer Stil und Heimatstil, auch barocke Kuben mit Walmdach sind vertreten (...).

Bis 1914 wurden die Grundstücke in der ersten Kolonie bebaut, wobei nun auch Architekten außerhalb des Baubüros Exter beteiligt waren. Eine Zäsur bedeutete der 1. Weltkrieg. Erst in den 1920er Jahren folgte eine weitere Ausbauphase, welche die Lücken der geplanten Grundstücke füllte. Dieser Ausbau wurde bis in den 1930er Jahre vorangetrieben. Neben der Auffüllung von Grundstücken fällt die Anlegung der L...- ...-Straße in diese Zeit. Es entstehen zweigeschossige Walmdachbauten, die in ihrer Gestaltung den Heimatstil der Kolonie in reduzierter Form aufnehmen und die in ihrer Größe und Kubatur die Anlage nicht überragen.

Innerhalb des Ensembles Villenkolonie Neu-Pasing I entstanden nach dem 2. Weltkrieg Neubauten, die aufgrund ihrer Größe und Kubatur oder in der Lage in zweiter Reihe eine erhebliche Beeinträchtigung für das Ensemble darstellen.“

Das im westlichen Bereich des Grundstücks FlNr. 710/9 vorhandene Einfamilienwohnhaus ist selbst kein Einzeldenkmal. Es entstand nach einem Entwurf von August Exter 1893 auf einem weiträumigen, 0,121 ha großen Gartengrundstück. Erworben hat es der Lokomotivführer K... Der Bau zählt zu den ersten Bauten der Kolonie. Das Gebäude steht auf dem großen Grundstück zur nördlichen Grundstücksgrenze hin versetzt und lässt auf diese Weise eine große Gartenfläche im Süden des Gebäudes frei. Das Grundstück weist ein sehr geringes Verhältnis von überbauter zu freier Fläche auf.

Im Vorbescheidsantrag wurde gefragt, ob das geplante Einfamilienhaus samt Garage laut beiliegender Planung in der dargestellten Form planungsrechtlich zulässig ist (Frage 1) und ob das geplante Einfamilienhaus samt Garage laut beiliegender Planung/in der dargestellten Form denkmalschutzrechtlich zulässig ist (Frage 3).

1. Am 26. Mai 2015 erließ die Beklagte einen ablehnenden Vorbescheid mit dem Tenor: „Das Vorhaben ist nicht zulässig“. Zu den baurechtlichen Grundlagen wurde ausgeführt, das geplante Vorhaben befinde sich in einem Bereich, der sich nach § 30 Abs. 3 i.V.m. § 34 BauGB beurteile. An der O...straße sei eine Baulinie festgelegt, ebenso eine Straßenbegrenzungslinie. Als nähere Umgebung nach § 34 BauGB sei die Bebauung entlang der O...straße, O...straße, F...- ...-Straße und W... Platz zugrunde zu legen, die ein allgemeines Wohngebiet darstelle. Das Grundstück befinde sich in der Nähe des Einzeldenkmals O...straße ... und zudem im Ensemblebereich Villenkolonie Neu-Pasing I.

Das geplante Bauvorhaben sei aus denkmalschutzrechtlichen Gründen unzulässig, weil sich das geplante Bauvorhaben nach Art. 6 Abs. 1 Satz 3 DSchG auf das Erscheinungsbild des Ensembles Villenkolonie Neu-Pasing I auswirke und nach Art. 1 Abs. 3, 6 Abs. 2 DSchG gewichtige Gründe des Denkmalschutzes für die unveränderte Beibehaltung des bisherigen Zustandes sprächen. Die geplante Bebauung des großen Gartengrundstücks O...straße ... mit einem zusätzlichen, neben das vorhandene Gebäude tretenden Haus, stelle eine wesentliche Änderung des Erscheinungsbilds des Ensembles Villenkolonie-Neu-Pasing I dar, weil ein ganz wesentliches Element des Ensembles, nämlich der historische Zuschnitt der vorhandenen unbebauten Grundfläche verloren ginge und dieses im Straßenzug, also im Erscheinungsbild des Ensembles, deutlich ablesbar wäre. Es sprächen gewichtige Gründe des Denkmalschutzes für die unveränderte Beibehaltung des bisherigen Zustands. Das Anwesen O...straße ... mit seiner großen Freifläche sei eines der ältesten Gebäude in der Villenkolonie Neu-Pasing I. Es verkörpere daher unmittelbar die planerische Grundkonzeption und mache diese für die Nachwelt ablesbar. Diese Grundkonzeption zeichne sich durch zumeist große Grundstücke mit geringem Verhältnis der bebauten Fläche zur Gartenfläche als wesentliches und prägendes Element aus. Während bei den Bauten eine bewusste Stilpluralität bestand und damit der Begründer August Exter architektonisch eine Einheitlichkeit angestrebt hätte, sei über die Gärten mit lockerer Bebauung der Zusammenhang hergestellt worden. Die großen, begrünten Gärten bildeten die sinnstiftende Einheit für das Ensemble Villenkolonie Neu-Pasing I. Auffallend in der Villenkolonie Neu-Pasing I seien die unterschiedlichen Größen der Grundstücke und die unterschiedliche Situierung der Gebäude auf den Grundstücken. Schon im Bauplatz-Abteilungsplan des Werbeprospekts von 1894 sei dies zu erkennen und noch immer bis jetzt sei das Ensemble hiervon geprägt. Je nach Möglichkeit sollten die neuen Eigentümer sich die Grundstücke und die Größe der Häuser auswählen. Dabei seien auch kleinere Häuser auf größeren Parzellen (so neben O...straße ... auf O...straße ... oder F...- ...-Straße ......) entstanden. In keinem Fall sei das Verhältnis von überbauter zu nicht überbauter Fläche sehr groß und betrage im minimalen Verhältnis eine Größenordnung von etwa 1:6. Auch bei den Bauten bis in die 1930er Jahre habe man dieses Verhältnis annähernd beibehalten. Das einheitsstiftende Element seien bis jetzt das Grün und die großen Gartenflächen innerhalb des Ensembles. Schon zeitgenössisch habe man die Villenkolonie gern als „Gartenstadt“ bezeichnet. Zusammenfassend könne festgestellt werden, dass die historischen Gärten eines der Hauptmerkmale des städtebaulichen Konzepts der Villenkolonie Neu-Pasing I darstellten und in zentraler Weise zum Wesen des historischen Wohnquartiers gehörten. Aus denkmalfachlicher Sicht seien die historischen Gärten als ensemblekonstituierender Denkmalwert zentrale Bestandteile des denkmalgeschützten Ensembles Villenkolonien Neu-Pasing I. Ließe man dagegen mit dem geplanten Bauvorhaben eine Nachverdichtung zu, wäre eines der Kernelemente des Ensembles, nämlich die Gartenflächen, bald nicht mehr erkennbar und damit eine ganz wesentliche Besonderheit der exterschen Planung unwiederbringlich verloren, was sich letztlich auch auf die Frage des Bestandes der Villenkolonie Neu-Pasing I als in die Denkmalliste eingetragenes Ensemble ganz wesentlich auswirken würde. Diesen denkmalschutzrechtlichen Belangen stünden Eigentümerinteressen nach Verwirklichung eines zusätzlichen Gebäudes bzw. entsprechendem Verkauf des Grundstückteils gegenüber. Eine Kompromisslösung sei nicht möglich, weil der Erhalt des Gartengrundstücks gerade jedwede Bebauung verbiete. Die Belange des Denkmalschutzes seien höher zu gewichten als die betroffenen Eigentümerinteressen. Dabei falle ins Gewicht, dass nicht jedwede Nutzungsmöglichkeit bzw. die profitabelste Nutzungsmöglichkeit dem Eigentumsschutz unterliege, sondern diesem gesetzliche Schranken gesetzt seien. Die bestehende Nutzungsmöglichkeit als Garten bleibe unverändert erhalten.

Wegen der negativen Beantwortung der denkmalschutzrechtlichen Frage hatte sich aus Sicht der Beklagten die Beantwortung der bauplanungsrechtlichen Frage erübrigt.

Am 25. Juli 2016 verurteilte das Verwaltungsgericht die Beklagte, dem Kläger hinsichtlich der bauplanungsrechtlichen Frage, einen positiven Vorbescheid zu erteilen. Hinsichtlich der Frage zur denkmalrechtlichen Zulässigkeit stehe dem Kläger hingegen nur ein Anspruch auf Aufhebung der negativen Beantwortung unter gleichzeitiger Verpflichtung der Beklagten zur Neuverbescheidung unter Berücksichtigung der Rechtsauffassung der Kammer zu, da die Handhabung des der Beklagten nach Art. 6 DSchG zustehenden Ermessens fehlerhaft gewesen sei und die Voraussetzungen einer Ermessensreduzierung auf Null nicht vorlägen. Das Vorhaben füge sich hinsichtlich der Merkmale des Art. 34 Abs. 1 und 2 BauGB ohne weiteres in die Umgebungsbebauung im Straßengeviert ein. Die Baulinienfestsetzung dürfte schon nicht wirksam festgesetzt worden sein, da die zum Zeitpunkt der Festsetzung tatsächliche vorhandene, seit 1892 bis in die 1930er Jahre des vorigen Jahrhunderts entstandene Bebauung im Hinblick auf die heterogene Situierung der Baukörper auf den Grundstücken in der Villenkolonie I völlig anders strukturiert gewesen sei. Damit habe das Bauliniengefüge von vornherein keine die Bebauung steuernde Funktion entfalten können, da eine Realisierung von Anfang an unabsehbar gewesen sei. Auch für den Fall, dass die Baulinie zum Zeitpunkt ihres Inkrafttretens wirksam festgesetzt und mit Inkrafttreten des Bundesbaugesetzes 1960 nach § 173 Abs. 3 BBauG und dem Inkrafttreten des Baugesetzbuchs 1987 nach § 233 Abs. 3 BauGB wirksam als einfacher Bebauungsplan übergeleitet worden sein sollte, so sei sie jedenfalls aufgrund der weiteren Baugenehmigungen in den 70er Jahren des vorigen Jahrhunderts funktionslos geworden, da auch hier die Genehmigungen - gegebenenfalls unter Erteilung von Befreiungen - offensichtlich abweichend von der straßenseitigen Baulinie erteilt worden seien. Selbst wenn man noch von einer Wirksamkeit der Baulinie ausgehen wollte, lägen jedenfalls die Voraussetzungen für eine Befreiung nach § 31 Abs. 2 BauGB vor. Dem Kläger fehle für die positive Beantwortung dieser Frage auch nicht das erforderliche Sachbescheidungsinteresse.

Hinsichtlich der denkmalschutzrechtlichen Frage ging das Erstgericht davon aus, dass die beantragte Errichtung eines weiteren Wohnhauses auf dem Vorhabengrundstück einer denkmalschutzrechtlichen Erlaubnis nach Art. 6 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 DSchG bedürfe, weil es im Bereich des Ensembles Villenkolonie Neu-Pasing I liege. Ein Denkmalensemble im Sinn des Art. 1 Abs. 3 DSchG liege vor. Das abgefragte Vorhaben würde sich auch auf das Erscheinungsbild des Ensembles auswirken. Die Beklagte habe das ihr zustehende Ermessen jedoch nicht rechtmäßig ausgeübt. Sie habe nicht berücksichtigt, dass das Vorhaben ohne die denkmalschutzrechtliche Erlaubnispflicht grundsätzlich bau(planungs) rechtlich genehmigungsfähig sei. Entsprechend habe sie diesen Belang nicht mit den ihm zukommenden Rang und Gewicht als grundsätzlich verfassungsrechtlich fundierten Anspruch auf Baufreiheit in ihre Ermessensausübung eingestellt. Hinzu komme, dass die Beklagte ganz maßgeblich und als ensembletypisch bzw.-konstituierend auf das Verhältnis von bebauter zu unbebauter Fläche von 1:6 abgestellt habe, obwohl dieses allenfalls auf 3 von 28 Grundstücken in der näheren Umgebung vorhanden sei. Damit habe die Beklagte zum einen das Gewicht der Eigentümerbelange nicht mit den ihm zukommenden Gewicht in die Abwägung eingestellt und zum anderen einen vermeintlichen öffentlichen Belang in die Abwägung eingestellt, der tatsächlich in dem von der Beklagten angenommenen Umfang nicht vorhanden sei.

