Bundesfinanzhof Urteil, 20. Sept. 2016 - VII R 10/15

ECLI:ECLI:DE:BFH:2016:U.200916.VIIR10.15.0
bei uns veröffentlicht am20.09.2016

Tenor

Die Revision des Finanzamts gegen das Urteil des Finanzgerichts Köln vom 25. Februar 2015 3 K 769/11 wird als unbegründet zurückgewiesen.

Die Kosten des Revisionsverfahrens hat das Finanzamt zu tragen.

Tatbestand

1

I. Mit Beschluss des Amtsgerichts (AG) wurde am 1. Juli 2008 das Verbraucherinsolvenzverfahren über das Vermögen des D (Insolvenzschuldner) eröffnet und die Klägerin und Revisionsbeklagte (Klägerin) zur Treuhänderin bestellt. Mit Beschluss vom 5. Mai 2010 wurde dem Insolvenzschuldner die Restschuldbefreiung angekündigt und die Klägerin weiterhin als Treuhänderin bestätigt. Mit Beschluss vom 22. Juni 2010 hob das AG das Insolvenzverfahren über das Vermögen des Insolvenzschuldners mangels einer zu verteilenden Masse ohne Schlussverteilung auf. In dem Beschluss heißt es weiter: "Hinsichtlich etwaiger -auf die Dauer des Insolvenzverfahrens entfallender- Steuererstattungsansprüche wird die Nachtragsverteilung angeordnet (§ 203 Abs. 1 InsO)."

2

Im Einkommensteuerbescheid vom 13. Dezember 2010 für den Veranlagungszeitraum 2009 errechnete der Beklagte und Revisionskläger (das Finanzamt --FA--) einen anteiligen Erstattungsanspruch des Insolvenzschuldners in Höhe von insgesamt 349,01 € (Einkommensteuer, Solidaritätszuschlag und Kirchensteuer). Diesen Betrag zahlte das FA dem Insolvenzschuldner und teilte dies der Klägerin mit Schreiben vom 16. Dezember 2010 mit.

3

Nachdem die Klägerin das FA mit Schreiben vom 30. Dezember 2010 zur Auszahlung des Steuererstattungsbetrags auf das Treuhandkonto aufgefordert hatte, weil aufgrund der angeordneten Nachtragsverteilung dieser Betrag nicht mit schuldbefreiender Wirkung dem Insolvenzschuldner habe gezahlt werden können, erließ das FA unter dem 6. Januar 2011 einen Abrechnungsbescheid. Darin wies es den Einkommensteuererstattungsanspruch aus und stellte fest, dieser sei durch die Zahlung an den Insolvenzschuldner erloschen. Der Nachtragsverteilungsbeschluss des AG sei nicht hinreichend bestimmt, da weder die Steuerart noch der Zeitraum angegeben seien. Die Steuer habe daher mit schuldbefreiender Wirkung nur dem Insolvenzschuldner und nicht der Masse erstattet werden können.

4

Dagegen legte die Klägerin Einspruch ein, den das FA mit Einspruchsentscheidung vom 8. Februar 2011 zurückwies.

5

Das Finanzgericht (FG) urteilte, der Nachtragsverteilungsbeschluss des AG sei hinreichend bestimmt und der Einkommensteuererstattungsanspruch des Insolvenzschuldners für den Veranlagungszeitraum 2009 habe daher dem Insolvenzbeschlag unterlegen.

6

Das Urteil ist in Entscheidungen der Finanzgerichte (EFG) 2015, 1339 veröffentlicht.

7

Das FA begründet seine Revision im Wesentlichen dahin, die Auskehrung eines Steuererstattungsanspruchs an die Insolvenzmasse setze eine dem Insolvenzverwalter bzw. Treuhänder wirksam bekannt gegebene Steuerfestsetzung voraus, aus der sich der Erstattungsanspruch ergebe. Im Streitfall sei jedoch der Klägerin als Treuhänderin über das Vermögen des Insolvenzschuldners ein Einkommensteuerbescheid für 2009 nicht bekannt gegeben worden. Die Klägerin sei durch den Abrechnungsbescheid auch nicht beschwert. Denn im Rahmen eines Antrags auf Steuerfestsetzung wäre darüber zu entscheiden gewesen, ob der Insolvenzbeschlag für Einkommensteuererstattungsansprüche durch den Nachtragsverteilungsbeschluss fortbestanden hätte mit der Folge, dass der Einkommensteuerbescheid 2009 der Klägerin als Treuhänderin hätte bekannt gegeben werden müssen. Die Prüfung des Nachtragsverteilungsbeschlusses sei daher ausschließlich dem Steuerfestsetzungsverfahren vorbehalten. Jedenfalls sei im Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung hinsichtlich des streitigen Steueranspruchs bereits Festsetzungsverjährung eingetreten.

8

Abgesehen davon sei der Nachtragsverteilungsbeschluss zu unbestimmt und habe für den Einkommensteuererstattungsanspruch 2009 keine Fortdauer des Insolvenzbeschlags bewirkt. Für die hinreichende Bestimmtheit eines für Steuererstattungsansprüche geltenden Nachtragsverteilungsbeschlusses seien Angaben zur Steuerart unverzichtbar.

9

Die Klägerin trägt vor, sie sei klagebefugt und durch den Abrechnungsbescheid beschwert. Dieser sei ihr zugestellt worden, und das FA habe damit verbindlich eine Aussage über den nach dortiger Auffassung erloschenen Auszahlungsanspruch getroffen.

10

Weiterhin sei der Beschluss des Insolvenzgerichts hinreichend bestimmt. Bei einer natürlichen Person kämen nur in sehr begrenztem Umfang erstattungsfähige Steuern in Betracht. Es sei nicht nachvollziehbar, wo die Schwierigkeit der zeitlichen Einordnung der der Nachtragsverteilung unterliegenden Steuererstattung liege. Praktikabilitätsgesichtspunkte oder die Koordination von Arbeitsabläufen führten nicht zu einer Unwirksamkeit einer gerichtlichen Anordnung.

Entscheidungsgründe

11

II. Die Revision ist unbegründet und daher zurückzuweisen (§ 126 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung --FGO--). Das erstinstanzliche Urteil entspricht Bundesrecht (§ 118 Abs. 1 Satz 1 FGO). Das FA hat gegenüber dem Insolvenzschuldner nicht mit befreiender Wirkung leisten können, weil dessen Einkommensteuererstattungsanspruch für den Veranlagungszeitraum 2009 der Nachtragsverteilung unterlag.

12

1. Das FA war gemäß § 218 Abs. 2 der Abgabenordnung (AO) zum Erlass eines Abrechnungsbescheids über den Streit zwischen den Beteiligten hinsichtlich der Frage berechtigt, ob der Anspruch auf Erstattung von Einkommensteuer für 2009 durch Zahlung erloschen ist. Da die Klägerin die Auffassung vertritt, den Einkommensteuererstattungsanspruch infolge einer wirksamen Nachtragsverteilung als Treuhänderin der Insolvenzmasse zuführen zu können, und das FA die Wirksamkeit der Nachtragsverteilung bezweifelt, konnte es über den insofern entstandenen Streit durch Abrechnungsbescheid nach § 218 Abs. 2 AO entscheiden (vgl. zur Pfändung Senatsurteil vom 12. Juli 2001 VII R 19, 20/00, BFHE 195, 516, BStBl II 2002, 67; vgl. auch Senatsurteil vom 28. Februar 2012 VII R 36/11, BFHE 236, 202, BStBl II 2012, 451). Denn die Klägerin ist auch nach Aufhebung des Insolvenzverfahrens weiterhin am Steuererhebungsverfahren beteiligt, soweit die Zugehörigkeit nachträglich entstandener Ansprüche aus dem Steuerschuldverhältnis zur Insolvenzmasse im Streit ist (vgl. Senatsurteil in BFHE 236, 202, BStBl II 2012, 451).

13

Ein unzulässiger Eingriff in die Befugnis des AG liegt darin nicht; denn das FG stellt mit seiner Entscheidung nicht die Rechtmäßigkeit des Beschlusses in Frage, sondern klärt durch hoheitliche Entscheidung lediglich dessen Rechtswirkungen (vgl. zur Reichweite eines Pfändungsbeschlusses Senatsurteil in BFHE 195, 516, BStBl II 2002, 67).

14

2. Die Klägerin ist als Adressatin des Abrechnungsbescheids klagebefugt.

15

Nach § 80 Abs. 1 der Insolvenzordnung (InsO) verliert der Schuldner mit der Eröffnung des Insolvenzverfahrens die Befugnis, sein zur Insolvenzmasse gehörendes Vermögen zu verwalten und über dasselbe zu verfügen. Gleichzeitig geht das Verwaltungs- und Verfügungsrecht auf den Insolvenzverwalter über. Mit dem Verwaltungs- und Verfügungsrecht erhält der Insolvenzverwalter die Befugnis, die Insolvenzmasse betreffende Prozesse zu führen. Im Prozess hat der Insolvenzverwalter kraft gesetzlicher Prozessstandschaft die uneingeschränkte Prozessführungsbefugnis unter Ausschluss des Schuldners. Der Schuldner ist nicht prozessführungsbefugt (Beschluss des Bundesfinanzhofs --BFH-- vom 26. Juli 2004 X R 30/04, BFH/NV 2004, 1547, m.w.N.; BFH-Urteil vom 6. Juli 2011 II R 34/10, BFH/NV 2012, 10). Im vereinfachten Insolvenzverfahren (§§ 311 ff. InsO) nimmt nach § 313 Abs. 1 Satz 1 InsO der Treuhänder (§ 292 InsO) die Aufgaben des Insolvenzverwalters wahr (vgl. auch Beschluss des Bundesgerichtshofs --BGH-- vom 20. März 2003 IX ZB 388/02, Wertpapier-Mitteilungen --WM-- 2003, 980, unter V.2.d). Mit der Beendigung des Insolvenzverfahrens entfällt neben der Verwaltungs- und Verfügungsbefugnis die Prozessführungsbefugnis des Insolvenzverwalters (vgl. BGH-Urteil vom 10. Dezember 2009 IX ZR 206/08, Zeitschrift für Wirtschaftsrecht und Insolvenzpraxis --ZIP-- 2010, 102).

