Bundesgerichtshof Beschluss, 18. Nov. 2008 - 1 StR 541/08

bei uns veröffentlicht am18.11.2008

Gericht

Bundesgerichtshof


Der Bundesgerichtshof (BGH) ist das höchste Gericht der ordentlichen Gerichtsbarkeit in Deutschland.  Der BGH besteht aus 16 Senaten, die jeweils von einem Vorsitzenden und mehreren anderen Richtern geleitet werden. Die Zusammensetzung der Senate

Richter

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
1 StR 541/08
vom
18. November 2008
in der Strafsache
gegen
wegen Mordes u.a.
hier: Ablehnungsanträge des Angeklagten gegen
den Vorsitzenden Richter am Bundesgerichtshof Nack,
den Richter am Bundesgerichtshof Dr. Wahl,
den Richter am Bundesgerichtshof Dr. Kolz und
die Richterin am Bundesgerichtshof Elf
wegen Besorgnis der Befangenheit
Der 1. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat am 18. November 2008 beschlossen
:
Die Befangenheitsanträge des Angeklagten vom 29. September 2008 gegen
- den Vorsitzenden Richter am Bundesgerichtshof Nack,
- den Richter am Bundesgerichtshof Dr. Wahl,
- den Richter am Bundesgerichtshof Dr. Kolz und
- die Richterin am Bundesgerichtshof Elf
werden als unbegründet verworfen.

Gründe:


1
Der Senat hat über eine Revision des Angeklagten zu entscheiden. Dieser meint, die Abgelehnten seien zu seinem Nachteil voreingenommen. Dies folge aus den Gründen einer ersten Revisionsentscheidung in dieser Sache, an der die abgelehnte Richterin und die abgelehnten Richter beteiligt waren.

I.


