Bundesfinanzhof Beschluss, 31. Mai 2010 - III B 38/10

bei uns veröffentlicht am31.05.2010

Tatbestand

1

I. Der im August 1983 geborene Sohn der Klägerin und Beschwerdegegnerin (Klägerin) leistete vom 16. September 2003 bis zum 15. Juli 2004, d.h. volle zehn Monate, Zivildienst. Da er sich im September 2003 und im Juli 2004 --vor Antritt bzw. nach Beendigung des Dienstes-- in Ausbildung befand, wurde für diese Monate Kindergeld gewährt; in den neun Monaten von Oktober 2003 bis Juni 2004 wurde er dagegen nicht als Kind berücksichtigt.

2

Die Beklagte und Beschwerdeführerin (Familienkasse) hob die Festsetzung des Kindergeldes ab Juni 2009 auf. Der Sohn könne nach Vollendung des 25. Lebensjahres im August 2008 wegen des Zivildienstes nur für weitere neun Monate berücksichtigt werden, weil nur während dieses Zeitraumes infolge des Zivildienstes kein Kindergeld gezahlt worden sei.

3

Das Finanzgericht gab der Klage statt und verwies zur Begründung auf das Senatsurteil vom 27. August 2008 III R 88/07 (BFH/NV 2009, 132).

4

Die Familienkasse trägt zur Begründung ihrer Nichtzulassungsbeschwerde vor, die Rechtssache habe grundsätzliche Bedeutung (vgl. R 32.11 der Einkommensteuer-Richtlinien 2008 und Dienstanweisung zur Durchführung des Familienleistungsausgleichs 63.5 Abs. 3).

Entscheidungsgründe

5

II. Die Beschwerde ist unbegründet und durch Beschluss zurückzuweisen (§ 116 Abs. 5 Satz 1 der Finanzgerichtsordnung --FGO--).

6

Die Frage, ob der Verlängerungszeitraum wegen eines Dienstes i.S. des § 32 Abs. 5 Satz 1 des Einkommensteuergesetzes (EStG) zu beschränken ist, wenn der Dienst nicht am Monatsersten begonnen oder vor dem Monatsletzten beendet wurde und daher in diesen Monaten wegen eines Tatbestandes nach § 32 Abs. 4 Satz 1 EStG Kindergeld gewährt wurde, hat keine grundsätzliche Bedeutung (§ 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO). Denn nach dem Senatsurteil in BFH/NV 2009, 132 entspricht der Verlängerungszeitraum auch dann der Dienstzeit, wenn der Dienst nicht am Monatsersten angetreten und daher im ersten Monat des Wehrdienstes noch Kindergeld bezogen wurde. Der Senat hat diese Entscheidung durch Urteil vom 20. Mai 2010 III R 4/10 (BStBl II 2010, 827) für den Fall der Ableistung des Zivildienstes bestätigt.

Urteilsbesprechung zu Bundesfinanzhof Beschluss, 31. Mai 2010 - III B 38/10

Urteilsbesprechungen zu Bundesfinanzhof Beschluss, 31. Mai 2010 - III B 38/10

Referenzen - Gesetze

Finanzgerichtsordnung - FGO | § 115


(1) Gegen das Urteil des Finanzgerichts (§ 36 Nr. 1) steht den Beteiligten die Revision an den Bundesfinanzhof zu, wenn das Finanzgericht oder auf Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Bundesfinanzhof sie zugelassen hat. (2) Die Revision ist nu

Finanzgerichtsordnung - FGO | § 116


(1) Die Nichtzulassung der Revision kann durch Beschwerde angefochten werden. (2) Die Beschwerde ist innerhalb eines Monats nach Zustellung des vollständigen Urteils bei dem Bundesfinanzhof einzulegen. Sie muss das angefochtene Urteil bezeichnen.

Einkommensteuergesetz - EStG | § 32 Kinder, Freibeträge für Kinder


(1) Kinder sind1.im ersten Grad mit dem Steuerpflichtigen verwandte Kinder,2.Pflegekinder (Personen, mit denen der Steuerpflichtige durch ein familienähnliches, auf längere Dauer berechnetes Band verbunden ist, sofern er sie nicht zu Erwerbszwecken i
Bundesfinanzhof Beschluss, 31. Mai 2010 - III B 38/10 zitiert 5 §§.

