Bundesfinanzhof Beschluss, 08. Juni 2011 - XI B 38/11

bei uns veröffentlicht am08.06.2011

Gründe

1

Die Beschwerde der Klägerin und Beschwerdeführerin (Klägerin) wegen Nichtzulassung der Revision ist unbegründet. Die Rechtssache hat keine grundsätzliche Bedeutung i.S. von § 115 Abs. 2 Nr. 1 der Finanzgerichtsordnung (FGO).

2

Grundsätzliche Bedeutung kommt einer Rechtssache zu, wenn die für ihre Beurteilung maßgebliche Rechtsfrage das abstrakte Interesse der Allgemeinheit an einer einheitlichen Entwicklung und Handhabung des Rechts berührt. Dies ist nur der Fall, wenn die für bedeutsam gehaltene Rechtsfrage im Allgemeininteresse klärungsbedürftig und im Streitfall klärbar ist (ständige Rechtsprechung, vgl. z.B. Beschluss des Bundesfinanzhofs --BFH-- vom 17. Juni 2010 XI B 88/09, BFH/NV 2010, 1875, m.w.N.).

3

An der Klärungsbedürftigkeit fehlt es, wenn die Rechtsfrage anhand der gesetzlichen Grundlagen oder der bereits vorliegenden Rechtsprechung beantwortet werden kann und keine neuen Gesichtspunkte erkennbar sind, die eine erneute Prüfung und Entscheidung der Rechtsfrage durch den BFH geboten erscheinen lassen (vgl. z.B. BFH-Beschluss in BFH/NV 2010, 1875, m.w.N.).

4

a) Die von der Klägerin für grundsätzlich bedeutsam gehaltene Rechtsfrage, ob § 4 Nr. 9 Buchst. b des Umsatzsteuergesetzes (UStG) in der am 6. Mai 2006 in Kraft getretenen Fassung verfassungswidrig ist und gegen das Unionsrecht verstößt, ist nicht klärungsbedürftig. Denn der BFH hat unter Bezugnahme auf die Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union (EuGH) bereits geklärt, dass die in der genannten Vorschrift getroffene Regelung, nach der nur bestimmte (Renn-)Wetten und Lotterien von der Steuer befreit und sämtliche "sonstige Glücksspiele mit Geldeinsatz" von der Steuerbefreiung ausgenommen sind, weder gegen Unionsrecht noch gegen das Grundgesetz (GG) verstoßen (BFH-Urteil vom 10. November 2010 XI R 79/07, BFHE 231, 373, BStBl II 2011, 311, m.w.N.). Insbesondere liegt danach auch keine Verletzung des Neutralitätsgrundsatzes vor.

5

b) Neue Gesichtspunkte, die eine erneute Prüfung dieser Rechtsprechung erfordern würden, hat die Klägerin nicht vorgetragen.

6

aa) Soweit sie ausführt, der BFH habe sich in der genannten Entscheidung nicht mit dem Nichtannahmebeschluss des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG) zum Inklusivstundensatz des § 4 Abs. 1 des Vormünder- und Betreuervergütungsgesetzes --VBVG-- (BVerfG-Beschluss vom 18. März 2009  1 BvR 2374/07, BFH/NV 2009, 1388) auseinandergesetzt, ist nicht ersichtlich, weshalb dies im Rahmen der verfassungsrechtlichen Überprüfung von § 4 Nr. 9 Buchst. b UStG angezeigt gewesen wäre.

7

Die Klägerin verweist in diesem Zusammenhang zwar darauf, dass § 13 Abs. 1 Nr. 3 in der ab dem 1. Januar 2006 geltenden Neufassung der Verordnung über Spielgeräte und andere Spiele mit Gewinnmöglichkeit --SpielV n.F.-- (BGBl I 2005, 3495) eine Vergütungsregelung enthalte, die keinerlei Hinweis darauf vorsehe, dass in den dort geregelten Höchstsätzen die Umsatzsteuer berücksichtigt sei, wie dies nunmehr im Rahmen des VBVG der Fall sei. Sie lässt aber außer Betracht, dass nach Auffassung des BFH § 13 Abs. 1 Nr. 3 SpielV n.F. einen gewerblichen Betreiber von Geldspielgeräten nicht rechtlich daran hindert, die Umsatzsteuer an die Endverbraucher (Spieler) weiter zu berechnen (BFH-Urteil in BFHE 231, 373, BStBl II 2011, 311, unter II.3.b bb). Es besteht deshalb keine Veranlassung, die Rechtsprechung im Hinblick auf den von der Klägerin zitierten Beschluss des BVerfG in BFH/NV 2009, 1388 neu zu überdenken.

8

bb) Auch der von der Klägerin genannte Gesichtspunkt, der BFH habe durch das Unterlassen eines Vorabentscheidungsersuchens nach Art. 267 des Vertrages über die Arbeitsweise der Europäischen Union gegen Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG verstoßen, gebietet keine erneute Überprüfung der Rechtsprechung des BFH. Denn der EuGH hat in dem Urteil vom 10. Juni 2010 Rs. C-58/09 --Leo Libera-- (BFH/NV 2010, 1590) keine Bedenken gegen die Übereinstimmung von § 4 Nr. 9 Buchst. b UStG mit dem Unionsrecht geäußert und ausdrücklich darauf hingewiesen, dass kein Verstoß gegen den Neutralitätsgrundsatz vorliegt (Rz 34 ff. des Urteils).

Urteilsbesprechung zu Bundesfinanzhof Beschluss, 08. Juni 2011 - XI B 38/11

Urteilsbesprechungen zu Bundesfinanzhof Beschluss, 08. Juni 2011 - XI B 38/11

Referenzen - Gesetze

Finanzgerichtsordnung - FGO | § 115


(1) Gegen das Urteil des Finanzgerichts (§ 36 Nr. 1) steht den Beteiligten die Revision an den Bundesfinanzhof zu, wenn das Finanzgericht oder auf Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Bundesfinanzhof sie zugelassen hat. (2) Die Revision ist nu

Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland - GG | Art 101


(1) Ausnahmegerichte sind unzulässig. Niemand darf seinem gesetzlichen Richter entzogen werden. (2) Gerichte für besondere Sachgebiete können nur durch Gesetz errichtet werden.
Bundesfinanzhof Beschluss, 08. Juni 2011 - XI B 38/11 zitiert 9 §§.

Finanzgerichtsordnung - FGO | § 115


(1) Gegen das Urteil des Finanzgerichts (§ 36 Nr. 1) steht den Beteiligten die Revision an den Bundesfinanzhof zu, wenn das Finanzgericht oder auf Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Bundesfinanzhof sie zugelassen hat. (2) Die Revision ist nu

Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland - GG | Art 101


(1) Ausnahmegerichte sind unzulässig. Niemand darf seinem gesetzlichen Richter entzogen werden. (2) Gerichte für besondere Sachgebiete können nur durch Gesetz errichtet werden.

