Bundesgerichtshof Beschluss, 21. Jan. 2016 - 2 StR 433/15

ECLI:ECLI:DE:BGH:2016:210116B2STR433.15.0
bei uns veröffentlicht am21.01.2016

Gericht

Bundesgerichtshof


Der Bundesgerichtshof (BGH) ist das höchste Gericht der ordentlichen Gerichtsbarkeit in Deutschland.  Der BGH besteht aus 16 Senaten, die jeweils von einem Vorsitzenden und mehreren anderen Richtern geleitet werden. Die Zusammensetzung der Senate

Richter

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
2 StR 433/15
vom
21. Januar 2016
in der Strafsache
gegen
wegen Vergewaltigung
ECLI:DE:BGH:2016:210116B2STR433.15.0

Der 2. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat nach Anhörung des Generalbundesanwalts und des Beschwerdeführers am 21. Januar 2016 gemäß § 349 Abs. 4 StPO beschlossen:
Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Limburg a. d. Lahn vom 26. Mai 2015 mit den Feststellungen aufgehoben. Die Sache wird zur neuen Verhandlung und Entscheidung auch über die Kosten des Rechtsmittels an eine andere Strafkammer des Landgerichts Limburg a. d. Lahn zurückverwiesen.

Gründe:

1
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen Vergewaltigung zu einer Freiheitsstrafe von drei Jahren und drei Monaten verurteilt. Die dagegen gerichtete , auf die Rüge der Verletzung formellen und materiellen Rechts gestützte Revision hat mit einer Verfahrensrüge Erfolg.

I.

2
1. Nach den Feststellungen des Landgerichts war der Angeklagte im Januar 2011 als Reinigungskraft in einem Krankenhaus in Bad C. beschäftigt. Seit Anfang 2011 lag hier die Geschädigte B. , die am 4. Dezember 2010 einen linksseitigen Schlaganfall erlitten hatte. Bei ihrer Aufnahme bestand eine Halbseitenlähmung rechts, eine Sprachstörung, eine Gesichtslähmung sowie eine Wahrnehmungsstörung in Bezug auf den eigenen Körper (sog. Neclet ). Bis zum 5. Januar 2010 hatte sich ihr Zustand bereits dahin gebessert, dass sie das rechte Bein wieder etwas bewegen konnte. Ihr rechter Arm war aber weiterhin gelähmt. Das Sprachverständnis der Geschädigten hatte sich dahin verbessert, dass sie in der Lage war, mittels Kopfnicken bzw. Kopfschütteln eine verlässliche Ja/Nein-Kommunikation durchzuführen. Sprechen oder Schreien war ihr nicht möglich. Zu Ort, Zeit und Situation war sie vollständig orientiert. Ihre Fähigkeit, Erlebtes zutreffend wahrzunehmen und zu speichern, war nicht eingeschränkt.
3
Am Morgen des 5. Januar 2011 betrat der Angeklagte das Krankenzimmer der noch schlafenden Geschädigten. Sie erwachte, als er an ihr Bett herantrat. Der Angeklagte schob ihre Bettdecke zur Seite und hielt ihre linke Hand fest, um einen erwarteten Widerstand von vornherein zu überwinden. Sodann berührte er ihre Brust und fasste mit zwei Fingern in ihre Scheide. Anschließend verließ er das Krankenzimmer, kehrte aber nach wenigen Minuten zurück, ging suchend im Zimmer umher und rief „Scheiße, Scheiße“. Nachdem er das Zim- mer zum zweiten Mal verlassen hatte, drückte die Geschädigte die Notrufklingel. Sie war sehr aufgeregt und weinte. Dem Pflegepersonal gelang es nicht, durch Fragen in Erfahrung zu bringen, was sich ereignet hatte. Erst am Nachmittag konnte die Tochter der Geschädigten das Geschehen erfragen.
4
2. Das Landgericht ist von der uneingeschränkten Aussagetüchtigkeit der Geschädigten ausgegangen. Dies entspreche der Beurteilung des damaligen Chefarztes der Klinik Dr. S. , der zum Gesundheitszustand der Geschädigten als Zeuge und Sachverständiger vernommen worden sei. Dr. S. habe die Patientenakte ausgewertet und angegeben, Kopfnicken bzw. Kopfschütteln seien bei „einfach gestellten Fragen“ eindeutige und sichere Gesten der Ge- schädigten gewesen. Hinweise auf Verwirrtheit oder Halluzinationen habe es nicht gegeben. Seine Einschätzung werde bestätigt durch den „abrundend hinzugezogenen“ Sachverständigenaus dem Fachgebiet der Psychiatrie Prof. Dr. G. . Dieser habe auf Grundlage der Aktenkenntnis und seiner Anwesenheit in der Hauptverhandlung, im Rahmen derer er die Geschädigte und ihre behandelnden Ärzte befragen konnte, ein Gutachten zur Aussagetüchtigkeit der Geschädigten erstattet. Dafür habe er die bei der Geschädigten am 4. Dezember 2010 durchgeführte Computertomografie (CT) des Schädels mit Angiographie ausgewertet, wonach die rechte Hirnhälfte, die für die kognitive Wahrnehmungsfähigkeit zuständig sei, unbeteiligt gewesen sei.

II.

