Bundesgerichtshof Beschluss, 08. Mai 2014 - 1 StR 726/13

bei uns veröffentlicht am08.05.2014

Gericht

Bundesgerichtshof


Der Bundesgerichtshof (BGH) ist das höchste Gericht der ordentlichen Gerichtsbarkeit in Deutschland.  Der BGH besteht aus 16 Senaten, die jeweils von einem Vorsitzenden und mehreren anderen Richtern geleitet werden. Die Zusammensetzung der Senate

Richter

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
1 S t R 7 2 6 / 1 3
vom
8. Mai 2014
in der Strafsache
gegen
1.
2.
wegen Untreue
Der 1. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat am 8. Mai 2014 beschlossen:
Auf die Revisionen der Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Augsburg vom 8. April 2013 mit den Feststellungen aufgehoben und die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Rechtsmittel, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.

Gründe:

1
Das Landgericht hat die Angeklagten wegen Untreue jeweils zu Freiheitsstrafen von zwei Jahren und sechs Monaten verurteilt. Ihre dagegen gerichteten , mit Verfahrensbeanstandungen und mit der Sachrüge begründeten Revisionen haben mit jeweils auf Verletzung von § 24 Abs. 1 und 2, § 338 Nr. 3 StPO gestützten Verfahrensrügen Erfolg. Auf die geltend gemachten sachlichrechtlichen Beanstandungen kommt es daher nicht an.
2
1. Den Rügen liegt jeweils folgendes Verfahrensgeschehen zugrunde:
3
Am 14. Dezember 2012, dem elften von insgesamt 24 Hauptverhandlungstagen , verkündete der Vorsitzende von den Berufsrichtern der Strafkammer beschlossene, jeweils auf den Haftgrund der Fluchtgefahr gestützte Haftbefehle gegen die Angeklagten. Für den Angeklagten S. sah das Landgericht diesen Haftgrund u.a. in der zu erwartenden langjährigen Freiheitsstrafe sowie „dringende(n) Anhaltspunkte(n) für weitere, gravierende Straftaten“, bzgl. derer ein strafrechtliches Ermittlungsverfahren aber noch nicht eingeleitet war, begründet. Weiterhin wird in dem Haftbefehl ausgeführt, der Angeklagte S. erkenne nunmehr, dass eine langjährige Vollzugsstrafe näher rücke.
Vor diesem Hintergrund sei auch „sein bisheriges, auf Konfrontation angelegtes Prozessverhalten zu würdigen“. Dieses lege nahe, dass der Angeklagte alles unternehmen werde, um eine Verurteilung zu vermeiden.
4
In Bezug auf den Angeklagten Dr. I. stützte das Landgericht die Fluchtgefahr u.a. auf die hohe Straferwartung und - wie bei dem Angeklagten S. - auf den dringenden Verdacht weiterer gewichtiger Straftaten. Vor allem führte es in dem Haftbefehl aus, der Angeklagte sei zwar zu allen bisher zehn Hauptverhandlungsterminen erschienen. Der Umstand jedoch, dass er nunmehr einen Verteidigerwechsel herbeigeführt habe, lasse zusammen mit dem bisherigen Verlauf der Beweisaufnahme „ernsthaft befürchten“, der Angeklagte wolle dem Verfahren „bis zu seinem Abschluss nicht freiwillig beiwohnen“.
5
Hinsichtlich beider Angeklagter bezogen sich die Haftbefehle nicht lediglich auf einen dringenden Tatverdacht bzgl. der später zum Schuldspruch führenden Untreue, sondern erfassten auf der Grundlage der zum Hauptverfahren zugelassenen Anklage weitere Tatvorwürfe, u.a. verschiedene Betrugstaten, Vorenthalten und Veruntreuen von Arbeitsentgelt sowie Insolvenzdelikte.
6
Mit Anträgen ihrer Verteidiger lehnten beide Angeklagte im Anschluss an die Verkündung der Haftbefehle die berufsrichterlichen Mitglieder der Strafkammer wegen der Besorgnis der Befangenheit, vor allem im Hinblick auf die jeweiligen Begründungen für den Haftgrund der Fluchtgefahr, ab. Der Verteidiger des Angeklagten S. machte geltend, die Ausführungen der Strafkammer zum Haftgrund der Fluchtgefahr seien floskelhaft und willkürlich. Ausführungen zu den konkreten Ergebnissen der bisherigen Beweisaufnahme fehlten. Für den Angeklagten Dr. I. führte sein neuer Verteidiger, Rechtsanwalt R. aus, es fehle in dem „aus heiterem Himmel“ erlassenen Haftbefehl an Angaben darüber, aufgrund welcher konkreten Ergebnisse der bisherigen Beweisaufnahme sich die Anklagevorwürfe erhärtet hätten. Soweit die Strafkam- mer die Fluchtgefahr auf den „plötzlichen Verteidigerwechsel“ stütze, habe Rechtsanwalt R. dem Vorsitzenden telefonisch bereits am 12. Dezember 2012 mitgeteilt, dass er (Rechtsanwalt R. ) in die Sache ausreichend eingearbeitet sei und keinen Aussetzungsantrag stellen werde. Dies bestätigte er schriftlich in einem per Telefax übersandten Schriftsatz.
7
Die berufsrichterlichen Mitglieder des erkennenden Gerichts gaben auf die Anträge hin dienstliche Erklärungen ab. Der Vorsitzende führte unter näherer Darlegung aus, in den Befangenheitsanträgen würden die bisherigen Beweisergebnisse selektiv und einseitig wiedergegeben. Im Übrigen hätten die Haftbefehle nichts mit einer Abstrafung der Angeklagten für prozessual zulässiges Verhalten zu tun. Es zeichne sich aber immer deutlicher ab, dass die Angeklagten mit langjährigen Freiheitsstrafen zu rechnen hätten und neben den verfahrensgegenständlichen Vorwürfen gravierende neue Tatsachen auftauchten , die das Verhalten der Angeklagten in einem negativeren Licht erscheinen ließen. Die beisitzende Richterin stellte in ihrer den Angeklagten Dr. I. betreffenden Stellungnahme ebenfalls eine Abstrafung für den vorgenommenen Verteidigerwechsel in Abrede. Dieser Wechsel am elften Verhandlungstag nach Durchführung einer umfassenden Beweisaufnahme lasse aber in der Zu- sammenschau mit deren bisherigen Ergebnissen darauf schließen, „daß die Wahl eines neuen Verteidigers nicht der Wahrung seiner Verfahrensrechte, sondern dazu dient, das Verfahren - etwa durch Aussetzungsanträge - ‚platzen‘ zu lassen.“ Die dienstliche Stellungnahme des weiteren Beisitzers erschöpfte sich in einer Bezugnahme auf die Begründung der Haftbefehle, die er mittrage.
8
Mit Beschluss vom 17. Dezember 2012 wies die Strafkammer, ohne die Mitwirkung der abgelehnten Richter, die Befangenheitsanträge der Angeklagten als unbegründet zurück. Zwischenentscheidungen im laufenden Verfahren begründeten die Befangenheit der beteiligten Richter erst dann, wenn die darin geäußerte Rechtsansicht völlig unhaltbar sei oder den Anschein von Willkür erwecke. Dies sei vorliegend auch für den Haftgrund der Fluchtgefahr nicht der Fall. Bezüglich beider Angeklagter ergebe sich aus den Haftbefehlen nicht, dass das Bestehen von Fluchtgefahr aus der Wahrnehmung prozessualer Rechte durch die Angeklagten hergeleitet werde. Insoweit handele es sich jeweils lediglich um eines von mehreren für die Beurteilung der Fluchtgefahr herangezogenen Kriterien.
9
Auf die Beschwerden der Angeklagten hin hob das Oberlandesgericht München die Haftbefehle wegen Fehlens eines Haftgrundes auf. Fluchtgefahr bestehe nicht. Der Wechsel seines Pflichtverteidigers durch den Angeklagten Dr. I. sei ein prozessual zulässiges Verhalten, durch das im Übrigen auch keinerlei Verzögerung des Verfahrens eingetreten sei. Das Verteidigungsverhalten des Angeklagten S. , selbst wenn es als Konfliktverteidigung bezeichnet werden könne, sei ebenfalls prozessual zulässig. Zudem hätten sich die beiden Angeklagten in Kenntnis der gegen sie erhobenen Vorwürfe und des durch die Staatsanwaltschaft bereits vor Beginn der Hauptverhandlung angebrachten Haftbefehlsantrags dem Verfahren stets gestellt. Der Ausgang des erst am 17. Dezember 2012 und damit nach Erlass des Haftbefehls eingeleiteten weiteren Ermittlungsverfahrens gegen die Angeklagten sei noch völlig ungewiss.

