Bundesgerichtshof Beschluss, 26. Nov. 2015 - 1 StR 538/15

ECLI:ECLI:DE:BGH:2015:261115B1STR538.15.0
bei uns veröffentlicht am26.11.2015

Gericht

Bundesgerichtshof


Der Bundesgerichtshof (BGH) ist das höchste Gericht der ordentlichen Gerichtsbarkeit in Deutschland.  Der BGH besteht aus 16 Senaten, die jeweils von einem Vorsitzenden und mehreren anderen Richtern geleitet werden. Die Zusammensetzung der Senate

Richter

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
1 StR 538/15
vom
26. November 2015
in dem Sicherungsverfahren
gegen
ECLI:DE:BGH:2015:261115B1STR538.15.0

Der 1. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat am 26. November 2015 beschlossen :
Die Revision des Beschuldigten gegen das Urteil des Landgerichts Nürnberg-Fürth vom 19. Juni 2015 wird als unbegründet verworfen, da die Nachprüfung des Urteils auf Grund der Revisionsrechtfertigung keinen Rechtsfehler zum Nachteil des Beschuldigten ergeben hat (§ 349 Abs. 2 StPO). Der Beschwerdeführer hat die Kosten des Rechtsmittels zu tragen.
Ergänzend ist lediglich zu bemerken:
Die Anordnung der Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus gemäß § 63 StGB hat Bestand, obwohl die Bewertung der Anlasstat insoweit rechtlicher Überprüfung nicht Stand hält, als sie auch als versuchter Mord unter Verwirklichung des Merkmals der Heimtücke (in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung) gewertet worden ist.
Das Landgericht hat die Feststellung, der Beschuldigte habe trotz der bei der Tat sicher erheblich verminderten und nicht ausschließbar vollständig aufgehobenen Steuerungsfähigkeit mit dem erforderlichen Ausnutzungsbewusstsein gehandelt, beweiswürdigend nicht ausreichend belegt. Der Generalbundesanwalt hat zwar im rechtlichen Ausgangspunkt zutreffend darauf hingewiesen , dass nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs bei - wie hier - erhalten gebliebener Einsichtsfähigkeit die Fähigkeit des Täters, die Tatsituation in ihrem Bedeutungsgehalt für das Opfer realistisch wahrzunehmen und ein-
zuschätzen, im Regelfall nicht beeinträchtigt ist (BGH, Urteile vom 27. Februar 2008 - 2 StR 603/07, NStZ 2008, 510, 511 f. Rn. 4 mwN und vom 10. Februar 2010 - 2 StR 391/09, NStZ-RR 2010, 175, 176). Im Hinblick auf die konkreten Auswirkungen der bei dem Beschuldigten festgestellten, als krankhafte seelische Störung eingeordneten, wahnhaften Störung bedurfte es hier jedoch näherer Darlegungen, warum er trotz dieser Störung mit Ausnutzungsbewusstsein gehandelt hatte. Daran fehlt es.
Da das Landgericht aber die Voraussetzungen eines versuchten Totschlags in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung rechtsfehlerfrei festgestellt hat, verbleibt es bei der Anordnung der Maßregel. Denn damit liegt eine Anlasstat vor, die angesichts ihrer konkreten Ausgestaltung ohne Weiteres Grundlage der Unterbringung gemäß § 63 StGB sein kann (vgl. BGH, Beschlüsse vom 27. August 2003 - 1 StR 327/03, NStZ-RR 2004, 10, 11, vom 10. September 2002 - 1 StR 337/02, NStZ-RR 2003, 11, 12 sowie vom 5. März 1999 - 2 StR 518/98).
Raum Graf Jäger Radtke Bär

Urteilsbesprechung zu Bundesgerichtshof Beschluss, 26. Nov. 2015 - 1 StR 538/15

Urteilsbesprechungen zu Bundesgerichtshof Beschluss, 26. Nov. 2015 - 1 StR 538/15

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Strafprozeßordnung - StPO | § 349 Entscheidung ohne Hauptverhandlung durch Beschluss


(1) Erachtet das Revisionsgericht die Vorschriften über die Einlegung der Revision oder die über die Anbringung der Revisionsanträge nicht für beobachtet, so kann es das Rechtsmittel durch Beschluß als unzulässig verwerfen. (2) Das Revisionsgeric

Strafgesetzbuch - StGB | § 63 Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus


Hat jemand eine rechtswidrige Tat im Zustand der Schuldunfähigkeit (§ 20) oder der verminderten Schuldfähigkeit (§ 21) begangen, so ordnet das Gericht die Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus an, wenn die Gesamtwürdigung des Täters und
Bundesgerichtshof Beschluss, 26. Nov. 2015 - 1 StR 538/15 zitiert 2 §§.