2. Die Beklagte begründet die vom Senat zugelassene Berufung damit, dass das Verwaltungsgericht eine rein bauplanungsrechtliche Prüfung vorgenommen habe, um das bestehende Baurecht und aus diesem seiner Ansicht nach folgend, den von der Eigentumsfreiheit nach Art. 14 Abs. 1 GG umfassten und garantierten Umfang des Eigentumsrechts und damit den Anspruch auf Umsetzung abzuleiten. Dies greife aber zu kurz. Als zulässige Inhalts- und Schrankenbestimmung des Eigentumsgrundrechts sei vielmehr das Denkmalschutzgesetz ebenso beachtlich. Dieses verwehre eine zusätzliche, über das bestehende, historische Gebäude hinausgehende Bebauung, weil dies zu einer beachtlichen Veränderung des Ensembles Villenkolonie NeuPasing I führen würde. Diese unzutreffende Sichtweise des Verwaltungsgerichts auf die Ausgestaltung des Eigentumsrechts setze sich konsequent bei der nach Art. 6 Abs. 2 DSchG vorzunehmenden Ermessensbetätigung fort. Würde das Planungsrecht so hoch in die Abwägung eingestellt, wie vom Verwaltungsgericht angenommen, würden sich sämtliche tatsächlichen Unterschiede zwischen den Baugrundstücken und sämtliche geschützte Interessen der Allgemeinheit von vorneherein verbieten und müssten von der öffentlichen Hand ausgeglichen bzw. von vornherein ausgesondert werden. Art. 14 Abs. 1 GG könne nicht bewirken, dass die bauplanungsrechtlichen Prüfungen vorgehen oder sich die Gewichtung der Eigentümerbelange verschieben könnte. In der vorliegenden Konstellation stehe das Denkmalrecht dem Bauvorhaben so deutlich entgegen, dass nur eine einheitliche Abwägungsentscheidung getroffen werden könne. Andernfalls würde die Bedeutung des Denkmalrechts als bloße Hilfsprüfung bei zulässigen Bauvorhaben ausgehöhlt. Im Übrigen gehe das Verwaltungsgericht zu Unrecht davon aus, die Beklagte habe, weil sie die bauplanungsrechtliche Frage des Vorbescheids nicht beantwortet habe, das Bauvorhaben im bauplanungsrechtlicher Hinsicht nicht geprüft und schon deshalb nicht als Abwägungsbelang berücksichtigt. Beides treffe nicht zu. Die Beklagte sei ermessensfehlerfrei zu dem Ergebnis gekommen, dass den öffentlichen Belangen, insbesondere dem Denkmalschutz, der Vorrang einzuräumen sei. Besonders falle die Situationsgebundenheit des Grundstücks ins Gewicht, die vom Verwaltungsgericht nicht gesehen oder problematisiert worden sei. Weiter sei im Rahmen der Abwägung zu Lasten des Klägers zu berücksichtigen gewesen, dass das gemäß Art. 14 Abs. 1 GG geschützte Eigentum an einem Baudenkmal einer gesteigerten Sozialbindung nach Art. 14 Abs. 2 GG unterliege. Ein neues, zusätzliches Gebäude in der Gartenfläche würde zu einer empfindlichen Schwächung des Ensembles Villenkolonie Neu-Pasing I sowohl durch den Verlust an ensembleprägender Gartenfläche als auch durch das Hervortreten der Bebauung und der gleichzeitig damit verbundenen Schwächung der vorhandenen alten Bausubstanz auf dem streitgegenständlichen Grundstück selbst, aber auch im Hinblick auf das unmittelbar angrenzende Baudenkmal O...straße ... führen. Dabei falle auch ins Gewicht, dass es sich bei dem Gebäude auf dem streitgegenständlichen Grundstück um einen der ersten Bauten der Villenkolonie handle. Es sei sehr weit an die nördliche Grundstücksgrenze gesetzt worden, um eine besonders große Gartenfläche zu erhalten, die im Ensemble besonders stark in Erscheinung trete. Diese historische Entwicklung, aufgrund der sich überhaupt erst die Frage der Bebauung mit einem zusätzlichen Gebäude stelle, würde konterkariert, würde man hier ein neues Gebäude zulassen. Umgekehrt führe das Beibehalten des Status quo, der Nutzung als Gartenfläche, nicht zu einem Verlust der bisherigen Nutzung, sondern nur wirtschaftlicher Nutzungsmöglichkeiten. Im Übrigen habe das Erstgericht den Beschluss des Bundesverfassungsgerichts vom 2. März 1999 (1 BvL 7.91) falsch interpretiert. Die Frage einer Kompensation stelle sich hier nicht. Dies wäre nur dann der Fall, wenn im Rahmen der Zumutbarkeit eine Wirtschaftlichkeitsberechnung vorgenommen worden sei. Sei diese negativ, könne sie durch eine Kompensation zur Herstellung der Zumutbarkeit ausgeglichen werden. Im Übrigen gäbe es in der vorliegenden Konstellation weiterhin die bisherige wirtschaftlich sinnvolle Nutzung des Gartens. Auf die Ausführungen des Verwaltungsgerichts zum Verhältnis Bebauung/Grundstücksfläche und Grundstücksgröße komme es nicht entscheidungserheblich an. Die rechnerische Größe von 1:6 sei kein tragender Ermessensgesichtspunkt bei der Abwägung der Beklagten gewesen, sondern lediglich ein Hilfsargument des Landesamtes für Denkmalpflege, um das Ensemble entscheidende, nämlich die starke Durchgrünung und die großen Grünflächen greifbar zu machen. Das streitgegenständliche Urteil sei auch deshalb fehlerhaft, weil das Verwaltungsgericht die in der Abwägung zu entscheidenden verfassungsrechtlichen Fragestellungen am vorliegenden Sachverhalt nicht abschließend geklärt habe. Soweit das Verwaltungsgericht ausführe, es fehle bei der Frage nach der bauplanungsrechtlichen Zulässigkeit nicht das Sachbescheidungsinteresse, treffe dies auch nicht zu.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung des Klägers zurückzuweisen und unter Abänderung des Urteils des Verwaltungsgerichts vom 25. Juli 2016 die Klage vollumfänglich abzuweisen.

Der Kläger beantragt,

die Berufung der Beklagten zurückzuweisen und das Urteil des Verwaltungsgerichts vom 25. Juli 2016 insoweit aufzuheben, als die Beklagte (nur) verpflichtet wird, die Vorbescheidsfrage 3 (denkmalschutzrechtliche Zulässigkeit) im Antrag des Klägers vom 12. September 2014 auf Erteilung eines Vorbescheids unter Berücksichtigung der Rechtsauffassung des Gerichts neu zu verbescheiden und die Klage des Klägers im Übrigen abgewiesen wird; die Beklagte wird verpflichtet, (auch) die Vorbescheidsfrage 3 (denkmalschutzrechtliche Zulässigkeit) positiv zu beantworten.

Der Kläger begründet seine vom Senat zugelassene Berufung damit, dass das streitgegenständliche Vorhaben auch denkmalrechtlich zulässig sei. Entgegen der Rechtsauffassung des Verwaltungsgerichts wirke sich das Vorhaben nicht nachteilig auf das Erscheinungsbild des Ensembles Villenkolonie Neu-Pasing I aus, denn denkmalrechtlich relevantes konstituierendes Merkmal des Ensembles sei - entgegen den Behauptungen der Beklagten und des bayerischen Landesamts für Denkmalpflege, denen sich das Verwaltungsgericht tatsächlich und rechtlich angeschlossen habe - nicht das Vorhandensein einzelner großer Gärten. Deshalb komme es für die Frage der Beeinträchtigung des Ensembles nicht darauf an, ob in einem einzelnen großen Garten ein weiteres Vorhaben realisiert werde. Mit einem Fachgutachten von Herrn Prof. Dr. S...- ... werde belegt, dass der Begriff des „großen Gartens“ in der bisherigen Diskussion sowohl von der Beklagten als auch vom Bayerischen Landesamt für Denkmalpflege (LfD) falsch verstanden und deshalb in seiner Bedeutung für das Ensemble Villenkolonie Neu-Pasing I verkannt worden sei. Maßgeblich sei keine quantitative, sondern eine qualitative Betrachtung. Dem Gutachten zufolge sei der Begriff „genügendem Garten“ offenbar nicht berücksichtigt worden. Exter habe im Verkaufsprospekt ausgeführt, dass das ganze Städtchen ein „einziger, großer schattiger Garten“ werde. Es sei dem Architekten vor allem darum gegangen, bei der Bemessung und Bebauung der einzelnen Grundstücke vor allem unterschiedliche Positionen der Häuser auf dem Grundstück und damit ein malerisches Gesamterscheinungsbild zu erhalten. Die Gärten sollten genügend groß sein, Kindern die Freude an der Natur, Pflege von Bäumen und Blumen zu ermöglichen und gleichzeitig eine genügend offene Anordnung zu erlauben, um damit den „einzigen, großen schattigen Garten“ zu schaffen. Darüber hinaus würden bei Exter keine besonderen Funktionen der Gärten beschrieben, die eine bestimmte quantitative Größe erfordert hätten, wie stadthygienische Aspekte oder ländliche Selbstversorgung. Die Kolonie sei keine Gartenstadt im sozial-, bodenreformerischen oder paternalistischen Sinn, die Gärten hätten keine vorsorgende Funktion. Die Größe der Gärten sei ein symbolischer Ausdruck von Freiheit und Geborgenheit, jedoch nicht von Flächenausdehnung, landschaftlicher Weite oder gar repräsentativer Pracht- und Größenwirkung des Gartens, oder des Ensembles. Der Gutachter stelle außerdem fest, dass durch die Situierung des kleinen Bestandsgebäudes auf dem klägerischen Grundstück an der nördlichen Grundstücksgrenze zwar tatsächlich eine große Gartenfläche im Süden entstehe. Durch diese große Gartenfläche entstehe, jedoch anders als bei den in der Villenkolonie vorhandenen Villen, keine Raumgestalt, die für die Kolonie insgesamt einheitsstiftend wäre. Es gäbe keinen Beleg für die Behauptung der Beklagten, der Zweck der Situierung des Bestandsgebäudes auf dem klägerischen Grundstück habe gerade darin gelegen, eine besonders große Gartenfläche zu schaffen bzw. zu erhalten. Der Gutachter komme zu dem Ergebnis, dass ein das Ensemble konstituierendes Element durch das geplante Vorhaben des Klägers nicht beeinträchtigt werde. Das Haus sei nicht malerisch im Grundstückseck angeordnet, sondern in der Mitte einer Grenzlinie. Es lasse den Garten frei, wende sich ihm aber nicht zu und spanne ihn nicht als Raum auf, wie es für die Villenkolonie typisch und einheitsbildend sei. Das geplante Vorhaben sei kein den Maßstab sprengender Neubau nach Abriss, wie es in den vergangenen Jahrzehnten einige Villen der Kolonie, auch die von Exter selbst bewohnte Villa, ereilt habe. Das beantragte Einfamilienhaus würde aufgrund der Grundstücksgröße und der geplanten Kubatur auch nicht als Nebenhaus des bestehenden Gebäudes erscheinen (wie das bei einigen anderen Ergänzungen in der Villenkolonie der Fall sei), sondern als für das für das Ensemble typisches, allein und freistehendes Wohnhaus mit Garten. Es füge sich nicht nur bauplanungsrechtlich in die nähere Umgebung ein, sondern funktional und strukturell auch in das Denkmalensemble, wenn es die standardisierten Volumina einhalte, aber keine „Kopie‘“ des vorhandenen Gebäudes sei, sondern eine zeitgemäße Interpretation eines „ländlichen“ Baustils entwickle. Dem Architekten Exter sei es nicht auf einzelne große Gärten in der Villenkolonie angekommen; es sei ihm vielmehr darauf angekommen, eine Bauanlage als einen großen Garten zu schaffen, in welchem einzelne Häuser stünden.