10
2. Die Verfahrensrügen greifen durch. Die drei berufsrichterlichen Mitglieder der Strafkammer haben an dem angefochtenen Urteil mitgewirkt, obwohl sie wegen Besorgnis der Befangenheit abgelehnt worden waren und die Ablehnungsgesuche jeweils zu Unrecht abgelehnt worden sind. Aus Sicht beider Angeklagter lag bei objektiver Beurteilung ein Grund vor, der geeignet war, Misstrauen gegen die Unparteilichkeit der abgelehnten Richter zu rechtfertigen (§ 24 Abs. 2 StPO).
11
a) Die Besorgnis der Befangenheit eines Richters ist bei dem Ablehnenden gegeben, wenn er bei einer verständigen Würdigung des ihm bekannten Sachverhalts Grund zu der Annahme hat, der Richter nehme ihm gegenüber eine innere Haltung ein, die die gebotene Unparteilichkeit und Unvoreingenommenheit störend beeinflussen kann (st. Rspr.; BGH, Urteile vom 10. November 1967 - 4 StR 512/66, BGHSt 21, 334, 341; vom 9. Juli 2009 - 5 StR 263/08 [insoweit in BGHSt 54, 39 ff. nicht abgedruckt]). Maßstab für die Beurteilung dieser Voraussetzungen ist ein vernünftiger (BGH, aaO, BGHSt 21, 334, 341; BGH, Urteil vom 13. März 1997 - 1 StR 793/96, BGHSt 43, 16, 18 mwN) bzw. verständiger Angeklagter (BGH, Beschluss vom 8. März 1995 - 5 StR 434/94, BGHSt 41, 69, 71; siehe auch BGH, Beschluss vom 18. November 2008 - 1 StR 541/08, NStZ-RR 2009, 85 f.).
12
Knüpft die Besorgnis der Befangenheit an eine den Verfahrensgegenstand betreffende Vorbefassung der abgelehnten Richter - wie hier die Mitwirkung an den Haftbefehlen gegen die Angeklagten - an, ist jenseits gesetzlicher Ausschließungsgründe (vgl. etwa § 22 Nr. 4 und 5; § 23 StPO) dieser Umstand als solcher regelmäßig nicht geeignet, die Besorgnis der Befangenheit zu begründen , wenn und soweit nicht besondere Umstände hinzutreten (st. Rspr.; siehe nur BGH, Urteil vom 30. Juni 2010 - 2 StR 455/09, NStZ 2011, 44, 46 Rn. 23 mwN). Rechtsfehler in Entscheidungen bei Vorbefassung mit dem Verfahrensgegenstand können für sich genommen eine Ablehnung der mitwirkenden Richter grundsätzlich nicht begründen (BGH, Urteil vom 12. November 2009 - 4 StR 275/09, NStZ 2010, 342 f.; Cirener in BeckOK-StPO, Ed. 18, § 24 Rn. 15 mwN); etwas Anderes gilt jedoch, wenn die von den abgelehnten Richtern getroffene Entscheidung bzw. die darin zum Ausdruck kommende Rechtsauffassung sich als rechtlich völlig abwegig erweist oder gar als willkürlich erscheint (BGH, Beschluss vom 10. September 2002 - 1 StR 169/02, BGHSt 48, 4, 8; Urteil vom 12. November 2009 - 4 StR 275/09, NStZ 2010, 342 f.; Scheuten in KK-StPO, 7. Aufl., § 24 Rn. 8). Besondere Umstände können aber auch dann gegeben sein, wenn sich aus der Art und Weise der Begründung von Zwischenentscheidungen die Besorgnis der Befangenheit ergibt (vgl. Cirener in BeckOK-StPO, aaO, § 24 Rn. 15).
13
b) Nach diesen Maßstäben, die im rechtlichen Ausgangspunkt auch das Landgericht bei seiner Entscheidung über die Befangenheitsanträge zugrunde gelegt hat, konnten die Angeklagten bei verständiger Würdigung davon ausgehen , dass ihnen die abgelehnten Richter nicht (mehr) unvoreingenommen und unparteilich gegenüberstanden, nachdem sie am elften Verhandlungstag Haftbefehle mit den unter 1. dargestellten Inhalten gegen die Angeklagten erließen und an diesen auch im Rahmen des Beschwerdeverfahrens festhielten.
14
Dabei kommt es nicht darauf an, ob sich bereits der Erlass der Haftbefehle während der laufenden Hauptverhandlung als solcher unter den konkreten Umständen als unter keinem rechtlichen Gesichtspunkt begründbar und damit als zumindest objektiv willkürlich erweist. Denn jedenfalls die für das Vorliegen des Haftgrundes der Fluchtgefahr angeführten Erwägungen sind hin- sichtlich beider Angeklagter rechtlich in keiner Weise tragfähig und begründen deshalb die Besorgnis der Befangenheit.
15
„Fluchtgefahr“ im Sinne von § 112 Abs. 2 Nr. 2 StPO besteht dann, wenn die Würdigung der konkreten Umstände des Falls es wahrscheinlicher macht, dass der Angeklagte sich dem Verfahren entzieht, als dass er sich zur Durchführung des Verfahrens zur Verfügung hält (vgl. Meyer-Goßner/Schmitt, StPO, 57. Aufl., § 112 Rn. 17 mwN). Das Sich-Entziehen durch den Angeklagten knüpft an Verhaltensweisen an, die bewirken, dass der Fortgang des Strafverfahrens dauerhaft oder zumindest vorübergehend durch Aufhebung der Bereitschaft des Angeklagten verhindert wird, sich für Ladungen oder Vollstreckungsmaßnahmen zur Verfügung zu stellen (Meyer-Goßner/Schmitt, aaO, § 112 Rn. 18).
16
Die in den Haftbefehlen gegen die Angeklagten angeführten Begründungen enthalten keine Gesichtspunkte, die die vorgenannten Voraussetzungen der Fluchtgefahr stützen könnten, nachdem sich beide Angeklagten an den ersten zehn Verhandlungstagen dem Verfahren gestellt und den Ladungen Folge geleistet hatten.
17
aa) In dem Haftbefehl gegen den Angeklagten Dr. I. stellen die abgelehnten Richter für die nunmehr bestehende Fluchtgefahr ausdrücklich auf den Umstand ab, dass er einen Verteidigerwechsel herbeigeführt habe. Aus welchen Gründen das prozessual zulässige Verhalten der Wahl eines neuen Verteidigers einen Schluss auf die Bereitschaft des Angeklagten gestatten soll, sich wie bisher dem Verfahren zu stellen, lässt sich dem Haftbefehl nicht entnehmen und ist auch außerhalb dessen nicht ersichtlich. Das gilt erst recht vor dem Hintergrund der von dem neuen Wahlverteidiger gegenüber dem Vorsitzenden mündlich und schriftlich vor dem Erlass des Haftbefehls abgegebenen (retrospektiv eingehaltenen) Zusicherung, in die Sache eingearbeitet zu sein und keine Aussetzungsanträge zu stellen. Zwar wird in der Begründung des Haftbefehls auch ausgeführt, das Ergebnis der bisherigen Beweisaufnahme lasse „ernsthaft befürchten, dass der Angeklagte dem Verfahren bis zu seinem Abschluss nicht freiwillig beiwohnen will“. Diese Bewertung stützen die abgelehnten Richter aber wiederum lediglich darauf, die bisherige Beweisaufnahme habe „die Anklagevorwürfe in vielen Bereichen erhärtet“. Die Ergebnisse der Beweisaufnahme werden jedoch nicht näher ausgeführt, so dass bereits nicht ersichtlich ist, inwieweit sich für die Beurteilung der Fluchtgefahr relevante Änderungen der Umstände für die Angeklagten ergeben haben sollen. Vor allem aber verknüpfen die drei abgelehnten Richter in dem Haftbefehl die Ergebnisse der „bisherigen Beweisaufnahme“ und die Erkenntnis des Angeklagten, eine langjährige Freiheitsstrafe rücke näher, in einer nicht erläuterten und in der Sa- che nicht nachvollziehbaren Weise mit dem „plötzlichen Verteidigerwechsel“. Warum der zulässige Wechsel zu einem in die Sache bereits eingearbeiteten neuen Verteidiger ein auf den angeblichen Willen des Angeklagten Dr. I. , sich dem Verfahren zukünftig nicht mehr zu stellen, hindeutender Umstand sein soll, ist nicht erklärlich und wird seitens der abgelehnten Richter weder in der Haftbefehlsentscheidung noch in ihren dienstlichen Erklärungen erklärt.
18
Die Art und Weise der Begründung des gegen den Angeklagten Dr. I. ergangenen Haftbefehls begründet damit die Besorgnis der Befangenheit der an diesem beteiligten Richter. Gemessen am Maßstab des verständigen Angeklagten konnte der Angeklagte Dr. I. den Eindruck haben, die abgelehnten Richter würden ihm nicht mehr unvoreingenommen gegenüberstehen , nachdem sie zulässiges prozessuales Verhalten als wesentlichen Gesichtspunkt herangezogen haben, um den Haftgrund der Fluchtgefahr zu begründen. Ein vernünftiger Angeklagter konnte angesichts der gegebenen Begründung zu dem Eindruck gelangen, die abgelehnten Richter hätten die Haftentscheidung getroffen, um damit auf ein ihnen missliebiges, aber prozessual zulässiges Verhalten in Gestalt des Verteidigerwechsels zu reagieren. Eine solche Reaktion der Richter wäre aber mit der gebotenen inneren Haltung der Unvoreingenommenheit und Unparteilichkeit nicht zu vereinbaren.
19
Da die Art und Weise der Begründung der Haftentscheidung die Besorgnis der Befangenheit herbeiführt (vgl. Cirener in BeckOK-StPO, aaO, § 24 Rn. 15), bedarf es keiner Entscheidung darüber, ob Rechtsfehler in Zwischenentscheidungen die Befangenheit der beteiligten Richter lediglich bei völliger Abwegigkeit oder dem Anschein von Willkür begründen oder ob dieser Maßstab lediglich dafür Bedeutung hat, ob das Ergehen der Zwischenentscheidung als solches - unabhängig von der dafür angeführten Begründung - willkürlich bzw. abwegig ist.
20
bb) Die für das Vorliegen von Fluchtgefahr bei dem AngeklagtenS. in dem gegen ihn ergangenen Haftbefehl angeführten Gründe lösen - wiederum von dem Standpunkt eines verständigen Angeklagten aus beurteilt - ebenfalls die Besorgnis der Befangenheit aus. Die abgelehnten Richter haben in einer der Begründung der Fluchtgefahr bei dem Angeklagten Dr. I. entsprechenden Weise darauf abgestellt, die bisherige Beweisaufnahme habe die Anklagevorwürfe in vielen Bereichen erhärtet. Zudem wird ebenfalls auf dringende Anhaltspunkte für weitere gravierende Straftaten, bezüglich derer aber zum Zeitpunkt des Ergehens des Haftbefehls ein Ermittlungsverfahren noch nicht einmal eingeleitet war, hingewiesen. Entscheidend stellt die Begründung darauf ab, der Angeklagte erkenne nunmehr, dass eine langjährige Freiheitsstrafe nä- her rücke. „Auch vor diesem Hintergrund ist sein bisheriges, auf Konfrontation angelegtes Prozessverhalten zu würdigen.“ Denn es lege nahe, dass der Ange- klagte alles unternehmen werde, um eine Verurteilung zu vermeiden. Zwischen dem nicht näher erläuterten, durch die abgelehnten Richter als konfrontativ bezeichneten Prozessverhalten des Angeklagten S. und den Voraussetzungen der Fluchtgefahr im Sinne von § 112 Abs. 2 Nr. 2 StPO besteht bei der gebotenen Gesamtwürdigung kein erkennbarer Zusammenhang, der eine Verknüpfung von konfrontativem Verhalten im Prozess und der Wahrscheinlichkeit des sich dem Prozess Entziehens tragen könnte. Der Angeklagte hatte sich von Anfang an dem Verfahren gestellt und war an allen bis dahin stattgefundenen Hauptverhandlungsterminen erschienen. Die gegen ihn erhobenen Vorwürfe hatten sich seit dem Beginn der Hauptverhandlung nicht verändert. Auch die in dem Haftbefehl weiter angeführten Erwägungen, der Angeklagte habe Privatinsolvenz angemeldet, lebe von seiner Ehefrau getrennt und habe keinen Wohnsitz im Inland mehr, bestanden bereits bei Beginn des Hauptverfahrens. Trotz dieser Umstände war der Angeklagte zu allen Hauptverhandlungsterminen anwesend. Angesichts dessen lässt die von den abgelehnten Richtern hergestellte Verknüpfung zwischen dem zulässigen Prozessverhalten des Angeklagten und der Begründung von Fluchtgefahr aus der verständigen Sicht des Angeklagten S. befürchten, die abgelehnten Richter missbilligten sein bisheriges Agieren im Strafverfahren und wollten diese Missbilligung durch die Anordnung von Untersuchungshaft zum Ausdruck bringen. Eine solche Art der Reaktion auf zulässiges Prozessverhalten ist vorliegend aber unter keinem denkbaren Gesichtspunkt tragfähig und ließ den Angeklagten besorgen, die Berufsrichter der Strafkammer stünden ihm nicht mehr unvoreingenommen und unparteilich gegenüber.
21
c) Das aufgrund der Begründung der beiden Haftbefehle berechtigte Misstrauen der Angeklagten gegen die Unbefangenheit der abgelehnten Richter ist auch nicht - was möglich wäre (vgl. BGH, Beschlüsse vom 18. Dezember 2007 - 1 StR 301/07, NStZ 2008, 229; vom 22. September 2008 - 1 StR 323/08, NStZ 2009, 159, 160; BGH, Urteil vom 18. Oktober 2012 - 3 StR 208/12, wistra 2013, 155, 156 mwN) - durch die dienstlichen Erklärungen der abgelehnten Richter ausgeräumt worden.
22
Die dienstliche Stellungnahme des beisitzenden Richters erschöpft sich bzgl. beider Angeklagter in der Bezugnahme auf die Begründung der beiden Haftbefehle. Da gerade die für das Vorliegen von Fluchtgefahr angeführten Gründe die Besorgnis der Befangenheit des abgelehnten Richters begründen, kann die auf diese Gründe ausdrücklich verweisende Stellungnahme das berechtigte Misstrauen in die Unvoreingenommenheit von vornherein nicht ausräumen.
23
Die beisitzende Richterin verhält sich in ihrer den Angeklagten S. betreffenden Stellungnahme zu der Verknüpfung zwischen dem im Haftbefehl als konfrontativ bezeichneten Prozessverhalten des Angeklagten und der Fluchtgefahr nicht. Dementsprechend bleibt für den Angeklagten der aus der Begründung des Haftbefehls resultierende Eindruck fehlender Unvoreingenommenheit bestehen. Mit der den Angeklagten Dr. I. betreffenden Stellungnahme verstärkt die beisitzende Richterin diesen Eindruck sogar noch (vgl. zu der Möglichkeit einer solchen Wirkung der dienstlichen Stellungnahme BGH, Urteil vom 18. Oktober 2012 - 3 StR 208/12, wistra 2013, 155, 156). Es wird erneut auf den erfolgten Verteidigerwechsel verwiesen und die Besorgnis geäußert , dieser Wechsel diene angesichts des umfangreichen Aktenmaterials nicht der Wahrung der Verteidigungsrechte des Angeklagten, sondern dazu, das Verfahren - etwa durch Aussetzungsanträge - „platzen“ zu lassen. Eine solche erneute Verknüpfung zwischen prozessual zulässigem Verhalten und der Begründung von Fluchtgefahr bestätigt und intensiviert den Eindruck, die abge- lehnte Richterin wolle ihre Missbilligung des Verhaltens des Angeklagten Dr. I. durch den Erlass des Haftbefehls zum Ausdruck bringen. Das gilt erst recht unter Berücksichtigung des Umstandes, dass der neue Wahlverteidiger vor Ergehen des Haftbefehls und vor der dienstlichen Stellungnahme versichert hatte, in die Sache eingearbeitet zu sein und keine Aussetzungsanträge zu stellen.
24
Die auf beide Angeklagten bezogene dienstliche Stellungnahme des Vorsitzenden stellt zwar in Abrede, dass die Haftbefehle etwas mit einer „Abstrafung … für prozessual zulässiges Verhalten“ zu tun habe. Damit allein wird der durch die Begründung der Haftbefehle hervorgerufene Eindruck fehlender Unvoreingenommenheit und Unparteilichkeit aber nicht ausgeräumt. Der Vorsitzende verweist nämlich in der Stellungnahme auch darauf, die Tendenz der Angeklagten, „das Verfahren nicht zu einem Abschluss durch Urteilsspruch kommen zu lassen“, sei unverkennbar. Aus der Sicht verständiger Angeklagter kann diese „Tendenz“ wiederum nur aus ihrem Verhalten im Prozess abgeleitet werden. Ist dieses Verhalten aber prozessual zulässig, lässt sich nicht erkennen , wie daraus auf Fluchtgefahr geschlossen werden könne.
RiBGH Dr. Wahl ist im Urlaub und deshalb an der Unterschriftsleistung gehindert. Raum Raum Cirener Radtke Mosbacher

Urteilsbesprechung zu Bundesgerichtshof Beschluss, 08. Mai 2014 - 1 StR 726/13

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(1) Ein Richter kann sowohl in den Fällen, in denen er von der Ausübung des Richteramtes kraft Gesetzes ausgeschlossen ist, als auch wegen Besorgnis der Befangenheit abgelehnt werden. (2) Wegen Besorgnis der Befangenheit findet die Ablehnung statt,
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Finanzgericht Hamburg Beschluss, 28. Nov. 2016 - 3 K 24/16

bei uns veröffentlicht am 28.11.2016

Gründe 1 Ungeachtet der Frage der Zulässigkeit ist der Befangenheitsantrag gemäß § 51 FGO i. V. m. § 42 ZPO zumindest unbegründet. I. 2 Die beanstandete Hinweisverfügung der Einzelrichterin vom 7. November 2016 lässt keinen Grund im Si

Bundesgerichtshof Beschluss, 02. Nov. 2016 - AnwZ (Brfg) 61/15, AnwZ (B) 2/16

bei uns veröffentlicht am 02.11.2016

Tenor Das Ablehnungsgesuch der Klägerin gegen den anwaltlichen Beisitzer Rechtsanwalt Dr. L.   wird zurückgewiesen. Gründe

Referenzen

(1) Ein Richter kann sowohl in den Fällen, in denen er von der Ausübung des Richteramtes kraft Gesetzes ausgeschlossen ist, als auch wegen Besorgnis der Befangenheit abgelehnt werden.

(2) Wegen Besorgnis der Befangenheit findet die Ablehnung statt, wenn ein Grund vorliegt, der geeignet ist, Mißtrauen gegen die Unparteilichkeit eines Richters zu rechtfertigen.

(3) Das Ablehnungsrecht steht der Staatsanwaltschaft, dem Privatkläger und dem Beschuldigten zu. Den zur Ablehnung Berechtigten sind auf Verlangen die zur Mitwirkung bei der Entscheidung berufenen Gerichtspersonen namhaft zu machen.