16

Wird das Insolvenzverfahren nach der Schlussverteilung aufgehoben (§ 200 Abs. 1 InsO), jedoch eine Nachtragsverteilung angeordnet (§ 203 Abs. 1, 2 InsO), bleibt der Insolvenzverwalter ausnahmsweise befugt, anhängige Prozesse fortzusetzen und neue einzuleiten, mit denen die der Nachtragsverteilung vorbehaltenen Masseaktiva realisiert werden sollen (BGH-Urteil in ZIP 2010, 102). Denn mit der Anordnung der Nachtragsverteilung tritt eine erneute Insolvenzbeschlagnahme ein (vgl. BGH-Beschluss vom 12. Januar 2006 IX ZB 239/04, ZIP 2006, 340, unter III.3.). Die Anordnung einer Nachtragsverteilung ist auch im Verbraucherinsolvenzverfahren möglich (BGH-Beschlüsse vom 1. Dezember 2005 IX ZB 17/04, ZIP 2006, 143, und vom 2. Dezember 2010 IX ZB 184/09, ZIP 2011, 135; vgl. auch BFH-Urteil in BFH/NV 2012, 10).

17

3. Der Einkommensteuererstattungsanspruch des Insolvenzschuldners für den Veranlagungszeitraum 2009 wird von der Anordnung der Nachtragsverteilung mit Beschluss des AG vom 22. Juni 2010 erfasst, weshalb der Steuererstattungsanspruch nicht gemäß § 47 AO mit der Zahlung an den Insolvenzschuldner erloschen ist.

18

a) Zur Insolvenzmasse, über die der Insolvenzschuldner gemäß § 80 InsO kein Verwaltungs- und Verfügungsrecht hat, gehört nach § 35 Abs. 1 InsO das gesamte Vermögen, das dem Schuldner zur Zeit der Eröffnung des Insolvenzverfahrens gehört und das er während des Verfahrens erlangt. Dabei kommt es nach ständiger Rechtsprechung des erkennenden Senats sowie des BGH hinsichtlich der Zugehörigkeit von Ansprüchen zur Insolvenzmasse nicht auf den Zeitpunkt der Vollrechtsentstehung an, sondern auf den Zeitpunkt, in dem nach insolvenzrechtlichen Grundsätzen der Rechtsgrund für den Anspruch gelegt worden ist. Ein Anspruch auf Erstattung von Einkommensteuerzahlungen gehört daher zur Insolvenzmasse, wenn der die Erstattungsforderung begründende Sachverhalt vor oder während des Insolvenzverfahrens verwirklicht worden ist (Senatsurteile in BFHE 236, 202, BStBl II 2012, 451, und vom 6. Februar 1996 VII R 116/94, BFHE 179, 547, BStBl II 1996, 557; Senatsbeschlüsse vom 7. Juni 2006 VII B 329/05, BFHE 212, 436, BStBl II 2006, 641, und vom 4. September 2008 VII B 239/07, BFH/NV 2009, 6; BGH-Beschluss vom 12. Januar 2006 IX ZB 239/04, Neue Juristische Wochenschrift --NJW-- 2006, 1127). Der Rechtsgrund für eine Erstattung von Einkommensteuer wird bereits mit der Leistung der entsprechenden Vorauszahlungen gelegt, denn bereits in diesem Zeitpunkt erlangt der Steuerpflichtige einen Anspruch auf Erstattung der Vorauszahlungen unter der aufschiebenden Bedingung, dass am Jahresende die geschuldete Einkommensteuer geringer ist als die Summe der Vorauszahlungen (Senatsurteile in BFHE 236, 202, BStBl II 2012, 451, und in BFHE 179, 547, BStBl II 1996, 557; Senatsbeschluss in BFHE 212, 436, BStBl II 2006, 641).

19

Werden erst nach der Aufhebung des Insolvenzverfahrens Ansprü-che des Schuldners ermittelt, die vor oder während des Insolvenzverfahrens in insolvenzrechtlicher Hinsicht "begründet" wurden und somit zur Insolvenzmasse gehörten, können sie Gegenstand einer Nachtragsverteilung gemäß § 203 Abs. 1 Nr. 3 InsO sein. Wird die Nachtragsverteilung angeordnet, so besteht die Insolvenzbeschlagnahme i.S. des § 80 Abs. 1 InsO fort mit der Folge, dass insoweit die Verwaltungs- und Verfügungsbefugnis weiterhin beim (früheren) Insolvenzverwalter bzw. Treuhänder liegen (vgl. Senatsurteil in BFHE 236, 202, BStBl II 2012, 451).

20

Ausgehend von dieser Rechtsprechung wurde der Rechtsgrund für den Erstattungsanspruch des Insolvenzschuldners für Einkommensteuer 2009 während des Insolvenzverfahrens gelegt, weil die Erstattungsansprüche auf vor Aufhebung des Insolvenzverfahrens geleisteten Vorauszahlungen --hier im Wege des Steuerabzugs vom Lohn-- beruhen.

21

b) Der Einkommensteuererstattungsanspruch fällt unter die Anordnung der Nachtragsverteilung durch Beschluss des AG vom 22. Juni 2010.

22

Von der Nachtragsverteilung wird nicht das gesamte Vermögen des Schuldners erfasst, sondern nur der Betrag oder Vermögensgegenstand, auf den sich die Nachtragsverteilungsanordnung bezieht (BGH-Urteil vom 22. Februar 1973 VI ZR 165/71, NJW 1973, 1198; BGH-Beschluss vom 2. Dezember 2010 IX ZB 151/09, WM 2011, 135). Wird die Nachtragsverteilung angeordnet, weil nachträglich Gegenstände der Masse ermittelt worden sind (§ 203 Abs. 1 Nr. 3 InsO), werden die betroffenen Gegenstände mit der Anordnung vom Insolvenzbeschlag erfasst. Die Verfügungsbefugnis geht vom Schuldner auf den Insolvenzverwalter über (BGH-Beschluss vom 25. Februar 2016 IX ZB 74/15, WM 2016, 558; vgl. auch BGH-Beschlüsse vom 26. Januar 2012 IX ZB 111/10, WM 2012, 366, und vom 12. Februar 2015 IX ZR 186/13, Zeitschrift für das gesamte Insolvenzrecht --ZinsO-- 2015, 634). Wegen dieser Wirkungen müssen die betroffenen Gegenstände im Anordnungsbeschluss selbst ausreichend bestimmt bezeichnet werden. Andernfalls treten die Wirkungen der Anordnung nicht ein (BGH-Beschlüsse in WM 2016, 558, und in ZinsO 2015, 634).

23

Welche Anforderungen an die Bestimmtheit einer Nachtragsverteilungsanordnung zu stellen sind und ob --wie bei der Forderungspfändung-- der Gegenstand und der Schuldgrund der Forderung anzugeben sind (vgl. BFH-Urteil vom 1. Juni 1989 V R 1/84, BFHE 157, 32, BStBl II 1990, 35), was regelmäßig die Angabe der Steuerart, für die Erstattungsansprüche bestehen sollen, einschließt (Senatsurteil vom 1. April 1999 VII R 82/98, BFHE 188, 137, BStBl II 1999, 439) ist eine Frage des Einzelfalls. Im hier zu beurteilenden Fall ist die Anordnung der Nachtragsverteilung mit Beschluss des AG vom 22. Juni 2010 hinreichend bestimmt.

24

Mit der Anordnung der Nachtragsverteilung für etwaige "auf die Dauer des Insolvenzverfahrens" entfallende Steuererstattungsansprüche steht fest, dass der Rechtsgrund für eine Erstattung während der Dauer des Insolvenzverfahrens, also in der Zeit vom 1. Juli 2008 bis zum 22. Juni 2010, gelegt worden sein muss. Der Veranlagungszeitraum für die Einkommensteuer 2009 und die daraus resultierenden Erstattungsansprüche sind in zeitlicher Hinsicht vollständig von der Anordnung der Nachtragsverteilung erfasst. Die Frage einer genaueren Abgrenzung im Fall nur teilweise vom Insolvenzbeschlag betroffener Veranlagungszeiträume stellt sich hier nicht.

25

Der amtsgerichtliche Beschluss ist auch insoweit hinreichend bestimmt, weil sich aus der Formulierung "etwaiger (...) Steuererstattungsansprüche" ergibt, dass Steuererstattungsansprüche im Zusammenhang mit allen Steuerarten von der Nachtragsverteilung erfasst sein sollen.

26

Die BFH-Rechtsprechung zur Forderungspfändung, wonach die bloße Bezeichnung der gepfändeten Forderungen als "Steuererstattungsansprüche" nicht ausreicht und die Angabe der Steuerart, für die Erstattungsansprüche bestehen sollen, zur Identifizierung und Abgrenzung der zu pfändenden Forderungen regelmäßig erforderlich ist (vgl. Senatsurteil in BFHE 188, 137, BStBl II 1999, 439; BFH-Urteil in BFHE 157, 32, BStBl II 1990, 35), ist --unabhängig davon, ob sie überhaupt auf die Anordnung der Nachtragsverteilung übertragen werden kann-- jedenfalls für den vorliegenden Fall ohne Bedeutung. Durch die hohen Anforderungen an die Bestimmtheit der Pfändung sollen Unklarheiten in der Vollstreckung bzw. eine Verwechslung der Forderung ausgeschlossen werden. Unsicherheiten bei der Identifizierung der Erstattungsansprüche bestehen hier jedoch nicht.

27

Auch die weiteren Umstände des Falls stellen die Bestimmtheit der Nachtragsverteilungsanordnung nicht in Frage. Es handelt sich um eine Verbraucherinsolvenz, bei der ausweislich des Schlussberichts vom 6. Januar 2010 nur Erstattungsansprüche aus Einkommensteuer in Betracht kommen. Erstattungsansprüche aus anderen Steuerarten sind nicht ersichtlich und allenfalls hypothetischer Natur.