Vormünder- und Betreuervergütungsgesetz - VBVG | § 4 Vergütung des Betreuers


(1) Die dem Betreuer nach § 1 Absatz 2 zu bewilligende Vergütung bestimmt sich nach monatlichen Fallpauschalen, die in den Vergütungstabellen A bis C der Anlage festgelegt sind. (2) Die Vergütung des Betreuers richtet sich nach Vergütungstabelle

Gesetz über die Vergütung von Vormündern und Betreuern


Vormünder- und Betreuervergütungsgesetz - VBVG

Spielverordnung - SpielV | § 13


Die Physikalisch-Technische Bundesanstalt darf die Bauart eines Geldspielgerätes nur zulassen, wenn folgende Anforderungen erfüllt sind: 1. Der Spieleinsatz darf nur in Euro oder Cent erfolgen; ein Spiel beginnt mit dem Einsatz des Geldes, setzt sich

Referenzen - Urteile

Bundesfinanzhof Beschluss, 08. Juni 2011 - XI B 38/11 zitiert oder wird zitiert von 3 Urteil(en).

Bundesfinanzhof Beschluss, 08. Juni 2011 - XI B 38/11 zitiert 2 Urteil(e) aus unserer Datenbank.

Bundesfinanzhof Urteil, 10. Nov. 2010 - XI R 79/07

bei uns veröffentlicht am 10.11.2010

Tatbestand 1 I. Die Revisionsklägerin ist seit Ende 2008 Rechtsnachfolgerin einer GmbH, die im Jahr 2007 eine Spielhalle mit Geldspielautomaten betrieb.

Bundesfinanzhof Beschluss, 17. Juni 2010 - XI B 88/09

bei uns veröffentlicht am 17.06.2010

Gründe 1 Die Beschwerde der Klägerin und Beschwerdeführerin (Klägerin) wegen Nichtzulassung der Revision hat keinen Erfolg.
1 Urteil(e) in unserer Datenbank zitieren Bundesfinanzhof Beschluss, 08. Juni 2011 - XI B 38/11.

Bundesfinanzhof Beschluss, 12. Jan. 2012 - II B 49/11

bei uns veröffentlicht am 12.01.2012

Gründe 1 Die Beschwerde ist unbegründet. 2 1. Der vom Kläge

Referenzen

(1) Gegen das Urteil des Finanzgerichts (§ 36 Nr. 1) steht den Beteiligten die Revision an den Bundesfinanzhof zu, wenn das Finanzgericht oder auf Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Bundesfinanzhof sie zugelassen hat.

(2) Die Revision ist nur zuzulassen, wenn

1.
die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat,
2.
die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Bundesfinanzhofs erfordert oder
3.
ein Verfahrensmangel geltend gemacht wird und vorliegt, auf dem die Entscheidung beruhen kann.

(3) Der Bundesfinanzhof ist an die Zulassung gebunden.

Gründe

1

Die Beschwerde der Klägerin und Beschwerdeführerin (Klägerin) wegen Nichtzulassung der Revision hat keinen Erfolg.

2

1. Die geltend gemachten Revisionszulassungsgründe liegen nicht vor. Weder hat die Rechtssache im zweiten Rechtsgang grundsätzliche Bedeutung (§ 115 Abs. 2 Nr. 1 der Finanzgerichtsordnung --FGO--) noch erfordert die Fortbildung des Rechts (§ 115 Abs. 2 Nr. 2 1. Alternative FGO) eine erneute Entscheidung des Bundesfinanzhofs (BFH).

3

Die Nichtzulassungsbeschwerde ist --ihre Zulässigkeit unterstellt-- jedenfalls unbegründet.

4

a) Grundsätzliche Bedeutung kommt einer Rechtssache zu, wenn die für ihre Beurteilung des Streitfalls maßgebliche Rechtsfrage das abstrakte Interesse der Allgemeinheit an einer einheitlichen Entwicklung und Handhabung des Rechts berührt. Dies ist nur der Fall, wenn die für bedeutsam gehaltene Rechtsfrage im Allgemeininteresse klärungsbedürftig und im Streitfall klärbar ist. An der Klärungsbedürftigkeit fehlt es, wenn die Rechtsfrage anhand der gesetzlichen Grundlagen oder der bereits vorliegenden Rechtsprechung beantwortet werden kann und keine neuen Gesichtspunkte erkennbar sind, die eine erneute Prüfung und Entscheidung der Rechtsfrage durch den BFH geboten erscheinen lassen (ständige Rechtsprechung, vgl. z.B. BFH-Beschluss vom 23. März 2009 XI B 89/08, BFH/NV 2009, 976, m.w.N.).

5

aa) Die von der Klägerin im Kern für grundsätzlich bedeutsam gehaltene Rechtsfrage, ob die Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union (EuGH) eine zwingende Vorgabe für das nationale deutsche Umsatzsteuerrecht dergestalt enthalte, dass auch bei "wissen können" von einer Einbindung in betrügerische Handlungen Dritter der Vorsteuerabzug zu versagen sei, ist nicht klärungsbedürftig.

6

Diese aufgeworfene Rechtsfrage ist entgegen der Ansicht der Klägerin durch die Rechtsprechung des EuGH und BFH bereits geklärt. Im Anschluss an die --im Wege der richtlinienkonformen Auslegung des nationalen Umsatzsteuerrechts zu berücksichtigende-- Rechtsprechung des EuGH (EuGH-Urteile vom 12. Januar 2006 Rs. C-354/03, C-355/03 und C-484/03 --Optigen--, Slg. 2006, I-483, BFH/NV Beilage 2006, 144, Randnr. 51; vom 6. Juli 2006 Rs. C-439/04 und 440/04 --Kittel und Recolta Recycling--, Slg. 2006, I-6161, BFH/NV Beilage 2006, 454) hat der BFH entschieden, dass der Vorsteuerabzug zu versagen ist, wenn aufgrund objektiver Umstände feststeht, dass der Steuerpflichtige wusste oder wissen konnte bzw. hätte wissen müssen, dass er sich mit seinem Erwerb an einem Umsatz beteiligte, der in eine Mehrwertsteuerhinterziehung einbezogen war (vgl. das im 1. Rechtsgang ergangene BFH-Urteil vom 19. April 2007 V R 48/04, BFHE 217, 194, BStBl II 2009, 315, sowie das BFH-Urteil vom 12. August 2009 XI R 48/07, BFH/NV 2010, 259).