Ein Urteil ist stets als auf einer Verletzung des Gesetzes beruhend anzusehen,

1.
wenn das erkennende Gericht nicht vorschriftsmäßig besetzt war; war nach § 222a die Mitteilung der Besetzung vorgeschrieben, so kann die Revision auf die vorschriftswidrige Besetzung nur gestützt werden, wenn
a)
das Gericht in einer Besetzung entschieden hat, deren Vorschriftswidrigkeit nach § 222b Absatz 2 Satz 2 oder Absatz 3 Satz 4 festgestellt worden ist, oder
b)
das Rechtsmittelgericht nicht nach § 222b Absatz 3 entschieden hat und
aa)
die Vorschriften über die Mitteilung verletzt worden sind,
bb)
der rechtzeitig und in der vorgeschriebenen Form geltend gemachte Einwand der vorschriftswidrigen Besetzung übergangen oder zurückgewiesen worden ist oder
cc)
die Besetzung nach § 222b Absatz 1 Satz 1 nicht mindestens eine Woche geprüft werden konnte, obwohl ein Antrag nach § 222a Absatz 2 gestellt wurde;
2.
wenn bei dem Urteil ein Richter oder Schöffe mitgewirkt hat, der von der Ausübung des Richteramtes kraft Gesetzes ausgeschlossen war;
3.
wenn bei dem Urteil ein Richter oder Schöffe mitgewirkt hat, nachdem er wegen Besorgnis der Befangenheit abgelehnt war und das Ablehnungsgesuch entweder für begründet erklärt war oder mit Unrecht verworfen worden ist;
4.
wenn das Gericht seine Zuständigkeit mit Unrecht angenommen hat;
5.
wenn die Hauptverhandlung in Abwesenheit der Staatsanwaltschaft oder einer Person, deren Anwesenheit das Gesetz vorschreibt, stattgefunden hat;
6.
wenn das Urteil auf Grund einer mündlichen Verhandlung ergangen ist, bei der die Vorschriften über die Öffentlichkeit des Verfahrens verletzt sind;
7.
wenn das Urteil keine Entscheidungsgründe enthält oder diese nicht innerhalb des sich aus § 275 Abs. 1 Satz 2 und 4 ergebenden Zeitraums zu den Akten gebracht worden sind;
8.
wenn die Verteidigung in einem für die Entscheidung wesentlichen Punkt durch einen Beschluß des Gerichts unzulässig beschränkt worden ist.

(1) Ein Richter kann sowohl in den Fällen, in denen er von der Ausübung des Richteramtes kraft Gesetzes ausgeschlossen ist, als auch wegen Besorgnis der Befangenheit abgelehnt werden.

(2) Wegen Besorgnis der Befangenheit findet die Ablehnung statt, wenn ein Grund vorliegt, der geeignet ist, Mißtrauen gegen die Unparteilichkeit eines Richters zu rechtfertigen.

(3) Das Ablehnungsrecht steht der Staatsanwaltschaft, dem Privatkläger und dem Beschuldigten zu. Den zur Ablehnung Berechtigten sind auf Verlangen die zur Mitwirkung bei der Entscheidung berufenen Gerichtspersonen namhaft zu machen.

Nachschlagewerk: ja
BGHSt : ja
Veröffentlichung : ja
Ein Mitglied des Leitungsorgans eines Rechtsanwaltsversorgungswerks
ist Amtsträger im Sinne des § 11 Abs. 1 Nr. 2
BGH, Urteil vom 9. Juli 2009 – 5 StR 263/08
LG Hamburg –

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
vom 9. Juli 2009
in der Strafsache
gegen
1.
2.
wegen Bestechlichkeit u. a.
Der 5. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat aufgrund der Hauptverhandlung
vom 24. Juni und 9. Juli 2009, an der teilgenommen haben:
Vorsitzender Richter Basdorf,
Richter Dr. Raum,
Richter Schaal,
Richterin Dr. Schneider,
Richter Prof. Dr. König
alsbeisitzendeRichter,
Bundesanwalt
alsVertreterderBundesanwaltschaft,
Rechtsanwalt J. ,
Rechtsanwalt N. ,
Rechtsanwalt W.
als Verteidiger für den Angeklagten K. L. ,
Rechtsanwalt L. ,
Rechtsanwältin Li. ,
Rechtsanwalt P.
als Verteidiger für die Angeklagte G. L. ,
Justizangestellte
alsUrkundsbeamtinderGeschäftsstelle,
am 9. Juli 2009 für Recht erkannt:
1. Auf die Revision des Angeklagten K. L. wird das Urteil des Landgerichts Hamburg vom 23. November 2007 aufgehoben
a) im gesamten Strafausspruch gegen diesen Angeklagten mit den zugehörigen Feststellungen;
b) im Ausspruch über den Verfall von Wertersatz; dieser entfällt.
2. Auf die Revision der Angeklagten G. L. wird das genannte Urteil
a) im Schuldspruch gegen diese Angeklagte dahin abgeändert , dass sie der Beihilfe zur Untreue in zwei Fällen schuldig ist;
b) im gesamten Strafausspruch gegen diese Angeklagte mit den zugehörigen Feststellungen aufgehoben.
3. Die weitergehenden Revisionen werden verworfen.
4. Die Sache wird zu neuer Verhandlung und Entscheidung über die Strafaussprüche, auch über die Kosten der Rechtsmittel, an eine andere Wirtschaftsstrafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.
– Von Rechts wegen – G r ü n d e
1
Das Landgericht hat den Angeklagten K. L. wegen Bestechlichkeit in zwei Fällen, jeweils in Tateinheit mit Untreue, zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von vier Jahren und sechs Monaten verurteilt und den Wertersatzverfall in Höhe von knapp 1,5 Mio. Euro angeordnet. Gegen seine mitangeklagte Ehefrau G. L. hat es wegen Beihilfe zur Bestechlichkeit in zwei Fällen, jeweils in Tateinheit mit Beihilfe zur Untreue, eine Gesamtfreiheitsstrafe von einem Jahr und sechs Monaten verhängt und deren Vollstreckung zur Bewährung ausgesetzt. Die gegen die Verurteilungen jeweils mit Verfahrensrügen und der Sachrüge geführten Revisionen der Angeklagten haben die aus dem Tenor ersichtlichen Teilerfolge.

A.


2
Das Landgericht hat im Wesentlichen folgende Feststellungen getroffen :
3
Durch am 28. November 2000 in Kraft getretenes Gesetz vom 21. November 2000 (HmbGVBI 2000 S. 349 – HmbRAVersG) wurde das Versorgungswerk der Rechtsanwältinnen und Rechtsanwälte der Freien und Hansestadt Hamburg als Körperschaft des öffentlichen Rechts errichtet (i. F.: Versorgungswerk). Mit der Mitgliedschaft im Versorgungswerk können angestellte Rechtsanwälte von der Versicherungspflicht in der gesetzlichen Rentenversicherung auf Antrag befreit werden. Zum Leitungsorgan der Körperschaft wurde ein fünfköpfiger ehrenamtlicher Verwaltungsausschuss gesetzlich bestimmt, dessen Mitglieder durch die Mitgliederversammlung zu wählen waren.
4
Die Mitgliederversammlung beschloss im April 2001 die Satzung des Versorgungswerks, die nach Genehmigung durch die für die Rechtsaufsicht zuständige Justizbehörde im Amtlichen Anzeiger veröffentlicht wurde und am 1. Juli 2001 in Kraft trat.
5
Auf derselben Mitgliederversammlung wurde der Angeklagte L. , ein Steuerberater, Wirtschaftsprüfer sowie Rechtsbeistand und als solcher Mitglied der Hanseatischen Rechtsanwaltskammer Hamburg, zum stellvertretenden Vorsitzenden des Verwaltungsausschusses gewählt. Zu den Hauptaufgaben des Verwaltungsausschusses gehörte die Prüfung von Geldanlagemöglichkeiten für das durch die Mitgliedsbeiträge eingenommene Kapital des Versorgungswerks.
6
Die Wahl des Angeklagten entsprach einem bereits vor der Gründung des Versorgungswerks mit dem anderweitig verfolgten D. gefassten Tatplan. Der Angeklagte sollte die Stellung im Verwaltungsausschuss unter Missachtung der ihm als Organwalter der Körperschaft obliegenden Pflichten im Interesse der P. N. L. AG (i. F.: P. ) dazu ausnutzen, das Vermögen des Versorgungswerks bei der P. anzulegen. Im Gegenzug sollte er durch D. , den Bezirksdirektor der P. , verdeckt einen als „Vermittlungsprovision“ deklarierten Anteil erhalten.
7
Die weitere Geschäftsabwicklung folgte einer durch den Angeklagten und D. bereits seit langem gepflogenen Übung. Der Angeklagte beriet seit vielen Jahren als Wirtschaftsprüfer und Steuerberater eine Vielzahl vermögender Mandanten auch in Bezug auf Kapitalanlagen. Diesen verschaffte er jedenfalls in der Zeit ab 1994 unter Ausnutzung seiner beruflichen Vertrauensstellung diverse Versicherungsverträge der P. und erhielt dafür von D. heimlich „Provisionen“. Gemäß dieser Übung sollten auch im Falle des Versorgungswerks die erwarteten „Provisionsbeträge“ auf das Konto eines dem Angeklagten nahe stehenden Dritten fließen, hier auf das einer von der in den Tatplan eingeweihten Ehefrau des Angeklagten, der Mitangeklagten G. L. , beherrschten Gesellschaft bürgerlichen Rechts, an der neben ihr nur noch ihr Vater, der frühere Mitangeklagte G. , zu einem Prozent beteiligt war.
8
Innerhalb des Verwaltungsausschusses wurden zum Zweck der Arbeitsteilung Referate gebildet. Dem Angeklagten wurden dabei gemeinsam mit dem Zeugen C. die Bereiche „Vermögensverwaltung/Finanzen“ übertragen. Das Referat war schwerpunktmäßig für Fragen der Kapitalanlage und für Verhandlungen mit deren Anbietern verantwortlich. Das dem Angeklagten seitens der übrigen Ausschussmitglieder zugeschriebene besondere Fachwissen im Kapitalanlagegeschäft und sein dominantes Auftreten innerhalb des Ausschusses führten schnell zu seiner faktischen Leitungsfunktion (UA S. 16) innerhalb des Referats.
9
Unter Ausnutzung dieser Position gelang es dem Angeklagten, die P. als Vertragspartner ins Gespräch zu bringen. Allerdings scheiterte sein Plan, das gesamte zur Verfügung stehende Kapital des Versorgungswerks unter gleichzeitiger Auslagerung der Kapitalverwaltung bei der P. anzulegen, am Mehrheitsvotum des Verwaltungsausschusses. Dieser beschloss nämlich, die Anlage aufzuteilen und lediglich ein Drittel des Gesamtkapitals bei einer Versicherung anzulegen. Um seinen erhofften Anteil zu erhöhen, erstrebte der Angeklagte als Mitglied der Hamburger Steuerberaterkammer indes noch den Anschluss der dortigen Steuerberater an das anwaltliche Versorgungswerk, ohne dass dies später umgesetzt wurde.
10
Er erklärte den Mitgliedern des Verwaltungsausschusses, dass das von der P. dem Versorgungswerk angebotene Kapitalanlageprodukt die gewünschte Mindestverzinsung von 3,5 % biete und keine weiteren Verwaltungsgebühren oder sonstige Kosten anfallen würden. Tatsächlich war ihm jedoch ebenso wie D. bekannt, dass sich dieser Garantiezins nicht auf die effektive Rendite bezog, sondern auf das Kapital, das nach Abzug der beträchtlichen Kosten angelegt werden würde. Hiernach blieb den übrigen Mitgliedern des Verwaltungsausschusses verborgen, dass ihnen ein normales Tarifprodukt der Versicherung zu im Hinblick auf den Umfang des Projekts nicht besonders günstigen Konditionen angeboten wurde. Beide verschwiegen, dass die Versicherung angesichts der zu erwartenden erheblichen Beiträge grundsätzlich zu Verhandlungen und zum Gewähren – rechtlich zulässiger – günstigerer Bedingungen bereit gewesen wäre. Dies hätte namentlich dann gegolten, wenn die Versicherung nicht die an den Angeklagten zu zahlende „Provision“ hätte einkalkulieren müssen.
11
Nach Anhörung auch anderer Anbieter unterzeichneten der Vorsitzende des Verwaltungsausschusses B. und der Angeklagte als stellvertretender Vorsitzender im November 2001 den von der P. angebotenen Rentenversicherungsvertrag. Im Frühjahr des Jahres 2002 überwies die P. auf Veranlassung D. s verabredungsgemäß die mit 3,2 % der vorgesehenen Gesamtkapitalanlage bemessene „Provision“ für den Angeklagten in Höhe von knapp 900.000 Euro auf das von der Mitangeklagten G. L. geführte Konto der genannten Gesellschaft, das erst kurz zuvor, nämlich am 5. März 2002, auf den Namen „Unternehmensberatung L. “ eröffnet worden war.
12
Da das Beitragsaufkommen des Versorgungswerks schnell die Prognosen übertraf, kamen die Mitglieder des Verwaltungsausschusses überein, einen weiteren Versicherungsvertrag abzuschließen. Abermals setzte sich der Angeklagte für die P. ein; er erklärte auf einer Sitzung des Organs erneut der Wahrheit zuwider, dass bei einem Abschluss mit der P. Provisionen nicht anfallen würden. Der Verwaltungsausschuss beschloss , einen weiteren Rentenversicherungsvertrag bei der P. zu ähnlichen Konditionen abzuschließen, den der Zeuge B. und der Angeklagte im August 2002 unterzeichneten. Wie zuvor mit D. vereinbart , überwies die P. im September 2002 die „Vermittlungsprovision“ in Höhe von knapp 1,1 Mio. Euro auf das Konto der von der wiederum eingeweihten Mitangeklagten G. L. beherrschten Gesellschaft, das zwischenzeitlich auf den Namen „G. G. F. “ umge- schrieben worden war. Ebenso wie die zuvor gezahlte Provision wurde der Betrag vom Angeklagten L. , der ohne weiteres Zugriff auf die Gelder erhielt, in Windkraftanlagen investiert.
13
Nach Aufdeckung der verheimlichten Zahlungen an den Angeklagten wurden die Versicherungsverträge mit der P. rückabgewickelt. Die bis dahin eingezahlten Beiträge von rund 11,8 Mio. Euro wurden dem Versorgungswerk – ohne Zinsen und Überschussbeteiligungen – im Oktober 2004 rückerstattet.

