Bayerischer Verwaltungsgerichtshof Urteil, 28. Mai 2014 - 7 B 14.22

bei uns veröffentlicht am28.05.2014

Gericht

Bayerischer Verwaltungsgerichtshof

Tenor

I.

Der Beklagte wird unter Abänderung des Urteils des Bayerischen Verwaltungsgerichts München vom 26. Februar 2013 verpflichtet, dem Kläger ein Abiturzeugnis ohne Bemerkungen zur Nichtbewertung von Rechtschreibleistungen und zur Bewertung der schriftlichen und mündlichen Leistungen in den Fremdsprachen im Verhältnis 1:1 auszustellen.

II.

Der Beklagte trägt die Kosten des Verfahrens in beiden Rechtszügen.

III.

Die Kostenentscheidung ist vorläufig vollstreckbar. Der Beklagte kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe des zu vollstreckenden Betrages abwenden, wenn nicht der Kläger vorher Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

IV.

Die Revision wird zugelassen.

Tatbestand

Der Kläger wendet sich gegen folgende Bemerkungen der Schule (staatliches Gymnasium in G.) in seinem Abiturzeugnis vom 25. Juni 2010: „Aufgrund einer fachärztlich festgestellten Legasthenie wurden Rechtschreibleistungen nicht bewertet. In den Fremdsprachen wurden die schriftlichen und mündlichen Leistungen im Verhältnis 1:1 bewertet.“

Das Bayerische Verwaltungsgericht München hat auf Klage des Klägers den Beklagten mit Urteil vom 26. Februar 2013 verpflichtet, dem Kläger ein neues Abiturzeugnis auszustellen, in dem kein Hinweis mehr auf die „fachärztlich festgestellte Legasthenie“ enthalten ist. Im Übrigen hat es die Klage abgewiesen. Die streitgegenständlichen Bemerkungen seien als allgemeine Beurteilung zulässig, welche das Abschlusszeugnis nach Maßgabe des Bayerischen Gesetzes über das Erziehungs- und Unterrichtswesen (BayEUG) enthalten könne (Art. 54 Abs. 4 Satz 3 BayEUG). Zudem seien gemäß den Richtlinien des (ehemaligen) Bayerischen Staatsministeriums für Unterricht und Kultus zur Förderung von Schülern mit besonderen Schwierigkeiten beim Erlernen des Lesens und des Rechtschreibens vom 16. November 1999, geändert am 11. August 2000, sowie entsprechend dem Beschluss der Kultusministerkonferenz vom 4. Dezember 2003 in der Fassung vom 15. November 2007, Abweichungen von den allgemeinen Grundsätzen der Leistungsbewertung - wie vorliegend in Bezug auf die Bewertung der Rechtschreibleistungen und das Verhältnis der Bewertung der schriftlichen und mündlichen Leistungen in den Fremdsprachen - im Abschlusszeugnis zu vermerken. Bei solchen Abweichungen von allgemeinen Grundsätzen der Leistungsbewertung handele es sich für die betroffenen Schüler um „Notenschutz“, der anders als der „Nachteilsausgleich“, der lediglich Chancengleichheit mit nichtbehinderten Schülern herstelle, eine Bevorzugung des behinderten Schülers darstelle. Der Notenschutz sei aus Gründen der „Notenwahrheit“ und zur Wahrung der Chancengleichheit aller Schüler im Zeugnis zu vermerken. Demgegenüber sei es nicht geboten, den Hinweis auf eine „fachärztlich festgestellte Legasthenie“, der in die Privatsphäre des Klägers unverhältnismäßig eingreife, in das Abiturzeugnis aufzunehmen. Wegen der Einzelheiten wird auf das Urteil Bezug genommen.

Mit der vom Senat wegen der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache zugelassenen Berufung wendet sich der Kläger gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts, soweit die Klage abgewiesen wurde. Die streitgegenständlichen Bemerkungen knüpften ohne gesetzliche Grundlage in diskriminierender Weise unmittelbar an die Legasthenie des Klägers an und erschwerten diesem ohne sachlichen Grund den Übertritt in das Berufsleben. Sie seien nicht aus Gründen der Notenwahrheit gerechtfertigt, weil das Abiturzeugnis dem Kläger keine Kompetenzen bescheinige, über die er nicht verfüge und zudem die Noten in einzelnen Fächern weder bei behinderten noch bei nichtbehinderten Schülern Auskunft über deren tatsächliche Rechtschreibleistungen gäben. Entgegen der Ansicht des Verwaltungsgerichts handele es sich bei der Nichtbewertung von Rechtschreibleistungen und bei der Bewertung der schriftlichen und mündlichen Leistungen in den Fremdsprachen im Verhältnis 1:1 auch nicht um eine Bevorzugung des Klägers, sondern lediglich um einen Ausgleich der mit dessen Legasthenie im Rahmen der schulischen Ausbildung verbundenen Nachteile. Von Bedeutung sei in diesem Zusammenhang auch, dass der Beklagte Fördermaßnahmen für Legastheniker in der gymnasialen Oberstufe nur in einem „Gesamtpaket“ gewähre und er dem betroffenen Schüler nicht erlaube, sich auf einzelne Fördermaßnahmen, etwa auf die Gewährung eines Zeitzuschlages zu beschränken, die als anerkannte Maßnahme des Nachteilsausgleichs unstreitig nicht zu einer Bemerkung im Abiturzeugnis führe. Die streitgegenständlichen Bemerkungen dürften im Übrigen wegen ihrer nachteiligen Wirkungen für den Kläger schon nach Maßgabe einschlägiger Regelungen der Gymnasialschulordnung (GSO) nicht in das Abiturzeugnis aufgenommen werden. Der Kläger beantragt sinngemäß,

den Beklagten unter Abänderung des Urteils des Bayerischen Verwaltungsgerichts München vom 26. Februar 2013 zu verpflichten, das Abiturzeugnis ohne die streitgegenständlichen Bemerkungen auszustellen.

Der Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Die streitgegenständlichen Bemerkungen im Abiturzeugnis bedürften keiner gesetzlichen Grundlage, weil sie allein der „Kenntlichmachung einer Abweichung von der regulären Leistungsbewertung“ dienten. Ihre Notwendigkeit ergebe sich unmittelbar aus prüfungsrechtlichen Grundsätzen, da Legastheniker bei Maßnahmen des Notenschutzes geringeren Leistungsanforderungen als nichtbehinderte Schüler genügen müssten und diesen gegenüber somit bevorzugt würden. Diese Ungleichbehandlung werde durch die streitgegenständlichen Bemerkungen, die der Zeugniswahrheit dienten und in die der Kläger bzw. dessen Erziehungsberechtigte vor Eintritt in die Oberstufe des Gymnasiums bereits eingewilligt hätten, ausgeglichen. Ein milderes Mittel zur Herstellung der Chancengleichheit aller Schüler sei nicht ersichtlich. Allerdings sei einzuräumen, dass bei Schülern mit anderen Behinderungen nicht in gleicher Weise (Bemerkungen über Maßnahmen des Notenschutzes in Abschlusszeugnissen) verfahren werde.

Wegen der Einzelheiten wird auf die Gerichtsakten in beiden Rechtszügen und die vorgelegten Behördenakten verwiesen.

