Bundesgerichtshof Beschluss, 25. Aug. 2016 - 1 StR 290/16

ECLI:ECLI:DE:BGH:2016:250816B1STR290.16.0
bei uns veröffentlicht am25.08.2016

Gericht

Bundesgerichtshof


Der Bundesgerichtshof (BGH) ist das höchste Gericht der ordentlichen Gerichtsbarkeit in Deutschland.  Der BGH besteht aus 16 Senaten, die jeweils von einem Vorsitzenden und mehreren anderen Richtern geleitet werden. Die Zusammensetzung der Senate

Richter

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
1 StR 290/16
vom
25. August 2016
in der Strafsache
gegen
wegen Bankrotts
ECLI:DE:BGH:2016:250816B1STR290.16.0

Der 1. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat am 25. August 2016 gemäß § 349 Abs. 4 StPO beschlossen:
Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Mannheim vom 1. Dezember 2015 mit den Feststellungen aufgehoben. Die Sache wird zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Wirtschaftsstrafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.

Gründe:

1
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen vier Fällen des Bankrotts zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von vier Jahren verurteilt und eine Feststellung nach § 111i Abs. 2 StPO getroffen. Die Revision des Angeklagten hat mit der Sachrüge Erfolg.
2
1. Die Feststellungen tragen den Schluss der Kammer, der Angeklagte habe im Sinne von § 283 Abs. 2 StGB durch vier Auszahlungen in Höhe von je 500.000 Euro jeweils die Zahlungsunfähigkeit der A. GmbH herbeigeführt, nicht. Weder enthalten die Feststellungen ein Rechenwerk, das die Auswirkungen dieser Abflüsse auf die Zahlungsunfähigkeit der später in Insolvenz geratenen GmbH konkret belegt, noch kann dies den Urteilsgründen im Übrigen entnommen werden. Im Gegenteil stellt die Kammer an anderer Stelle fest, dass von diesen ausgekehrten Beträgen über 1,5 Mio. Euro unmittelbar wieder an die Gesellschaft zurückgeflossen sind.
3
2. Die Beweiswürdigung hält in zweierlei Hinsicht revisionsrechtlicher Überprüfung nicht stand:
4
a) Wie der Generalbundesanwalt in seiner Zuschrift im Einzelnen zutreffend ausgeführt hat, genügt das Urteil den Anforderungen der Rechtsprechung an die Darstellung der Beweiswürdigung nicht. Anstatt eine zusammenfassende Beweiswürdigung vorzunehmen, dokumentiert das Urteil lediglich die Beweisaufnahme , indem die Angaben des Angeklagten, die Aussagen von Zeugen und der Inhalt von Urkunden mitgeteilt werden. Es fehlt insbesondere an einer Auseinandersetzung mit der umfangreichen Einlassung des Angeklagten. Dieser hat eine Reihe entlastender Gesichtspunkte vorgebracht, die von der Kammer im Rahmen der Beweiswürdigung weder aufgegriffen noch sonst abgehandelt werden.
5
b) Die Feststellung der (drohenden) Zahlungsunfähigkeit ist nicht rechtsfehlerfrei beweiswürdigend belegt.
6
In Fällen wie dem vorliegenden verlangt die Rechtsprechung hierfür entweder eine stichtagsbezogene Gegenüberstellung der fälligen Verbindlichkeiten einerseits und der zu ihrer Tilgung vorhandenen oder kurzfristig herbeizuschaffenden Mittel andererseits oder eine Bewertung sog. wirtschaftskriminalistischer Anzeichen (vgl. nur Senat, Beschluss vom 21. August 2013 – 1 StR 665/12, NStZ 2014, 107 mwN). Wird eine Gegenüberstellung gewählt, muss die Darstellung der Liquiditätslage zu ausgewählten Stichtagen so aussagekräftig sein, dass dem Revisionsgericht die Kontrolle möglich ist, ob das Landgericht von zutreffenden Voraussetzungen ausgegangen und einen nachvollziehbaren Rechenweg gewählt hat (BGH, Beschluss vom 10. Februar 2009 – 3 StR 372/08, NJW 2009, 2225, 2226 mwN).
7
Vorliegend korrespondiert die Feststellung der Zahlungsunfähigkeit lediglich mit Angaben des Zeugen Rechtsanwalt Hirte, der nur im Ergebnis eine Unterdeckungsquote zu verschiedenen Stichtagen berichtet hat (UA S. 70). Die sachverständige Zeugin F. hingegen, Sachbearbeiterin für Buchprüfung beim Landeskriminalamt, konnte aufgrund der mangelhaften Buchhaltung zu den hier entscheidenden Stichtagen keinen Liquiditätsstatus berechnen (UA S. 67). Eine konkrete stichtagsbezogene Gegenüberstellung im o.g. Sinne fehlt mithin.
Raum Jäger Cirener Mosbacher Bär

Urteilsbesprechung zu Bundesgerichtshof Beschluss, 25. Aug. 2016 - 1 StR 290/16

Urteilsbesprechungen zu Bundesgerichtshof Beschluss, 25. Aug. 2016 - 1 StR 290/16

Referenzen - Gesetze

Strafprozeßordnung - StPO | § 349 Entscheidung ohne Hauptverhandlung durch Beschluss


(1) Erachtet das Revisionsgericht die Vorschriften über die Einlegung der Revision oder die über die Anbringung der Revisionsanträge nicht für beobachtet, so kann es das Rechtsmittel durch Beschluß als unzulässig verwerfen. (2) Das Revisionsgeric

Strafprozeßordnung - StPO | § 111i Insolvenzverfahren


(1) Ist jemandem aus der Tat ein Anspruch auf Ersatz des Wertes des Erlangten erwachsen und wird das Insolvenzverfahren über das Vermögen des Arrestschuldners eröffnet, so erlischt das Sicherungsrecht nach § 111h Absatz 1 an dem Gegenstand oder an de

Strafgesetzbuch - StGB | § 283 Bankrott


(1) Mit Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder mit Geldstrafe wird bestraft, wer bei Überschuldung oder bei drohender oder eingetretener Zahlungsunfähigkeit 1. Bestandteile seines Vermögens, die im Falle der Eröffnung des Insolvenzverfahrens zur Ins
Bundesgerichtshof Beschluss, 25. Aug. 2016 - 1 StR 290/16 zitiert 3 §§.

Strafprozeßordnung - StPO | § 349 Entscheidung ohne Hauptverhandlung durch Beschluss


(1) Erachtet das Revisionsgericht die Vorschriften über die Einlegung der Revision oder die über die Anbringung der Revisionsanträge nicht für beobachtet, so kann es das Rechtsmittel durch Beschluß als unzulässig verwerfen. (2) Das Revisionsgeric

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(1) Erachtet das Revisionsgericht die Vorschriften über die Einlegung der Revision oder die über die Anbringung der Revisionsanträge nicht für beobachtet, so kann es das Rechtsmittel durch Beschluß als unzulässig verwerfen.

(2) Das Revisionsgericht kann auf einen Antrag der Staatsanwaltschaft, der zu begründen ist, auch dann durch Beschluß entscheiden, wenn es die Revision einstimmig für offensichtlich unbegründet erachtet.

(3) Die Staatsanwaltschaft teilt den Antrag nach Absatz 2 mit den Gründen dem Beschwerdeführer mit. Der Beschwerdeführer kann binnen zwei Wochen eine schriftliche Gegenerklärung beim Revisionsgericht einreichen.

(4) Erachtet das Revisionsgericht die zugunsten des Angeklagten eingelegte Revision einstimmig für begründet, so kann es das angefochtene Urteil durch Beschluß aufheben.