28

Etwas anderes ergibt sich nicht aus dem Urteil des FG Berlin-Brandenburg vom 16. Dezember 2010  10 K 15202/09 (EFG 2011, 1307) bzw. dem im anschließenden Revisionsverfahren ergangenen Senatsurteil in BFHE 236, 202, BStBl II 2012, 451. Auch wenn es dort vor allem um die Reichweite des Vorbehalts der Nachtragsverteilung und insbesondere um die Frage ging, ob dieser bereits den Insolvenzbeschlag einer vom Vorbehalt betroffenen Forderung bewirkt oder ob es insoweit auf die Anordnung der Nachtragsverteilung ankommt, hat der Senat den Beschluss des AG, der die Nachtragsverteilung für vor und während der Dauer des Insolvenzverfahrens begründete Ansprüche auf Steuererstattungen anordnete, als hinreichend bestimmt erachtet. Der Senat hat zwar darauf hingewiesen, dass "bestimmte" Gegenstände vorbehalten sein müssen. Dies ist jedoch nicht in dem Sinne zu verstehen, dass die Steuerart im Anordnungsbeschluss zwingend genannt werden muss.

29

4. Der Abrechnungsbescheid ist auch nicht als rechtmäßig anzusehen, weil der Einkommensteuerbescheid für den Veranlagungszeitraum 2009 dem Insolvenzschuldner und nicht der Klägerin erteilt worden ist.

30

Gemäß § 122 Abs. 1 Satz 1 AO ist ein Verwaltungsakt demjenigen Beteiligten bekannt zu geben, für den er bestimmt ist oder der von ihm betroffen ist. Nach Aufhebung des Insolvenzverfahrens geht die Verwaltungs- und Verfügungsbefugnis wieder auf den Insolvenzschuldner über, weshalb nach Beendigung des Insolvenzverfahrens ergehende Steuerbescheide diesem bekannt zu geben sind. Der Insolvenzschuldner ist (dann wieder) Inhaltsadressat, weil die Festsetzung der Steuer ihm gegenüber als demjenigen, der den Steuertatbestand verwirklicht hat (§ 38 AO), wirken soll. Somit ist der festsetzende Teil des Einkommensteuerbescheids zu Recht dem ehemaligen Insolvenzschuldner gegenüber bekannt gegeben worden, weil er mit Abschluss des Insolvenzverfahrens am 22. Juni 2010 seine Verwaltungs- und Verfügungsbefugnis über sein Vermögen wiedererlangt hat.

31

Ergibt sich aus dem dem Erhebungsverfahren zuzurechnenden Abrechnungsteil des Steuerbescheids ein Erstattungsanspruch, der von der Nachtragsverteilung erfasst ist, sollte dieser auch dem Treuhänder bekannt gegeben werden. Eine Voraussetzung für die Geltendmachung des Anspruchs seitens des Treuhänders ist die Bekanntgabe jedoch nicht. Aus § 218 Abs. 1 Satz 1 AO ergibt sich nicht, dass der Steuerbescheid an die Person gerichtet sein muss, die den Abrechnungsbescheid beantragt. Vielmehr können Bescheide nach § 218 Abs. 2 AO nicht nur im unmittelbaren Verhältnis zwischen dem Finanzamt und dem Steuerpflichtigen, sondern auch bei Streitigkeiten im Verhältnis zwischen dem Finanzamt und Dritten ergehen, sofern es sich um Streitigkeiten über einen Anspruch i.S. des § 218 Abs. 2 AO handelt (Klein/Rüsken, AO, 13. Aufl., § 218 Rz 20, m.w.N.).

32

5. Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 2 FGO. Die Kostenentscheidung des FG ist nicht zu berichtigen, weil das FG der Klägerin zu Unrecht eine Änderung ihres ursprünglich auf Auszahlung gerichteten Klageantrags in einen Aufhebungsantrag nahegelegt hat. Nach ihrem erkennbaren Klagebegehren hätte sie einen Abrechnungsbescheid beantragen müssen, in dem ein Erstattungsanspruch in Höhe von 349,01 € zu ihren Gunsten ausgewiesen wird.

Urteilsbesprechung zu Bundesfinanzhof Urteil, 20. Sept. 2016 - VII R 10/15

Urteilsbesprechungen zu Bundesfinanzhof Urteil, 20. Sept. 2016 - VII R 10/15

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(1) Der unterliegende Beteiligte trägt die Kosten des Verfahrens. (2) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen demjenigen zur Last, der das Rechtsmittel eingelegt hat. (3) Dem Beigeladenen können Kosten nur auferlegt werd

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(1) Ist die Revision unzulässig, so verwirft der Bundesfinanzhof sie durch Beschluss. (2) Ist die Revision unbegründet, so weist der Bundesfinanzhof sie zurück. (3) Ist die Revision begründet, so kann der Bundesfinanzhof 1. in der Sache selbs
Bundesfinanzhof Urteil, 20. Sept. 2016 - VII R 10/15 zitiert 15 §§.

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(1) Die Revision kann nur darauf gestützt werden, dass das angefochtene Urteil auf der Verletzung von Bundesrecht beruhe. Soweit im Fall des § 33 Abs. 1 Nr. 4 die Vorschriften dieses Unterabschnitts durch Landesgesetz für anwendbar erklärt werden, ka

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(1) Ein Verwaltungsakt ist demjenigen Beteiligten bekannt zu geben, für den er bestimmt ist oder der von ihm betroffen wird. § 34 Abs. 2 ist entsprechend anzuwenden. Der Verwaltungsakt kann auch gegenüber einem Bevollmächtigten bekannt gegeben werden

Abgabenordnung - AO 1977 | § 218 Verwirklichung von Ansprüchen aus dem Steuerschuldverhältnis


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Ansprüche aus dem Steuerschuldverhältnis erlöschen insbesondere durch Zahlung (§§ 224, 224a, 225), Aufrechnung (§ 226), Erlass (§§ 163, 227), Verjährung (§§ 169 bis 171, §§ 228 bis 232), ferner durch Eintritt der Bedingung bei auflösend bedingten Ans

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Die Ansprüche aus dem Steuerschuldverhältnis entstehen, sobald der Tatbestand verwirklicht ist, an den das Gesetz die Leistungspflicht knüpft.

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Tenor Der Abrechnungsbescheid vom 6. Januar 2011 sowie die hierzu ergangene Einspruchsentscheidung vom 8. Februar 2011 werden aufgehoben. Der Beklagte trägt die Kosten des Verfahrens. Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar. Der Bekl
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Finanzgericht München Urteil, 06. März 2019 - 6 K 3063/18

bei uns veröffentlicht am 06.03.2019

Tenor Gründe I. Das Finanzamt ... setzte mit Bescheid vom … 2008 Eigenheimzulage zugunsten von Frau S für das Objekt B fest. Die Festsetzung erfolgte für die Jahre 2007 bis 2012 in Höhe von jährlich 4.45

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Tenor

Der Abrechnungsbescheid vom 6. Januar 2011 sowie die hierzu ergangene Einspruchsentscheidung vom 8. Februar 2011 werden aufgehoben.

Der Beklagte trägt die Kosten des Verfahrens.

Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar. Der Beklagte kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die Klägerin vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.

Die Revision wird zugelassen.


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(1) Auf Antrag des Insolvenzverwalters oder eines Insolvenzgläubigers oder von Amts wegen ordnet das Insolvenzgericht eine Nachtragsverteilung an, wenn nach dem Schlußtermin

1.
zurückbehaltene Beträge für die Verteilung frei werden,
2.
Beträge, die aus der Insolvenzmasse gezahlt sind, zurückfließen oder
3.
Gegenstände der Masse ermittelt werden.

(2) Die Aufhebung des Verfahrens steht der Anordnung einer Nachtragsverteilung nicht entgegen.

(3) Das Gericht kann von der Anordnung absehen und den zur Verfügung stehenden Betrag oder den ermittelten Gegenstand dem Schuldner überlassen, wenn dies mit Rücksicht auf die Geringfügigkeit des Betrags oder den geringen Wert des Gegenstands und die Kosten einer Nachtragsverteilung angemessen erscheint. Es kann die Anordnung davon abhängig machen, daß ein Geldbetrag vorgeschossen wird, der die Kosten der Nachtragsverteilung deckt.

(1) Ist die Revision unzulässig, so verwirft der Bundesfinanzhof sie durch Beschluss.

(2) Ist die Revision unbegründet, so weist der Bundesfinanzhof sie zurück.

(3) Ist die Revision begründet, so kann der Bundesfinanzhof

1.
in der Sache selbst entscheiden oder
2.
das angefochtene Urteil aufheben und die Sache zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung zurückverweisen.
Der Bundesfinanzhof verweist den Rechtsstreit zurück, wenn der in dem Revisionsverfahren nach § 123 Abs. 1 Satz 2 Beigeladene ein berechtigtes Interesse daran hat.

(4) Ergeben die Entscheidungsgründe zwar eine Verletzung des bestehenden Rechts, stellt sich die Entscheidung selbst aber aus anderen Gründen als richtig dar, so ist die Revision zurückzuweisen.

(5) Das Gericht, an das die Sache zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung zurückverwiesen ist, hat seiner Entscheidung die rechtliche Beurteilung des Bundesfinanzhofs zugrunde zu legen.

(6) Die Entscheidung über die Revision bedarf keiner Begründung, soweit der Bundesfinanzhof Rügen von Verfahrensmängeln nicht für durchgreifend erachtet. Das gilt nicht für Rügen nach § 119 und, wenn mit der Revision ausschließlich Verfahrensmängel geltend gemacht werden, für Rügen, auf denen die Zulassung der Revision beruht.

(1) Die Revision kann nur darauf gestützt werden, dass das angefochtene Urteil auf der Verletzung von Bundesrecht beruhe. Soweit im Fall des § 33 Abs. 1 Nr. 4 die Vorschriften dieses Unterabschnitts durch Landesgesetz für anwendbar erklärt werden, kann die Revision auch darauf gestützt werden, dass das angefochtene Urteil auf der Verletzung von Landesrecht beruhe.

(2) Der Bundesfinanzhof ist an die in dem angefochtenen Urteil getroffenen tatsächlichen Feststellungen gebunden, es sei denn, dass in bezug auf diese Feststellungen zulässige und begründete Revisionsgründe vorgebracht sind.

(3) Wird die Revision auf Verfahrensmängel gestützt und liegt nicht zugleich eine der Voraussetzungen des § 115 Abs. 2 Nr. 1 und 2 vor, so ist nur über die geltend gemachten Verfahrensmängel zu entscheiden. Im Übrigen ist der Bundesfinanzhof an die geltend gemachten Revisionsgründe nicht gebunden.