7

bb) Eine Rechtssache hat nach § 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO grundsätzliche Bedeutung und führt zur Zulassung der Revision, wenn die nicht entfernte Möglichkeit besteht, dass im angestrebten Revisionsverfahren eine Vorabentscheidung des EuGH einzuholen sein wird. Dies ist nicht der Fall, wenn keine vernünftigen Zweifel an der Auslegung oder der Gültigkeit einer Norm des Gemeinschaftsrechts bestehen können (Gräber/Ruban, Finanzgerichtsordnung, 6. Aufl., § 115 Rz 37, m.w.N.). Im Streitfall bestehen solche Zweifel angesichts der zitierten EuGH-Urteile nicht. Eine Vorabentscheidung des EuGH wäre im Streitfall in einem künftigen Revisionsverfahren nicht einzuholen.

8

cc) Die grundsätzliche Bedeutung einer Rechtssache i.S. des § 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO ist zu bejahen, wenn vernünftige Zweifel an der Verfassungsmäßigkeit einer für die Entscheidung des Streitfalls maßgeblichen steuerrechtlichen Vorschrift bestehen (Gräber/Ruban, a.a.O., § 115 Rz 36, m.w.N.). Eine für den Streitfall entscheidungserhebliche steuerrechtliche Norm, deren Verfassungsmäßigkeit zweifelhaft sein könnte, wird von der Klägerin weder benannt noch ist sie ersichtlich. Sollte sich die Klägerin in diesem Zusammenhang auch auf § 25d des Umsatzsteuergesetzes (UStG) beziehen, wäre diese Vorschrift für den Streitfall, der Umsatzsteuer-Voranmeldungen des Kalenderjahrs 1999 betrifft, nicht entscheidungserheblich. Die Regelung des § 25d UStG, nach dem der Unternehmer für schuldhaft nicht abgeführte Steuer haftet, ist erst nach dem den Streitfall betreffenden Zeitraum zum 1. Januar 2002 in Kraft getreten.

9

dd) Soweit sich die Klägerin in ihrer Beschwerdeschrift auf weitere angebliche Rechtsfehler des FG mit nach ihrer Ansicht grundsätzlicher Bedeutung wie etwa Verstöße gegen Denkgesetze und Erfahrungssätze, fehlende tatsächliche Feststellungen oder fehlerhafte tatsächliche Würdigungen im Urteil bezieht, vermag dies die Zulassung der Revision wegen grundsätzlicher Bedeutung nicht zu rechtfertigen. Mit diesem Vorbringen stellt die Klägerin die materielle Rechtmäßigkeit der angefochtenen Entscheidung in Frage und rügt die ihres Erachtens fehlerhafte Rechtsanwendung, also materiell-rechtliche Fehler. Ein Revisionszulassungsgrund begründet dies jedoch nicht (vgl. BFH-Beschluss vom 5. Juni 2008 IX B 249/07, BFH/NV 2008, 1512, m.w.N.).

10

b) Die Revision ist auch nicht gemäß § 115 Abs. 2 Nr. 2 1. Alternative FGO zur Fortbildung des Rechts zuzulassen. Der Zulassungsgrund für eine Revision zur Fortbildung des Rechts ist gegeben, wenn über bisher ungeklärte abstrakte Rechtsfragen zu entscheiden ist, insbesondere, wenn der Streitfall im allgemeinen Interesse Veranlassung gibt, Leitsätze für die Auslegung von Gesetzesbestimmungen des materiellen Rechts oder des Verfahrensrechts aufzustellen, Gesetzeslücken auszufüllen oder wenn gegen eine bestehende höchstrichterliche Rechtsprechung Argumente vorgetragen werden, die der BFH noch nicht erwogen hat (ständige Rechtsprechung, vgl. etwa BFH-Beschluss vom 17. Juni 2009 II B 33/08, BFH/NV 2010, 42, m.w.N.). Für diesen Zulassungsgrund gilt ebenso wie für den der grundsätzlichen Bedeutung gemäß § 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO, dass es sich um eine klärungsbedürftige und im Streitfall klärbare Rechtsfrage handeln muss (vgl. BFH-Beschluss vom 15. Dezember 2004 X B 48/04, BFH/NV 2005, 698, m.w.N.). Die von der Klägerin sowohl zum Zulassungsgrund der grundsätzlichen Bedeutung als auch zur Fortbildung des Rechts identisch aufgeworfene Rechtsfrage ist, wie bereits ausgeführt, nicht klärungsbedürftig.

11

2. Der Senat sieht von einer weiteren Begründung ab (§ 116 Abs. 5 Satz 2 FGO).

Tatbestand

1

I. Die Revisionsklägerin ist seit Ende 2008 Rechtsnachfolgerin einer GmbH, die im Jahr 2007 eine Spielhalle mit Geldspielautomaten betrieb.

2

Die GmbH erklärte in ihrer Umsatzsteuer-Voranmeldung für den Monat Januar 2007 steuerpflichtige Umsätze in Höhe von ... € und abziehbare Vorsteuerbeträge in Höhe von ... €. Daraus ergab sich eine Zahllast von ... €.

3

Sie legte gegen die --ihrer Erklärung entsprechende-- Festsetzung der Umsatzsteuer-Vorauszahlung Einspruch ein und machte geltend, ihre Umsätze seien steuerfrei, weil die am 6. Mai 2006 in Kraft getretene Neuregelung des § 4 Nr. 9 Buchst. b des Umsatzsteuergesetzes 2005 (UStG n.F.) durch das Gesetz zur Eindämmung missbräuchlicher Steuergestaltungen vom 28. April 2006 (BGBl I 2006, 1095, BStBl I 2006, 353) gegen das Unionsrecht verstoße.

4

Einspruch und Klage blieben erfolglos. Das Urteil des Finanzgerichts (FG) ist in Entscheidungen der Finanzgerichte 2008, 256 veröffentlicht.

5

Der Senat hat mit Beschluss vom 17. Dezember 2008 XI R 79/07 (BFHE 224, 156, BStBl II 2009, 434) das Revisionsverfahren ausgesetzt und dem Gerichtshof der Europäischen Union (EuGH) folgende Frage zur Vorabentscheidung vorgelegt:

6

"Ist Art. 135 Abs. 1 Buchst. i der Richtlinie 2006/112/EG dahin auszulegen, dass den Mitgliedstaaten eine Regelung gestattet ist, nach der nur bestimmte (Renn-)Wetten und Lotterien von der Steuer befreit und sämtliche 'sonstige Glücksspiele mit Geldeinsatz' von der Steuerbefreiung ausgenommen sind?"