Strafprozeßordnung - StPO | § 349 Entscheidung ohne Hauptverhandlung durch Beschluss


(1) Erachtet das Revisionsgericht die Vorschriften über die Einlegung der Revision oder die über die Anbringung der Revisionsanträge nicht für beobachtet, so kann es das Rechtsmittel durch Beschluß als unzulässig verwerfen. (2) Das Revisionsgeric

Strafgesetzbuch - StGB | § 63 Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus


Hat jemand eine rechtswidrige Tat im Zustand der Schuldunfähigkeit (§ 20) oder der verminderten Schuldfähigkeit (§ 21) begangen, so ordnet das Gericht die Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus an, wenn die Gesamtwürdigung des Täters und

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Bundesgerichtshof Beschluss, 10. Sept. 2002 - 1 StR 337/02

bei uns veröffentlicht am 10.09.2002

BUNDESGERICHTSHOF BESCHLUSS 1 StR 337/02 vom 10. September 2002 in dem Sicherungsverfahren gegen wegen Unterbringung Der 1. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat am 10. September 2002 beschlossen : Die Revision der Beschuldigten gegen das Urteil

Bundesgerichtshof Beschluss, 27. Aug. 2003 - 1 StR 327/03

bei uns veröffentlicht am 27.08.2003

BUNDESGERICHTSHOF BESCHLUSS 1 StR 327/03 vom 27. August 2003 in der Strafsache gegen wegen versuchten Totschlags u.a. Der 1. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat am 27. August 2003 gemäß § 349 Abs. 2 und 4 StPO beschlossen: Auf die Revision des
1 Urteil(e) in unserer Datenbank zitieren Bundesgerichtshof Beschluss, 26. Nov. 2015 - 1 StR 538/15.

Bundesgerichtshof Beschluss, 21. Dez. 2016 - 1 StR 375/16

bei uns veröffentlicht am 21.12.2016

BUNDESGERICHTSHOF BESCHLUSS 1 StR 375/16 vom 21. Dezember 2016 in der Strafsache gegen alias: wegen versuchten Mordes u.a. ECLI:DE:BGH:2016:211216B1STR375.16.0 Der 1. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat auf Antrag des Generalbundesanwalts u

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(1) Erachtet das Revisionsgericht die Vorschriften über die Einlegung der Revision oder die über die Anbringung der Revisionsanträge nicht für beobachtet, so kann es das Rechtsmittel durch Beschluß als unzulässig verwerfen.

(2) Das Revisionsgericht kann auf einen Antrag der Staatsanwaltschaft, der zu begründen ist, auch dann durch Beschluß entscheiden, wenn es die Revision einstimmig für offensichtlich unbegründet erachtet.

(3) Die Staatsanwaltschaft teilt den Antrag nach Absatz 2 mit den Gründen dem Beschwerdeführer mit. Der Beschwerdeführer kann binnen zwei Wochen eine schriftliche Gegenerklärung beim Revisionsgericht einreichen.

(4) Erachtet das Revisionsgericht die zugunsten des Angeklagten eingelegte Revision einstimmig für begründet, so kann es das angefochtene Urteil durch Beschluß aufheben.

(5) Wendet das Revisionsgericht Absatz 1, 2 oder 4 nicht an, so entscheidet es über das Rechtsmittel durch Urteil.