Finanzgerichtsordnung - FGO | § 115


(1) Gegen das Urteil des Finanzgerichts (§ 36 Nr. 1) steht den Beteiligten die Revision an den Bundesfinanzhof zu, wenn das Finanzgericht oder auf Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Bundesfinanzhof sie zugelassen hat. (2) Die Revision ist nu

Finanzgerichtsordnung - FGO | § 116


(1) Die Nichtzulassung der Revision kann durch Beschwerde angefochten werden. (2) Die Beschwerde ist innerhalb eines Monats nach Zustellung des vollständigen Urteils bei dem Bundesfinanzhof einzulegen. Sie muss das angefochtene Urteil bezeichnen.

Einkommensteuergesetz - EStG | § 32 Kinder, Freibeträge für Kinder


(1) Kinder sind1.im ersten Grad mit dem Steuerpflichtigen verwandte Kinder,2.Pflegekinder (Personen, mit denen der Steuerpflichtige durch ein familienähnliches, auf längere Dauer berechnetes Band verbunden ist, sofern er sie nicht zu Erwerbszwecken i

Referenzen - Urteile

Bundesfinanzhof Beschluss, 31. Mai 2010 - III B 38/10 zitiert oder wird zitiert von 1 Urteil(en).

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Bundesfinanzhof Urteil, 20. Mai 2010 - III R 4/10

bei uns veröffentlicht am 20.05.2010

Tatbestand 1 I. Der Sohn der Klägerin und Revisionsbeklagten (Klägerin) vollendete im November 2008 sein 25. Lebensjahr. Nach dem Abitur im Sommer 2003 hatte er vom 4. A

Referenzen

(1) Die Nichtzulassung der Revision kann durch Beschwerde angefochten werden.

(2) Die Beschwerde ist innerhalb eines Monats nach Zustellung des vollständigen Urteils bei dem Bundesfinanzhof einzulegen. Sie muss das angefochtene Urteil bezeichnen. Der Beschwerdeschrift soll eine Ausfertigung oder Abschrift des Urteils, gegen das Revision eingelegt werden soll, beigefügt werden. Satz 3 gilt nicht im Falle der elektronischen Beschwerdeeinlegung.

(3) Die Beschwerde ist innerhalb von zwei Monaten nach der Zustellung des vollständigen Urteils zu begründen. Die Begründung ist bei dem Bundesfinanzhof einzureichen. In der Begründung müssen die Voraussetzungen des § 115 Abs. 2 dargelegt werden. Die Begründungsfrist kann von dem Vorsitzenden auf einen vor ihrem Ablauf gestellten Antrag um einen weiteren Monat verlängert werden.

(4) Die Einlegung der Beschwerde hemmt die Rechtskraft des Urteils.

(5) Der Bundesfinanzhof entscheidet über die Beschwerde durch Beschluss. Der Beschluss soll kurz begründet werden; von einer Begründung kann abgesehen werden, wenn sie nicht geeignet ist, zur Klärung der Voraussetzungen beizutragen, unter denen eine Revision zuzulassen ist, oder wenn der Beschwerde stattgegeben wird. Mit der Ablehnung der Beschwerde durch den Bundesfinanzhof wird das Urteil rechtskräftig.

(6) Liegen die Voraussetzungen des § 115 Abs. 2 Nr. 3 vor, kann der Bundesfinanzhof in dem Beschluss das angefochtene Urteil aufheben und den Rechtsstreit zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung zurückverweisen.

(7) Wird der Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision stattgegeben, so wird das Beschwerdeverfahren als Revisionsverfahren fortgesetzt, wenn nicht der Bundesfinanzhof das angefochtene Urteil nach Absatz 6 aufhebt; der Einlegung einer Revision durch den Beschwerdeführer bedarf es nicht. Mit der Zustellung der Entscheidung beginnt für den Beschwerdeführer die Revisionsbegründungsfrist, für die übrigen Beteiligten die Revisions- und die Revisionsbegründungsfrist. Auf Satz 1 und 2 ist in dem Beschluss hinzuweisen.