Gründe

Die Berufung des Klägers hat Erfolg.

Der Kläger hat Anspruch auf Ausstellung eines Abiturzeugnisses, das frei ist von Bemerkungen, die nicht auf einer gesetzlichen Grundlage beruhen. Für die streitgegenständlichen Bemerkungen, die auf dem Kläger gewährte Maßnahmen des Notenschutzes hinweisen sollen, gibt es keine gesetzliche Grundlage.

1. Die streitgegenständlichen Bemerkungen im Abiturzeugnis beruhen nicht auf Regelungen des Bayerischen Schulrechts.

a) Das Bayerische Gesetz über das Erziehungs- und Unterrichtswesen (BayEUG) in der Fassung der Bekanntmachung vom 31. Mai 2000 (GVBl S. 414, BayRS 22301-K), zuletzt geändert durch Gesetz vom 23. Mai 2014 (GVBl S. 186), enthält sowohl in der aktuellen als auch in der für das streitgegenständliche Abiturzeugnis maßgeblichen (bis zum 31.7.2010 geltenden) Fassung des Gesetzes (= a. F.) keine Rechtsgrundlage für die streitgegenständlichen Bemerkungen.

Nach Maßgabe des Gesetzes erhält der Prüfling nach bestandener Abschlussprüfung ein Abschlusszeugnis. Dieses enthält die Noten in den einzelnen Fächern und die Feststellung, welche Berechtigung das Zeugnis verleiht. Zusätzlich kann das Zeugnis eine allgemeine Beurteilung enthalten (Art. 54 Abs. 4 Satz 1 bis 3 BayEUG). In den Abiturzeugnissen wird - wie der Beklagte einräumt - jedoch gemäß den Bestimmungen der einschlägigen Schulordnung für die Gymnasien in Bayern (Gymnasialschulordnung - GSO) vom 23. Juli 2007 (GVBl S. 68, BayRS 22351K), zuletzt geändert durch Verordnung vom 12. Juni 2013 (GVBl S. 390), keine allgemeine Beurteilung im Sinn des Art. 54 Abs. 4 Satz 3 BayEUG aufgenommen (vgl. auch LT-Drs. 16/4814 S. 3).

b) Die auf Grundlage des Gesetzes (Art. 89 BayEUG) erlassene Gymnasialschulordnung sieht - sowohl in der aktuellen als auch in der vorliegend maßgeblichen (bis zum 31.7.2010 geltenden) Fassung der Verordnung (= a. F.) - die Aufnahme von Vermerken in das Abiturzeugnis nur in besonders geregelten Fällen vor. So erhalten etwa Schüler, die das Latinum oder Graecum erworben haben, im Abiturzeugnis einen entsprechenden Vermerk (§ 86 Abs. 4 Satz 1 GSO = § 86a Abs. 4 Satz 1 GSO a. F. für das vom Kläger besuchte neunjährige Gymnasium). Ebenso können auf Antrag des Schülers herausragende Leistungen in Vokalensemble (Chor) oder Instrumentalensemble (Orchester) sowie die Tätigkeit in der Schülermitverantwortung oder ähnliche Tätigkeiten im Abiturzeugnis vermerkt werden (§ 86 Abs. 3 Satz 2 GSO = § 86a Abs. 3 Satz 2 GSO a. F.). Bemerkungen über die Gesamtpersönlichkeit des Schülers und damit auch Bemerkungen etwa über dessen Anlagen oder Verhalten werden in das Abiturzeugnis hingegen nicht aufgenommen (§ 86 Abs. 3 Satz 1 GSO = § 86a Abs. 3 Satz 1 GSO a. F.). Auch in Bezug auf die Nichtbewertung von Rechtschreibleistungen oder das Verhältnis der Bewertung der schriftlichen und mündlichen Leistungen in den Fremdsprachen sind Vermerke weder in der Gymnasialschulordnung noch in dem vom Staatsministerium nach Maßgabe des § 86 Abs. 1 GSO (= § 86a Abs. 1 GSO a. F.) herausgegebenen Muster des Abiturzeugnisses (Zeugnis der allgemeinen Hochschulreife) vorgesehen.

2. Die streitgegenständlichen Bemerkungen können auch nicht auf „prüfungsrechtliche Grundsätze“ gestützt werden. Für sie ist eine gesetzliche Grundlage nicht deshalb entbehrlich, weil sie nach Ansicht des Beklagten der „Kenntlichmachung einer Abweichung von der regulären Leistungsbewertung“ dienen und zum Ausgleich einer Bevorzugung des Legasthenikers („Notenschutz“) notwendig sein sollen. Denn Notenschutz seinerseits darf nur aufgrund einer vorliegend fehlenden ausdrücklichen gesetzlichen Ermächtigung gewährt werden.

a) Als Notenschutz werden nach gefestigter obergerichtlicher Rechtsprechung im Prüfungsrecht allgemein und im Schulrecht in Bezug auf die Bewertung schulischer Leistungen einschließlich der jeweiligen Prüfungsleistungen alle Maßnahmen angesehen, die auf die Bevorzugung des einzelnen Prüflings gerichtet sind, weil diesem gegenüber auf bestimmte Leistungsanforderungen verzichtet wird, die allen anderen Prüflingen abverlangt werden. Notenschutz berührt den anerkannten und insbesondere im Prüfungsrecht maßgeblichen Grundsatz der Chancengleichheit (Art. 3 Abs. 1 GG, ggf. i. V. m. Art. 12 Abs. 1 GG) aller Prüflinge (vgl. z. B. zuletzt OVG LSA, B.v. 10.2.2014 - 3 M 358/13 - juris Rn. 13 f. m. w. N.; NdsOVG, B.v. 10.7.2008 - 2 ME 309/08 - NVwZ-RR 2009, 68; BayVGH, B.v. 25.10.2007 - 7 CE 07.2374 - juris Rn. 15). Auf Notenschutz gibt es auch im Hinblick auf das in Art. 3 Abs. 3 Satz 2 GG geregelte Benachteiligungsverbot für körperlich eingeschränkte oder sonst behinderte Prüfungsteilnehmer keinen verfassungsrechtlich begründeten Anspruch (vgl. z. B. HessVGH, B.v. 5.2.2010 - 7 A 2406/09.Z - NVwZ-RR 2010, 767; NdsOVG, B.v. 10.7.2008 - 2 ME 309/08 - NVwZ-RR 2009, 68; zum Meinungsstand in Rechtsprechung und Literatur, vgl. Cremer/Kolok, DVBl 2014, 333).