(5) Wendet das Revisionsgericht Absatz 1, 2 oder 4 nicht an, so entscheidet es über das Rechtsmittel durch Urteil.

(1) Ist jemandem aus der Tat ein Anspruch auf Ersatz des Wertes des Erlangten erwachsen und wird das Insolvenzverfahren über das Vermögen des Arrestschuldners eröffnet, so erlischt das Sicherungsrecht nach § 111h Absatz 1 an dem Gegenstand oder an dem durch dessen Verwertung erzielten Erlös, sobald dieser vom Insolvenzbeschlag erfasst wird. Das Sicherungsrecht erlischt nicht an Gegenständen, die in einem Staat belegen sind, in dem die Eröffnung des Insolvenzverfahrens nicht anerkannt wird. Die Sätze 1 und 2 gelten entsprechend für das Pfandrecht an der nach § 111g Absatz 1 hinterlegten Sicherheit.

(2) Sind mehrere Anspruchsberechtigte im Sinne des Absatzes 1 Satz 1 vorhanden und reicht der Wert des in Vollziehung des Vermögensarrestes gesicherten Gegenstandes oder des durch seine Verwertung erzielten Erlöses zur Befriedigung der von ihnen geltend gemachten Ansprüche nicht aus, so stellt die Staatsanwaltschaft einen Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen des Arrestschuldners. Die Staatsanwaltschaft sieht von der Stellung eines Eröffnungsantrags ab, wenn begründete Zweifel daran bestehen, dass das Insolvenzverfahren auf Grund des Antrags eröffnet wird.

(3) Verbleibt bei der Schlussverteilung ein Überschuss, so erwirbt der Staat bis zur Höhe des Vermögensarrestes ein Pfandrecht am Anspruch des Schuldners auf Herausgabe des Überschusses. In diesem Umfang hat der Insolvenzverwalter den Überschuss an die Staatsanwaltschaft herauszugeben.

(1) Mit Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder mit Geldstrafe wird bestraft, wer bei Überschuldung oder bei drohender oder eingetretener Zahlungsunfähigkeit

1.
Bestandteile seines Vermögens, die im Falle der Eröffnung des Insolvenzverfahrens zur Insolvenzmasse gehören, beiseite schafft oder verheimlicht oder in einer den Anforderungen einer ordnungsgemäßen Wirtschaft widersprechenden Weise zerstört, beschädigt oder unbrauchbar macht,
2.
in einer den Anforderungen einer ordnungsgemäßen Wirtschaft widersprechenden Weise Verlust- oder Spekulationsgeschäfte oder Differenzgeschäfte mit Waren oder Wertpapieren eingeht oder durch unwirtschaftliche Ausgaben, Spiel oder Wette übermäßige Beträge verbraucht oder schuldig wird,
3.
Waren oder Wertpapiere auf Kredit beschafft und sie oder die aus diesen Waren hergestellten Sachen erheblich unter ihrem Wert in einer den Anforderungen einer ordnungsgemäßen Wirtschaft widersprechenden Weise veräußert oder sonst abgibt,
4.
Rechte anderer vortäuscht oder erdichtete Rechte anerkennt,
5.
Handelsbücher, zu deren Führung er gesetzlich verpflichtet ist, zu führen unterläßt oder so führt oder verändert, daß die Übersicht über seinen Vermögensstand erschwert wird,
6.
Handelsbücher oder sonstige Unterlagen, zu deren Aufbewahrung ein Kaufmann nach Handelsrecht verpflichtet ist, vor Ablauf der für Buchführungspflichtige bestehenden Aufbewahrungsfristen beiseite schafft, verheimlicht, zerstört oder beschädigt und dadurch die Übersicht über seinen Vermögensstand erschwert,
7.
entgegen dem Handelsrecht
a)
Bilanzen so aufstellt, daß die Übersicht über seinen Vermögensstand erschwert wird, oder
b)
es unterläßt, die Bilanz seines Vermögens oder das Inventar in der vorgeschriebenen Zeit aufzustellen, oder
8.
in einer anderen, den Anforderungen einer ordnungsgemäßen Wirtschaft grob widersprechenden Weise seinen Vermögensstand verringert oder seine wirklichen geschäftlichen Verhältnisse verheimlicht oder verschleiert.

(2) Ebenso wird bestraft, wer durch eine der in Absatz 1 bezeichneten Handlungen seine Überschuldung oder Zahlungsunfähigkeit herbeiführt.

(3) Der Versuch ist strafbar.

(4) Wer in den Fällen

1.
des Absatzes 1 die Überschuldung oder die drohende oder eingetretene Zahlungsunfähigkeit fahrlässig nicht kennt oder
2.
des Absatzes 2 die Überschuldung oder Zahlungsunfähigkeit leichtfertig verursacht,
wird mit Freiheitsstrafe bis zu zwei Jahren oder mit Geldstrafe bestraft.

(5) Wer in den Fällen

1.
des Absatzes 1 Nr. 2, 5 oder 7 fahrlässig handelt und die Überschuldung oder die drohende oder eingetretene Zahlungsunfähigkeit wenigstens fahrlässig nicht kennt oder
2.
des Absatzes 2 in Verbindung mit Absatz 1 Nr. 2, 5 oder 7 fahrlässig handelt und die Überschuldung oder Zahlungsunfähigkeit wenigstens leichtfertig verursacht,
wird mit Freiheitsstrafe bis zu zwei Jahren oder mit Geldstrafe bestraft.

(6) Die Tat ist nur dann strafbar, wenn der Täter seine Zahlungen eingestellt hat oder über sein Vermögen das Insolvenzverfahren eröffnet oder der Eröffnungsantrag mangels Masse abgewiesen worden ist.

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
1 StR 665/12
vom
21. August 2013
in der Strafsache
gegen
wegen vorsätzlicher Insolvenzverschleppung u.a.
Der 1. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat am 21. August 2013 beschlossen
:
Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts
Landshut vom 18. September 2012 mit den zugrundeliegenden
Feststellungen aufgehoben (§ 349 Abs. 4 StPO).
Die Sache wird zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch
über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere als Wirtschaftsstrafkammer
tätige Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.

Gründe:


1
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen vorsätzlicher Insolvenzverschleppung sowie wegen Betruges zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von einem Jahr mit Strafaussetzung zur Bewährung verurteilt. Hiergegen wendet sich der Angeklagte mit seiner auf die Verletzung sachlichen und formellen Rechts gestützten Revision. Im Hinblick auf die Rüge der fehlenden sachlichen Zuständigkeit des Landgerichts verweist der Senat auf die Ausführungen in der Antragsschrift des Generalbundesanwalts. Da bereits die Sachrüge zum vollen Erfolg des Rechtsmittels führt, bedarf es eines Eingehens auf die weiteren Verfahrensrügen nicht mehr.

I.