Hat jemand eine rechtswidrige Tat im Zustand der Schuldunfähigkeit (§ 20) oder der verminderten Schuldfähigkeit (§ 21) begangen, so ordnet das Gericht die Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus an, wenn die Gesamtwürdigung des Täters und seiner Tat ergibt, daß von ihm infolge seines Zustandes erhebliche rechtswidrige Taten, durch welche die Opfer seelisch oder körperlich erheblich geschädigt oder erheblich gefährdet werden oder schwerer wirtschaftlicher Schaden angerichtet wird, zu erwarten sind und er deshalb für die Allgemeinheit gefährlich ist. Handelt es sich bei der begangenen rechtswidrigen Tat nicht um eine im Sinne von Satz 1 erhebliche Tat, so trifft das Gericht eine solche Anordnung nur, wenn besondere Umstände die Erwartung rechtfertigen, dass der Täter infolge seines Zustandes derartige erhebliche rechtswidrige Taten begehen wird.

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
1 StR 327/03
vom
27. August 2003
in der Strafsache
gegen
wegen versuchten Totschlags u.a.
Der 1. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat am 27. August 2003 gemäß
§ 349 Abs. 2 und 4 StPO beschlossen:
Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Hechingen vom 14. April 2003 im Maßregelausspruch mit den zugehörigen Feststellungen aufgehoben. Die Feststellungen zum äußeren Ablauf des Tatgeschehens und zur subjektiven Tatseite bleiben bestehen. Die weitergehende Revision des Angeklagten wird verworfen. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.

Gründe:


Der Angeklagte hatte 1998 bei einem schweren Verkehrsunfall ein Schädel -Hirn-Trauma erlitten. In der Folge trat eine hirnorganische Wesensveränderung ein, die sich in allgemein schlecht gesteuertem Verhalten, erhöhter Reizbarkeit und impulsiver Reaktionsbereitschaft äußert. Er neigt zu emotionalen anstatt rationalen Reaktionen. Affekte klingen bei ihm nur langsam ab. Zudem liegt eine schwere Persönlichkeitsstörung mit sowohl depressiven als auch paranoiden Elementen vor. "Wegen Eigen- und Fremdgefährdung" war er nach dem Tatgeschehen vom 18. Oktober 2000 im Anschluß an eine stationäre Be-
handlung im Krankenhaus Albstadt-Ebingen am 20. Oktober 2000 in die Klinik für Psychiatrie Rottenmünster verlegt worden, wo er sich bis 23. Oktober 2000 aufhielt. Derzeit befindet er sich im Zentrum für Psychiatrie in Bad Schussenried. Das Landgericht hat den Angeklagten vom Vorwurf des versuchten Totschlags freigesprochen, wegen des zugrundeliegenden Tatgeschehens jedoch seine Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus angeordnet. Zudem hat es ihn wegen Beleidigung, Bedrohung, Sachbeschädigung, Hausfriedensbruchs in zwei Fällen, davon in einem Fall in Tateinheit mit Sachbeschädigung zu einer Gesamtgeldstrafe von 60 Tagessätzen zu je 25 € verurteilt. Mit seiner Revision erstrebt der Angeklagte in erster Linie die Aufhebung der verhängten Maßregel, insoweit hat die Revision mit der Sachbeschwerde Erfolg. Im übrigen ist das Rechtsmittel unbegründet im Sinne von § 349 Abs. 2 StPO. Der näheren Erörterung bedarf nur der Maßregelausspruch nebst dem zugrundeliegenden Tatgeschehen:

I.