7

Der EuGH hat diese Frage mit Urteil vom 10. Juni 2010 Rs. C-58/09 --Leo-Libera-- (BFH/NV 2010, 1590, Höchstrichterliche Finanzrechtsprechung --HFR-- 2010, 884) bejaht.

8

Die Revisionsklägerin ist der Auffassung, unabhängig von der vom EuGH beantworteten Vorlagefrage sei die Erhebung der Umsatzsteuer auf ihre Umsätze aus gewerblichem Automatenspiel zu Unrecht erfolgt, da sie sowohl gegen europäisches Recht als auch gegen innerstaatliches deutsches Recht (Art. 2 Abs. 1, Art. 3 Abs. 1, Art. 12 Abs. 1 i.V.m. dem Rechtsstaatsgebot des Art. 20 Abs. 3 des Grundgesetzes (GG) verstoße.

9

Die Besteuerung sei rechtswidrig, weil die festgesetzte Steuer wesentliche Merkmale der Umsatzsteuer, wie sie der EuGH in seinem Urteil vom 8. Juni 1999 Rs. C-338, 344, 390/97 --Pelzl u.a.-- (Slg. 1999, I-3119, HFR 1999, 853, Umsatzsteuer-Rundschau --UR-- 1999, 328) zur Abgrenzung von anderen Steuerarten herausgearbeitet habe, nicht erfülle und deshalb in Wahrheit gar keine Umsatzsteuer sei. Insbesondere könne die Umsatzsteuer nicht direkt auf die Endverbraucher abgewälzt werden, was auch nach dem Beschluss des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG) vom 13. Juni 1997 1 BvR 201/97 (HFR 1997, 771, Umsatzsteuer- und Verkehrsteuer-Recht --UVR-- 1997, 328) erforderlich sei.

10

Eine Abwälzung der Umsatzsteuer auf den Endverbraucher werde den Betreibern von Geldspielautomaten durch die ab dem 1. Januar 2006 geltende Neufassung der Verordnung über Spielgeräte und andere Spiele mit Gewinnmöglichkeit --SpielV n.F.-- (BGBl I 2005, 3495) rechtlich unmöglich gemacht, weil sie --anders als die davor geltende SpielV-- keine Regelung dahingehend enthalte, dass die Kasseneinnahmen um die Umsatzsteuer erhöht werden dürften. Denn nach § 13 Abs. 1 Nr. 3 SpielV n.F. dürfe die Summe der Verluste eines Spielers "im Verlauf einer Stunde 80 € nicht übersteigen", womit gleichzeitig die Höchsteinnahme des Geldspielautomatenaufstellers geregelt werde. Dagegen habe nach § 13 Nr. 6 der zuvor geltenden SpielV die Summe der Gewinne des Spielers "mindestens 60 vom Hundert der durch den jeweiligen Umsatzsteuersatz verringerten Einsätze betragen" müssen.

11

Es fehle ferner an dem weiteren für eine Umsatzsteuer charakteristischen Merkmal, dass die Festsetzung ihrer Höhe proportional zu dem Preis erfolge, den der Steuerpflichtige als Gegenleistung für seine Dienstleistung erhalte (Hinweis u.a. auf Art. 1 Abs. 2 der Mehrwertsteuer-Systemrichtlinie). Denn Bemessungsgrundlage der Umsatzsteuer für den Betrieb von Geldspielautomaten seien ausschließlich die Kasseneinnahmen, nicht die Einsätze der Spieler.

12

Zudem verstoße die Steuerfestsetzung gegen den vom EuGH aufgestellten Neutralitätsgrundsatz sowie gegen den allgemeinen Gleichheitsgrundsatz (Art. 3 Abs. 1 GG). Denn öffentliche Spielbanken, die mit ihrem Automatenspiel gleichartige Leistungen anböten und mit privaten Betreibern von Geldspielgeräten in Wettbewerb stünden, könnten die Umsatzsteuer abwälzen, da sie nicht den Vorschriften der SpielV und damit keiner Preisbindung unterlägen. Außerdem seien zwar auch bei öffentlichen Spielbanken die Kasseneinnahmen die Bemessungsgrundlage; dies sei aber rechtswidrig, weil die in den öffentlichen Spielbanken aufgestellten Geldgewinnspielgeräte nicht über die für die Ermittlung dieser Bemessungsgrundlage erforderlichen technischen Vorrichtungen verfügten.

13

Während des Revisionsverfahrens erließ das nunmehr zuständig gewordene Finanzamt --FA-- (der Revisionsbeklagte) am 4. Dezember 2009 den Umsatzsteuer-Jahresbescheid für 2007 und setzte die Umsatzsteuer auf einen Überschuss zugunsten der Revisionsklägerin in Höhe von ... € fest.

14

Die Revisionsklägerin ist der Ansicht, sie habe unter dem Gesichtspunkt der Wiederholungsgefahr ein berechtigtes Interesse an der Feststellung, dass keine monatliche Umsatzsteuererhebung aus dem Betrieb ihrer Geldspielgeräte erfolgen dürfe.

15

Sie beantragt,

festzustellen, dass die aufgrund der Umsatzsteuer-Voranmeldung für den Monat Januar 2007 erfolgte Umsatzsteuerfestsetzung rechtswidrig war,

hilfsweise, das Verfahren erneut auszusetzen und dem EuGH folgende Fragen zur Vorabentscheidung vorzulegen:

16

"1. Ist es den Mitgliedstaaten gestattet, Umsatzsteuer auf bestimmte Dienstleistungen zu erheben, obwohl dem Steuerpflichtigen eine direkte Abwälzung der Steuer auf den Endverbraucher durch aufgrund nationaler Rechtsvorschriften bestehender Preisbindungen nicht möglich ist?

17

2. Verstößt es gegen den Grundsatz der steuerlichen Neutralität, wenn die Umsätze der gewerblichen Automatenaufsteller ebenso wie die der öffentlichen Spielbanken der Umsatzsteuer unterworfen werden, obwohl die Umsatzsteuer auf Umsätze aus dem gewerblichen Automatenspiel nicht wie die Umsätze der öffentlichen Spielbanken direkt auf die Endverbraucher abgewälzt werden können?

18

3. Ist es in den Mitgliedstaaten gestattet, Umsatzsteuer auf bestimmte Waren oder Dienstleistungen zu erheben, obwohl es nicht möglich ist, den Betrag der auf den Kunden abgewälzten Abgabe bei jedem einzelnen Verkauf oder jeder einzelnen Dienstleistung genau zu bestimmen und es somit an der Proportionalität zwischen der Steuer und den Preisen, die der Steuerpflichtige als Gegenleistung erhält, fehlt?