B.


14
Die Verfahrensrügen bleiben aus den Gründen der Antragsschrift des Generalbundesanwalts ohne Erfolg. Ergänzend gilt Folgendes:
15
I. Hinsichtlich der Rügen nach § 338 Nr. 3 StPO, die Ablehnungsgesuche vom 26. Juni 2007 betreffen, ist ein Verstoß gegen § 338 Nr. 3 StPO nicht gegeben.
16
1. Diesen Rügen liegt das folgende Prozessgeschehen zugrunde:
17
Am dritten Sitzungstag, dem 26. Juni 2007, wurde nach einer Unterbrechung der Hauptverhandlung noch im Sitzungssaal und in Gegenwart aller Verfahrensbeteiligter das Verfahren gegen den (bisherigen) Mitangeklagten G. wegen dessen schlechten Gesundheitszustandes abgetrennt. Im Zusammenhang hiermit äußerte der Vorsitzende: „Herr G. , Sie werden sicher von Ihrer Familie erfahren, wie das Verfahren ausgeht. Falls der BGH unsere Rechtsauffassung teilt, werden wir uns wiedersehen.“
18
Wegen dieser Äußerung lehnten die Angeklagten K. und G. L. die Berufsrichter wegen Besorgnis der Befangenheit ab. Die Be- fangenheitsgesuche wurden in anderer Berufsrichterbesetzung als unbegründet zurückgewiesen.
19
2. Die Revisionen verstehen die Äußerung dahin, dass die Strafkammer die Angeklagten verurteilen und die Verteidigung hiergegen Revision einlegen werde; sollte diese Revision vom Bundesgerichtshof verworfen werden , würde auch das nunmehr abgetrennte Verfahren gegen den Mitangeklagten G. vor der Strafkammer fortgeführt werden. Denn nur dann könne es ein „Wiedersehen“ geben.
20
3. Die Rügen greifen im Ergebnis nicht durch. Nach § 24 Abs. 2 StPO kann ein Richter wegen Besorgnis der Befangenheit abgelehnt werden, wenn ein Grund vorliegt, der geeignet ist, Misstrauen gegen seine Unparteilichkeit zu rechtfertigen. Das ist der Fall, wenn der Ablehnende bei verständiger Würdigung des ihm bekannten Sachverhalts Grund zur Annahme hat, der Richter nehme ihm gegenüber eine innere Haltung ein, die die gebotene Unparteilichkeit und Unvoreingenommenheit störend beeinflussen kann (BGHSt 21, 334, 341; BGHR StPO § 24 Abs. 2 Befangenheit 4). Diese Voraussetzungen sind hier noch nicht erfüllt.
21
Die gewählte Formulierung kann nicht losgelöst von dem prozessualen Hintergrund gesehen werden. Dieser ist in der Situation der unmittelbar zuvor erfolgten Verfahrensabtrennung dadurch gekennzeichnet, dass im Vordergrund des Strafverfahrens die rechtlich strittigen, im Eröffnungsbeschluss von der Strafkammer bejahten Fragen standen, ob der Angeklagte L. als Amtsträger anzusehen und sein Verhalten als pflichtwidrig zu bewerten sei. Vor diesem Hintergrund ist die unnötige, zudem ungeschickt formulierte Äußerung nur als situationsbedingter Hinweis zu verstehen, der noch einmal die Auffassung wiederholte, die bereits Grundlage des Eröffnungsbeschlusses war. Die Mitteilung einer Rechtsauffassung als solche kann aber grundsätzlich nicht die Besorgnis der Befangenheit begründen. Eine unverrückbare Festlegung auf eine Rechtsauffassung und auf ein be- stimmtes Beweisergebnis, was durchgreifend bedenklich wäre, kann der Äußerung von einem besonnenen Prozessbeteiligten letztlich nicht entnommen werden. Hinzu kommt, dass der Hinweis auf die Maßgeblichkeit einer künftigen Revisionsentscheidung des Bundesgerichtshofs für die Notwendigkeit einer Fortführung des Prozesses gegen den Angeklagten G. angesichts der Position der Staatsanwaltschaft für den Fall der Nichtverurteilung ebenso gelten konnte.
22
II. Auch im Zusammenhang mit einer Fristsetzung des Vorsitzenden zur Stellung weiterer Beweisanträge liegt der absolute Revisionsgrund des § 338 Nr. 3 StPO nicht vor.
23
1. Den zugehörigen Rügen, die Ablehnungsgesuche vom 9. Juli 2007 betreffen, liegt folgendes Prozessgeschehen zugrunde:
24
Nachdem die Hauptverhandlung vom 18. Juni bis zum 9. Juli 2007 an neun Sitzungstagen durchgeführt worden war, wurde das Verfahren am 9. Juli 2007 gegen den Mitangeklagten D. durch Beschluss der Strafkammer „aus Gründen der Verfahrensbeschleunigung“ abgetrennt, da das „Verfahren gegen den geständigen Angeklagten … entscheidungsreif“ sei. Der Vorsitzende ordnete die Fortsetzung in dem abgetrennten Verfahren für denselben Tag um 11.00 Uhr an und traf anschließend die Anordnung: „Die Frist zur Anbringung von Beweisanträgen wird bestimmt bis Dienstag, den 10. Juli 2007, 10.00 Uhr.“ An den vorausgegangenen Sitzungstagen vom 2. und 3. Juli 2007 waren die Verfahrensbeteiligten darauf hingewiesen worden , nach Vernehmung zweier noch zu hörender Zeugen sei „gegebenenfalls damit zu rechnen, dass die Schlussanträge zu halten sein“ würden.
25
Wegen der Fristsetzung und der Abtrennung gegen den Mitangeklagten D. lehnten die Angeklagten K. und G. L. sämtliche Mitglieder des Gerichts wegen Besorgnis der Befangenheit ab. Die Be- fangenheitsgesuche wurden in anderer Berufsrichterbesetzung als unbegründet zurückgewiesen.
26
2. Die Revisionen erblicken in der angeordneten Fristsetzung eine Missachtung des Rechts der Angeklagten auf sachgerechte Verteidigung und auf ein faires Verfahren, die in so „massiver, grober und nicht mehr verständlicher Weise“ vorliege, dass die Angeklagten nicht davon ausgehen konnten, die Richter seien in der Entscheidung noch offen. Vielmehr habe für die Angeklagten der Schluss nahe gelegen, das Gericht wolle unter Preisgabe elementarer Verteidigungsrechte so rasch wie möglich zur Verurteilung kommen.
27
3. Auch diese Verfahrensrügen bleiben erfolglos.
28
a) Ausweislich seiner dienstlichen Äußerung hatte der Strafkammervorsitzende für seine Fristsetzung die Erwägungen des 1. Strafsenats des Bundesgerichtshofs (BGHSt 51, 333, 344) herangezogen. Die – in späteren Entscheidungen des Bundesgerichtshofs gebilligte (vgl. BGHR StPO § 246 Abs. 1 Fristsetzung 2) und näher ausgeführte (BGHSt 52, 355) – Verfahrensweise einer Fristsetzung für die Stellung von Beweisanträgen, die nach Verstreichen der gesetzten Frist unter erleichterten Voraussetzungen wegen Verschleppungsabsicht ablehnbar sind, steht vor allem nicht im Widerspruch zu § 246 Abs. 1 StPO. Sie billigt nämlich nicht die Ablehnung beantragter Beweiserhebungen allein aufgrund später Beweisantragstellung oder gar die Ablehnung der Entgegennahme von Beweisanträgen nach Fristablauf (vgl. selbst für einen Extremfall BGHR StPO § 244 Abs. 3 Missbrauch 2). Vielmehr verfolgt sie das Ziel stringenter, dem Zügigkeitsgebot des Art. 6 Abs. 1 MRK verpflichteter Verfahrenserledigung, sucht den dysfunktionalen Einsatz des Beweisantragsrechts zur Prozessverschleppung zu verhindern und schafft in den Gerichten zustehender Erweiterung und Änderung bisheriger Rechtsprechung zu dem entsprechenden Ablehnungsgrund des § 244 Abs. 3 Satz 2, § 245 Abs. 3 Satz 3 StPO einen Weg zu sachgerechter Vorbereitung leichterer Ablehnung grundlos spät gestellter Beweisanträge.
29
Im Spannungsfeld zur grundlegenden Bedeutung des Beweisantragsrechts für eine effektive aktive Verteidigung und zum Fehlen einer gesetzlichen Präklusionsregelung für die Stellung von Beweisanträgen versteht es sich freilich von selbst, dass die so entwickelte Verfahrensweise vorsichtiger und zurückhaltender Handhabung bedarf. Sie wird regelmäßig erst nach zehn Hauptverhandlungstagen (s. den Sondermaßstab des § 229 Abs. 2 StPO; vgl. BGHSt 52, 355, 362) und nicht vor Erledigung des gerichtlichen Beweisprogramms in Betracht zu ziehen sein. Zudem wird Anlass für die in Frage stehende Fristsetzung überhaupt nur bei bestimmten Anzeichen für Verschleppungsabsicht im bisherigen Verteidigungsverhalten gegeben sein, die vom Vorsitzenden im Zusammenhang mit der entsprechenden Anordnung ausdrücklich zu bezeichnen sind (§ 273 Abs. 3 StPO; vgl. BGHSt aaO S. 363). Das letztgenannte Erfordernis ist Konsequenz der Funktion der betroffenen Verfahrensweise als Vorbereitung späterer, leichter begründbarer ablehnender Entscheidungen über nach Fristablauf gestellte Beweisanträge wegen Prozessverschleppungsabsicht (§ 244 Abs. 6, § 34 StPO).
30
b) Es liegt auf der Hand, dass die restriktiv zu handhabenden Voraussetzungen bei der die Richterablehnung veranlassenden Fristsetzung vorliegend nicht vollständig erfüllt waren. Diese erfolgte nach weniger als zehn Verhandlungstagen, wobei mit ihrer Anordnung eine ausdrückliche Begründung für einen berechtigten Verdacht von Prozessverschleppung nicht verbunden war. Besonders ins Gewicht fällt darüber hinaus, dass die Frist eklatant kurz gesetzt war.
31
c) Der Verfahrensfehler begründet gleichwohl noch nicht die Besorgnis der Befangenheit. Dies gilt ungeachtet dessen, dass Verfahrensfehler, die mit einer Einschränkung besonders wesentlicher Verteidigungsrechte ein- hergehen, eher als sonstige Verfahrensfehler eine Richterablehnung nach § 24 StPO zu rechtfertigen in der Lage sind.
32
Maßgebend zu berücksichtigen ist das die Richterablehnung veranlassende Verfahrensgeschehen. Ihr waren Äußerungen der Verteidigung im Vorfeld der Hauptverhandlung vorausgegangen, die angesichts des gesamten bisherigen Verteidigungsverhaltens (UA S. 30 ff.) als Ankündigung einer überschießend offensiven Verteidigung verstanden werden konnten (vgl. insbesondere UA S. 35); das vorangegangene Antragsverhalten in der Hauptverhandlung schon vor der Fristsetzung war jedenfalls nicht geeignet, einen solchen verständlichen Argwohn zu zerstreuen. Aufgrund der bereits zuvor seitens des Gerichts angekündigten Möglichkeit eines alsbaldigen Abschlusses der Beweisaufnahme traf die kurze Frist die Verteidigung nicht gänzlich unvorbereitet. Da angesichts der bevorstehenden Ferienzeit beträchtliche Verfahrensunterbrechungen konkret drohten, war ein Streben des Vorsitzenden nach alsbaldigem Verfahrensabschluss erklärlich. Die beanstandete Verfahrensweise bezog sich auf eine neue, prinzipiell berechtigte, indes noch nicht näher ausgestaltete Rechtsprechung.
33
Vor dem Hintergrund all dieser Umstände ist in der rechtsfehlerhaften Fristsetzung keine derart gravierende Vernachlässigung berechtigter Verteidigungsbelange zu sehen, dass deshalb die Besorgnis der Befangenheit gerechtfertigt gewesen wäre. Dies gilt letztlich auch unter Berücksichtigung dessen, dass dem mit dem Ablehnungsgesuch beanstandeten Verhalten eine unbedachte, nicht unbedenkliche Äußerung des Vorsitzenden am dritten Hauptverhandlungstag (oben B. I.) vorausgegangen war, und ungeachtet dessen, dass die Fristsetzung just zu dem Zeitpunkt erfolgte, als sich mit der prozessual für sich nicht zu beanstandenden Ankündigung einer Erledigung des Verfahrens gegen den Mitangeklagten D. im Wege der Verständigung für die Angeklagten K. und G. L. eine grundlegend neue Prozesssituation ergab, wenngleich dies eine noch kritischere Sicht auf die Kürze der gesetzten Frist veranlasst.
34
Es bleibt trotz alledem bei dem Grundsatz, dass ein Verfahrensverstoß , der auf einem Irrtum oder auf einer unrichtigen Rechtsansicht beruht, allein noch keinen Ablehnungsgrund darstellt (vgl. BGHSt 48, 4, 8), sondern nur dann, wenn eine Entscheidung abwegig ist oder der Anschein der Willkür erweckt wird. So weit geht das die Richterablehnung veranlassende Vorgehen des Strafkammervorsitzenden letztlich doch nicht.
35
III. Die Verfahrensrügen wegen Nichteinholung eines versicherungsmathematischen Sachverständigengutachtens erweisen sich auch deshalb gemäß § 344 Abs. 2 Satz 2 StPO als unzulässig, weil die Revisionen den von der Strafkammer in ihren Ablehnungsbeschlüssen vom 12. und 26. Oktober 2007 (Protokollanlagen 114 und 145) in Bezug genommenen Beschluss vom 12. Oktober 2007 (Protokollanlage 116) in dem erforderlichen unmittelbaren Zusammenhang mit dem Rügevortrag weder beigefügt noch seinem wesentlichen Inhalt nach mitgeteilt haben. In der Sache sind die Rügen angesichts der mit Hilfe von Versicherungsfachleuten getroffenen Feststellungen zu ungenutzten vorhandenen Verhandlungsspielräumen bei der Ausgestaltung der in Frage stehenden Geldanlagen für den Schuldspruch nicht durchgreifend. Die Strafaussprüche haben ohnehin keinen Bestand.
36
IV. Der frühere Mitangeklagte D. hatte sich wiederholt in der Hauptverhandlung bis zur Abtrennung des gegen ihn gerichteten Verfahrens zur Sache geäußert. Zumal danach sind sämtliche auf Verletzung des § 261 StPO gestützten Rügen, mit denen allein anhand der für ihn abgegebenen, von ihm als Einlassung anerkannten und als Anlage zu Protokoll genommenen Verteidigererklärung die Urteilsausführungen zum Inhalt seines Ge ständnisses beanstandet werden sollen, wie der Generalbundesanwalt in der Revisionshauptverhandlung zutreffend hervorgehoben hat, im Ansatz verfehlt (vgl. BGHR StPO § 243 Abs. 4 Äußerung 8; BGHR StPO § 344 Abs. 2 Satz 2 Einlassung 1; vgl. auch BGHSt 52, 175, 180).