(1) Kinder sind

1.
im ersten Grad mit dem Steuerpflichtigen verwandte Kinder,
2.
Pflegekinder (Personen, mit denen der Steuerpflichtige durch ein familienähnliches, auf längere Dauer berechnetes Band verbunden ist, sofern er sie nicht zu Erwerbszwecken in seinen Haushalt aufgenommen hat und das Obhuts- und Pflegeverhältnis zu den Eltern nicht mehr besteht).

(2)1Besteht bei einem angenommenen Kind das Kindschaftsverhältnis zu den leiblichen Eltern weiter, ist es vorrangig als angenommenes Kind zu berücksichtigen.2Ist ein im ersten Grad mit dem Steuerpflichtigen verwandtes Kind zugleich ein Pflegekind, ist es vorrangig als Pflegekind zu berücksichtigen.

(3) Ein Kind wird in dem Kalendermonat, in dem es lebend geboren wurde, und in jedem folgenden Kalendermonat, zu dessen Beginn es das 18. Lebensjahr noch nicht vollendet hat, berücksichtigt.

(4)1Ein Kind, das das 18. Lebensjahr vollendet hat, wird berücksichtigt, wenn es

1.
noch nicht das 21. Lebensjahr vollendet hat, nicht in einem Beschäftigungsverhältnis steht und bei einer Agentur für Arbeit im Inland als Arbeitsuchender gemeldet ist oder
2.
noch nicht das 25. Lebensjahr vollendet hat und
a)
für einen Beruf ausgebildet wird oder
b)
sich in einer Übergangszeit von höchstens vier Monaten befindet, die zwischen zwei Ausbildungsabschnitten oder zwischen einem Ausbildungsabschnitt und der Ableistung des gesetzlichen Wehr- oder Zivildienstes, einer vom Wehr- oder Zivildienst befreienden Tätigkeit als Entwicklungshelfer oder als Dienstleistender im Ausland nach § 14b des Zivildienstgesetzes oder der Ableistung des freiwilligen Wehrdienstes nach § 58b des Soldatengesetzes oder der Ableistung eines freiwilligen Dienstes im Sinne des Buchstaben d liegt, oder
c)
eine Berufsausbildung mangels Ausbildungsplatzes nicht beginnen oder fortsetzen kann oder
d)
einen der folgenden freiwilligen Dienste leistet:
aa)
ein freiwilliges soziales Jahr im Sinne des Jugendfreiwilligendienstegesetzes,
bb)
ein freiwilliges ökologisches Jahr im Sinne des Jugendfreiwilligendienstegesetzes,
cc)
einen Bundesfreiwilligendienst im Sinne des Bundesfreiwilligendienstgesetzes,
dd)
eine Freiwilligentätigkeit im Rahmen des Europäischen Solidaritätskorps im Sinne der Verordnung (EU) 2021/888 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 20. Mai 2021 zur Aufstellung des Programms für das Europäische Solidaritätskorps und zur Aufhebung der Verordnungen (EU) 2018/1475 und (EU) Nr. 375/2014 (ABl. L 202 vom 8.6.2021, S. 32),
ee)
einen anderen Dienst im Ausland im Sinne von § 5 des Bundesfreiwilligendienstgesetzes,
ff)
einen entwicklungspolitischen Freiwilligendienst „weltwärts“ im Sinne der Förderleitlinie des Bundesministeriums für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung vom 1. Januar 2016,
gg)
einen Freiwilligendienst aller Generationen im Sinne von § 2 Absatz 1a des Siebten Buches Sozialgesetzbuch oder
hh)
einen Internationalen Jugendfreiwilligendienst im Sinne der Richtlinie des Bundesministeriums für Familie, Senioren, Frauen und Jugend vom 4. Januar 2021 (GMBl S. 77) oder
3.
wegen körperlicher, geistiger oder seelischer Behinderung außerstande ist, sich selbst zu unterhalten; Voraussetzung ist, dass die Behinderung vor Vollendung des 25. Lebensjahres eingetreten ist.
2Nach Abschluss einer erstmaligen Berufsausbildung oder eines Erststudiums wird ein Kind in den Fällen des Satzes 1 Nummer 2 nur berücksichtigt, wenn das Kind keiner Erwerbstätigkeit nachgeht.3Eine Erwerbstätigkeit mit bis zu 20 Stunden regelmäßiger wöchentlicher Arbeitszeit, ein Ausbildungsdienstverhältnis oder ein geringfügiges Beschäftigungsverhältnis im Sinne der §§ 8 und 8a des Vierten Buches Sozialgesetzbuch sind unschädlich.