19

4. Verstößt es gegen den in Art. 1 Abs. 2 Mehrwertsteuer-Systemrichtlinie aufgestellten Grundsatz der Proportionalität, wonach auf Gegenstände und Dienstleistungen, ungeachtet der Zahl der Umsätze, die auf den vor der Besteuerungsstufe liegenden Produktions- und Vertriebsstufen bewirkt werden, eine allgemeine zum Preis der Gegenstände und Dienstleistungen genau proportionale Verbrauchsteuer anzuwenden ist, wenn ein Mitgliedstaat die Umsatzsteuer nach dem monatlichen oder jährlichen Gesamtumsatz aller Kasseneinnahmen eines Steuerpflichtigen ermittelt, weil es ihm nicht möglich ist, den Betrag der bei jedem einzelnen Verkauf oder jeder einzelnen Dienstleistung auf den Kunden abgewälzten Abgabe genau zu bestimmen?"

20

Höchstvorsorglich regt die Revisionsklägerin an, das Verfahren gemäß Art. 100 Abs. 1 GG dem BVerfG vorzulegen.

21

Das FA beantragt, die Revision als unbegründet zurückzuweisen.

Entscheidungsgründe

22

II. Das Urteil des FG war aus verfahrensrechtlichen Gründen aufzuheben. Die Revision hat aber in der Sache keinen Erfolg; sie war deshalb zurückzuweisen (§ 126 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung --FGO---) und die Fortsetzungsfeststellungsklage war abzuweisen.

23

1. Das Urteil des FG musste aus verfahrensrechtlichen Gründen aufgehoben werden, weil ihm ein nicht mehr existierender Verwaltungsakt zugrunde liegt.

24

Der während des Revisionsverfahrens ergangene Umsatzsteuer-Jahresbescheid für 2007 vom 4. Dezember 2009 hat gemäß § 121 Satz 1 i.V.m. § 68 Satz 1 FGO den Umsatzsteuer-Vorauszahlungsbescheid für Januar 2007, über den das FG entschieden hat, ersetzt und ist Gegenstand des Verfahrens geworden (vgl. z.B. Urteil des Bundesfinanzhofs --BFH-- vom 3. November 2005 V R 63/02, BFHE 212, 161, BStBl II 2006, 337, unter II.1.).

25

In einem solchen Fall ist das FG-Urteil aufzuheben (vgl. z.B. BFH-Urteile vom 23. August 2007 V R 10/05, BFHE 217, 332, unter II.1.a; vom 12. Februar 2009 V R 61/06, BFHE 224, 467, BStBl II 2009, 828, unter II.1.).

26

2. Durch den Erlass des Umsatzsteuer-Jahresbescheids ist ferner auf Seiten des Beklagten ein Beteiligtenwechsel eingetreten.

27

Wird --wie hier-- während des Revisionsverfahrens ein Änderungsbescheid von einem anderen FA erlassen als der ursprüngliche Bescheid und wird der Änderungsbescheid gemäß § 68 FGO Gegenstand des Revisionsverfahrens, so richtet sich die Revision nunmehr gegen das FA, das den Änderungsbescheid erlassen hat (vgl. BFH-Beschluss vom 9. November 2004 V S 21/04, BFHE 207, 511, BStBl II 2005, 101).

28

3. Die Fortsetzungsfeststellungsklage (§ 100 Abs. 1 Satz 4 FGO), zu der die Revisionsklägerin übergegangen ist, ist zulässig (vgl. dazu BFH-Urteil vom 10. Februar 2010 XI R 3/09, BFH/NV 2010, 1450, unter II.3., m.w.N.), aber unbegründet; die Umsatzsteuerfestsetzung für Januar 2007 war rechtmäßig.

29

a) Die nach § 1 Abs. 1 Nr. 1 Satz 1 UStG steuerbaren Umsätze der GmbH waren nicht nach § 4 Nr. 9 Buchst. b UStG n.F. steuerfrei, wie der Senat in seinem Vorlagebeschluss in BFHE 224, 156, BStBl II 2009, 434, unter II.1. näher ausgeführt hat. Dass § 4 Nr. 9 Buchst. b UStG n.F. unionskonform ist, hat der EuGH in seinem in diesem Verfahren auf Vorlage des Senats ergangenen Urteil in BFH/NV 2010, 1590, HFR 2010, 884 geklärt.

30

b) Der Ansicht der Revisionsklägerin, der Umsatzsteuer-Vorauszahlungsbescheid für Januar 2007 sei deshalb rechtswidrig, weil die festgesetzte Steuer nicht auf die Endverbraucher (Spieler) abgewälzt werden könne, vermag der Senat nicht zu folgen.

31

aa) Entgegen der Ansicht der Revisionsklägerin sind die Ausführungen des EuGH in seinem Urteil --Pelzl-- in Slg. 1999, I-3119, HFR 1999, 853, UR 1999, 328 nicht so zu verstehen, dass die in Rz 21 dieses Urteils genannten wesentlichen Merkmale der Mehrwertsteuer Rechtmäßigkeitsvoraussetzungen einer Umsatzsteuerfestsetzung sind.

32

Vielmehr dienen die vom EuGH in Rz 21 seines Urteils --Pelzl-- in Slg. 1999, I-3119, HFR 1999, 853, UR 1999, 328 genannten vier wesentlichen Merkmale der Mehrwertsteuer (vgl. auch EuGH-Urteil vom 11. Oktober 2007 Rs. C-283, 312/06 --Kögaz--, Slg. 2007, I-8463, BFH/NV Beilage 2008, 44; BFH-Urteil vom 9. Oktober 2002 V R 81/01, BFHE 199, 507, BStBl II 2002, 887, unter II.3.c)

33

- allgemeine Geltung der Steuer für alle sich auf Gegenstände und Dienstleistungen beziehenden Geschäfte,

34

- Festsetzung ihrer Höhe proportional zum Preis, den der Steuerpflichtige als Gegenleistung für die Gegenstände und Dienstleistungen erhält,

35

- Erhebung der Steuer auf jeder Produktions- und Vertriebsstufe einschließlich der Einzelhandelsstufe, ungeachtet der Zahl der vorher bewirkten Umsätze,

36

- Abzug der auf den vorhergehenden Stufen bereits entrichteten Beträge von der vom Steuerpflichtigen geschuldeten Steuer, so dass sich die Steuer auf einer bestimmten Stufe nur auf den auf dieser Stufe vorhandenen Mehrwert bezieht und die Belastung letztlich vom Verbraucher getragen wird,

37

lediglich der Feststellung, ob eine Steuer, Abgabe oder Gebühr --wie im zugrunde liegenden Fall eine Tourismusabgabe-- den Charakter einer Umsatzsteuer i.S. von Art. 33 der Sechsten Richtlinie 77/388/EWG des Rates vom 17. Mai 1977 zur Harmonisierung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Umsatzsteuern hat (vgl. Rz 20 sowie Rz 21: "zu diesem Zweck").