2
1. Das Landgericht hat folgende Feststellungen getroffen:
3
Der Angeklagte war Vorstand der T. . Bei der T. handelte es sich um die Muttergesellschaft eines Konzerns, unter deren Kontrolle mehrere Tochtergesellschaften standen. Hauptaktionär der T. war die A. AG (im Folgenden: A. ), deren Geschäftszweck in der Sanierung und dem anschließenden Verkauf von Gesellschaften bestand. Anfang 2007 hatte die T. 90 Prozent der Gesellschaftsanteile an der C. GmbH (im Folgenden: C. ) erworben.
4
Die wirtschaftliche Lage des T. -Konzerns war schlecht. Die Mutter- gesellschaft und „ihre Töchter hätten in 2009 Insolvenzantrag stellen müssen, sofern die A. AG nicht bereit gewesen wäre, Geld einzuschie- ßen“. Dies wolltedie liquide A. aber nicht im erforderlichen Umfang, sie wollte vielmehr nur eine „bilanzielle Überschuldung verhindern“, um den gesamten T. -Konzern bis zum Verkauf an einen Investor am Leben zu erhalten. Ein Investor wurde schließlich im Sommer 2009 gefunden; am 17. Juli 2009 erfolgte die Veräußerung der von der A. gehaltenen Geschäftsanteile an der T. an russische Privatpersonen. Mit diesem Tag trat der Angeklagte von allen Ämtern bei der T. und der C. zurück.
5
Anlässlich einer Gesellschafterversammlung der C. am 18. Februar 2009 war in Anwesenheit des Angeklagten seine Bestellung zum Geschäftsführer - er war bereits Geschäftsführer der weiteren T. -Tochter CO. - beschlossen worden. Die Bestellung sollte mit der förmlichen Annahme vollzogen werden. Hierzu kam es aber in Folge nicht. Bis zur Annahme war dem Angeklagten eine uneingeschränkte Generalvollmacht nach § 54 HGB erteilt worden. Das Vorgehen sollte der engmaschigen Kontrolle des Geschäftsführers S. durch die T. dienen. Nachdem am 17. April 2009 S.
verstorben war, agierte der Angeklagte als faktischer Geschäftsführer der C. .
6
Sämtliche Einkäufe und Zahlungen durch die C. wurden durch ihn genehmigt. Obwohl er wusste, dass die Mittel der C. nicht reichten, um sämtliche von ihr getätigten Bestellungen zu bezahlen, genehmigte er Bestellungen bei dem Lieferanten Al. am 5., 6., 7., 12., 15., 19., 26., 28. und 29. Mai sowie am 2., 3., 4., 5., 9., 10., 12. und 16. Juni 2009 in Höhe von insge- samt 76.998,17 € und am 13. Mai 2009 bei dem Lieferanten AO. in Höhe von 60.509 €. Am 7. Juli 2009 unterbreitete der Angeklagte der Al. einen Ra- tenzahlungsvorschlag, Zahlungen erfolgten jedoch nicht.
7
Die finanziellen Verhältnisse der C. waren angespannt, die vorhan- denen Mittel „reichten nicht, um sämtliche Gläubiger zu befriedigen“. Spätes- tens ab Ende April 2009 war die C. „zahlungsunfähig“, was der Angeklagte billigend in Kauf nahm. Er stellte dennoch zunächst keinen Insolvenzantrag. Er konnte darauf hoffen, „im Fall extremer Liquiditätsengpässe finanzielle Un- terstützung der Hauptgesellschafterin A. zu erlangen“. Eine Gewähr hierfür hatte er nicht. Insolvenzantrag stellte er erst am 4. August 2009, nachdem die russischen Investoren nicht bereit waren, Geld für den T. -Konzern zur Verfügung zu stellen. Das Verfahren wurde am 1. Oktober 2009 eröffnet.
8
2. a) Das Landgericht hat den Straftatbestand des § 15a Abs. 4 InsO zugrunde gelegt und die Verpflichtung des Angeklagten zur Stellung des Insolvenzantrags aus § 15a Abs. 1 und Abs. 3 InsO abgeleitet. Seine Feststellungen zur Insolvenzreife der C. hat es auf folgende Überlegungen gestützt:
9
Eine stichtagsbezogene Gegenüberstellung der fälligen Verbindlichkeiten und der zu ihrer Tilgung vorhandenen Mittel im Rahmen eines Finanzplanschemas sei nicht möglich, da die Zahlen aus der Buchhaltung nicht richtig sein könnten. Die in der Summen- und Saldenliste ausgewiesenen Forderungen gegen Dritte könnten nicht richtig sein, da sie mit den zweifellos gegebenen Zahlungsschwierigkeiten der C. nicht in Einklang zu bringen seien. Vielmehr spreche das umgehende Eintreiben von Außenständen gegen das Bestehen von werthaltigen Forderungen gegenüber Dritten in Höhe von mehr als 1 Mio. €.
10
Daher sei auf die „sogenannte wirtschaftskriminalistische Methode“ abzustellen. Schon da im April 2009 „offene Verbindlichkeiten“ bestanden hätten, die bis zur Eröffnung des Insolvenzverfahrens nicht beglichen worden seien, sei „im Hinblick auf BGH, Az.: IXZR 228/03 vom 12.10.2006, von Zahlungsunfähigkeit der C. auszugehen“. Maßgeblich sei zudem, dass das Geld nicht ausgereicht habe, um sämtliche Gläubiger zu befriedigen, was die Zahlungspläne der C. belegten. Freie Kreditlinien hätten nicht zur Verfügung gestanden. Eine schriftliche Anfrage durch den von der Strafkammer hinzugezogenen Sachverständigen an die Gläubiger der C. habe ergeben, dass sich der Schuldenstand von 99.658,06 € im Januar 2009 auf 370.835,68 € im April 2009, auf 590.186,83 € im Mai 2009, auf 630.485,59 € im Juni 2009 und auf 698.165,50 € im Juli 2009 erhöht hätte.
11
b) Die Strafbarkeit wegen Betruges hat das Landgericht darauf gestützt, dass der Angeklagte spätestens ab April 2009 um die Insolvenzlage der C. gewusst bzw. damit ernsthaft gerechnet habe. Dennoch habe er die Einkäufe jeweils genehmigt. Dies sei „strafbar im Rahmen eines sogenannten Organisationsdelikts“.

II.