Nach den dazu getroffenen Feststellungen zog die Ehefrau des Angeklagten nach einem heftigen Streit am 15. Oktober 2000 aus der gemeinsamen Wohnung aus. Sie beabsichtigte, den ihr gehörigen aber gemeinsam genutzten Pkw Fiat Punto mitzunehmen, was der Angeklagte, der im Besitz eines Fahrzeugschlüssels war, verhinderte. An den darauffolgenden Tagen unternommene Versuche, das Fahrzeug abzuholen, mißlangen, weil der Angeklagte sich weigerte, den in der Garage befindlichen Pkw herauszugeben. Am 18. Oktober 2000 beschlossen deshalb G. jun. und B. , beides Verwandte der Ehefrau des Angeklagten, das Fahrzeug auch gegen
seinen von ihnen erwarteten Widerstand abzuholen. Zu diesem Zweck lauerten sie ihm auf, als er gegen 21.15 Uhr mit dem Fahrzeug nach Hause kam. Als er sich nach seiner im Fußraum vor dem Beifahrersitz befindlichen Trainingstasche bückte, trat B. plötzlich an die geöffnete Fahrertür heran, umklammerte den Angeklagten mit beiden Händen, nahm ihn "in den Schwitzkasten" und versuchte, ihm den Fahrzeugschlüssel zu entwinden. G. unterstützte B. von der Beifahrerseite aus. Der Angeklagte wehrte sich heftig und fügte B. mit dem Schlüssel zwei stark blutende Verletzungen im Gesicht zu. B. seinerseits drückte ihm den Finger ins Auge. Der Angeklagte trug eine Prellung des rechten Auges, Hämatome und eine Jochbogenfraktur davon. Infolge der Persönlichkeitsstörung und der hirnorganischen Wesensveränderung hatte er die Vorstellung, B. und G. wollten ihn umbringen. Tatsächlich ging es diesen nur um die Beschaffung des Schlüssels, nicht aber darum, dem Angeklagten eine körperliche Abreibung zu verpassen oder gar ihn zu töten. Nachdem im Verlauf der einige Minuten dauernden Auseinandersetzung der Fahrzeugschlüssel abgebrochen war, ließen B. und G. von dem Angeklagten ab, weil sie erkannten, daß ein weiteres Ringen um den Besitz des Schlüssels sinnlos geworden war. G. ging nunmehr zum Heck des Fahrzeuges und begann damit, das Kennzeichen zu entfernen, um das Fahrzeug bei der Kfz-Zulassungsstelle abzumelden, damit der Angeklagte es nicht mehr nutzen konnte. Obwohl B. und G. "ersichtlich keine Anstalten mehr machten, gegen den Angeklagten tätlich zu werden, befand er sich aufgrund der vorangegangenen Auseinandersetzung noch immer in höchster Erregung und glaubte weiter, er befinde sich in Lebensgefahr und müsse sich deshalb zur Wehr setzen". Er holte deshalb ein Beil und versuchte damit auf G. einzuschlagen, der in gebückter Haltung mit der Entfernung des Kennzeichens beschäftigt war. Dieser bemerkte jedoch den Ange-
klagten, richtete sich auf und floh in Richtung Garagentor. Der Angeklagte setzte nach und schlug ihm mit der stumpfen Seite des Beils wuchtig auf den Kopf. Dabei nahm er die Möglichkeit tödlicher Verletzungsfolgen billigend in Kauf. G. erlitt eine sofort stark blutende Kopfwunde und eine Schädelfraktur. Gemeinsam mit B. gelang ihm die Flucht, bevor der Angeklagte ihnen nachzusetzen vermochte. Die Verletzungen G. s waren potentiell lebensgefährlich , konkrete Lebensgefahr bestand für ihn aber nicht. Der Angeklagte war zur Tatzeit fähig, das Unrecht seiner Tat einzusehen ; seine Steuerungsfähigkeit war indessen erheblich vermindert (§ 21 StGB).

II.