C.


37
Die von beiden Angeklagten erhobenen Sachrügen sind teilweise erfolgreich.
38
I. Das Landgericht hat den Angeklagten L. als stellvertretenden Vorsitzenden des Verwaltungsausschusses des Versorgungswerks zutreffend als Amtsträger gemäß § 332 Abs. 1, § 11 Abs. 1 Nr. 2 lit. c StGB angesehen und rechtsfehlerfrei wegen Bestechlichkeit verurteilt.
39
1. Amtsträger im Sinne des § 11 Abs. 1 Nr. 2 lit. c StGB ist, wer sonst dazu bestellt ist, bei einer Behörde oder sonstigen Stelle oder in deren Auftrag Aufgaben der öffentlichen Verwaltung wahrzunehmen.
40
a) Es spricht viel dafür, dass das Versorgungswerk eine Behörde im Sinne von § 11 Abs. 1 Nr. 2 lit. c Alt. 1 StGB ist. Jedenfalls ist sie eine sonstige Stelle im Sinne des § 11 Abs. 1 Nr. 2 lit. c Alt. 2 StGB.
41
Das Versorgungswerk wurde durch Gesetz als Körperschaft des öffentlichen Rechts errichtet. Über das typischerweise öffentlich-rechtlich ausgestaltete Verhältnis der Körperschaft zu ihren Mitgliedern hinaus besteht in weiten Teilen eine Zwangsmitgliedschaft. Sämtliche Mitglieder der Hanseatischen Rechtsanwaltskammer sind – soweit sie das 45. Lebensjahr nicht vollendet haben (§ 3 Abs. 1 und 2 HmbRAVersG) – Pflichtmitglieder und können auf Antrag von der Pflicht zur gesetzlichen Rentenversicherung nach § 6 Abs. 1 Nr. 1 SGB VI befreit werden. Überdies besitzen die zur Aufgabenwahrnehmung erforderlichen Entscheidungen und Maßnahmen des Verwaltungsausschusses des Versorgungswerks als Organ der Körperschaft Verwaltungsaktqualität und unterliegen nach Durchführung eines Widerspruchsverfahrens (vgl. §§ 7, 8 der Satzung) verwaltungsgerichtlicher Überprüfung. Schließlich untersteht das Versorgungswerk, wie im Sozialversicherungsrecht üblich (vgl. nur § 393 Abs. 1 SGB III; §§ 87, 88 Abs. 1 SGB IV; § 141 SGB VII), staatlicher Rechtsaufsicht (§ 7 Abs. 1 HmbRAVersG) und der Haushaltsordnung der Freien und Hansestadt Hamburg (vgl. §§ 105 ff. LHO, HmbGVBl 1971 S. 261).
42
Diese durch das Landgericht fehlerfrei festgestellten Umstände streiten dafür, das Versorgungswerk – wie dies auch für andere Träger der Sozialversicherung angenommen wird (RGSt 76, 105, 107; 76, 209, 211; Radtke in MünchKomm StGB § 11 Rdn. 97; aM BGHZ 25, 186, 193 [zu § 29 GBO]) – als Behörde im strafrechtlichen Sinn einzustufen (zu den verschiedenen Begriffsbestimmungen Radtke aaO). Die Frage muss jedoch nicht abschließend entschieden werden, weil jedenfalls die Voraussetzungen für eine sonstige Stelle im Sinne des § 11 Abs. 1 Nr. 2 lit. c Alt. 2 StGB erfüllt sind.
43
Eine sonstige Stelle ist eine behördenähnliche Institution, die rechtlich befugt ist, bei der Ausführung von Gesetzen und bei der Erfüllung öffentlicher Aufgaben mitzuwirken, ohne dabei selbst Behörde im verwaltungsrechtlichen Sinne zu sein (vgl. nur BGHSt 43, 370, 376; 52, 290, 293). Der Organisationsform der Stelle kommt dabei nach ständiger Rechtsprechung regelmäßig keine entscheidende Aussagekraft zu (Fischer, StGB 56. Aufl. § 11 Rdn. 19 m.w.N.). Steht im Einzelfall eine Körperschaft des öffentlichen Rechts in Rede , so ist dieser Organisationsform indes eine erhebliche indizielle Bedeutung beizumessen (ähnlich Welp, Festschrift für Lackner 1987 S. 761, 780). Schon nach dem Willen des Gesetzgebers sollen nämlich vor allem Körperschaften des öffentlichen Rechts das Merkmal der sonstigen Stelle erfüllen können (Entwurf eines Einführungsgesetzes zum Strafgesetzbuch vom 11. Mai 1973, BT-Drucks 7/550 S. 209). Andere Schlüsse lässt entgegen der Ansicht der Revision auch die Entscheidung des Senats zur Amtsträgerstellung des Geschäftsführers einer vom Bayerischen Roten Kreuz (BRK) allein beherrschten privatrechtlich organisierten Gesellschaft (BGHSt 46, 310) nicht zu. Dort hat der Senat ebenfalls maßgeblich auf die rechtliche und tatsächliche Eingliederung der Stelle in die Staatsverwaltung abgestellt und sie mit dem Hinweis auf die Sonderstellung des BRK abgelehnt (BGHSt aaO S. 314). Beim BRK handelt es sich nämlich um eine sogenannte Formalkörperschaft , die zwar in die Rechtsform der öffentlich-rechtlichen Körperschaft gekleidet ist, ohne dass jedoch bei ihrer Einrichtung an eine organisatorische Eingliederung in die Staatsverwaltung gedacht war (vgl. Wolff/Bachof/Stober, Verwaltungsrecht Bd. 3, 5. Aufl. § 81 Rdn. 38 und § 87 Rdn. 13; BGH aaO m.w.N.). Die deshalb mangelnde staatliche Lenkung konnte durch die gleichwohl bestehende staatliche Rechtsaufsicht über das BRK nicht kompensiert werden (BGHSt aaO S. 315). Nur in diesem spezifischen Kontext wurde in jener Entscheidung das Fehlen einer Fachaufsicht stützend herangezogen. Das Kriterium ist indessen nicht generell ein maßgebliches Beweiszeichen für eine fehlende Eingliederung der betreffenden Stelle in die Staatsverwaltung.
44
b) Das Versorgungswerk nimmt auch Aufgaben der öffentlichen Verwaltung wahr. Die berufsständische Versorgung der „klassischen“ verkammerten Berufe ist traditionell Teil des gegliederten Systems der sozialen Sicherung in der Bundesrepublik Deutschland (BVerfGE 113, 1, 25; BVerwG NJW-RR 2001, 785, 786; NJW 1997, 1634; Groepper NJW 1999, 3008; Hahn GewArch 2002, 441; 2008, 49, 52). Durch sie wird die sozialstaatlich gebotene Grundversorgung ihrer Pflichtmitglieder und deren Familienangehöriger im Bereich der Alters-, Berufsunfähigkeits- sowie Hinterbliebenenversorgung gewährleistet und mithin ein Teil der Daseinsvorsorge für diesen Personenkreis wahrgenommen. Trotz bestehender Unterschiede zum System der gesetzlichen Rentenversicherung ist die berufsständische Versorgung mit jenem gleichwertig (vgl. nur den Befreiungstatbestand § 6 SGB VI und dazu Kreikebohm, SGB VI 3. Aufl. § 6 Rdn. 16). Beide haben eine von der Höhe der geleisteten Beiträge abhängige angemessene Versorgung im Alter zum Ziel.
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c) Die Feststellungen der Strafkammer tragen auch die nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs für die Begründung einer Amtsträ- gereigenschaft erforderliche Bestellung des Angeklagten L. zur Wahrnehmung der beschriebenen Aufgaben der öffentlichen Verwaltung.
46
aa) Das Merkmal der Bestellung setzt seinem Wortsinn nach keinen förmlichen Akt voraus (st. Rspr., vgl. nur – unter Hinweis auf die Entstehungsgeschichte – BGHSt 43, 96, 102 f. sowie BGHSt 52, 290, 299). Die Bestellung ergibt sich vielmehr aus der Art der übertragenen Aufgaben. Sie ist in der Heranziehung zur Erfüllung öffentlicher Aufgaben zu sehen, wenn diese mit einer auf eine gewisse Dauer angelegten Eingliederung verbunden ist. Das Tatbestandsmerkmal der Bestellung ist deshalb nicht durch besondere formelle Voraussetzungen, sondern durch die hierdurch bewirkte Einbeziehung in die Organisation der öffentlichen Verwaltung bestimmt. Es beschreibt die Beauftragung einer Person mit der Erledigung von Aufgaben der öffentlichen Verwaltung (vgl. BGHSt 43, 96, 101 ff.; BGHR StGB § 11 Abs. 1 Nr. 2 Amtsträger 4 und 14).
47
bb) Jedenfalls durch seine Wahl in den Verwaltungsausschuss durch die Mitgliederversammlung wurde der Angeklagte für vier Jahre (§ 5 Abs. 1 Satz 3 der Satzung) mit der eigenständigen Wahrnehmung öffentlicher Aufgaben tatsächlich betraut; er war damit in die Organisation der Körperschaft längerfristig fest eingegliedert. Der Verwaltungsausschuss leitet das Versorgungswerk und ist für die Durchführung der Beschlüsse der Mitgliederversammlung verantwortlich sowie verpflichtet, innerhalb von neun Monaten nach Ende des Geschäftsjahres den Jahresabschluss, den Lagebericht und den Prüfungsbericht des Abschlussprüfers der Mitgliederversammlung vorzulegen (§ 6 Abs. 1 der Satzung).
48
cc) Soweit die Revisionen – insbesondere in Verfahrensrügen (§ 244 Abs. 3 StPO) gekleidet – eine fehlende Bestellung im Sinne des § 11 Abs. 1 Nr. 2 StGB wegen einer angeblich unwirksamen Gründung des Versorgungswerks und einer rechtsfehlerhaften – im Übrigen, soweit ersichtlich, von niemandem angefochtenen – Wahl des Angeklagten zum stellvertreten- den Vorsitzenden des Verwaltungsausschusses geltend machen, bleiben sie ohne Erfolg. Eine Rechtswidrigkeit oder Anfechtbarkeit des Bestellungsaktes ist für § 11 Abs. 1 Nr. 2 StGB tatbestandlich ohne Bedeutung. Die Verletzung von Rechtsvorschriften im Innenverhältnis zwischen Stelle und Betroffenem lässt die Frage der Amtsträgereigenschaft unberührt; entscheidend ist vielmehr die – hier erfolgte – tatsächliche Übernahme der Erfüllung übertragener öffentlicher Aufgaben (Eser in Schönke/Schröder, StGB 27. Aufl. § 11 Rdn. 29; Hilgendorf in LK 12. Aufl. § 11 Rdn. 36; Rudolphi/Stein in SK StGB 40. Lfg. § 11 Rdn. 31a; Radtke in MünchKomm StGB § 11 Rdn. 57; Heinrich, Der Amtsträgerbegriff im Strafrecht 2001 S. 544). Dessen ungeachtet offenbaren weder der Revisionsvortrag noch die angegriffenen Feststellungen einen Rechtsmangel im Rahmen der Gründung des Versorgungswerks (vgl. zudem zu dessen Unerheblichkeit: BVerfGE 3, 41, 44 [Gemeinderat]; 1, 14, 38 [Landtag]; BVerwGE 108, 169, 176; BVerwG NVwZ 2003, 995, 996; Seifert , Bundeswahlrecht 3. Aufl. Art. 41 Rdn. 14 sowie Hahn GewArch 2003, 217, 219 und Feuerich/Weyland, BRAO 7. Aufl. § 90 Rdn. 9).
49
Die in der Revisionshauptverhandlung von der Verteidigung gegen die Annahme einer Amtsträgereigenschaft des Angeklagten L. ins Feld geführte Behauptung, die als Zeugen vernommenen seinerzeitigen Mitglieder des Verwaltungsausschusses B. und C. hätten keine Aussagegenehmigung erhalten, obwohl ihnen eine solche, wären sie und der Angeklagte L. Amtsträger gewesen, hätte erteilt werden müssen , ist falsch: Es wurden Aussagegenehmigungen erteilt und zu den Akten genommen (vgl. Bl. 446 d.A.).
50
d) Entgegen der Ansicht der Revisionen wird die Idee des freien Berufs durch die Annahme der Amtsträgereigenschaft eines im Verwaltungsausschuss eines Rechtsanwaltsversorgungswerks tätigen Rechtsanwalts nicht in Frage gestellt. Soweit dieses freiwillig übernommene Ehrenamt überhaupt auf seine anwaltliche Selbständigkeit Auswirkungen haben sollte, entbehren die entsprechenden Regelungen jedenfalls sämtlich einer berufsre- gelnden Tendenz. Im Zusammenhang mit der anwaltlichen Selbstverwaltung übernommene – typischerweise der staatlichen Rechtsaufsicht unterstehende (Tettinger, Kammerrecht 1997 S. 128; Maurer, Allgemeines Verwaltungsrecht 17. Aufl. § 23 Rdn. 45) – Tätigkeiten lassen insbesondere wegen ihrer Rechtspflegefunktion die freie Ausübung der Rechtsanwaltstätigkeit unberührt (vgl. zur Behördeneigenschaft des Vorstands einer Anwaltskammer schon RGSt 47, 394, 395; RG JW 1936, 1604; BGH NJW 2000, 3004, 3005 m.w.N.).
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2. Ohne Rechtsverstoß hat das Landgericht auch den Vorsatz bezüglich der Amtsträgerstellung angenommen. Zwar reicht es hierfür grundsätzlich nicht aus, wenn der Betreffende nur um die seine Amtsträgerstellung begründenden Tatsachen weiß. Vielmehr muss er auch eine Bedeutungskenntnis gerade von seiner Funktion als Amtsträger haben (BGHR StGB § 11 Abs. 1 Nr. 2 Amtsträger 14). Das hat die Strafkammer aber auch nicht verkannt. Freilich ist die Feststellung sehr knapp, es sei dem Angeklagten klar gewesen, dass er „aufgrund seiner Stellung im Versorgungswerk dazu berufen war, das gesetzliche Ziel der Altersvorsorge zu verfolgen“ (UA S. 14). Jedoch wird diese Feststellung ergänzt durch weitere Ausführungen im Urteil , wonach sich der Angeklagte dieser besonderen Pflichtenstellung bewusst war (UA S. 108) und es – zumindest aufgrund der Ausgestaltung des Versorgungswerks als öffentlich-rechtlicher Körperschaft, des stark formalisierten „Gründungsverfahrens“ sowie des Handelns der „Organwalter“ in Ausfüllung der ihnen zugewiesenen Positionen – „für den Angeklagten … klar gewesen (war), dass er dazu berufen war, in verantwortlicher Position bei der Erfüllung einer dem Versorgungswerk als Selbstverwaltungskörperschaft unter Einschluss hoheitlicher Befugnisse zugewiesenen Aufgabe mitzuwirken“ (UA S. 106). Diese Wertungen fußen ersichtlich auf einer Gesamtschau der Urteilsgründe und dem in Rede stehenden förmlichen Bestellungsakt des Angeklagten durch seine Wahl in das Selbstverwaltungsorgan der Körperschaft.
52