(5)1In den Fällen des Absatzes 4 Satz 1 Nummer 1 oder Nummer 2 Buchstabe a und b wird ein Kind, das

1.
den gesetzlichen Grundwehrdienst oder Zivildienst geleistet hat, oder
2.
sich anstelle des gesetzlichen Grundwehrdienstes freiwillig für die Dauer von nicht mehr als drei Jahren zum Wehrdienst verpflichtet hat, oder
3.
eine vom gesetzlichen Grundwehrdienst oder Zivildienst befreiende Tätigkeit als Entwicklungshelfer im Sinne des § 1 Absatz 1 des Entwicklungshelfer-Gesetzes ausgeübt hat,
für einen der Dauer dieser Dienste oder der Tätigkeit entsprechenden Zeitraum, höchstens für die Dauer des inländischen gesetzlichen Grundwehrdienstes oder bei anerkannten Kriegsdienstverweigerern für die Dauer des inländischen gesetzlichen Zivildienstes über das 21. oder 25. Lebensjahr hinaus berücksichtigt.2Wird der gesetzliche Grundwehrdienst oder Zivildienst in einem Mitgliedstaat der Europäischen Union oder einem Staat, auf den das Abkommen über den Europäischen Wirtschaftsraum Anwendung findet, geleistet, so ist die Dauer dieses Dienstes maßgebend.3Absatz 4 Satz 2 und 3 gilt entsprechend.

(6)1Bei der Veranlagung zur Einkommensteuer wird für jedes zu berücksichtigende Kind des Steuerpflichtigen ein Freibetrag von 3 012 Euro für das sächliche Existenzminimum des Kindes (Kinderfreibetrag) sowie ein Freibetrag von 1 464 Euro für den Betreuungs- und Erziehungs- oder Ausbildungsbedarf des Kindes vom Einkommen abgezogen.2Bei Ehegatten, die nach den §§ 26, 26b zusammen zur Einkommensteuer veranlagt werden, verdoppeln sich die Beträge nach Satz 1, wenn das Kind zu beiden Ehegatten in einem Kindschaftsverhältnis steht.3Die Beträge nach Satz 2 stehen dem Steuerpflichtigen auch dann zu, wenn

