Bundesgerichtshof Beschluss, 03. Nov. 2010 - 1 StR 449/10

bei uns veröffentlicht am03.11.2010

Gericht

Bundesgerichtshof


Der Bundesgerichtshof (BGH) ist das höchste Gericht der ordentlichen Gerichtsbarkeit in Deutschland.  Der BGH besteht aus 16 Senaten, die jeweils von einem Vorsitzenden und mehreren anderen Richtern geleitet werden. Die Zusammensetzung der Senate

Richter

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
1 StR 449/10
vom
3. November 2010
in der Strafsache
gegen
wegen schweren Raubes u.a.
Der 1. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat am 3. November 2010 beschlossen
:
Die Revision des Angeklagten gegen das Urteil des Landgerichts
Augsburg vom 12. April 2010 wird verworfen.
Der Beschwerdeführer hat die Kosten des Rechtsmittels zu
tragen.

Gründe:

1
Der Angeklagte wurde wegen schweren Raubes und Verstoßes gegen das BtMG als Ergebnis einer Verständigung (§ 257c StPO) nach Auflösung einer früher gebildeten Gesamtfreiheitsstrafe und teilweiser Einbeziehung der ihr zugrunde liegenden Einzelstrafen zu einer nachträglichen Gesamtfreiheitsstrafe verurteilt; aus den übrigen Einzelstrafen der aufgelösten Gesamtfreiheitsstrafe wurde eine weitere Gesamtstrafe gebildet (vgl. BGH, Beschluss vom 29. September 2009 - 1 StR 451/09, NStZ-RR 2010, 9 mwN).
2
Seine auf eine Verfahrensrüge und die Sachrüge gestützte Revision bleibt erfolglos (§ 349 Abs. 2 StPO).
3
1. Die Verfahrensrüge ist auf die unterbliebene Belehrung gemäß § 257c Abs. 5 StPO gestützt. Sie greift nicht durch. Eine der von § 257c Abs. 4 StPO erfassten Fallgestaltungen, über deren Rechtsfolgen gemäß § 257c Abs. 5 StPO vorab zu belehren ist, liegt nicht vor. Dementsprechend wurde der Angeklagte auch nicht höher bestraft, als vom Gericht zugesichert. Unter welchen - eher ungewöhnlichen - Voraussetzungen bei solcher Fallgestaltung ein Urteil gleichwohl zum Nachteil des Angeklagten auf dem Verfahrensmangel einer unterbliebenen Belehrung gemäß § 257c Abs. 5 StPO beruhen könnte (vgl. BGH, Beschluss vom 17. August 2010 - 4 StR 228/10), mag dahinstehen, da jedenfalls hier eine solche Möglichkeit nicht erkennbar ist.
4
Die Revision begründet ihre gegenteilige Auffassung wie folgt:
5
Ausweislich der Urteilsgründe war dem Angeklagten in früheren Urteilen wegen eines „Aufmerksamkeits-Defizit-Syndroms“ und „Störung des Sozialverhaltens“ eine erheblich verminderte Schuldfähigkeit (§ 21 StGB) zugebilligt worden. Hier ist die Strafkammer nach sachverständiger Beratung von uneingeschränkter Schuldfähigkeit ausgegangen. Es sei, so die Revision, jedenfalls nicht auszuschließen, dass der Angeklagte nach einer Belehrung gemäß § 257c Abs. 5 StPO eine Verständigung abgelehnt und das Gericht im weiteren Verlauf etwa als Ergebnis dann gestellter Beweisanträge oder auf sonstige Weise davon überzeugt hätte, dass bei ihm entgegen der Auffassung des Sachverständigen entsprechend den früheren Urteilen die Voraussetzungen erheblich verminderter Schuldfähigkeit vorlägen.
6
Damit kann die Revision nicht durchdringen.
7
Eine Vereinbarung gemäß § 257c StPO lässt die gerichtliche Aufklärungspflicht (§ 244 Abs. 2 StPO) unberührt, § 257c Abs. 1 Satz 2 StPO. Offensichtlich deshalb hat die Strafkammer, erkennbar auch im Blick auf die (hier inhaltlich nicht zu überprüfenden) Feststellungen der früheren Urteile, nach der Verständigung noch die Schuldfähigkeit des Angeklagten durch Anhörung des Sachverständigen überprüft. Es ist nicht ersichtlich, warum ein Angeklagter gehindert sein könnte, auf das Ergebnis einer Beweisaufnahme einzuwirken, die das Gericht trotz einer vorangegangenen - auch nicht etwa unzulässig auf eine „Punktstrafe“ gerichteten (vgl. BGH, Beschluss vom 22. August 2006 - 1 StR 293/06, BGHSt 51, 84, 86 mwN) - Verständigung durchführt, also offenbar als für das Urteil bedeutsam ansieht. Auch für eine entsprechende Fehlvorstellung des verteidigten Angeklagten spricht nichts. Gleichwohl wurden keine Bemühungen entfaltet, die darauf gerichtet gewesen wären, die Ausführungen des Sachverständigen zur Schuldfähigkeit in Zweifel zu ziehen.
8
Unter diesen Umständen sieht der Senat keine Veranlassung, bei der Prüfung der Frage, ob das Urteil auf der verfahrensfehlerhaft unterbliebenen Belehrung gemäß § 257c Abs. 5 StPO beruhen könnte, von der Möglichkeit eines letztlich durch die Belehrung ausgelösten anderen Prozessverhaltens des Angeklagten in Bezug auf die Überprüfung seiner Schuldfähigkeit auszugehen.
9
Andere Anhaltspunkte dafür, dass sich die unterbliebene Belehrung auf das Prozessverhalten des Angeklagten so ausgewirkt haben könnte, dass letztlich ein für ihn günstigeres Urteil nicht auszuschließen wäre, nennt die Revision nicht. Sie sind auch sonst nicht ersichtlich (vgl. auch BGH, Beschlüsse vom 17. August 2010 - 4 StR 228/10, vom 8. Oktober 2010 - 1 StR 347/10 und vom 2. November 2010 - 1 StR 469/10).
10
2. Die von der Revision nicht näher ausgeführte Sachrüge ist unbegründet. Der Senat bemerkt jedoch, dass Erwägungen dazu, ob künftig eine hier nicht geprüfte Sicherungsverwahrung in Betracht kommen könnte, im Urteil nicht geboten sind. Sie sollten unterbleiben, wenn sie, wie ausdrücklich hier, nicht zuletzt auch auf nach der Hauptverhandlung angefallenen Erkenntnissen beruhen, da in einem Urteil für anderes als das Ergebnis der Hauptverhandlung schon im Ansatz kein Raum ist.
Nack Wahl Graf
Jäger Sander