12
Die Feststellung der Zahlungsunfähigkeit als Voraussetzung für die strafbewehrte Pflicht, Insolvenzantrag zu stellen, hält revisionsrechtlicher Nachprüfung nicht stand. Denn das Landgericht legt insoweit einen falschen Maßstab zugrunde; davon ausgehend sind seine Feststellungen auch lückenhaft bzw. nicht nachvollziehbar.
13
1. Nach § 17 Abs. 2 InsO ist der Schuldner zahlungsunfähig, wenn er nicht in der Lage ist, die fälligen Zahlungspflichten zu erfüllen. Entscheidend ist allein der Zeitpunkt der Fälligkeit einer Forderung, der nur durch eine Stundungsvereinbarung hinausgeschoben werden kann. Von der Zahlungsunfähigkeit abzugrenzen ist die bloße Zahlungsstockung, d.h. der kurzfristig behebbare Mangel an flüssigen Mitteln. Dieser muss in einem Zeitraum von maximal drei Wochen zu beseitigen sein, da eine kreditwürdige Person in der Lage ist, sich binnen dieser Frist die benötigten Beträge darlehensweise zu beschaffen. Sonst liegt Zahlungsunfähigkeit vor (BGH, Beschluss vom 23. Mai 2007 - 1 StR 88/07, BGHR GmbHG § 64 Abs. 1 Zahlungsfähigkeit 2 mwN).
14
Die Feststellung derselben erfolgt in der Regel durch die sogenannte betriebswirtschaftliche Methode. Dies setzt eine stichtagsbezogene Gegenüberstellung der fälligen Verbindlichkeiten einerseits und der zu ihrer Tilgung vorhandenen oder kurzfristig herbeizuschaffenden Mittel andererseits voraus (BGH, Urteil vom 20. Juli 1999 - 1 StR 668/98, NJW 2000, 154; Beschluss vom 30. Januar 2003 - 3 StR 437/02, NStZ 2003, 546). Zur Abgrenzung von der bloßen Zahlungsstockung ist diese Methode um eine Prognose darüber zu ergänzen , ob innerhalb der Drei-Wochen-Frist mit der Wiederherstellung der Zahlungsfähigkeit hinreichend sicher zu rechnen ist, etwa durch Kredite, Zuführung von Eigenkapital, Einnahmen aus dem normalen Geschäftsbetrieb oder der Veräußerung von Vermögensgegenständen. Das geschieht durch eine Finanzplanrechnung , aus der sich die hinreichend konkret zu erwartenden Einnahmen und Ausgaben der nächsten 21 Tage ergeben (vgl. hierzu im Einzelnen Graf/Jäger/Wittig-Otte, Wirtschafts- und Steuerstrafrecht 2011, § 15a InsO Rn. 65 f. mwN).
15
Die Zahlungsunfähigkeit im Sinne des § 17 Abs. 2 InsO kann aber auch durch sogenannte wirtschaftskriminalistische Beweisanzeichen belegt werden (wirtschaftskriminalistische Methode; vgl. hierzu BGH, Urteil vom 20. Juli 1999 - 1 StR 668/98, NJW 2000, 154). Als wirtschaftskriminalistische Warnzeichen kommen u.a. in Betracht die ausdrückliche Erklärung, nicht zahlen zu können, das Ignorieren von Rechnungen und Mahnungen, gescheiterte Vollstreckungsversuche , Nichtzahlung von Löhnen und Gehältern, der Sozialversicherungsabgaben oder der sonstigen Betriebskosten, Scheck- und Wechselproteste oder Insolvenzanträge von Gläubigern (vgl. zu den Krisensignalen im Einzelnen auch Achenbach/Ransiek-Wegner, Handbuch Wirtschaftsstrafrecht, 3. Aufl., 7. Teil 1. Kap. Rn. 93; Otte, aaO Rn. 68 mwN).
16
2. Hieran gemessen tragen die Urteilsausführungen die Feststellung der Zahlungsunfähigkeit nicht.
17
a) Soweit die Strafkammer als ausschlaggebendes wirtschaftskriminalistisches Anzeichen für eine Zahlungsunfähigkeit wertet, dass im fraglichen Zeitraum Verbindlichkeiten bestanden, die bis zur Verfahrenseröffnung nicht mehr beglichen worden sind, liegt dem ein unzutreffender Maßstab zugrunde. Denn es handelt sich insoweit um die Grundsätze zur Feststellung der Zahlungsunfähigkeit durch den Tatrichter bei Insolvenzanfechtung. Denn dies stellt ein Ver- fahren dar, welches auf eine rückblickende Betrachtung unter Berücksichtigung der weiteren wirtschaftlichen Entwicklung - etwa im Hinblick auf die Verbindlichkeiten - zurückgreifen kann, mithin auf eine prognostische Beurteilung gerade nicht angewiesen ist. Anders verhält es sich aber bei der Frage, ob eine Insolvenzantragspflicht gemäß § 15a InsO besteht, da nach den oben dargelegten Maßstäben insoweit eine prognostische Beurteilung erforderlich ist. Auf diesen Unterschied weist der Bundesgerichtshof in der vom Landgericht in Bezug genommenen Entscheidung ausdrücklich hin (BGH, Urteil vom 12. Oktober2006 - IX ZR 228/03 Rn. 28).
18
Dass im Tatzeitraum „offene Verbindlichkeiten“ bestanden, die bei der Eröffnung des Insolvenzverfahrens am 1. Oktober 2009 noch nicht beglichen worden waren, ist daher kein tauglicher Anknüpfungspunkt für die Annahme des zeitlich vorgelagerten Eintritts der Zahlungsunfähigkeit.
19
Auch im Weiteren sind keine ausreichend tragfähigen Beweisanzeichen für die Annahme der Zahlungsunfähigkeit dargelegt. Zwar kann es sich bei Kredit - und Darlehenskündigungen von Banken um ein Krisensignal handeln, die Kündigung des Darlehens in Höhe von 172.129,21 € durch die D. Bank mit Schreiben vom 10. Juni 2009 ist jedoch für sich genommen nicht hinlänglich aussagekräftig, zumal offen bleibt, ob die Forderung beglichen worden ist. Auch ist es nicht ausreichend, dass das Landgericht darlegt, die wirtschaftliche Lage sei „angespannt“ gewesen, Außenstände seien sofort eingetrieben wordenund „das Geld“ hättejedenfalls seit April 2009 nicht ausgereicht, „sämtliche Gläubiger der C. zu befriedigen“.
20
b) Soweit das Landgericht Ausführungen zu Verbindlichkeiten derC. und ihren Möglichkeiten zur Begleichung derselben macht - was jedoch der Sache nach unter die betriebswirtschaftliche Methode zur Feststellung der Zahlungsunfähigkeit fällt - boten die Feststellungen aber ebenfalls keine hinreichende Grundlage für die Annahme der Zahlungsunfähigkeit.
21
aa) Dies gilt schon deswegen, weil die Strafkammer bei der Darstellung der Verbindlichkeiten nicht deutlich danach unterscheidet, ob es sich um nur bestehende oder auch um fällige Forderungen handelt.
22
So ist nicht festgestellt, welche konkreten fälligen Forderungen bestanden , die nicht beglichen werden konnten. Die Feststellung, dass nicht „sämtliche Gläubiger“ hätten befriedigt werden können, ersetzt das Erfordernis einer Liquiditätsbilanz nicht. So belegt der von der Strafkammer ihrer Annahme der Zahlungsunfähigkeit zugrunde gelegte Zahlungsplan vom 8. Juni 2009 gerade nicht ausreichend, dass fällige Forderungen nicht beglichen werden konnten. Danach standen der C. an diesem Tag aus dem Eingang von Zahlungen 130.000 € zur Verfügung. Diese wurden aufgewandt, um mehrere fällige Ver- bindlichkeiten in Höhe von insgesamt 111.000 € zu begleichen. Zu einer dieser Teilforderungen in Höhe von 10.000 € ist vermerkt: „Gesamt OP ca. 90.000 €“. Hieraus folgert das Landgericht als Beleg für die Zahlungsunfähigkeit, dass zu- sätzlich zu den 111.000 € weitere 90.000 € nicht beglichen werden konnten. Dass es sich bei diesen 90.000 € um schon fällige und noch nicht - wiez.B. durch die Teilzahlung von 10.000 € - zumindest teilweise beglichene Forderungen handelte, ist dadurch jedoch nicht belegt. Dies - insbesondere im Zusammenhang mit der Zugrundelegung des falschen Maßstabs (vgl. oben a) - vertieft die Besorgnis, dass das Landgericht den Aspekt der Fälligkeit im Tatzeitraum nicht ausreichend in den Blick genommen und bestehende Forderungen mit fälligen Forderungen gleich gesetzt hat.
23
Vor diesem Hintergrund vermag auch die vereinzelte Feststellung, es habe sich bei der dargestellten Entwicklung der Schulden um „fällige Schulden“ gehandelt, die Zahlungsunfähigkeit nicht hinreichend sicher zu belegen. Diesen Feststellungen mangelt es zum einen an einer nachvollziehbaren Grundlage. Hierzu wird nur mitgeteilt, dass die Zahlen aus einer schriftlichen Anfrage an die Gläubiger der C. durch den Sachverständigen resultierten. Unklar bleibt jedoch, was genau Inhalt dieser Anfrage war und ob die von den Gläubigern angegebenen Forderungen tatsächlich den Schluss auf die Fälligkeit derselben im Tatzeitraum und nicht lediglich zum Zeitpunkt der Eröffnung des Insolvenzverfahrens zulassen. Insbesondere lässt sich nicht nachvollziehen, ob eine Stundung (vgl. hierzu Müller-Gugenberger/Bieneck, Wirtschaftsstrafrecht, 5. Aufl., § 76 Rn. 57 mwN) erfolgte, was angesichts der Feststellungen zumindest teilweise - z.B. hinsichtlich der Gläubiger CO. und Al. - durchaus nahe liegt, jedoch vom unzutreffenden Rechtsmaßstab der Strafkammer aus keine weitere Erörterung erfuhr. Bei gestundeten Forderungen handelt es sich aber nicht um fällige Forderungen im Sinne des § 17 Abs. 2 InsO.
24
Einen Vergleich der dergestalt „angemeldeten“ Forderungen,die nur in ihrer jeweiligen monatlichen Gesamthöhe mitgeteilt werden und eine weitere Spezifizierung vermissen lassen, mit den Erkenntnissen aus den Insolvenzunterlagen oder den Zahlen aus der Buchhaltung hat das Landgericht nicht angestellt. Dies wäre aber erforderlich gewesen, zumal die vom Landgericht dargelegten Erkenntnisschwächen der Buchhaltungsunterlagen nicht auf Verbindlichkeiten der C. selbst bezogen sind.
25
bb) Zudem sind die Feststellungen zu den zur Verfügung stehenden Zahlungsmitteln nicht ausreichend. Als solche kommen nämlich gemäß den oben dargelegten Grundsätzen nicht nur „freie Kreditlinien“ in Betracht, sondern auch anderweitige kurzfristig herbeizuschaffende Finanzmittel.
26
Deswegen hätte in diesem Zusammenhang erörtert werden müssen, dass ausweislich der Feststellungen zwei Bankkonten im gesamten Tatzeitraum noch relevantes Guthaben aufwiesen, so das Konto bei der Sp. und das bei der H. , welche zusammengenommen ein Guthaben von über 180.000 € im Mai 2009 und von über 160.000 €im Juni 2009 aufwiesen. Zudem wäre in die Betrachtung einzubeziehen gewesen, mit welchen Einnahmen aus dem Geschäftsbetrieb der C. hinreichend sicher stichtagsbezogen zu rechnen war. Denn das Landgericht stellt schließlich fest, dass werthaltige Forderungen gegen Kunden der C. in einer Höhe von bis zu 1 Mio. € nicht auszuschließen seien. Auch die Umstände, unter denen die A. bereit gewesen wäre, Finanzmittel für die C. zur Verfügung zu stellen („zur Vermeidung einer bilanziellen Überschuldung“, „im ‚Notfall‘“, „im Fall extremer Liquiditätsengpässe“)wären näher aufzuklären und die gegebenenfalls so ermittelten Beträge in die Gegenüberstellung einzubeziehen gewesen.