1.
der andere Elternteil verstorben oder nicht unbeschränkt einkommensteuerpflichtig ist oder
2.
der Steuerpflichtige allein das Kind angenommen hat oder das Kind nur zu ihm in einem Pflegekindschaftsverhältnis steht.
4Für ein nicht nach § 1 Absatz 1 oder 2 unbeschränkt einkommensteuerpflichtiges Kind können die Beträge nach den Sätzen 1 bis 3 nur abgezogen werden, soweit sie nach den Verhältnissen seines Wohnsitzstaates notwendig und angemessen sind.5Für jeden Kalendermonat, in dem die Voraussetzungen für einen Freibetrag nach den Sätzen 1 bis 4 nicht vorliegen, ermäßigen sich die dort genannten Beträge um ein Zwölftel.6Abweichend von Satz 1 wird bei einem unbeschränkt einkommensteuerpflichtigen Elternpaar, bei dem die Voraussetzungen des § 26 Absatz 1 Satz 1 nicht vorliegen, auf Antrag eines Elternteils der dem anderen Elternteil zustehende Kinderfreibetrag auf ihn übertragen, wenn er, nicht jedoch der andere Elternteil, seiner Unterhaltspflicht gegenüber dem Kind für das Kalenderjahr im Wesentlichen nachkommt oder der andere Elternteil mangels Leistungsfähigkeit nicht unterhaltspflichtig ist; die Übertragung des Kinderfreibetrags führt stets auch zur Übertragung des Freibetrags für den Betreuungs- und Erziehungs- oder Ausbildungsbedarf.7Eine Übertragung nach Satz 6 scheidet für Zeiträume aus, für die Unterhaltsleistungen nach dem Unterhaltsvorschussgesetz gezahlt werden.8Bei minderjährigen Kindern wird der dem Elternteil, in dessen Wohnung das Kind nicht gemeldet ist, zustehende Freibetrag für den Betreuungs- und Erziehungs- oder Ausbildungsbedarf auf Antrag des anderen Elternteils auf diesen übertragen, wenn bei dem Elternpaar die Voraussetzungen des § 26 Absatz 1 Satz 1 nicht vorliegen.9Eine Übertragung nach Satz 8 scheidet aus, wenn der Übertragung widersprochen wird, weil der Elternteil, bei dem das Kind nicht gemeldet ist, Kinderbetreuungskosten trägt oder das Kind regelmäßig in einem nicht unwesentlichen Umfang betreut.10Die den Eltern nach den Sätzen 1 bis 9 zustehenden Freibeträge können auf Antrag auch auf einen Stiefelternteil oder Großelternteil übertragen werden, wenn dieser das Kind in seinen Haushalt aufgenommen hat oder dieser einer Unterhaltspflicht gegenüber dem Kind unterliegt.11Die Übertragung nach Satz 10 kann auch mit Zustimmung des berechtigten Elternteils erfolgen, die nur für künftige Kalenderjahre widerrufen werden kann.12Voraussetzung für die Berücksichtigung des Kinderfreibetrags sowie des Freibetrags für den Betreuungs- und Erziehungs- oder Ausbildungsbedarf des Kindes ist die Identifizierung des Kindes durch die an dieses Kind vergebene Identifikationsnummer (§ 139b der Abgabenordnung).13Ist das Kind nicht nach einem Steuergesetz steuerpflichtig (§ 139a Absatz 2 der Abgabenordnung), ist es in anderer geeigneter Weise zu identifizieren.14Die nachträgliche Identifizierung oder nachträgliche Vergabe der Identifikationsnummer wirkt auf Monate zurück, in denen die übrigen Voraussetzungen für die Gewährung des Kinderfreibetrags sowie des Freibetrags für den Betreuungs- und Erziehungs- oder Ausbildungsbedarf des Kindes vorliegen.

(1) Gegen das Urteil des Finanzgerichts (§ 36 Nr. 1) steht den Beteiligten die Revision an den Bundesfinanzhof zu, wenn das Finanzgericht oder auf Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Bundesfinanzhof sie zugelassen hat.

(2) Die Revision ist nur zuzulassen, wenn

1.
die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat,
2.
die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Bundesfinanzhofs erfordert oder
3.
ein Verfahrensmangel geltend gemacht wird und vorliegt, auf dem die Entscheidung beruhen kann.

(3) Der Bundesfinanzhof ist an die Zulassung gebunden.

Tatbestand

1

I. Der Sohn der Klägerin und Revisionsbeklagten (Klägerin) vollendete im November 2008 sein 25. Lebensjahr. Nach dem Abitur im Sommer 2003 hatte er vom 4. August 2003 bis zum 31. Mai 2004 Zivildienst geleistet und zum Wintersemester 2004 mit dem Medizinstudium begonnen, das im September 2009 noch nicht abgeschlossen war.

2

Die Beklagte und Revisionsklägerin (Familienkasse) hob die Festsetzung des Kindergeldes ab September 2009 nach § 70 Abs. 2 des Einkommensteuergesetzes (EStG) auf, weil im Jahr 2003 Kindergeld bis einschließlich August 2003 --dem Monat des Dienstantritts-- gezahlt worden war; damit sei ein Monat des Zivildienstes bereits abgegolten. Als Verlängerungstatbestand gemäß § 32 Abs. 5 EStG berücksichtigte die Familienkasse mithin nur die neun Monate des Dienstes ohne Kindergeldbezug und nicht die zehn Monate, die der Dienst gedauert hatte. Der Einspruch wurde als unbegründet zurückgewiesen.