Urteilsbesprechung zu Bundesgerichtshof Beschluss, 03. Nov. 2010 - 1 StR 449/10

Urteilsbesprechungen zu Bundesgerichtshof Beschluss, 03. Nov. 2010 - 1 StR 449/10

Referenzen - Gesetze

Strafprozeßordnung - StPO | § 349 Entscheidung ohne Hauptverhandlung durch Beschluss


(1) Erachtet das Revisionsgericht die Vorschriften über die Einlegung der Revision oder die über die Anbringung der Revisionsanträge nicht für beobachtet, so kann es das Rechtsmittel durch Beschluß als unzulässig verwerfen. (2) Das Revisionsgeric

Strafgesetzbuch - StGB | § 21 Verminderte Schuldfähigkeit


Ist die Fähigkeit des Täters, das Unrecht der Tat einzusehen oder nach dieser Einsicht zu handeln, aus einem der in § 20 bezeichneten Gründe bei Begehung der Tat erheblich vermindert, so kann die Strafe nach § 49 Abs. 1 gemildert werden.

Strafprozeßordnung - StPO | § 244 Beweisaufnahme; Untersuchungsgrundsatz; Ablehnung von Beweisanträgen


(1) Nach der Vernehmung des Angeklagten folgt die Beweisaufnahme. (2) Das Gericht hat zur Erforschung der Wahrheit die Beweisaufnahme von Amts wegen auf alle Tatsachen und Beweismittel zu erstrecken, die für die Entscheidung von Bedeutung sind.

Strafprozeßordnung - StPO | § 257c Verständigung zwischen Gericht und Verfahrensbeteiligten


(1) Das Gericht kann sich in geeigneten Fällen mit den Verfahrensbeteiligten nach Maßgabe der folgenden Absätze über den weiteren Fortgang und das Ergebnis des Verfahrens verständigen. § 244 Absatz 2 bleibt unberührt. (2) Gegenstand dieser Verstä
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Strafprozeßordnung - StPO | § 349 Entscheidung ohne Hauptverhandlung durch Beschluss


(1) Erachtet das Revisionsgericht die Vorschriften über die Einlegung der Revision oder die über die Anbringung der Revisionsanträge nicht für beobachtet, so kann es das Rechtsmittel durch Beschluß als unzulässig verwerfen. (2) Das Revisionsgeric

Strafgesetzbuch - StGB | § 21 Verminderte Schuldfähigkeit


Ist die Fähigkeit des Täters, das Unrecht der Tat einzusehen oder nach dieser Einsicht zu handeln, aus einem der in § 20 bezeichneten Gründe bei Begehung der Tat erheblich vermindert, so kann die Strafe nach § 49 Abs. 1 gemildert werden.

Strafprozeßordnung - StPO | § 244 Beweisaufnahme; Untersuchungsgrundsatz; Ablehnung von Beweisanträgen


(1) Nach der Vernehmung des Angeklagten folgt die Beweisaufnahme. (2) Das Gericht hat zur Erforschung der Wahrheit die Beweisaufnahme von Amts wegen auf alle Tatsachen und Beweismittel zu erstrecken, die für die Entscheidung von Bedeutung sind.

Strafprozeßordnung - StPO | § 257c Verständigung zwischen Gericht und Verfahrensbeteiligten


(1) Das Gericht kann sich in geeigneten Fällen mit den Verfahrensbeteiligten nach Maßgabe der folgenden Absätze über den weiteren Fortgang und das Ergebnis des Verfahrens verständigen. § 244 Absatz 2 bleibt unberührt. (2) Gegenstand dieser Verstä

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Referenzen

(1) Das Gericht kann sich in geeigneten Fällen mit den Verfahrensbeteiligten nach Maßgabe der folgenden Absätze über den weiteren Fortgang und das Ergebnis des Verfahrens verständigen. § 244 Absatz 2 bleibt unberührt.

(2) Gegenstand dieser Verständigung dürfen nur die Rechtsfolgen sein, die Inhalt des Urteils und der dazugehörigen Beschlüsse sein können, sonstige verfahrensbezogene Maßnahmen im zugrundeliegenden Erkenntnisverfahren sowie das Prozessverhalten der Verfahrensbeteiligten. Bestandteil jeder Verständigung soll ein Geständnis sein. Der Schuldspruch sowie Maßregeln der Besserung und Sicherung dürfen nicht Gegenstand einer Verständigung sein.

(3) Das Gericht gibt bekannt, welchen Inhalt die Verständigung haben könnte. Es kann dabei unter freier Würdigung aller Umstände des Falles sowie der allgemeinen Strafzumessungserwägungen auch eine Ober- und Untergrenze der Strafe angeben. Die Verfahrensbeteiligten erhalten Gelegenheit zur Stellungnahme. Die Verständigung kommt zustande, wenn Angeklagter und Staatsanwaltschaft dem Vorschlag des Gerichtes zustimmen.

(4) Die Bindung des Gerichtes an eine Verständigung entfällt, wenn rechtlich oder tatsächlich bedeutsame Umstände übersehen worden sind oder sich neu ergeben haben und das Gericht deswegen zu der Überzeugung gelangt, dass der in Aussicht gestellte Strafrahmen nicht mehr tat- oder schuldangemessen ist. Gleiches gilt, wenn das weitere Prozessverhalten des Angeklagten nicht dem Verhalten entspricht, das der Prognose des Gerichtes zugrunde gelegt worden ist. Das Geständnis des Angeklagten darf in diesen Fällen nicht verwertet werden. Das Gericht hat eine Abweichung unverzüglich mitzuteilen.

(5) Der Angeklagte ist über die Voraussetzungen und Folgen einer Abweichung des Gerichtes von dem in Aussicht gestellten Ergebnis nach Absatz 4 zu belehren.