(1) Grundlage für die Verwirklichung von Ansprüchen aus dem Steuerschuldverhältnis (§ 37) sind die Steuerbescheide, die Steuervergütungsbescheide, die Haftungsbescheide und die Verwaltungsakte, durch die steuerliche Nebenleistungen festgesetzt werden; bei den Säumniszuschlägen genügt die Verwirklichung des gesetzlichen Tatbestands (§ 240). Die Steueranmeldungen (§ 168) stehen den Steuerbescheiden gleich.

(2) Über Streitigkeiten, die die Verwirklichung der Ansprüche im Sinne des Absatzes 1 betreffen, entscheidet die Finanzbehörde durch Abrechnungsbescheid. Dies gilt auch, wenn die Streitigkeit einen Erstattungsanspruch (§ 37 Abs. 2) betrifft.

(3) Wird eine Anrechnungsverfügung oder ein Abrechnungsbescheid auf Grund eines Rechtsbehelfs oder auf Antrag des Steuerpflichtigen oder eines Dritten zurückgenommen und in dessen Folge ein für ihn günstigerer Verwaltungsakt erlassen, können nachträglich gegenüber dem Steuerpflichtigen oder einer anderen Person die entsprechenden steuerlichen Folgerungen gezogen werden. § 174 Absatz 4 und 5 gilt entsprechend.

(1) Durch die Eröffnung des Insolvenzverfahrens geht das Recht des Schuldners, das zur Insolvenzmasse gehörende Vermögen zu verwalten und über es zu verfügen, auf den Insolvenzverwalter über.

(2) Ein gegen den Schuldner bestehendes Veräußerungsverbot, das nur den Schutz bestimmter Personen bezweckt (§§ 135, 136 des Bürgerlichen Gesetzbuchs), hat im Verfahren keine Wirkung. Die Vorschriften über die Wirkungen einer Pfändung oder einer Beschlagnahme im Wege der Zwangsvollstreckung bleiben unberührt.

(1) Der Treuhänder hat den zur Zahlung der Bezüge Verpflichteten über die Abtretung zu unterrichten. Er hat die Beträge, die er durch die Abtretung erlangt, und sonstige Leistungen des Schuldners oder Dritter von seinem Vermögen getrennt zu halten und einmal jährlich auf Grund des Schlußverzeichnisses an die Insolvenzgläubiger zu verteilen, sofern die nach § 4a gestundeten Verfahrenskosten abzüglich der Kosten für die Beiordnung eines Rechtsanwalts berichtigt sind. § 36 Abs. 1 Satz 2, Abs. 4 gilt entsprechend. Der Treuhänder kann die Verteilung längstens bis zum Ende der Abtretungsfrist aussetzen, wenn dies angesichts der Geringfügigkeit der zu verteilenden Beträge angemessen erscheint; er hat dies dem Gericht einmal jährlich unter Angabe der Höhe der erlangten Beträge mitzuteilen.

(2) Die Gläubigerversammlung kann dem Treuhänder zusätzlich die Aufgabe übertragen, die Erfüllung der Obliegenheiten des Schuldners zu überwachen. In diesem Fall hat der Treuhänder die Gläubiger unverzüglich zu benachrichtigen, wenn er einen Verstoß gegen diese Obliegenheiten feststellt. Der Treuhänder ist nur zur Überwachung verpflichtet, soweit die ihm dafür zustehende zusätzliche Vergütung gedeckt ist oder vorgeschossen wird.

(3) Der Treuhänder hat bei der Beendigung seines Amtes dem Insolvenzgericht Rechnung zu legen. Die §§ 58 und 59 gelten entsprechend, § 59 jedoch mit der Maßgabe, daß die Entlassung auch wegen anderer Entlassungsgründe als der fehlenden Unabhängigkeit von jedem Insolvenzgläubiger beantragt werden kann und daß die sofortige Beschwerde jedem Insolvenzgläubiger zusteht.

(1) Sobald die Schlußverteilung vollzogen ist, beschließt das Insolvenzgericht die Aufhebung des Insolvenzverfahrens.

(2) Der Beschluß und der Grund der Aufhebung sind öffentlich bekanntzumachen. Die §§ 31 bis 33 gelten entsprechend.

(1) Auf Antrag des Insolvenzverwalters oder eines Insolvenzgläubigers oder von Amts wegen ordnet das Insolvenzgericht eine Nachtragsverteilung an, wenn nach dem Schlußtermin

1.
zurückbehaltene Beträge für die Verteilung frei werden,
2.
Beträge, die aus der Insolvenzmasse gezahlt sind, zurückfließen oder
3.
Gegenstände der Masse ermittelt werden.

(2) Die Aufhebung des Verfahrens steht der Anordnung einer Nachtragsverteilung nicht entgegen.

(3) Das Gericht kann von der Anordnung absehen und den zur Verfügung stehenden Betrag oder den ermittelten Gegenstand dem Schuldner überlassen, wenn dies mit Rücksicht auf die Geringfügigkeit des Betrags oder den geringen Wert des Gegenstands und die Kosten einer Nachtragsverteilung angemessen erscheint. Es kann die Anordnung davon abhängig machen, daß ein Geldbetrag vorgeschossen wird, der die Kosten der Nachtragsverteilung deckt.

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
IX ZB 239/04
vom
12. Januar 2006
in dem Verbraucherinsolvenzverfahren
Nachschlagewerk: ja
BGHZ: nein

a) Der Anspruch auf Erstattung von Einkommensteuerzahlungen wird von der Abtretungserklärung
gemäß § 287 Abs. 2 Satz 1 InsO nicht erfasst (Fortführung von
BGH, ZVI 2005, 437).

b) Der Anspruch auf Erstattung von Einkommensteuerzahlungen gehört zur Insolvenzmasse
, wenn der die Erstattungsforderung begründende Sachverhalt vor oder
während des Insolvenzverfahrens verwirklicht worden ist.
BGH, Beschluss vom 12. Januar 2006 - IX ZB 239/04 - LG Aschaffenburg
AG Aschaffenburg
Der IX. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat durch den Vorsitzenden Richter
Dr. Fischer, die Richter Raebel, Vill, Cierniak und die Richterin Lohmann
am 12. Januar 2006

beschlossen:
Auf die Rechtsbeschwerde des Schuldners und die sofortige Beschwerde des Treuhänders werden der Beschluss der 4. Zivilkammer des Landgerichts Aschaffenburg vom 29. September 2004 und der Beschluss des Amtsgerichts Aschaffenburg vom 19. August 2004 aufgehoben.
Die Sache wird zur neuen Entscheidung, auch über die Kosten der Beschwerdeverfahren, an das Insolvenzgericht zurückverwiesen.
Der Gegenstandswert des Rechtsbeschwerdeverfahrens wird auf 1.022,90 € festgesetzt.
Dem Schuldner wird für das Rechtsbeschwerdeverfahren Prozesskostenhilfe ohne Ratenzahlung bewilligt und Rechtsanwalt Dr. Kummer beigeordnet.

Gründe:


I.


1
Beschluss Mit vom 24. Oktober 2001 eröffnete das Amtsgericht - Insolvenzgericht - auf Eigenantrag das vereinfachte Insolvenzverfahren über das Vermögen des Schuldners und bestellte den weiteren Beteiligten zum Treuhänder. Nach Durchführung des Schlusstermins wurde das Verfahren durch Beschluss vom 18. November 2003 aufgehoben. Zum Treuhänder im Restschuldbefreiungsverfahren wurde der bisherige Treuhänder bestimmt.
2
Für das Jahr 2003 stand dem Schuldner ein Einkommensteuererstattungsanspruch von 1.162 € zu. Diesen teilte das Finanzamt, nachdem das Insolvenzverfahren am 18. November 2003 aufgehoben worden war, anteilig auf. Den auf die Zeit vor Aufhebung des Insolvenzverfahrens entfallenden Betrag in Höhe von 1.022,90 € überwies es an die Gerichtskasse, den Restbetrag von 139,10 € an den Schuldner.
3
Beschluss Mit vom 19. August 2004 hat das Amtsgericht - Insolvenzgericht - von Amts wegen entschieden, dass auch der an die Gerichtskasse überwiesene Betrag dem Schuldner zustehe. Auf die sofortige Beschwerde des Treuhänders hat das Landgericht den Beschluss des Amtsgerichts abgeändert und festgestellt, dass der (Rest-)Anspruch auf Einkommensteuererstattung in Höhe von 1.022,90 € dem Treuhänder zustehe. Mit der vom Landgericht zugelassenen Rechtsbeschwerde begehrt der Schuldner die Wiederherstellung der erstinstanzlichen Entscheidung.

II.


4
Rechtsbeschwerde Die ist statthaft, § 574 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2, § 793 ZPO, weil sie vom Landgericht zugelassen worden ist. Hieran ist das Rechtsbeschwerdegericht gebunden, § 574 Abs. 3 Satz 2 ZPO.
5
Für die Frage, was der Treuhänder durch die Abtretung erlangt, findet gemäß § 292 Abs. 1 Satz 3 InsO die Vorschrift des § 36 Abs. 1 Satz 2, Abs. 4 InsO entsprechende Anwendung. Vorliegend geht es um die Frage, ob der Einkommensteuererstattungsanspruch pfändbares Einkommen darstellt. Dies ist in § 850 ZPO geregelt. Gemäß § 36 Abs. 4 InsO ist für die Entscheidung dieser Frage wie in den Fällen des § 89 Abs. 3 InsO das Insolvenzgericht als besonderes Vollstreckungsgericht zuständig (BGH, Beschl. v. 5. Februar 2004 - IX ZB 97/03, ZIP 2004, 732). Der Rechtsmittelzug richtet sich in diesem Fall nach den allgemeinen vollstreckungsrechtlichen Vorschriften. Deshalb war hier gemäß § 793 ZPO die sofortige Beschwerde gegeben (BGH, Beschl. v. 5. Februar 2004 aaO; v. 17. Februar 2004 - IX ZB 306/03, ZInsO 2004, 441). Der Beschluss des Insolvenzgerichts, dem eine Anhörung des Treuhänders vorausgegangen war, hatte Entscheidungscharakter (vgl. BGH, Beschl. v. 6. Mai 2004 - IX ZB 104/04, ZIP 2004, 1379).
6
Die Rechtsbeschwerde ist auch im Übrigen zulässig, § 575 Abs. 1 bis 3 ZPO.