Die Strafkammer hat in dem rechtsfehlerfrei festgestellten Geschehen im Ergebnis zutreffend eine rechtswidrige Anlaßtat im Sinne von § 63 StGB gesehen. 1. Sie hat das Vorliegen einer Notwehrlage sowie ein Überschreiten derselben gemäß § 33 StGB verneint, jedoch einen krankheitsbedingt unvermeidbaren Verbotsirrtum nach § 17 StGB angenommen, weshalb der Angeklagte schuldlos gehandelt habe. 2. Die Annahme der Strafkammer, es habe für den Angeklagten keine Notwehrlage im Sinne des § 32 StGB mehr bestanden, als er mit dem Beil zuschlug , trägt nicht. Die Angriffe B. s und G. s auf die körperliche Unversehrtheit des Angeklagten im Fahrzeug waren rechtswidrig. Sie dauerten so lange an, wie er eine Wiederholung unmittelbar befürchten mußte (vgl. BGHR
StGB § 32 Abs. 2 Angriff 3). Nachdem der Fahrzeugschlüssel abgebrochen war, ließen B. und G. zwar von ihm ab. Unbeschadet des Umstandes, daß der Angeklagte das Ziel ihres Angriffs krankheitsbedingt falsch einschätzte, liegt aber bereits nahe, daß diese erneut zum körperlichen Angriff übergegangen wären, wenn er nunmehr versucht hätte, sie am Entfernen der Kfz-Kennzeichen zu hindern. Dies gilt um so mehr, als sie ihm - zahlenmäßig überlegen - aufgelauert und ihn ohne Vorwarnung und Aufforderung, den Schlüssel herauszugeben, in der Dunkelheit angegriffen hatten. Darauf, ob dieser Angriff auf die körperliche Unversehrtheit im Zeitpunkt der "Verteidigung" mit dem Beil beendet war, wie die Kammer annimmt, kommt es aber nicht entscheidend an. Denn jedenfalls der Angriff auf den Besitz am Fahrzeug dauerte fort. Das Notwehrrecht des Angeklagten gegen diesen Angriff war nicht deshalb eingeschränkt, weil er sich seinerseits gegen den Willen seiner Ehefrau als Mitbesitzerin den Alleinbesitz verschafft hatte. Denn die von G. und B. beabsichtigte völlige Einziehung seines Besitzes, brauchte er schon deshalb nicht zu dulden, weil diese über die Herstellung des rechtmäßigen Zustandes - Mitbesitz der Ehegatten nach § 866 BGB - hinausging und damit gleichfalls rechtswidrig war. Auf die Streitfrage, ob sich die in ihrem Mitbesitz an dem Pkw gestörte Ehefrau des Angeklagten auf die Vorschriften über den Besitzschutz berufen konnte, oder diese durch die Spezialregelung des § 1361a BGB verdrängt werden (vgl. Palandt-Bassenge, BGB 62. Aufl. § 861 Rdn. 3; OLG Karlsruhe NJW-RR 2001, 939; OLG Köln FamRZ 1997, 1276; zur Zugehörigkeit eines Pkw zum Hausrat: vgl. Palandt-Brudermüller, BGB 62. Aufl. § 1361a Rdn. 5 m.Nachw.), kommt es danach nicht an. 3. Die Verneinung einer Notwehrlage durch die Strafkammer gefährdet die Annahme einer Anlaßtat im Sinne des § 63 StGB indessen nicht, weil die Tat zum Nachteil G. s aus anderen Gründen rechtswidrig war. Das Landgericht ist zutreffend davon ausgegangen, daß die Verteidigung durch ei-
nen Schlag mit dem Beil auch nicht erforderlich war. Die Erforderlichkeit der Verteidigungshandlung ist nach der jeweiligen Kampfeslage zu beurteilen (BGH, Beschluß vom 24. Juli 2001 - 4 StR 256/01, BGH StV 1999, 145, BGHR StGB § 32 Abs. 2 Angriff 2; Erforderlichkeit 13). Selbst wenn der Angeklagte für den Fall, daß er Widerstand geleistet hätte, mit erneuten körperlichen Attacken rechnen mußte, hatte der Angriff nach der Auseinandersetzung im Fahrzeug an Intensität jedenfalls erkennbar nachgelassen und galt nunmehr in erster Linie seinem Besitz. Unter diesen Umständen war der lebensgefährliche und mit bedingtem Tötungsvorsatz geführte sofortige Schlag mit dem Beil - jedenfalls ohne vorherige Drohung - nicht mehr zulässig (vgl. BGH, Urteil vom 13. März 2003 - 3 StR 458/02; BGH, Beschluß vom 24. Juli 2001 - 4 StR 256/01), zumal G. , nachdem der Angeklagte ihn zunächst verfehlt hatte, bereits die Flucht ergriff. Die Überschreitung der erforderlichen Verteidigungshandlung beruhte auf Furcht, Verwirrung und Schrecken des Angeklagten (§ 33 StGB). Er wähnte sich in Lebensgefahr, weil er meinte, G. und B. wollten ihn töten. Er hatte Todesangst. Damit liegen die Voraussetzungen des § 33 StGB vor. Eine Strafbefreiung nach § 33 StGB ist auch dann noch möglich, wenn die Intensität des Angriffs bereits nachgelassen hat (BGHR StGB § 33 Nothilfe 1). Das schließt die Unterbringung des Angeklagten aber nicht aus, weil seine Furcht gerade Folge seines seelischen Zustandes im Sinne der §§ 20, 21 StGB war (vgl. BGH NStZ 1991, 528; Hanack in LK 11. Aufl. § 63 Rdn. 32). Ein geistesgesunder Täter an Stelle des Angeklagten hätte erkannt, daß die Verteidigung durch einen potentiell tödlichen Schlag mit dem Beil die Grenzen des Erforderlichen überschritt, nachdem die Intensität des Angriffs nachgelassen und sich die Kampfeslage geändert hatte. Die falsche Einschätzung durch den Angeklagten hatte nach den rechtsfehlerfrei getroffenen Feststellungen ihre Ursa-
che in der zur Tatzeit bestehenden hirnorganischen Wesensveränderung und der Persönlichkeitsstörung.