Die Behauptung der Beklagten in ihrer Berufungsschrift, das streitgegenständliche Vorhaben führe zu einer denkmalrechtlich unzulässigen Beeinträchtigung des Umgebungsschutzes von Einzeldenkmälern (O...straße ......) seien in keiner Weise substantiiert. Im übrigen sei diese Behauptung in der Sache falsch. Auch diesbezüglich werde auf das Gutachten verwiesen. Hilfsweise trägt der Kläger vor, dass die Beklagte auch nach der Eintragung der Villenkolonie Neu-Pasing I als geschütztes Ensemble in die Denkmalliste zahlreiche Bauvorhaben genehmigt habe, mit denen zuvor bestehende (große) Gartenflächen erheblich verkleinert worden seien. Insbesondere werde auf das Grundstück F...- ...-Straße ... verwiesen. Auf dem Grundstück des Klägers werde das vom LfD betonte Verhältnis von 1:6 zwischen bebauter und unbebauter Grundstücksfläche eingehalten. Die Beklagte habe bei ihrer (ablehnenden) Entscheidung nicht berücksichtigt, dass das streitgegenständliche Vorhaben dem vom Bundesgesetzgeber zuletzt in der Änderung des § 1a Abs. 2 Satz 1 BauGB nochmals hervorgehobenen Ziel entspreche, vorrangig in bereits bebauten Gebieten liegende Grundstücke nachzuverdichten und dass mit dem streitgegenständlichen Vorhaben auch dem in der Landeshauptstadt München bestehenden Mangel an Wohnraum entgegengewirkt werden könne. Der Kläger bleibe bei seiner Behauptung, dass die Beklagte beim Erlass des ablehnenden Vorbescheids eine eigene Ermessensausübung nicht vorgenommen, sondern ausschließlich Ermessenserwägungen des bayerischen Landesamts für Denkmalpflege und der unteren Denkmalschutzbehörde übernommen habe. Das Vorhaben sei denkmalrechtlich zulässig, weil ensemblekonstituierende Merkmale nicht beeinträchtigt würden. Für das streitgegenständliche Vorhaben spiele nur das Merkmal „großer Garten“ eine Rolle.

Hilfsweise macht der Kläger geltend, dass das Ermessen auf Null reduziert sei. Insbesondere stehe ihm gemäß Art. 3 Abs. 1 GG ein Aspruch auf Gleichbehandlung mit anderen Vorhaben zu, die zu einer sowohl absolut, als auch relativ zum jeweiligen Grundstück gesehen weitaus größeren Inanspruchnahme zuvor vorhandener Gartenflächen geführt hätten. Die Berufung der Beklagten sei unbegründet. Dies wird im Einzelnen ausgeführt.

Die Beklagte erwiderte, die Ensemblebeschreibung und der Gutachter des Klägers stellten gleichermaßen auf die besondere Bedeutung der Durchgrünung der Villenkolonie durch die Freiflächen der Grundstücke ab. Dass dabei den von Bebauung freien Flächen über die Größe der Grundstücke und einer dazu untergeordneten Bebauung besondere Bedeutung zukomme - denn nur so könne ein großer Garten entstehen - liege auf der Hand. Genauso führe jedes zusätzliche neue Gebäude zu einer Schmälerung des einheitlichen großen Gartens. Die Qualität der Grünflächen ergebe sich gerade erst aus ihrer Quantität, sowohl bezogen auf das einzelne Grundstück, als auch in Zusammenschau über das gesamte Ensemble hinweg. Im Übrigen reduziere die im klägerischen Gutachten vorgenommene Betrachtung die Fragestellung auf rein landschaftsarchitektonische Aspekte und eine baurechtlich-rechnerische Betrachtung. Die denkmalfachliche Bedeutung gehe aber darüber hinaus. Es gehe um die Überlieferung der städtebaulichen Struktur, der Verbindung von Architektur und Freiflächen und den Erhalt des überlieferten Erscheinungsbilds eines besonderen Stadtbereichs. Die unterschiedlichen Grundstücksgrößen seien bereits Teil des Konzepts von Exter gewesen und nicht zufällig entstanden. Weiterhin sei auch Art. 6 Abs. 2 Satz 2, Abs. 1 Satz 2 DSchG einschlägig.

Die Landesanwaltschaft hat sich im Zulassungsverfahren vor allem gegen die Auffassung des Erstgerichts gewendet, es sei bei einer erneuten Verbescheidung des Antrags des Klägers auf Erteilung des Vorbescheids zu berücksichtigen, ob sie die möglicherweise resultierende Unzumutbarkeit der Ablehnung des Vorhabens durch die Zuerkennung einer angemessenen Entschädigung oder Übernahme des Grundstücks ausgleichen wolle. Im Berufungsverfahren äußerte sie sich dahingehend, dass das von der Klägerseite vorgelegte Gutachten nicht überzeuge. Sie verweist auf eine Aktennotiz des LfD, wonach der Gutachter aus seinen Veröffentlichungen keine besondere Befähigung zur Beurteilung historischer Gesamtanlagen in denkmalpflegerischen Themen erkennen lasse. In der mündlichen Verhandlung stellte die Landesanwaltschaft keinen Antrag.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstands wird auf den Inhalt der Gerichtsakten und der beigezogenen Behördenakten sowie die Niederschriften über die Einnahme des Augenscheins und die mündliche Verhandlung verwiesen.

Gründe

Die zulässige Berufung des Klägers (§ 124 Abs. 1 VwGO) ist begründet. Er hat einen Anspruch auf Erteilung eines positiven Vorbescheids hinsichtlich der denkmalschutzrechtlichen Erlaubnis (§ 113 Abs. 5 Satz 1 VwGO). Die zulässige Berufung der Beklagten (§ 124 Abs. 1 VwGO) hat hingegen keinen Erfolg. Hinsichtlich der abgefragten bauplanungsrechtlichen Zulässigkeit des Vorhabens ist das Urteil des Verwaltungsgerichts im Ergebnis nicht zu beanstanden.

1. Hinsichtlich der Frage bezüglich der denkmalschutzrechtlichen Erlaubnis ist die zulässige Klage begründet.

Der Kläger hat einen Anspruch auf positive Beantwortung der Vorbescheidsfrage bezüglich der denkmalschutzrechtlichen Zulässigkeit des Vorhabens. Nach Art. 71 Satz 1 BayBO kann vor Einreichung eines Bauantrags auf schriftlichen Antrag des Bauherrn zu einzelnen in der Baugenehmigung zu entscheidenden Fragen vorweg ein schriftlicher Bescheid (Vorbescheid) erlassen werden. Dabei kann auch die denkmalrechtliche Zulässigkeit abgefragt werden (vgl. Jäde in Jäde/Dirnberger/ Busse, Die neue Bayerische Bauordnung, Stand: Februar 2018, Art. 71 Rn. 38; Schwarzer/König, 4. Auflage 2012, Art. 71 Rn. 7). Einer positiven Beantwortung stehen gewichtige Gründe des Denkmalschutzes weder im Hinblick auf das Ensemble (siehe a) noch auf den Umgebungsschutz von Einzeldenkmälern (siehe b) entgegen.

a) Nach Art. 1 Abs. 3 DSchG kann zu den Baudenkmälern auch eine Mehrheit von baulichen Anlagen (Ensemble) gehören, und zwar auch dann, wenn keine oder nur einzelne dazugehörige bauliche Anlagen die Voraussetzungen des Abs. 1 erfüllen, das Orts-, Platz- oder Straßenbild aber insgesamt erhaltenswürdig ist. Im vorliegenden Fall erfüllen jedenfalls einzelne dazugehörige bauliche Anlagen die Voraussetzungen des Art. 1 Abs. 1 DSchG.

aa) Bei der Villenkolonie Neu-Pasing I handelt es sich um ein Denkmalensemble im Sinn des Art. 1 Abs. 3 DSchG. Dieses besteht aus einer Mehrheit von baulichen Anlagen. Das Ensemble ist nachrichtlich in die Denkmalliste gemäß Art. 2 Abs. 1 Satz 1 DSchG eingetragen. Der Senat hat keinen Zweifel, dass jedenfalls der von ihm beim Augenschein in den Blick genommene Teil des in die Denkmalliste eingetragenen Gebiets noch ein Ensemble bildet. Dieses wird gebildet aus dem Quartier O...straße, O...straße, F...- ...-Straße und W... Platz sowie den in der Niederschrift über den Augenschein vom 31. Juli 2018 beschriebenen Grundstücken der jeweils gegenüberliegenden Straßenseite. Die Villenkolonie Neu-Pasing I entstand ab 1892 auf der Grundlage der Planungen von August Exter aufgrund der bereits vorhandenen sehr guten Anbindung Pasings über die bestehenden und geplanten Bahnverbindungen nach München. Sie ist das erste Beispiel des organisierten Einfamilienhausbaus außerhalb der damaligen Stadtgrenzen und vermittelt mit ihren Einfamilienhäusern im Villen- und Landhausstil die siedlungspolitischen und wohnungsbaupolitischen Entwicklungen des ausgehenden 19. und frühen 20. Jahrhunderts. Es sollte eine Kombination zwischen dem Wohnen im Einfamilienhaus auf einem relativ großen Gartengrundstück „in frischer reiner Luft“ und der „außergewöhnlich günstigen Verbindung nach München“ hergestellt werden. Nach der Grundrissstruktur der Villenkolonie entsprechend dem rasterartigen Straßennetz - vier parallele Straßen in nord-südlicher Richtung und eine Querstraße - bestehen in der Regel rechteckige Grundstücke.

Beim Augenschein konnte der Senat feststellen, dass die auch im Eintrag in die Denkmalliste konstatierten Unregelmäßigkeiten der Baufluchten, die unterschiedliche Situierung der Gebäude auf den Grundstücken und deren unterschiedliche Größen nach wie vor vorhanden sind. Weiter wurde beim Augenschein deutlich, dass im fraglichen Gebiet - wie auch in der Denkmalliste beschrieben - die Bebauung mit Einfamilienhäusern mit ein oder zwei Geschossen und ausgebautem Dachgeschoss vorherrscht.