III.


7
Die Rechtsbeschwerde hat Erfolg. Sie führt zur Aufhebung der bisherigen Entscheidungen sowie zur Zurückverweisung an das Insolvenzgericht.
8
1. Das Landgericht hat seine Entscheidung damit begründet, dass der Anspruch auf Einkommensteuererstattung für das Jahr 2003 von der Abtretungserklärung nach § 287 Abs. 2 Satz 1 InsO umfasst sei und deshalb dem Treuhänder zustehe.
9
Diese Rechtsauffassung trifft nicht zu. Wie der Senat zwischenzeitlich entschieden hat, wird der Anspruch auf Erstattung von Einkommensteuerzahlungen von der Abtretungserklärung gemäß § 287 Abs. 2 Satz 1 InsO nicht erfasst , weil er öffentlich-rechtlicher Natur ist und nicht den Charakter eines Einkommens hat, das dem Berechtigten aufgrund eines Arbeits- oder Dienstverhältnisses zusteht (BGH, Urt. v. 21. Juli 2005 - IX ZR 115/04, ZVI 2005, 437, 438).
10
2. Der streitige Betrag unterfällt damit derzeit dem Verwaltungs- und Verfügungsrecht des Schuldners. Mit der Aufhebung des Insolvenzverfahrens durch Beschluss vom 18. November 2003 hat der Schuldner dieses Recht über sein Vermögen zurückerlangt, soweit es nicht von der Abtretung nach § 287 Abs. 2 Satz 1 InsO erfasst wird. Der Anspruch auf Steuerrückerstattung war damit aus der Insolvenzbeschlagnahme entlassen (MünchKomm-InsO/Hintzen, § 200 Rn. 31, § 203 Rn. 21; Kübler/Prütting/Holzer, InsO § 200 Rn. 6 f).
11
3. Das Insolvenzgericht hätte jedoch von Amts wegen die Anordnung einer Nachtragsverteilung gemäß § 203 Abs. 1 InsO prüfen müssen. Eine sol- che Anordnung ist auch im Verbraucherinsolvenzverfahren zulässig (BGH, Beschl. v. 1. Dezember 2005 - IX ZB 17/04, z.V.b.). Diese Entscheidung wird das Insolvenzgericht nach der Zurückverweisung nachzuholen haben. Mit der Anordnung der Nachtragsverteilung tritt dann eine erneute Insolvenzbeschlagnahme ein (MünchKomm-InsO/Hintzen, § 203 Rn. 21; HK-InsO/Irschlinger, aaO § 203 Rn. 6).
12
Bei seiner Entscheidung wird das Insolvenzgericht davon auszugehen haben, dass der streitige Betrag nach dem Schlusstermin als Gegenstand der Masse ermittelt worden ist, § 203 Abs. 1 Nr. 3 InsO.
13
Nach § 35 InsO erfasst das Insolvenzverfahren das gesamte Vermögen, das dem Schuldner zur Zeit der Eröffnung des Verfahrens gehört und das er während des Verfahrens erlangt. Gegenstände, die nicht gepfändet werden können, gehören gemäß § 36 Abs. 1 Satz 1 InsO nicht zur Insolvenzmasse (vgl. BGHZ 92, 339, 340 f). Ansprüche auf Erstattung von Einkommensteuer sind jedoch gemäß § 46 Abs. 1 AO pfändbar (BGHZ 157, 195; BFHE 187, 1, 3; BFH InVo 2000, 277, 278; Uhlenbruck, InsO 12. Aufl. § 35 Rn. 68).
14
Der Anspruch auf Steuererstattung entsteht, wie die Einkommensteuerschuld , gemäß § 38 AO i.V.m. § 36 Abs. 1 EStG erst mit Ablauf des Veranlagungszeitraums. Vor diesem Zeitpunkt steht nicht fest, ob für das Kalenderjahr eine Einkommensteuer entstanden ist, die niedriger ist als die Vorauszahlungen , die der Steuerpflichtige geleistet hat (BFHE 128, 146, 147; 179, 547, 550 f). Die Steuerfestsetzung hat auf den Entstehungszeitpunkt keinen Einfluss; denn sie hat für das Steuerschuldverhältnis nur deklaratorischen Charakter (BFHE 73, 300, 301; Jaeger/Henckel, InsO § 35 Rn. 109).
15
Die Frage, welchem Vermögen Steuererstattungsansprüche zuzuordnen sind, bestimmt sich für die Zwecke des Insolvenzverfahrens nicht nach Steuerrecht , sondern nach Insolvenzrecht. Maßgebend ist danach nicht der Zeitpunkt der Vollentstehung des Rechts, sondern der Zeitpunkt, in dem nach insolvenzrechtlichen Grundsätzen der Rechtsgrund für den Anspruch gelegt worden ist (BFHE 128, 146, 147; 172, 308, 310; 179, 547, 551). Der Anspruch hängt in diesem Fall nur noch vom Zeitablauf ab (vgl. BGHZ 92, 339, 341).
16
Dieser Rechtsgrund ist hier bereits mit der Abführung der Lohnsteuer entstanden, die auf die Einkommensteuer anzurechnen ist, § 36 Abs. 2 EStG. Durch Steuerabzug erhoben im Sinne dieser Vorschrift ist auch die gemäß § 38 EStG einbehaltene und an das Finanzamt abgeführte Lohnsteuer (Ludwig Schmidt/Heinicke, EStG 24. Aufl. § 36 Rn. 5, § 38 Rn. 1).
17
Der Erstattungsanspruch stand lediglich unter der aufschiebenden Bedingung , dass am Jahresende die geschuldete Einkommensteuer geringer sein würde als die Summe der Anrechnungsbeträge, so dass sich gemäß § 36 Abs. 4 Satz 2 EStG, § 37 Abs. 2 AO ein Erstattungsbetrag ergab (vgl. BFH BStBl II 1979, 639, 640; BFHE 179, 547, 551; Tipke/Kruse, AO Stand September 2005 § 251 Rn. 102; Jaeger/Henckel, InsO § 35 Rn. 109). Die Finanzbehörde ist bereits dann etwas zur Insolvenzmasse schuldig geworden, wenn der die Erstattungsforderung begründende Sachverhalt verwirklicht worden ist (Franz Klein, AO 8. Aufl. § 251 Rn. 25; MünchKomm-InsO/Brandes, § 95 Rn. 26).
18
Der Insolvenzschuldner hat mit der Vorauszahlung eine Anwartschaft auf den am Ende des Veranlagungszeitraums entstehenden Erstattungsanspruch, so dass dieser in die Masse fällt, wenn vor Eröffnung des Insolvenzverfahrens oder während dessen Dauer der ihn begründende Sachverhalt verwirklicht ist. Derartige Steuererstattungsanspüche werden daher zu Recht allgemein als zur Insolvenzmasse gehörig angesehen (BFHE 170, 300, 301; 179, 547, 551 und ständig; AG Göttingen NZI 2001, 270, 271; AG Dortmund ZInsO 2002, 685; Jaeger/Henckel, InsO § 35 Rn. 109; Uhlenbruck, InsO § 35 Rn. 68; Kilger/ K. Schmidt, Insolvenzgesetze § 1 KO Anm. 2 B d; Kübler/Prütting/Holzer, § 35 Rn. 84; MünchKomm-InsO/Lwowski, § 35 Rn. 422; Tipke/Kruse aaO § 251 Rn. 102; Pahlke/Koenig, AO § 251 Rn. 104; Hess, InsO 2. Aufl. § 35 f Rn. 250; HK-InsO/Eickmann, 3. Aufl. § 35 Rn. 24; Nerlich/Römermann/Andres, § 35 Rn. 59; Braun/Bäuerle, InsO 2. Aufl. § 35 Rn. 70; Frotscher, Besteuerung in der Insolvenz 5. Aufl. S. 52).
19
4. Die Sache ist zur erneuten Entscheidung an das Insolvenzgericht zurückzuverweisen (§ 577 Abs. 4 ZPO; vgl. BGHZ 160, 176, 185 f).
Fischer Raebel Vill
Cierniak Lohmann
Vorinstanzen:
AG Aschaffenburg, Entscheidung vom 19.08.2004 - IK 168/01 -
LG Aschaffenburg, Entscheidung vom 29.09.2004 - 4 T 169/04 -

Ansprüche aus dem Steuerschuldverhältnis erlöschen insbesondere durch Zahlung (§§ 224, 224a, 225), Aufrechnung (§ 226), Erlass (§§ 163, 227), Verjährung (§§ 169 bis 171, §§ 228 bis 232), ferner durch Eintritt der Bedingung bei auflösend bedingten Ansprüchen.

(1) Durch die Eröffnung des Insolvenzverfahrens geht das Recht des Schuldners, das zur Insolvenzmasse gehörende Vermögen zu verwalten und über es zu verfügen, auf den Insolvenzverwalter über.

(2) Ein gegen den Schuldner bestehendes Veräußerungsverbot, das nur den Schutz bestimmter Personen bezweckt (§§ 135, 136 des Bürgerlichen Gesetzbuchs), hat im Verfahren keine Wirkung. Die Vorschriften über die Wirkungen einer Pfändung oder einer Beschlagnahme im Wege der Zwangsvollstreckung bleiben unberührt.

(1) Das Insolvenzverfahren erfaßt das gesamte Vermögen, das dem Schuldner zur Zeit der Eröffnung des Verfahrens gehört und das er während des Verfahrens erlangt (Insolvenzmasse).

(2) Übt der Schuldner eine selbstständige Tätigkeit aus oder beabsichtigt er, demnächst eine solche Tätigkeit auszuüben, hat der Insolvenzverwalter ihm gegenüber zu erklären, ob Vermögen aus der selbstständigen Tätigkeit zur Insolvenzmasse gehört und ob Ansprüche aus dieser Tätigkeit im Insolvenzverfahren geltend gemacht werden können. § 295a gilt entsprechend. Auf Antrag des Gläubigerausschusses oder, wenn ein solcher nicht bestellt ist, der Gläubigerversammlung ordnet das Insolvenzgericht die Unwirksamkeit der Erklärung an.