2
Das Landgericht Heilbronn sprach den Angeklagten mit Urteil vom 21. April 2006 vom Vorwurf des Mordes und des zweifachen Mordversuchs frei. Das landgerichtliche Urteil hob der 1. Strafsenat des Bundesgerichtshofs auf die Revision der Staatsanwaltschaft mit Urteil vom 22. Mai 2007 mit den Feststellungen auf.
3
Die Revision der Staatsanwaltschaft hatte mit der Sachrüge wegen rechtsfehlerhafter Beweiswürdigung Erfolg. Der Strafsenat führte dazu in seinem Urteil vom 22. Mai 2007 (Rdn. 17 bis 33) aus:
4
„Die Beweiswürdigung hält rechtlicher Prüfung nicht stand.
5
1. Spricht das Gericht einen Angeklagten frei, weil es Zweifel an seiner Täterschaft nicht zu überwinden vermag, so ist dies durch das Revisionsgericht in der Regel hinzunehmen. Es kommt nicht darauf an, ob das Revisionsgericht angefallene Erkenntnisse anders gewürdigt oder Zweifel überwunden hätte. Daran ändert sich nicht einmal dann etwas, wenn eine vom Tatrichter getroffene Feststellung 'lebensfremd' erscheinen mag. Es gibt im Strafprozess keinen Beweis des ersten Anscheins, der nicht auf der Gewissheit des Richters, sondern auf der Wahrscheinlichkeit eines Geschehensablaufs beruht.
6
Demgegenüber ist eine Beweiswürdigung etwa dann rechtsfehlerhaft , wenn sie schon von einem rechtlich unzutreffenden Ansatz ausgeht, z.B. hinsichtlich des Umfangs und der Bedeutung des Zweifelssatzes, wenn sie lückenhaft ist, namentlich wesentliche Feststellungen nicht erörtert , wenn sie widersprüchlich oder unklar ist, gegen Gesetze der Logik oder gesicherte Verfahrenssätze verstößt oder wenn an die zur Verurteilung erforderliche Gewissheit überspannte Anforderungen gestellt sind (st. Rspr., vgl. etwa BGH NJW 2005, 1727; BGH NStZ-RR 2003, 371; BGHR StPO § 261 Überzeugungsbildung 33, jew. m.w.N.).
7
2. Das Landgericht hat umfänglich und detailliert eine Vielzahl den Angeklagten belastender Indizien sowie die ihn entlastenden Umstände aufgelistet und gewürdigt. Die Abwägungen werden gleichwohl den vorstehenden Grundsätzen in mehrfacher Hinsicht nicht gerecht. Die Strafkammer hat bei der Gesamtwürdigung wichtige belastende Indizien nicht hinreichend einbezogen, denen sie für sich gesehen keinen 'zwingenden' Beweiswert beigemessen hat (Buchst. a). Sie sieht erhebliche konkrete Verdachtsmomente aufgrund nicht tragfähiger Hypothesen und bloß denktheoretischer Möglichkeiten als entwertet an (Buchst. b). Einzelne belastende Beweisanzeichen hat sie überhaupt nicht erörtert (Buchst. c).
Schließlich liegen Erörterungsmängel hinsichtlich entlastender Beweismittel vor (Buchst. d).
8
a) Die Strafkammer hatte zu prüfen, ob die beiden die Tat überlebenden Opfer, H. C. und T. M. den Angeklagten überzeugungskräftig als Täter identifiziert haben. Sie kam - sachverständig beraten - jeweils zu dem Ergebnis, dass sie wegen verbleibender Zweifel nicht feststellen könne, die Zeugen hätten den Angeklagten 'sicher' als Täter erkannt. Sie hat damit zwei wesentliche Beweisanzeichen für die Täteridentifikation einzeln unter Zugrundelegung des Zweifelssatzes als letztlich nicht überzeugend erachtet. Der Zweifelssatz, der eine Entscheidungs- und keine Beweisregel ist, darf jedoch nicht auf einzelne Indiztatsachen angewendet werden, sondern kann erst bei der Gesamtbetrachtung zum Tragen kommen (vgl. BGH NStZ 2001, 609 m.w.N.). Es ist deshalb zu besorgen, dass die Kammer nicht hinreichend bedacht hat, dass diese wichtigen Indizien, auch wenn sie sie - einzeln für sich betrachtet - nicht zum Nachweis der Täterschaft für ausreichend zu erachten vermochte, doch mit ihrem verbleibenden erheblichen Beweiswert in der Gesamtheit aller belastenden Indizien dem Gericht die entsprechende Überzeugung vermitteln könnten (st. Rspr., vgl. BGHR StPO § 261 Beweiswürdigung 2, 20 m.w.N.). Gerade angesichts der Häufung und gegenseitigen Durchdringung der den Angeklagten belastenden Umstände erscheint es möglich, dass die Kammer bei einer sachgerechten Gesamtschau die Überzeugung von der Täterschaft gewonnen hätte. Der formelhafte Hinweis, nach einer 'Auseinandersetzung mit allen für den Tathergang wesentlichen Umständen und Indizien' verblieben vernünftige Zweifel an der Täterschaft des Angeklagten, vermag die gebotene Gesamtwürdigung unter Gewichtung der einzelnen Beweise nicht zu ersetzen (vgl. BGH NStZ 1998, 475).
9
b) Das Landgericht lässt der molekulargenetisch untersuchten Blutspur aus dem Fahrzeug des Angeklagten insbesondere deshalb 'allenfalls Indizwirkung' zukommen, weil weder an den Kleidungsstücken des Angeklagten noch in seinem Fahrzeug weitere entsprechende Blutspuren festgestellt wurden. Die Kammer stellt ihre Erwägung unter den Vorbehalt, dass die betroffenen Kleidungsstücke des Angeklagten gewaschen oder beseitigt worden sein könnten. Entgegen ihrer Ankündigung (UA S. 97) ist sie auf diesen Vorbehalt aber nicht mehr eingegangen. Der Senat kann daher aufgrund dieser Lücke der Urteilsfeststellungen nicht prüfen, ob diese von der Strafkammer selbst als wesentlich angesehene Möglichkeit mit rechtsfehlerfreier Begründung ausgeschlossen wurde. Im Übrigen ändert die Tatsache, dass keine weiteren Blutspuren festgestellt wurden, grundsätzlich nichts an dem Beweiswert der tatsächlich gefundenen Spur mit ihrem molekulargenetisch festgestellten Aussagewert.
10
Weiterhin hat das Landgericht den Beweiswert des nach der Tat in einem Steinbruch abgebrannten Feuers in Frage gestellt, weil aus zeitlichen Gründen erhebliche Zweifel daran bestünden, dass es dem Angeklagten möglich gewesen sein könnte, das Feuer zu entzünden. Die Kammer hat sich jedoch bei dieser eher nachrangigen Frage den Blick dafür verstellt, dass in dem Brandschutt tatsächlich sowohl Reste von Gegenständen des Angeklagten als auch Reste eines Jagdgummistiefels der Marke Le Chameau gefunden wurden. Nimmt man hinzu, dass der Angeklagte zweimal ein Paar dieser wenig verbreiteten Stiefel erworben hatte, am Tattage Stiefel trug und dass die am Tatort gefundenen Abdruckfragmente von einem Stiefel der Marke Le Chameau stammen, wird auch hier deutlich, dass gerade in der Kombination dieser einzelnen Fakten ein besonderer Beweiswert liegt. Dem hat die Kammer nicht hinreichend Rechnung getragen, indem sie isoliert auf die Einzelindizien abgestellt hat. Wenn die Kammer im Übrigen angesichts des Umstandes, dass die Stiefelreste erst 13 Monate nach der Tat an der Brandstelle gefunden wurden, die Gefahr einer Manipulation durch Dritte in Rechnung stellt, wird nicht erkennbar, warum es sich dabei um mehr als eine nur theoretische Erwägung handeln könnte, die keinen realen Anknüpfungspunkt hat. Die Kammer stellt selbst fest (UA S. 166), dass der Stiefel verbrannt worden war, bevor die Öffentlichkeit über die Bedeutung von Stiefeln der Marke Le Chameau für das vorliegende Verfahren erfahren hatte.
11
c) Die Beweiswürdigung weist zudem Lücken auf.
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Allerdings können und müssen die Gründe auch eines freisprechenden Urteils nicht jeden irgendwie beweiserheblichen Umstand ausdrücklich würdigen. Das Maß der gebotenen Darlegung hängt von der jeweiligen Beweislage und insoweit von den Umständen des Einzelfalles ab. Dieser kann so beschaffen sein, dass sich die Erörterung bestimmter einzelner Beweisumstände erübrigt. Um einen solchen Fall handelt es sich hier aber nicht. Das Tatgericht hat vielmehr auf Freispruch erkannt, obwohl eine Fülle erheblicher Belastungsindizien vorlag. Bei solcher Sachlage muss es in seine Beweiswürdigung und deren Darlegung alle wesentlichen für und gegen den Angeklagten sprechenden Umstände und Erwägungen einbeziehen und in einer Gesamtwürdigung betrachten (vgl. BGH NStZ-RR 2002, 338 m.w.N.). Dem wird das angefochtene Urteil trotz der umfangreichen Beweiserwägungen nicht gerecht:
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Die Würdigung der Belastungsindizien erstreckt sich zum einen nicht auf den Umstand, dass der Angeklagte nach mehreren mit Nachdruck ausgesprochenen Mahnungen des Filialleiters der Volksbank selbst davon ausging, bis spätestens zu dem von ihm als 'Endtermin' angesehenen 7. Oktober 2004 - dem Tattag - eine größere Summe einzahlen zu müssen.
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Darüber hinaus ist nicht erkennbar in die Beweiswürdigung einbezogen , dass die Tatbeute 15 Scheine im Wert von je 500 € enthielt und der Angeklagte bei der Volksbank 14 Scheine in diesem Wert eingezahlt hat. Der Angeklagte will das eingezahlte Geld in nebenher durchgeführten Schwarzgeldgeschäften - Verkauf von Wild und Ausschlachtungsarbeiten auf einer staatlichen Liegenschaft - verdient haben. Es erscheint nicht ohne weiteres plausibel, dass er aus diesen Geschäften weit überwiegend allein 500-Euro-Scheine erlangt hat.
15
Nicht erörtert ist auch - gerade vor dem Hintergrund der von der Strafkammer erörterten These, ein Fremder hätte die Bank überfallen können -, dass es dem nicht maskierten Täter darum ging, die in der Bank anwesenden Personen zu töten, und er zu diesem Zweck sogar die Eheleute C. vom Eingangsbereich zurück in den Kundenraum drängte, um sie dort geradezu hinrichtungsartig zu töten. Dies legt den erörterungsbedürftigen Schluss sehr nahe, dass die Opfer den Täter gekannt haben und dieser von seiner Identifizierung ausgehen musste, wenn sie am Leben blieben.
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d) Von der Zuverlässigkeit der Aussage des Alibizeugen B. - dem zentralen Entlastungsbeweismittel - hat sich das Landgericht in einer für den Senat nicht nachprüfbaren Weise vorschnell überzeugt. Daher hat es auch dessen Zeitangabe bei der Abwägung mit den übrigen Beweisanzeichen rechtsfehlerhaft als bereits feststehend behandelt.
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aa) Das Landgericht hält die Angabe des Zeugen B. für glaubhaft, er habe den Angeklagten mit seinem Fahrzeug um exakt 13.54 Uhr gesehen , als dieser - aus der L.gasse kommend - nach rechts stadtauswärts abgebogen sei. Die Zeitangabe habe der Zeuge deshalb so präzise machen können, weil er dabei von seinem Hofeingangsbereich aus auf die katholische Kirchturmuhr gesehen habe, die er immer kontrolliere. Wäre diese Zeitangabe des Zeugen auf die Minute genau zuverlässig, dann wäre es - wie das Landgericht ausgehend von dieser Prämisse zu Recht folgert - dem Angeklagten in der Tat zeitlich nicht möglich gewe- sen, vor dem Eintreffen der Eheleute C. um 13.55 Uhr die Bank zu betreten und es wäre auch ausgeschlossen, dass der Angeklagte zu dem davor liegenden Zeitpunkt, als der Bankangestellte M. die Bank betrat, schon an der Bank gewesen sein konnte.
18
bb) Von dem Blick auf die Kirchturmuhr hat der Zeuge in der Hauptverhandlung berichtet, jedoch ergibt sich aus dem Urteil nicht, wie er sich dazu bei seinen polizeilichen Vernehmungen geäußert hatte. Das Landgericht bewertet die Aussageentstehung jedenfalls dahin, dass 'keine gravierenden Widersprüche hinsichtlich seiner Angaben in der Hauptverhandlung und bei seinen polizeilichen Vernehmungen' vorhanden seien.
19
Ob diese Bewertung zutrifft, kann der Senat anhand der Urteilsausführungen (vgl. UA S. 144 ff.) nicht überprüfen: Bei seiner ersten Befragung am 8. Oktober 2004 (dem Tag nach der Tat) hatte der Zeuge offenbar nur bekundet, er sei 'kurz vor zwei' losgefahren; dass er den Angeklagten zuvor gesehen habe, scheint er nicht erwähnt zu haben ('Ansonsten sei ihm im Bereich der Sparkasse nichts aufgefallen.'). Bei der zweiten Vernehmung, am Vormittag des 9. Oktober 2004, berichtete er davon, den Angeklagten 'fünf bis sechs Minuten vor 14.00 Uhr' gesehen zu haben. Bei seiner dritten Vernehmung, am Nachmittag dieses Tages, präzisierte er den Zeitpunkt auf 13.54 Uhr. Unklar bleibt danach, ob, wann und wie der Zeuge bei diesen polizeilichen Vernehmungen seine Erinnerung mit dem Blick auf die Kirchturmuhr begründet oder den Zeitpunkt, zu dem er den Angeklagten sah, gar anderweitig rekonstruiert hat (etwa allein durch den mitgeteilten Blick auf die Küchenuhr um 13.45 Uhr).
20
cc) Bei der zentralen Bedeutung der Aussage des Entlastungszeugen B. hätte die Aussageentstehung - offenbar von einer zunächst vagen zu einer schließlich ganz präzisen Zeitangabe - näherer Wiedergabe und Erörterung bedurft. Es erscheint nämlich eher fern liegend, dass der zeitnah zur Tat vernommene Zeuge eine derart markante Besonderheit - wie den Kontrollblick auf die Kirchturmuhr - zunächst nicht erwähnt, obwohl es schon bei der ersten Befragung auf minutengenaue Zeitangaben angekommen war. Danach kommt ernsthaft in Betracht, dass der Zeuge, der sich darauf festgelegt hat, dass der Angeklagte nicht der Täter sein könne (UA S. 147), sich nicht konkret an die Uhrzeit erinnert , sondern diesen Zeitpunkt lediglich rekonstruiert hat.
21
Wegen dieses Erörterungsmangels besorgt der Senat, dass das Landgericht die - möglicherweise nur scheinbar präzise - Zeitangabe des Zeugen B. allein aufgrund dessen eigener Aussage, also vorschnell und damit rechtsfehlerhaft, als feststehenden zeitlichen Fixpunkt im Beweisgebäude angesehen hat. Die Frage, ob die Zeitangabe des Zeugen B. zur Überzeugung des Landgerichts zuverlässig war, durfte vielmehr erst im Rahmen der abschließenden Gesamtschau mit den übrigen Beweisanzeichen beantwortet werden. Wäre dies geschehen, dann ist nicht auszuschließen, dass die Alibibekundung des Zeugen B. als nicht hinreichend zuverlässig eingestuft worden wäre. In diesem Fall wäre es dem Angeklagten zeitlich doch möglich gewesen, die Tat zu begehen.“
22
Der Senat verwies die Sache an eine Schwurgerichtskammer des Landgerichts Stuttgart zurück. Dieses hat den Angeklagten nach erneuter Hauptverhandlung am 10. April 2008 wegen Mordes in Tateinheit mit räuberischer Erpressung , mit zweifachem Mordversuch und mit zweifacher gefährlicher Körperverletzung zu lebenslanger Freiheitsstrafe unter der Feststellung besonderer Schuldschwere verurteilt. Hiergegen revidiert nunmehr der Angeklagte.
23
Darüber haben nach dem GVG, dem Geschäftsverteilungsplan des Bundesgerichtshofs und dem internen Geschäftsverteilungsplan des 1. Strafsenats im Grundsatz dieselben Richter zu befinden, die bereits die erste Revisionsentscheidung getroffen haben, soweit nicht Hinderungsgründe, wie etwa Eintritt in den Ruhestand, Urlaub oder Krankheit, zum Entscheidungszeitpunkt entgegenstehen. Nach dem Eintritt von Richter am Bundesgerichtshof Dr. Boetticher, der ebenfalls am Senatsurteil vom 22. Mai 2007 mitwirkte, in den Ruhestand sind dies aus gegenwärtiger Sicht die verbleibenden vier mit der Sache vorbefassten Senatsmitglieder, gegen die sich die Befangenheitsanträge richten. Hinzu tritt dann ein weiteres Senatsmitglied.

II.