Der Notenschutz ist vom „Nachteilsausgleich“ zu unterscheiden, auf den - seinerseits gestützt auf den Grundsatz der Chancengleichheit - ein verfassungsrechtlicher Anspruch deshalb besteht, weil der Nachteilsausgleich es dem behinderten Prüfungsteilnehmer lediglich unter Wahrung der für alle Prüflinge geltenden Leistungsanforderungen ermöglichen soll, sein tatsächlich vorhandenes („wahres“) Leistungsvermögen nachzuweisen (vgl. z. B. Niehues/Fischer, Prüfungsrecht, 5. Aufl. 2010, Rn. 249/259 ff. m. w. N.). Nachteilsausgleich darf nur insoweit gewährt werden, als dies zur Herstellung der Chancengleichheit erforderlich ist. Die „Überkompensation“ der Behinderungen des Prüfungsteilnehmers durch Art oder Umfang des gewährten Nachteilsausgleichs führt zu einer Verletzung der Chancengleichheit der anderen Prüfungsteilnehmer und ist insoweit unzulässig (vgl. z. B. BayVGH, B.v. 28.6.2012 - 7 CE 12.1324 - juris Rn. 18). Die Abgrenzung zwischen Maßnahmen des Nachteilsausgleichs und des Notenschutzes ist dann besonders schwierig, wenn sich die körperlichen Einschränkungen oder sonstigen Behinderungen auf das spezifische Leistungsvermögen des Prüfungsteilnehmers auswirken, das - wie etwa im Fach Deutsch die Fehlerfreiheit der Rechtschreibleistungen des Schülers - gerade Gegenstand der von ihm geforderten Prüfungsleistung ist. So sollen nach dem Beschluss der Kultusministerkonferenz vom 4. Dezember 2003 in der Fassung vom 15. November 2007 über „Grundsätze zur Förderung von Schülerinnen und Schülern mit besonderen Schwierigkeiten im Lesen und Rechtschreiben oder im Rechnen“ im Rahmen des Nachteilsausgleichs Maßnahmen wie die Ausweitung der Arbeitszeit oder die Bereitstellung von technischen und didaktischen Hilfsmitteln in Betracht kommen, während es sich etwa bei der stärkeren Gewichtung mündlicher Leistungen oder dem Verzicht auf eine Bewertung der Lese- und Rechtschreibleistung um Abweichungen von den allgemeinen Grundsätzen der Leistungsbewertung und damit um Maßnahmen des Notenschutzes handeln soll. Fehlt eine nähere gesetzliche Regelung über Art und Umfang von Maßnahmen des Nachteilsausgleichs und des Notenschutzes, so ist bei Rechtsstreitigkeiten über deren Zulässigkeit die Abgrenzung zwischen Nachteilsausgleich und Notenschutz unverzichtbar, weil Prüfungsteilnehmer (Schüler) einen verfassungsrechtlich begründeten Anspruch nur auf den zur Herstellung der Chancengleichheit im Einzelfall erforderlichen Nachteilsausgleich, nicht jedoch auf Notenschutz haben.

b) Maßnahmen des Notenschutzes kommen danach nur auf der Grundlage einer ausdrücklichen gesetzlichen Ermächtigung in Betracht. Nach der Rechtsprechung der Verfassungsgerichte verpflichten dabei das Rechtsstaatsprinzip, das Demokratieprinzip sowie der Grundsatz der Gewaltenteilung den parlamentarischen Gesetzgeber, die wesentlichen Entscheidungen im Schulwesen selbst zu treffen oder durch eine nach Inhalt, Zweck und Ausmaß begrenzte Ermächtigungsnorm inhaltlich mitzubestimmen und diese nicht allein der Schulverwaltung zu überlassen (Parlamentsvorbehalt). Der Umfang des Parlamentsvorbehalts bestimmt sich dabei von Fall zu Fall nach der Intensität, mit welcher die Grundrechte der Regelungsadressaten betroffen sind (vgl. BVerfG, B.v. 20.10.1981 - 1 BvR 640/80 - BVerfGE 58, 257; BayVerfGH, E.v. 27.3.1980 - Vf. 4-VII-79 - VerfGH 33, 33/37; vgl. zuletzt auch BayVerfGH, E.v. 21.5.2014 - Vf. 7-VII-13 - Rn. 35). Über die Zulässigkeit von Maßnahmen des Notenschutzes einschließlich ihrer Folgen (etwa in Bezug auf das auszustellende Zeugnis) hat dementsprechend, jedenfalls bei schulischen Abschlussprüfungen, die für den beruflichen Werdegang bedeutsam sind, wegen der mit Maßnahmen des Notenschutzes verbundenen und den Anspruch aller Prüflinge auf Chancengleichheit, der aus den Grundrechten des Art. 3 Abs. 1 GG (Gleichbehandlung) und des Art. 12 Abs. 1 GG (Berufsfreiheit) resultiert, in erheblicher Weise berührenden Abweichungen von den allgemein geltenden Leistungsanforderungen, der parlamentarische Gesetzgeber zu entscheiden (zum Vorbehalt des Gesetzes im Schulrecht allgemein, den notwendigen parlamentarischen Leitentscheidungen und dem Problem individueller Leistungsanforderungen beim gemeinsamen Unterricht behinderter und nichtbehinderter Schüler im Rahmen des inklusiven Schulsystems, vgl. auch Rux/Niehus, Schulrecht, 5. Aufl. 2013, Rn. 27 ff., 507 ff.). Auf die Erforderlichkeit einer landesrechtlichen Ermächtigung bei Abweichungen von den allgemeinen Grundsätzen der Leistungsbewertung namentlich bei Abschlussprüfungen hat im Übrigen bereits die Kultusministerkonferenz in ihrem genannten Beschluss vom 4. Dezember 2003 in der Fassung vom 15. November 2007 hingewiesen, wobei nach Ansicht der Kultusministerkonferenz Maßnahmen der individuellen Förderung von Legasthenikern in allgemeinbildenden Schulen grundsätzlich bis zum Ende der Jahrgangsstufe 10 abgeschlossen sein sollen. Dem Anliegen des Beklagten, entsprechend befähigten Legasthenikern durch Fördermaßnahmen des Notenschutzes den Besuch weiterführender Schulen einschließlich des Gymnasiums und die Möglichkeit des Erwerbs der allgemeinen Hochschulreife im Wege der Abiturprüfung zu eröffnen, kann somit nur durch den parlamentarischen Gesetzgeber entsprochen werden, der eine verbindliche Entscheidung darüber zu treffen hat, ob und in welchem Umfang Notenschutz gewährt werden darf und welche weiteren schulrechtlichen Folgen damit verbunden sind.

c) Der Bayerische Landesgesetzgeber sieht im Schulrecht generell und insbesondere auch bei schulischen Abschlussprüfungen Maßnahmen des Notenschutzes gegenwärtig nicht vor. Er hat sich vielmehr ausdrücklich (lediglich) für Maßnahmen des Nachteilsausgleichs sowie des „Notenausgleichs“ entschieden, die aufgrund der mit Wirkung vom 16. Dezember 2011 in Kraft getretenen geänderten Bestimmungen des Art. 52 Abs. 4 BayEUG und des Art. 54 Abs. 3 Satz 2 BayEUG in den jeweiligen Schulordnungen der unterschiedlichen Schularten konkret und differenziert geregelt werden können (vgl. auch LT-Drs. 16/9412 S. 6). Der in den genannten gesetzlichen Bestimmungen erwähnte „Notenausgleich“ betrifft den seit jeher möglichen Ausgleich mangelhafter oder ungenügender Leistungen in einzelnen Fächern durch sehr gute, gute oder befriedigende Leistungen in anderen Fächern und ist nunmehr ausdrücklich auch im Rahmen der jeweiligen Abschlussprüfungen möglich (vgl. Lindner/Stahl, Das Schulrecht in Bayern, Stand 15.11.2013, Art. 52 BayEUG Rn. 18). Der in den Schulordnungen zu regelnde Notenausgleich bezweckt - anders als der Notenschutz - nicht, einzelnen Schülern „bessere“ Noten zu geben, als diesen nach den allgemein geltenden Bewertungsmaßstäben in Bezug auf ihre schulischen Leistungen (Prüfungsleistungen) zukommen würden. Er kann allerdings ebenso wie der Notenschutz geeignet sein, Schülern trotz ungenügender Leistungen in einzelnen Fächern das Vorrücken in den Jahrgangsstufen, den Besuch weiterführender Schulen und das Bestehen schulischer Abschlussprüfungen zu ermöglichen.