Die Wahl zum stellvertretenden Vorsitzenden des Verwaltungsausschusses machte für den rechtskundigen Angeklagten seine besondere Pflichtenstellung gegenüber und innerhalb der Selbstverwaltungskörperschaft greifbar. Dies gilt insbesondere angesichts der ihm übertragenen teilweise hoheitlichen Entscheidungsbefugnisse gegenüber den Zwangsmitgliedern. So wurden Anträge auf Befreiung von der Mitgliedschaft unter Mitwirkung des Angeklagten schriftlich in Form eines mit einer Rechtsmittelbelehrung versehenen Verwaltungsaktes beschieden (UA S. 12 f.). Die Auswahl der Anlageform gehörte, was dem Angeklagten fraglos bewusst war, sogar zum Kernbereich der Tätigkeit des Versorgungswerks.
53
3. Die Angriffe der Revisionen gegen die von der Strafkammer angenommene Unrechtsvereinbarung zwischen dem Angeklagten und D. in Bezug auf pflichtwidrige Diensthandlungen des Angeklagten gehen fehl.
54
a) Der Einwand, der Vorschlag des Angeklagten habe sich im Rahmen des ihm eröffneten Ermessensspielraums gehalten, greift bereits im Ansatz zu kurz. Bei Ermessensentscheidungen handelt der Amtsträger pflichtwidrig, wenn er sachwidrig entscheidet, aber auch dann, wenn er sich nicht ausschließlich von sachlichen Gesichtspunkten leiten, sondern sich durch den Vorteil beeinflussen lässt, diesen also mit in die Waagschale legt (BGHSt 15, 88, 92; 15, 239, 242, 247; 48, 44, 46; BGH NStZ-RR 2008, 13). Ausreichend ist bereits, dass sich der Täter seinem Partner gegenüber bereit zeigt, sich bei der Ausübung seines Ermessens durch den Vorteil beeinflussen zu lassen (vgl. § 332 Abs. 3 Nr. 2 StGB). So liegt der Fall hier.
55
aa) Der Angeklagte handelte als Ermessensbeamter im Sinne des § 332 Abs. 3 Nr. 2 StGB. Nach den Feststellungen der Strafkammer war ihm sowie dem Zeugen C. die Vorauswahl möglicher Kapitalanlageprodukte seitens der übrigen Verwaltungsausschussmitglieder übertragen worden. Beide sollten die notwendigen Informationen zur Vorbereitung der Anlageentscheidung des Verwaltungsausschusses einholen. Das Landgericht hat weiter festgestellt, dass dem Angeklagten hier auf Grund seiner Wirtschaftsprüfererfahrungen und seines dominanten Auftretens „faktische Leitungsfunktion“ zukam. Er kontrollierte und prägte daher die Vorauswahl und nahm durch seine deutliche Positionierung für das Angebot der P. auf die Entscheidungsfindung Einfluss. Ihm stand mithin sowohl bei der Erstellung einer Entscheidungsgrundlage für die Auswahl eines Anlageprodukts durch den Verwaltungsausschuss als auch im Rahmen der späteren Abstimmung des Gremiums ein Entscheidungsspielraum zu (vgl. dazu BGHSt 47, 260, 263 mit Anm. Wohlers JR 2003, 161; BGH NStZ-RR 2008, 13, 14).
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bb) Nach den Feststellungen des Landgerichts steht außer Frage, dass sich der Angeklagte bereit gezeigt hat, die vereinbarten Vorteile bei den ihm obliegenden Ermessensentscheidungen maßgebend in die Waagschale zu legen (§ 332 Abs. 3 Nr. 2 StGB). Bezugspunkte der Unrechtsvereinbarung sind die dem Verwaltungsausschuss unterbreiteten Vorschläge, bei der P. ein – für das Versorgungswerk zudem eher ungünstiges – Kapitalanlageprodukt abzuschließen, sowie das Abstimmungsverhalten des Angeklagten zugunsten der P. im Verwaltungsausschuss. Der Angeklagte hat die Unrechtsvereinbarung durch die genannten pflichtwidrigen Diensthandlungen dann auch tatsächlich umgesetzt und dafür Vorteile großen Ausmaßes bezogen (§ 335 Abs. 2 Nr. 1 StGB). Eine mögliche – hier indes fern liegende – sachliche Rechtfertigung der Entscheidung ist ohne Belang (Fischer aaO § 332 Rdn. 14).
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b) Nicht durchgreifend ist auch der weitere Einwand der Revisionen, die Vereinbarung wirtschaftlich günstigerer Konditionen hätte gegen § 81 Abs. 2 Satz 4 VAG (sogenanntes Provisionsabgabeverbot; Anordnung des Reichsaufsichtsamts für Privatversicherung vom 8. März 1934, VerAfP 1934, 99, 100; zu deren Fortgeltung als Bundesrechtsverordnung vgl. BGHZ 93, 177, 178 f.; 159, 334, 338 f.; BGH NStZ 2001, 545) verstoßen. Dies gilt schon deswegen, weil dem Angeklagten im Rahmen des § 332 StGB vorgeworfen wird, dass er wegen der in Aussicht stehenden Schmiergeldzahlun- gen und damit sachwidrig dafür eingetreten ist, aus der Vielzahl der zur Verfügung stehenden Geldanlagemöglichkeiten gerade den Abschluss von Rentenversicherungsverträgen bei der P. zu wählen.
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II. Die gegen die Verurteilung wegen Untreue gerichteten Einwände der Revisionen, insbesondere zum entstandenen Untreueschaden, greifen nicht durch.
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1. Im Rahmen seiner Vermögensbetreuungspflicht nach § 266 Abs. 1 StGB, die mit der Pflichtwidrigkeit im Rahmen des § 332 StGB korrespondiert , durfte der Angeklagte die Möglichkeit eines für das Vermögen des Versorgungswerks vorteilhaften Vertragsabschlusses aus finanziellem Eigeninteresse nicht vereiteln oder unberücksichtigt lassen (vgl. BGHSt 31, 232, 235; BGH NStZ 2003, 540, 541). Diesen Maßstab hat das Landgericht beachtet. Ohne dass hierdurch der tatbestandliche Vermögensnachteil zu bestimmen wäre, hat es in diesem Zusammenhang auch zutreffend darauf hingewiesen, dass die ausgehandelten Vertragskonditionen aus mehreren Gründen für das Versorgungswerk ungünstig waren: Zum einen wurde die gewollte Verzinsung des eingezahlten Kapitals mit mindestens 3,5 % nicht erreicht, sondern lediglich eine effektive Verzinsung von weniger als 2 %. Zum anderen barg die Konstruktion eines Rentenversicherungsvertrages, bei dem allein der Vorsitzende des Verwaltungsausschusses versichert war, ein erhebliches Risiko, weil bei einem Ableben der versicherten Person vor Vertragsende zwar die eingezahlten Beträge zurückerstattet worden wären, aber die vertraglich vorgesehene Verzinsung nicht angefallen wäre (UA S. 18 f.).
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Das Tatgericht hat bei der Bestimmung des Vermögensnachteils zunächst erwogen, ob der Untreueschaden unter Heranziehung der Höhe der „Versicherungsprovisionen“ (Schmiergeldzahlungen) bestimmt werden kann. Eine solche Schadensberechnung ist anerkannt sowohl beim Eingehungsbetrug in Form des sogenannten Ausschreibungs- oder Submissionsbetrugs, bei dem der Vermögensschaden in der Differenz zwischen der vertraglich vereinbarten Auftragssumme und dem Preis liegt, der bei Beachtung der für das Auftragsvergabeverfahren geltenden Vorschriften erzielbar gewesen wäre , als auch in den Fällen freihändiger Vergabe mit Angebotsanfragen (vgl. BGHSt 47, 83, 88 f.; vgl. auch BGHSt 49, 317, 332 f.). Weil Schmiergeldzahlungen nahezu zwingende Beweisanzeichen dafür sind, dass der ohne Preisabsprache erzielbare Preis den tatsächlich vereinbarten Preis unterschritten hätte, begegnet in solchen Fällen die Annahme, ein Vermögensschaden sei mindestens in Höhe der Schmiergeldbeträge entstanden, keinen rechtlichen Bedenken. Dementsprechend gilt grundsätzlich, dass bei der Auftragserlangung durch Bestechung im geschäftlichen Verkehr der auf den Preis aufgeschlagene Betrag, der lediglich der Finanzierung des Schmiergelds dient, regelmäßig die Mindestsumme des beim Auftraggeber entstandenen Vermögensnachteils im Sinne von § 266 Abs. 1 StGB bildet. Hiernach hätte für das Tatgericht die Annahme nahe gelegen, auch bei Bestimmung des dem Versorgungswerk entstandenen Schadens die gezahlten „Versicherungsprovisionen“ (Schmiergeldbeträge) zu berücksichtigen, weil solche absprachebedingten Zahlungen eine günstigere Preisgestaltung verhindert haben. Dass ohne diese Zahlungen erheblich günstigere Konditionen für das Versorgungswerk hätten erreicht werden können, ist von der Strafkammer festgestellt worden. Damit war die vereitelte Ersparnis nicht nur eine vage Hoffnung , sondern es bestand eine gesicherte Aussicht auf einen wirtschaftlich günstigeren Vertrag, die als eine werthaltige Vermögensposition (vgl. BGH NStZ 2003, 540, 541) anzusehen ist.
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2. Die Einwendungen der Revisionen aus § 81 Abs. 2 Satz 4 VAG (oben I. 3. b) greifen nicht durch. Zweifelhaft ist bereits, ob es sich bei den von der Strafkammer festgestellten Verhandlungsmöglichkeiten um davon erfasste Begünstigungsverträge handelte. Die Verhandlungen mit der P. hätten nämlich nicht zwingend die Besserstellung des Versorgungswerks zulasten der Versichergemeinschaft zum Ergebnis haben müssen (zum Zweck der Vorschrift Prölss, VAG 12. Aufl. § 81 Rdn. 74 ff.). Selbst wenn aber die Verhandlungen eine Begünstigung des Versorgungswerks im Sinne des § 81 Abs. 2 Satz 4 VAG zum Gegenstand gehabt haben sollten, wären diese Abweichungen von einem bestehenden Tarifprodukt nicht von vornherein als unzulässig anzusehen gewesen. Versicherungsrechtlich anerkannt ist die Erlaubnisfähigkeit von Begünstigungsverträgen, sofern diese sachlich gerechtfertigt sind (vgl. Prölss aaO § 81 Rdn. 82; Fahr/Kaulbach /Bähr, VAG 4. Aufl. § 81 Rdn. 35). Das soll wegen möglicher Kostenersparnisse namentlich bei Kollektivlebensversicherungen gelten (vgl. Richtlinie des Bundesaufsichtsamts für das Versicherungswesen [BAV] 3/94 II. Nr. 2.2, VerBAV 1/1995, S. 4). Vergleichbar liegt der Fall hier. Obwohl mit dem Versorgungswerk kein Kollektivversicherungsvertrag abgeschlossen wurde, sondern Versicherungsnehmer das Versorgungswerk und versicherte Person allein der seinerzeitige Vorsitzende des Verwaltungsausschusses war (UA S. 22), hätte die P. aufgrund der „trotz des hohen Prämienvolumens geringen Verwaltungskosten … auf der Grundlage der dann für diesen Einzelfall vorzunehmenden … Berechnungen einen rechtlich zulässigen individuell begünstigenden Vertrag“ (UA S. 113 f.) oder einen so genannten Nettotarif anbieten können, der auf der Grundlage der nicht anfallenden „Provision“ und anderer eingesparter Kosten zu kalkulieren gewesen wäre. Zumindest soweit die dadurch sachlich gerechtfertigten eingeräumten Konditionen sich durch den Vertrag selbst getragen und keine Subventionierung durch die Versichertengemeinschaft zur Folge gehabt hätten (vgl. Anlage zur Richtlinie 3/94 des BAV Nr. I. Nr. 1.4, aaO S. 5), durfte die Kammer auch von einer grundsätzlichen Vereinbarkeit mit § 81 Abs. 2 Satz 4 VAG und einer damit bestehenden Genehmigungsfähigkeit durch die Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht ausgehen. Dass die P. grundsätzlich bereit war, eine solche Vertragsgestaltung bei der Aufsichtsbehörde anzumelden oder aufsichtsrechtlich genehmigen zu lassen, hat das Landgericht mit Hilfe sachverständiger Zeugen aus dem Versicherungsbereich rechtsfehlerfrei festgestellt.
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3. Die Strafkammer hat jedoch wegen aus dem Provisionsabgabeverbot hergeleiteter rechtlicher Bedenken, der Besonderheiten versicherungs- mathematischer Berechnungen und der von ihr sonst als notwendig erachteten Hinzuziehung eines versicherungsmathematischen Sachverständigen von einer exakten Schadensberechnung Abstand genommen und ist von einem Vermögensnachteil von – „was den Schuldspruch trägt“ (UA S. 114) – mindestens einem Euro ausgegangen; der Nachteil erreiche „jedoch in keinem Fall die Höhe der Schmiergeldzahlungen“ (UA S. 126). Der ersichtlich nicht ernst gemeinte, überzogen formulierte Ausgangspunkt einer Schadenshöhe von einem Euro – der, wenn er eine seriöse Sachverhaltsvariante wäre, schwerlich einen Untreueschaden belegen könnte – steht in offenem Widerspruch zu der klaren Urteilsfeststellung, dass die Möglichkeit zu beträchtlich günstigerer Vertragsgestaltung pflichtwidrig ausgelassen wurde (UA S. 21, 65, 108, 113). Diese Feststellung sollte mit der Wendung ersichtlich auch nicht in Frage gestellt werden. Vielmehr wollte das Tatgericht damit bloß vermitteln , dass seines Erachtens „angesichts der tateinheitlich begangenen Bestechungsdelikte … der Höhe des Nachteils … auf der Ebene der Strafzumessung keine Bedeutung“ (UA S. 114) zukomme. Bei solchem Verständnis der Urteilsbegründung stellt der Umstand, dass es das Tatgericht nicht wenigstens unternommen hat, die ungefähre Schadenshöhe auf der ihm zu Gebote stehenden, wenngleich konkret als unvollkommen erachteten Grundlage mit aller gebotenen Vorsicht zu schätzen, die Möglichkeit der Aufrechterhaltung des Schuldspruchs wegen tateinheitlicher Untreue nicht in Frage.