III.

Die andere rechtliche Bewertung der Anlaßtat zieht hier die Aufhebung des Maßregelausspruchs nach sich. Eine Änderung der rechtlichen Bewertung der Anlaßtat durch das Revisionsgericht führt zwar dann nicht zur Aufhebung einer Unterbringungsanordnung , wenn trotzdem noch eine Tat vorliegt, die in ihrer konkreten Ausgestaltung ohne weiteres Grundlage einer Unterbringung sein kann (vgl. BGH, Beschluß vom 10. September 2002 - 1 StR 337/02 m.Nachw.). Der Senat kann unter den hier gegebenen Umständen aber nicht sicher ausschließen, daß die Strafkammer zu einer anderen Beurteilung der krankheitsbedingten Gefährlichkeit gelangt wäre, wenn sie von einer fortbestehenden Notwehrlage ausgegangen wäre. Eine unter den Voraussetzungen des § 33 StGB begangene Tat ist grundsätzlich nicht symptomatisch für eine krankheitsbedingte Gefährlichkeit (vgl. BGH NStZ 1991, 528). Dem entspricht die Einschätzung des Sachverständigen , eine solch schwere Tat wie gegenüber G. lasse sich nur mit der besonderen Fallkonstellation erklären und sei deshalb in der Zukunft eher unwahrscheinlich. Davon abgesehen bestehen aber durchaus gewichtige Anhaltspunkte , die auf eine Gefährlichkeit des Angeklagten auch für die Allgemeinheit schließen lassen und die Anordnung der Unterbringung auch durch den neuen Tatrichter rechtfertigen können. Die übrigen abgeurteilten Taten waren zwar durchweg nicht schwerwiegend. Da der Angeklagte aufgrund seines Krankheitszustandes aber schnell in Erregungszustände gerät, die er nicht mehr beherrschen kann und auch bei geringfügigen Anlässen stark impulsiv reagiert, liegt die Annahme nicht fern, daß eine belanglose Konfliktsituation im Alltag es-
kalieren und es infolgedessen zu gewaltsamen Übergriffen durch den Angeklagten kommen kann. Dies abschließend zu bewerten, bleibt dem neuen Tatrichter vorbehalten. Dieser wird auch Gelegenheit haben, die Gründe sowohl für die Entlassung des Angeklagten aus der psychiatrischen Behandlung am 23. Oktober 2000 als auch für seinen derzeitigen Aufenthalt in einem psychiatrischen Krankenhaus näher aufzuklären und dabei gewonnene Erkenntnisse in seine Entscheidung über die Unterbringung nach § 63 StGB einzubeziehen. Auch die bislang unterbliebene Erörterung des § 67b StGB wird nachzuholen sein. Im Hinblick auf das Verbot der Schlechterstellung bedarf eine etwaige Strafbarkeit des Angeklagten wegen des Geschehens vom 18. Oktober 2000 bei hier nur eingeschränkter Schuldfähigkeit unter dem Gesichtspunkt des § 33 StGB in der neuen Hauptverhandlung keiner Erörterung mehr (vgl. BGH, Beschluß vom 24. Juli 2001 - 4 StR 268/01). Nack Wahl Boetticher Kolz Hebenstreit

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
1 StR 337/02
vom
10. September 2002
in dem Sicherungsverfahren
gegen
wegen Unterbringung
Der 1. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat am 10. September 2002 beschlossen
:
Die Revision der Beschuldigten gegen das Urteil des Landge-
richts Nürnberg-Fürth vom 21. Mai 2002 wird verworfen.
Die Beschwerdeführerin hat die Kosten des Rechtsmittels zu tragen.