24
Zur Besorgnis der Befangenheit wird vorgetragen:
25
Als der Beschuldigte über die voraussichtliche Mitwirkung der vier vorbefassten Senatsmitglieder bei der Entscheidung über seine Revision erfahren habe, habe er dies mit der resignierenden Bemerkung quittiert, dass man deren Meinung dazu, ob er der Täter sei, doch bereits kenne. Dies wird von der Verteidigung dann mit der Bewertung der Beweiswürdigung des Landgerichts im Hinblick auf die Aussage des Zeugen B. im Urteil des Senats vom 22. Mai 2007 begründet:
26
Die Verteidigung habe zwar versucht, dem Angeklagten zu erklären, weshalb er - unter revisionsrechtlichen Gesichtspunkten - zu Unrecht über den Senat verärgert sei. Damit sei sie gescheitert. "Selbst wenn man es für zulässig hält, die Inhalte der" - im Rahmen von Verfahrensrügen dem Senat zur Kenntnis gebrachten - "polizeilichen Vernehmungen zu verwerten, ist es der Verteidigung nicht möglich, dem Angeklagten zu erklären, weshalb der Senat zum Befund kommen konnte, dass es bereits bei der ersten Befragung auf die minutengenaue Zeitangabe (und den Blick auf die Kirchturmuhr) angekommen war (oben unter cc). Eine solche Bewertung stand dem Senat - als Revisionsge-richt - nicht zu. Sie ist überdies falsch". Nach weiteren Ausführungen hierzu kommt die Verteidigung zu dem Schluss: "Daher ist es dem Angeklagten nicht abzusprechen , dass er der Ansicht ist, die von ihm abgelehnten Richter seien ihm nicht mehr neutral entgegengetreten, sondern hätten sich bereits im ersten Revisionsverfahren festgelegt, dass der Zeuge B. nicht zu seiner Entlastung heranzuziehen sei".
27
Ergänzend führt die Verteidigung mit Schriftsatz vom 30. Oktober 2008 im Hinblick auf die Stellungnahmen des Generalbundesanwalts vom 23. Oktober 2008 u.a. noch aus:
28
"Hätten sich die abgelehnten Richter im Rahmen der ersten Revisionsentscheidung darauf beschränkt eine eigene Beweiswürdigung vorzunehmen, so wäre das sicherlich 'lediglich' ein Rechtsfehler. Hätten die abgelehnten Richter die Beweise zudem noch fehlerhaft gewürdigt, so könnte man auch insoweit noch daran denken, dass es 'nur' ein (tatsächlicher) Fehler ist.
29
Diese Fehler bilden aber nur den Auftakt. Die Komposition erreicht ihren Höhepunkt, wenn die abgelehnten Richter dem Instanzgericht eine Beweiswürdigung ans Herz legen, der ein Denkfehler innewohnt. Ein Denkfehler, der nicht nur ein Fehler ist, sondern zeigt, welch Geistes Kind derjenige ist, der ihn formuliert : Der Zeuge B. musste bei seiner ersten Aussage den Angeklagten nur dann mit dem Bankraub in Verbindung bringen, wenn er gewusst hätte oder davon ausgegangen wäre, dass der Angeklagte derTäter ist oder sein soll. Das konnte der Zeuge B. zu diesem Zeitpunkt aber nicht wissen. Ihm zuzuschreiben , dass er es aber hätte wissen oder vermuten müssen, kann nur, wer selbst davon ausgeht, dass der Angeklagte der Täter ist".

III.


30
Die Befangenheitsanträge sind unbegründet. Es liegen keine Gründe vor, die geeignet sind, Misstrauen in die Unparteilichkeit des Vorsitzenden Richters am Bundesgerichtshof Nack, der Richter am Bundesgerichtshof Dr. Wahl und Dr. Kolz sowie der Richterin am Bundesgerichtshof Elf zu rechtfertigen (§ 24 Abs. 2 StPO).
31
a) Eine den Verfahrensgegenstand berührende Vortätigkeit eines Richters ist, soweit kein gesetzlicher Ausschließungsgrund vorliegt (vgl. § 22 Nr. 4, 5, § 23, § 148a Abs. 2 Satz 1 StPO), für sich allein nie ein Ablehnungsgrund (vgl. BGH, Beschl. vom 9. März 2000 - 4 StR 513/99; BVerfG [1. Kammer des 2. Senats], Beschl. vom 29. März 2007 - 2 BvR 412/07; EGMR [Fünfte Sektion, Kammer], Urt. vom 10. August 2006 - 75737/01 - Schwarzenberger ./. Deutschland ). Auch "ein Richter, der bei einer vom Revisionsgericht aufgehobenen Entscheidung mitgewirkt hat, ist nach Zurückweisung der Sache weder kraft Gesetzes von der Mitwirkung bei der neuen Entscheidung ausgeschlossen, noch rechtfertigt seine Mitwirkung bei der früheren Entscheidung für sich allein die Ablehnung wegen Besorgnis der Befangenheit" (BGH, Urt. vom 9. September 1966 - 4 StR 261/66 [= BGHSt 21, 142]; vgl. auch EGMR, Urteile [Kammer] vom 16. Juli 1971 - Ringeisen ./. Österreich - Ser. A, Bd. 13, S. 40 Nr. 97 und vom 26. September 1995 - 25/1994/472/553 - Diennet ./. Frankreich - Ser. A, Bd. 325-A, S. 16, Nr. 38). Denn ein verständiger Angeklagter wird von der (zutreffenden ) Erwägung ausgehen, dass ein Richter sich auf Grund der ihm nach seiner Stellung, Erziehung und Ausbildung eigenen Haltung von Befangenheit frei hält und sich nicht durch dienstliche Vorentscheidungen bei künftigen Entscheidungen , namentlich dem Urteil, beeinflussen lässt (Siolek in Löwe/Rosenberg , StPO 26. Aufl. § 24 Rdn. 40 m.w.N.). Ein Befangenheitsantrag, der lediglich damit begründet wird, der Richter sei an einer Vorentscheidung zu Lasten des Angeklagten beteiligt gewesen, ist deshalb schon unzulässig gemäß § 26a Abs. 1 Nr. 2 StPO (BGH, Beschl. vom 10. August 2005 - 5 StR 180/05 [= BGHSt 50, 216, 221]).
32
Hat sich ein Richter im früheren Verfahren sachlich verhalten, so rechtfertigen auch Prozessverstöße oder Fehler bei der Anwendung des materiellen Rechts grundsätzlich nicht die Annahme seiner Voreingenommenheit gegenüber dem Angeklagten (vgl. BGH, Beschl. vom 18. Mai 1994 - 3 StR 628/93).
33
Eine andere Beurteilung ist dann geboten, wenn darüber hinaus die Unparteilichkeit eines abgelehnten, mit der Sache vorbefassten Richters aufgrund von - das Gebot der Sachlichkeit verletzenden - Äußerungen, Maßnahmen oder Verhalten in Zweifel zu ziehen ist. Ebenso können in der Sache nicht gebotene abträgliche Werturteile über den Angeklagten oder sein Verhalten in den Urteilsgründen die Ablehnung in einem späteren Verfahren rechtfertigen (BGH, Beschl. vom 27. April 1972 - 4 StR 149/72 [= BGHSt 24, 336, 338]). Auch grobe , insbesondere objektiv willkürliche oder auf Missachtung grundlegender Verfahrensrechte von Prozessbeteiligten beruhende Verstöße gegen das Verfahrensrecht können aus der Sicht eines Angeklagten die Befangenheit eines Richters begründen (BGH, Beschl. vom 4. Oktober 1984 - 4 StR 429/84).
34
Dabei ist die subjektive Sicht des Angeklagten nicht ausschlaggebend. Auf einen objektiven Maßstab kann nicht verzichtet werden, wie schon aus dem Begriff (das Misstrauen) "rechtfertigen" in § 24 Abs. 2 StPO folgt. Abzustellen ist auf die verständige, die vernünftige Würdigung aller Umstände (vgl. BGH, Urt. vom 9. Februar 1951 - 3 StR 48/58 [= BGHSt 1, 34, 39]; BGH, Urt. vom 10. November 1967 - 4 StR 512/66 [= BGHSt 21, 334, 341]). Es kommt darauf an, dass die Befürchtung [der Befangenheit] objektiv gerechtfertigt ist (EGMR [Fünfte Sektion, Kammer] Urt. vom 10. August 2006 - 75737/01 - Schwarzenberger ./. Deutschland).
35
b) Von diesen Grundsätzen geht wohl auch die Verteidigung aus. Damit ist aber selbst aus deren Sicht die Ablehnung der Senatsmitglieder, die an der ersten Revisionsentscheidung mitwirkten, wegen Besorgnis der Befangenheit nicht gerechtfertigt, wenn sie - zutreffend - anmerkt, unter revisionsrechtlichen Gesichtspunkten sei der Angeklagte zu Unrecht über den Senat verärgert. Darauf , dass dies dem Mandanten nicht zu vermitteln war, kommt es nicht an.
36
c) Darüber hinaus kann den inhaltlichen Ausführungen zu den Gründen des Urteils des Senats vom 22. Mai 2007 und deren Bewertungen seitens der Verteidigung nicht gefolgt werden.
37
Der Senat befand ausweislich dieser Urteilsgründe weder direkt noch indirekt , auch nicht andeutungsweise, über die Schuld oder Unschuld des Angeklagten. Ebenso wenig gab der Senat dem Tatgericht Hinweise, auch keine versteckten, dazu, ob oder in welchem Umfang die Angaben des Zeugen B. vom Tatrichter letztlich als zuverlässig angesehen werden können. Der Senat nahm weder eine eigene Beweiswürdigung vor, noch legte er dem neuen Tatgericht eine bestimmte Beweiswürdigung "ans Herz". Der Senat sah lediglich revisionsrechtliche Mängel in der Beweiswürdigung der Strafkammer. Diese sei schon deshalb lückenhaft, da sie wesentliche Indizien zum Nachteil des Angeklagten außer Betracht gelassen habe. Unter Verkennung des Grundsatzes "in dubio pro reo" habe das Landgericht diesen schon auf einzelne belastende Indizien angewendet, statt dies erst am Schluss einer Gesamtbetrachtung in Erwägung zu ziehen. In der Konsequenz fehle es an einer Gesamtwürdigung aller für und gegen den Angeklagten sprechenden Gesichtspunkte. Die Strafkammer habe deshalb vorschnell allein auf die - den Angeklagten entlastende - Angabe des Zeugen B. zum genauen Zeitpunkt seiner Beobachtung des vorbeifahrenden Angeklagten abgestellt, die eine Täterschaft des Angeklagten aus- schließt. Dabei fehle es - eine weitere Lücke in der Beweiswürdigung - hinsichtlich dieser Angaben an einer - revisionsrechtlicher Überprüfung zugänglichen - Darstellung der Aussageentwicklung während des Verfahrens - "offenbar von einer zunächst vagen zu einer schließlich ganz präzisen Zeitangabe" -, die ebenfalls in die Gesamtwürdigung hätte einbezogen werden müssen. Diese Erwägungen des Senats sind weder fehlerhaft, beinhalten insbesondere keinen "Denkfehler", noch ist dem Senat ein Irrtum unterlaufen und schon gar nicht hat der Senat eine "Komposition" gefertigt.
38
Vielmehr irrt der Antragsteller, wenn er meint, den Gründen des Senatsurteils entnehmen zu können, der Senat habe festgeschrieben, die Zeitangabe des Zeugen B. in der Hauptverhandlung vor dem Landgericht Heilbronn sei unzuverlässig. Zwar führte der Senat aus, es erscheine fern liegend, dass der kurz nach der Tat vernommene Zeuge eine derart markante Besonderheit - wie den Kontrollblick auf die Kirchturmuhr - zunächst nicht erwähnt, obwohl es schon bei der ersten Befragung auf minutengenaue Zeitangaben angekommen sei, und es komme deshalb ernsthaft in Betracht, dass der Zeuge, da er sich nach den Feststellungen im Urteil des Landgerichts Heilbronn darauf festgelegt habe, dass der Angeklagte nicht der Täter sein könne, sich nicht konkret an die Uhrzeit erinnert, sondern diesen Zeitpunkt lediglich rekonstruiert habe. Damit hat der Senat aber nicht "festgelegt, dass der Zeuge B. nicht zu seiner [des Angeklagten] Entlastung heranzuziehen sei". Der Senat hatte lediglich zu prüfen , ob das Urteil des Landgerichts Heilbronn - ausgehend von den darin getroffenen Feststellungen - auf der fehlerhaften Beweiswürdigung beruht (§ 337 Abs. 1 StPO), d.h. ob das Landgericht Heilbronn bei Vermeidung der Rechtsfehler möglicherweise eine andere Entscheidung getroffen hätte. Und das komme - so der Senat - "ernsthaft in Betracht". Mehr beinhaltet diese Passage nicht. Sie steht insbesondere einer unbefangenen Prüfung bei der neuerlichen Urteilsfindung nicht entgegen.
39
d) Die Befangenheitsanträge sind nach allem unbegründet. Hebenstreit Graf Jäger Schäfer Sander