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III. Soweit die Revision der Angeklagten G. L. mit der Sachrüge die Beweiswürdigung angreift, weil die Strafkammer aufgrund der vorhandenen Indizien nicht hätte die Überzeugung gewinnen können, dass die Angeklagte Kenntnis von der Stellung ihres Ehemanns im Versorgungswerk hatte und sie bei der unterstützenden Billigung der verdeckten Zahlungsweise im Vorfeld der Zahlungen jedenfalls im Groben über den Hintergrund der Zahlungsflüsse informiert worden sei, bleibt die Revision zum Schuldspruch wegen Beihilfe zur Untreue ohne Erfolg, dringt jedoch hinsichtlich der Verurteilung wegen Beihilfe zur Bestechlichkeit durch.
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1. Das Landgericht stützt seine Überzeugung, die – zum Anklagevorwurf schweigende – Angeklagte habe zumindest in Grundzügen um die Stellung ihres Ehemanns im Versorgungswerk und seine damit verbundenen Pflichten gewusst und die mit D. bestehende Unrechtsvereinbarung gekannt, auf folgende Indizien und Wertungen:
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Die Angeklagte hat am 5. März 2002 das Konto eröffnet, auf das kurze Zeit später die erste für den Angeklagten L. bestimmte Zahlung der P. fast in Millionenhöhe überwiesen worden ist, welche die Dimension früherer verdeckter Provisionszahlungen deutlich überschritt. Vor Eingang der zweiten Provisionszahlung veranlasste sie noch die Umbenennung des Kontoinhabers. Die Angeklagte ist gelernte Bankkauffrau und Steuerfachgehilfin. Das Landgericht hält es schlechterdings nicht für vorstellbar , dass sie keinerlei Kenntnis von der Stellung ihres Ehemanns im Versorgungswerk gehabt hat. Angesichts des Umfangs der Provisionszahlungen ist es bei lebensnaher Betrachtung zweifelsfrei davon überzeugt, dass die Angeklagte vor den Zahlungen jedenfalls im Groben über den Hintergrund der Zahlungsflüsse informiert worden ist.
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2. Der von der Strafkammer gezogene Schluss auf eine Gehilfenstellung der Angeklagten G. L. ist hinsichtlich der Untreue möglich (vgl. zum Maßstab BGH NJW 2007, 384, 387, insoweit in BGHSt 51, 144 nicht abgedruckt), und zwar vor folgendem Hintergrund: Der Angeklagte L. hatte sich in den Jahren zuvor unter standeswidriger Ausnutzung seiner beruflichen Vertrauensstellung als Wirtschaftsprüfer und Steuerberater an den Kapitalanlagen seiner Mandanten persönlich bereichert. Er hatte als „stiller Vermittler“ diverse Versicherungsverträge für die P. vermittelt und im Gegenzug wie ein Versicherungsvertreter Provisionen erhalten. Diese waren zunächst bar, später dann auf Konten der „G. GbR“, bei der die Angeklagte zu 99 % Gesellschafterin war und bei der sie für die Bankgeschäfte zuständig war, überwiesen worden (UA S. 7 bis 10). Die auch im Vergleich zu früheren entsprechenden Provisionen au- ßergewöhnliche Höhe des auf verdecktem Zahlungsweg überwiesenen Betrags auch in Verbindung mit der kurz zuvor erfolgten Eröffnung des betreffenden Kontos durch die Angeklagte rechtfertigt den Schluss auf eine vorherige Absprache mit hinreichender Hintergrundinformation über den Zahlungsanlass gegenüber der in den Zahlungsfluss erwiesenermaßen eingebundenen Angeklagten. Dass bei der außergewöhnlichen Höhe des Betrages womöglich nicht nur Steuerhinterziehungsabsichten bestanden, sondern eine Vermögensschädigung des für die „Provision“ maßgeblichen Vertragspartners der Versicherung bewirkt werden konnte, für den – wie sie ersichtlich wusste – ihr Ehemann tätig war, beruht bei aller Kürze der Urteilsbegründung zu diesen Umständen auf ausreichend tatsachenfundierten tatgerichtlichen Schlüssen. Die Annahme eines wenigstens bedingten Untreuevorsatzes der Angeklagten im Rahmen ihrer Beihilfehandlung ist deshalb aus Rechtsgründen nicht zu beanstanden.
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3. Diese Indizien und Wertungen sind jedoch nicht genügend aussagekräftig und bilden keine tragfähige Grundlage für die Überführung der Angeklagten hinsichtlich einer tateinheitlichen Beihilfe zur Bestechlichkeit.
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Der Senat hat bereits entschieden, dass bei der Bestechlichkeit an den Nachweis des Vorsatzes zum Tatbestandsmerkmal Amtsträger über die Tatsachenkenntnis hinausgehende Anforderungen zu stellen sind (BGHR StGB § 11 Amtsträger 14). Der Täter muss eine Bedeutungskenntnis gerade von seiner Funktion als Amtsträger haben. Gleiche Anforderungen sind an die Bejahung des Vorsatzes zu stellen, wenn nicht derjenige des Täters, sondern der eines Gehilfen in Frage steht. Die – ohnehin überaus knappen – Ausführungen des Landgerichts zum Vorsatz der Angeklagten belegen weder ausreichend deren erforderliche spezifische Kenntnis von den Umständen , wonach es sich bei dem Versorgungswerk um eine „sonstige Stelle“ handelt, noch von den Umständen, aus denen sich eine Amtsträgerstellung ihres Ehemannes herleiten ließ.
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4. Da die Angeklagte bislang von ihrem Schweigerecht Gebrauch gemacht hat und liquide Beweismittel für ein neues Tatgericht nicht ersichtlich sind, mit denen sich der Bestechlichkeitsvorsatz bei der Angeklagten tragfähig belegen ließe, hat der Senat im Sinne einer Einschränkung des Schuldspruchs auf bloße Beihilfe zur Untreue durchzuentscheiden. Dies zieht die Aufhebung des Strafausspruchs nach sich, weil die Strafkammer bei der Strafzumessung maßgebliches Gewicht auf das Amtsdelikt gelegt hat.
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IV. Der Strafausspruch gegen den Angeklagten L. hat keinen Bestand.
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Ungeachtet des durch den außergewöhnlichen Umfang der inkriminierten Provisionen geprägten Gewichts der jeweils nach § 335 Abs. 1 Nr. 1 lit. a, Abs. 2 Nr. 1 StGB zu ahndenden Taten sind die Einzelstrafen und die Gesamtstrafe gegen den unbestraften Angeklagten, der seine gesamte bisherige berufliche Grundlage infolge der Verurteilung einbüßen wird, für lange zurückliegende Taten, deren negative wirtschaftliche Folgen für das geschädigte anwaltliche Versorgungswerk wesentlich rückgängig gemacht wurden (vgl. zu alledem UA S. 116 f.), hoch, wenngleich nicht bereits allein ihrer Höhe wegen beanstandungswürdig. Jedoch ist zu besorgen, dass sich die widersprüchlichen Ausführungen im angefochtenen Urteil zur Höhe des Untreueschadens – Auslassen weitaus besserer Anlagekonditionen einerseits (UA S. 21, 65, 108, 113), bloße Anlastung eines Schadens von einem Euro andererseits (UA S. 114) – zum Nachteil des Angeklagten ausgewirkt haben, weil die Strafbemessung dadurch ihrerseits widersprüchlich und unzulänglich begründet ist.
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Die Höhe des Untreueschadens bestimmt wesentlich das Ausmaß der Pflichtwidrigkeit der Diensthandlung (BGH wistra 2002, 420, 421; 2007, 259, 261): Ein bloßer Ermessensfehler bei der sachwidrig von einem verborgenen Schmiergeldangebot motivierten Auswahl des Vertragspartners einer Geldanlage , der keinen Vermögensschaden der Anstellungskörperschaft nach sich zieht, weist – obwohl er ohne weiteres den Tatbestand der Bestechlichkeit erfüllt – ein geringeres Maß an Pflichtwidrigkeit auf als ein gleiches, indes zusätzlich noch beträchtlich schädigendes Fehlverhalten. Zwar hat das Landgericht die Vermögensschadenshöhe als Strafzumessungsfaktor gar nicht benannt; es hat – nahezu wie bei einer Verfahrensweise nach § 154a StPO – das tateinheitliche Vergehen nach § 266 StGB bei der Strafzumessung unerwähnt gelassen. Dem Urteil ist indes bei rechtem Verständnis ein maßgeblicher Schaden im Sinne von § 266 StGB zu entnehmen und nicht nur ein „Scheinschaden“ von einem Euro. Danach besteht im Blick auf die beträchtliche Strafhöhe Grund für die Besorgnis, dass eben doch eine solche erhöhte Pflichtwidrigkeit der Amtspflichtverletzung der Strafzumessung zugrunde gelegt worden ist, ohne dass hierfür ein Mindestschaden bestimmt worden wäre.
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Zudem könnten mehrere von Negativwertungen geprägte Wendungen im Rahmen der Urteilsfeststellungen zum Tatgeschehen („Gelegenheit, Stellung im Verwaltungsausschuss ausschließlich zu seinem persönlichen Vorteil auszunutzen und sich persönlich dadurch so umfassend wie möglich zu bereichern“ sowie „ungeliebte Kuh so weit wie möglich zu melken“, UA S. 13; „Pakt besiegelt“, UA S. 14; „wie Alberich über den Nibelungenhort wachte der Angeklagte L. eifersüchtig“, UA S. 15) darauf hindeuten, das Landgericht habe den Angeklagten jenseits des tatsachenfundiert festgestellten gravierenden Tatunrechts noch weiter abwerten wollen. Bei dieser Sachlage vermag auch der Umstand, dass durch den Wegfall des Verfalls ein angenommener Milderungsgrund (UA S. 117) nicht fortbesteht, den Mangel eines widersprüchlich und unzulänglich bezeichneten Schadens im Rahmen der Strafzumessung nicht aufzuwiegen. Der Senat weist indes darauf hin, dass das bislang festgestellte von hohem korrupten Gewinnstreben bestimmte Tatunrecht fraglos die Verhängung einer empfindlichen zu vollstreckenden Freiheitsstrafe erfordert.
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V. Der angeordnete Wertersatzverfall kann – insoweit in Übereinstimmung mit dem Generalbundesanwalt – in dem nicht nach Maßgabe des § 111i StPO n. F. zu beurteilenden Altfall (vgl. Fischer aaO § 73 Rdn. 1) keinen Bestand haben. Ihm steht die Vorschrift des § 73 Abs. 1 Satz 2 StGB entgegen.
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1. Dem Versorgungswerk kann als Dienstherrn ein Ersatzanspruch auf Herausgabe des Erlangten nach § 687 Abs. 2, § 681 Satz 2, § 667 BGB zustehen. Solche Ansprüche auf die Herausgabe von Bestechungslohn sollen letztlich die Interessen des Geschäftsherrn kompensieren und unterfallen daher grundsätzlich der Vorrangbestimmung des § 73 Abs. 1 Satz 2 StGB (vgl. BGH wistra 2007, 222, 223; 2008, 262 m.w.N.). Ob die fallspezifischen Bedenken des Landgerichts gegen die Annahme eines entsprechenden Anspruchs aus besonderen versicherungsrechtlichen Erwägungen durchgreifen , bedarf keiner Entscheidung. Dies liegt indes eher fern, weil sich aus dem Provisionsabgabeverbot für den Angeklagten im Verhältnis zum Versorgungswerk kein Grund ableiten lässt, die Schmiergelder behalten zu dürfen. Abgesehen davon liegt angesichts der Höhe des bei der P. angelegten Kapitals auf der Hand, dass auch sonst beträchtliche – eben nicht etwa mit einem Euro bemessbare – Forderungen des Versorgungswerks gegen den Angeklagten bestehen.
76
2. Zudem kommt in Betracht, dass ein Teil des Bestechungslohns in Höhe des der P. entstandenen Schadens dieser nach § 826 BGB oder § 823 Abs. 2 BGB i.V.m. § 266 StGB zusteht. Der gesondert verfolgte D. hat durch die von vornherein ungerechtfertigten Provisionsauszahlungen zugunsten des Angeklagten L. nahe liegend die P. geschädigt. Hieran war der Angeklagte L. beteiligt, der deshalb der P. ebenfalls schadensersatzpflichtig wäre. Die konkrete Vertragsentwicklung belegt, dass es hier fern läge anzunehmen, Gewinne der P. aus den mit dem Versorgungswerk abgeschlossenen Versiche- rungsverträgen könnten der Annahme eines Schadens infolge der zu Unrecht geleisteten Provisionszahlungen entgegenstehen.
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BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
1 StR 541/08
vom
18. November 2008
in der Strafsache
gegen
wegen Mordes u.a.
hier: Ablehnungsanträge des Angeklagten gegen
den Vorsitzenden Richter am Bundesgerichtshof Nack,
den Richter am Bundesgerichtshof Dr. Wahl,
den Richter am Bundesgerichtshof Dr. Kolz und
die Richterin am Bundesgerichtshof Elf
wegen Besorgnis der Befangenheit
Der 1. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat am 18. November 2008 beschlossen
:
Die Befangenheitsanträge des Angeklagten vom 29. September 2008 gegen
- den Vorsitzenden Richter am Bundesgerichtshof Nack,
- den Richter am Bundesgerichtshof Dr. Wahl,
- den Richter am Bundesgerichtshof Dr. Kolz und
- die Richterin am Bundesgerichtshof Elf
werden als unbegründet verworfen.