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
1 StR 451/09
vom
29. September 2009
in der Strafsache
gegen
wegen unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge
Der 1. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat am 29. September 2009 gemäß
§ 349 Abs. 2 und 4 StPO beschlossen:
1. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts München I vom 9. April 2009 im Ausspruch über die Gesamtstrafe und die Aufrechterhaltung der im Urteil des Amtsgerichts München vom 13. November 2008 ausgesprochenen Sperre für die Neuerteilung einer Fahrerlaubnis mit der Maßgabe aufgehoben, dass eine nachträgliche Entscheidung über die Gesamtstrafe nach §§ 460, 462 StPO zu treffen ist. 2. Die weitergehende Revision wird mit der Maßgabe als unbegründet verworfen, dass die in Ungarn erlittene Auslieferungshaft im Maßstab 1 : 1 auf die Strafe angerechnet wird. 3. Der Angeklagte hat die Kosten des Rechtsmittels zu tragen.

Gründe:


1
Der Schuldspruch und die Bestimmung der Einzelstrafe sind aus den vom Generalbundesanwalt in seiner Antragsschrift vom 19. August 2009 dargelegten Gründen frei von Rechtsfehlern.
2
Dagegen hält die Bildung der nachträglichen Gesamtstrafe der revisionsrechtlichen Nachprüfung nicht stand.
3
Der Generalbundesanwalt hat hierzu ausgeführt:
4
"Die Strafkammer hat zwar zutreffend der Verurteilung vom 24. Mai 2006 durch das Amtsgericht Mühldorf a. Inn (UA S. 7, 20) eine Zäsurwirkung beigemessen. Sie hat auch gesehen, dass vier der fünf Einzelstrafen aus dem Urteil des Amtsgerichts München vom 13. November 2008 (UA S. 7ff., 20) in die Verurteilung des Amtsgerichts Mühldorf einzubeziehen gewesen wären, weil der Angeklagte diese Taten vor dem 24. Mai 2006 begangen hat. Sie hat gleichwohl aus Rechtsgründen von einer Einbeziehung dieser vier Einzelstrafen in die Verurteilung des Amtsgerichts Mühldorf abgesehen. Stattdessen hat sie nach Auflösung der Gesamtstrafe aus dem Urteil des Amtsgerichts München die fünf Einzelstrafen mit der Einsatzstrafe aus dem vorliegenden Verfahren zu einer Gesamtfreiheitsstrafe verbunden.
5
Dieser Rechtsansicht des Landgerichts ist nicht zu folgen. § 55 StGB ermächtigt und verpflichtet den Tatrichter, in rechtskräftige frühere Gesamtstrafen einzugreifen; die Rechtskraft einer Gesamtstrafe stellt auch dann kein Hindernis dar, wenn nicht alle in ihr zusammengefassten Einzelstrafen in eine neue Gesamtstrafe einzubeziehen sind, sie vielmehr zu verschiedenen Gesamtstrafen zusammengefügt werden oder als Einzelstrafe bestehen bleiben sollen (vgl. Senat in BGHSt 35, 243 m.w.N.; BGH NStZ-RR 2004, 137; NStZ 1996, 329).
6
Vier der fünf vom Amtsgericht München ausgesprochenen Einzelstrafen waren deshalb mit der vorliegenden Tat nicht gesamtstrafenfähig, weil die Straftaten vor dem 24. Mai 2006 begangen wurden. Aus diesen vier Einzelstrafen wäre gemeinsam mit der Strafe aus dem Urteil des Amtsgerichts Mühldorf eine gesonderte Gesamtfreiheitsstrafe festzusetzen. Lediglich eine Einzelstrafe von einem Monat aus dem Urteil des Amtsgerichts München (Tatzeit: 19. Mai 2007) kann deshalb mit der Einsatzstrafe aus dem vorliegenden Verfahren zu einer Gesamtstrafe verbunden werden."
7
Dem schließt sich der Senat an.
8
Ergänzend wird auf den Beschluss des Bundesgerichtshofs vom 17. Juli 2001 - 4 StR 212/01 - verwiesen.
9
Zur Kostenentscheidung wird auf BGHR StPO § 354 Abs. 1b Satz 1 Entscheidungen 2 verwiesen. Nack Kolz Hebenstreit Elf Sander

(1) Erachtet das Revisionsgericht die Vorschriften über die Einlegung der Revision oder die über die Anbringung der Revisionsanträge nicht für beobachtet, so kann es das Rechtsmittel durch Beschluß als unzulässig verwerfen.

(2) Das Revisionsgericht kann auf einen Antrag der Staatsanwaltschaft, der zu begründen ist, auch dann durch Beschluß entscheiden, wenn es die Revision einstimmig für offensichtlich unbegründet erachtet.

(3) Die Staatsanwaltschaft teilt den Antrag nach Absatz 2 mit den Gründen dem Beschwerdeführer mit. Der Beschwerdeführer kann binnen zwei Wochen eine schriftliche Gegenerklärung beim Revisionsgericht einreichen.

(4) Erachtet das Revisionsgericht die zugunsten des Angeklagten eingelegte Revision einstimmig für begründet, so kann es das angefochtene Urteil durch Beschluß aufheben.

(5) Wendet das Revisionsgericht Absatz 1, 2 oder 4 nicht an, so entscheidet es über das Rechtsmittel durch Urteil.

(1) Das Gericht kann sich in geeigneten Fällen mit den Verfahrensbeteiligten nach Maßgabe der folgenden Absätze über den weiteren Fortgang und das Ergebnis des Verfahrens verständigen. § 244 Absatz 2 bleibt unberührt.

(2) Gegenstand dieser Verständigung dürfen nur die Rechtsfolgen sein, die Inhalt des Urteils und der dazugehörigen Beschlüsse sein können, sonstige verfahrensbezogene Maßnahmen im zugrundeliegenden Erkenntnisverfahren sowie das Prozessverhalten der Verfahrensbeteiligten. Bestandteil jeder Verständigung soll ein Geständnis sein. Der Schuldspruch sowie Maßregeln der Besserung und Sicherung dürfen nicht Gegenstand einer Verständigung sein.

(3) Das Gericht gibt bekannt, welchen Inhalt die Verständigung haben könnte. Es kann dabei unter freier Würdigung aller Umstände des Falles sowie der allgemeinen Strafzumessungserwägungen auch eine Ober- und Untergrenze der Strafe angeben. Die Verfahrensbeteiligten erhalten Gelegenheit zur Stellungnahme. Die Verständigung kommt zustande, wenn Angeklagter und Staatsanwaltschaft dem Vorschlag des Gerichtes zustimmen.