(3) Der Schuldner hat den Verwalter unverzüglich über die Aufnahme oder Fortführung einer selbständigen Tätigkeit zu informieren. Ersucht der Schuldner den Verwalter um die Freigabe einer solchen Tätigkeit, hat sich der Verwalter unverzüglich, spätestens nach einem Monat zu dem Ersuchen zu erklären.

(4) Die Erklärung des Insolvenzverwalters ist dem Gericht gegenüber anzuzeigen. Das Gericht hat die Erklärung und den Beschluss über ihre Unwirksamkeit öffentlich bekannt zu machen.

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
IX ZB 239/04
vom
12. Januar 2006
in dem Verbraucherinsolvenzverfahren
Nachschlagewerk: ja
BGHZ: nein

a) Der Anspruch auf Erstattung von Einkommensteuerzahlungen wird von der Abtretungserklärung
gemäß § 287 Abs. 2 Satz 1 InsO nicht erfasst (Fortführung von
BGH, ZVI 2005, 437).

b) Der Anspruch auf Erstattung von Einkommensteuerzahlungen gehört zur Insolvenzmasse
, wenn der die Erstattungsforderung begründende Sachverhalt vor oder
während des Insolvenzverfahrens verwirklicht worden ist.
BGH, Beschluss vom 12. Januar 2006 - IX ZB 239/04 - LG Aschaffenburg
AG Aschaffenburg
Der IX. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat durch den Vorsitzenden Richter
Dr. Fischer, die Richter Raebel, Vill, Cierniak und die Richterin Lohmann
am 12. Januar 2006

beschlossen:
Auf die Rechtsbeschwerde des Schuldners und die sofortige Beschwerde des Treuhänders werden der Beschluss der 4. Zivilkammer des Landgerichts Aschaffenburg vom 29. September 2004 und der Beschluss des Amtsgerichts Aschaffenburg vom 19. August 2004 aufgehoben.
Die Sache wird zur neuen Entscheidung, auch über die Kosten der Beschwerdeverfahren, an das Insolvenzgericht zurückverwiesen.
Der Gegenstandswert des Rechtsbeschwerdeverfahrens wird auf 1.022,90 € festgesetzt.
Dem Schuldner wird für das Rechtsbeschwerdeverfahren Prozesskostenhilfe ohne Ratenzahlung bewilligt und Rechtsanwalt Dr. Kummer beigeordnet.

Gründe:


I.


1
Beschluss Mit vom 24. Oktober 2001 eröffnete das Amtsgericht - Insolvenzgericht - auf Eigenantrag das vereinfachte Insolvenzverfahren über das Vermögen des Schuldners und bestellte den weiteren Beteiligten zum Treuhänder. Nach Durchführung des Schlusstermins wurde das Verfahren durch Beschluss vom 18. November 2003 aufgehoben. Zum Treuhänder im Restschuldbefreiungsverfahren wurde der bisherige Treuhänder bestimmt.
2
Für das Jahr 2003 stand dem Schuldner ein Einkommensteuererstattungsanspruch von 1.162 € zu. Diesen teilte das Finanzamt, nachdem das Insolvenzverfahren am 18. November 2003 aufgehoben worden war, anteilig auf. Den auf die Zeit vor Aufhebung des Insolvenzverfahrens entfallenden Betrag in Höhe von 1.022,90 € überwies es an die Gerichtskasse, den Restbetrag von 139,10 € an den Schuldner.
3
Beschluss Mit vom 19. August 2004 hat das Amtsgericht - Insolvenzgericht - von Amts wegen entschieden, dass auch der an die Gerichtskasse überwiesene Betrag dem Schuldner zustehe. Auf die sofortige Beschwerde des Treuhänders hat das Landgericht den Beschluss des Amtsgerichts abgeändert und festgestellt, dass der (Rest-)Anspruch auf Einkommensteuererstattung in Höhe von 1.022,90 € dem Treuhänder zustehe. Mit der vom Landgericht zugelassenen Rechtsbeschwerde begehrt der Schuldner die Wiederherstellung der erstinstanzlichen Entscheidung.

II.


4
Rechtsbeschwerde Die ist statthaft, § 574 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2, § 793 ZPO, weil sie vom Landgericht zugelassen worden ist. Hieran ist das Rechtsbeschwerdegericht gebunden, § 574 Abs. 3 Satz 2 ZPO.
5
Für die Frage, was der Treuhänder durch die Abtretung erlangt, findet gemäß § 292 Abs. 1 Satz 3 InsO die Vorschrift des § 36 Abs. 1 Satz 2, Abs. 4 InsO entsprechende Anwendung. Vorliegend geht es um die Frage, ob der Einkommensteuererstattungsanspruch pfändbares Einkommen darstellt. Dies ist in § 850 ZPO geregelt. Gemäß § 36 Abs. 4 InsO ist für die Entscheidung dieser Frage wie in den Fällen des § 89 Abs. 3 InsO das Insolvenzgericht als besonderes Vollstreckungsgericht zuständig (BGH, Beschl. v. 5. Februar 2004 - IX ZB 97/03, ZIP 2004, 732). Der Rechtsmittelzug richtet sich in diesem Fall nach den allgemeinen vollstreckungsrechtlichen Vorschriften. Deshalb war hier gemäß § 793 ZPO die sofortige Beschwerde gegeben (BGH, Beschl. v. 5. Februar 2004 aaO; v. 17. Februar 2004 - IX ZB 306/03, ZInsO 2004, 441). Der Beschluss des Insolvenzgerichts, dem eine Anhörung des Treuhänders vorausgegangen war, hatte Entscheidungscharakter (vgl. BGH, Beschl. v. 6. Mai 2004 - IX ZB 104/04, ZIP 2004, 1379).
6
Die Rechtsbeschwerde ist auch im Übrigen zulässig, § 575 Abs. 1 bis 3 ZPO.

III.


7
Die Rechtsbeschwerde hat Erfolg. Sie führt zur Aufhebung der bisherigen Entscheidungen sowie zur Zurückverweisung an das Insolvenzgericht.
8
1. Das Landgericht hat seine Entscheidung damit begründet, dass der Anspruch auf Einkommensteuererstattung für das Jahr 2003 von der Abtretungserklärung nach § 287 Abs. 2 Satz 1 InsO umfasst sei und deshalb dem Treuhänder zustehe.
9
Diese Rechtsauffassung trifft nicht zu. Wie der Senat zwischenzeitlich entschieden hat, wird der Anspruch auf Erstattung von Einkommensteuerzahlungen von der Abtretungserklärung gemäß § 287 Abs. 2 Satz 1 InsO nicht erfasst , weil er öffentlich-rechtlicher Natur ist und nicht den Charakter eines Einkommens hat, das dem Berechtigten aufgrund eines Arbeits- oder Dienstverhältnisses zusteht (BGH, Urt. v. 21. Juli 2005 - IX ZR 115/04, ZVI 2005, 437, 438).
10
2. Der streitige Betrag unterfällt damit derzeit dem Verwaltungs- und Verfügungsrecht des Schuldners. Mit der Aufhebung des Insolvenzverfahrens durch Beschluss vom 18. November 2003 hat der Schuldner dieses Recht über sein Vermögen zurückerlangt, soweit es nicht von der Abtretung nach § 287 Abs. 2 Satz 1 InsO erfasst wird. Der Anspruch auf Steuerrückerstattung war damit aus der Insolvenzbeschlagnahme entlassen (MünchKomm-InsO/Hintzen, § 200 Rn. 31, § 203 Rn. 21; Kübler/Prütting/Holzer, InsO § 200 Rn. 6 f).
11
3. Das Insolvenzgericht hätte jedoch von Amts wegen die Anordnung einer Nachtragsverteilung gemäß § 203 Abs. 1 InsO prüfen müssen. Eine sol- che Anordnung ist auch im Verbraucherinsolvenzverfahren zulässig (BGH, Beschl. v. 1. Dezember 2005 - IX ZB 17/04, z.V.b.). Diese Entscheidung wird das Insolvenzgericht nach der Zurückverweisung nachzuholen haben. Mit der Anordnung der Nachtragsverteilung tritt dann eine erneute Insolvenzbeschlagnahme ein (MünchKomm-InsO/Hintzen, § 203 Rn. 21; HK-InsO/Irschlinger, aaO § 203 Rn. 6).
12
Bei seiner Entscheidung wird das Insolvenzgericht davon auszugehen haben, dass der streitige Betrag nach dem Schlusstermin als Gegenstand der Masse ermittelt worden ist, § 203 Abs. 1 Nr. 3 InsO.
13
Nach § 35 InsO erfasst das Insolvenzverfahren das gesamte Vermögen, das dem Schuldner zur Zeit der Eröffnung des Verfahrens gehört und das er während des Verfahrens erlangt. Gegenstände, die nicht gepfändet werden können, gehören gemäß § 36 Abs. 1 Satz 1 InsO nicht zur Insolvenzmasse (vgl. BGHZ 92, 339, 340 f). Ansprüche auf Erstattung von Einkommensteuer sind jedoch gemäß § 46 Abs. 1 AO pfändbar (BGHZ 157, 195; BFHE 187, 1, 3; BFH InVo 2000, 277, 278; Uhlenbruck, InsO 12. Aufl. § 35 Rn. 68).
14
Der Anspruch auf Steuererstattung entsteht, wie die Einkommensteuerschuld , gemäß § 38 AO i.V.m. § 36 Abs. 1 EStG erst mit Ablauf des Veranlagungszeitraums. Vor diesem Zeitpunkt steht nicht fest, ob für das Kalenderjahr eine Einkommensteuer entstanden ist, die niedriger ist als die Vorauszahlungen , die der Steuerpflichtige geleistet hat (BFHE 128, 146, 147; 179, 547, 550 f). Die Steuerfestsetzung hat auf den Entstehungszeitpunkt keinen Einfluss; denn sie hat für das Steuerschuldverhältnis nur deklaratorischen Charakter (BFHE 73, 300, 301; Jaeger/Henckel, InsO § 35 Rn. 109).
15
Die Frage, welchem Vermögen Steuererstattungsansprüche zuzuordnen sind, bestimmt sich für die Zwecke des Insolvenzverfahrens nicht nach Steuerrecht , sondern nach Insolvenzrecht. Maßgebend ist danach nicht der Zeitpunkt der Vollentstehung des Rechts, sondern der Zeitpunkt, in dem nach insolvenzrechtlichen Grundsätzen der Rechtsgrund für den Anspruch gelegt worden ist (BFHE 128, 146, 147; 172, 308, 310; 179, 547, 551). Der Anspruch hängt in diesem Fall nur noch vom Zeitablauf ab (vgl. BGHZ 92, 339, 341).
16
Dieser Rechtsgrund ist hier bereits mit der Abführung der Lohnsteuer entstanden, die auf die Einkommensteuer anzurechnen ist, § 36 Abs. 2 EStG. Durch Steuerabzug erhoben im Sinne dieser Vorschrift ist auch die gemäß § 38 EStG einbehaltene und an das Finanzamt abgeführte Lohnsteuer (Ludwig Schmidt/Heinicke, EStG 24. Aufl. § 36 Rn. 5, § 38 Rn. 1).
17
Der Erstattungsanspruch stand lediglich unter der aufschiebenden Bedingung , dass am Jahresende die geschuldete Einkommensteuer geringer sein würde als die Summe der Anrechnungsbeträge, so dass sich gemäß § 36 Abs. 4 Satz 2 EStG, § 37 Abs. 2 AO ein Erstattungsbetrag ergab (vgl. BFH BStBl II 1979, 639, 640; BFHE 179, 547, 551; Tipke/Kruse, AO Stand September 2005 § 251 Rn. 102; Jaeger/Henckel, InsO § 35 Rn. 109). Die Finanzbehörde ist bereits dann etwas zur Insolvenzmasse schuldig geworden, wenn der die Erstattungsforderung begründende Sachverhalt verwirklicht worden ist (Franz Klein, AO 8. Aufl. § 251 Rn. 25; MünchKomm-InsO/Brandes, § 95 Rn. 26).
18
Der Insolvenzschuldner hat mit der Vorauszahlung eine Anwartschaft auf den am Ende des Veranlagungszeitraums entstehenden Erstattungsanspruch, so dass dieser in die Masse fällt, wenn vor Eröffnung des Insolvenzverfahrens oder während dessen Dauer der ihn begründende Sachverhalt verwirklicht ist. Derartige Steuererstattungsanspüche werden daher zu Recht allgemein als zur Insolvenzmasse gehörig angesehen (BFHE 170, 300, 301; 179, 547, 551 und ständig; AG Göttingen NZI 2001, 270, 271; AG Dortmund ZInsO 2002, 685; Jaeger/Henckel, InsO § 35 Rn. 109; Uhlenbruck, InsO § 35 Rn. 68; Kilger/ K. Schmidt, Insolvenzgesetze § 1 KO Anm. 2 B d; Kübler/Prütting/Holzer, § 35 Rn. 84; MünchKomm-InsO/Lwowski, § 35 Rn. 422; Tipke/Kruse aaO § 251 Rn. 102; Pahlke/Koenig, AO § 251 Rn. 104; Hess, InsO 2. Aufl. § 35 f Rn. 250; HK-InsO/Eickmann, 3. Aufl. § 35 Rn. 24; Nerlich/Römermann/Andres, § 35 Rn. 59; Braun/Bäuerle, InsO 2. Aufl. § 35 Rn. 70; Frotscher, Besteuerung in der Insolvenz 5. Aufl. S. 52).
19
4. Die Sache ist zur erneuten Entscheidung an das Insolvenzgericht zurückzuverweisen (§ 577 Abs. 4 ZPO; vgl. BGHZ 160, 176, 185 f).
Fischer Raebel Vill
Cierniak Lohmann
Vorinstanzen:
AG Aschaffenburg, Entscheidung vom 19.08.2004 - IK 168/01 -
LG Aschaffenburg, Entscheidung vom 29.09.2004 - 4 T 169/04 -