Die seit dem 1. August 2011 (vor Inkrafttreten des Änderungsgesetzes) geltende Neuregelung des § 53 Abs. 4 GSO, wonach das Staatsministerium zur Frage eines Nachteilsausgleichs oder Notenschutzes für Schülerinnen und Schüler mit besonderen Schwierigkeiten beim Erlernen des Lesens und des Rechtschreibens gesonderte Festlegungen trifft, hat der Verordnungsgeber danach in Bezug auf den Notenschutz ohne die erforderliche gesetzliche Ermächtigung vorgenommen. Sie ist - unbeschadet weiterer Einwände gegen die fehlende Bestimmtheit der Regelung - auf das bereits am 25. Juni 2010 erteilte streitgegenständliche Abiturzeugnis allerdings ohnehin nicht anwendbar.

d) Aus dem Umstand, dass in Bayern - anders als in anderen Bundesländern - in der Oberstufe des Gymnasiums zugunsten von Legasthenikern Notenschutz gewährt wird und es hierfür, ebenso wie für die streitgegenständlichen Bemerkungen im Abiturzeugnis an der gebotenen gesetzlichen Grundlage fehlt, folgt, dass sich die Zeugnisbemerkungen nicht allein mit Hilfe des vom Beklagten betonten Gedanken der „Zeugniswahrheit“ („Notenwahrheit“) oder der vermeintlichen Wahrung der Chancengleichheit rechtfertigen lassen. Das den Legasthenikern verliehene Abiturzeugnis ist auch nicht ohne weiteres „unwahr“. Es bescheinigt die Befähigung zum Hochschulstudium, die nach Ansicht des Beklagten entsprechend befähigten Legasthenikern nicht allein wegen individueller Schwierigkeiten beim Erlernen des Lesens und des Rechtschreibens abgesprochen werden soll, zumal während des Studiums oder im beruflichen Alltag eingeschränkte Fähigkeiten in diesen Bereichen durch Hilfsmittel weitgehend ausgeglichen werden können. Die Bemerkungen geben zudem keinen Hinweis darauf, in welchem Umfang und in Bezug auf welche Fächer die angegebenen Noten tatsächlich nicht den hierfür maßgebenden Leistungsanforderungen entsprechen und deshalb „unwahr“ sein sollen. Im Verhältnis zu den anderen Abiturienten wird schließlich, solange der Gesetzgeber im Rahmen seiner weiten Gestaltungsfreiheit hierfür keine gesetzliche Grundlage geschaffen hat, die durch Maßnahmen des Notenschutzes erfolgte Bevorzugung der Legastheniker nicht notwendigerweise durch Bemerkungen ausgeglichen, die sich auf den beruflichen Werdegang der Legastheniker negativ auswirken können.

e) Der Beklagte kann die streitgegenständlichen Bemerkungen im Abiturzeugnis schließlich nicht mit der Erwägung rechtfertigen, der Kläger bzw. dessen Erziehungsberechtigte hätten in die Gewährung von Maßnahmen des Notenschutzes und damit in die Zeugnisbemerkungen eingewilligt.

Der Beklagte gewährt in der Oberstufe des Gymnasiums „Fördermaßnahmen“ für Legastheniker auf der Grundlage der Bekanntmachung des (ehemaligen) Bayerischen Staatsministeriums für Unterricht und Kultus vom 16. November 1999 (KWMBl I S. 379) zur „Förderung von Schülern mit besonderen Schwierigkeiten beim Erlernen des Lesens und des Rechtschreibens“, zuletzt geändert durch Bekanntmachung vom 11. August 2000 (KWMBl I S. 403), sowie aufgrund ergänzender Ministerialschreiben (KMS). Die Fördermaßnahmen werden dabei als unteilbares „Gesamtpaket“ - mit der Folge streitgegenständlicher Zeugnisbemerkungen - gewährt. Das Gesamtpaket umfasst die Befreiung von der Teilnahme an schriftlichen Leistungserhebungen, die ausschließlich der Feststellung der Rechtschreibkenntnisse dienen, die Gewährung eines Zeitzuschlags, die Nichtbewertung von Rechtschreibleistungen sowie die Bewertung schriftlicher und mündlicher Leistungen im Verhältnis 1:1 bei Fremdsprachen. Nur dann, wenn Schüler (bzw. deren Erziehungsberechtigte) vor Eintritt in die Oberstufe des Gymnasiums schriftlich beantragen, während der restlichen Schulzeit und in der Abschlussprüfung keine Fördermaßnahmen und damit keinen Nachteilsausgleich und Notenschutz zu erhalten, entfallen die Zeugnisbemerkungen (vgl. KMS vom 28.5.2008). In dem nach Ansicht des Beklagten nicht teilbaren Gesamtpaket der Fördermaßnahmen sind - wie zwischen den Beteiligten unstreitig ist - auch Maßnahmen des Nachteilsausgleichs enthalten, auf deren Gewährung im Einzelfall ein verfassungsrechtlicher Anspruch besteht. Das „Einverständnis“ des Maßnahmen des Nachteilsausgleichs begehrenden Schülers mit weitergehenden und gegenwärtig rechtlich unzulässigen Maßnahmen des Notenschutzes, rechtfertigt die Zeugnisbemerkungen daher nicht. Die Koppelung von Maßnahmen des Nachteilsausgleichs an Maßnahmen des Notenschutzes birgt im Übrigen die Gefahr ebenso unzulässiger Überkompensation, weil nicht sämtliche Fördermaßnahmen zum individuellen Ausgleich einer Legasthenie erforderlich sein müssen.

3. Für die streitgegenständlichen Zeugnisbemerkungen fehlt nicht nur eine hinreichende gesetzliche Grundlage. Sie widersprechen gegenwärtig auch einschlägigen Regelungen der Gymnasialschulordnung.