3

Das Finanzgericht (FG) gab der auf Gewährung von Kindergeld für September 2009 gerichteten Klage --gegen die Regelung in der Dienstanweisung zur Durchführung des Familienleistungsausgleichs nach dem X. Abschnitt des Einkommensteuergesetzes (DA-FamEStG) 63.5 Abs. 3 (BStBl I 2009, 1029, 1086)-- unter Hinweis auf das Senatsurteil vom 27. August 2008 III R 88/07 (BFH/NV 2009, 132) statt.

4

Die Familienkasse trägt zur Begründung ihrer Revision vor, das im BStBl II nicht veröffentlichte Senatsurteil in BFH/NV 2009, 132 betreffe eine Verlängerung wegen des Grundwehrdienstes und nicht --wie im Streitfall-- des Zivildienstes. Es berücksichtige auch nicht, dass Zivildienstleistende staatliche Leistungen bezögen und die kindergeldberechtigten Eltern daher auch im Monat des Dienstantritts nicht mit Unterhaltsansprüchen belastet seien. Die doppelte Berücksichtigung eines Monats würde zu einer Ungleichbehandlung mit den Kindern führen, die ihren Dienst bereits am Monatsersten anträten oder keinen Dienst leisteten.

5

Die Familienkasse beantragt, das FG-Urteil aufzuheben und die Klage abzuweisen.

6

Die Klägerin beantragt, die Revision zurückzuweisen.

Entscheidungsgründe

7

II. Die Revision ist unbegründet und deshalb zurückzuweisen (§ 126 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung --FGO--). Der Senat hält an seiner Auffassung fest (Senatsurteil in BFH/NV 2009, 132), dass der Verlängerungszeitraum nach § 32 Abs. 5 Satz 1 EStG auch dann der Dienstzeit entspricht, wenn der Dienst nicht am Monatsersten angetreten wurde und daher im ersten Monat des Dienstes noch Kindergeld bezogen wurde. Der Klägerin steht daher für September 2009 noch Kindergeld zu.

8

1. Nach §§ 62, 63 Abs. 1 Satz 2 i.V.m. § 32 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 Buchst. a EStG wird für ein Kind, das sich in Berufsausbildung befindet, Kindergeld grundsätzlich nur bis zur Vollendung des 25. Lebensjahres gewährt. Über diese Altersgrenze hinaus wird ein Kind gemäß § 32 Abs. 5 Satz 1 Nr. 1 EStG ausnahmsweise dann berücksichtigt, wenn es den gesetzlichen Grundwehrdienst oder den Zivildienst geleistet hat. Der Endzeitpunkt für die Gewährung des Kindergeldes wird dann um einen der Dauer des geleisteten Dienstes entsprechenden Zeitraum hinausgeschoben. Eine Beschränkung dieser Verlängerung auf Dienstmonate, in denen kein Kindergeld gewährt wurde, ist dem Gesetzeswortlaut ebenso wenig zu entnehmen wie eine der "Doppelberücksichtigung" von Dienstmonaten entgegenstehende, in Monaten bemessene, maximale Bezugsdauer.

9

2. Nach dem Wortlaut des § 32 Abs. 5 Satz 1 Nr. 1 EStG besteht der von der Klägerin geltend gemachte Anspruch auf Kindergeld im Monat September 2009, da ihr Sohn im November 2008 sein 25. Lebensjahr vollendet, zehn Monate Zivildienst geleistet hatte und noch studierte.

10

3. Eine einschränkende Auslegung des § 32 Abs. 5 Satz 1 Nr. 1 EStG ist nicht geboten. Der Verlängerungszeitraum ist nicht zu kürzen, wenn der Zivildienst nicht am Monatsersten angetreten und deshalb im Monat des Dienstantritts noch Kindergeld bezogen wurde.