5
Die Revision des Angeklagten hat mit der zulässig erhobenen Verfahrensrüge der Verletzung des § 261 StPO Erfolg.
6
1. Der Rüge liegt folgendes Verfahrensgeschehen zugrunde:
7
Das angefochtene Urteil wurde am 26. Mai 2015 verkündet. Rund einen Monat später, am 23. Juni 2015, verfügte der Vorsitzende die Übersendung der Kopien Bl. 461-463 d.A. an den Sachverständigen Prof. Dr. G. „unter Bezug auf das heute geführte Telefonat“. Bei den übersandten Kopien handelte es sich entweder um den vorläufigen Arztbrief vom 16. Dezember 2010, in dem unter anderem die Ergebnisse der „CT-Schädel vom 4. Dezember 2010“ ge- schildert wurden (paginiert als Bl. 461-463 d.A.) oder aber um zwei polizeiliche Vermerke und einen Laborbefund betreffend den bei der Geschädigten entnommenen Abstrich (ebenfalls paginiert als Bl. 461-463 d.A.).
8
Mit einem (offensichtlich fehlerhaft) auf den 29. Juli 2015 datierten Anschreiben , eingegangen beim Landgericht am 1. Juli 2015, übersandte der Sachverständige daraufhin ein auf den 29. Juni 2015 datiertes Gutachten be- treffend die „Befunde in Bezug auf die kognitive Leistungsfähigkeit und Realitätswahrnehmung“ der Geschädigten im gegenständlichen Tatzeitraum, in dem er sich unter Bezugnahme auf die „CT mit Angiographie vom 4. Dezember 2010“ zur Wahrnehmungsfähigkeit der Geschädigten sachverständig äußerte. In dem Anschreiben ließ der Sachverständige ergänzend anfragen, ob die an ihn gerichteten Fragen „durch die Erklärungen“ abgedecktseien. Das schriftliche Urteil gelangte am 14. Juli 2015 zur Geschäftsstelle. In den Urteilsgründen wird das von Prof. Dr. G. in der Hauptverhandlung erstattete Gutachten mitgeteilt und im Rahmen dessen auch das rund eineinhalb Seiten umfassende schriftliche Gutachten vom 29. Juni 2015 nahezu vollständig und wörtlich wiedergegeben.
9
2. Die Verurteilung des Angeklagten hält auf die von der Revision erhobene Verfahrensrüge nach § 261 StPO rechtlicher Nachprüfung nicht stand.
10
Das Landgericht hat seine Überzeugung nicht aus dem Inbegriff der Hauptverhandlung geschöpft. Denn in den schriftlichen Urteilsgründen wird die Annahme der Aussagetüchtigkeit der Geschädigten auch auf Erkenntnisse gestützt , die erst nachträglich und nicht im Verfahren nach § 261 StPO gewonnen worden sind.
11
a) Grundlage der Überzeugungsbildung des Richters und der Urteilsfindung darf nur das sein, was innerhalb der Hauptverhandlung, d.h. vom Aufruf der Sache bis zum letzten Wort des Angeklagten mündlich so erörtert worden ist, dass alle Beteiligten Gelegenheit zur Stellungnahme hatten (BGH, Beschluss vom 10. Juli 2001 - 5 StR 250/01, NStZ 2001, 595, 596; Urteil vom 5. August 2010 - 3 StR 195/10, BGHR StPO § 261 Inbegriff der Verhandlung 47; KK-Ott, StPO, 7. Aufl., § 261 Rn. 6). Gründet das Gericht seine Überzeugung auch auf Tatsachen, die nicht Gegenstand der Hauptverhandlung waren, zu denen sich also der Angeklagte dem erkennenden Gericht gegenüber nicht abschließend äußern konnte, so verstößt das Verfahren nicht nur gegen § 261 StPO, sondern zugleich auch gegen den in § 261 StPO zum Ausdruck kommenden Grundsatz des rechtlichen Gehörs (Art. 103 Abs. 1 GG, vgl. BGH, Urteil vom 13. Dezember 1967 - 2 StR 544/67, BGHSt 22, 26, 28 f.).
12
Eine Verletzung des § 261 StPO kann vorliegend nicht bereits an der Erwägung scheitern, das Urteil könne nicht auf einem Vorgang beruhen, der sich erst nach Verkündung des Urteils ereignet hat, weil dieser Vorgang bei der vorangegangen Überzeugungsbildung und Urteilsfindung keine Rolle gespielt haben könne.
13
Dem steht entgegen, dass das Revisionsgericht das angefochtene Urteil nur „in der untrennbaren Einheit“ nachprüfen kann, die der Urteilstenor und die schriftlichen Urteilsgründe miteinander bilden (vgl. schon RG, Urteil vom 24. September 1937 - 1 D 812/36, RGSt 71, 326, 327; vgl. auch OLG Stuttgart, NJW 1968, 2022). Andernfalls bestünde die Gefahr, dass eine nachträglich erkannte Lücke in der Beweiswürdigung durch Erkenntnisse, die nach Abschluss der Hauptverhandlung gewonnen werden, noch geschlossen werden könnte (vgl. auch Pegel in Radtke/Hohmann, StPO, § 261 Rn. 15 f.). Die schriftlichen Urteilsgründe sollen indes die tatsächlichen und rechtlichen Grundlagen des Urteils wiedergeben, wie sie nach der Hauptverhandlung in der Beratung gewonnen worden sind, und dadurch dem Revisionsgericht die Nachprüfung der getroffenen Entscheidungen auf ihre Richtigkeit ermöglichen (KK-Kuckein, StPO, 7. Aufl., § 267 Rn. 2 mwN). Daher darf auch das schriftliche Urteil nur auf Erkenntnisse gestützt werden, die im Verfahren nach § 261 StPO gewonnen worden sind und zu denen die Beteiligten Stellung nehmen konnten (vgl. BGH, Beschluss vom 3. November 1987 - 4 StR 496/87; Beschluss vom 20. Oktober 1999 - 5 StR 496/99; Beschluss vom 10. Juli 2001 - 5 StR 250/01, NStZ 2001, 595, 596; KK-Kuckein, StPO, 7. Aufl., § 267 Rn. 1; LR-Stuckenberg, StPO, 26. Aufl., § 267 Rn. 10). Es dürfen mithin weder Erkenntnisse, die während (vgl. BGH, Beschluss vom 10. Juli 2001 - 5 StR 250/01, NStZ 2001, 595, 596; Beschluss vom 20. Oktober 1999 - 5 StR 496/99) noch solche, die erst nach der Urteilsverkündung (vgl. BGH, Beschluss vom 3. November 2010 - 1 StR 449/10; vgl. auch OLG Karlsruhe, Justiz 1998, 601) erlangt wurden, zur schriftlichen Begründung der gewonnenen Überzeugung herangezogen werden.
14
b) Hiergegen hat das Landgericht verstoßen. Die in dem schriftlichen Gutachten gewonnenen und im Rahmen der Beweiswürdigung verwerteten Erkenntnisse hat das Landgericht erst nach der Urteilsverkündung gewonnen, ohne dass die Verfahrensbeteiligten Gelegenheit hatten, hierzu Stellung zu nehmen.
15
aa) Das schriftliche Gutachten des Sachverständigen wurde erst am 29. Juni 2015 erstellt. Es kann daher weder durch Verlesung noch im Wege des Vorhalts an den Sachverständigen in der Hauptverhandlung eingeführt worden sein. Zudem enthält das in den Urteilsgründen wörtlich zitierte Gutachten umfangreiche , sowohl inhaltlich wie sprachlich komplex gestaltete Textpassagen, in denen Untersuchungsergebnisse referiert werden und eine zusammenfassende gutachterliche Wertung der erhobenen Befunde aus neurologischpsychiatrischer Sicht formuliert ist. Der Senat schließt daher aus, dass das Landgericht den Inhalt des späteren schriftlichen Gutachtens schon aufgrund der Angaben der Sachverständigen in der Hauptverhandlung festgestellt hat (vgl. auch BGH, Beschluss vom 28. Juli 2015 - 2 StR 38/15; Urteil vom 6. September 2000 - 2 StR 190/00, NStZ-RR 2001, 18).
16
bb) Die telefonisch erbetene Stellungnahme des Vorsitzenden diente ersichtlich auch nicht der bloßen Auffrischung seines Gedächtnisses oder als Formulierungshilfe für die schriftlichen Urteilsgründe allein darüber, was der Sachverständige in der Hauptverhandlung sinngemäß ausgesagt hatte. Ungeachtet dessen, dass ein solches Vorgehen schon für sich genommen bedenklich erscheint, weil der Übergang vom bloßen Auffrischen bzw. bloßen Formulieren hin zum Gewinnen neuer Erkenntnisse merklich gering und schwer festzustellen ist (vgl. OLG Stuttgart, NJW 1968, 2022; BeckOK-StPO/Eschelbach, § 261 Rn. 20; Eb. Schmidt, StPO, 1957, § 261 Rn. 4; weitergehend RG, Urteil vom 13. Februar 1939 - 2 D 4/39, HRR 1939 Nr. 1214), ist vorliegend bereits dem Aktenvermerk des Vorsitzenden sowie dem Antwortschreiben und Gutachten des Sachverständigen zu entnehmen, dass das nachträgliche Telefongespräch nicht nur der Vergewisserung des Inhalts der Hauptverhandlung diente. Denn dafür hätte es weder der ergänzenden Übersendung von Unterlagen an den Sachverständigen noch der Erstattung eines schriftlichen Gutachtens bedurft.
17
c) Der Senat kann nicht ausschließen, dass das Urteil auf diesem Verfahrensfehler beruht, denn das Landgericht hat seine Überzeugung von der Aussagetüchtigkeit der Geschädigten auch auf das nachträglich erstattete Gutachten des Sachverständigen Prof. Dr. G. gestützt.
18
Die Übernahme dieses Gutachtens in die schriftlichen Urteilsgründe könnte zwar dann unschädlich sein, wenn zweifelsfrei feststünde, dass das in der Beratung - rechtlich fehlerfrei - gewonnene Ergebnis lediglich durch Umstände bestätigt wurde, die nach Verkündung des Urteils entstanden sind (vgl. insoweit BGH, Urteil vom 21. Dezember 1983 - 3 StR 444/83; Beschluss vom 3. November 1987 - 4 StR 496/87, BGHR StPO § 261 Inbegriff der Verhandlung 8). So verhält es sich hier aber nicht. Die Strafkammer ist gerade nicht von einer nur späteren Bestätigung ihrer - unabhängig von dem Gutachten des Sachverständigen Prof. Dr. G. - gewonnenen Überzeugung ausgegangen (vgl. insoweit OLG Karlsruhe, Justiz 1998, 601), sondern hat bereits verschwiegen , dass es sich um ein erst nachträglich erstattetes Gutachten handelt.
19
Ein Beruhen kann daher nicht ausgeschlossen werden, wenngleich sich die Strafkammer ausweislich der Urteilsgründe zunächst auf die Beurteilung des damaligen Chefarztes Dr. S. zum Gesundheitszustand der Geschädigten gestützt und erst im Anschluss ausgeführt hat, dass dessen Einschätzung auch durch den „abrundend hingezogenen“ Sachverständigen Prof. Dr. G. „bestätigt“ werde. Denn ungeachtet dieser Formulierung wird der organische Befund, der die Einschätzung des Dr. S. bestätigt, allein in dem insoweit in Bezug genommenen Gutachten des Prof. Dr. G. näher dargestellt und bewertet. Fischer RiBGH Dr. Appl ist Eschelbach wegen Urlaubs an der Unterschriftsleistung gehindert. Fischer Ott Bartel