Unbeschadet dessen, dass Bemerkungen über die Gesamtpersönlichkeit des Schülers in das Abiturzeugnis nicht aufgenommen werden (§ 86 Abs. 3 Satz 1 GSO = § 86s Abs. 3 Satz 1 GSO) und zur Gesamtpersönlichkeit eines Schülers auch dessen persönliche Anlagen wie Legasthenie gehören, dürfen bereits in den Jahrgangsstufen 9 und 10 des Gymnasiums die Jahreszeugnisse keine Bemerkungen enthalten, die den Übertritt in das Berufsleben erschweren (§ 70 Abs. 2 Satz 4 GSO). Dies gilt erst recht für das Abiturzeugnis, das bei Bewerbungen um ein Hochschulstudium, eine Berufsausbildung oder einen Arbeitsplatz während des gesamten beruflichen Werdegangs von erheblicher Bedeutung ist. Zeugnisbemerkungen, die auch bei Streichung der Worte der „fachärztlich festgestellten Legasthenie“ unverändert auf die Legasthenie des betroffenen Abiturienten hindeuten, sind geeignet, den Übertritt in das Berufsleben zu erschweren. Der Abiturient ist auch keineswegs verpflichtet, seine Legasthenie durch die Zeugnisbemerkung im Berufsleben einem unbestimmten Personenkreis gegenüber zu offenbaren. Es ist vielmehr von den Umständen des Einzelfalles abhängig, ob etwa ein (potentieller) Arbeitgeber in Bezug auf eine konkrete Beschäftigung nach einer Legasthenie (oder anderen Beeinträchtigungen oder Behinderungen) des Bewerbers fragen darf und dieser zu deren Offenbarung verpflichtet ist oder nicht (vgl. z. B. Linck in Schaub, Arbeitsrechts-Handbuch, 15. Aufl. 2013, § 26 Rn. 8 ff, 16 ff. m. w. N.).

4. Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 167 VwGO, §§ 708 ff. ZPO.

5. Die Revision wird zugelassen, weil die Rechtssache wegen ihres verfassungsrechtlichen Bezugs über das Bayerische Landesrecht hinaus grundsätzliche Bedeutung hat (§ 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO).

Urteilsbesprechung zu Bayerischer Verwaltungsgerichtshof Urteil, 28. Mai 2014 - 7 B 14.22

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Verwaltungsgerichtsordnung - VwGO | § 154


(1) Der unterliegende Teil trägt die Kosten des Verfahrens. (2) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen demjenigen zur Last, der das Rechtsmittel eingelegt hat. (3) Dem Beigeladenen können Kosten nur auferlegt werden, we

Verwaltungsgerichtsordnung - VwGO | § 167


(1) Soweit sich aus diesem Gesetz nichts anderes ergibt, gilt für die Vollstreckung das Achte Buch der Zivilprozeßordnung entsprechend. Vollstreckungsgericht ist das Gericht des ersten Rechtszugs. (2) Urteile auf Anfechtungs- und Verpflichtungskl

Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland - GG | Art 3


(1) Alle Menschen sind vor dem Gesetz gleich. (2) Männer und Frauen sind gleichberechtigt. Der Staat fördert die tatsächliche Durchsetzung der Gleichberechtigung von Frauen und Männern und wirkt auf die Beseitigung bestehender Nachteile hin. (3) Ni

Verwaltungsgerichtsordnung - VwGO | § 132


(1) Gegen das Urteil des Oberverwaltungsgerichts (§ 49 Nr. 1) und gegen Beschlüsse nach § 47 Abs. 5 Satz 1 steht den Beteiligten die Revision an das Bundesverwaltungsgericht zu, wenn das Oberverwaltungsgericht oder auf Beschwerde gegen die Nichtzulas
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(3) Niemand darf wegen seines Geschlechtes, seiner Abstammung, seiner Rasse, seiner Sprache, seiner Heimat und Herkunft, seines Glaubens, seiner religiösen oder politischen Anschauungen benachteiligt oder bevorzugt werden. Niemand darf wegen seiner Behinderung benachteiligt werden.

(1) Alle Deutschen haben das Recht, Beruf, Arbeitsplatz und Ausbildungsstätte frei zu wählen. Die Berufsausübung kann durch Gesetz oder auf Grund eines Gesetzes geregelt werden.

(2) Niemand darf zu einer bestimmten Arbeit gezwungen werden, außer im Rahmen einer herkömmlichen allgemeinen, für alle gleichen öffentlichen Dienstleistungspflicht.

(3) Zwangsarbeit ist nur bei einer gerichtlich angeordneten Freiheitsentziehung zulässig.

Gründe

1

Die Beschwerdegründe, auf deren Überprüfung sich der Senat gemäß § 146 Abs. 4 Satz 6 VwGO zu beschränken hat, rechtfertigen keine Abänderung des erstinstanzlichen Beschlusses. Das Verwaltungsgericht hat den Antrag der Antragsteller, mit dem sie im Wege einstweiligen Rechtsschutzes einen weitergehenden Nachteilsausgleich und Abweichungen von den allgemeinen Grundsätzen der Leistungsbewertung für ihren Sohn F., der die 12. Klasse des Antragsgegners besucht, begehren, zu Recht abgelehnt.

2

Dahingestellt bleiben kann, ob der sinngemäß, § 88 VwGO, gestellte Antrag, den Antragsgegner unter Abänderung des Beschlusses des Verwaltungsgerichts vom 09. Dezember 2013 zu verpflichten, dem Sohn der Antragsteller Nachteilsausgleich in Form von Zeitzugaben oder reduziertem Aufgabenumfang beim Schreiben in allen Fächern und Entlastung von Schreibarbeit zu gewähren und bei der Bewertung seiner Leistungen von den allgemeinen Grundsätzen der Leistungsbewertung abzuweichen durch die Ermöglichung von Ausgleichschancen nach Minderleistung, verstärkte mündliche Bewertung und das Absehen von „Punktabzug bei schriftlichen Leistungserhebungen wegen Fehlerhäufung in der Rechtschreibung – so genannter Notenschutz – in den Fächern, bei denen es auf Genauigkeit von Tabellen, Grafiken, Zeichnungen oder ähnlichem ankommt“, schon unzulässig ist. Denn das Recht auf Nachteilsausgleich als Recht auf besondere schulische Förderung steht nicht den Erziehungsberechtigten, sondern den Schülern selbst zu, so dass diese selbst, im Falle der Minderjährigkeit vertreten durch ihre Eltern, den Anspruch gerichtlich geltend machen müssten. Jedenfalls ist der Antrag unbegründet, denn ein Anspruch auf über die bereits gewährte Schreibzeitverlängerung hinausgehenden Nachteilsausgleich steht dem Sohn der Antragsteller nicht zu.

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Anspruchsgrundlage ist der aus Art. 3 Abs. 1 i. V. m. 12 Abs. 1 GG abzuleitende Anspruch auf Chancengleichheit, der im Prüfungs- wie im Schulrecht zu beachten ist. § 33 Abs. 1 Satz 2 des Schulgesetzes des Landes Sachsen-Anhalt i. d. F. der Bekanntmachung vom 22. Februar 2013 (GVBl. LSA S. 68, - SchulG LSA -) bestimmt in Ausformung dieses Anspruchs, dass unterschiedlichen Bildungschancen und Begabungen durch besondere Förderung der betreffenden Schülerinnen und Schüler entsprochen werden soll. Die Pflicht, die Entwicklung der einzelnen wie aller Schülerinnen und Schüler zu fördern, bestimmt auch Inhalt und Ausmaß der Verordnungsermächtigung, mittels derer die oberste Schulbehörde den Bildungsweg zu regeln ermächtigt wird, § 35 Abs. 2 SchulG LSA. Auf dieser Grundlage hat das Kultusministerium die Verordnung über die Förderung von Schülerinnen und Schülern mit sonderpädagogischem Bildungs-, Beratungs- und Unterstützungsbedarf vom 08. August 2013 (GVBl. LSA S. 414 - SoPädFV ST 2013 -) erlassen. § 7 Sätze 1 bis 3 SoPädFV ST 2013 bestimmen, dass für Schülerinnen und Schüler mit sonderpädagogischem Förderbedarf, Behinderungen oder festgestellten Beeinträchtigungen, die zielgleich unterrichtet werden, die Rahmenbedingungen für Leistungsfeststellungen im Unterricht oder bei Leistungsnachweisen so zu gestalten sind, dass sie ihre Leistungsmöglichkeiten nachweisen können. Die Formen des anzuwendenden Nachteilsausgleichs sind individuell nach dem jeweiligen Einzelfall zu bestimmen. Sie berücksichtigen die Anforderungen und Bestimmungen des besuchten Bildungsganges sowie der entsprechenden Abschlussverordnung.