III.


27
Da die Zahlungsunfähigkeit der C. nicht ausreichend belegt ist, die Feststellungen zum Betrug aber hieran anknüpfen, war die Verurteilung auch insoweit mit den Feststellungen aufzuheben. Sollte das neue Tatgericht sich abermals davon überzeugen, dass die Bestellungen durch den Angeklagten in der festgestellten Weise, mithin durch die jeweilige Genehmigung der Bestellungen betrügerisch erfolgten, so handelt es sich nicht um die Begehung eines einheitlichen Delikts, sondern um mehrere selbständige Betrugstaten.

IV.


28
Um dem neuen Tatgericht eine umfassende Neubeurteilung zu ermöglichen , hebt der Senat die Feststellungen insgesamt auf, auch wenn diejenigen zur faktischen Geschäftsführerschaft (vgl. hierzu BGH, Beschluss vom 23. Januar 2013 - 1 StR 459/12, wistra 2013, 272) für sich genommen rechtsfehlerfrei getroffen sind.
29
Das neue Tatgericht wird insbesondere aufzuklären haben, inwieweit die T. zur Nachschießung von finanziellen Mitteln an die C. verpflichtet und hierzu unter Berücksichtigung der 1 Mio. €, die im April bzw. Mai 2009 von der A. an die T. geflossen ist, in der Lage war. Aufzuklären sein wird auch, ob und unter welchen Bedingungen die liquide A. zu Zahlungen bereit bzw. verpflichtet war. Für die neue Hauptverhandlung weist der Senat hinsichtlich der subjektiven Voraussetzungen des § 15a Abs. 3 InsO auf den Antrag des Generalbundesanwalts hin.
Wahl Graf Jäger
Cirener Radtke

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
3 StR 372/08
vom
10. Februar 2009
Nachschlagewerk: ja
BGHSt: nein
Veröffentlichung: ja
___________________________________
Zur Strafbarkeit des Geschäftsführers einer Gesellschaft mit beschränkter Haftung
wegen Bankrotts durch Beiseiteschaffen von Gesellschaftsvermögen sowie
zum Verhältnis von Bankrott und den Vermögens- bzw. Eigentumsdelikten
in diesen Fällen (nur Hinweis).
BGH, Beschl. vom 10. Februar 2009 - 3 StR 372/08 - LG Oldenburg
in der Strafsache
gegen
1.
2.
wegen Beihilfe zum Bankrott
Der 3. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat nach Anhörung des Generalbundesanwalts
und der Beschwerdeführer am 10. Februar 2009 gemäß § 349 Abs.
4 StPO einstimmig beschlossen:
Auf die Revisionen der Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Oldenburg vom 27. Februar 2008 mit den Feststellungen aufgehoben.
Die Sache wird zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Rechtsmittel, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.

Gründe:

1
Das Landgericht hat die Angeklagten wegen Beihilfe zum Bankrott zu Geldstrafen verurteilt. Dagegen wenden sich deren Revisionen, mit denen sie die Verletzung materiellen Rechts rügen. Der Angeklagte S. beanstandet darüber hinaus das Verfahren; die Angeklagte L. begehrt wegen der insoweit versäumten Revisionsbegründungsfrist die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zur Nachholung von Verfahrensrügen.
2
Die Revisionen haben bereits mit der Sachrüge Erfolg, so dass es auf die von dem Angeklagten S. erhobenen Verfahrensrügen bzw. auf den von der Angeklagten L. gestellten Wiedereinsetzungsantrag nicht ankommt.
3
I. Das Landgericht hat folgende Feststellungen getroffen:
4
Der Angeklagte S. war Geschäftsführer, die Angeklagte L. Prokuristin der Georg S. GmbH mit Sitz in W. . Diese Gesellschaft war Komplementärin der Georg S. GmbH & Co. KG, deren alleinige Kommanditisten die Angeklagten waren. Über diese Besitzgesellschaft betrieben sie unter Einschaltung mehrerer Tochtergesellschaften (sog. Produktionsgesellschaften) u. a. unter der Marke "B. Enten" die Entenzucht und den weltweiten Vertrieb von Entenprodukten. In den Produktionsgesellschaften fungierten sie ebenfalls - zumindest teilweise - als Geschäftsführer bzw. Prokuristin. Nachdem sich die Unternehmensgruppe der Angeklagten bis in das Jahr 2002 bei jeweils deutlichen Jahresgewinnen zum Marktführer in Deutschland entwickelt hatte, kam es im Jahr 2003 zu einem Umsatzeinbruch und deshalb zu einem erhöhten Kreditbedarf. Eine auf Veranlassung der kreditgebenden Banken durchgeführte Unternehmensanalyse hielt die Suche nach einem strategischen Partner für unbedingt erforderlich. Die Angeklagten, die befürchteten, die Banken strebten die Übernahme ihrer Unternehmen durch einen Konkurrenten an, bemühten sich unter Einschaltung externer Berater in der Folgezeit vergeblich um eine Umfinanzierung.
5
Anfang des Jahres 2004 meldeten sie ihren Hausbanken einen Verlust für das Jahr 2003 von mehr als 4,5 Mio. € und kündigten einen über die bestehenden Kredite hinausgehenden Liquiditätsbedarf von über 4 Mio. € an. Die Banken, die zu einer Erhöhung der Kreditlinie nicht bereit waren, sprachen eine mögliche Insolvenz der Unternehmen an. Weitere Versuche der Angeklagten, eine Umfinanzierung oder eine staatliche Liquiditätshilfe zu erreichen, scheiterten ebenso wie ihre Bemühungen, einen Bekannten an den Gesellschaften zu beteiligen, um so über zusätzliche Geldmittel verfügen zu können. Die Banken verlangten nun als weitere Sicherheit auch die Abtretung der Rechte aus der Marke "B. Enten".
6
Die Angeklagten, die sich zunehmend unter Druck gesetzt fühlten, bestellten in dieser Situation Ende Februar 2004 auf Empfehlung eines Rechtsanwalts den ehemaligen Mitangeklagten K. zum Geschäftsführer von jedenfalls zwei ihrer Produktionsgesellschaften, der Georg S. GmbH (im Folgenden: S. GmbH) und der Se. GmbH, jeweils mit Sitz in N. . Da der neue Geschäftsführer über keine Erfahrung in der Branche verfügte, blieben die Angeklagten weiter für die Gesellschaften tätig, wofür sie pauschal jeweils 250.000 € erhalten sollten. Wegen der angespannten Liquiditätslage der Gesellschaften vereinbarten sie mit dem früheren Mitangeklagten eine rein erfolgsabhängige Geschäftsführervergütung. Es kam indes nur zu einem nach dieser Vereinbarung provisionspflichtigen Geschäftsabschluss mit einem Volumen von 1,67 Mio. €, weitere in Aussicht genommene Verträge kamen nicht zustande. In einem Gespräch mit Bankvertretern Anfang März 2004 kündigte K. an, zur Verbesserung der Liquidität Reserven aufzulösen, und erklärte, er werde auch gegen den erklärten Widerspruch der Banken diesen zustehendes Sicherungsgut verwerten. Auf ein Schreiben vom 9. März 2004, mit dem die Banken binnen drei Tagen die Vorlage eines Liquiditätsstatus und eine Übersicht über bereits veräußertes Sicherungsgut verlangten, vertröstete er sie auf den 23. März 2004. Die Banken kündigten daraufhin die gesamte Geschäftsverbindung und setzten für die bestehenden Verbindlichkeiten aller Gesellschaften , insgesamt fast 23 Mio. €, eine Zahlungsfrist bis zum 2. April 2004. Nachdem der frühere Mitangeklagte ihren Mitarbeitern mehrfach eine Inaugenscheinnahme des Sicherungsgutes verweigert hatte, stellten die Banken am 26. März 2004 Insolvenzantrag gegen die Georg S. GmbH & Co. KG und die vier Produktionsgesellschaften.
7
In der Zeit vom 31. März bis zum 7. April 2004 stellte K. in Absprache und nach Vereinbarung mit den Angeklagten der S. GmbH und der Se.
GmbH drei Rechnungen über insgesamt fast 2 Mio. €, die nunmehr auch eine erfolgsunabhängige Vergütung sowie Erfolgshonorare für tatsächlich nicht zustande gekommene Geschäfte zum Gegenstand hatten, und vereinnahmte diesen Betrag aus dem Vermögen der S. GmbH. Nach der ursprünglichen Vereinbarung hätte ihm ein Anspruch in Höhe von allenfalls knapp 200.000 € zugestanden. Über das Vermögen der S. GmbH und der Se. GmbH wurde das Insolvenzverfahren eröffnet.
8
II. Auf der Grundlage dieser Feststellungen hält der Schuldspruch wegen Beihilfe zum Bankrott der rechtlichen Überprüfung nicht stand.
9
1. Das Landgericht ist zwar zutreffend davon ausgegangen, dass der frühere Mitangeklagte K. durch die Vereinnahmung der Rechnungsbeträge jedenfalls in Höhe von ca. 1,7 Mio. € im Sinne des § 283 Abs. 1 Nr. 1 StGB Vermögen der S. GmbH beiseite schaffte. Die Bezahlung der Rechnungen erfolgte unter Verstoß gegen die Grundsätze eines ordnungsgemäßen Wirtschaftens (vgl. dazu BGHSt 34, 309, 310; Stree/Heine in Schönke/Schröder, StGB 27. Aufl. § 283 Rdn. 4 m. w. N.), weil provisionspflichtige Hauptgeschäfte in diesem Umfang nicht getätigt worden waren, deshalb ein Anspruch auf eine erfolgsabhängige Vergütung in dieser Höhe nicht bestand und eine weitere, erfolgsunabhängige Vergütung angesichts der angespannten Liquiditätslage nicht rückwirkend vereinbart werden durfte.
10