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Strafprozeßordnung - StPO | § 261 Grundsatz der freien richterlichen Beweiswürdigung


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(1) Erachtet das Revisionsgericht die Vorschriften über die Einlegung der Revision oder die über die Anbringung der Revisionsanträge nicht für beobachtet, so kann es das Rechtsmittel durch Beschluß als unzulässig verwerfen.

(2) Das Revisionsgericht kann auf einen Antrag der Staatsanwaltschaft, der zu begründen ist, auch dann durch Beschluß entscheiden, wenn es die Revision einstimmig für offensichtlich unbegründet erachtet.

(3) Die Staatsanwaltschaft teilt den Antrag nach Absatz 2 mit den Gründen dem Beschwerdeführer mit. Der Beschwerdeführer kann binnen zwei Wochen eine schriftliche Gegenerklärung beim Revisionsgericht einreichen.

(4) Erachtet das Revisionsgericht die zugunsten des Angeklagten eingelegte Revision einstimmig für begründet, so kann es das angefochtene Urteil durch Beschluß aufheben.

(5) Wendet das Revisionsgericht Absatz 1, 2 oder 4 nicht an, so entscheidet es über das Rechtsmittel durch Urteil.

Über das Ergebnis der Beweisaufnahme entscheidet das Gericht nach seiner freien, aus dem Inbegriff der Verhandlung geschöpften Überzeugung.

5 StR 250/01

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
vom 10. Juli 2001
in der Strafsache
gegen
wegen Mordes u. a.
Der 5. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat am 10. Juli 2001

beschlossen:
1. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Berlin vom 4. Dezember 2000 nach § 349 Abs. 4 StPO
a) im Schuldspruch dahingehend geändert , daß der Angeklagte verurteilt wird wegen Mordes in Tateinheit mit Raub mit Todesfolge, wegen Computerbetruges in vier Fällen und wegen falscher Verdächtigung,
b) aufgehoben (1) im Ausspruch über die neun wegen Computerbetruges und versuchten Computerbetruges verhängten Einzelstrafen, (2) im Maßregelausspruch mit den Feststellungen.
1. Die weitergehende Revision wird nach § 349 Abs. 2 StPO als unbegründet verworfen.
2. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.