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Die Anforderungen und Bestimmungen des Bildungsgangs ergeben sich aus dem Runderlass des Kultusministeriums „Leistungsbewertung und Beurteilung an allgemeinbildenden Schulen und Schulen des Zweiten Bildungsweges der Sekundarstufen I und II“ (RdErl. des MK vom 26. Juni 2012 – 2-83200 -, SVBl. LSA S. 103 – im Folgenden: Leistungsbewertungserlass). Dieser gewährt in Ziffer 1.5 Schülerinnen und Schülern mit Behinderungen, leistungsbeeinträchtigenden chronischen Erkrankungen oder sonderpädagogischem Förderbedarf ein Recht auf Anwendung von Nachteilsausgleich. Ziffer 7.1.2 bestimmt, dass Schülerinnen und Schüler mit sonderpädagogischem Förderbedarf, die zielgleich unterrichtet werden, Nachteilsausgleich unter Beachtung der Art, des Grades und des Umfanges ihres sonderpädagogischen Förderbedarfs erhalten. Ansonsten unterliegen diese Schülerinnen und Schüler den üblichen Anforderungen an die Leistungsbewertung nach dem Erlass. Bestimmungen zu dem vom Sohn der Antragsteller angestrebten Abschluss (Abitur) enthält die Verordnung über die gymnasiale Oberstufe vom 03. Dezember 2013 (GVBl. S. 5078 – Oberstufenverordnung -). Diese sieht lediglich für behinderte Schüler Sonderregelungen für die Abiturprüfung vor, für die auf Vorschlag des Vorsitzenden der Prüfungskommission Erleichterungen der äußeren Prüfungsbedingungen zugelassen werden können.

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Gemessen an diesem rechtlichen Rahmen steht dem Sohn der Antragsteller eine Schreibzeitverlängerung von mehr als 10 vom Hundert der regulären Schreibzeit nicht zu. Das Kind hat keinen sonderpädagogischen Förderbedarf, das entsprechende Feststellungsverfahren ist mit bestandskräftigem Bescheid vom 31. Mai 2013 abgeschlossen worden. Der Bescheid stellt fest, dass die vorliegenden pädagogischen Unterlagen die Vermutung auf sonderpädagogischen Bildungs-, Beratungs- und Unterstützungsbedarf durch sonderpädagogische Förderung im Unterricht nicht stützen. Die Leistungen des Kindes entsprächen den Anforderungen. Schwerwiegende Beeinträchtigungen während der Beschulung hätten nicht festgestellt werden können. Medizinische, psychologische oder therapeutische Gutachten seien nicht vorgelegt worden. Dem entsprechen auch die im Verwaltungsvorgang vorgelegten Zeugnisse, die weder ein auffälliges Missverhältnis zwischen den Leistungen in den sprachorientierten und den naturwissenschaftlichen Fächern erkennen lassen noch konstant schlechte Leistungen des Kindes in einem bestimmten Bereich. Vielmehr erbrachte der Sohn der Antragsteller offenbar über Jahre so ausreichende Leistungen, dass der Verdacht einer (Teil-) Leistungsstörung nicht aufkam.

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Soweit die schulpsychologische Referentin des Landesschulamtes, Frau B., demgegenüber in ihrer „Schulpsychologischen Stellungnahme zur Diagnostik einer Lernstörung“ vom 08. Juli 2013 das Vorliegen einer Rechtschreibschwäche bestätigt, wird aus dem vorgelegten Verwaltungsvorgang schon nicht erkennbar, nach welcher Untersuchung und anhand welcher Maßstäbe diese Diagnose gestellt wurde. Im Ergebnis wurde dem Sohn der Antragsteller keine klassifizierte Lernstörung (z. B. isolierte Rechtschreibstörung, Klassifikation nach ICD-10: F.81.1), sondern nur eine isolierte Rechtschreibschwäche bescheinigt. Zudem seien „auffällig sichtbar gewordene graphomotorische Schwierigkeiten beim Schreiben“ festzustellen. Entscheidend ist, dass es sich dabei weder um einen festgestellten sonderpädagogischen Förderbedarf noch um eine Behinderung oder leistungsbeeinträchtigende chronische Erkrankung handelt. Der Sohn der Antragsteller ist „beeinträchtigt“ im Sinne des § 7 SoPädFV ST 2013, wird zielgleich unterrichtet und hat daher – in der Qualifikationsphase, nicht in den Abiturprüfungen - Anspruch auf eine solche Gestaltung der Rahmenbedingungen für Leistungsfeststellungen im Unterricht oder bei Leistungsnachweisen, dass er seine Leistungsmöglichkeiten nachweisen kann.

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Eine solche Gestaltung der Rahmenbedingungen kommt nur im Wege des Nachteilsausgleichs in Betracht. Der Nachteilsausgleich betrifft die Art und Weise der Prüfungsleistung sowie die äußeren Prüfungsbedingungen (Prof. Dr. Jörg Ennuschat, „Chancengleichheit für Schülerinnen und Schüler mit Legasthenie oder Dyskalkulie“; Rechtsgutachten erstattet im März 2008 für den Bundesverband Legasthenie und Dyskalkulie e.V., veröffentlicht unter http://bvl-legasthenie.de, S. 18). Häufige Maßnahmen des Nachteilsausgleichs sind etwa veränderte Formen des Leistungsnachweises (z. B. Sprechen auf Band, Einzelsituation), Nutzung methodisch-didaktischer Hilfen (z. B. veränderte Gliederung, Lesepfeil, größere Schrift, veränderte Arbeitsblätter), Einräumen von mehr Bearbeitungszeit, Bereitstellen von technischen und didaktischen Hilfsmitteln (z. B. audio-visuelle Hilfen und Computer) und differenzierte Aufgabenstellungen – in Ausnahmefällen auch in Klassenarbeiten (Ziffer 7.2.2 SoPädFV ST 2013). Die zu wählende Maßnahme orientiert sich am individuell festgestellten Nachteil und beschränkt sich darauf, nur den Nachteil auszugleichen, ohne im Ergebnis einen Vorteil für den betroffenen Schüler hervorzurufen.