Urteilsbesprechung zu Bundesgerichtshof Beschluss, 18. Nov. 2008 - 1 StR 541/08

Urteilsbesprechungen zu Bundesgerichtshof Beschluss, 18. Nov. 2008 - 1 StR 541/08

Referenzen - Gesetze

Strafprozeßordnung - StPO | § 261 Grundsatz der freien richterlichen Beweiswürdigung


Über das Ergebnis der Beweisaufnahme entscheidet das Gericht nach seiner freien, aus dem Inbegriff der Verhandlung geschöpften Überzeugung.

Strafprozeßordnung - StPO | § 337 Revisionsgründe


(1) Die Revision kann nur darauf gestützt werden, daß das Urteil auf einer Verletzung des Gesetzes beruhe. (2) Das Gesetz ist verletzt, wenn eine Rechtsnorm nicht oder nicht richtig angewendet worden ist.

Strafprozeßordnung - StPO | § 24 Ablehnung eines Richters; Besorgnis der Befangenheit


(1) Ein Richter kann sowohl in den Fällen, in denen er von der Ausübung des Richteramtes kraft Gesetzes ausgeschlossen ist, als auch wegen Besorgnis der Befangenheit abgelehnt werden. (2) Wegen Besorgnis der Befangenheit findet die Ablehnung statt,
Bundesgerichtshof Beschluss, 18. Nov. 2008 - 1 StR 541/08 zitiert 9 §§.

Strafprozeßordnung - StPO | § 261 Grundsatz der freien richterlichen Beweiswürdigung


Über das Ergebnis der Beweisaufnahme entscheidet das Gericht nach seiner freien, aus dem Inbegriff der Verhandlung geschöpften Überzeugung.

Strafprozeßordnung - StPO | § 337 Revisionsgründe


(1) Die Revision kann nur darauf gestützt werden, daß das Urteil auf einer Verletzung des Gesetzes beruhe. (2) Das Gesetz ist verletzt, wenn eine Rechtsnorm nicht oder nicht richtig angewendet worden ist.

Strafprozeßordnung - StPO | § 24 Ablehnung eines Richters; Besorgnis der Befangenheit


(1) Ein Richter kann sowohl in den Fällen, in denen er von der Ausübung des Richteramtes kraft Gesetzes ausgeschlossen ist, als auch wegen Besorgnis der Befangenheit abgelehnt werden. (2) Wegen Besorgnis der Befangenheit findet die Ablehnung statt,

Strafprozeßordnung - StPO | § 26a Verwerfung eines unzulässigen Ablehnungsantrags


(1) Das Gericht verwirft die Ablehnung eines Richters als unzulässig, wenn 1. die Ablehnung verspätet ist,2. ein Grund zur Ablehnung oder ein Mittel zur Glaubhaftmachung nicht oder nicht innerhalb der nach § 26 Absatz 1 Satz 2 bestimmten Frist angege

Strafprozeßordnung - StPO | § 22 Ausschließung von der Ausübung des Richteramtes kraft Gesetzes


Ein Richter ist von der Ausübung des Richteramtes kraft Gesetzes ausgeschlossen, 1. wenn er selbst durch die Straftat verletzt ist;2. wenn er Ehegatte, Lebenspartner, Vormund oder Betreuer des Beschuldigten oder des Verletzten ist oder gewesen ist;3.

Strafprozeßordnung - StPO | § 23 Ausschließung eines Richters wegen Mitwirkung an der angefochtenen Entscheidung


(1) Ein Richter, der bei einer durch ein Rechtsmittel angefochtenen Entscheidung mitgewirkt hat, ist von der Mitwirkung bei der Entscheidung in einem höheren Rechtszug kraft Gesetzes ausgeschlossen. (2) Ein Richter, der bei einer durch einen Antrag

Strafprozeßordnung - StPO | § 148a Durchführung von Überwachungsmaßnahmen


(1) Für die Durchführung von Überwachungsmaßnahmen nach § 148 Abs. 2 ist der Richter bei dem Amtsgericht zuständig, in dessen Bezirk die Vollzugsanstalt liegt. Ist eine Anzeige nach § 138 des Strafgesetzbuches zu erstatten, so sind Schriftstücke oder

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Bundesgerichtshof Beschluss, 07. Aug. 2012 - 1 StR 212/12

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BUNDESGERICHTSHOF BESCHLUSS 1 StR 212/12 vom 7. August 2012 in der Strafsache gegen wegen Betruges u.a. hier: Ablehnungsanträge des Angeklagten gegen den Vorsitzenden Richter am Bundesgerichtshof Nack, den Richter am Bundesgerichtshof Rothfuß, de

Bundesgerichtshof Urteil, 15. Mai 2018 - 1 StR 159/17

bei uns veröffentlicht am 15.05.2018

BUNDESGERICHTSHOF IM NAMEN DES VOLKES URTEIL 1 StR 159/17 vom 15. Mai 2018 in der Strafsache gegen 1. 2. 3. 4. 5. wegen zu 1., 3., 4. und 5.: Beihilfe zur Steuerhinterziehung zu 2.: Steuerhinterziehung ECLI:DE:BGH:2018:150518U1STR159.17.0 De

Bundesgerichtshof Beschluss, 08. Mai 2014 - 1 StR 726/13

bei uns veröffentlicht am 08.05.2014

BUNDESGERICHTSHOF BESCHLUSS 1 S t R 7 2 6 / 1 3 vom 8. Mai 2014 in der Strafsache gegen 1. 2. wegen Untreue Der 1. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat am 8. Mai 2014 beschlossen: Auf die Revisionen der Angeklagten wird das Urteil des Landger

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Über das Ergebnis der Beweisaufnahme entscheidet das Gericht nach seiner freien, aus dem Inbegriff der Verhandlung geschöpften Überzeugung.

(1) Ein Richter kann sowohl in den Fällen, in denen er von der Ausübung des Richteramtes kraft Gesetzes ausgeschlossen ist, als auch wegen Besorgnis der Befangenheit abgelehnt werden.

(2) Wegen Besorgnis der Befangenheit findet die Ablehnung statt, wenn ein Grund vorliegt, der geeignet ist, Mißtrauen gegen die Unparteilichkeit eines Richters zu rechtfertigen.

(3) Das Ablehnungsrecht steht der Staatsanwaltschaft, dem Privatkläger und dem Beschuldigten zu. Den zur Ablehnung Berechtigten sind auf Verlangen die zur Mitwirkung bei der Entscheidung berufenen Gerichtspersonen namhaft zu machen.

Ein Richter ist von der Ausübung des Richteramtes kraft Gesetzes ausgeschlossen,

1.
wenn er selbst durch die Straftat verletzt ist;
2.
wenn er Ehegatte, Lebenspartner, Vormund oder Betreuer des Beschuldigten oder des Verletzten ist oder gewesen ist;
3.
wenn er mit dem Beschuldigten oder mit dem Verletzten in gerader Linie verwandt oder verschwägert, in der Seitenlinie bis zum dritten Grad verwandt oder bis zum zweiten Grad verschwägert ist oder war;
4.
wenn er in der Sache als Beamter der Staatsanwaltschaft, als Polizeibeamter, als Anwalt des Verletzten oder als Verteidiger tätig gewesen ist;
5.
wenn er in der Sache als Zeuge oder Sachverständiger vernommen ist.

(1) Ein Richter, der bei einer durch ein Rechtsmittel angefochtenen Entscheidung mitgewirkt hat, ist von der Mitwirkung bei der Entscheidung in einem höheren Rechtszug kraft Gesetzes ausgeschlossen.

(2) Ein Richter, der bei einer durch einen Antrag auf Wiederaufnahme des Verfahrens angefochtenen Entscheidung mitgewirkt hat, ist von der Mitwirkung bei Entscheidungen im Wiederaufnahmeverfahren kraft Gesetzes ausgeschlossen. Ist die angefochtene Entscheidung in einem höheren Rechtszug ergangen, so ist auch der Richter ausgeschlossen, der an der ihr zugrunde liegenden Entscheidung in einem unteren Rechtszug mitgewirkt hat. Die Sätze 1 und 2 gelten entsprechend für die Mitwirkung bei Entscheidungen zur Vorbereitung eines Wiederaufnahmeverfahrens.

(1) Für die Durchführung von Überwachungsmaßnahmen nach § 148 Abs. 2 ist der Richter bei dem Amtsgericht zuständig, in dessen Bezirk die Vollzugsanstalt liegt. Ist eine Anzeige nach § 138 des Strafgesetzbuches zu erstatten, so sind Schriftstücke oder andere Gegenstände, aus denen sich die Verpflichtung zur Anzeige ergibt, vorläufig in Verwahrung zu nehmen; die Vorschriften über die Beschlagnahme bleiben unberührt.

(2) Der Richter, der mit Überwachungsmaßnahmen betraut ist, darf mit dem Gegenstand der Untersuchung weder befaßt sein noch befaßt werden. Der Richter hat über Kenntnisse, die er bei der Überwachung erlangt, Verschwiegenheit zu bewahren; § 138 des Strafgesetzbuches bleibt unberührt.