Allerdings sind einige der Merkmale des Ensembles nur noch schwach oder gar nicht mehr wahrnehmbar. Wie bereits das Erstgericht festgestellt hat, sind - anders als im Eintrag der Denkmalliste dargestellt - im näheren Umgriff der Vorhabens nicht „meist“ 40 m tiefe und 16,5 m oder doppelt so breite Grundstücke vorhanden. Auch die in der mündlichen Verhandlung des Senats übergebene Karte über die ursprüngliche Grundstücksplanung zeigt im hier relevanten Gebiet eine sehr heterogene und durchaus auch kleinteilige Grundstücksstruktur auf, die den Maßangaben im Eintrag in die Denkmalliste nicht entsprechen und bis heute vorhanden sind. Soweit in der Denkmalliste der eindeutig ländliche Charakter der Villenkolonie hervorgehoben wird, der durch eine dichte Bepflanzung der Grundstücke mit Obstbäumen entstehen soll, war dies im Augenschein nicht mehr nachzuvollziehen.

Der Senat konnte beim Augenschein teilweise erhebliche Beeinträchtigungen „des Wohnens im Einfamilienhaus auf relativ großem Gartengrundstück“ feststellen. Dies gesteht auch das Bayerische Landesamt für Denkmalpflege (LfD) zu, das in seinem Eintrag in die Denkmalliste konstatiert, dass innerhalb des Ensembles nach dem Zweiten Weltkrieg Neubauten entstanden sind, die aufgrund ihrer Größe und Kubatur oder ihrer Lage in zweiter Reihe eine erhebliche Beeinträchtigung für das Ensemble darstellen. So handelt es sich bei dem Anwesen W... Platz ... um ein zweigeschossiges Gebäude mit ausgebautem Dachgeschoss und drei angebauten Garagen, das sich langgezogen nach Norden erstreckt. Das Anwesen W... Platz ... erstreckt sich ebenfalls langgezogen nach Norden. Im rückwärtigen Grundstücksbereich findet sich ein Nebengebäude mit Garage. Ein Großteil der Grundstücksfläche ist gepflastert (Niederschrift über den Augenschein v. 31.7.2018, S. 5). Beide Gebäude sind mit der ursprünglichen Konzeption von August Exter kaum vereinbar. Beim Anwesen F... Str. ... handelt es sich um einen zweigeschossigen Anbau, der durch einen überdachten Durchgang mit dem Anwesen F...- ...-Straße ... verbunden ist (Niederschrift über den Augenschein v. 31.7.2018, S. 4). Dieser „Anbau“ ist denkmalschutzrechtlich höchst problematisch, führt er doch zu einer äußerst massiven Bebauung auf dem schmalen Grundstück. Große Gartenflächen sind nicht mehr erkennbar. Für denkmalschutzrechtlich unvertretbar hält der Senat die Baugenehmigung für das Anwesen F...- ...-Straße ..., ein Mehrfamilienhaus mit zwei Geschossen und ausgebautem Dachgeschoss sowie einer Tiefgarage. Dieses Gebäude füllt das Grundstück ziemlich aus. Große Bäume sind nicht vorhanden. Ferner ist vor und seitlich des Gebäudes versiegelte Fläche vorhanden (Niederschrift über den Augenschein v. 31.7.2018, S. 4). Weder wurde dort - wie in der Denkmalliste beschrieben - ein Einfamilienhaus genehmigt, noch vermochte der Senat beim Augenschein ein verbleibendes „relativ großes Gartengrundstück“ auszumachen.

Trotz dieser teilweise erheblichen Beeinträchtigungen stellt das Gebiet aber nach wie vor ein erhaltenswertes Ortsbild im Sinn des Art. 1 Abs. 3 DSchG dar, so dass es als Baudenkmal anzusehen ist. Denn es ist zu berücksichtigen, dass maßgebend das überlieferte Erscheinungsbild des Baudenkmals „Ensemble“ und nicht der teilweise durch Bausünden vorbelastete Zustand ist (vgl. BayVGH, B.v. 29.2.2016 - 9 ZB 15.1146 - juris). Nach Überzeugung des Senats sind diese Beeinträchtigungen nicht derart schwerwiegend, dass damit die grundsätzliche Schutzwürdigkeit des Ensembles in Frage gestellt würde. Denn nach wie vor ist im fraglichen Gebiet das Wohnen im Einfamilienhaus auf relativ großem Gartengrundstück vorherrschend. Entscheidend ist, dass jedenfalls ein im Verhältnis zur sonstigen Bebauung im Stadtgebiet hoher Grünanteil immer noch vorhanden ist. Dieser überproportionale Anteil an Grünflächen ist auch heute noch für das Ensemble prägend.

bb) Die begehrte Errichtung eines weiteren Wohnhauses auf dem Vorhabengrundstück bedarf einer denkmalschutzrechtlichen Erlaubnis nach Art. 6 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 DSchG. Das Anwesen liegt im Bereich des Ensembles Villenkolonie Neu-Pasing I. Im Hinblick auf die Gleichsetzung von Ensembles mit Baudenkmälern (Art. 1 Abs. 3 DSchG) unterfallen auch im Ensemble befindliche bauliche Anlagen, die selbst kein Baudenkmal i.S.d. Art. 1 Abs. 2 DSchG sind, der Erlaubnispflicht. Der Erlaubnis bedarf, wer Baudenkmäler beseitigen, verändern oder an einen anderen Ort verbringen will. Mit der Errichtung eines zusätzlichen Gebäudes auf einer bislang unbebauten Fläche innerhalb des Umgriffs eines Ensembles wird dieses verändert.

cc) Der Kläger hat einen Anspruch auf Erteilung der erforderlichen Erlaubnis nach Art. 6 Abs. 2 Satz 1 DSchG, da keine gewichtigen Gründe des Denkmalschutzes für die unveränderte Beibehaltung des bisherigen Zustandes sprechen. Die gewichtigen Gründe des Denkmalschutzes stellen einen der uneingeschränkten gerichtlichen Überprüfung unterliegenden unbestimmten Rechtsbegriff dar (vgl. BayVGH, B.v. 8.5.1989 - 14 B 88.02426 - BayVBl 1990, 208). Sie sind nicht dahingehend zu verstehen, dass einem Baudenkmal im Vergleich mit der allgemein für die Begründung der Denkmaleigenschaft maßgebenden Bewertung eine gesteigerte Bedeutung zukommen müsste; vielmehr ergibt sie sich bereits aus der Bedeutung, auf der die Denkmaleigenschaft beruht (vgl. BayVGH, U.v. 27.9.2007 - 1 B 00.2474 - juris). Für den Regelfall ist daher bei Baudenkmälern davon auszugehen, dass stets ein Erhaltungsinteresse anzuerkennen ist und damit gewichtige Gründe für die Beibehaltung des bisherigen Zustands indiziert sind (vgl. BayVGH, B.v. 31.10.2012 - 2 ZB 11.1575 - juris). Im Hinblick auf die Gleichstellung von Ensembles mit Baudenkmälern kann für eine Veränderung des Ensembles durch die Hinzufügung einer neuen baulichen Anlage, die im Ensemble liegen wird, nichts anderes gelten. Ziel des Denkmalschutzes ist es, die Baukultur der Vergangenheit, d.h. die geschichtlichen Zeugnisse im Original zu erhalten. Denkmalpflege und Denkmalschutz zielen darauf, die historischen Zusammenhänge in Gestalt einer baulichen Anlage oder einer Mehrheit baulicher Anlagen in der Gegenwart zu veranschaulichen (vgl. BVerwG, U.v. 18.5.2001 - 4 CN 4.00 - BVerwGE 114, 247; BayVGH, U.v. 3.1.2008 - 2 BV 07.760 - juris). Das Denkmalschutzgesetz ist kein Gesetz zur ausschließlichen Ortsbildpflege, sondern zur Erhaltung der historischen Bausubstanz. Deshalb ist in der Rechtsprechung des Senats anerkannt, dass Ensembles - soweit sie auch Einzelbaudenkmäler enthalten - den gleichen Schutz wie Einzelbaudenkmäler genießen und ensembleprägende Bestandteile - auch wenn sie selbst keine Baudenkmäler sind - grundsätzlich erhalten werden sollen (vgl. BayVGH, U.v. 3.1.2008 - a.a.O.). Danach ist der Schutzanspruch eines Ensembles nicht geringer als der für Einzelbaudenkmäler, auch wenn er stärker und vorrangig auf das Erscheinungsbild zielt, das die Bedeutung vermittelt und in seiner Anschaulichkeit zu bewahren ist.

Entscheidend ist, ob sich das strittige Vorhaben auf die Eigenart des Ensembles in seiner originalen Struktur und mit seinen typischen Merkmalen auswirkt (vgl. BayVGH, U.v. 3.8.2000 - 2 B 97.1119 - juris; U.v. 31.1.2008 - 2 BV 07.760 - juris). In den Blick zu nehmen sind die ensembleprägenden Bestandteile. Denn es ist danach zu fragen, aus welchen Gründen das Ensemble Denkmalwert hat. Denkmalrechtlich unzulässig ist ein Vorhaben dann, wenn es sich auf solche Bestandteile auswirkt, die in diesem Sinn für das Ensemble konstitutiv bzw. prägend sind. Für das Ensemble Villenkolonie Neu-Pasing I sind verschiedene Merkmale prägend. Prägend ist der Wechsel zwischen großen und kleinen Grundstücken, die unterschiedliche Situierung der Gebäude, sowie der Umstand, dass es sich um Einfamilienhäuser handeln muss. Für das streitgegenständliche Verfahren steht lediglich das Merkmal, dass auf relativ großen Grundstücken kleine Gebäude errichtet sind bzw. das Merkmal „großer Garten“ inmitten. Dabei ist von der Beschreibung in der Denkmalliste auszugehen, die darlegt, dass in der Villenkolonie im Einfamilienhaus „auf relativ großem Gartengrundstück“ gewohnt werden soll. Weiter soll „der eindeutig ländliche Charakter der Villenkolonie durch die dichte Bepflanzung der Grundstücke mit Obstbäumen“ entstehen. Dieses Attribut der dichten Bepflanzung des Grundstücks mit Obstbäumen unterstreicht, dass es in der Villenkolonie „relativ große Gartengrundstücke“ geben sollte. Der Senat ist der Auffassung, dass bei der Auslegung des Merkmals „großer Garten“ sowohl qualitative als auch quantitative Kriterien eine Rolle spielen.

(1) Zunächst hält der Senat den Ansatz des klägerischen Gutachters für überzeugend, denkmalkonstituierendes Denkmal der Villenkolonie sei, dass die gesamte Villenkolonie insgesamt „wie ein großer Garten“ in Erscheinung tritt.

Der Senat hat entgegen der Auffassung des LfD keinen Anlass, an der Befähigung des Gutachters zu zweifeln. Der Gutachter hat hinreichend deutlich dargestellt, dass er sich seit vielen Jahren in Forschung und Lehre mit städtebaulich-freiraumstrukturellen Fragen, beginnend bei seiner Dissertation zu Qualität und Quantität städtischer Freiraumstruktur, befasst. Diese Arbeit, wie auch die folgende städtebaulich-freiplanerische Forschung und Lehre, seien ohne eine tiefgehende historische Auseinandersetzung gar nicht denkbar gewesen. Entsprechend befasst er sich mit historischen Fragen des Städtebaus, unter anderem in einer Vorlesung zur „Gartenstadt“ oder in Projekt-Kooperationen mit dem für die städtebauliche Denkmalpflege verantwortlichen Referenten des LfD. Damit ist für den Senat die Sachkunde des Gutachters hinreichend belegt.