38

Im Übrigen ist das zuletzt genannte Merkmal einer Umsatzsteuer im Streitfall erfüllt. Denn die GmbH war gemäß § 15 UStG zum Vorsteuerabzug berechtigt.

39

Darüber hinaus hat der EuGH daraus, dass die Mehrwertsteuer nur den Endverbraucher belasten soll, abgeleitet, dass die Bemessungsgrundlage für die von den Steuerbehörden zu erhebende Steuer nicht höher sein kann als die Gegenleistung, die der Endverbraucher tatsächlich erbracht hat (vgl. EuGH-Urteile vom 24. Oktober 1996 Rs. C-317/94 --Elida Gibbs--, Slg. 1996, I-5339, HFR 1997, 111, UR 1997, 265, Rz 19, 24, 28; vom 15. Oktober 2002 Rs. C-427/98 --Kommission gegen Bundesrepublik Deutschland--, Slg. 2002, I-8315, BStBl II 2004, 328, Rz 29).

40

Auch insoweit war der ursprünglich angefochtene Vorauszahlungsbescheid rechtmäßig. Denn die Bemessungsgrundlage für die von der GmbH geschuldete Umsatzsteuer war nicht höher als die von den Spielern tatsächlich gezahlten Beträge.

41

bb) Der Senat folgt ferner nicht der Ansicht der Revisionsklägerin, sie sei durch § 13 Abs. 1 Nr. 3 SpielV n.F. rechtlich an einer Überwälzung der Umsatzsteuer an die Endverbraucher (Spieler) gehindert.

42

Denn die Überwälzbarkeit einer Steuer bedeutet nicht, dass dem Steuerschuldner die rechtliche Gewähr geboten wird, er werde den als Steuer gezahlten Geldbetrag --etwa wie einen durchlaufenden Posten-- von der vom Steuergesetz der Idee nach als Steuerträger gemeinten Person auch tatsächlich ersetzt erhalten. Die Steuerüberwälzung ist ein wirtschaftlicher Vorgang; das Gesetz überlässt es dem Steuerschuldner, den Steuerbetrag in die Kalkulation einzubeziehen und die Wirtschaftlichkeit seines Unternehmens auch dann zu wahren; letztlich hängt es von der Marktlage ab, ob dem Steuerzahler die Überwälzung gelingt (vgl. BVerfG-Entscheidungen vom 10. Mai 1962  1 BvL 31/58, BVerfGE 14, 76, unter C.I.6.; vom 3. Mai 2001  1 BvR 624/00, BFH/NV Beilage 2001, 159, HFR 2001, 709, unter II.1.b aa).

43

Der Ansicht der Revisionsklägerin, diese Aussage des BVerfG beschränke sich auf die Vergnügungssteuer, zu der diese Entscheidungen ergangen sind, sie sei deshalb nicht auf die Umsatzsteuer zu übertragen, folgt der Senat angesichts der vom BVerfG gewählten allgemeinen Formulierungen nicht. Im Übrigen hat das BVerfG diese Grundsätze auch auf die Frage der Abwälzbarkeit anderer Verbrauchsteuern angewandt (vgl. z.B. zur Stromsteuer und zur Mineralölsteuer: BVerfG-Urteil vom 20. April 2004  1 BvR 905/00, BVerfGE 110, 274, Rz 67; zur Spielgerätesteuer: BVerfG-Beschluss vom 4. Februar 2009  1 BvL 8/05, BVerfGE 123, 1, HFR 2009, 708, unter C.II.1.c).

44

Soweit die Revisionsklägerin meint, im Unterschied zu anderen Steuern wie der Vergnügungssteuer, bei der zur Abwälzung ein kalkulatorisches Abwälzen genüge, werde im Umsatzsteuerrecht unter Abwälzung ausschließlich ein Aufschlagen der Steuer auf den Nettopreis verstanden, d.h. dem Unternehmer solle es zumindest rechtlich möglich sein, die Umsatzsteuer als Preisaufschlag zusätzlich zum Nettopreis zu verlangen, sieht der Senat für diese Differenzierung keine Grundlage. Im Übrigen verbietet § 13 Abs. 1 Nr. 3 SpielV n.F. ein Aufschlagen der Steuer auf den Nettopreis nicht. Insbesondere garantiert diese Vorschrift den Betreibern von Geldspielgeräten nicht eine bestimmte Gewinnmarge.

45

cc) In diesem Zusammenhang beruft sich die Revisionsklägerin ohne Erfolg auf den Beschluss des BVerfG in HFR 1997, 771, UVR 1997, 328.

46

In diesem Beschluss hat das BVerfG ausgeführt, seine Rechtsprechung zur verfassungsrechtlich gebotenen Berücksichtigung des existenznotwendigen Bedarfs als Untergrenze für den Zugriff durch Einkommensteuer könne auch im Hinblick auf Art. 3 Abs. 1 GG nicht auf die Umsatzsteuer übertragen werden (Orientierungssatz 2). Das Umsatzsteuersystem sei im Gegensatz zur Einkommensteuer auf Abwälzung angelegt. Der Unternehmer solle daher in dieser Eigenschaft nicht mit Umsatzsteuer belastet sein; Steuerträger solle vielmehr der Verbraucher sein (Orientierungssatz 2a). Da der Endverbraucher materiell mit der Umsatzsteuer belastet sei, stelle sich --wenn überhaupt-- allenfalls bei ihm die Frage der Steuerfreiheit des Existenzminimums auch im Bereich der indirekten Steuern (Orientierungssatz 2c).

47

Entgegen der Ansicht der Revisionsklägerin vermag der Senat dieser Entscheidung nicht zu entnehmen, das BVerfG sehe die erforderliche Möglichkeit zur Abwälzung der Umsatzsteuer (nur) dann als gegeben an, wenn die Umsatzsteuer, wie bei den Steuerberatern, zusätzlich zu den gesetzlich vorgeschriebenen Gebühren erhoben werden dürfe. Vielmehr hat das BVerfG insoweit ausgeführt (Rz 3): "So gelingt auch einem Steuerberater die Abwälzung der Umsatzsteuer auf seinen Mandanten, da er im Regelfall die gesetzlich vorgeschriebenen Gebühren abrechnet und die dem Finanzamt geschuldete Umsatzsteuer zusätzlich in Rechnung stellen darf (§ 15 der Gebührenverordnung für Steuerberater, Steuerbevollmächtigte und Steuerberatungsgesellschaften)."