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
4 StR 513/99
vom
9. März 2000
in der Strafsache
gegen
wegen erpresserischen Menschenraubes u.a.
Der 4. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat nach Anhörung des Generalbundesanwalts
und des Beschwerdeführers am 9. März 2000 gemäß §§ 349
Abs. 2 und 4, 357 StPO beschlossen:
I. Auf die Revision des Angeklagten D. wird das Urteil des Landgerichts Hagen vom 12. Februar 1999, soweit er und der Mitangeklagte A. verurteilt worden sind, 1. bezüglich des Angeklagten D.
a) zur Klarstellung hinsichtlich der Verurteilung im Fall II 2 d der Urteilsgründe dahin neu gefaßt, daß der Angeklagte wegen Vergewaltigung in Tateinheit mit erpresserischem Menschenraub unter Einbeziehung der durch Urteil des Amtsgerichts Plettenberg vom 19. August 1997 (2 Ds 96 Js 1889/96 - 171/97 -) verhängten Freiheitsstrafe zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von drei Jahren und einem Monat verurteilt ist;
b) im Schuldspruch in den Fällen II 3 a, e, f, h und j der Urteilsgründe dahin geändert, daß der Angeklagte der Vergewaltigung in zwei tateinheitlich zusammentreffenden Fällen, jeweils in Tateinheit mit Freiheitsberaubung, in einem Fall in weiterer Tateinheit mit Körperverletzung, schuldig ist;
c) in den Aussprüchen über die in den Fällen II 3 a, e, f, h und j verhängten Freiheitsstrafen und über die Gesamtfreiheitsstrafe von sechs Jahren und neun Monaten mit den Feststellungen aufgehoben. 2. bezüglich des Mitangeklagten A.
a) im Schuldspruch dahin geändert, daß der Angeklagte der Vergewaltigung in drei Fällen, davon in zwei Fällen in Tateinheit mit erpresserischem Menschenraub und in dem weiteren Fall in Tateinheit mit Freiheitsberaubung in zwei tateinheitlich zusammentreffenden Fällen, sowie der Körperverletzung in zwei Fällen schuldig ist;
b) in den Aussprüchen über die in den Fällen II 3 b und d verhängten Einzelstrafen und über die Gesamtstrafe mit den Feststellungen aufgehoben. II. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen. III. Die weiter gehende Revision wird verworfen.

Gründe:


Das Landgericht hat den Angeklagten D. "der Vergewaltigung in sechs Fällen, davon in einem Fall in Tateinheit mit erpresserischem Menschenraub und in den anderen Fällen in Tateinheit mit Freiheitsberaubung, davon wiederum in einem Fall tateinheitlich mit vorsätzlicher Körperverletzung begangen" schuldig gesprochen und ihn "unter Einbeziehung der durch Urteil des Amtsgerichts Plettenberg vom 19. August 1997 (2 Ds 96 Js 1889/96 - 171/97 - ) verhängten Freiheitsstrafe zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von drei Jahren und einem Monat und zu einer weiteren Gesamtfreiheitsstrafe von sechs Jahren und neun Monaten" verurteilt. Den Mitangeklagten A. , der keine Revision eingelegt hat, hat es "der Vergewaltigung in vier Fällen, davon in zwei Fällen in Tateinheit mit erpresserischem Menschenraub, in den anderen zwei Fällen in Tateinheit mit Freiheitsberaubung, außerdem der vorsätzlichen Körperverletzung in zwei Fällen", schuldig gesprochen und gegen ihn eine Gesamtfreiheitsstrafe von sieben Jahren und neun Monaten verhängt. Von dem Vorwurf des Menschenhandels sind die Angeklagten freigesprochen worden.
Mit seiner Revision rügt der Angeklagte D. die Verletzung formellen und materiellen Rechts.
Die Revision hat mit der Sachbeschwerde teilweise Erfolg und ist insoweit gemäß § 357 StPO auf den Mitangeklagten A. zu erstrecken; im übrigen ist sie unbegründet im Sinne des § 349 Abs. 2 StPO.
1. Zu den Verfahrensrügen bemerkt der Senat ergänzend zur Antragsschrift des Generalbundesanwalts:


a) Auch die Ablehnungsrüge (§§ 24, 338 Nr. 3 StPO) greift im Ergebnis nicht durch. Allerdings beanstandet der Angeklagte entgegen der Auffassung des Generalbundesanwalts zu Recht, daß sein Ablehnungsgesuch gegen den Vorsitzenden und einen der beisitzenden Richter als unzulässig (§ 26 a Abs. 1 Nr. 1 StPO) verworfen wurde, denn er hat die Ablehnung, nachdem ihm die Umstände, auf die er sie gestützt hat, bekanntgeworden waren, unverzüglich geltend gemacht (§ 25 Abs. 2 Satz 1 StPO). Der Beschwerdeführer hat nämlich das Ablehnungsgesuch nicht allein damit begründet, daß die abgelehnten Richter mit den ihm in der Anklage zur Last gelegten Taten zum Nachteil der Prostituierten Aurelia Av. und Oksana P. bereits in dem Verfahren befaßt waren, in dem sein Bruder Arben unter anderem wegen Vergewaltigung dieser Frauen verurteilt wurde. Vielmehr hat er darüberhinaus geltend gemacht , daß die Kammer in jenem Verfahren Feststellungen auch zu den gegen den Beschwerdeführer und den Mitangeklagten A. erhobenen Vorwürfen getroffen und hierzu in den Urteilsgründen unter anderem ausgeführt hatte, sie sei ”fest davon überzeugt,” daß die als Zeuginnen vernommenen Tatopfer ”generell glaubwürdig” und ihre Angaben glaubhaft seien. Von dem Inhalt der Urteilsgründe hatte der Angeklagte, wie in dem Gesuch glaubhaft gemacht worden ist, aber erst unmittelbar vor der Verhandlung am 3. Dezember 1998 Kenntnis erlangt, zu deren Beginn das Ablehnungsgesuch angebracht wurde.
Das Ablehnungsgesuch war jedoch nicht begründet. Die Vorbefassung mit demselben Sachverhalt liefert grundsätzlich keinen Ablehnungsgrund (BGHR StPO § 338 Nr. 3 Strafkammer 1; Kleinknecht/Meyer-Goßner StPO 44. Aufl. § 24 Rdn. 13 m. w. N.), und zwar auch dann nicht, wenn die Schilderung des Tatgeschehens in dem früheren Urteil – wie hier – auch noch nicht
angeklagte Beteiligte einschließt. Die Besorgnis der Befangenheit der abgelehnten Richter aufgrund ihrer Ä ußerungen in dem früheren Urteil wäre nur dann begründet, wenn diese Ä ußerungen nach der Sachlage unnötige und sachlich unbegründete Werturteile über einen der jetzigen Angeklagten enthalten hätten (vgl. BGH aaO m. N.). Das ist jedoch hier nicht der Fall.
Die Einbeziehung auch der hier abgeurteilten Taten in die Schilderung der in dem früheren Verfahren abgeurteilten Tat zum Nachteil derselben Tatopfer war aus den in der Antragsschrift des Generalbundesanwalts im einzelnen dargelegten Gründen sachlich geboten. Allerdings können die zahlreichen Hinweise in dem früheren Urteil auf die Überzeugung des Gerichts (”fest davon überzeugt”, ”der festen Überzeugung” und ”keinerlei Zweifel”), die zur Darlegung einer den Anforderungen des § 261 StPO genügenden Überzeugungsbildung (vgl. BGH NStZ 1988, 236 und Kleinknecht/Meyer-Goßner aaO § 261 Rdn. 2 m.N.) nicht erforderlich waren (vgl. BGH, Beschluß vom 28. Juli 1998 – 4 StR 293/98), für sich genommen Anlaß zu Mißdeutungen geben. Sie waren hier aber vor allem auch im Hinblick auf den Umfang der an den vorangegangenen Sitzungstagen bereits durchgeführten Beweisaufnahme nicht geeignet, zu dem Zeitpunkt der Anbringung des Ablehnungsgesuches am zehnten Sitzungstage aus der Sicht eines verständigen Angeklagten die Annahme zu begründen , daß die abgelehnten Richter in dem früheren Verfahren bereits eine endgültige Überzeugung von der Schuld des Beschwerdeführers gewonnen hatten (vgl. BGHR StPO § 24 Abs. 2 Befangenheit 11), zumal bereits in der Terminsverfügung vom 2. Oktober 1998 (Bd. III Bl. 551 d.A.) die Ladung von 18 Zeugen angeordnet worden war und die Hauptverhandlung, die am 27. Oktober 1998 begonnen hatte und für die zunächst 24 Sitzungstage vorgesehen waren, erst am 12. Februar 1999 abgeschlossen wurde.


b) Die Verwertung der Ergebnisse der Wahlgegenüberstellungen, die das Landgericht in der Hauptverhandlung durchgeführt hat und außerhalb der Hauptverhandlung hat durchführen lassen, ist weder verfahrens- noch sachlichrechtlich zu beanstanden. Der Senat weist jedoch darauf hin, daß Wahlgegenüberstellungen in der Hauptverhandlung entbehrlich sind, wenn bereits im Ermittlungsverfahren Wahllichtbildvorlagen oder Wahlgegenüberstellungen durchgeführt worden sind (vgl. Kleinknecht/Meyer-Goßner aaO § 58 Rdn. 13). Zudem dürfte eine sukzessive (sequentielle) Gegenüberstellung, bei welcher der Zeuge jeweils nur eine Person sieht, ihm aber nacheinander mehrere Personen gezeigt werden (vgl. Mertn/Schwarz/Walser Kriminalistik 1998, 421), einer Wahlgegenüberstellung (vgl. RiStBV 18 Satz 1) vorzuziehen sein.
2. Die Sachbeschwerde führt zur Ä nderung des den Angeklagten D. betreffenden Schuldspruchs in den Fällen II 3 a, e, f, h und j der Urteilsgründe und zur Aufhebung der in diesen Fällen verhängten Einzelstrafen sowie der aus diesen Strafen gebildeten Gesamtfreiheitsstrafe, weil das Landgericht insoweit das Konkurrenzverhältnis rechtsfehlerhaft beurteilt und Tatmehrheit angenommen hat.