G r ü n d e Das Landgericht hat den Angeklagten wegen Mordes in Tateinheit mit Raub mit Todesfolge, wegen Computerbetruges in sechs Fällen (Einzelstrafen je ein Jahr), wegen versuchten Computerbetruges in drei Fällen (Einzelstrafen je neun Monate) und wegen falscher Verdächtigung (Einzelstrafe ein Jahr und sechs Monate Freiheitsstrafe) zu lebenslanger Freiheitsstrafe als Gesamtstrafe verurteilt und gegen ihn die Unterbringung in der Sicherungsverwahrung angeordnet. Die Revision des Angeklagten, mit der er die Verletzung formellen und materiellen Rechts rügt, hat mit der Sachrüge in dem aus dem Beschlußtenor ersichtlichen Umfang Erfolg. Im übrigen ist sie im Sinne von § 349 Abs. 2 StPO unbegründet.
Die Verfahrensrügen haben aus den vom Generalbundesanwalt im einzelnen dargelegten Gründen keinen Erfolg. Gleiches gilt auch, soweit der Beschwerdeführer mit der Sachrüge die Beweiswürdigung der Strafkammer angreift. Die Schuldsprüche wegen Mordes in Tateinheit mit Raub mit Todesfolge und wegen falscher Verdächtigung, die zugehörigen Einzelstrafaussprüche und die schon danach zwingende lebenslange Freiheitsstrafe als Gesamtstrafe (§ 54 Abs. 1 Satz 1 StGB) sind rechtsfehlerfrei.
1. Die konkurrenzrechtliche Beurteilung der Taten nach § 263a StGB ist dagegen fehlerhaft. Die Annahme des Tatgerichts, jeder einzelne der neun Geldabhebungsvorgänge sei eine eigenständige Tat im Sinne der §§ 52 ff. StGB, geht fehl.
Vorliegend ist lediglich von vier vollendeten Taten nach § 263a StGB auszugehen. Zäsuren zwischen den einzelnen Teilakten bilden allein die zweistündige Pause, bevor der Angeklagte eine andere Bankfiliale aufsuch- te, und der Wechsel der Karten, da damit eine andere Vorgehensweise, insbesondere die Eingabe einer anderen Geheimnummer erforderlich wurde (vgl. auch BGH, Beschluß vom 26. Mai 1998 – 4 StR 127/98 –). Die fehlgeschlagenen Abhebungen sind ohne eigenständige rechtliche Bedeutung, da sie gegenüber den zeitnah verwirklichten vollendeten Taten subsidiär sind (vgl. Tröndle/ Fischer, StGB 50. Aufl. Vor § 52 Rdn. 19); zeitlich eng zusammenhängende Abhebungen mit derselben Karte stehen in natürlicher Handlungseinheit. Der Senat ändert den Schuldspruch. § 265 StPO steht dem nicht entgegen, weil der Angeklagte sich gegen den geänderten Schuldvorwurf nicht anders als geschehen hätte verteidigen können. Die Ä nderung des Schuldspruchs führt im Strafausspruch zum Wegfall aller wegen der Taten nach § 263a StGB verhängten zeitigen Freiheitsstrafen.
2. Allein das zieht die Aufhebung der angeordneten Unterbringung in der Sicherungsverwahrung nach sich, da die formellen Voraussetzungen des § 66 Abs. 2 StGB, die der Tatrichter auf jene Einzelstrafen gestützt hat, mit deren Wegfall nicht mehr belegt sind.
Im übrigen hätte die Anordnung der Maßregel aber auch deswegen nicht bestehen bleiben können, da das Schwurgericht bei der erforderlichen Bildung der “hypothetischen Gesamtstrafe” (vgl. BGHR StGB § 66 Abs. 2 – Vorverurteilungen 2) mehrere nicht berücksichtigungsfähige Taten und Strafen zugrundegelegt hat. Die Einzelstrafen von je neun Monaten Freiheitsstrafe für die drei versuchten Taten nach § 263a StGB hätten – ungeachtet der obigen Ausführungen – auch deswegen keine Beachtung finden dürfen, da sie die “Ein-Jahres-Grenze” des § 66 Abs. 2 StGB nicht erreichten. Ebenso liegt fern, daß die Verurteilung wegen falscher Verdächtigung hätte berücksichtigt werden dürfen; das dieser Tat zugrunde liegende Verhalten – der Angeklagte hatte in seinen Beschuldigtenvernehmungen einen Bekannten der Tötung des Opfers bezichtigt – läßt einen “symptomatischen Zusammenhang” nicht erkennen (vgl. dazu BGHSt 34, 321; BGH NStZ-RR 1996, 196, 197).
Die Anordnung der Maßregel hat aber vor allem auch deshalb keinen Bestand, da die Strafkammer die Annahme der Voraussetzungen des § 66 Abs. 1 Nr. 3 StGB nur unzureichend und zudem fehlerhaft begründet hat. Bei der Prüfung, ob bei einem Täter ein Hang zu erheblichen Straftaten vorliegt und er (deshalb) für die Allgemeinheit gefährlich ist, sind seine Täterpersönlichkeit und die von ihm begangenen Taten umfassend zu würdigen (vgl. nur Tröndle/Fischer, StGB 50. Aufl. § 66 Rdn. 28). Dabei dürfen Ä ußerungen des Angeklagten während der Urteilsverkündung nicht berücksichtigt werden, da sie nicht im Verfahren nach § 261 StPO gewonnen worden sind (so aber UA S. 53). Zudem ist die Begründung der Strafkammer für die Wertung bedenklich, der Angeklagte handele nach einem eingeschliffenen Verhaltensmuster und sei nicht bereit, dies einzusehen und dagegen anzugehen ; seine völlige Unbelehrbarkeit in eigenes Fehlverhalten habe “die Kammer im Laufe der Hauptverhandlung mehrfach an Hand der abwehrenden Reaktionen des Angeklagten auf Zeugenaussagen zu seiner Persönlichkeit und auf die diesbezüglichen sachverständigen Ausführungen beobachten können” (UA S. 52 f.). Diese Ausführungen lassen besorgen, daß das Tatgericht die Grenzen zulässigen Verteidigungsverhaltens des – hier jedenfalls nicht voll geständigen – Angeklagten verkannt hat (vgl. dazu BGHR StGB § 66 Abs. 1 – Gefährlichkeit 4; Tröndle/ Fischer, StGB 50. Aufl. § 46 Rdn. 50).
Der Pflicht zur umfassenden Würdigung ist die Strafkammer nicht nachgekommen. So beschränkt sich die tatrichterliche Würdigung in den Urteilsgründen auf eine Beschreibung des Angeklagten, ohne auch nur ansatzweise darzulegen, welche der von ihm begangenen Straftaten einen nicht näher beschriebenen Hang zu erheblichen Straftaten belegen könnten. Gerade angesichts des Umstandes, daß die vom Angeklagten begangenen Taten nach § 263a StGB – das mit lebenslänglicher Freiheitsstrafe geahndete Tötungsdelikt ist nach Systematik des Gesetzes bei dieser Prüfung ohne Bedeutung (vgl. BGH NStZ 2000, 417) – nach dem geschilderten Tatbild nicht überdurchschnittliches Gewicht haben (vgl. BGH NJW 2001, 1508, 1509), hätte der Tatrichter eingehend erörtern müssen, warum aus seiner Sicht gleichwohl Sicherungsverwahrung anzuordnen war.
Schließlich drängt sich ein Wertungswiderspruch auf: Einerseits hat das Landgericht – was den Angeklagten für sich nicht beschwert – bei der zusammenfassenden Würdigung der Straftaten nach § 57b StGB eine besondere Schwere der Schuld nicht festgestellt. Das steht in einem kaum lösbaren Spannungsverhältnis zu der dem Maßregelausspruch zugrunde liegenden Wertung, die Begleittaten, die neben dem mit lebenslanger Freiheitsstrafe geahndeten Kapitalverbrechen begangen wurden, seien für sich genommen so schwer, daß sie allein die Anordnung der Sicherungsverwahrung nach § 66 Abs. 2 StGB rechtfertigen könnten.
Harms Basdorf Tepperwien Raum Brause

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
3 StR 195/10
vom
5. August 2010
in der Strafsache
gegen
wegen bewaffneten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge
u. a.
Der 3. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat in der Sitzung vom 5. August
2010, an der teilgenommen haben:
Vorsitzender Richter am Bundesgerichtshof
Becker,
Richter am Bundesgerichtshof
von Lienen,
Richterin am Bundesgerichtshof
Sost-Scheible,
die Richter am Bundesgerichtshof
Hubert,
Mayer
als beisitzende Richter,
Staatsanwalt
als Vertreter der Bundesanwaltschaft,
Justizamtsinspektor
als Urkundsbeamter der Geschäftsstelle,

für Recht erkannt:
1. Auf die Revision der Staatsanwaltschaft wird das Urteil des Landgerichts Hannover vom 27. Januar 2010 im Maßregelausspruch mit den zugehörigen Feststellungen aufgehoben. 2. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels , an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.
Von Rechts wegen

Gründe:

1
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge "unter Mitsichführens einer Schusswaffe" in zwei Fällen, davon in einem Fall in Tateinheit mit Vortäuschen einer Straftat sowie wegen Bedrohung zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von fünf Jahren und zehn Monaten verurteilt. Es hat außerdem die Unterbringung des Angeklagten in einer Entziehungsanstalt angeordnet. Mit ihrer auf die Anfechtung des Maßregelausspruchs beschränkten Revision, die vom Generalbundesanwalt vertreten wird, beanstandet die Staatsanwaltschaft die Verletzung formellen und materiellen Rechts.
2
Das Rechtsmittel hat Erfolg.
3
1. Die Beschränkung der Revision auf den Maßregelausspruch ist wirksam ; nach den Urteilsgründen ist eine Wechselwirkung zwischen der Unterbringungsanordnung nach § 64 StGB und dem Strafausspruch auszuschließen (BGH, Urteil vom 7. Oktober 1992 - 2 StR 374/92, BGHSt 38, 362, 363). Das Rechtsmittel wirkt nunmehr nur noch zugunsten des Angeklagten, da die angefochtene Maßregelanordnung ihn beschwert (BGH, Urteil vom 21. März 1979 - 2 StR 743/78, BGHSt 28, 327, 331; BGH, Beschluss vom 24. Juni 2003 - 1 StR 25/03).
4
2. Die Anordnung der Unterbringung des Angeklagten in einer Entziehungsanstalt hat keinen Bestand.
5
a) Nach den Urteilsfeststellungen hat der Angeklagte seit seinem 15. Lebensjahr Kontakt zu Betäubungsmitteln. Während er anfangs nur Marihuana konsumierte, stieg er 1999 auf Heroin um, das er sich auch injizierte. Im Sommer 2005 gelang es ihm, vom Heroinkonsum, nicht jedoch vom Konsum von Cannabis und Alkohol Abstand zu nehmen. Seit Anfang 2009 nahm er jedoch wieder Heroin zu sich, wobei er zuletzt eine tägliche Dosis von bis zu 7 g des Betäubungsmittels benötigte. Bei seiner Festnahme litt er unter erheblichen Entzugserscheinungen. Die abgeurteilten Betäubungsmitteltaten beging der Angeklagte, um sich Drogen und finanzielle Mittel zur Befriedigung seiner Sucht zu beschaffen.
6
Das Landgericht hat sachverständig beraten einen Hang des Angeklagten zum Missbrauch von Rauschmitteln bejaht. Die Urteilgründe belegen auch hinreichend eine mit der Betäubungsmittelabhängigkeit einhergehende Gefahr der Begehung weiterer Betäubungsmitteldelikte durch den Angeklagten. Zur Begründung einer hinreichend konkreten Aussicht auf einen Behandlungserfolg hat die Strafkammer darauf abgestellt, dass der vom Angeklagten in der Haupt- verhandlung geäußerte Therapiewunsch nicht lediglich vordergründig sei, was sich auch daraus ergebe, dass "der Angeklagte das gegen ihn ergangene Urteil akzeptiert und sich somit auf eine Unterbringung in einer Entziehungsanstalt eingestellt" habe. Die voraussichtlich erforderliche Therapiedauer hat das Landgericht der Sachverständigen folgend auf etwa drei Jahre bemessen.
7
b) Die Unterbringungsanordnung hält auf die von der Revision erhobene Verfahrensrüge nach § 261 StPO rechtlicher Nachprüfung nicht stand.
8
Grundlage der Überzeugungsbildung des Richters und der Urteilsfindung darf nur das sein, was innerhalb der Hauptverhandlung, d.h. vom Aufruf der Sache bis zum letzten Wort des Angeklagten mündlich so erörtert worden ist, dass alle Beteiligten Gelegenheit zur Stellungnahme hatten (KK-Schoreit, 6. Aufl., § 261 Rn. 6; BGH, Beschluss vom 10. Juli 2001 - 5 StR 250/01, NStZ 2001, 595 f.). Hiergegen hat das Landgericht verstoßen. Es hat die für die Maßregelanordnung nach § 64 StGB erforderliche hinreichend konkrete Aussicht auf einen Behandlungserfolg auch aus dem Umstand entnommen, dass der Angeklagte innerhalb der Frist des § 341 Abs. 1 StPO keine Revision eingelegt hat, und sich damit auf eine Tatsache gestützt, die nicht Inbegriff der Hauptverhandlung war, sondern erst nach Erlass des Urteils zutage getreten ist.
9
Der Senat kann nicht ausschließen, dass die Maßregelanordnung auf diesem Verfahrensverstoß beruht. Denn die Sachverständige hat ersichtlich Zweifel an der Bereitschaft des Angeklagten bekundet, sich einer langfristigen Therapie im Rahmen des Maßregelvollzugs zu unterziehen. Diese Zweifel hat das Landgericht jedoch maßgeblich mit der von der Revision beanstandeten Erwägung auszuräumen versucht.
10
c) Da das Urteil im angefochtenen Umfang bereits auf die erhobene Verfahrensrüge der Aufhebung unterliegt, kommt es auf die Sachrüge nicht mehr an. Der Senat weist jedoch darauf hin, dass bei einer voraussichtlichen Therapiedauer von drei Jahren, wie sie das Landgericht hier festgestellt hat, die für die Maßregelanordnung nach § 64 StGB notwendige Aussicht eines Behandlungserfolgs zu verneinen ist (Senatsurteil vom 11. März 2010 - 3 StR 538/09 - obiter dictum -; s. aber auch BGH, Beschluss vom 6. Februar 1996 - 5 StR 16/96).
11
d) Über die Frage der Unterbringung des Angeklagten in einer Entziehungsanstalt ist deshalb erneut zu befinden. Der neue Tatrichter wird insbesondere Gelegenheit haben, neue Feststellungen zu der voraussichtlich notwendigen Therapiedauer zu treffen. Becker von Lienen Sost-Scheible Hubert Mayer

Über das Ergebnis der Beweisaufnahme entscheidet das Gericht nach seiner freien, aus dem Inbegriff der Verhandlung geschöpften Überzeugung.

5 StR 250/01

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
vom 10. Juli 2001
in der Strafsache
gegen
wegen Mordes u. a.
Der 5. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat am 10. Juli 2001

beschlossen:
1. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Berlin vom 4. Dezember 2000 nach § 349 Abs. 4 StPO
a) im Schuldspruch dahingehend geändert , daß der Angeklagte verurteilt wird wegen Mordes in Tateinheit mit Raub mit Todesfolge, wegen Computerbetruges in vier Fällen und wegen falscher Verdächtigung,
b) aufgehoben (1) im Ausspruch über die neun wegen Computerbetruges und versuchten Computerbetruges verhängten Einzelstrafen, (2) im Maßregelausspruch mit den Feststellungen.
1. Die weitergehende Revision wird nach § 349 Abs. 2 StPO als unbegründet verworfen.
2. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.