Der Gutachter hat ausgeführt, der Gründer der Kolonie, August Exter, habe bereits in einem älteren Prospekt aus dem Jahr 1893 damit geworben, dass das eigene Anwesen mit genügendem Garten ausgestattet sein solle. Vier Jahre später habe Exter dann in einem weiteren Verkaufsprospekt ausgeführt, dass das ganze Städtchen ein einziger großer schattiger Garten werden solle. Dieselbe Formulierung, dass „eine Bauanlage als ein großer Garten zu denken“ sei, in welchem einzelne Häuser stünden, habe Exter schon in einer früheren Beschreibung aus dem Jahr 1892 verwendet. Die Größe der Gärten sei ein symbolischer und zugleich praktischer Ausdruck von Freiheit und Geborgenheit, jedoch nicht von Flächenausdehnung, landwirtschaftlicher Weite oder gar repräsentativer Pracht- und Größenentwicklung des Gartens oder des Ensembles. Die Villen der anderen großen Gartengrundstücke seien bewusst in Richtung einer Ecke des Gartens angeordnet und auf diese Weise sei durch die Lage eine differenzierte und komponierte Straßen- und eine gartenseitige Raumwirkung erzielt worden. Dies sei durch entsprechende Anbauten und Erker, Türmchen, Balkone oder Altane an die Grundkörper der Gebäude verstärkt worden und durch die asymetrische Situierung werde zugleich ein „malerischer“ Gesamteindruck als Idee des künstlerischen Städtebaus dieser Zeit repräsentiert.

Konkret bezogen auf das Grundstück O...straße ... hat der Gutachter dargelegt, der Beruf des Käufers als Lokomotivführer und die Lage in der Kolonie sprächen dafür, dass die Größe dieses Gartens an dieser Stelle keinen besonderen kompositorischen oder kulturellen Zeugniswert besitze, der für das Verständnis der Villenkolonie insgesamt entscheidend wäre. Auch für den Senat hat sich beim Augenschein die Situation nicht so dargestellt, dass das auf dem klägerischen Grundstück vorhandene Bestandsgebäude deshalb sehr weit an die nördliche Grundstücksgrenze gesetzt worden sei, um eine besonders große Gartenfläche zu erhalten, die im Ensemble besonders stark in Erscheinung tritt. Der Senat teilt die Einschätzung des Gutachters, dass die Größe des Gartens O...straße ... eher als Ausdruck der Unfertigkeit der Kolonie erscheint, denn als bewusst gesetzte Raumgestaltung. Weiter folgt der Senat dem Gutachter ausdrücklich in seiner Einschätzung, dass auf eine visuelle Einfügung im Baugenehmigungsverfahren zu achten ist, insbesondere auch hinsichtlich der geplanten Garage. In der Baugenehmigung sind auch die denkmalkonstituierenden Struktureigenschaften wie große, raumwirksame Obstbäume und passende Einfriedungen sicherzustellen.

(2) Damit ist jedoch das Merkmal des „großen Gartens“ noch nicht hinreichend beschrieben. Bei der Frage, wie das Merkmal „großer Garten“ zu sehen ist, kommt der Stellungnahme des LfD ein erhebliches tatsächliches Gewicht zu. Hierbei handelt es sich gemäß Art. 12 Abs. 1 Satz 1 DSchG um eine staatliche Fachbehörde für alle Fragen des Denkmalschutzes und der Denkmalpflege (vgl. Martin/Spennemann, in Martin/Eberl/Spennemann, BayDSchG, 7. Aufl. 2016, Art. 6 Rn. 43). Für die Stellungnahme staatlicher Fachstellen, die sich durch die jahrelange Bearbeitung eines bestimmten Gebiets auszeichnen und nicht nur Aktenvorgänge im Einzelfall auswerten, ist anerkannt, dass sie grundsätzlich ein wesentlich größeres Gewicht als Expertisen von privaten Fachinstituten haben. Das LfD vertrat die Auffassung, es sei entscheidend, dass den historischen Grünflächen innerhalb des Ensembles eine (mit-)prägende Wirkung zuerkannt werde. Den Gärten insgesamt komme für das Ensemble Villenkolonie Neu-Pasing I eine hohe Bedeutung zu und die begrünten Gärten bildeten die sinnstiftende Einheit. Die Grundlage für die Umgrenzung des Ensembles sei die von August Exter geplante städtebauliche Anlage mit den ebenfalls von ihm angelegten Grundstücksteilen. Dieses historisch entstandene Ortsbild bleibe als Ganzes dauerhaft nur erhalten, wenn die unterschiedlich großen Grundstücke mit den darin unterschiedlich situierten Gebäuden ablesbar erhalten blieben.

Von daher überzeugt den Senat nicht die Aussage des klägerischen Gutachters, dass die Charakterisierung der großen, begrünten Gärten als sinnstiftende Einheit für das Ensemble als rein qualitative Aussage zu verstehen sei, aus der keine unmittelbaren quantitativen Folgerungen gezogen werden könnten (Gutachten vom 6.6.2018, S. 13). Denn der Einwand der Beklagtenseite, dass sich die Qualität der Grünflächen gerade erst aus ihrer Quantität ergibt, sowohl bezogen auf das einzelne Grundstück, als auch in Zusammenschau über das gesamte Ensemble hinweg, ist nicht von der Hand zu weisen. Andernfalls wäre es unschwer möglich, durch immer weitergehende stückweise Bebauung des Ensembles insgesamt den Charakter der Gartenstadt zu verändern, so dass insgesamt die Bedeutung und Gestalt des Ensembles in seiner überkommenen Form nicht mehr ablesbar wäre. Es kann nur dann ein „großer Garten“ entstehen und erhalten bleiben, wenn keine ungezügelte Bebauung der bisherigen freien Flächen stattfindet. Denn jedes zusätzliche, neue Gebäude führt grundsätzlich zu einer Schmälerung des einheitlichen großen Gartens.

Indes ist die Schlussfolgerung des LfD, dass alle zusätzlich innerhalb des Ensembles errichteten Bauten eine veränderte Grundstücksteilung vorgäben und die Denkmalwertigkeit des Ensembles Villenkolonie Neu-Pasing I erheblich schwächten, nicht zwingend. Entscheidend ist, dass das ensemblekonstituierende Merkmal des Wohnens im Einfamilienhaus auf relativ großem Gartengrundstück näher - auch und gerade in quantitativer Hinsicht - beschrieben werden muss. Denn auch der Vertreter des LfD hat in der mündlichen Verhandlung zugestanden, dass die Erweiterung eines Bestandsgebäudes möglich sei (Niederschrift über die mündliche Verhandlung vom 2.8.2018, S. 3). Die vom LfD angeführte Prägung des Ensembles dadurch, dass auf relativ großen Grundstücken kleine Gebäude errichtet seien, sieht auch der Senat. Sie sagt jedoch nichts über den konkreten Einzelfall aus. Entscheidend ist mithin, was „relativ großes Grundstück“ bzw. „relativ großes Gartengrundstück“ bedeutet. Diesbezüglich hat das LfD das Verhältnis von etwa 1:6 von bebauter Fläche zu Garten zugrunde gelegt. In seiner Stellungnahme vom 4. März 2015 hat es ausgeführt, dass nach der usprünglichen Konzeption auch kleinere Häuser auf größeren Parzellen (so neben O...straße ... auch O...straße ... oder F...- ...-Straße ...) entstanden seien. In keinem Fall sei das Verhältnis von überbauter zu nicht überbauter Fläche sehr groß und betrage im minimalen Verhältnis eine Größenordnung von etwa 1:6. Auch bei den Bauten bis in die 1930er Jahre hinein habe man dieses Verhältnis annähernd beibehalten. In seiner Stellungnahme vom 2. Mai 2018 hat das LfD erneut das Verhältnis von überbauter und nicht überbauter Fläche von minimal 1:6 vorgetragen. Diesen Stellungnahmen hat das LfD im Verlauf des Prozesses weiterhin Gültigkeit beigemessen. Lediglich einschränkend hat es angeführt, dass das Verhältnis von 1:6 von bebauter Fläche zum Garten nicht in allen Fällen richtig berechnet sei (Aktennotiz vom 9.7.2018). Der Senat hält im vorliegenden Fall auch aufgrund des beim Augenschein gewonnenen Eindrucks die Einschätzung, dass bei einem Verhältnis von 1:6 von bebauter Fläche zu Garten noch ein Wohnen auf einem relativ großen Gartengrundstück vorliegt, für plausibel. Beim Augenschein wurde erkennbar, dass auf der einen Seite etliche Grundstücke deutlich dichter bebaut sind während auf der anderen Seite immer noch große Gärten vorhanden sind. Eine wesentliche Schwächung der Denkmalwertigkeit des Ensembles ist bei grundsätzlicher Einhaltung des oben dargestellten Verhätnisses zwischen bebauter und unbebauter Fläche nicht gegeben.

Bei Realisierung des strittigen Vorhabens wird das Verhältnis von 1:6 zwischen bebauter und unbebauter Fläche eingehalten. Einschließlich der geplanten Garage wird sich eine Grundflächenzahl (GRZ) von 0,166 ergeben. In absoluten Zahlen werden (einschließlich des bestehenden Gebäudes mit einer Grundfläche von ca. 88 m²) ca. 199 m² des insgesamt 1.200 m² großen Grundstücks bebaut sein. 1.001 m² von insgesamt 1.200 m² Grundstücksfläche werden weiterhin unbebaut bleiben. Dies entspricht einem Verhältnis von 1:6,03 zwischen bebauter und nicht bebauter Fläche. Auf einem - auch nach einer Grundstücksteilung - relativ großen Grundstück wird ein kleines Einfamilienhaus errichtet. Ein „großer Garten“ ist sowohl bezogen auf das Grundstück als auch auf das Ensemble nach wie vor vorhanden. Mithin widerspricht das abgefragte Bauvorhaben nicht dem Ensembleschutz.

b) Soweit die Beklagte ausgeführt hat, dass der Umgebungsschutz benachbarter Einzeldenkmäler (Art. 6 Abs. 2 Satz 2, Abs. 1 Satz 2 DSchG) einer denkmalschutzrechtlichen Zulässigkeit entgegenstehen könnte, hat sie dies nicht näher dargelegt. In der Nachbarschaft des Grundstücks O...straße ... finden sich die Villa O...str. ... sowie die Volksschule O...straße ... als Einzeldenkmäler. Der Senat folgt diesbezüglich auch aufgrund des beim Augenschein gewonnenen Eindrucks der Einschätzung des Gutachters des Klägers, dass zwischen dem Anwesen O...straße ... und dem Gebäude der Volksschule nur ein schwacher visueller und struktureller sowie kein funktionaler Zusammenhang besteht. Die Villa O...straße ..., die auf einem etwa so schmalen Grundstück steht, wie es bei der Nr. 18 nach der beantragten Teilung der Fall wäre, ist durch die geplante Anordnung eines Neubaus auf dem nach Teilung übernächsten Nachbargrundstück weder visuell noch strukturell oder funktional beeinträchtigt, da die bestehenden Blickbeziehungen und Raumwirkungen der Hausecke auf das Nachbargrundstück durch die zurückweichenden Baufluchten erhalten bleiben. Eine vom Neubau ausgehende übertönende oder missachtende Wirkung ist aufgrund der geplanten Kubatur und Lage nicht zu befürchten.

2. Die zulässige Klage ist ebenso hinsichtlich der Frage zur bauplanungsrechtlichen Zulässigkeit begründet. Der Kläger hat einen Anspruch darauf, dass die Vorbescheidsfrage zur planungsrechtlichen Zulässigkeit positiv beantwortet wird (§ 113 Abs. 5 Satz 1 VwGO).