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Die Beschränkung auf Maßnahmen des Nachteilsausgleichs ergibt sich daraus, dass Abweichungen von den allgemeinen Grundsätzen der Leistungsbewertung, wie es unter anderem der von den Antragstellern zentral verfolgte „Notenschutz“ wäre, nach den Vorgaben von Ziffer 7.1.1 SoPädFV ST 2013 nur für Schüler und Schülerinnen mit sonderpädagogischem Förderbedarf, die zieldifferent unterrichtet werden und für solche der Sekundarstufe I mit diagnostizierten Lernstörungen vorgesehen sind. Sie müssen dann aber ihre Grundlage in den individuellen Förderplänen der Schülerinnen und Schüler haben und dokumentiert sein (Ziffer 7.2.1 Satz 5) und werden auf dem Zeugnis unter „Bemerkungen“ ausgewiesen (Ziffer 7.2.5 Satz 3). Der Sohn der Antragsteller erfüllt diese Anforderungen nicht. Wird aber schon Schülerinnen und Schülern mit ausgewiesenem sonderpädagogischem Förderbedarf, wenn sie zielgleich unterrichtet werden, nur ein Nachteilsausgleich gewährt und von den allgemeinen Grundsätzen der Leistungsbewertung nicht abgewichen, kann für den Sohn der Antragsteller, der offenbar weniger in seiner Leistungsfähigkeit eingeschränkt ist, nichts anderes gelten. Dies gilt auch, wenn den von der schulpsychologischen Referentin nicht näher beschriebenen „graphomotorischen Schwierigkeiten beim Schreiben“ ein eigener, den Sohn der Antragsteller einschränkender Wert beizumessen ist. Denn gerade solchen Schwierigkeiten, die sich lediglich im Niederlegen der bereits erbrachten gedanklichen Leistung zeigen, lässt sich nicht durch veränderte Beurteilungsmaßstäbe begegnen, sondern nur durch Modifikationen bei der Leistungserbringung.

9

Hierbei ist das Verwaltungsgericht zu Recht davon ausgegangen, dass ein weitergehender Anspruch als die dem Sohn der Antragsteller bereits bewilligte Verlängerung der Schreibzeit bei allen schriftlichen Klausuren von 10 vom Hundert der regulären Schreibzeit diesem nicht zusteht. Das Landesschulamt hat – im Wege der Fachaufsicht - das dem Antragsgegner zustehende Auswahlermessen zwischen den verschiedenen Möglichkeiten des Nachteilsausgleichs in nicht zu beanstandender Weise ausgeübt. Es hat dabei sowohl die Rechtschreibschwäche als auch die graphomotorische Beeinträchtigung in den Blick genommen und diese von einer Lese-Rechtschreib-Schwäche abgegrenzt, die als diagnostizierte Lernstörung gilt. Es hat die Argumentation der Schule in die Erwägung einbezogen, die ausweislich des Protokolls der Lehrerkonferenz überhaupt keinen Bedarf für einen Nachteilsausgleich gesehen hat, auch weil der Sohn der Antragsteller offenbar öfter bereits die regulär zur Verfügung stehende Bearbeitungszeit für Leistungsnachweise nicht vollständig ausgenutzt hat und daher zunächst durch Ausnutzung der allen zur Verfügung stehenden Zeit seiner Beeinträchtigung im graphomotorischen Bereich wie in der Rechtschreibung hätte begegnen können.

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Unter Berücksichtigung dieser Umstände ist eine Schreibzeitverlängerung von 10 vom Hundert nachvollziehbar, der Antragsgegner hat im Verfahren über die Gewährung einstweiligen Rechtsschutzes seine diesbezüglichen Erwägungen auch noch in zulässiger Weise ergänzt, § 114 Satz 2 VwGO. Es spricht auch nicht gegen die Eignung der Schreibzeitverlängerung zum Nachteilsausgleich, dass der Sohn der Antragsteller schon bislang die zur Verfügung stehende Zeit nicht vollständig ausgenutzt hat. Denn es obliegt letztlich ihm, die gewährten Maßnahmen des Nachteilsausgleichs anzunehmen und etwa besondere Sorgfalt auf die Rechtschreibung zu verwenden oder sich beim Schreiben mehr Zeit zu lassen. Allein der Umstand, dass der Schüler eine gewährte Ausgleichsmaßnahme nicht annimmt oder eine andere bevorzugen würde, führt nicht dazu, dass dem seitens des Antragsgegners auch nachzukommen ist. Bedenken bestehen auch nicht hinsichtlich des gewährten Umfangs der Schreibzeitverlängerung. Der Antragsgegner führt hierzu in nachvollziehbarer Weise aus, dass die von den Antragstellern zum Vergleich herangezogene Schülerin, der eine umfangreichere Schreibzeitverlängerung gewährt wurde, stärker beeinträchtigt war als der Sohn der Antragsteller und daher mehr Zeit benötigte, um den aus ihren Beeinträchtigungen (Lese-Rechtschreib-Schwäche) resultierenden Einschränkungen zu begegnen.

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Dabei musste der Antragsgegner Abwägungen hinsichtlich der vom Antragsteller begehrten Änderungen der Leistungsbewertung nach obigen Ausführungen nicht treffen und sich insbesondere nicht im Einzelnen mit den von der schulpsychologischen Referentin vorgeschlagenen Maßnahmen auseinandersetzen. Zum einen obliegt die Auswahl zu treffender Fördermaßnahmen grundsätzlich der Schule, die dabei nicht nur ärztliche oder psychologische Befunde, sondern auch die schulalltägliche Beobachtung der Kinder einzubeziehen hat. Zum anderen sind die Vorschläge in der Stellungnahme offenkundig für den in der Qualifikationsphase des Abiturjahrgangs befindlichen Sohn der Antragsteller nicht mehr anwendbar. Die Vorschläge entstammen Ziffer 7.2.3 des Leistungsbewertungserlasses und beschreiben die in der Sekundarstufe I noch zulässigen Abweichungen von den allgemeinen Grundsätzen der Leistungsbewertung. Solche sind aber für Schüler der Sekundarstufe II selbst dann nicht mehr zulässig, wenn diese einen festgestellten sonderpädagogischen Förderbedarf haben, vgl. Ziffer 7.1.2 Leistungsbewertungserlass. Dann kann nichts anderes für den Sohn der Antragsteller gelten. Daraus, dass der von den Antragstellern zum Vergleich hinsichtlich gewährter Vergünstigungen herangezogenen Schülerin an der Abendschule der Schule des Zweiten Bildungsweges Halle auch in der Qualifikationsphase vor dem Abitur noch weitere Privilegierungen eingeräumt wurden (keine Berücksichtigung der Rechtschreibung, verstärkte mündliche Bewertung anstelle von schriftlichen Bewertungen), vermag der Sohn der Antragsteller für sich nichts abzuleiten, da es keinen Anspruch auf Gleichbehandlung im Unrecht gibt.

12

Die Antragsteller können auch nicht erfolgreich einwenden, ohne Notenschutz oder andere weitergehende Maßnahmen zum Ausgleich der Beeinträchtigung ihres Sohnes sei seine Chancengleichheit verletzt, da er wegen der Rechtschreibschwäche und der graphomotorischen Beeinträchtigung nicht die gleiche Prüfungsleistung erbringen könne wie seine Mitschüler. Deren Chancengleichheit würde durch noch umfassendere Erleichterungen für ihn bei der Erstellung der Arbeiten und eine geänderte Beurteilung seiner Arbeiten im Gegensatz dazu nicht verletzt, denn sie seien nicht von einem „Handicap“ betroffen.