48

Dabei handelt es sich aber um keine verallgemeinerungsfähige Aussage. Vielmehr hat das BVerfG hier lediglich beispielhaft die für Steuerberater geltende Gebührenordnung genannt - offenbar deshalb, weil der Kläger Steuerberater war.

49

Zudem hat das BVerfG für seine Aussage, die Umsatzsteuer sei im Gegensatz zur Einkommensteuer auf Abwälzung angelegt, in Rz 2 seiner Entscheidung in HFR 1997, 771, UVR 1997, 328 auf seinen Beschluss vom 19. März 1974  1 BvR 416, 767, 779/68 (BVerfGE 37, 38 <46>) verwiesen, wo es heißt: "Die Mehrwertsteuer ist auf Abwälzung angelegt. Für den Unternehmer, der eine Lieferung oder sonstige Leistung ausführt, ist daher weniger die Höhe des Steuersatzes als vielmehr der Grad der Wahrscheinlichkeit entscheidend, die Steuer weitergeben zu können. Die Aussichten dafür sind für Dienstleistungs- und Warenanbieter bei einheitlichem Steuersatz grundsätzlich gleich."

50

Damit reicht für das Merkmal der Abwälzbarkeit der Umsatzsteuer aus, dass diese Abwälzbarkeit generell möglich ist; sie wird dem einzelnen Unternehmer aber nur durch den Vorsteuerabzug und eine Bemessungsgrundlage garantiert, die nicht höher sein darf als die Gegenleistung, die der Endverbraucher tatsächlich erbracht hat (s. oben unter II.3.b aa).

51

c) Die Steuererhebung im Vorauszahlungsbescheid für Januar 2007 ist auch nicht wegen fehlender Proportionalität der festgesetzten Steuer zu den Einsätzen der einzelnen Spieler zu beanstanden.

52

Denn der EuGH hat in seinem Urteil vom 5. Mai 1994 Rs. C-38/93 --Glawe-- (Slg. 1994, I-1679, BStBl II 1994, 548) entschieden, bei Geldspielautomaten mit Gewinnmöglichkeit, die aufgrund zwingender gesetzlicher Vorschriften so eingestellt seien, dass ein bestimmter Prozentsatz der Spieleinsätze als Gewinn an die Spieler ausgezahlt werde, bestehe die vom Betreiber für die Bereitstellung der Automaten tatsächlich erhaltene Gegenleistung nur in dem Teil der Einsätze, über den er effektiv selbst verfügen könne; bei solchen Automaten gehöre der gesetzlich zwingend festgelegte Teil der Gesamtheit der Spieleinsätze, der den an die Spieler ausgezahlten Gewinnen entspreche, nicht zur Besteuerungsgrundlage.

53

Eine Proportionalität der Umsatzsteuer zu dem Einsatz jedes einzelnen Spielers, die nach dem Vorbringen der Revisionsklägerin deshalb nicht gegeben ist, weil Besteuerungsgrundlage nicht diese einzelnen Einsätze, sondern die monatlichen bzw. jährlichen Kasseneinnahmen seien, hat der EuGH in seinem Urteil in Slg. 1994, I-1679, BStBl II 1994, 548 --das die Betreiber von Geldspielautomaten nicht beschwert-- nicht gefordert. Dies ist auch nach der Rechtsprechung des BFH nicht erforderlich (vgl. z.B. Urteil vom 22. April 2010 V R 26/08, BFHE 229, 429, BStBl II 2010, 883).

54

d) Die Steuerfestsetzung im Umsatzsteuer-Vorauszahlungsbescheid für Januar 2007 verstieß entgegen der Ansicht der Revisionsklägerin auch nicht gegen den Neutralitätsgrundsatz.

55

Der EuGH hat in seinem in diesem Verfahren auf Vorlage des Senats ergangenen Urteil in BFH/NV 2010, 1590, HFR 2010, 884 einen Verstoß gegen den Neutralitätsgrundsatz verneint (Rz 34 ff.) und dabei u.a. ausgeführt, dass dieser Grundsatz auf eine nicht harmonisierte Abgabe keine Anwendung findet (Rz 38). Es ist deshalb unerheblich, dass nach dem Vortrag der Revisionsklägerin öffentliche Spielbanken --anders als gewerbliche Automatenaufsteller-- den Vorschriften der SpielV nicht unterliegen.

56

Jedenfalls behandelt "die im Ausgangsverfahren fragliche Regelung" --nämlich § 4 Nr. 9 Buchst. b UStG n.F.-- gleichartige Glücksspiele mit Geldeinsatz, die als miteinander im Wettbewerb stehend betrachtet werden können, mehrwertsteuerlich nicht unterschiedlich (vgl. Rz 36 des EuGH-Urteils).

57

e) Aus den vorstehend genannten Gründen scheidet auch der von der Revisionsklägerin geltend gemachte Verstoß von § 4 Nr. 9 Buchst. b UStG n.F. gegen Art. 2 Abs. 1, Art. 3 Abs. 1, Art. 12 Abs. 1 i.V.m. dem Rechtsstaatsgebot des Art. 20 Abs. 3 GG aus.

58

Das ergänzende, durch Einholung eines Sachverständigengutachtens unter Beweis gestellte Vorbringen der Revisionsklägerin, zwar würden auch bei in öffentlichen Spielbanken aufgestellten Geldspielgeräten die Kasseneinnahmen als Bemessungsgrundlage herangezogen, das verstoße aber gegen Art. 3 Abs. 1 GG, weil diese Geldspielgeräte nicht über die für die Ermittlung dieser Bemessungsgrundlage erforderlichen technischen Vorrichtungen verfügten, bleibt ohne Erfolg. Denn abgesehen davon, dass es sich dabei um im Revisionsverfahren unzulässiges neues Vorbringen handelt, ist nicht ersichtlich, weshalb ein Verstoß gegen den Gleichheitssatz vorliegen soll, wenn für Umsätze aus dem Betrieb gleichartiger Geldspielgeräte die gleiche Bemessungsgrundlage gilt.

59

4. Angesichts der bereits vorliegenden und vorstehend wiedergegebenen Rechtsprechung des EuGH und des BVerfG sieht der Senat für die von der Revisionsklägerin hilfsweise beantragte erneute Vorlage der Sache an den EuGH ebenso wenig eine Grundlage wie für eine Vorlage nach Art. 100 GG an das BVerfG.

(1) Die dem Betreuer nach § 1 Absatz 2 zu bewilligende Vergütung bestimmt sich nach monatlichen Fallpauschalen, die in den Vergütungstabellen A bis C der Anlage festgelegt sind.

(2) Die Vergütung des Betreuers richtet sich nach Vergütungstabelle A, sofern der Betreuer über keine besonderen Kenntnisse verfügt, die für die Führung der Betreuung nutzbar sind.