G r ü n d e Das Landgericht hat den Angeklagten wegen Mordes in Tateinheit mit Raub mit Todesfolge, wegen Computerbetruges in sechs Fällen (Einzelstrafen je ein Jahr), wegen versuchten Computerbetruges in drei Fällen (Einzelstrafen je neun Monate) und wegen falscher Verdächtigung (Einzelstrafe ein Jahr und sechs Monate Freiheitsstrafe) zu lebenslanger Freiheitsstrafe als Gesamtstrafe verurteilt und gegen ihn die Unterbringung in der Sicherungsverwahrung angeordnet. Die Revision des Angeklagten, mit der er die Verletzung formellen und materiellen Rechts rügt, hat mit der Sachrüge in dem aus dem Beschlußtenor ersichtlichen Umfang Erfolg. Im übrigen ist sie im Sinne von § 349 Abs. 2 StPO unbegründet.
Die Verfahrensrügen haben aus den vom Generalbundesanwalt im einzelnen dargelegten Gründen keinen Erfolg. Gleiches gilt auch, soweit der Beschwerdeführer mit der Sachrüge die Beweiswürdigung der Strafkammer angreift. Die Schuldsprüche wegen Mordes in Tateinheit mit Raub mit Todesfolge und wegen falscher Verdächtigung, die zugehörigen Einzelstrafaussprüche und die schon danach zwingende lebenslange Freiheitsstrafe als Gesamtstrafe (§ 54 Abs. 1 Satz 1 StGB) sind rechtsfehlerfrei.
1. Die konkurrenzrechtliche Beurteilung der Taten nach § 263a StGB ist dagegen fehlerhaft. Die Annahme des Tatgerichts, jeder einzelne der neun Geldabhebungsvorgänge sei eine eigenständige Tat im Sinne der §§ 52 ff. StGB, geht fehl.
Vorliegend ist lediglich von vier vollendeten Taten nach § 263a StGB auszugehen. Zäsuren zwischen den einzelnen Teilakten bilden allein die zweistündige Pause, bevor der Angeklagte eine andere Bankfiliale aufsuch- te, und der Wechsel der Karten, da damit eine andere Vorgehensweise, insbesondere die Eingabe einer anderen Geheimnummer erforderlich wurde (vgl. auch BGH, Beschluß vom 26. Mai 1998 – 4 StR 127/98 –). Die fehlgeschlagenen Abhebungen sind ohne eigenständige rechtliche Bedeutung, da sie gegenüber den zeitnah verwirklichten vollendeten Taten subsidiär sind (vgl. Tröndle/ Fischer, StGB 50. Aufl. Vor § 52 Rdn. 19); zeitlich eng zusammenhängende Abhebungen mit derselben Karte stehen in natürlicher Handlungseinheit. Der Senat ändert den Schuldspruch. § 265 StPO steht dem nicht entgegen, weil der Angeklagte sich gegen den geänderten Schuldvorwurf nicht anders als geschehen hätte verteidigen können. Die Ä nderung des Schuldspruchs führt im Strafausspruch zum Wegfall aller wegen der Taten nach § 263a StGB verhängten zeitigen Freiheitsstrafen.
2. Allein das zieht die Aufhebung der angeordneten Unterbringung in der Sicherungsverwahrung nach sich, da die formellen Voraussetzungen des § 66 Abs. 2 StGB, die der Tatrichter auf jene Einzelstrafen gestützt hat, mit deren Wegfall nicht mehr belegt sind.
Im übrigen hätte die Anordnung der Maßregel aber auch deswegen nicht bestehen bleiben können, da das Schwurgericht bei der erforderlichen Bildung der “hypothetischen Gesamtstrafe” (vgl. BGHR StGB § 66 Abs. 2 – Vorverurteilungen 2) mehrere nicht berücksichtigungsfähige Taten und Strafen zugrundegelegt hat. Die Einzelstrafen von je neun Monaten Freiheitsstrafe für die drei versuchten Taten nach § 263a StGB hätten – ungeachtet der obigen Ausführungen – auch deswegen keine Beachtung finden dürfen, da sie die “Ein-Jahres-Grenze” des § 66 Abs. 2 StGB nicht erreichten. Ebenso liegt fern, daß die Verurteilung wegen falscher Verdächtigung hätte berücksichtigt werden dürfen; das dieser Tat zugrunde liegende Verhalten – der Angeklagte hatte in seinen Beschuldigtenvernehmungen einen Bekannten der Tötung des Opfers bezichtigt – läßt einen “symptomatischen Zusammenhang” nicht erkennen (vgl. dazu BGHSt 34, 321; BGH NStZ-RR 1996, 196, 197).
Die Anordnung der Maßregel hat aber vor allem auch deshalb keinen Bestand, da die Strafkammer die Annahme der Voraussetzungen des § 66 Abs. 1 Nr. 3 StGB nur unzureichend und zudem fehlerhaft begründet hat. Bei der Prüfung, ob bei einem Täter ein Hang zu erheblichen Straftaten vorliegt und er (deshalb) für die Allgemeinheit gefährlich ist, sind seine Täterpersönlichkeit und die von ihm begangenen Taten umfassend zu würdigen (vgl. nur Tröndle/Fischer, StGB 50. Aufl. § 66 Rdn. 28). Dabei dürfen Ä ußerungen des Angeklagten während der Urteilsverkündung nicht berücksichtigt werden, da sie nicht im Verfahren nach § 261 StPO gewonnen worden sind (so aber UA S. 53). Zudem ist die Begründung der Strafkammer für die Wertung bedenklich, der Angeklagte handele nach einem eingeschliffenen Verhaltensmuster und sei nicht bereit, dies einzusehen und dagegen anzugehen ; seine völlige Unbelehrbarkeit in eigenes Fehlverhalten habe “die Kammer im Laufe der Hauptverhandlung mehrfach an Hand der abwehrenden Reaktionen des Angeklagten auf Zeugenaussagen zu seiner Persönlichkeit und auf die diesbezüglichen sachverständigen Ausführungen beobachten können” (UA S. 52 f.). Diese Ausführungen lassen besorgen, daß das Tatgericht die Grenzen zulässigen Verteidigungsverhaltens des – hier jedenfalls nicht voll geständigen – Angeklagten verkannt hat (vgl. dazu BGHR StGB § 66 Abs. 1 – Gefährlichkeit 4; Tröndle/ Fischer, StGB 50. Aufl. § 46 Rdn. 50).
Der Pflicht zur umfassenden Würdigung ist die Strafkammer nicht nachgekommen. So beschränkt sich die tatrichterliche Würdigung in den Urteilsgründen auf eine Beschreibung des Angeklagten, ohne auch nur ansatzweise darzulegen, welche der von ihm begangenen Straftaten einen nicht näher beschriebenen Hang zu erheblichen Straftaten belegen könnten. Gerade angesichts des Umstandes, daß die vom Angeklagten begangenen Taten nach § 263a StGB – das mit lebenslänglicher Freiheitsstrafe geahndete Tötungsdelikt ist nach Systematik des Gesetzes bei dieser Prüfung ohne Bedeutung (vgl. BGH NStZ 2000, 417) – nach dem geschilderten Tatbild nicht überdurchschnittliches Gewicht haben (vgl. BGH NJW 2001, 1508, 1509), hätte der Tatrichter eingehend erörtern müssen, warum aus seiner Sicht gleichwohl Sicherungsverwahrung anzuordnen war.
Schließlich drängt sich ein Wertungswiderspruch auf: Einerseits hat das Landgericht – was den Angeklagten für sich nicht beschwert – bei der zusammenfassenden Würdigung der Straftaten nach § 57b StGB eine besondere Schwere der Schuld nicht festgestellt. Das steht in einem kaum lösbaren Spannungsverhältnis zu der dem Maßregelausspruch zugrunde liegenden Wertung, die Begleittaten, die neben dem mit lebenslanger Freiheitsstrafe geahndeten Kapitalverbrechen begangen wurden, seien für sich genommen so schwer, daß sie allein die Anordnung der Sicherungsverwahrung nach § 66 Abs. 2 StGB rechtfertigen könnten.
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BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
1 StR 449/10
vom
3. November 2010
in der Strafsache
gegen
wegen schweren Raubes u.a.
Der 1. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat am 3. November 2010 beschlossen
:
Die Revision des Angeklagten gegen das Urteil des Landgerichts
Augsburg vom 12. April 2010 wird verworfen.
Der Beschwerdeführer hat die Kosten des Rechtsmittels zu
tragen.