Gründe:

I.

1. Die Strafkammer hat festgestellt: Die unter Verfolgungswahn leidende Beschuldigte löste am 9. Juli 2001 ihr Sparbuch auf, weil sie Zusammenhänge zwischen ihrer Bank und ihren Gegnern vermutete. Am 10. Juli 2001 glaubte sie, sie habe von der Bank Falschgeld bekommen und brachte deshalb 3.500 DM, die aus der Auszahlung stammten, zur Polizei. Dort erklärte ihr ein Polizeibeamter "im Spaß", es handle sich um "schlechte Fälschungen". Die Beschuldigte erkannte den "Spaß" nicht; das Geld blieb bei der Polizei. Die Beschuldigte fühlte sich in ihrem Verdacht bestätigt. Sie beschloß, ihre - ehemalige - Bank zu überfallen, um "echte 3.500 DM" zu erhalten. Dementsprechend bedrohte sie am 12. Juli 2001 dort eine Bankangestellte mit einer ungeladenen Schreckschußpistole und erzwang so die Herausgabe von genau 3.500 DM, wobei sie auf einer eingehenden Echtheitskontrolle der einzelnen Geldscheine bestand.
2. Auf der Grundlage dieser Feststellungen hat die Strafkammer die Unterbringung der Beschuldigten in einem psychiatrischen Krankenhaus ange- ordnet (§ 63 StGB) und die Vollstreckung der Unterbringung zur Bewährung ausgesetzt (§ 67b StGB). Sie bewertet das Verhalten der Beschuldigten als im Zustand der Schuldunfähigkeit (§ 20 StGB) begangene schwere räuberische Erpressung (§§ 253, 255, 250 Abs. 1 Ziffer 1b StGB). Die irrige Annahme der Beschuldigten, sie habe einen Anspruch gegen die Bank auf 3.500 DM - die bei einem geistig gesunden Täter die für eine Erpressung erforderliche Absicht rechtswidriger Bereicherung entfallen ließe (ständ. Rspr., vgl. zuletzt BGH NStZ 2002, 481, 482 m.w.N.) - sei unbeachtlich, da sie auf die zur Schuldunfähigkeit führende Erkrankung der Beschuldigten zurückgehe. Diese Bewertung eines wahnbedingten Irrtums entspricht der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs (vgl. z.B. BGHSt 3, 287, 289; 10, 355, 357; BGH b. Holtz MDR 1983, 90; BGH NStZ 1991, 528), die in Teilen des Schrifttums Zustimmung gefunden hat (vgl. z.B. Hanack in LK 11. Aufl. § 63 Rdn. 23f.; Stree in Schönke/Schröder StGB 26. Aufl. § 63 Rdn. 7; Fischer in KK 4. Aufl. § 413 Rdn. 11).

II.