a) Nach den Feststellungen veranlaßten die Angeklagten den Betreiber eines Bordells, ihnen die Prostituierten Oksana P. und Aurelia Av. zu übergeben. Der Angeklagte A. brachte die Frauen in die Wohnung der Angeklagten und sperrte sie dort gemeinsam mit dem Angeklagten D. in der Zeit vom 24. August 1997, 8.00 Uhr, bis zum 28. August 1997 ein. Der Angeklagte D. zwang Oksana P. in vier Fällen mit ihm (II 3 a, e, f und j der Urteilsgründe) und in einem weiteren, nach § 154 Abs. 2 StPO von der Verfol-
gung ausgenommenen Fall mit einem Italiener den Geschlechtsverkehr auszuführen. Beide Frauen wurden in Gegenwart der Angeklagten von dem Bruder des Angeklagten D. v ergewaltigt. Nachdem der Angeklagte A. Aurelia Av. zum Geschlechtsverkehr mit ihm (Fälle II 3 b und d der Urteilsgründe) und in einem weiteren, ebenfalls von der Verfolgung ausgenommenen Fall mit einem Albaner gezwungen hatte, zwang sie am 25. August 1997 der Angeklagte D. zum Oral- und Vaginalverkehr (II 3 h der Urteilsgründe). Der Angeklagte D. war sich bewußt, ”daß die beiden Frauen in der Wohnung eingesperrt waren und sich damit in einer hilflosen Lage befanden, in der sie beiden Angeklagten schutzlos ausgeliefert waren”. Dies nutzte er in allen Fällen aus, um den Geschlechtsverkehr zu erzwingen. Im ersten der Fälle versetzte der Angeklagte Oksana P. zudem mehrere mit großer Wucht ausgeführte Faustschläge gegen den Kopf, um ihren Widerstandswillen zu brechen. Danach ging er davon aus, daß er ”nicht erneut zuschlagen mußte, weil der Widerstandswille der Frau infolge seiner früheren Gewalttätigkeiten gebrochen war.” In dem letzten der Fälle ging er ”zutreffender Weise davon aus, daß P. der Av. von den Schlägen erzählt bzw. daß Av. die Schläge und Schreie selbst gehört hatte.”
Dieser der Verurteilung des Angeklagten D. wegen Vergewaltigung in fünf Fällen, jeweils in Tateinheit mit Freiheitsberaubung und in einem Fall mit Körperverletzung zugrundeliegende Geschehensablauf vermag die Annahme rechtlich selbständiger Taten nicht zu rechtfertigen. Vielmehr ist der Geschehensablauf als eine Tat im Sinne des sachlichen Rechts aufzufassen, weil die von dem Angeklagten erzwungenen Sexualakte eine einheitliche Handlung bilden:
Es kann dahingestellt bleiben, ob allein das mehrfache Ausnutzen derselben schutzlosen Lage z ur Erzwingung des Geschlechtsverkehrs zur Annahme nur einer Tat führen kann (vgl. BGH, Beschluß vom 6. Juli 1999 – 1 StR 216/99). Hier liegt den Vergewaltigungen, auf die das Landgericht zutreffend § 177 Abs. 1, 2 Satz 2 Nr.1 StGB i.d.F. des 33. StrÄ ndG angewendet hat, jedenfalls soweit es die als Tatmittel angewendete Gewalt betrifft, ein einheitliches Tun des Angeklagten D. zugrunde. Neben der Freiheitsberaubung, in der hier eine Gewaltanwendung im Sinne des § 177 Abs. 1 StGB liegt (vgl. BGH NStZ 1999, 83; BGHR StGB § 177 Abs.1 Gewalt 10), die der Angeklagte in allen Fällen als Nötigungsmittel einsetzte, wirkte auch die im ersten Fall vom Angeklagten ausgeübte massive körperliche Gewalt während des gesamten Tatgeschehens fort, was der Angeklagte in den nachfolgenden Fällen ebenfalls ausnutzte. Der Annahme einer fortwirkenden Gewaltanwendung steht hier entgegen der Auffassung des Landgerichts nicht entgegen, daß sich das Tatgeschehen über mehrere Tage erstreckte und daß es durch Straftaten anderer zum Nachteil der Tatopfer ”unterbrochen” wurde. Diese Taten bilden schon deshalb keine Zäsur, die zur Annahme rechtlich selbständiger Taten führt, weil sie durch die schutzlose Lage der Frauen ermöglicht wurden und der Angeklagte D. Oksana P. zudem in einem der nicht abgeurteilten Fälle zu dem Geschlechtsverkehr mit einem Italiener unter Ausnutzung dieser Lage gezwungen hat. Im übrigen ist, da zur zeitlichen Einordnung der Vorfälle keine sicheren Feststellungen getroffen werden konnten, zugunsten des Angeklagten D. davon auszugehen, daß das Tatgeschehen, soweit es die erzwungenen sexuellen Handlungen betrifft, in der Nacht vom 25. zum 26. August 1997 beendet war, so daß ein enger zeitlicher Zusammenhang gegeben ist.
Der Angeklagte D. hat danach in allen Fällen, soweit es die angewendete Gewalt betrifft, dasselbe Nötigungsmittel eingesetzt, so daß nur eine Handlung im Rechtssinne vorliegt (vgl. BGH NStZ 1999, 83; BGHR StGB § 177 Abs.1 Gewalt 10, jew. m. N.). Soweit es gegenüber Oksana P. zu mehreren sexuellen Handlungen kam, liegt daher nur eine Vergewaltigung in Tateinheit mit Freiheitsberaubung (vgl. BGH NStZ 1999, 83) und mit Körperverletzung vor. Hierzu stehen die durch dieselbe Handlung zum Nachteil von Aurelia Av. begangenen Delikte (Vergewaltigung und Freiheitsberaubung) in Tateinheit (vgl. BGH, Beschlüsse vom 9. September 1997 – 4 StR 377/97 und vom 16. November 1999 – 4 StR 504/99). Der Senat ändert den Schuldspruch entsprechend. § 265 StPO steht der Schuldspruchänderung nicht entgegen, weil sich der Angeklagte hiergegen nicht wirksamer als geschehen hätte verteidigen können.

b) Die Schuldspruchänderung hat die Aufhebung der in den Fällen II 3 a, e, f, h und j verhängten Einzelstrafen und der Gesamtfreiheitsstrafe von sechs Jahren und neun Monaten zur Folge.

c) Soweit der Angeklagte im Fall II 2 d wegen Vergewaltigung in Tateinheit mit schwerem erpresserischem Menschenraub wegen der Zäsurwirkung der einbezogenen Vorverurteilung zu einer weiteren Gesamtfreiheitsstrafe von drei Jahren und einem Monat verurteilt worden ist, faßt der Senat den diese Tat betreffenden Schuld- und Strafausspruch zur Klarstellung der Zuordnung dieser Strafe neu. 3. Die Revision ist, soweit der Mitangeklagte A. in den Fällen II 3 b und d wegen Vergewaltigung in zwei Fällen, jeweils in Tateinheit mit Freiheitsberaubung verurteilt worden ist, wegen der insoweit gegebenen Identität der
Tat (vgl. Kuckein in KK/StPO 4. Aufl. § 357 StPO Rdn. 8) gemäß § 357 StPO auf diesen zu erstrecken.
Der Angeklagte A. hat den Geschlechtsverkehr mit Aurelia Av. , und zwar - wovon zu seinen Gunsten auszugehen ist – an demselben Tage, jeweils unter Ausnutzung der in der Freiheitsberaubung liegenden Gewaltanwendung erzwungen und insoweit dasselbe Nötigungsmittel eingesetzt, so daß nur eine Tat im Rechtssinne vorliegt. Zu der Vergewaltigung steht die Freiheitsberaubung zum Nachteil beider geschädigter Frauen in Tateinheit. Der Senat hat den Schuldspruch in den genannten Fällen entsprechend geändert. § 265 StPO steht dem nicht entgegen.
Die Schuldspruchänderung führt zur Aufhebung der beiden diese Fälle betreffenden Einzelstrafen und der Gesamtstrafe.
Meyer-Goßner Maatz Kuckein Athing Ernemann

(1) Das Gericht verwirft die Ablehnung eines Richters als unzulässig, wenn

1.
die Ablehnung verspätet ist,
2.
ein Grund zur Ablehnung oder ein Mittel zur Glaubhaftmachung nicht oder nicht innerhalb der nach § 26 Absatz 1 Satz 2 bestimmten Frist angegeben wird oder
3.
durch die Ablehnung offensichtlich das Verfahren nur verschleppt oder nur verfahrensfremde Zwecke verfolgt werden sollen.

(2) Das Gericht entscheidet über die Verwerfung nach Absatz 1, ohne daß der abgelehnte Richter ausscheidet. Im Falle des Absatzes 1 Nr. 3 bedarf es eines einstimmigen Beschlusses und der Angabe der Umstände, welche den Verwerfungsgrund ergeben. Wird ein beauftragter oder ein ersuchter Richter, ein Richter im vorbereitenden Verfahren oder ein Strafrichter abgelehnt, so entscheidet er selbst darüber, ob die Ablehnung als unzulässig zu verwerfen ist.