Dem steht nicht das Fehlen des allgemeinen Sachbescheidungsinteresses entgegen. Denn denkmalschutzrechtlich bestehen gegen das Vorhaben, wie gezeigt wurde, keine Bedenken.

a) Die Beklagte beruft sich auf den Beschluss über die Festsetzung des Bauliniengefüges aus dem Jahr 1893. Zu diesem Zeitpunkt seien nach dem Plan noch keine Gebäude vorhanden gewesen. Allerdings seien im Bauabteilungsplan von 1894 schon einige Gebäude als Bestand gekennzeichnet. Es bestehe für eine Feststellung, dass das Bauliniengefüge bereits nicht wirksam festgesetzt worden sei, kein Grund. Die Baulinien seien gerade trotz des Bestands für notwendig erachtet worden. Regelungsfunktion komme ihnen bis heute zu.

Die Beklagte möchte dem Bauliniengefüge immer noch Steuerungsfunktion zukommen lassen. Es mag sein, dass die Kombination von roter Baulinie und Straßenbegrenzungslinie ein wesentliches Element der ländlichen Siedlungsstruktur der Villenkolonie Neu-Pasing I sichern sollte, nämlich eine großzüge und breite Vorgartenzone, die nicht bebaubar war. Dies steht jedoch dem abgefragten Vorhaben nicht entgegen, da es nicht in der Zone, die nach diesem Verständnis nicht bebaubar war, errichtet werden soll.

Offen bleiben kann, ob - wie das Erstgericht angenommen hat - die Festsetzung der roten Baulinie nicht wirksam erfolgt ist, da die zum Zeitpunkt der Festsetzung tatsächlich vorhandene, seit dem Jahr 1892 entstandene Bebauung völlig anders strukturiert gewesen ist und damit das Bauliniengefüge von vornherein keine die Bebauung steuernde Funktion entfalten hätte können. Denn jedenfalls im maßgeblichen Bereich der ostseitigen Bebauung entlang der O...straße ist der Bebauungsplan funktionslos geworden. Die Funktionslosigkeit eines Bebauungsplans kann sich auch auf Teilbereiche beschränken (vgl. Spieß in Jäde/Dirnberger, BauGB, 9. Aufl. 2018, § 30 Rn. 43). Auch übergeleitete Pläne können funktionslos werden (vgl. BVerwG, B.v. 24.4.1998 - 4 B 46.98 - NVwZ-RR 1998, 711). Eine bauplanerische Festsetzung tritt wegen Funktionslosigkeit dann außer Kraft, wenn und soweit die Verhältnisse, auf die sich die Festsetzung bezieht, in der tatsächlichen Entwicklung einen Zustand erreicht haben, der eine Verwirklichung der Festsetzung auf unabsehbare Zeit ausschließt und die Erkennbarkeit dieser Tatsache einen Grad erreicht hat, der einem etwa dennoch in die Fortgeltung der Festsetzung gesetzten Vertrauen die Schutzwürdigkeit nimmt. Entscheidend ist dabei, ob die jeweilige Festsetzung überhaupt noch geeignet ist, zur städtebaulichen Ordnung im Sinn des § 1 Abs. 3 BauGB im Geltungsbereich des Bebauungsplans einen sinnvollen Beitrag zu leisten (vgl. BVerwG, B.v. 9.10.2003 - 4 B 85.03 - BauR 2014, 1128; BayVGH, B.v. 9.9.2013 - 2 ZB 12.1544 - juris; B. v. 22.12.2014 - 2 ZB 13.1301- juris). Dies ist hier nicht der Fall. Denn wie oben gezeigt wurde, ist es ensembleprägend, dass sich die Baukörper nicht auf einer Baulinie befinden. Dementsprechend halten von den 12 Gebäuden im Osten der O...straße zwischen O...straße und W... Platz lediglich 3 Gebäude (O...straße, ... und ......) annähernd die Baulinie ein. Angesichts der denkmalschutzrechtlich bestimmten Situierung kann das Bauliniengefüge keine Steuerungsfunktion mehr entfalten.

b) Für den Fall, dass der Baulinienplan von 1893 in der Fassung der Pläne von 1957 und 1960 mit Inkraftreten des Bundesbaugesetzes 1960 (BBauG) nach § 173 Abs. 3 BBauG wirksam als einfache Bebauungspläne übergeleitet worden sein sollten und fortgelten (§ 233 Abs. 3 BauGB), ist die Baulinie jedenfalls aufgrund der weiteren Baugenehmigungen in den folgenden Jahren funktionslos geworden. Die Genehmigungen wurden - gegebenenfalls unter der Erteilung von Befreiungen - offensichtlich abweichend von der straßenseitigen Baulinie erteilt. Mithin hat die straßenseitige Baulinie erkennbar ihre städtebauliche Steuerungsfunktion verloren und ist damit funktionslos geworden. Sie kann dem abgefragten Vorhaben nicht als Festsetzung eines einfachen Bebauungsplans hinsichtlich der überbaubaren Grundstücksfläche entgegen gehalten werden.

cc) Selbst wenn man von einer Wirksamkeit der Baulinie ausgehen wollte, liegen jedenfalls die Voraussetzungen für eine Befreiung nach § 31 Abs. 2 BauGB vor. Es ist nicht erkennbar, welche städtebaulichen Gründe eine Versagung rechtfertigen könnten. Hier ist insbesondere darauf hinzuweisen, dass gerade der Ensemblecharakter in der näheren Umgebung fordert, dass die Baufluchten unregelmäßig sind und die Gebäude innerhalb der Grundstücke unterschiedlich situiert werden.

Die Kostenentscheidung ergibt sich aus § 154 Abs. 1 und 2 VwGO.

Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus § 167 VwGO i.V.m. §§ 708 ff. ZPO.

Gründe für die Zulassung der Revision liegen nicht vor (§ 132 Abs. 2 VwGO).

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
III ZR 196/12
Verkündet am:
6. Juni 2013
B o t t
Justizhauptsekretärin
als Urkundsbeamtin
der Geschäftsstelle
in dem Rechtsstreit
Nachschlagewerk: ja
BGHZ: nein
BGHR: ja
BGB § 839 Cb; DSchG BW § 2
Die unterbliebene Beachtung der Verwaltungsvorschrift des Landes BadenWürttemberg
für die Erfassung von Kulturdenkmalen in einer Liste (VwV-Kulturdenkmallisten
; Fassung: 2. Juli 1993) mit der darin vorgesehenen Unterrichtung
der Eigentümer der betroffenen Objekte begründet mangels Verletzung drittbezogener
Amtspflichten keine Amtshaftungsansprüche späterer Erwerber gegen
die Träger der Denkmalschutzbehörden.
BGH, Urteil vom 6. Juni 2013 - III ZR 196/12 - OLG Karlsruhe
LG Karlsruhe
Der III. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat auf die mündliche Verhandlung
vom 6. Juni 2013 durch den Vizepräsidenten Schlick und die Richter Dr. Herrmann
, Hucke, Seiters und Tombrink

für Recht erkannt:
Die Revision der Klägerin gegen das Urteil des 12. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Karlsruhe vom 15. Mai 2012 wird zurückgewiesen.
Die Klägerin hat die Kosten des Revisionsrechtszugs zu tragen.
Von Rechts wegen

Tatbestand


1
Die Klägerin nimmt die erstbeklagte Stadt und das zweitbeklagte Land aus eigenem und aus abgetretenem Recht ihres Ehemanns aus dem Gesichtspunkt der Amtshaftung als Gesamtschuldner auf Schadensersatz in Anspruch.
2
Aufgrund notariellen Kaufvertrags vom 18. Mai 2001 erwarben die Klägerin und ihr Ehemann das Hausgrundstück D. straße 18 in K. -D. - . In dem Kaufvertrag war ein Ausschluss der Haftung der Verkäufer für unbekannte Rechtsmängel und für offene oder verdeckte Sachmängel vereinbart. Nicht erwähnt wurde, dass es sich bei dem auf diesem Grundstück stehenden Haus um ein Kulturdenkmal im Sinne von § 2 des Denkmalschutzgesetzes des Landes Baden-Württemberg handelt.
3
Nachdem die Klägerin und ihr Ehemann mit Umbaumaßnahmen am Dachgeschoss begonnen hatten, verfügte das Bauordnungsamt der Beklagten zu 1 am 4. Juli 2001 unter Hinweis auf die Denkmaleigenschaft des Gebäudes die sofortige Einstellung der Bauarbeiten. Auf den hiernach gestellten Antrag der Klägerin und ihres Ehemanns wurde die Baugenehmigung mit Bescheid vom 3. August 2001 unter Auflagen erteilt. Im Januar 2009 entschieden sich die Klägerin und ihr Ehemann dafür, erneut Baumaßnahmen durchzuführen, und wandten sich wegen der Abstimmung dieser Arbeiten an das Landesdenkmalamt. Nachdem sie von der Beklagten zu 1 (untere Denkmalschutzbehörde) auf die Genehmigungsbedürftigkeit der geplanten Arbeiten und auf eine mögliche Versagung der Genehmigung oder einer Erteilung nur unter Auflagen hingewiesen worden waren, prüften die Klägerin und ihr Ehemann die Hintergründe der Denkmaleigenschaft des Hauses; sie erhielten die Mitteilung, dass eine entsprechende Feststellung im Jahre 1996 erfolgt sei.
4
Die Klägerin hat behauptet, bis zum Bescheid vom 4. Juli 2001 hätten weder sie und ihr Ehemann noch die Verkäufer (früheren Eigentümer) des Grundstücks von der Denkmaleigenschaft des Hauses Kenntnis gehabt. Sie hat geltend gemacht, die Denkmalschutzbehörden beider Beklagten hätten es pflichtwidrig - nämlich entgegen den Vorgaben in der Verwaltungsvorschrift für die Erfassung von Kulturdenkmalen in einer Liste vom 2. Juli 1993 - verabsäumt , die früheren Eigentümer des Anwesens von der Feststellung der Denkmaleigenschaft zu unterrichten und das Objekt in die Kulturdenkmalliste aufzunehmen. Wäre dies geschehen, so hätten sie, die Klägerin, und ihr Ehemann vor dem Erwerb des Grundstücks von der Denkmaleigenschaft des Gebäudes erfahren und vom Kauf Abstand genommen oder einen niedrigeren Kaufpreis ausgehandelt.
5
Die Beklagten haben entgegnet, es liege weder die Verletzung einer drittbezogenen Amtspflicht noch ein kausaler Schaden vor. Etwaige Amtshaftungsansprüche seien im Übrigen verjährt oder verwirkt.
6
Das Landgericht hat die Klage abgewiesen. Das Oberlandesgericht hat die hiergegen eingelegte Berufung der Klägerin zurückgewiesen. Mit ihrer vom Berufungsgericht zugelassenen Revision verfolgt die Klägerin ihr Klagebegehren auf Feststellung der Schadensersatzpflicht der Beklagten weiter.

Entscheidungsgründe


7
Die Revision hat keinen Erfolg.

I.