11

a) Die Verwaltung ist der Auffassung, die Berücksichtigung eines Kindes verlängere sich um die in dem jeweiligen Verpflichtungsgesetz geforderte Dauer des Dienstes (DA-FamEStG 63.5 Abs. 4); als Verlängerungstatbestand könnten aber nur diejenigen nach Vollendung des 18. Lebensjahres geleisteten Monate des Dienstes berücksichtigt werden, in denen nicht bereits nach § 32 Abs. 4 Satz 1 EStG ein Kindergeldanspruch bestanden habe (DA-FamEStG 63.5 Abs. 3; R 32.11 der Einkommensteuer-Richtlinien 2008). Diese Auffassung steht im Widerspruch zum Wortlaut des § 32 Abs. 5 Satz 1 EStG. Zudem berücksichtigt sie nicht, dass der durch § 32 Abs. 5 Satz 1 Nr. 1 EStG auszugleichende Nachteil der kindergeldberechtigten Eltern auch darin liegt, dass sich der Ausbildungsabschluss des Kindes und die --typisierend zu unterstellende-- Belastung mit Unterhaltsansprüchen um die Dauer des gesamten Dienstes verzögert und dass dieser Nachteil nicht durch die --im Streitfall sechs Jahre zurückliegende-- Gewährung von Kindergeld im Monat des Dienstantritts ausgeglichen wird.

12

b) Kindergeld wird somit für in Ausbildung befindliche Kinder bis zum selben Alter gewährt, unabhängig davon, ob ihr Dienst am Monatsersten oder erst einige Tage später begonnen hatte. Kinder, die ihren Dienst nicht am Monatsersten angetreten haben und im ersten Dienstmonat noch gemäß § 32 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 Buchst. b oder Buchst. c EStG berücksichtigt wurden, werden demnach zwar insgesamt einen Monat mehr gefördert. Dies ist indessen eine Folge des grob typisierenden Monatsprinzips, das eine Kürzung nur dann erlaubt, wenn die Anspruchsvoraussetzungen an keinem Tag des Monats vorliegen.

13

c) Der Bundesfinanzhof (BFH) hat mit Urteil vom 14. Oktober 2002 VIII R 68/01 (BFH/NV 2003, 460) entschieden, dass der nach § 32 Abs. 5 Satz 1 Nr. 1 EStG verlängerte Zeitraum für den Bezug von Kindergeld zu begrenzen ist, wenn ein Teil des Verlängerungstatbestandes sich bereits nach Vollendung des 21. Lebensjahres ausgewirkt hatte; dann könne nur noch die Differenz zum gesetzlichen Grundwehr- oder Zivildienst als Verlängerungstatbestand berücksichtigt werden. Anderenfalls käme es zu einer doppelten Berücksichtigung der bereits "verbrauchten" Monate des Verlängerungstatbestandes. Eine derartige "doppelte" Berücksichtigung der Zivildienstzeit als Verlängerungstatbestand tritt aber nicht ein, wenn für den Monat des Dienstantritts noch Kindergeld gewährt wird.

14

d) Nicht zu entscheiden ist im Streitfall, ob der Verlängerungszeitraum des § 32 Abs. 5 Satz 1 EStG zu begrenzen wäre, wenn ein Kind während der Dienstzeit weiterhin berücksichtigt wird, weil es gleichzeitig den Dienst leistet und eine Ausbildung betreibt (ebenfalls offen gelassen in den BFH-Urteilen vom 14. Mai 2002 VIII R 61/01, BFHE 199, 210, BStBl II 2002, 807, und in BFH/NV 2009, 132).

15

Vorliegend beruhte die Kindergeldgewährung im August 2003 nicht darauf, dass der Sohn der Klägerin seine Ausbildung während des Zivildienstes fortsetzte, sondern darauf, dass er den Dienst wegen des davorliegenden Wochenendes erst am Montag, den 4. August 2003, anzutreten hatte und sich deshalb vom 1. bis 3. August 2003 formal noch in der Übergangszeit zwischen einem Ausbildungsabschnitt --Gymnasium-- und dem Zivildienst befand (§ 32 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 Buchst. b EStG).