(4) Die Bindung des Gerichtes an eine Verständigung entfällt, wenn rechtlich oder tatsächlich bedeutsame Umstände übersehen worden sind oder sich neu ergeben haben und das Gericht deswegen zu der Überzeugung gelangt, dass der in Aussicht gestellte Strafrahmen nicht mehr tat- oder schuldangemessen ist. Gleiches gilt, wenn das weitere Prozessverhalten des Angeklagten nicht dem Verhalten entspricht, das der Prognose des Gerichtes zugrunde gelegt worden ist. Das Geständnis des Angeklagten darf in diesen Fällen nicht verwertet werden. Das Gericht hat eine Abweichung unverzüglich mitzuteilen.

(5) Der Angeklagte ist über die Voraussetzungen und Folgen einer Abweichung des Gerichtes von dem in Aussicht gestellten Ergebnis nach Absatz 4 zu belehren.

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
4 StR 228/10
vom
17. August 2010
in der Strafsache
gegen
1.
2.
wegen schweren Raubes
Der 4. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat auf Antrag des Generalbundesanwalts
und nach Anhörung der Beschwerdeführer am 17. August 2010 beschlossen
:
Die Revisionen der Angeklagten gegen das Urteil des Landgerichts
Münster vom 1. Dezember 2009 werden als unbegründet
verworfen, da die Nachprüfung des Urteils auf Grund der
Revisionsrechtfertigungen keinen Rechtsfehler zum Nachteil
der Angeklagten ergeben hat.
Jeder Beschwerdeführer hat die Kosten seines Rechtsmittels
zu tragen.
Ergänzend bemerkt der Senat zu der vom Angeklagten W. erhobenen
Rüge eines Verstoßes gegen § 257c Abs. 5 StPO:
Der Senat braucht auf die - zulässig erhobene - Rüge, das Tatgericht
habe bei der getroffenen Verständigung gegen die Hinweispflichten in § 257c
Abs. 5 StPO verstoßen, nicht näher einzugehen. Denn jedenfalls beruht das
Urteil nicht auf einem etwaigen Verstoß. Die Strafkammer hat die Urteilsabsprache
, insbesondere die hierbei angekündigte Strafobergrenze von vier Jahren
und sechs Monaten Freiheitsstrafe eingehalten. Ob Fälle denkbar sind, in
denen - wie die Revision meint – sich ein Angeklagter allein auf Grund der Hinweise
auf die „Risiken eine(r) Verfahrensabsprache im Falle eines Scheiterns“
dazu veranlasst sieht, eine "streitige" Verhandlung vorzuziehen, bedarf hier keiner
Entscheidung (vgl. § 257c Abs. 4 StPO und zu dessen praktischer Bedeutung
Altenhain/Haimerl JZ 2010, 327, 332). Jedenfalls in dem hier zu beurteilenden
Einzelfall sind keine Gründe erkennbar, die den Angeklagten W.
auch nur im Entferntesten dazu verlasst haben könnten, auf eine Belehrung
nach § 257c Abs. 5 StPO (vgl. zu deren Zweck BT-Drucks. 16/12310 S. 15) die
schließlich getroffene und ihm günstige Verständigung abzulehnen. Immerhin
war ihm mit der Anklage ein Verbrechen des besonders schweren Raubes vorgeworfen
worden, für das § 250 Abs. 2 Nr. 1 StGB eine Strafuntergrenze von
fünf Jahren vorsieht. Unter diesen Umständen kann der Senat ausschließen,
dass der Angeklagte eine Absprache, die ihm – ausgehend von einem ungeladenen
Zustand der mitgeführten Schreckschusspistole - eine Strafobergrenze
von vier Jahren und sechs Monaten in Aussicht stellte, abgelehnt und sich auf
eine streitige Verhandlung eingelassen hätte. Eine Fehlvorstellung des verteidigten
Angeklagten über Art und Umfang der Bindung des Tatgerichts vermag
der Senat nicht zu erkennen.
RinBGH Solin-Stojanović
befindet sich im Urlaub und
ist daher gehindert zu
unterschreiben.
Ernemann Ernemann Cierniak
Franke Mutzbauer

Ist die Fähigkeit des Täters, das Unrecht der Tat einzusehen oder nach dieser Einsicht zu handeln, aus einem der in § 20 bezeichneten Gründe bei Begehung der Tat erheblich vermindert, so kann die Strafe nach § 49 Abs. 1 gemildert werden.

(1) Das Gericht kann sich in geeigneten Fällen mit den Verfahrensbeteiligten nach Maßgabe der folgenden Absätze über den weiteren Fortgang und das Ergebnis des Verfahrens verständigen. § 244 Absatz 2 bleibt unberührt.

(2) Gegenstand dieser Verständigung dürfen nur die Rechtsfolgen sein, die Inhalt des Urteils und der dazugehörigen Beschlüsse sein können, sonstige verfahrensbezogene Maßnahmen im zugrundeliegenden Erkenntnisverfahren sowie das Prozessverhalten der Verfahrensbeteiligten. Bestandteil jeder Verständigung soll ein Geständnis sein. Der Schuldspruch sowie Maßregeln der Besserung und Sicherung dürfen nicht Gegenstand einer Verständigung sein.

(3) Das Gericht gibt bekannt, welchen Inhalt die Verständigung haben könnte. Es kann dabei unter freier Würdigung aller Umstände des Falles sowie der allgemeinen Strafzumessungserwägungen auch eine Ober- und Untergrenze der Strafe angeben. Die Verfahrensbeteiligten erhalten Gelegenheit zur Stellungnahme. Die Verständigung kommt zustande, wenn Angeklagter und Staatsanwaltschaft dem Vorschlag des Gerichtes zustimmen.

(4) Die Bindung des Gerichtes an eine Verständigung entfällt, wenn rechtlich oder tatsächlich bedeutsame Umstände übersehen worden sind oder sich neu ergeben haben und das Gericht deswegen zu der Überzeugung gelangt, dass der in Aussicht gestellte Strafrahmen nicht mehr tat- oder schuldangemessen ist. Gleiches gilt, wenn das weitere Prozessverhalten des Angeklagten nicht dem Verhalten entspricht, das der Prognose des Gerichtes zugrunde gelegt worden ist. Das Geständnis des Angeklagten darf in diesen Fällen nicht verwertet werden. Das Gericht hat eine Abweichung unverzüglich mitzuteilen.