8
Das Berufungsgericht hat die (Feststellungs-)Klage mangels Verletzung einer drittbezogenen Amtspflicht als unbegründet angesehen.
9
Die Nichteintragung in der Kulturdenkmalliste sei für sich genommen unerheblich , weil es insoweit jedenfalls an dem notwendigen Vorbringen der Klägerin zur Kausalität zwischen der Pflichtverletzung und dem geltend gemachten Schaden fehle. So habe sie nicht vorgetragen, dass sie, ihr Ehemann oder die Voreigentümer die Denkmalliste eingesehen hätten und aufgrund der fehlenden Eintragung davon ausgegangen seien, dass das Kaufobjekt als Denkmal bisher nicht erfasst sei.
10
Eine Amtspflichtverletzung könne zwar darin liegen, dass die Beklagte zu 1 die Voreigentümer des Grundstücks nicht davon unterrichtet habe, dass das Gebäude 1996 als Denkmal erkannt worden sei. Diese Pflicht bestehe jedoch nicht gegenüber künftigen Grundstückserwerbern. Der Schutzzweck der Regelungen in der Verwaltungsvorschrift für die Erfassung von Kulturdenkmalen in einer Liste liege in der Wahrung des Denkmalschutzes. Der Eigentümer solle die Denkmaleigenschaft des betroffenen Objekts erfahren um sicherzustellen , dass keine dem Denkmalschutz zuwiderlaufenden Veränderungen vorgenommen würden. Nicht beabsichtigt sei hingegen, Kaufinteressenten die eigenverantwortliche Prüfung abzunehmen, ob die im Denkmalschutzgesetz genannten Voraussetzungen eines Denkmals gegeben seien und deshalb das Risiko bestehe, dass es künftig durch behördliche Verfügungen zu Einschränkungen in der Nutzung oder Veränderung des Objekts kommen könne. Kaufinteressenten seien nicht schutzlos gestellt, sondern könnten die zuständige Behörde vorab um Auskunft bitten, ob aus deren Sicht die Voraussetzungen eines Kulturdenkmals vorlägen. Darüber hinaus könnten sie einen Kaufvertrag auszuhandeln versuchen, der dem Verkäufer eine diesbezügliche Einstandspflicht übertrage. Es würde zur Uferlosigkeit der Haftung führen, würde man annehmen , dass staatliche Stellen gegenüber möglichen Grundstückserwerbern die Pflicht treffe, diese über Erkenntnisse zu unterrichten, die auf den Wert des Grundstücks Einfluss oder Mehraufwendungen zur Folge haben könnten.

II.


11
Diese Beurteilung hält der rechtlichen Nachprüfung stand.
12
1. Die Auffassung des Berufungsgerichts, dass die Nichteintragung in der Kulturdenkmalliste für sich genommen unerheblich sei, weil es insoweit jedenfalls an dem notwendigen Vortrag der Klägerin zur Kausalität zwischen der Pflichtverletzung und dem geltend gemachten Schaden fehle, wird von der Revision hingenommen und begegnet revisionsrechtlich keinen Bedenken.
13
2. Ohne Erfolg wendet sich die Revision gegen die Ansicht des Berufungsgerichts , das Unterbleiben der Benachrichtigung der damaligen Eigentümer von der Feststellung der Denkmaleigenschaft des Gebäudes im Jahre 1996 habe keine gegenüber späteren Erwerbern des Objekts bestehenden Amtspflichten verletzt.
14
a) Ob eine Amtspflicht gegenüber einem geschädigten Dritten besteht, bestimmt sich danach, ob die Amtspflicht - wenn auch nicht notwendig allein, so doch gegebenenfalls neben der Erfüllung allgemeiner Interessen und öffentlicher Zwecke auch - den Sinn hat, gerade sein Interesse wahrzunehmen. Aus den die Amtspflicht begründenden und sie umreißenden Bestimmungen sowie aus der besonderen Natur des Amtsgeschäfts muss sich ergeben, dass der Geschädigte zu dem Personenkreis zählt, dessen Belange nach dem Zweck und der rechtlichen Bestimmung des Amtsgeschäfts geschützt und gefördert werden sollen; darüber hinaus kommt es darauf an, ob in qualifizierter und zugleich individualisierbarer Weise auf schutzwürdige Interessen eines erkennbar abgegrenzten Kreises Dritter Rücksicht zu nehmen ist. Es muss mithin eine besondere Beziehung zwischen der verletzten Amtspflicht und dem geschädigten Dritten bestehen. Hierfür ist die unmittelbare Beteiligung am Amtsgeschäft freilich ebenso wenig notwendige Voraussetzung wie ein Rechtsanspruch des Betroffenen auf die streitgegenständliche Amtshandlung. Andererseits genügt es nicht allein, dass sich die Verletzung der Amtspflicht für den Geschädigten nachteilig ausgewirkt hat. Da im Übrigen eine Person, der gegenüber eine Amtspflicht zu erfüllen ist, nicht in allen ihren Belangen immer als Dritter anzusehen sein muss, ist jeweils zu prüfen, ob gerade das im Einzelfall berührte Interesse nach dem Zweck und der rechtlichen Bestimmung des Amtsgeschäfts geschützt sein soll (ständige Senatsrechtsprechung, vgl. Urteile vom 11. Juli 1955 - III ZR 178/53, BGHZ 18, 110, 113; vom 12. Juni 1986 - III ZR 146/85, NJW 1987, 585, 586; vom 26. Oktober 1989 - III ZR 147/88, BGHZ 109, 163, 167 f; vom 6. Mai 1993 - III ZR 2/92, BGHZ 122, 317, 320 f; vom 13. Oktober 2011 - III ZR 126/10, BGHZ 191, 173, 179 Rn. 14 mwN und vom 8. November 2012 - III ZR 151/12, NJW 2013, 604, 605 Rn. 15 mwN, zur Veröffentlichung in BGHZ vorgesehen).
15
b) Diese Grundsätze hat das Berufungsgericht beachtet und zutreffend angewendet.
16
aa) Gemäß § 2 des baden-württembergischen Denkmalschutzgesetzes (DSchG) stehen "einfache" Kulturdenkmale kraft Gesetzes unter Denkmalschutz , ohne dass es hierzu noch der Aufnahme in eine Denkmalliste oder einer entsprechenden Erklärung der Denkmalschutzbehörde bedarf ("ipso-iure"-Prinzip; vgl. etwa VGH Mannheim, NVwZ 1983, 100; NVwZ 1986, 240, 241; VG Sigmaringen, Urteil vom 13. September 2007 - 6 K 1919/06, juris Rn. 34 mwN); bei Kulturdenkmalen von besonderer Bedeutung besteht allerdings die - hier nicht interessierende - Besonderheit, dass diese herausragenden Denkmale den über den allgemeinen Schutz von Kulturdenkmalen (vgl. § 8 DSchG) hin- ausgehenden zusätzlichen Schutz nur dann genießen, wenn sie in das Denkmalbuch eingetragen sind (siehe §§ 12, 15 DSchG). Da es sich beim Vollzug des Denkmalschutzgesetzes als notwendig herausgestellt hatte, über die für Kulturdenkmale von besonderer Bedeutung (§ 12 DSchG) vorgesehene Eintragung in das Denkmalbuch hinaus alle Kulturdenkmale im Sinne von § 2 DSchG aufzulisten, wurde in Baden-Württemberg durch Erlass von Verwaltungsvorschriften die Erfassung von Kulturdenkmalen in einer Liste (Kulturdenkmallisten ) vorgeschrieben. Nach den Bestimmungen der - vorliegend noch maßgeblichen - Verwaltungsvorschrift des Wirtschaftsministeriums für die Erfassung von Kulturdenkmalen in einer Liste vom 2. Juli 1993 (VI-2555.1-0/1, GABl. S.966; im Folgenden: VwV; mit dieser VwV wurde die gleichlautende VwV des Innenministeriums vom 28. Dezember 1983 - V 7452/15 - GABl. 1984, 36 neu erlassen ; siehe auch die nachfolgende VwV-Kulturdenkmalliste vom 20. Juni 2001 - 6-2555.1-0/4, GABl. S. 802) wird dieser Liste ausdrücklich nur "deklaratorische Bedeutung" zugemessen (Nr. 0.2.1 VwV). Sie dient der Verdeutlichung der Denkmaleigenschaft zur Information der Eigentümer, zur Schaffung von Planungsunterlagen jeglicher Art und zur Rationalisierung der Arbeit der Denkmalschutzbehörden (Nr. 0.1.2 VwV). Die Kulturdenkmalliste wird für jede Gemeinde gesondert angelegt (Nr. 2.1.1 VwV). Im Gefolge der Vorerfassung der Kulturdenkmale durch die Gemeinden ist die Erstellung eines Listenentwurfs durch das Landesdenkmalamt und die Anhörung des Eigentümers durch die untere Denkmalschutzbehörde vorgesehen (s. Nr. 3.1, 3.2, 3.3 und 3.5 VwV). Über die Aufnahme eines Gegenstands in die endgültige Liste ist der Eigentümer von der unteren Denkmalschutzbehörde schriftlich zu benachrichtigen (s. Nr. 3.8 und 4.1 VwV).
17
bb) Das Berufungsgericht hat den Zweck der Eintragungen in die Denkmalliste und der damit verbundenen Benachrichtigung der Eigentümer zu Recht vornehmlich darin gesehen, einen wirksamen Denkmalschutz zu gewährleisten. Die zuständigen Behörden und die betroffenen Eigentümer sollen auf diese Weise verdeutlicht bekommen, dass es sich bei den erfassten Objekten um Kulturdenkmale handelt, die in Bezug auf ihre Erhaltung und die an ihnen durchzuführenden baulichen Maßnahmen in besonderer Weise Augenmerk und Schutz erfordern. Ob die Regelungen der Verwaltungsvorschrift für die Erfassung von Kulturdenkmalen in einer Liste - denen im Hinblick auf die Selbstbindung der Verwaltung die gleiche drittschützende Wirkung wie der Erlass eines formellen Gesetzes zukommen kann (vgl. Senatsurteil vom 22. Mai 1984 - III ZR 18/83, NJW 1984, 2216, 2218 mwN) - sonach überhaupt eine drittschützende Bedeutung haben und insbesondere auch Belange der Eigentümer wahren sollen, bedarf hier keiner abschließenden Entscheidung. Denn jedenfalls fallen spätere Kaufinteressenten, wie das Berufungsgericht zutreffend dargelegt hat, nicht in den Schutzbereich dieser Bestimmungen.
18
Die Eintragungen in der Kulturdenkmalliste haben, wie ausgeführt, nur eine deklaratorische und verdeutlichende Funktion und begründen insbesondere keinen öffentlichen Glauben daran, dass (nur) die darin erfassten Objekte die Denkmaleigenschaft besitzen; maßgeblich hierfür ist allein das Vorliegen der in § 2 Abs. 1 DSchG beschriebenen Voraussetzungen ("ipso-iure"-Prinzip). Dies bringt es mit sich, dass stets mit der Möglichkeit gerechnet werden muss, dass Objekte im Rechtssinne Denkmale und gleichwohl in der Liste nicht aufgeführt sind oder dass in der Liste erwähnten Objekten die Denkmaleigenschaft fehlt. Dementsprechend vermögen die Listeneintragungen für sich allein genommen grundsätzlich keinen Vertrauensschutz für Dritte zu begründen. Die Listeneintragungen und die im Verlauf des Eintragungsverfahrens (Vorerfassungsliste, Listenentwurf, Aufnahme in die Liste; vgl. im Einzelnen Nr. 3 und 4.1 VwV) vorzunehmenden Anhörungen und Benachrichtigungen der Objekteigentümer die- nen mithin nicht dem Interesse späterer Erwerber. Diese müssen in eigener Verantwortung überprüfen, ob die in § 2 Abs. 1 DSchG genannten Voraussetzungen vorliegen und hiernach das Risiko besteht, dass es künftig durch behördliche Verfügungen zu Einschränkungen in der Nutzung oder Veränderung des Objekts kommen könnte (vgl. zum fehlenden Schutz der Belange späterer Erwerber des Kraftfahrzeugs bei Bescheinigungen nach § 21 StVZO: Senat, Urteil vom 11. Juli 1955 aaO S. 114 ff, 116 f und Beschluss vom 30. September 2004 - III ZR 194/04, NJW 2004, 3484 mwN).
19
Wollte man spätere Erwerber als einbezogene Dritte ansehen, so würde dies den Erfordernissen der Individualisierbarkeit und Abgrenzbarkeit des Kreises der geschützten Personen widersprechen und, wie das Berufungsgericht mit Recht ausgeführt hat, zu einer uferlosen Ausweitung der Amtshaftung führen. Denn der Kreis von Personen, die künftig am Wert des betroffenen Grundstücks und den diesen beeinflussenden Faktoren interessiert sein könnten, ist von vornherein nicht absehbar. Hierzu zählen nicht nur künftige Erwerbsinteressenten , sondern, worauf die Revisionserwiderung der Beklagten zu 1 zutreffend hinweist, etwa auch Kreditgeber und (weitere) Grundpfandgläubiger.
20
Solche Personen haben, wenn sie über das Vorliegen der Voraussetzungen nach § 2 Abs. 1 DSchG im Einzelfall im Zweifel sind und ihnen die Antwort der Eigentümer auf entsprechende Nachfragen ungenügend erscheint, die Möglichkeit, die zuständige Denkmalschutzbehörde vorab um Auskunft bitten, ob aus deren Sicht die Voraussetzungen eines Kulturdenkmals vorliegen. Werden hierauf Auskünfte erteilt, so müssen diese zur Vermeidung von Amtshaftungsfolgen vollständig, richtig und unmissverständlich sein, so dass der Empfänger der Auskunft entsprechend disponieren kann (vgl. hierzu allgemein Senatsurteil vom 8. November 2012 aaO S. 607 Rn. 25 mwN; zum Fall der Haf- tung für eine Auskunft über die Denkmaleigenschaft eines Kaufobjekts s. Thüringer OLG, Urteil vom 1. Juli 2009 - 4 U 588/08, juris).
21
cc) Da bereits den Anhörungs- und Benachrichtigungspflichten, die der beklagten Stadt als der unteren Denkmalschutzbehörde unmittelbar gegenüber den Eigentümern obliegen, keine drittschützende Wirkung im Verhältnis zu späteren Erwerbern zukommen, haben haftungsbegründende Amtspflichtverletzungen der im Rahmen des Listeneintragungsverfahrens weiter tätig werdenden Behörden des beklagten Landes (Regierungspräsidium als höhere Denkmalschutzbehörde ; Landesdenkmalamt) gegenüber diesem Personenkreis erst recht auszuscheiden.
Schlick Herrmann Hucke
Seiters Tombrink
Vorinstanzen:
LG Karlsruhe, Entscheidung vom 15.11.2011 - 2 O 166/11 -
OLG Karlsruhe, Entscheidung vom 15.05.2012 - 12 U 188/11 -