Gründe:

1
Der Angeklagte wurde wegen schweren Raubes und Verstoßes gegen das BtMG als Ergebnis einer Verständigung (§ 257c StPO) nach Auflösung einer früher gebildeten Gesamtfreiheitsstrafe und teilweiser Einbeziehung der ihr zugrunde liegenden Einzelstrafen zu einer nachträglichen Gesamtfreiheitsstrafe verurteilt; aus den übrigen Einzelstrafen der aufgelösten Gesamtfreiheitsstrafe wurde eine weitere Gesamtstrafe gebildet (vgl. BGH, Beschluss vom 29. September 2009 - 1 StR 451/09, NStZ-RR 2010, 9 mwN).
2
Seine auf eine Verfahrensrüge und die Sachrüge gestützte Revision bleibt erfolglos (§ 349 Abs. 2 StPO).
3
1. Die Verfahrensrüge ist auf die unterbliebene Belehrung gemäß § 257c Abs. 5 StPO gestützt. Sie greift nicht durch. Eine der von § 257c Abs. 4 StPO erfassten Fallgestaltungen, über deren Rechtsfolgen gemäß § 257c Abs. 5 StPO vorab zu belehren ist, liegt nicht vor. Dementsprechend wurde der Angeklagte auch nicht höher bestraft, als vom Gericht zugesichert. Unter welchen - eher ungewöhnlichen - Voraussetzungen bei solcher Fallgestaltung ein Urteil gleichwohl zum Nachteil des Angeklagten auf dem Verfahrensmangel einer unterbliebenen Belehrung gemäß § 257c Abs. 5 StPO beruhen könnte (vgl. BGH, Beschluss vom 17. August 2010 - 4 StR 228/10), mag dahinstehen, da jedenfalls hier eine solche Möglichkeit nicht erkennbar ist.
4
Die Revision begründet ihre gegenteilige Auffassung wie folgt:
5
Ausweislich der Urteilsgründe war dem Angeklagten in früheren Urteilen wegen eines „Aufmerksamkeits-Defizit-Syndroms“ und „Störung des Sozialverhaltens“ eine erheblich verminderte Schuldfähigkeit (§ 21 StGB) zugebilligt worden. Hier ist die Strafkammer nach sachverständiger Beratung von uneingeschränkter Schuldfähigkeit ausgegangen. Es sei, so die Revision, jedenfalls nicht auszuschließen, dass der Angeklagte nach einer Belehrung gemäß § 257c Abs. 5 StPO eine Verständigung abgelehnt und das Gericht im weiteren Verlauf etwa als Ergebnis dann gestellter Beweisanträge oder auf sonstige Weise davon überzeugt hätte, dass bei ihm entgegen der Auffassung des Sachverständigen entsprechend den früheren Urteilen die Voraussetzungen erheblich verminderter Schuldfähigkeit vorlägen.
6
Damit kann die Revision nicht durchdringen.
7
Eine Vereinbarung gemäß § 257c StPO lässt die gerichtliche Aufklärungspflicht (§ 244 Abs. 2 StPO) unberührt, § 257c Abs. 1 Satz 2 StPO. Offensichtlich deshalb hat die Strafkammer, erkennbar auch im Blick auf die (hier inhaltlich nicht zu überprüfenden) Feststellungen der früheren Urteile, nach der Verständigung noch die Schuldfähigkeit des Angeklagten durch Anhörung des Sachverständigen überprüft. Es ist nicht ersichtlich, warum ein Angeklagter gehindert sein könnte, auf das Ergebnis einer Beweisaufnahme einzuwirken, die das Gericht trotz einer vorangegangenen - auch nicht etwa unzulässig auf eine „Punktstrafe“ gerichteten (vgl. BGH, Beschluss vom 22. August 2006 - 1 StR 293/06, BGHSt 51, 84, 86 mwN) - Verständigung durchführt, also offenbar als für das Urteil bedeutsam ansieht. Auch für eine entsprechende Fehlvorstellung des verteidigten Angeklagten spricht nichts. Gleichwohl wurden keine Bemühungen entfaltet, die darauf gerichtet gewesen wären, die Ausführungen des Sachverständigen zur Schuldfähigkeit in Zweifel zu ziehen.
8
Unter diesen Umständen sieht der Senat keine Veranlassung, bei der Prüfung der Frage, ob das Urteil auf der verfahrensfehlerhaft unterbliebenen Belehrung gemäß § 257c Abs. 5 StPO beruhen könnte, von der Möglichkeit eines letztlich durch die Belehrung ausgelösten anderen Prozessverhaltens des Angeklagten in Bezug auf die Überprüfung seiner Schuldfähigkeit auszugehen.
9
Andere Anhaltspunkte dafür, dass sich die unterbliebene Belehrung auf das Prozessverhalten des Angeklagten so ausgewirkt haben könnte, dass letztlich ein für ihn günstigeres Urteil nicht auszuschließen wäre, nennt die Revision nicht. Sie sind auch sonst nicht ersichtlich (vgl. auch BGH, Beschlüsse vom 17. August 2010 - 4 StR 228/10, vom 8. Oktober 2010 - 1 StR 347/10 und vom 2. November 2010 - 1 StR 469/10).
10
2. Die von der Revision nicht näher ausgeführte Sachrüge ist unbegründet. Der Senat bemerkt jedoch, dass Erwägungen dazu, ob künftig eine hier nicht geprüfte Sicherungsverwahrung in Betracht kommen könnte, im Urteil nicht geboten sind. Sie sollten unterbleiben, wenn sie, wie ausdrücklich hier, nicht zuletzt auch auf nach der Hauptverhandlung angefallenen Erkenntnissen beruhen, da in einem Urteil für anderes als das Ergebnis der Hauptverhandlung schon im Ansatz kein Raum ist.
Nack Wahl Graf
Jäger Sander

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
2 StR 190/00
vom
6. September 2000
in der Strafsache
gegen
wegen Betrugs
Der 2. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat in der Sitzung vom 6. September
2000, an der teilgenommen haben:
Vizepräsident des Bundesgerichtshofes
Dr. Jähnke
als Vorsitzender,
die Richter am Bundesgerichtshof
Detter,
Rothfuß,
Prof. Dr. Fischer,
die Richterin am Bundesgerichtshof
Elf
als beisitzende Richter,
Bundesanwalt
als Vertreter der Bundesanwaltschaft,
Rechtsanwalt
als Verteidiger,
Justizhauptsekretärin
als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle,

für Recht erkannt:
Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Kassel vom 28. Dezember 1999 mit den Feststellungen aufgehoben. Die Sache wird zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Wirtschaftsstrafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.

Von Rechts wegen

Gründe:

Das Landgericht hat den Angeklagten wegen Betrugs zu einer Freiheitsstrafe von vier Jahren und drei Monaten verurteilt. Nach den Feststellungen täuschte der Angeklagte im Anschluß an einen am 22. März 1987 erlittenen Verkehrsunfall erhebliche vorgeblich als Folge des Unfalls eingetretene gesundheitliche Beeinträchtigungen vor, um von der Haftpflichtversicherung des Unfallgegners ihm tatsächlich nicht zustehende Schadensersatzleistungen zu erhalten. Aufgrund der Simulation des Angeklagten erbrachte die Versicherung im Zeitraum von April 1987 bis Mai 1996 zu Unrecht Rentenzahlungen für entstandenen Verdienstausfall in Höhe von insgesamt ca. 460.000 DM. Gegen das Urteil wendet sich die auf Verfahrensrügen und die Sachbeschwerde gestützte Revision des Angeklagten. Sie hat mit einer Verfahrensrüge Erfolg.