2. Die Vorschrift des § 283 StGB stellt indes ein Sonderdelikt dar, dessen Täter nur der Schuldner sein kann (Radtke in MünchKomm StGB § 283 Rdn. 4; Tiedemann in LK 11. Aufl. § 283 Rdn. 225), also die (natürliche oder juristische) Person, die für die Erfüllung einer Verbindlichkeit haftet (Radtke aaO vor § 283 Rdn. 36). Ist der Schuldner - wie hier - eine juristische Person, die nur durch ihre Organe/Vertreter handeln kann, so gilt § 14 StGB. Diese Vorschrift setzt für die strafrechtliche Zurechnung voraus, dass die handelnde Person "als" Organ oder Vertreter (Abs. 1) bzw. "auf Grund dieses Auftrags" (Abs. 2) agiert. Nach bisheriger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs und der wohl herrschenden Auffassung in der Literatur ist es danach für eine Strafbarkeit des Vertreters nach § 283 StGB erforderlich, dass er zumindest auch im Interesse des Geschäftsherrn handelt. Liegen ausschließlich eigennützige Motive vor, so kann eine Strafbarkeit wegen Untreue nach § 266 StGB in Betracht kommen; eine Verurteilung wegen Bankrotts scheidet hingegen aus (sog. Interessentheorie, BGHSt 30, 127, 128 f.; 34, 221, 223; BGHR StGB § 283 Abs. 1 Konkurrenzen 3; BGH NStZ 2000, 206, 207; zustimmend Schünemann in LK 12. Aufl. § 14 Rdn. 50; Fischer, StGB 56. Aufl. § 283 Rdn. 4 b; im Ergebnis auch Kindhäuser in NK-StGB 2. Aufl. vor § 283 Rdn. 56; aA Tiedemann aaO vor § 283 Rdn. 80; Hoyer in SK-StGB 116. Lfg. § 283 Rdn. 103 f.; Lenckner/Perron in Schönke /Schröder aaO § 14 Rdn. 26; jew. m. w. N.; differenzierend Radtke aaO vor § 283 Rdn. 55).
11
Das Landgericht hat das Vorliegen eines solchen Interesses rechtsfehlerhaft bejaht. Ob eine Handlung wenigstens auch im Interesse des Vertretenen vorgenommen worden ist, bestimmt sich nach einer wirtschaftlichen Betrachtungsweise (BGHSt 30, 127, 128 f.). Dass - wie die Strafkammer ausgeführt hat - der frühere Mitangeklagte sein weiteres Tätigwerden für die Gesellschaften der Angeklagten von der Bezahlung der Rechnungen abhängig gemacht hat, begründet ein wirtschaftliches Interesse der vertretenen S. GmbH nicht; es widerspricht einem solchen vielmehr, weiter mit einem Geschäftsführer zusammenzuarbeiten , der im großen Umfang eine ihm nicht zustehende Vergütung verlangt. Nach wirtschaftlichen Gesichtspunkten kann in der Überweisung der ca. 1,7 Mio. € durch den früheren Mitangeklagten K. zur Bezahlung der materiell unberechtigten Rechnungen daher nur ein Handeln aufgrund eigennütziger Motive gesehen werden, das der Gesellschaft schadete. Das Einverständnis der Angeklagten mit der Rechnungsstellung und ihrer Begleichung war nicht ausreichend (vgl. BGHSt 30, 127, 128 f.; BGH bei Holtz MDR 1979, 806; BGH NStZ 1984, 118, 119; JR 1988, 254, 255 f.; vgl. die Nachweise bei Labsch wistra 1985, 1, 7); die Zustimmung der Gesellschafter einer juristischen Person löst - anders als bei einer Kommanditgesellschaft (vgl. BGHSt 34, 221, 223 f.) - den Interessenwiderstreit zwischen Geschäftsführer und Gesellschaft nicht auf.
12
3. Darüber hinaus tragen die Feststellungen des Landgerichts die Annahme einer drohenden Zahlungsunfähigkeit der S. GmbH nicht, so dass sich auch bei Nichtanwendung der Interessentheorie (dazu unten IV.) die Verurteilung wegen Beihilfe zum Bankrott als rechtsfehlerhaft erwiese.
13
Die Strafkammer hat in der Beweiswürdigung des Urteils unter summarischer Gegenüberstellung der liquiden Mittel und der fälligen Forderungen ausgeführt , Anfang April 2004 habe bei der S. GmbH eine Unterdeckung von ca. 4 Mio. € bestanden; infolge der Kreditkündigungen seien Verbindlichkeiten in Höhe von fast 23 Mio. € hinzu gekommen. Dies ist bereits widersprüchlich, weil an anderer Stelle des Urteils mitgeteilt wird, dass diese Summe der Kreditaufnahme aller Unternehmen der Angeklagten entsprach; auf die S. GmbH entfiel nur ein Teil davon. In der Darstellung des Landgerichts ist zudem ein von Rechtsanwalt F. für die S. GmbH geführtes Anderkonto nicht berücksichtigt , von dem der frühere Mitangeklagte K. am 5. April 2004 das letztlich von ihm vereinnahmte Geld an die Se. GmbH überwies.
14
Abgesehen von diesen Widersprüchen und Unvollständigkeiten begegnet die Darstellung der Liquiditätslage der S. GmbH zu den ausgewählten Stichtagen durchgreifenden Bedenken, weil sich das Landgericht auf die Mitteilung der Summen aus dem Liquiditätsstatus und hinsichtlich der liquiden Mittel auf Guthaben auf Girokonten beschränkt. Damit ist dem Senat die Überprüfung verwehrt, ob der vom Landgericht zugrunde gelegte Liquiditätsstatus nicht nur alle relevanten kurzfristig fälligen Verbindlichkeiten, sondern auch die zu ihrer Tilgung vorhandenen oder herbeizuschaffenden Mittel (also die flüssigen Mittel und kurzfristig einziehbaren Forderungen sowie gegebenenfalls die kurzfristig liquidierbaren Vermögensgegenstände) enthält (vgl. § 17 Abs. 2 InsO und BGH wistra 2001, 306, 307; 2007, 312). Selbst wenn dem Gesamtzusammenhang der Urteilsgründe noch zu entnehmen wäre, dass die S. GmbH durch Forderungseinzug oder Veräußerung von Vermögensgegenständen weitere liquide Mittel jedenfalls nicht kurzfristig realisieren konnte, war das Abstellen allein auf die angegebenen Kontenguthaben nicht ausreichend; denn in der rechtlichen Würdigung teilt die Strafkammer mit, dass die Gesellschaften der Angeklagten untereinander ein cash-management betrieben, demzufolge Zahlungen jeweils von dem Konto der Gesellschaft vorgenommen wurden, auf dem Guthaben vorhanden war. Dann hätte es zur nachvollziehbaren Annahme der drohenden Zahlungsunfähigkeit der S. GmbH aber auch Feststellungen zu den Vermögensverhältnissen aller anderen Gesellschaften der Angeklagten bedurft. Dies gilt insbesondere deswegen, weil sich dem Urteil nur entnehmen lässt, dass über das Vermögen von zwei der Produktionsgesellschaften das Insolvenzverfahren eröffnet wurde. Über das Schicksal der beiden anderen ergibt sich nichts.
15
III. Eine Schuldspruchänderung kommt nicht in Betracht. Zwar kann ein eigennütziges Beiseiteschaffen von Vermögen durch den Geschäftsführer einer Gesellschaft den Tatbestand der Untreue gemäß § 266 StGB erfüllen (BGHSt 28, 371; BGHR StGB § 283 Abs. 1 Konkurrenzen 3). Die Angeklagten hatten der Rechnungsstellung und -begleichung indes zugestimmt.
16
Das Einverständnis des Geschäftsherrn schließt regelmäßig den Tatbestand der Untreue aus (Fischer aaO § 266 Rdn. 49 m. w. N.). Das gilt grundsätzlich auch für vermögensnachteilige Dispositionen des Geschäftsführers einer Kapitalgesellschaft, wenn sie im Einverständnis der Gesellschafter getroffen werden. Ein Einverständnis der Gesellschafter ist allerdings unwirksam und die Vermögensverfügung des Geschäftsführers deshalb missbräuchlich, wenn unter Verstoß gegen Gesellschaftsrecht die wirtschaftliche Existenz der Gesellschaft gefährdet wird, etwa durch Beeinträchtigung des Stammkapitals entgegen § 30 GmbHG, durch Herbeiführung oder Vertiefung einer Überschuldung oder durch Gefährdung der Liquidität (BGHSt 35, 333; 49, 147, 158; BGH wistra 2003, 457, 460; 2006, 265; vgl. auch Schünemann aaO § 266 Rdn. 25; Kindhäuser aaO § 266 Rdn. 68 ff.; Lackner/Kühl, StGB 26. Aufl. § 266 Rdn. 20).
17
Eine solche Existenzgefährdung der Gesellschaft - etwa durch Gefährdung ihrer Liquidität - ist aus den oben unter II. 3. genannten Gründen aber ebenfalls nicht belegt.