13

Der im Prüfungsrecht maßgebliche Grundsatz der Chancengleichheit (Art. 3Abs. 1 i. V. m. Art. 12 Abs. 1 GG) gilt auch bei der Bewertung schulischer Leistungen. Danach muss gewährleistet sein, dass Schülerinnen und Schüler ihre schulischen Prüfungsleistungen möglichst unter gleichen äußeren (Prüfungs-) Bedingungen erbringen können und die gleichen Maßstäbe für die Bewertung einer Leistung gelten. Dies wird durch die formale Gleichbehandlung aller Prüflinge und Schüler gesichert. Im Einzelfall kann es aus Gründen der Chancengleichheit darüber hinaus erforderlich sein, zum Ausgleich von in der Person des Schülers oder der Schülerin liegenden Einschränkungen oder sonstigen Nachteilen spezielle (Prüfungs-) Vergünstigungen zu gewähren, die diesen die gleichen Chancen einräumen, den (Prüfungs-) Anforderungen zu genügen. Eine rechtserhebliche Chancenungleichheit kann insbesondere dann festgestellt werden, wenn lediglich die mechanische Darstellungsfähigkeit beeinträchtigt ist, auch wenn sie auf einem dauernden Defekt beruht. Damit ist ein Nachteilsausgleich dann geboten, wenn die Behinderungen außerhalb der durch die Prüfung zu ermittelnden Fähigkeiten liegen und das Prüfungsergebnis negativ beeinflussen können, wie beispielsweise die manuelle Fertigkeit des Schreibens. Eine Überkompensation der Nachteile dient jedoch nicht der Wiederherstellung der Chancengleichheit, sondern würde den Anspruch der Mitschülerinnen und -schüler auf Chancengleichheit verletzen (VG Braunschweig, Urt. v. 16. April 2013 - 6 A 2054/12 -, juris).

14

Nach der überwiegenden Rechtsprechung (Hess. VGH, Beschl. v. 08. Dezember 2011 – 7 A 2621/10 -; OVG BB, Beschl. v. 16. Juni 2009 - OVG 3 M 16.09 -; OVG Nieders., Beschl. v. 10. Juli 2008 – 2 ME 309/08 -; VG München, Urt. v. 26. Februar 2013 – M 3 K 11.2962 -; VG Braunschweig, Urt. v. 16. April 2013 – 6 A 204/12 - alle: juris) ist ein – über den Nachteilsausgleich hinausgehender – Notenschutz jedenfalls nicht mehr mit der durch den prüfungsrechtlichen Grundsatz der Chancengleichheit allein gebotenen Schaffung von gleichen Ausgangsbedingungen für den rechtschreibschwachen Schüler und seine nicht behinderten Mitschüler vereinbar. Er ist vielmehr auf die Bevorzugung des eingeschränkten Schülers gerichtet, indem diesem gegenüber auf bestimmte Leistungsanforderungen verzichtet werden soll, die den Mitschülern – unabhängig von ihrer intellektuellen Begabung – abverlangt werden. Ausreichende Kenntnisse im (Lesen und) Schreiben gehören zu den Kernkompetenzen, die in der Abiturprüfung nachzuweisen sind. Eine Kompensation der durch die Rechtschreibschwäche oder die graphomotorische Beeinträchtigung bedingten Benachteiligung des Sohns der Antragsteller durch die Absenkung von geltenden Prüfungsanforderungen lässt sich dem geltenden Recht und insbesondere auch dem Grundsatz der Chancengleichheit nicht entnehmen. Der Ausschluss des Notenschutzes für die gymnasiale Oberstufe einschließlich der Abiturprüfung verstößt nicht gegen den Grundsatz der Chancengleichheit (VG Schleswig, Urt. v. 10. Juni 2009 – 9 A 208/08 -, juris).

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Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO. Der Streitwert folgt aus §§ 53 Abs. 2 Nr. 1, 52 Abs. 2 GKG.

16

Dieser Beschluss ist unanfechtbar, § 152 Abs. 1 VwGO; §§ 68 Abs. 1 Satz 5, 66 Abs. 3 Satz 3 GKG.


(1) Alle Menschen sind vor dem Gesetz gleich.

(2) Männer und Frauen sind gleichberechtigt. Der Staat fördert die tatsächliche Durchsetzung der Gleichberechtigung von Frauen und Männern und wirkt auf die Beseitigung bestehender Nachteile hin.

(3) Niemand darf wegen seines Geschlechtes, seiner Abstammung, seiner Rasse, seiner Sprache, seiner Heimat und Herkunft, seines Glaubens, seiner religiösen oder politischen Anschauungen benachteiligt oder bevorzugt werden. Niemand darf wegen seiner Behinderung benachteiligt werden.

(1) Alle Deutschen haben das Recht, Beruf, Arbeitsplatz und Ausbildungsstätte frei zu wählen. Die Berufsausübung kann durch Gesetz oder auf Grund eines Gesetzes geregelt werden.

(2) Niemand darf zu einer bestimmten Arbeit gezwungen werden, außer im Rahmen einer herkömmlichen allgemeinen, für alle gleichen öffentlichen Dienstleistungspflicht.

(3) Zwangsarbeit ist nur bei einer gerichtlich angeordneten Freiheitsentziehung zulässig.

(1) Der unterliegende Teil trägt die Kosten des Verfahrens.

(2) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen demjenigen zur Last, der das Rechtsmittel eingelegt hat.

(3) Dem Beigeladenen können Kosten nur auferlegt werden, wenn er Anträge gestellt oder Rechtsmittel eingelegt hat; § 155 Abs. 4 bleibt unberührt.

(4) Die Kosten des erfolgreichen Wiederaufnahmeverfahrens können der Staatskasse auferlegt werden, soweit sie nicht durch das Verschulden eines Beteiligten entstanden sind.

(5) Soweit der Antragsteller allein auf Grund von § 80c Absatz 2 unterliegt, fallen die Gerichtskosten dem obsiegenden Teil zur Last. Absatz 3 bleibt unberührt.

(1) Soweit sich aus diesem Gesetz nichts anderes ergibt, gilt für die Vollstreckung das Achte Buch der Zivilprozeßordnung entsprechend. Vollstreckungsgericht ist das Gericht des ersten Rechtszugs.

(2) Urteile auf Anfechtungs- und Verpflichtungsklagen können nur wegen der Kosten für vorläufig vollstreckbar erklärt werden.

(1) Gegen das Urteil des Oberverwaltungsgerichts (§ 49 Nr. 1) und gegen Beschlüsse nach § 47 Abs. 5 Satz 1 steht den Beteiligten die Revision an das Bundesverwaltungsgericht zu, wenn das Oberverwaltungsgericht oder auf Beschwerde gegen die Nichtzulassung das Bundesverwaltungsgericht sie zugelassen hat.

(2) Die Revision ist nur zuzulassen, wenn

1.
die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat,
2.
das Urteil von einer Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts, des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes oder des Bundesverfassungsgerichts abweicht und auf dieser Abweichung beruht oder
3.
ein Verfahrensmangel geltend gemacht wird und vorliegt, auf dem die Entscheidung beruhen kann.

(3) Das Bundesverwaltungsgericht ist an die Zulassung gebunden.