Nachschlagewerk: ja
BGHSt : ja
Veröffentlichung : ja
Ein Ablehnungsgesuch ist auch dann im Sinne von § 338
Nr. 3 StPO „mit Unrecht verworfen“, wenn die unter Mitwirkung
des abgelehnten Richters beschlossene Verwerfung
gemäß § 26a StPO als unzulässig auf einer willkürlichen
oder die Anforderungen des Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG
grundlegend verkennenden Rechtsanwendung beruht; auf
die sachliche Berechtigung der Ablehnungsgründe kommt
es in diesem Fall nicht an (Abkehr von BGHSt 23, 265;
im Anschluss an BVerfG [Kammer], Beschluss vom
2. Juni 2005 – 2 BvR 625 und 638/01).
BGH, Beschluss vom 10. August 2005 – 5 StR 180/05
LG Hamburg-

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
vom 10. August 2005
in der Strafsache
gegen
wegen Vergewaltigung
Der 5. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat am 10. August 2005

beschlossen:
1. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Hamburg vom 17. August 2004 nach § 349 Abs. 4 StPO mit den Feststellungen aufgehoben.
2. Die Sache wird zu neuer Verhandlung und Entscheidung , auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.
G r ü n d e Das Landgericht hat den Angeklagten – unter Einbeziehung verschiedener Einzelfreiheitsstrafen aus einer vorangegangenen Verurteilung – wegen Vergewaltigung (Einsatzfreiheitsstrafe sechs Jahre) zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von sechs Jahren und sechs Monaten verurteilt. Die Revision des Angeklagten hat mit einer Verfahrensrüge Erfolg.
1. Dem liegt folgendes Verfahrensgeschehen zugrunde:
a) Der Angeklagte hat den Vorsitzenden der Strafkammer wegen Besorgnis der Befangenheit abgelehnt. Er hat seine Ablehnung auf die Mitwirkung des Richters in einem vorangegangenen Verfahren gegen einen anderen Angeklagten unter anderem wegen weiterer Vergewaltigungen desselben Opfers und wegen Menschenhandels gestützt: Der Richter habe aufgrund der Angaben der in beiden Verfahren als Hauptbelastungszeugin auftretenden Geschädigten Feststellungen zu dem Vorwurf des hiesigen Verfahrens – einer zuvor verübten Vergewaltigung – getroffen, die nach Auffassung des Angeklagten in jenem Verfahren nicht zwingend erforderlich gewesen wären.
Aufgrund des Ausmaßes der vorangegangenen Festlegung zum Tatgeschehen sowie zur Glaubwürdigkeit der Zeugin gebe es für den Angeklagten begründeten Anlass, an der Unparteilichkeit des Richters zu zweifeln. Die Feststellungen im Vorverfahren zum Tatvorwurf im hiesigen Verfahren stünden weder notwendig noch untrennbar mit den zuvor verhandelten Vorwürfen gegen den damaligen Angeklagten in Zusammenhang, so dass ein Sonderfall vorliege, der ausnahmsweise die Ablehnung wegen Vorbefassung rechtfertige.

b) Die Strafkammer hat das Ablehnungsgesuch unter Mitwirkung des abgelehnten Richters gemäß § 26a Abs. 1 Nr. 2 StPO als unzulässig verworfen : Die angegebene Begründung sei aus zwingenden rechtlichen Gründen zur Rechtfertigung eines Ablehnungsgesuchs völlig ungeeignet, was dem Fehlen einer Begründung im Sinne von § 26a Abs. 1 Nr. 2 StPO gleichstehe; für einen in der Rechtsprechung anerkannten Ausnahmefall vom Grundsatz, dass eine Vorbefassung die Besorgnis der Befangenheit regelmäßig nicht begründe, gebe es keinerlei Anhaltspunkte.
2. Der absolute Revisionsgrund des § 338 Nr. 3 StPO liegt vor. Bei dem angegriffenen Urteil hat ein Richter mitgewirkt, nachdem ein gegen ihn gerichtetes Ablehnungsgesuch mit Unrecht verworfen wurde. Die Strafkammer durfte nicht nach § 26a Abs. 1 Nr. 2 StPO verfahren; damit hat sie die Grenzen dieser Norm in einer die Anforderungen von Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG grundlegend verkennenden Weise überschritten.

a) In der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs war bislang anerkannt , dass die fehlerhafte Ablehnung eines Ablehnungsgesuchs als unzulässig gemäß § 26a Abs. 1 Nr. 2 StPO für sich keinen absoluten Revisionsgrund nach § 338 Nr. 3 StPO eröffnet, sondern das Revisionsgericht auch in diesen Fällen nach Beschwerdegrundsätzen prüft, ob das Ablehnungsgesuch in der Sache begründet war oder nicht (st. Rspr.; vgl. nur BGHSt 18, 200, 203; 23, 265; BGHR StPO § 26a Unzulässigkeit 1, 3, 9). Mit dem Gene- ralbundesanwalt, der seinen Antrag nach § 349 Abs. 2 StPO vor der nachfolgend genannten Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts gestellt hat, liegt es nahe anzunehmen, dass das in Frage stehende Ablehnungsgesuch als unbegründet zu bewerten gewesen wäre und die entsprechende Rüge der Revision deshalb nach dem Maßstab der bisherigen Rechtsprechung nicht zum Erfolg verholfen hätte.
Diese Rechtsprechung kann indes nicht mehr in vollem Umfang aufrecht erhalten werden. Ein Ablehnungsgesuch ist jedenfalls auch dann im Sinne von § 338 Nr. 3 StPO „mit Unrecht verworfen“, wenn die unter Mitwirkung des abgelehnten Richters beschlossene Verwerfung gemäß § 26a StPO als unzulässig auf einer willkürlichen oder die Anforderungen des Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG grundlegend verkennenden Rechtsanwendung beruht; auf die sachliche Berechtigung der Ablehnungsgründe kommt es in diesem Fall nicht an.
aa) Nach der Kammerentscheidung des Bundesverfassungsgerichts vom 2. Juni 2005 – 2 BvR 625 und 638/01 – (vgl. auch schon BVerfG [Kammer ] StraFo 2005, 109; BGH NStZ 2005, 218, 219) darf die Anwendung von § 26a StPO nicht dazu führen, dass der abgelehnte Richter sein eigenes Verhalten beurteilt und damit „Richter in eigener Sache“ wird. Werden die tatbestandlichen Voraussetzungen des § 26a Abs. 1 Nr. 2 StPO in sachlich nicht nachvollziehbarer Weise dahingehend ausgelegt, dass das Ablehnungsgesuch unter Mitwirkung des abgelehnten Richters in der Sache auf seine Begründetheit überprüft wird, entzieht dies dem Beschuldigten im Ablehnungsverfahren seinen gesetzlichen Richter (Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG). Zugleich kann ein solches Vorgehen den Anspruch des Beschuldigten auf Wahrung rechtlichen Gehörs verletzen (BVerfG [Kammer], Beschluss vom 2. Juni 2005 – 2 BvR 625 und 638/01).
bb) Ist ein Ablehnungsgesuch unter Mitwirkung des abgelehnten Richters (§ 26a Abs. 2 Satz 1 StPO) als unzulässig verworfen worden, darf das Revisionsgericht sich demnach nicht darauf beschränken, die hypothetische Begründetheit des Ablehnungsgesuchs nach Beschwerdegrundsätzen (§ 28 Abs. 2 StPO) zu prüfen; vielmehr muss das Revisionsgericht zunächst darüber entscheiden, ob die Grenzen der Vorschrift des § 26a StPO, die den gesetzlichen Richter gewährleistet, eingehalten wurden (vgl. BVerfG aaO). Jedenfalls bei einer willkürlichen oder die Verfassungsgarantie des Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG erheblich missachtenden Überschreitung des durch § 26a StPO abgesteckten Rahmens hat das Revisionsgericht – eine ordnungsgemäße Rüge des Verfahrensfehlers gemäß § 344 Abs. 2 Satz 2 StPO vorausgesetzt – das angefochtene Urteil aufzuheben und die Sache an das Tatgericht zurückzuverweisen (vgl. BVerfG aaO).
cc) Willkür in diesem Sinne liegt vor, wenn die Entscheidung des Gerichts auf einem Fall grober Missachtung oder grober Fehlanwendung des Gesetzesrechts beruht und daher in der Sache offensichtlich unhaltbar ist. Ebenso zu behandeln ist der Fall, dass das Gericht bei der Rechtsanwendung Bedeutung und Tragweite des von der Verfassung garantierten Rechts auf den gesetzlichen Richter (Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG) grundlegend verkennt. Ob ein solcher Fall vorliegt, kann nur anhand der jeweiligen Umstände des Einzelfalls beurteilt werden.
dd) Für die Anwendung von § 26a Abs. 1 Nr. 2 StPO hat dies insbesondere folgende Konsequenzen: Grundsätzlich ist die Gleichsetzung eines Ablehnungsgesuchs, dessen Begründung aus zwingenden rechtlichen Gründen zur Rechtfertigung eines Ablehnungsgesuchs völlig ungeeignet ist, mit einem Ablehnungsgesuch ohne Angabe eines Ablehnungsgrundes (§ 26a Abs. 1 Nr. 2 Alt. 1 StPO) – auch aus verfassungsrechtlicher Sicht – unbedenklich (BVerfG aaO; BGH NStZ 1999, 311). Entscheidend für die Abgrenzung zu „offensichtlich unbegründeten“ Ablehnungsgesuchen, die von § 26a Abs. 1 Nr. 2 StPO nicht erfasst und damit nach § 27 StPO zu behandeln sind (BGH StraFo 2004, 238; BGHR StPO § 26a Unzulässigkeit 9), ist die Frage, ob das Ablehnungsgesuch ohne nähere Prüfung und losgelöst von den konkreten Umständen des Einzelfalls zur Begründung der Besorgnis der Befangenheit gänzlich ungeeignet ist (BVerfG aaO). Über diese bloß formale Prüfung hinaus darf sich der abgelehnte Richter nicht durch Mitwirkung an einer näheren inhaltlichen Prüfung der Ablehnungsgründe im Rahmen von Entscheidungen nach § 26a Abs. 1 Nr. 2 StPO zum „Richter in eigener Sache“ machen. Dabei muss die Auslegung des Ablehnungsgesuchs darauf ausgerichtet sein, es seinem Inhalt nach vollständig zu erfassen, um nicht im Gewande der Zulässigkeitsprüfung in eine Begründetheitsprüfung einzutreten (BVerfG aaO).
Bleiben bei der Abgrenzung Zweifel, ist einem Vorgehen nach § 27 StPO der Vorzug zu geben. Dieses hat zudem den Vorteil, dass der abgelehnte Richter durch seine dienstliche Stellungnahme gemäß § 26 Abs. 3 StPO mögliche Missverständnisse aus dem Weg zu räumen vermag. Das Fehlen einer Stellungnahme beim Vorgehen gemäß § 26a StPO kann bereits nach bisheriger Rechtsprechung der Revision nach § 338 Nr. 3 StPO zum Erfolg verhelfen, wenn es deshalb an einer Grundlage für die sachliche Überprüfung des Ablehnungsgesuchs mangelte (vgl. BGHSt 23, 200, 202 f.) oder das im Befangenheitsgesuch enthaltene tatsächliche Vorbringen der Revisionsentscheidung ohne weiteres zugrunde zu legen war (BGHR StPO § 338 Nr. 3 Revisibilität 1; BGH NStZ 2005, 218, 219).
ee) Nach diesen Kriterien unbedenklich ist die Zurückweisung eines Ablehnungsgesuchs nach § 26a Abs. 1 Nr. 2, Abs. 2 Satz 1 StPO, das lediglich damit begründet wird, der Richter sei an einer Vorentscheidung zu Lasten des Angeklagten – etwa Eröffnungsbeschluss, Haftentscheidungen, Zurückweisungen vorangegangener Ablehnungsgesuche, den Umfang der Beweisaufnahme bestimmende Beschlüsse, Urteil über dieselbe Tat gegen einen daran Beteiligten in einem abgetrennten Verfahren – beteiligt gewesen. Da eine solche Beteiligung an Vorentscheidungen im nämlichen und in anderen damit zusammenhängenden Verfahren von Strafprozessordnung und Ge- richtsverfassungsrecht ausdrücklich vorgesehen und vorausgesetzt wird, kann die Vorbefassung als solche – abgesehen von den in § 22 Nr. 4 und Nr. 5, § 23 und § 148a Abs. 2 Satz 1 StPO genannten Ausschließungstatbeständen – die Besorgnis der Befangenheit nicht begründen (vgl. BGHR StPO § 338 Nr. 3 Strafkammer 1, insoweit in BGHSt 43, 96 nicht abgedruckt). Auch (vermeintliche) Rechtsfehler bei der Vorentscheidung können für sich genommen eine Ablehnung nicht ohne weiteres rechtfertigen (BGH NStZ 1999, 311). Unzulässig wäre auch der Versuch, einen Streit über das Ergebnis der bisherigen Beweisaufnahme zum Gegenstand des Ablehnungsverfahrens zu machen, weil der Ort, um den entscheidungserheblichen Inhalt der Beweisaufnahme festzustellen, das Urteil ist (vgl. BGHR StPO § 26a Unzulässigkeit 10 m.w.N.). Wird das Ablehnungsgesuch allein auf solche Umstände der Vorbefassung gestützt, kann es ohne inhaltliche Prüfung als unzulässig nach § 26a Abs. 1 Nr. 2 StPO verworfen werden, weil eine solche Begründung aus zwingenden rechtlichen Gründen zur Rechtfertigung eines Ablehnungsgesuchs völlig ungeeignet ist und dies dem Fehlen einer Begründung gleichsteht (BGH aaO).
Anders verhält es sich allerdings beim Hinzutreten besonderer Umstände , die über die Tatsache bloßer Vorbefassung als solcher und die damit notwendig verbundenen inhaltlichen Äußerungen sowie d ie übrigen genannten Aspekte hinausgehen. Dies kann etwa der Fall sein, wenn Äußerungen in früheren Urteilen nach der Sachlage unnötige und sachlich unbegründete Werturteile über einen der jetzigen Angeklagten enthalten (BGHR StPO § 338 Nr. 3 Strafkammer 1, insoweit in BGHSt 43, 96 nicht abgedruckt) oder wenn ein Richter sich bei einer Vorentscheidung in sonst unsachlicher Weise zum Nachteil des Angeklagten geäußert hat (vgl. BGH StV 2002, 116; NStZ 2005, 218).
Allerdings darf auch hinsichtlich der hinzutretenden besonderen Umstände die Besorgnis der Befangenheit nur aus Tatsachen, nicht aus bloßen Vermutungen des Antragstellers abgeleitet werden (vgl. BGH NStZ 1998, 422, 424; StV 1996, 355); insbesondere haltlose Behauptungen ohne tatsächliche Grundlage können deshalb ein im übrigen allein auf Vorbefassung gestütztes Ablehnungsgesuch nicht zulässig begründen (vgl. BGHR StPO § 26a Unzulässigkeit 2). Unabhängig hiervon bleibt dem Tatrichter in jedem Fall die Möglichkeit unbenommen, die Verwerfung des Befangenheitsgesuchs auf § 26a Abs. 1 Nr. 3 StPO zu stützen, wenn mit haltloser Begründung versucht wird, das Institut der Richterablehnung als Druckmittel zur Durchsetzung genehmer oder Verhinderung unangenehmer Entscheidungen zu missbrauchen; gerade die völlige Abwegigkeit der Ablehnungsgründe kann die Sachfremdheit des angebrachten Gesuchs im Sinne von § 26a Abs. 1 Nr. 3 StPO deutlich machen (vgl. BGHR StPO § 26a Unzulässigkeit 7).
Für die Frage, ob auf Vorbefassung gestützte Ablehnungsanträge nach § 26a Abs. 1 Nr. 2 StPO als unzulässig verworfen werden können oder nach § 27 StPO zu behandeln sind, kommt es damit entscheidend darauf an, ob der Antragsteller neben der Vorbefassung und den damit notwendig einhergehenden inhaltlichen Aussagen besondere Umstände konkret vorträgt und glaubhaft macht (vgl. hierzu BGHR StPO § 26a Unzulässigkeit 2; BGH NStZ 1999, 311), die eine inhaltliche Prüfung erfordern und den abgelehnten Richter bei einer Beteiligung an der Entscheidung nach § 26a Abs. 1 Nr. 2 StPO deshalb zum „Richter in eigener Sache“ machen würden.