I.

Der Beschwerdeführer beanstandet, das Landgericht habe gegen § 261 StPO verstoßen, indem es bei seiner Entscheidung den Wortlaut ärztlicher Gutachten verwertet habe, ohne diese Gutachten ordnungsgemäß durch Verlesung gemäß § 249 Abs. 1 StPO in die Hauptverhandlung eingeführt zu haben. Jedenfalls mit der die Verwertung des Gutachtens des Prof. Dr. S. vom 8. März 1991 betreffenden Verfahrensbeanstandung dringt die Rüge durch. Das Landgericht hat Prof. Dr. S. nicht als Sachverständigen angehört , sondern als sachverständigen Zeugen dazu vernommen, daß er dieses Gutachten erstattet hat. Die Strafkammer teilt in den Urteilsgründen im Rahmen der Feststellungen zum Sachverhalt das schriftliche Gutachten des Prof. Dr. S. v om 8. März 1991 auszugsweise im Wortlaut mit. Die wörtliche Wiedergabe erstreckt sich über mehr als sechs Urteilsseiten. Eine förmliche Verlesung des Gutachtens gemäß § 249 Abs. 1 StPO ist in der Hauptverhandlung nicht erfolgt , was durch das Schweigen des Hauptverhandlungsprotokolls bewiesen wird (BGH NStZ 1999, 424; NStZ 1993, 51; BGHR StPO § 261 Inbegriff der Verhandlung 11). Durch gegebenenfalls auf nicht protokollierungspflichtige Vorhalte gemachte Bekundungen des in der Hauptverhandlung als sachverständigen Zeugen vernommenen Prof. Dr.S. oder des darüber hinaus als Auskunftsperson in Betracht kommenden Sachverständigen Prof. Dr. Sc. ist der Wortlaut des Gutachtens vom 8. März 1991 ebenfalls nicht in die Hauptverhandlung eingeführt worden. Dem Urteil läßt sich lediglich entnehmen, daß der sachverständige Zeuge glaubhaft bestätigt hat, das auszugsweise zitierte Gutachten angefertigt zu haben. Demgegenüber fehlt ein Hinweis auf eine den
Inhalt des Gutachtens bestätigende Erklärung des sachverständigen Zeugen oder des gerichtlichen Sachverständigen Prof. Dr. Sc. . Wird ein nicht verlesenes Schriftstück ohne einen solchen Hinweis auf eine bestätigende Erklärung einer in der Hauptverhandlung vernommenen Auskunftsperson im Urteil auszugsweise wörtlich wiedergegeben, so deutet dies in der Regel darauf hin, daß der Wortlaut selbst zum Zwecke des Beweises verwertet worden ist und nicht nur eine gegebenenfalls auf einen Vorhalt abgegebene Bekundung (vgl. BGH NStZ 1999, 424; BGHSt 11, 159, 161f). Bei den im Urteil wörtlich zitierten Auszügen aus dem Gutachten vom 8. März 1999 handelt es sich zudem um umfangreiche, sowohl inhaltlich als auch sprachlich komplex gestaltete Textpassagen, in denen anamnestische Angaben des Angeklagten sowie eigene umfängliche Untersuchungsergebnisse referiert werden und eine zusammenfassende gutachterliche Wertung der erhobenen Befunde formuliert ist. Die Einzelheiten dieser Gutachtenteile, insbesondere der genaue Wortlaut, können nach der Lebenserfahrung von einer Auskunftsperson auch auf Vorhalt nicht aus der Erinnerung heraus wiedergegeben werden. Der Senat schließt daher aus, daß das Landgericht den Wortlaut der im Urteil zitierten Abschnitte des Gutachtens auf Grund der Angaben des sachverständigen Zeugen Prof. Dr. S. oder des Sachverständigen Prof. Dr. Sc. festgestellt hat (vgl. BGHSt 5, 278; 11, 159; BGHR StPO § 261 Inbegriff der Verhandlung 5, 11, 12; BGH bei Holtz MDR 1991, 704). Mit der wörtlichen Verwertung des nicht in die Hauptverhandlung eingeführten schriftlichen Gutachtens hat das Landgericht gegen § 261 StPO verstoßen. Der Senat kann bei der gegebenen Sachlage nicht ausschließen, daß das Urteil auf diesem Verfahrensfehler beruht. Denn die Strafkammer hat im Rahmen der Sachverhaltsfeststellungen auf eine eigene Schilderung des simulierten Verhaltens des Angeklagten verzichtet und sich statt dessen darauf be-
schränkt, verschiedene ärztliche Gutachten, darunter das Gutachten des Prof. Dr. S. v om 8. März 1991, auszugsweise wörtlich wiederzugeben und pauschal festzustellen, daß die "vorstehend genannten und in den Gutachten bescheinigten" gesundheitlichen Beeinträchtigungen niemals bestanden hätten. Das Urteil kann demnach keinen Bestand haben, ohne daß es einer Erörterung der weiteren Verfahrensrügen oder der Sachbeschwerde bedarf.

II.

Für die erneute Hauptverhandlung weist der Senat auf folgendes hin: 1. Zur Klärung der Frage, ob gesundheitliche Beeinträchtigungen vom Angeklagten simuliert wurden, bedarf es einer mit sachverständiger Hilfe vorzunehmenden Auseinandersetzung mit den bei den verschiedenen Untersuchungen jeweils vom Angeklagten angegebenen Beschwerden, den erhobenen Untersuchungsbefunden und den unterschiedlichen Diagnosen. Dabei wird der neue Tatrichter auch die Möglichkeit einer bewußten oder unbewußt als Ausdruck einer neurotischen Störung erfolgten Aggravation vorhandener Beeinträchtigungen in seine Überlegungen mit einzubeziehen haben. Im Hinblick auf das Ablehnungsgesuch gegen den Sachverständigen Prof. Dr. Sc. empfiehlt es sich, zur Beurteilung dieser Fragen einen anderen Sachverständigen hinzuzuziehen. 2. Das tatrichterliche Urteil muß nach § 267 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 5 Satz 1 StPO eine in sich geschlossene Darstellung des zum Anklagevorwurf festgestellten Sachverhalts enthalten (BGHR StPO § 267 Abs. 1 Satz 1 Sachdarstellung 3 und § 267 Abs. 5 Freispruch 4), welche erkennen läßt, inwieweit der Tatrichter die gesetzlichen Merkmale des Straftatbestands durch Tatsa-
chen erfüllt ansieht. Werden anstelle einer aus sich heraus verständlichen Schilderung des Tatgeschehens im wesentlichen wörtliche Zitate aus verschiedenen Schriftstücken, die zudem die innere Tatseite nicht belegen, aneinandergereiht , gefährdet dies in sachlich-rechtlicher Hinsicht den Bestand des Urteils. Jähnke Detter Rothfuß Fischer Elf

Über das Ergebnis der Beweisaufnahme entscheidet das Gericht nach seiner freien, aus dem Inbegriff der Verhandlung geschöpften Überzeugung.