(5) Der Angeklagte ist über die Voraussetzungen und Folgen einer Abweichung des Gerichtes von dem in Aussicht gestellten Ergebnis nach Absatz 4 zu belehren.

(1) Nach der Vernehmung des Angeklagten folgt die Beweisaufnahme.

(2) Das Gericht hat zur Erforschung der Wahrheit die Beweisaufnahme von Amts wegen auf alle Tatsachen und Beweismittel zu erstrecken, die für die Entscheidung von Bedeutung sind.

(3) Ein Beweisantrag liegt vor, wenn der Antragsteller ernsthaft verlangt, Beweis über eine bestimmt behauptete konkrete Tatsache, die die Schuld- oder Rechtsfolgenfrage betrifft, durch ein bestimmt bezeichnetes Beweismittel zu erheben und dem Antrag zu entnehmen ist, weshalb das bezeichnete Beweismittel die behauptete Tatsache belegen können soll. Ein Beweisantrag ist abzulehnen, wenn die Erhebung des Beweises unzulässig ist. Im Übrigen darf ein Beweisantrag nur abgelehnt werden, wenn

1.
eine Beweiserhebung wegen Offenkundigkeit überflüssig ist,
2.
die Tatsache, die bewiesen werden soll, für die Entscheidung ohne Bedeutung ist,
3.
die Tatsache, die bewiesen werden soll, schon erwiesen ist,
4.
das Beweismittel völlig ungeeignet ist,
5.
das Beweismittel unerreichbar ist oder
6.
eine erhebliche Behauptung, die zur Entlastung des Angeklagten bewiesen werden soll, so behandelt werden kann, als wäre die behauptete Tatsache wahr.

(4) Ein Beweisantrag auf Vernehmung eines Sachverständigen kann, soweit nichts anderes bestimmt ist, auch abgelehnt werden, wenn das Gericht selbst die erforderliche Sachkunde besitzt. Die Anhörung eines weiteren Sachverständigen kann auch dann abgelehnt werden, wenn durch das frühere Gutachten das Gegenteil der behaupteten Tatsache bereits erwiesen ist; dies gilt nicht, wenn die Sachkunde des früheren Gutachters zweifelhaft ist, wenn sein Gutachten von unzutreffenden tatsächlichen Voraussetzungen ausgeht, wenn das Gutachten Widersprüche enthält oder wenn der neue Sachverständige über Forschungsmittel verfügt, die denen eines früheren Gutachters überlegen erscheinen.

(5) Ein Beweisantrag auf Einnahme eines Augenscheins kann abgelehnt werden, wenn der Augenschein nach dem pflichtgemäßen Ermessen des Gerichts zur Erforschung der Wahrheit nicht erforderlich ist. Unter derselben Voraussetzung kann auch ein Beweisantrag auf Vernehmung eines Zeugen abgelehnt werden, dessen Ladung im Ausland zu bewirken wäre. Ein Beweisantrag auf Verlesung eines Ausgangsdokuments kann abgelehnt werden, wenn nach pflichtgemäßem Ermessen des Gerichts kein Anlass besteht, an der inhaltlichen Übereinstimmung mit dem übertragenen Dokument zu zweifeln.

(6) Die Ablehnung eines Beweisantrages bedarf eines Gerichtsbeschlusses. Einer Ablehnung nach Satz 1 bedarf es nicht, wenn die beantragte Beweiserhebung nichts Sachdienliches zu Gunsten des Antragstellers erbringen kann, der Antragsteller sich dessen bewusst ist und er die Verschleppung des Verfahrens bezweckt; die Verfolgung anderer verfahrensfremder Ziele steht der Verschleppungsabsicht nicht entgegen. Nach Abschluss der von Amts wegen vorgesehenen Beweisaufnahme kann der Vorsitzende eine angemessene Frist zum Stellen von Beweisanträgen bestimmen. Beweisanträge, die nach Fristablauf gestellt werden, können im Urteil beschieden werden; dies gilt nicht, wenn die Stellung des Beweisantrags vor Fristablauf nicht möglich war. Wird ein Beweisantrag nach Fristablauf gestellt, sind die Tatsachen, die die Einhaltung der Frist unmöglich gemacht haben, mit dem Antrag glaubhaft zu machen.

(1) Das Gericht kann sich in geeigneten Fällen mit den Verfahrensbeteiligten nach Maßgabe der folgenden Absätze über den weiteren Fortgang und das Ergebnis des Verfahrens verständigen. § 244 Absatz 2 bleibt unberührt.

(2) Gegenstand dieser Verständigung dürfen nur die Rechtsfolgen sein, die Inhalt des Urteils und der dazugehörigen Beschlüsse sein können, sonstige verfahrensbezogene Maßnahmen im zugrundeliegenden Erkenntnisverfahren sowie das Prozessverhalten der Verfahrensbeteiligten. Bestandteil jeder Verständigung soll ein Geständnis sein. Der Schuldspruch sowie Maßregeln der Besserung und Sicherung dürfen nicht Gegenstand einer Verständigung sein.

(3) Das Gericht gibt bekannt, welchen Inhalt die Verständigung haben könnte. Es kann dabei unter freier Würdigung aller Umstände des Falles sowie der allgemeinen Strafzumessungserwägungen auch eine Ober- und Untergrenze der Strafe angeben. Die Verfahrensbeteiligten erhalten Gelegenheit zur Stellungnahme. Die Verständigung kommt zustande, wenn Angeklagter und Staatsanwaltschaft dem Vorschlag des Gerichtes zustimmen.

(4) Die Bindung des Gerichtes an eine Verständigung entfällt, wenn rechtlich oder tatsächlich bedeutsame Umstände übersehen worden sind oder sich neu ergeben haben und das Gericht deswegen zu der Überzeugung gelangt, dass der in Aussicht gestellte Strafrahmen nicht mehr tat- oder schuldangemessen ist. Gleiches gilt, wenn das weitere Prozessverhalten des Angeklagten nicht dem Verhalten entspricht, das der Prognose des Gerichtes zugrunde gelegt worden ist. Das Geständnis des Angeklagten darf in diesen Fällen nicht verwertet werden. Das Gericht hat eine Abweichung unverzüglich mitzuteilen.