b) Den genannten Anforderungen aus Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG wird die von der Revision gerügte Verwerfung des Befangenheitsgesuchs als unzulässig gemäß § 26a Abs. 1 Nr. 2 StPO nicht gerecht.
Das Ablehnungsgesuch hat gerade solche zur Vorbefassung hinzutretenden besonderen Umstände vorgetragen, die eine inhaltliche Prüfung erforderten. Die im vorangegangenen Verfahren unter maßgeblicher Mitwirkung des abgelehnten Richters getroffenen Festlegungen zum Tatbeitrag des Revisionsführers waren vom dortigen Verfahrensstoff nicht zweifelsfrei unbedingt erfordert (vgl. hierzu BGHR StPO § 338 Nr. 3 Strafkammer 1, insoweit in BGHSt 43, 96 nicht abgedruckt). Zudem ging es in beiden Verfahren entscheidend um die Frage der Glaubwürdigkeit der Hauptbelastungszeugin. Beide Aspekte zusammen hätten eine inhaltliche Prüfung erfordert, ob diese Umstände ausnahmsweise geeignet sind, eine Besorgnis der Befangenheit wegen Vorbefassung zu begründen. Statt in einer dienstlichen Stellungnahme nach § 26 Abs. 3 StPO seine trotz der konkreten Vorbefassung verbliebene Offenheit für die Beurteilung der Schuldfrage in Bezug auf den Angeklagten herauszustellen und danach die Entscheidung über die Frage berechtigter Bedenken an seiner erforderlichen Unvoreingenommenheit nach § 27 StPO von anderen Richtern entscheiden zu lassen, hat sich der abgelehnte Richter mit dem Vorgehen nach § 26a Abs. 1 Nr. 2 StPO unter eigener Beteiligung zum „Richter in eigener Sache“ gemacht; damit sind im Verwerfungsbeschluss die Anforderungen aus Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG grundlegend verkannt worden.

c) Bei derartigen Verfassungsverstößen im Ablehnungsverfahren obliegt es dem Revisionsgericht, diese durch Aufhebung der angegriffenen Entscheidungen zu beheben. Nach der Systematik des Revisionsrechts ist eine solche Aufhebung und Zurückverweisung jedoch nicht isoliert in der Weise möglich, dass lediglich erneut über das Ablehnungsgesuch in der Besetzung des § 27 StPO entschieden werden könnte (missverständlich daher BVerfG aaO unter IV. 3. c am Ende). Vielmehr muss in Fällen, in denen der Angeklagte im Rahmen einer willkürlichen Verwerfung des Ablehnungsgesuchs nach § 26a StPO seinem gesetzlichen Richter entzogen wurde, der Anwendungsbereich des § 338 Nr. 3 StPO mit der Folge der Urteilsaufhebung auch dann eröffnet sein, wenn die Ablehnung womöglich sachlich nicht begründet gewesen wäre (vgl. Meyer-Goßner, StPO 48. Aufl. § 338 Rdn. 28).

d) Einer Divergenzvorlage nach § 132 Abs. 2 GVG bedarf es nicht. Die bisherigen entgegenstehenden Entscheidungen der übrigen Senate des Bundesgerichtshofs sind mit der genannten Entscheidung der 3. Kammer des Zweiten Senats des Bundesverfassungsgerichts überholt (vgl. Hannich in KK 5. Aufl. § 132 GVG Rdn. 8; vgl. auch BGHSt 44, 171, 173 zu § 121 GVG). Nach § 93c Abs. 1 Satz 2 BVerfGG steht die Kammerentscheidung der Entscheidung eines Senats des Bundesverfassungsgerichts gleich; ihr kommt damit auch die Bindungswirkung des § 31 Abs. 1 BVerfGG zu (vgl. BVerfG [Kammer] NJW 1991, 2821; Graßhof in Maunz/SchmidtBleibtreu /Klein/Bethge BVerfGG § 93c Rdn. 34). Demnach ist die rechtliche Grundlage der früheren anders lautenden Entscheidungen in Fällen wie dem vorliegenden entfallen (vgl. BGHSt 46, 17, 20).
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(1) Ein Richter kann sowohl in den Fällen, in denen er von der Ausübung des Richteramtes kraft Gesetzes ausgeschlossen ist, als auch wegen Besorgnis der Befangenheit abgelehnt werden.

(2) Wegen Besorgnis der Befangenheit findet die Ablehnung statt, wenn ein Grund vorliegt, der geeignet ist, Mißtrauen gegen die Unparteilichkeit eines Richters zu rechtfertigen.

(3) Das Ablehnungsrecht steht der Staatsanwaltschaft, dem Privatkläger und dem Beschuldigten zu. Den zur Ablehnung Berechtigten sind auf Verlangen die zur Mitwirkung bei der Entscheidung berufenen Gerichtspersonen namhaft zu machen.

(1) Die Revision kann nur darauf gestützt werden, daß das Urteil auf einer Verletzung des Gesetzes beruhe.

(2) Das Gesetz ist verletzt, wenn eine Rechtsnorm nicht oder nicht richtig angewendet worden ist.