Die Revision der Beschuldigten bleibt erfolglos (§ 349 Abs. 2 StPO). 1. Die Revision wendet sich gegen die Annahme, der Irrtum der Beschuldigten sei allein wahnbedingt. Immerhin habe ihr ein Polizeibeamter bestätigt , daß ihr die Bank falsche Geldscheine ausbezahlt habe. Mit einer im Rahmen der Erwiderung auf den Antrag des Generalbundesanwalts (§ 349 Abs. 3 Satz 2 StPO) erhobenen Aufklärungsrüge macht sie in diesem Zusammenhang auch geltend, der Polizeibeamte, der in der Haupt-
verhandlung nicht als Zeuge vernommen worden sei, habe die Geldscheine nicht lediglich "im Spaß" als Fälschungen bezeichnet. Diese Rüge war jedoch ohne inhaltliche Prüfung zurückzuweisen, da sie nicht innerhalb der Frist des § 345 Abs. 1 StPO angebracht wurde (BGH, Beschluß vom 3. August 2000 - 1 StR 293/00; BGH StV 1999, 407 m.w.N.). 2. Die Revision meint darüber hinaus, es läge selbst dann keine (schwere räuberische) Erpressung vor, wenn der Irrtum der Beschuldigten allein auf ihre Erkrankung zurückzuführen sei. Die gemäß § 63 StGB für eine Unterbringungsanordnung erforderlichen Voraussetzungen, nämlich das Vorliegen einer rechtswidrigen Tat und deren Begehung im Zustand der Schuldunfähigkeit, müßten deutlich auseinandergehalten werden; von der Rechtsprechung würden diese beiden Gesichtspunkte demgegenüber in unklarer Weise vermischt. Diese Auffassung wird mit im einzelnen teilweise unterschiedlicher Begründung auch von Teilen des Schrifttums vertreten (vgl. z.B. Tröndle/Fischer StGB 50. Aufl. § 63 Rdn. 2a; Lackner in Lackner/Kühl StGB 25. Aufl. § 63 Rdn. 2; Horn in SK - StGB 7. Aufl. § 63 Rdn. 4; Böllinger in NK - StGB § 63 Rdn. 72; Gössel in Löwe/Rosenberg StPO 25. Aufl. § 413 Rdn. 19 Fußn. 36). 3. Der Senat braucht hier jedoch weder den Gründen für den Irrtum der Beschuldigten noch dessen rechtlichen Konsequenzen näher nachzugehen. Eine Änderung der rechtlichen Bewertung der "Anlaßtat" durch das Revisionsgericht führt nämlich dann nicht zur Aufhebung einer Unterbringungsanordnung , wenn trotzdem noch immer eine Tat vorliegt, die in ihrer konkreten Ausgestaltung ohne weiteres Grundlage einer Unterbringung sein kann (vgl. BGH, Beschlüsse vom 17. Dezember 1984 - 4 StR 721/84, vom 27. August 1997 - 2 StR 404/97 und vom 5. März 1999 - 2 StR 518/98). Da jedenfalls alle diese Voraussetzungen hier erfüllt sind, hätte es auf den Bestand des Urteils keinen
Einfluß, wenn wegen der Vorstellungen der Beschuldigten aus Rechtsgründen eine (schwere räuberische) Erpressung zu verneinen wäre. Es läge dann jedenfalls eine Nötigung (§ 240 StGB) vor, wie auch die Revision selbst im einzelnen zutreffend ausgeführt hat. Es ist aber offensichtlich eine erhebliche Störung des Rechtsfriedens, wenn Bankangestellte unter Einsatz einer (auch ungeladenen ) Pistole zur Herausgabe von Geld gezwungen werden. Eine solche Tat kann eine Unterbringungsanordnung rechtfertigen. 4. Auch die darüber hinaus erforderlichen individuellen Voraussetzungen für eine Unterbringungsanordnung hat die Strafkammer rechtsfehlerfrei festgestellt. Insoweit verweist der Senat auf die zureffenden Ausführungen des Generalbundesanwalts in seinem Antrag vom 15. August 2002 und bemerkt ergänzend: Bei der gebotenen Gesamtwürdigung der Beschuldigten und ihrer Tat (vgl. BGH NStZ 1993, 78) hat die Strafkammer das von ihr (für den Senat bindend ) festgestellte Verhalten des Polizeibeamten nicht erwogen. Entgegen der Auffassung der Revision ist dies hier jedoch unschädlich. Die Beschuldigte hat "Selbsthilfe" ausgeübt, obwohl ihr die Möglichkeit behördlichen Eingreifens bewußt war, wie sich daraus ergibt, daß sie die Polizei aufgesucht hat. Daß sich hieraus Gesichtspunkte ergeben könnten, die gegen die Notwendigkeit einer
Unterbringungsanordnung sprechen, ist nicht ersichtlich. Ebenso wenig ist erkennbar , wieso sich daran durch das festgestellte Verhalten des Polizeibeam- ten etwas ändern könnte, ohne daß es dabei auf die sonstige Bewertung dieses Verhaltens ankäme. Schäfer Nack Wahl Herr RiBGH Dr. Boetticher ist wegen Urlaubs an der Unterschrift verhindert. Schäfer Kolz