(5) Der Angeklagte ist über die Voraussetzungen und Folgen einer Abweichung des Gerichtes von dem in Aussicht gestellten Ergebnis nach Absatz 4 zu belehren.

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
1 StR 293/06
vom
22. August 2006
in der Strafsache
gegen
BGHSt: ja
BGHR: ja
Veröffentlichung: ja
_____________________________
Zur Anwendbarkeit von § 354 Abs. 1a Satz 1 StPO bei einer Urteilsabsprache,
die eine "Punktstrafe" zum Gegenstand hatte.
BGH, Beschl. vom 22. August 2006 - 1 StR 293/06 - LG Stuttgart
wegen unerlaubten bandenmäßigen Handeltreibens mit Betäubungsmitteln
in nicht geringer Menge
Der 1. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat am 22. August 2006 beschlossen
:
1. Dem Angeklagten wird auf seinen Antrag gegen die Versäumung
der Frist zur Begründung der Revision gegen das Urteil
des Landgerichts Stuttgart vom 31. Januar 2006 Wiedereinsetzung
in den vorigen Stand gewährt.
Damit ist der Beschluss des Landgerichts Stuttgart vom
12. April 2006, mit dem die Revision des Angeklagten gegen
das vorbezeichnete Urteil als unzulässig verworfen worden ist,
gegenstandslos.
2. Die Revision des Angeklagten gegen das vorbezeichnete Urteil
wird als unbegründet verworfen.
Der Beschwerdeführer trägt die Kosten seines Rechtsmittels
und der Wiedereinsetzung.
Gründe (zu 2.):
1 Der Angeklagte gehörte einer Bande an, die in erheblichem Umfang mit
großen, aus den Niederlanden eingeschmuggelten Rauschgiftmengen Handel
getrieben hat. Die abgeurteilten Taten beziehen sich auf insgesamt mehr als
25 kg Marihuana sowie in geringerem Umfang auch auf Kokain. Deshalb wurde
er zu acht Jahren Gesamtfreiheitsstrafe verurteilt, wobei das Strafmaß auf einer
verfahrensbeendenden Absprache beruht.
I.
2 Dem liegt, so die Revision, folgender Verfahrensgang zu Grunde: Nach
mehrtägiger Beweisaufnahme hatte das Gericht erstmals im Verfahren die Möglichkeit
einer verfahrensbeendenden Absprache angesprochen. Bei einem danach
außerhalb der Hauptverhandlung geführten Gespräch lagen „die Vorstellungen
über das mögliche Strafmaß … zunächst erheblich auseinander“. Der
„Vorschlag“ zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von acht Jahren kam seitens des
Gerichts. In der Hauptverhandlung wurde der Inhalt dieses Gesprächs bekannt
gegeben; ausweislich der Niederschrift der Hauptverhandlung bezeichnete das
Gericht die genannte Strafe als „angemessen“, was unter Abwägung für und
gegen den Angeklagten sprechender Umstände näher begründet wurde. Anschließend
fand nur noch in sehr geringem Umfang Beweisaufnahme statt.
Letztlich waren alle Verfahrensbeteiligten mit dem Vorschlag des Gerichts einverstanden.
In seinen Schlussausführungen stellte der Verteidiger des Angeklagten
keinen konkreten Antrag zur Strafhöhe.
3 Mit seiner auf den Strafausspruch beschränkten Revision macht der Angeklagte
geltend, das Gericht habe sich bereits vor der Urteilsberatung auf eine
exakte Strafhöhe („Punktstrafe“) festgelegt.
II.
4 1. Ob der geschilderte Protokollinhalt den Revisionsvortrag, das Gericht
habe sich schon vor der Urteilsberatung letztlich unwiderruflich auf eine bestimmte
Strafe festgelegt, zwingend belegt, mag dahinstehen. Immerhin könnte
der Umstand, dass der Verteidiger in seinen Schlussausführungen keinen kon-
kreten Antrag zur Strafhöhe gestellt hat, dahin deuten, dass er die Strafe in das
seiner Ansicht nach noch bestehende Ermessen des Gerichts stellen wollte.
Der Senat sieht jedoch von an sich möglichen freibeweislichen Ermittlungen
(vgl. BGH NStZ 1999, 571, 572) ab. Er geht, ebenso wie die Generalbundesanwältin
, vom Vorbringen der Revision aus: Die Staatsanwaltschaft hat in ihrer
Revisionsgegenerklärung (§ 347 Abs. 1 Satz 2 StPO) dem Vorbringen der Revision
nicht widersprochen, und auch das Gericht hat sich zu keiner dienstlichen
Erklärung veranlasst gesehen (vgl. BGH StV 2000, 652, 653; StraFo 2003, 379,
380).
5 2. Revision und Generalbundesanwältin legen zutreffend dar, dass nach
der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs hier § 261 StPO ebenso verletzt
ist wie § 46 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 Satz 1 StGB. Das Gericht kann zwar bei verfahrensbeendenden
Absprachen eine Strafobergrenze nennen, es darf sich
aber nicht auf eine exakte Strafhöhe („Punktstrafe“) festlegen (BGHSt 50, 40,
51 ; 43, 195, 206 f.; NStZ 1999, 571, 572; ebenso KG NStZ-RR
2004, 175, 178); in der Regel wird auch nicht völlig auszuschließen sein, dass
der Strafausspruch auf einer solchen schon vor den Schlussvorträgen der Verfahrensbeteiligten
(§ 258 StPO) und der nachfolgenden Urteilsberatung (§ 260