(1) Auf Antrag des Insolvenzverwalters oder eines Insolvenzgläubigers oder von Amts wegen ordnet das Insolvenzgericht eine Nachtragsverteilung an, wenn nach dem Schlußtermin

1.
zurückbehaltene Beträge für die Verteilung frei werden,
2.
Beträge, die aus der Insolvenzmasse gezahlt sind, zurückfließen oder
3.
Gegenstände der Masse ermittelt werden.

(2) Die Aufhebung des Verfahrens steht der Anordnung einer Nachtragsverteilung nicht entgegen.

(3) Das Gericht kann von der Anordnung absehen und den zur Verfügung stehenden Betrag oder den ermittelten Gegenstand dem Schuldner überlassen, wenn dies mit Rücksicht auf die Geringfügigkeit des Betrags oder den geringen Wert des Gegenstands und die Kosten einer Nachtragsverteilung angemessen erscheint. Es kann die Anordnung davon abhängig machen, daß ein Geldbetrag vorgeschossen wird, der die Kosten der Nachtragsverteilung deckt.

(1) Durch die Eröffnung des Insolvenzverfahrens geht das Recht des Schuldners, das zur Insolvenzmasse gehörende Vermögen zu verwalten und über es zu verfügen, auf den Insolvenzverwalter über.

(2) Ein gegen den Schuldner bestehendes Veräußerungsverbot, das nur den Schutz bestimmter Personen bezweckt (§§ 135, 136 des Bürgerlichen Gesetzbuchs), hat im Verfahren keine Wirkung. Die Vorschriften über die Wirkungen einer Pfändung oder einer Beschlagnahme im Wege der Zwangsvollstreckung bleiben unberührt.

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
IX ZB 151/09
vom
2. Dezember 2010
in dem Insolvenzeröffnungsverfahren
Nachschlagewerk: ja
BGHZ: nein
BGHR: ja
Die Anordnung einer Nachtragsverteilung in einem früheren Konkurs- oder Insolvenzverfahren
wegen nachträglich ermittelter Gegenstände der Masse lässt das
Rechtsschutzbedürfnis für einen Insolvenzantrag im Regelfall unberührt.
BGH, Beschl. vom 2. Dezember 2010 - IX ZB 151/09 - AG Münster
LG Münster
Der IX. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat durch den Vorsitzenden Richter
Prof. Dr. Kayser, den Richter Raebel, die Richterin Lohmann, den Richter
Dr. Pape und die Richterin Möhring
am 2. Dezember 2010

beschlossen:
Die Rechtsbeschwerde gegen den Beschluss der 5. Zivilkammer des Landgerichts Münster vom 28. Mai 2009 wird auf Kosten des Schuldners als unzulässig verworfen.
Der Gegenstandswert des Verfahrens der Rechtsbeschwerde wird auf 3.000 € festgesetzt.

Gründe:


I.


1
Über das Vermögen des Schuldners war schon in den neunziger Jahren des vergangenen Jahrhunderts ein Konkursverfahren anhängig, das am 30. September 2000 aufgehoben worden ist. Nach Ermittlung von Vermögenswerten (Rückübertragungsansprüche aus Verfügungen des Schuldners über Beteiligungen an Gesellschaften, Schadensersatzanspruch gegen den früheren Konkursverwalter) ordnete das Konkursgericht am 22. Juni 2006 eine Nachtragsverteilung an. Parallel hierzu gab es weitere Insolvenzanträge gegen den Schuldner. In dem aufgrund Antrags der weiteren Beteiligten zu 1 vom 1. Au- gust 2005 geführten Eröffnungsverfahren hat das Insolvenzgericht am 30. Januar 2008 Sicherungsmaßnahmen angeordnet. Die gegen diesen Beschluss gerichtete sofortige Beschwerde des Schuldners ist erfolglos geblieben. Mit seiner Rechtsbeschwerde begehrt der Schuldner die Aufhebung der Sicherungsmaßnahmen und die Abweisung des Eröffnungsantrags der weiteren Beteiligten zu 1.

II.