(1) Gegen Endurteile einschließlich der Teilurteile nach § 110 und gegen Zwischenurteile nach den §§ 109 und 111 steht den Beteiligten die Berufung zu, wenn sie von dem Verwaltungsgericht oder dem Oberverwaltungsgericht zugelassen wird.

(2) Die Berufung ist nur zuzulassen,

1.
wenn ernstliche Zweifel an der Richtigkeit des Urteils bestehen,
2.
wenn die Rechtssache besondere tatsächliche oder rechtliche Schwierigkeiten aufweist,
3.
wenn die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat,
4.
wenn das Urteil von einer Entscheidung des Oberverwaltungsgerichts, des Bundesverwaltungsgerichts, des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes oder des Bundesverfassungsgerichts abweicht und auf dieser Abweichung beruht oder
5.
wenn ein der Beurteilung des Berufungsgerichts unterliegender Verfahrensmangel geltend gemacht wird und vorliegt, auf dem die Entscheidung beruhen kann.

(1) Der unterliegende Teil trägt die Kosten des Verfahrens.

(2) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen demjenigen zur Last, der das Rechtsmittel eingelegt hat.

(3) Dem Beigeladenen können Kosten nur auferlegt werden, wenn er Anträge gestellt oder Rechtsmittel eingelegt hat; § 155 Abs. 4 bleibt unberührt.

(4) Die Kosten des erfolgreichen Wiederaufnahmeverfahrens können der Staatskasse auferlegt werden, soweit sie nicht durch das Verschulden eines Beteiligten entstanden sind.

(5) Soweit der Antragsteller allein auf Grund von § 80c Absatz 2 unterliegt, fallen die Gerichtskosten dem obsiegenden Teil zur Last. Absatz 3 bleibt unberührt.

(1) In Verfahren vor den Gerichten der Verwaltungs-, Finanz- und Sozialgerichtsbarkeit ist, soweit nichts anderes bestimmt ist, der Streitwert nach der sich aus dem Antrag des Klägers für ihn ergebenden Bedeutung der Sache nach Ermessen zu bestimmen.

(2) Bietet der Sach- und Streitstand für die Bestimmung des Streitwerts keine genügenden Anhaltspunkte, ist ein Streitwert von 5 000 Euro anzunehmen.

(3) Betrifft der Antrag des Klägers eine bezifferte Geldleistung oder einen hierauf bezogenen Verwaltungsakt, ist deren Höhe maßgebend. Hat der Antrag des Klägers offensichtlich absehbare Auswirkungen auf künftige Geldleistungen oder auf noch zu erlassende, auf derartige Geldleistungen bezogene Verwaltungsakte, ist die Höhe des sich aus Satz 1 ergebenden Streitwerts um den Betrag der offensichtlich absehbaren zukünftigen Auswirkungen für den Kläger anzuheben, wobei die Summe das Dreifache des Werts nach Satz 1 nicht übersteigen darf. In Verfahren in Kindergeldangelegenheiten vor den Gerichten der Finanzgerichtsbarkeit ist § 42 Absatz 1 Satz 1 und Absatz 3 entsprechend anzuwenden; an die Stelle des dreifachen Jahresbetrags tritt der einfache Jahresbetrag.

(4) In Verfahren

1.
vor den Gerichten der Finanzgerichtsbarkeit, mit Ausnahme der Verfahren nach § 155 Satz 2 der Finanzgerichtsordnung und der Verfahren in Kindergeldangelegenheiten, darf der Streitwert nicht unter 1 500 Euro,
2.
vor den Gerichten der Sozialgerichtsbarkeit und bei Rechtsstreitigkeiten nach dem Krankenhausfinanzierungsgesetz nicht über 2 500 000 Euro,
3.
vor den Gerichten der Verwaltungsgerichtsbarkeit über Ansprüche nach dem Vermögensgesetz nicht über 500 000 Euro und
4.
bei Rechtsstreitigkeiten nach § 36 Absatz 6 Satz 1 des Pflegeberufegesetzes nicht über 1 500 000 Euro
angenommen werden.

(5) Solange in Verfahren vor den Gerichten der Finanzgerichtsbarkeit der Wert nicht festgesetzt ist und sich der nach den Absätzen 3 und 4 Nummer 1 maßgebende Wert auch nicht unmittelbar aus den gerichtlichen Verfahrensakten ergibt, sind die Gebühren vorläufig nach dem in Absatz 4 Nummer 1 bestimmten Mindestwert zu bemessen.

(6) In Verfahren, die die Begründung, die Umwandlung, das Bestehen, das Nichtbestehen oder die Beendigung eines besoldeten öffentlich-rechtlichen Dienst- oder Amtsverhältnisses betreffen, ist Streitwert

1.
die Summe der für ein Kalenderjahr zu zahlenden Bezüge mit Ausnahme nicht ruhegehaltsfähiger Zulagen, wenn Gegenstand des Verfahrens ein Dienst- oder Amtsverhältnis auf Lebenszeit ist,
2.
im Übrigen die Hälfte der für ein Kalenderjahr zu zahlenden Bezüge mit Ausnahme nicht ruhegehaltsfähiger Zulagen.
Maßgebend für die Berechnung ist das laufende Kalenderjahr. Bezügebestandteile, die vom Familienstand oder von Unterhaltsverpflichtungen abhängig sind, bleiben außer Betracht. Betrifft das Verfahren die Verleihung eines anderen Amts oder den Zeitpunkt einer Versetzung in den Ruhestand, ist Streitwert die Hälfte des sich nach den Sätzen 1 bis 3 ergebenden Betrags.

(7) Ist mit einem in Verfahren nach Absatz 6 verfolgten Klagebegehren ein aus ihm hergeleiteter vermögensrechtlicher Anspruch verbunden, ist nur ein Klagebegehren, und zwar das wertmäßig höhere, maßgebend.

(8) Dem Kläger steht gleich, wer sonst das Verfahren des ersten Rechtszugs beantragt hat.

(1) Das Verwaltungsgericht lässt die Berufung in dem Urteil zu, wenn die Gründe des § 124 Abs. 2 Nr. 3 oder Nr. 4 vorliegen. Das Oberverwaltungsgericht ist an die Zulassung gebunden. Zu einer Nichtzulassung der Berufung ist das Verwaltungsgericht nicht befugt.

(2) Die Berufung ist, wenn sie von dem Verwaltungsgericht zugelassen worden ist, innerhalb eines Monats nach Zustellung des vollständigen Urteils bei dem Verwaltungsgericht einzulegen. Die Berufung muss das angefochtene Urteil bezeichnen.

(3) Die Berufung ist in den Fällen des Absatzes 2 innerhalb von zwei Monaten nach Zustellung des vollständigen Urteils zu begründen. Die Begründung ist, sofern sie nicht zugleich mit der Einlegung der Berufung erfolgt, bei dem Oberverwaltungsgericht einzureichen. Die Begründungsfrist kann auf einen vor ihrem Ablauf gestellten Antrag von dem Vorsitzenden des Senats verlängert werden. Die Begründung muss einen bestimmten Antrag enthalten sowie die im Einzelnen anzuführenden Gründe der Anfechtung (Berufungsgründe). Mangelt es an einem dieser Erfordernisse, so ist die Berufung unzulässig.

(4) Wird die Berufung nicht in dem Urteil des Verwaltungsgerichts zugelassen, so ist die Zulassung innerhalb eines Monats nach Zustellung des vollständigen Urteils zu beantragen. Der Antrag ist bei dem Verwaltungsgericht zu stellen. Er muss das angefochtene Urteil bezeichnen. Innerhalb von zwei Monaten nach Zustellung des vollständigen Urteils sind die Gründe darzulegen, aus denen die Berufung zuzulassen ist. Die Begründung ist, soweit sie nicht bereits mit dem Antrag vorgelegt worden ist, bei dem Oberverwaltungsgericht einzureichen. Die Stellung des Antrags hemmt die Rechtskraft des Urteils.

(5) Über den Antrag entscheidet das Oberverwaltungsgericht durch Beschluss. Die Berufung ist zuzulassen, wenn einer der Gründe des § 124 Abs. 2 dargelegt ist und vorliegt. Der Beschluss soll kurz begründet werden. Mit der Ablehnung des Antrags wird das Urteil rechtskräftig. Lässt das Oberverwaltungsgericht die Berufung zu, wird das Antragsverfahren als Berufungsverfahren fortgesetzt; der Einlegung einer Berufung bedarf es nicht.

(6) Die Berufung ist in den Fällen des Absatzes 5 innerhalb eines Monats nach Zustellung des Beschlusses über die Zulassung der Berufung zu begründen. Die Begründung ist bei dem Oberverwaltungsgericht einzureichen. Absatz 3 Satz 3 bis 5 gilt entsprechend.