Abs. 1 StPO) vorgenommenen Selbstbindung des Gerichts beruht (vgl. BGHSt
43, 195, 211). Hieran ändert sich auch dann nichts, wenn, wie hier, der Absprache
eine längere Beweisaufnahme voranging und, wie hier ebenfalls, ihr Ergebnis
mit abwägenden Erwägungen näher begründet wurde. Schließlich ändert
sich auch nicht dadurch etwas, dass hier die Strafzumessungserwägungen des
Urteils, die im Kern der Begründung des gerichtlichen Vorschlags entsprechen,
so auch die Revision „für sich allein gesehen … wohl nicht beanstandet werden“
können (vgl. BGHSt 43, 195, 211; KG aaO).
6 3. Gleichwohl hat der Strafausspruch Bestand (§ 349 Abs. 2 StPO), da
der Senat, entsprechend dem Antrag der Generalbundesanwältin, die Strafe
trotz des aufgezeigten Mangels für angemessen hält, § 354 Abs. 1a Satz 1
7 a) Die Revision macht demgegenüber geltend, hier stünden schon
grundsätzliche Erwägungen einer Anwendbarkeit von § 354 Abs. 1a Satz 1
StPO entgegen.
8 (1) So meint sie, wenn der Tatrichter „das ihm obliegende abschließende
Beurteilungsermessen nicht ausgeübt“ habe, sei „es grundsätzlich erforderlich,
die Sache an ihn zur Nachholung der rechtlich gebotenen Entscheidung zurückzugeben“.
9 Einen derartigen Rechtsgrundsatz gibt es nicht. Der Anwendung von
§ 354 Abs. 1a Satz 1 StPO steht nicht entgegen, dass nicht festgestellt werden
kann, dass der Tatrichter ohne den Fehler auf dieselbe Strafe erkannt hätte
(vgl. BTDrucks. 15/3482 S. 21 f.; BGH NJW 2005, 913, 914; BGH, Beschluss
vom 17. März 2006 - 1 StR 577/05 m.w.N.). Dementsprechend kommt es nicht
darauf an, ob hier die Strafkammer, hätte sie ihr „abschließendes Beurteilungsermessen“
ausgeübt, zu demselben oder zu einem anderen Ergebnis gekommen
wäre. Deshalb ist es auch nicht erforderlich, die Sache zur Nachholung
dieses Ermessens an den Tatrichter zurückzuverweisen.
10 (2) In ihrer Erwiderung auf den Antrag der Generalbundesanwältin (§ 349
Abs. 3 Satz 2 StPO) führt die Revision aus, obwohl die Entscheidung des Großen
Senats für Strafsachen (BGHSt 50, 40) „Gegenstand intensivster rechtlicher
Diskussion (war,) … verhält sich die … Strafkammer …, als habe es den
Beschluss des Großen Senats (und die vorangegangene Rechtsprechung des
Bundesgerichtshofs …) überhaupt nicht gegeben. Unter solchen Umständen
verbietet sich die ‚alles verzeihende’ Anwendung von § 354 Abs. 1a Satz 1
StPO.“
11 Der Senat kann dem nicht folgen.
12 Einen Rechtssatz, dass § 354 Abs. 1a Satz 1 StPO nicht anwendbar wäre
, wenn der Tatrichter revisionsgerichtliche Rechtsprechung außer Betracht
gelassen hat, gibt es nicht. Daran ändert sich auch nicht dadurch etwas, dass
diese Rechtsprechung (ebenso wie ihre zu erwartende Übernahme in eine künftige
gesetzliche Regelung, wie die Revision im Einzelnen dargelegt hat) in der
Fachöffentlichkeit breit diskutiert wird.
13 Im Übrigen hat der Bundesgerichtshof wiederholt und in unterschiedlichen
Zusammenhängen ausgesprochen, dass das Revisionsgericht den Tatrichter
nicht zu „sanktionieren“ (BGH StV 2004, 196) oder zu „maßregeln“ (BGH
NStZ-RR 2006, 112, 114 f.) hat. Dies gilt auch hier. Dementsprechend kann es
für die Anwendbarkeit von § 354 Abs. 1a Satz 1 StPO auch nicht darauf ankommen
, ob der dem Tatrichter bei der Rechtsfolgenbestimmung unterlaufene
Rechtsfehler „verzeihlich“ erscheint oder nicht.
14 b) Auch sonst steht einer Entscheidung gemäß § 354 Abs. 1a Satz 1
StPO nichts entgegen. Die im Urteil mitgeteilten Strafzumessungsumstände
sind nicht lückenhaft oder unklar und ermöglichen dem Revisionsgericht die
Prüfung und Beantwortung der Frage, ob die Rechtsfolge angemessen ist (vgl.
Senge in FS für Hans Dahs 2005, 475, 486). Ebenso wenig ist erkennbar, dass
es hier im Einzelfall besonders auf den persönlichen Eindruck vom Angeklagten
ankäme (vgl. BGH, Beschluss vom 17. März 2006 - 1 StR 577/05; BGH NJW
2005, 1813, 1814). Schließlich gibt es auch keine Anhaltspunkte für erst nach
der Hauptverhandlung eingetretene und dementsprechend bisher nicht berücksichtigte
Entwicklungen oder Ereignisse, die ein neuer Tatrichter nahe liegend
feststellen und zu Gunsten des Angeklagten berücksichtigen würde (vgl. BGH
StV 2005, 426).
15 c) Unter Abwägung aller für die Strafzumessung bedeutender Urteilsfeststellungen
und unter Berücksichtigung des gesamten hierauf bezogenen Vorbringens
der Verfahrensbeteiligten hält der Senat aus den von der Generalbundesanwältin
zutreffend im Einzelnen dargelegten Gründen sowohl die von der
Strafkammer verhängten Einzelstrafen als auch die daraus von ihr gebildete
Gesamtstrafe für angemessen.
Nack Wahl Boetticher
Schluckebier Elf