18
IV. Für die neue Verhandlung weist der Senat auf Folgendes hin:
19
1. Die von der Rechtsprechung entwickelte Interessentheorie ist in der Literatur auf Ablehnung gestoßen, weil sie für die Insolvenzdelikte nur einen geringen Anwendungsbereich lässt, wenn Schuldner im Sinne des § 283 StGB eine Handelsgesellschaft ist (Tiedemann aaO vor § 283 Rdn. 80; Hoyer aaO § 283 Rdn. 103; Radtke aaO vor § 283 Rdn. 55; Labsch wistra 1985, 1, 6 ff.; jew. m. w. N.). Dieser Kritik ist zuzugeben, dass die in § 283 StGB aufgezählten Bankrotthandlungen ganz überwiegend dem wirtschaftlichen Interesse der Gesellschaft widersprechen und der vom Gesetzgeber intendierte Gläubigerschutz in der wirtschaftlichen Krise insbesondere von Kapitalgesellschaften bei Anwendung der Interessentheorie weitgehend leerläuft. Besonders augenfällig wird dies in Fällen der Ein-Mann-GmbH, in denen der Gesellschafter /Geschäftsführer der Gesellschaft angesichts der drohenden Insolvenz zur Benachteiligung der Gläubiger Vermögen entzieht und auf seine privaten Konten umleitet, nach wirtschaftlicher Betrachtung also aus eigennützigen Motiven handelt. Nach der Interessentheorie ist er nicht des Bankrotts schuldig, obwohl er die Insolvenz gezielt herbeigeführt hat (vgl. BGHSt 30, 127, 128 f.; kritisch dazu Tiedemann aaO vor § 283 Rdn. 80, 85).
20
Während Einzelkaufleute in vergleichbaren Fällen regelmäßig wegen Bankrotts strafbar sind, entstehen so Strafbarkeitslücken für Vertreter oder Organe von Kapitalgesellschaften. Angesichts der besonderen Insolvenzanfälligkeit von in der Rechtsform der GmbH betriebenen Unternehmen wird der Schutzzweck der Insolvenzdelikte dadurch konterkariert (vgl. Hoyer aaO; Radtke aaO). Dies gilt insbesondere, wenn man die Interessenformel konsequent auch auf die Bankrotthandlungen anwendet, die die Verletzung von Buchführungs - oder Bilanzierungspflichten sanktionieren (§ 283 Abs. 1 Nr. 5-7 StGB): Entfällt wegen des fehlenden Interesses der Gesellschaft die Bankrottstrafbarkeit , scheitert eine Verurteilung wegen Untreue regelmäßig am nicht festzustellenden oder nicht nachzuweisenden Vermögensschaden der Gesellschaft (vgl. Arloth NStZ 1990, 570, 572; Tiedemann aaO vor § 283 Rdn. 84). Über diese nicht gerechtfertigte Privilegierung von GmbH-Geschäftsführern gegenüber Einzelkaufleuten hinaus wird der Zweck der § 283 Abs. 1 Nr. 5-7, § 283 b StGB unterlaufen, der Verstöße gegen Buchführungs- und Bilanzierungsvorschriften wegen der besonderen Gefahr von Fehleinschätzungen mit schwerwiegenden wirtschaftlichen Folgen als eigenständiges Unrecht erfassen will (vgl. Arloth NStZ 1990, 570, 572).
21
2. In der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs ist die Interessentheorie bei Vertretern von Personengesellschaften für die praktisch relevanten Fälle, dass die Gesellschafter der Bankrotthandlung zustimmen (vgl. dazu Labsch wistra 1985, 1, 7), zudem nicht durchgehalten worden; ein Handeln, das aus wirtschaftlicher Sicht im vollständigen Widerstreit zu den Interessen der vertretenen Gesellschaft steht, soll etwa bei der Kommanditgesellschaft gleichwohl von dem durch das Einverständnis erweiterten Auftrag des Schuldners - also der Gesellschaft - gedeckt sein, wenn der Komplementär zustimmt (BGHSt 34, 221, 223 f. = BGH StV 1988, 14, 15 m. Anm. Weber). Die Einschränkung der Interessentheorie sei insbesondere aus Gründen des Gläubigerschutzes geboten (BGHSt 34, 221, 224). Diese Rechtsprechung hat der Bundesgerichtshof in der Folge auch auf Fälle der GmbH & Co. KG erstreckt, in denen der Geschäftsführer einer Komplementär-GmbH die Bankrotthandlungen mit Zustimmung der Gesellschafter dieser Kapitalgesellschaft und damit der Komplementärin vorgenommen hatte (BGH wistra 1989, 264, 267; aA BGH wistra 1984, 71; JR 1988, 254, 255 f. m. abl. Anm. Gössel; offen gelassen von BGH NJW 1992, 250, 252). Der Gläubigerschutz hat aber bei den in der Rechtsform der GmbH betriebenen Gesellschaften kein geringeres Gewicht als bei Personengesellschaften oder insbesondere der Mischform der GmbH & Co. KG, so dass mit dieser Argumentation nicht nachvollziehbar erscheint, warum die Zustimmung der Gesellschafter einer Komplementär-GmbH den Auftrag des Geschäftsführers erweitern kann, das Einverständnis der Gesellschafter bei einer reinen Kapitalgesellschaft für die Frage, ob der Geschäftsführer als Organ oder im Auftrag der Gesellschaft handelt, hingegen bedeutungslos sein soll.
22
3. Der Senat neigt deshalb dazu, von der bisherigen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs zur Strafbarkeit eines Vertreters wegen Bankrotts abzuweichen und die Abgrenzung zwischen den Insolvenzdelikten der §§ 283 ff. StGB und insbesondere der Untreue nach § 266 StGB, aber auch den Eigentumsdelikten gemäß §§ 242, 246 StGB nicht mehr nach der Interessenformel vorzunehmen, zumal das Abstellen auf das Interesse des Vertretenen und damit auf ein subjektives Element vom Wortlaut des § 14 StGB nicht gefordert wird (Arloth NStZ 1990, 570, 574; Tiedemann aaO vor § 283 Rdn. 84).
23
Es erscheint vielmehr geboten, für die Zurechnung der Schuldnereigenschaft im Sinne der §§ 283 ff. StGB maßgeblich daran anzuknüpfen, ob der Vertreter im Sinne des § 14 StGB im Geschäftskreis des Vertretenen tätig geworden ist. Dies wird bei rechtgeschäftlichem Handeln zu bejahen sein, wenn der Vertreter entweder im Namen des Vertretenen auftritt oder letzteren wegen der bestehenden Vertretungsmacht jedenfalls im Außenverhältnis die Rechtswirkungen des Geschäfts unmittelbar treffen (vgl. Radtke aaO vor § 283 Rdn. 58; Lenckner/Perron aaO § 14 Rdn. 26; Labsch wistra 1985, 59, 60). Gleiches gilt, wenn sich der Vertretene zur Erfüllung seiner außerstrafrechtlichen, aber gleichwohl strafbewehrten Pflichten (vgl. § 283 Abs. 1 Nr. 5-7 StGB) eines Vertreters bedient (Tiedemann aaO vor § 284 Rdn. 84, Lenckner/Perron aaO; Radtke aaO; Arloth NStZ 1990, 570, 572; Winkelbauer JR 1988, 33, 34). Bei faktischem Handeln muss die Zustimmung des Vertretenen - unabhängig von der Rechtsform, in der dieser agiert - ebenfalls dazu führen, dass der Vertreter in seinem Auftrag handelt und ihm die Schuldnerstellung zugerechnet wird (Radtke aaO; Hoyer aaO § 283 Rdn. 106).
24
Bei Beachtung dieser Grundsätze kann die trotz gleichartiger Verhaltensweisen mit der Interessentheorie verbundene Ungleichbehandlung zwi- schen Einzelkaufleuten und GmbH-Geschäftsführern ebenso vermieden werden (vgl. Radtke aaO), wie Strafbarkeitslücken bei Verstoß gegen Buchführungs - und Bilanzierungspflichten, wodurch der Gläubigerschutz verbessert wird. Soweit der Vertreter eigennützig handelt, wird häufiger als bisher eine Verurteilung wegen Bankrotts in Tateinheit mit Untreue oder einem Eigentumsdelikt in Betracht kommen, insbesondere wenn die Zustimmung der Gesellschafter (oder des alleinigen Gesellschafters/Geschäftsführers) einer GmbH wegen des damit verbundenen existenzgefährdenden Eingriffs in das Gesellschaftsvermögen kein tatbestandsausschließendes Einverständnis mit der nachteiligen Vermögensverfügung darstellt (vgl. BGHSt 35, 333; 49, 147, 158; BGH wistra 2003, 457, 460; 2006, 265). Dieses Ergebnis ist jedoch gerechtfertigt , weil in diesen Fällen durch dieselbe Handlung unterschiedliche Rechtsgüter - der Schutz der Gläubiger einerseits und das Vermögen bzw. das Eigentum der Gesellschaft andererseits - beeinträchtigt werden.
Becker Miebach Pfister Sost-Scheible Hubert