(3) Verfügt der Betreuer über besondere Kenntnisse, die für die Führung der Betreuung nutzbar sind, so richtet sich die Vergütung

1.
nach Vergütungstabelle B, wenn diese Kenntnisse durch eine abgeschlossene Lehre oder eine vergleichbare abgeschlossene Ausbildung erworben sind;
2.
nach Vergütungstabelle C, wenn diese Kenntnisse durch eine abgeschlossene Ausbildung an einer Hochschule oder durch eine vergleichbare abgeschlossene Ausbildung erworben sind.

(4) § 3 Absatz 2 gilt entsprechend. § 1 Absatz 1 Satz 2 Nummer 2 findet keine Anwendung.

Die Physikalisch-Technische Bundesanstalt darf die Bauart eines Geldspielgerätes nur zulassen, wenn folgende Anforderungen erfüllt sind:

1.
Der Spieleinsatz darf nur in Euro oder Cent erfolgen; ein Spiel beginnt mit dem Einsatz des Geldes, setzt sich mit der Bekanntgabe des Spielergebnisses fort und endet mit der Auszahlung des Gewinns beziehungsweise der Einstreichung des Einsatzes.
2.
Die Mindestspieldauer beträgt fünf Sekunden; dabei darf der Einsatz 0,20 Euro nicht übersteigen und der Gewinn höchstens 2 Euro betragen.
3.
Bei einer Verlängerung des Abstandes zwischen zwei Einsatzleistungen über fünf Sekunden hinaus bis zu einer Obergrenze von 75 Sekunden darf der Einsatz um höchstens 0,03 Euro je volle Sekunde erhöht werden; bei einer Verlängerung des Abstandes zwischen zwei Gewinnauszahlungen über fünf Sekunden hinaus bis zu einer Obergrenze von 75 Sekunden darf der Gewinn um höchstens 0,30 Euro je volle Sekunde erhöht werden. Darüber hinausgehende Erhöhungen von Einsatz und Gewinn sind ausgeschlossen.
4.
Die Summe der Verluste (Einsätze abzüglich Gewinne) darf im Verlauf einer Stunde 60 Euro nicht übersteigen.
5.
Die Summe der Gewinne abzüglich der Einsätze darf im Verlauf einer Stunde 400 Euro nicht übersteigen. Jackpots und andere Sonderzahlungen jeder Art sind ausgeschlossen.
6.
Nach einer Stunde Spielbetrieb legt das Spielgerät eine Spielpause von mindestens fünf Minuten ein, in der keine Einsätze angenommen und Gewinne gewährt werden. In der Pause dürfen keine Spielvorgänge, einsatz- und gewinnfreie Probe- oder Demonstrationsspiele oder sonstige Animationen angeboten werden.
6a.
Nach drei Stunden Spielbetrieb legt das Spielgerät eine Spielpause ein, in der es für mindestens fünf Minuten in den Ruhezustand versetzt wird; zu Beginn des Ruhezustandes sind die Geldspeicher zu entleeren und alle Anzeigeelemente auf die vordefinierten Anfangswerte zu setzen.
7.
Die Speicherung von Geldbeträgen in Einsatz- und Gewinnspeichern ist bei Geldannahme vom Spieler in der Summe auf 10 Euro begrenzt. Höhere Beträge werden unmittelbar nach der Aufbuchung automatisch ausgezahlt. Eine Bedienvorrichtung für den Spieler, mit der er vorab einstellen kann, dass aufgebuchte Beträge unbeeinflusst zum Einsatz gelangen, ist unzulässig. Jeder Einsatz darf nur durch unmittelbar zuvor erfolgte gesonderte physische Betätigung des Spielers ausgelöst werden. Es gibt eine nicht sperrbare Bedienvorrichtung zur Auszahlung, mit der der Spieler uneingeschränkt über die aufgebuchten Beträge, die in der Summe größer oder gleich dem Höchsteinsatz gemäß Nummer 1 sind, verfügen kann.
8.
Der Spielbetrieb darf nur mit auf Euro lautenden Münzen und Banknoten und nur unmittelbar am Spielgerät erfolgen.
8a.
Bei Mehrplatzspielgeräten müssen die einzelnen Spielstellen unabhängig voneinander benutzbar sein und jede Spielstelle hat die Anforderungen der §§ 12 und 13 zu erfüllen, soweit diese landesrechtlich überhaupt zulässig sind; aus der Bauartzulassung eines Mehrplatzspielgerätes folgt kein Anspruch auf die Aufstellung des Mehrplatzspielgerätes.
8b.
Mehrplatzspielgeräte dürfen über höchstens vier Spielstellen verfügen, einzelne Spielstellen dürfen nicht abstellbar sein.
9.
Das Spielgerät beinhaltet eine Kontrolleinrichtung, die sämtliche Einsätze, Gewinne und den Kasseninhalt zeitgerecht, unmittelbar und auslesbar erfasst. Die Kontrolleinrichtung gewährleistet die in den Nummern 1 bis 5 Satz 1 und Nummer 6a aufgeführten Begrenzungen.
9a.
Das Spielgerät zeichnet nach dem Stand der Technik die von der Kontrolleinrichtung gemäß Nummer 8 erfassten Daten dauerhaft so auf, dass
a)
sie jederzeit elektronisch verfügbar, lesbar und auswertbar sind,
b)
sie auf das erzeugende Spielgerät zurückgeführt werden können,
c)
die einzelnen Daten mit dem Zeitpunkt ihrer Entstehung verknüpft sind,
d)
ihre Vollständigkeit erkennbar ist und
e)
feststellbar ist, ob nachträglich Veränderungen vorgenommen worden sind.
10.
Der Spielbetrieb darf nur bei ständiger Verwendung eines gültigen gerätegebundenen, personenungebundenen Identifikationsmittels möglich sein, wobei
a)
die Gültigkeit des verwendeten Identifikationsmittels durch das Spielgerät vor Aufnahme des Spielbetriebs geprüft werden muss und
b)
während des Spielbetriebs keine Daten auf dem verwendeten Identifikationsmittel gespeichert werden dürfen.
11.
Das Spielgerät und seine Komponenten müssen der Funktion entsprechend nach Maßgabe des Standes der Technik zuverlässig und gegen Veränderungen gesichert gebaut sein.
12.
Das Spielgerät muss so gebaut sein, dass die Übereinstimmung der Nachbaugeräte mit der zugelassenen Bauart überprüft werden kann.

(1) Ausnahmegerichte sind unzulässig. Niemand darf seinem gesetzlichen Richter entzogen werden.

(2) Gerichte für besondere Sachgebiete können nur durch Gesetz errichtet werden.