(1) Das Gericht kann sich in geeigneten Fällen mit den Verfahrensbeteiligten nach Maßgabe der folgenden Absätze über den weiteren Fortgang und das Ergebnis des Verfahrens verständigen. § 244 Absatz 2 bleibt unberührt.

(2) Gegenstand dieser Verständigung dürfen nur die Rechtsfolgen sein, die Inhalt des Urteils und der dazugehörigen Beschlüsse sein können, sonstige verfahrensbezogene Maßnahmen im zugrundeliegenden Erkenntnisverfahren sowie das Prozessverhalten der Verfahrensbeteiligten. Bestandteil jeder Verständigung soll ein Geständnis sein. Der Schuldspruch sowie Maßregeln der Besserung und Sicherung dürfen nicht Gegenstand einer Verständigung sein.

(3) Das Gericht gibt bekannt, welchen Inhalt die Verständigung haben könnte. Es kann dabei unter freier Würdigung aller Umstände des Falles sowie der allgemeinen Strafzumessungserwägungen auch eine Ober- und Untergrenze der Strafe angeben. Die Verfahrensbeteiligten erhalten Gelegenheit zur Stellungnahme. Die Verständigung kommt zustande, wenn Angeklagter und Staatsanwaltschaft dem Vorschlag des Gerichtes zustimmen.

(4) Die Bindung des Gerichtes an eine Verständigung entfällt, wenn rechtlich oder tatsächlich bedeutsame Umstände übersehen worden sind oder sich neu ergeben haben und das Gericht deswegen zu der Überzeugung gelangt, dass der in Aussicht gestellte Strafrahmen nicht mehr tat- oder schuldangemessen ist. Gleiches gilt, wenn das weitere Prozessverhalten des Angeklagten nicht dem Verhalten entspricht, das der Prognose des Gerichtes zugrunde gelegt worden ist. Das Geständnis des Angeklagten darf in diesen Fällen nicht verwertet werden. Das Gericht hat eine Abweichung unverzüglich mitzuteilen.

(5) Der Angeklagte ist über die Voraussetzungen und Folgen einer Abweichung des Gerichtes von dem in Aussicht gestellten Ergebnis nach Absatz 4 zu belehren.

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
4 StR 228/10
vom
17. August 2010
in der Strafsache
gegen
1.
2.
wegen schweren Raubes
Der 4. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat auf Antrag des Generalbundesanwalts
und nach Anhörung der Beschwerdeführer am 17. August 2010 beschlossen
:
Die Revisionen der Angeklagten gegen das Urteil des Landgerichts
Münster vom 1. Dezember 2009 werden als unbegründet
verworfen, da die Nachprüfung des Urteils auf Grund der
Revisionsrechtfertigungen keinen Rechtsfehler zum Nachteil
der Angeklagten ergeben hat.
Jeder Beschwerdeführer hat die Kosten seines Rechtsmittels
zu tragen.
Ergänzend bemerkt der Senat zu der vom Angeklagten W. erhobenen
Rüge eines Verstoßes gegen § 257c Abs. 5 StPO:
Der Senat braucht auf die - zulässig erhobene - Rüge, das Tatgericht
habe bei der getroffenen Verständigung gegen die Hinweispflichten in § 257c
Abs. 5 StPO verstoßen, nicht näher einzugehen. Denn jedenfalls beruht das
Urteil nicht auf einem etwaigen Verstoß. Die Strafkammer hat die Urteilsabsprache
, insbesondere die hierbei angekündigte Strafobergrenze von vier Jahren
und sechs Monaten Freiheitsstrafe eingehalten. Ob Fälle denkbar sind, in
denen - wie die Revision meint – sich ein Angeklagter allein auf Grund der Hinweise
auf die „Risiken eine(r) Verfahrensabsprache im Falle eines Scheiterns“
dazu veranlasst sieht, eine "streitige" Verhandlung vorzuziehen, bedarf hier keiner
Entscheidung (vgl. § 257c Abs. 4 StPO und zu dessen praktischer Bedeutung
Altenhain/Haimerl JZ 2010, 327, 332). Jedenfalls in dem hier zu beurteilenden
Einzelfall sind keine Gründe erkennbar, die den Angeklagten W.
auch nur im Entferntesten dazu verlasst haben könnten, auf eine Belehrung
nach § 257c Abs. 5 StPO (vgl. zu deren Zweck BT-Drucks. 16/12310 S. 15) die
schließlich getroffene und ihm günstige Verständigung abzulehnen. Immerhin
war ihm mit der Anklage ein Verbrechen des besonders schweren Raubes vorgeworfen
worden, für das § 250 Abs. 2 Nr. 1 StGB eine Strafuntergrenze von
fünf Jahren vorsieht. Unter diesen Umständen kann der Senat ausschließen,
dass der Angeklagte eine Absprache, die ihm – ausgehend von einem ungeladenen
Zustand der mitgeführten Schreckschusspistole - eine Strafobergrenze
von vier Jahren und sechs Monaten in Aussicht stellte, abgelehnt und sich auf
eine streitige Verhandlung eingelassen hätte. Eine Fehlvorstellung des verteidigten
Angeklagten über Art und Umfang der Bindung des Tatgerichts vermag
der Senat nicht zu erkennen.
RinBGH Solin-Stojanović
befindet sich im Urlaub und
ist daher gehindert zu
unterschreiben.
Ernemann Ernemann Cierniak
Franke Mutzbauer

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
1 StR 469/10
vom
2. November 2010
in der Strafsache
gegen
1.
2.
wegen Betruges u.a.
Der 1. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat am 2. November 2010 beschlossen
:
Die Revisionen der Angeklagten gegen das Urteil des Landgerichts
München II vom 27. April 2010 werden verworfen.
Jeder Beschwerdeführer hat die Kosten seines Rechtsmittels zu
tragen.

Gründe:

1
Die Angeklagten wurden im Rahmen einer verfahrensbeendenden Absprache (§ 257c StPO) wegen Anlagebetrügereien jeweils zu einer Gesamtfreiheitsstrafe verurteilt.
2
Ihre Revisionen bleiben erfolglos (§ 349 Abs. 2 StPO).
3
Die von beiden Angeklagten auf die unterbliebene Belehrung gemäß § 257c Abs. 5 StPO gestützte Verfahrensrüge versagt. Eine der von § 257c Abs. 4 StPO erfassten Fallgestaltungen, über deren Rechtsfolgen gemäß § 257c Abs. 5 StPO vorab zu belehren ist, liegt nicht vor. Dementsprechend übersteigen die verhängten Strafen auch nicht die vom Gericht jeweils zugesicherte Höhe. Auch sonst sind konkrete, fallbezogene Gründe, die für die - auch nur entfernte - Möglichkeit sprächen, dass sich der aufgezeigte Verfahrensmangel auf das Prozessverhalten der Angeklagten ausgewirkt haben könnte, sodass letztlich ein für sie günstigeres Urteil nicht auszuschließen wäre, weder vorgetragen noch sonst ersichtlich (vgl. auch BGH, Beschlüsse vom 17. August 2010 - 4 StR 228/10 und vom 8. Oktober 2010 - 1 StR 347/10 und 1 StR 443/10).
4
Auch die nicht näher ausgeführte Sachrüge bleibt erfolglos. Nack Wahl Graf Jäger Sander