2
1. Die Rechtsbeschwerde ist unstatthaft, soweit sie auf Ablehnung des Antrags auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens gerichtet ist. Insoweit fehlt es an einem tauglichen Angriffsgegenstand (vgl. MünchKomm-InsO/Ganter, 2. Aufl., § 6 Rn. 12, 14). Das Insolvenzgericht hat über den Antrag der Gläubigerin auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens bislang nicht entschieden.
3
2. Die im Übrigen gemäß § 574 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 ZPO, §§ 7, 6 Abs. 1, § 21 Abs. 1 Satz 2 InsO statthafte Rechtsbeschwerde ist unzulässig. Zulässigkeitsgründe im Sinne des § 574 Abs. 2 ZPO liegen nicht vor; weder hat die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung noch erfordert die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Rechtsbeschwerdegerichts.
4
a) Für die von der Rechtsbeschwerde als rechtsgrundsätzlich aufgeworfene Frage, ob ein Insolvenzeröffnungsantrag neben einem Nachtragsverteilungsverfahren zulässig ist, welches in einem früheren Konkurs-/Insolvenzverfahren über dasselbe Vermögen und dieselben Verbindlichkeiten angeordnet worden ist, besteht kein Klärungsbedarf. Dass diese Frage in Schrifttum und Rechtsprechung ernsthaft umstritten ist, legt die Rechtsbeschwerde nicht dar.
Sie führt vielmehr selbst aus, die insolvenzrechtliche Literatur zur Insolvenzordnung schweige zu dieser Frage. Entscheidungen, die die Auffassung der Rechtsbeschwerde stützen könnten gibt es nicht. Die Frage nach der Zulässigkeit eines Insolvenzantrags trotz angeordneter Nachtragsverteilung ist - hieraus erklärt sich das Schweigen von Rechtsprechung und Literatur - im Regelfall zu bejahen.
5
Von der Nachtragsverteilung erfasst wird nicht das gesamte Vermögen des Schuldners, sondern nur der Betrag oder Vermögensgegenstand, auf den sich die Nachtragsverteilungsanordnung bezieht (BGH, Urt. v. 22. Februar 1973 - VI ZR 165/71, NJW 1973, 1198, 1199; Kuhn/Uhlenbruck KO 11. Aufl. § 166 Rn. 7a; HK-InsO/Depré, 5. Aufl. § 203 Rn. 6; Holzer in: Kübler/Prütting/Bork, InsO § 203 Rn. 26; Uhlenbruck, InsO 13. Aufl. § 203 Rn. 16). Aufgrund dieser beschränkten Beschlagswirkung, die mit den umfassenden Wirkungen der Eröffnung des Konkurs- oder Insolvenzverfahrens (§ 1 Abs. 1 KO, § 35 Abs. 1 InsO) nicht vergleichbar ist, kann die Anhängigkeit einer Nachtragsverteilung nicht zur Unzulässigkeit eines (weiteren) Antrags auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens führen. Dies gilt im Verhältnis zwischen einer Nachtragsverteilung nach den Vorschriften der Konkursordnung und einem Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens um so mehr, als der Insolvenzbeschlag nach § 35 Abs. 1 InsO auch das Vermögen umfasst, das der Schuldner während des Verfahrens erlangt.
6
b) Die von der Rechtsbeschwerde gerügten Gehörsverstöße liegen nicht vor. Ihrem Vorbringen kann nicht entnommen werden, dass das Beschwerdegericht bestimmte Umstände nicht zur Kenntnis genommen und erwogen hat (BVerfGE 86, 133, 145 f; 96, 205, 216 f; BGHZ 154, 288, 300). Mit der Frage, ob die weitere Beteiligte zu 1 im Hinblick auf das anhängige Nachtragsvertei- lungsverfahren ein Rechtsschutzbedürfnis für einen Insolvenzantrag hatte, brauchte sich das Beschwerdegericht nicht näher zu befassen. Das Rechtsschutzbedürfnis für einen umfassenden Antrag besteht ungeachtet des möglichen Ergebnisses einer Nachtragsverteilung. Dass die weitere Beteiligte im Fall eines für sie positiven Ausgangs dieses Verfahrens vollständige Befriedigung erlangen könnte, ist nicht dargelegt.
7
Mit der Frage, ob es ausnahmsweise des vollen Beweises der Forderung der Gläubigerin bedarf, weil von deren Bestehen der Insolvenzgrund abhängt, hat sich das Beschwerdegericht auseinandergesetzt. Dass weitere Forderungen gegen den Schuldner geltend gemacht werden, ergibt sich schon aus dem weiteren, gegen den Schuldner anhängigen Insolvenzeröffnungsantrag und ist auch sonst nicht zweifelhaft.
8
3. Die weiteren, von der Rechtsbeschwerde gerügten Verstöße gegen Verfahrensgrundsätze hat der Senat geprüft. Zulässigkeitsrelevante Rechtsver- letzungen haben sich nicht ergeben. Von einer weiteren Begründung wird nach § 577 Abs. 6 Satz 3 ZPO abgesehen.
Kayser Raebel Lohmann Pape Möhring
Vorinstanzen:
AG Münster, Entscheidung vom 30.01.2008 - 84 IN 74/05 -
LG Münster, Entscheidung vom 28.05.2009 - 5 T 496/08 -

(1) Auf Antrag des Insolvenzverwalters oder eines Insolvenzgläubigers oder von Amts wegen ordnet das Insolvenzgericht eine Nachtragsverteilung an, wenn nach dem Schlußtermin

1.
zurückbehaltene Beträge für die Verteilung frei werden,
2.
Beträge, die aus der Insolvenzmasse gezahlt sind, zurückfließen oder
3.
Gegenstände der Masse ermittelt werden.

(2) Die Aufhebung des Verfahrens steht der Anordnung einer Nachtragsverteilung nicht entgegen.

(3) Das Gericht kann von der Anordnung absehen und den zur Verfügung stehenden Betrag oder den ermittelten Gegenstand dem Schuldner überlassen, wenn dies mit Rücksicht auf die Geringfügigkeit des Betrags oder den geringen Wert des Gegenstands und die Kosten einer Nachtragsverteilung angemessen erscheint. Es kann die Anordnung davon abhängig machen, daß ein Geldbetrag vorgeschossen wird, der die Kosten der Nachtragsverteilung deckt.

(1) Ein Verwaltungsakt ist demjenigen Beteiligten bekannt zu geben, für den er bestimmt ist oder der von ihm betroffen wird. § 34 Abs. 2 ist entsprechend anzuwenden. Der Verwaltungsakt kann auch gegenüber einem Bevollmächtigten bekannt gegeben werden. Er soll dem Bevollmächtigten bekannt gegeben werden, wenn der Finanzbehörde eine schriftliche oder eine nach amtlich vorgeschriebenem Datensatz elektronisch übermittelte Empfangsvollmacht vorliegt, solange dem Bevollmächtigten nicht eine Zurückweisung nach § 80 Absatz 7 bekannt gegeben worden ist.

(2) Ein schriftlicher Verwaltungsakt, der durch die Post übermittelt wird, gilt als bekannt gegeben

1.
bei einer Übermittlung im Inland am dritten Tage nach der Aufgabe zur Post,
2.
bei einer Übermittlung im Ausland einen Monat nach der Aufgabe zur Post,
außer wenn er nicht oder zu einem späteren Zeitpunkt zugegangen ist; im Zweifel hat die Behörde den Zugang des Verwaltungsakts und den Zeitpunkt des Zugangs nachzuweisen.

(2a) Ein elektronisch übermittelter Verwaltungsakt gilt am dritten Tage nach der Absendung als bekannt gegeben, außer wenn er nicht oder zu einem späteren Zeitpunkt zugegangen ist; im Zweifel hat die Behörde den Zugang des Verwaltungsakts und den Zeitpunkt des Zugangs nachzuweisen.

(3) Ein Verwaltungsakt darf öffentlich bekannt gegeben werden, wenn dies durch Rechtsvorschrift zugelassen ist. Eine Allgemeinverfügung darf auch dann öffentlich bekannt gegeben werden, wenn eine Bekanntgabe an die Beteiligten untunlich ist.

(4) Die öffentliche Bekanntgabe eines Verwaltungsakts wird dadurch bewirkt, dass sein verfügender Teil ortsüblich bekannt gemacht wird. In der ortsüblichen Bekanntmachung ist anzugeben, wo der Verwaltungsakt und seine Begründung eingesehen werden können. Der Verwaltungsakt gilt zwei Wochen nach dem Tag der ortsüblichen Bekanntmachung als bekannt gegeben. In einer Allgemeinverfügung kann ein hiervon abweichender Tag, jedoch frühestens der auf die Bekanntmachung folgende Tag bestimmt werden.

(5) Ein Verwaltungsakt wird zugestellt, wenn dies gesetzlich vorgeschrieben ist oder behördlich angeordnet wird. Die Zustellung richtet sich vorbehaltlich der Sätze 3 und 4 nach den Vorschriften des Verwaltungszustellungsgesetzes. Für die Zustellung an einen Bevollmächtigten gilt abweichend von § 7 Absatz 1 Satz 2 des Verwaltungszustellungsgesetzes Absatz 1 Satz 4 entsprechend. Erfolgt die öffentliche Zustellung durch Bekanntmachung einer Benachrichtigung auf der Internetseite oder in einem elektronischen Portal der Finanzbehörden, können die Anordnung und die Dokumentation nach § 10 Absatz 1 Satz 2 und Absatz 2 Satz 5 des Verwaltungszustellungsgesetzes elektronisch erfolgen.

(6) Die Bekanntgabe eines Verwaltungsakts an einen Beteiligten zugleich mit Wirkung für und gegen andere Beteiligte ist zulässig, soweit die Beteiligten einverstanden sind; diese Beteiligten können nachträglich eine Abschrift des Verwaltungsakts verlangen.

(7) Betreffen Verwaltungsakte

1.
Ehegatten oder Lebenspartner oder
2.
Ehegatten mit ihren Kindern, Lebenspartner mit ihren Kindern oder Alleinstehende mit ihren Kindern,
so reicht es für die Bekanntgabe an alle Beteiligten aus, wenn ihnen eine Ausfertigung unter ihrer gemeinsamen Anschrift übermittelt wird. Die Verwaltungsakte sind den Beteiligten einzeln bekannt zu geben, soweit sie dies beantragt haben oder soweit der Finanzbehörde bekannt ist, dass zwischen ihnen ernstliche Meinungsverschiedenheiten bestehen.

Die Ansprüche aus dem Steuerschuldverhältnis entstehen, sobald der Tatbestand verwirklicht ist, an den das Gesetz die Leistungspflicht knüpft.

(1) Grundlage für die Verwirklichung von Ansprüchen aus dem Steuerschuldverhältnis (§ 37) sind die Steuerbescheide, die Steuervergütungsbescheide, die Haftungsbescheide und die Verwaltungsakte, durch die steuerliche Nebenleistungen festgesetzt werden; bei den Säumniszuschlägen genügt die Verwirklichung des gesetzlichen Tatbestands (§ 240). Die Steueranmeldungen (§ 168) stehen den Steuerbescheiden gleich.

(2) Über Streitigkeiten, die die Verwirklichung der Ansprüche im Sinne des Absatzes 1 betreffen, entscheidet die Finanzbehörde durch Abrechnungsbescheid. Dies gilt auch, wenn die Streitigkeit einen Erstattungsanspruch (§ 37 Abs. 2) betrifft.

(3) Wird eine Anrechnungsverfügung oder ein Abrechnungsbescheid auf Grund eines Rechtsbehelfs oder auf Antrag des Steuerpflichtigen oder eines Dritten zurückgenommen und in dessen Folge ein für ihn günstigerer Verwaltungsakt erlassen, können nachträglich gegenüber dem Steuerpflichtigen oder einer anderen Person die entsprechenden steuerlichen Folgerungen gezogen werden. § 174 Absatz 4 und 5 gilt entsprechend.

(1) Der unterliegende Beteiligte trägt die Kosten des Verfahrens.

(2) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen demjenigen zur Last, der das Rechtsmittel eingelegt hat.

(3) Dem Beigeladenen können Kosten nur auferlegt werden, soweit er Anträge gestellt oder Rechtsmittel eingelegt hat.

(4) Die Kosten des erfolgreichen Wiederaufnahmeverfahrens können der Staatskasse auferlegt werden, soweit sie nicht durch das Verschulden eines Beteiligten entstanden sind.

(5) Besteht der kostenpflichtige Teil aus mehreren Personen, so haften diese nach Kopfteilen. Bei erheblicher Verschiedenheit ihrer Beteiligung kann nach Ermessen des Gerichts die Beteiligung zum Maßstab genommen werden.