Gründe:


1
Der Senat hat über eine Revision des Angeklagten zu entscheiden. Dieser meint, die Abgelehnten seien zu seinem Nachteil voreingenommen. Dies folge aus den Gründen einer ersten Revisionsentscheidung in dieser Sache, an der die abgelehnte Richterin und die abgelehnten Richter beteiligt waren.

I.


2
Das Landgericht Heilbronn sprach den Angeklagten mit Urteil vom 21. April 2006 vom Vorwurf des Mordes und des zweifachen Mordversuchs frei. Das landgerichtliche Urteil hob der 1. Strafsenat des Bundesgerichtshofs auf die Revision der Staatsanwaltschaft mit Urteil vom 22. Mai 2007 mit den Feststellungen auf.
3
Die Revision der Staatsanwaltschaft hatte mit der Sachrüge wegen rechtsfehlerhafter Beweiswürdigung Erfolg. Der Strafsenat führte dazu in seinem Urteil vom 22. Mai 2007 (Rdn. 17 bis 33) aus:
4
„Die Beweiswürdigung hält rechtlicher Prüfung nicht stand.
5
1. Spricht das Gericht einen Angeklagten frei, weil es Zweifel an seiner Täterschaft nicht zu überwinden vermag, so ist dies durch das Revisionsgericht in der Regel hinzunehmen. Es kommt nicht darauf an, ob das Revisionsgericht angefallene Erkenntnisse anders gewürdigt oder Zweifel überwunden hätte. Daran ändert sich nicht einmal dann etwas, wenn eine vom Tatrichter getroffene Feststellung 'lebensfremd' erscheinen mag. Es gibt im Strafprozess keinen Beweis des ersten Anscheins, der nicht auf der Gewissheit des Richters, sondern auf der Wahrscheinlichkeit eines Geschehensablaufs beruht.
6
Demgegenüber ist eine Beweiswürdigung etwa dann rechtsfehlerhaft , wenn sie schon von einem rechtlich unzutreffenden Ansatz ausgeht, z.B. hinsichtlich des Umfangs und der Bedeutung des Zweifelssatzes, wenn sie lückenhaft ist, namentlich wesentliche Feststellungen nicht erörtert , wenn sie widersprüchlich oder unklar ist, gegen Gesetze der Logik oder gesicherte Verfahrenssätze verstößt oder wenn an die zur Verurteilung erforderliche Gewissheit überspannte Anforderungen gestellt sind (st. Rspr., vgl. etwa BGH NJW 2005, 1727; BGH NStZ-RR 2003, 371; BGHR StPO § 261 Überzeugungsbildung 33, jew. m.w.N.).
7
2. Das Landgericht hat umfänglich und detailliert eine Vielzahl den Angeklagten belastender Indizien sowie die ihn entlastenden Umstände aufgelistet und gewürdigt. Die Abwägungen werden gleichwohl den vorstehenden Grundsätzen in mehrfacher Hinsicht nicht gerecht. Die Strafkammer hat bei der Gesamtwürdigung wichtige belastende Indizien nicht hinreichend einbezogen, denen sie für sich gesehen keinen 'zwingenden' Beweiswert beigemessen hat (Buchst. a). Sie sieht erhebliche konkrete Verdachtsmomente aufgrund nicht tragfähiger Hypothesen und bloß denktheoretischer Möglichkeiten als entwertet an (Buchst. b). Einzelne belastende Beweisanzeichen hat sie überhaupt nicht erörtert (Buchst. c).
Schließlich liegen Erörterungsmängel hinsichtlich entlastender Beweismittel vor (Buchst. d).
8
a) Die Strafkammer hatte zu prüfen, ob die beiden die Tat überlebenden Opfer, H. C. und T. M. den Angeklagten überzeugungskräftig als Täter identifiziert haben. Sie kam - sachverständig beraten - jeweils zu dem Ergebnis, dass sie wegen verbleibender Zweifel nicht feststellen könne, die Zeugen hätten den Angeklagten 'sicher' als Täter erkannt. Sie hat damit zwei wesentliche Beweisanzeichen für die Täteridentifikation einzeln unter Zugrundelegung des Zweifelssatzes als letztlich nicht überzeugend erachtet. Der Zweifelssatz, der eine Entscheidungs- und keine Beweisregel ist, darf jedoch nicht auf einzelne Indiztatsachen angewendet werden, sondern kann erst bei der Gesamtbetrachtung zum Tragen kommen (vgl. BGH NStZ 2001, 609 m.w.N.). Es ist deshalb zu besorgen, dass die Kammer nicht hinreichend bedacht hat, dass diese wichtigen Indizien, auch wenn sie sie - einzeln für sich betrachtet - nicht zum Nachweis der Täterschaft für ausreichend zu erachten vermochte, doch mit ihrem verbleibenden erheblichen Beweiswert in der Gesamtheit aller belastenden Indizien dem Gericht die entsprechende Überzeugung vermitteln könnten (st. Rspr., vgl. BGHR StPO § 261 Beweiswürdigung 2, 20 m.w.N.). Gerade angesichts der Häufung und gegenseitigen Durchdringung der den Angeklagten belastenden Umstände erscheint es möglich, dass die Kammer bei einer sachgerechten Gesamtschau die Überzeugung von der Täterschaft gewonnen hätte. Der formelhafte Hinweis, nach einer 'Auseinandersetzung mit allen für den Tathergang wesentlichen Umständen und Indizien' verblieben vernünftige Zweifel an der Täterschaft des Angeklagten, vermag die gebotene Gesamtwürdigung unter Gewichtung der einzelnen Beweise nicht zu ersetzen (vgl. BGH NStZ 1998, 475).
9
b) Das Landgericht lässt der molekulargenetisch untersuchten Blutspur aus dem Fahrzeug des Angeklagten insbesondere deshalb 'allenfalls Indizwirkung' zukommen, weil weder an den Kleidungsstücken des Angeklagten noch in seinem Fahrzeug weitere entsprechende Blutspuren festgestellt wurden. Die Kammer stellt ihre Erwägung unter den Vorbehalt, dass die betroffenen Kleidungsstücke des Angeklagten gewaschen oder beseitigt worden sein könnten. Entgegen ihrer Ankündigung (UA S. 97) ist sie auf diesen Vorbehalt aber nicht mehr eingegangen. Der Senat kann daher aufgrund dieser Lücke der Urteilsfeststellungen nicht prüfen, ob diese von der Strafkammer selbst als wesentlich angesehene Möglichkeit mit rechtsfehlerfreier Begründung ausgeschlossen wurde. Im Übrigen ändert die Tatsache, dass keine weiteren Blutspuren festgestellt wurden, grundsätzlich nichts an dem Beweiswert der tatsächlich gefundenen Spur mit ihrem molekulargenetisch festgestellten Aussagewert.
10
Weiterhin hat das Landgericht den Beweiswert des nach der Tat in einem Steinbruch abgebrannten Feuers in Frage gestellt, weil aus zeitlichen Gründen erhebliche Zweifel daran bestünden, dass es dem Angeklagten möglich gewesen sein könnte, das Feuer zu entzünden. Die Kammer hat sich jedoch bei dieser eher nachrangigen Frage den Blick dafür verstellt, dass in dem Brandschutt tatsächlich sowohl Reste von Gegenständen des Angeklagten als auch Reste eines Jagdgummistiefels der Marke Le Chameau gefunden wurden. Nimmt man hinzu, dass der Angeklagte zweimal ein Paar dieser wenig verbreiteten Stiefel erworben hatte, am Tattage Stiefel trug und dass die am Tatort gefundenen Abdruckfragmente von einem Stiefel der Marke Le Chameau stammen, wird auch hier deutlich, dass gerade in der Kombination dieser einzelnen Fakten ein besonderer Beweiswert liegt. Dem hat die Kammer nicht hinreichend Rechnung getragen, indem sie isoliert auf die Einzelindizien abgestellt hat. Wenn die Kammer im Übrigen angesichts des Umstandes, dass die Stiefelreste erst 13 Monate nach der Tat an der Brandstelle gefunden wurden, die Gefahr einer Manipulation durch Dritte in Rechnung stellt, wird nicht erkennbar, warum es sich dabei um mehr als eine nur theoretische Erwägung handeln könnte, die keinen realen Anknüpfungspunkt hat. Die Kammer stellt selbst fest (UA S. 166), dass der Stiefel verbrannt worden war, bevor die Öffentlichkeit über die Bedeutung von Stiefeln der Marke Le Chameau für das vorliegende Verfahren erfahren hatte.
11
c) Die Beweiswürdigung weist zudem Lücken auf.
12
Allerdings können und müssen die Gründe auch eines freisprechenden Urteils nicht jeden irgendwie beweiserheblichen Umstand ausdrücklich würdigen. Das Maß der gebotenen Darlegung hängt von der jeweiligen Beweislage und insoweit von den Umständen des Einzelfalles ab. Dieser kann so beschaffen sein, dass sich die Erörterung bestimmter einzelner Beweisumstände erübrigt. Um einen solchen Fall handelt es sich hier aber nicht. Das Tatgericht hat vielmehr auf Freispruch erkannt, obwohl eine Fülle erheblicher Belastungsindizien vorlag. Bei solcher Sachlage muss es in seine Beweiswürdigung und deren Darlegung alle wesentlichen für und gegen den Angeklagten sprechenden Umstände und Erwägungen einbeziehen und in einer Gesamtwürdigung betrachten (vgl. BGH NStZ-RR 2002, 338 m.w.N.). Dem wird das angefochtene Urteil trotz der umfangreichen Beweiserwägungen nicht gerecht:
13
Die Würdigung der Belastungsindizien erstreckt sich zum einen nicht auf den Umstand, dass der Angeklagte nach mehreren mit Nachdruck ausgesprochenen Mahnungen des Filialleiters der Volksbank selbst davon ausging, bis spätestens zu dem von ihm als 'Endtermin' angesehenen 7. Oktober 2004 - dem Tattag - eine größere Summe einzahlen zu müssen.
14
Darüber hinaus ist nicht erkennbar in die Beweiswürdigung einbezogen , dass die Tatbeute 15 Scheine im Wert von je 500 € enthielt und der Angeklagte bei der Volksbank 14 Scheine in diesem Wert eingezahlt hat. Der Angeklagte will das eingezahlte Geld in nebenher durchgeführten Schwarzgeldgeschäften - Verkauf von Wild und Ausschlachtungsarbeiten auf einer staatlichen Liegenschaft - verdient haben. Es erscheint nicht ohne weiteres plausibel, dass er aus diesen Geschäften weit überwiegend allein 500-Euro-Scheine erlangt hat.
15
Nicht erörtert ist auch - gerade vor dem Hintergrund der von der Strafkammer erörterten These, ein Fremder hätte die Bank überfallen können -, dass es dem nicht maskierten Täter darum ging, die in der Bank anwesenden Personen zu töten, und er zu diesem Zweck sogar die Eheleute C. vom Eingangsbereich zurück in den Kundenraum drängte, um sie dort geradezu hinrichtungsartig zu töten. Dies legt den erörterungsbedürftigen Schluss sehr nahe, dass die Opfer den Täter gekannt haben und dieser von seiner Identifizierung ausgehen musste, wenn sie am Leben blieben.
16
d) Von der Zuverlässigkeit der Aussage des Alibizeugen B. - dem zentralen Entlastungsbeweismittel - hat sich das Landgericht in einer für den Senat nicht nachprüfbaren Weise vorschnell überzeugt. Daher hat es auch dessen Zeitangabe bei der Abwägung mit den übrigen Beweisanzeichen rechtsfehlerhaft als bereits feststehend behandelt.
17
aa) Das Landgericht hält die Angabe des Zeugen B. für glaubhaft, er habe den Angeklagten mit seinem Fahrzeug um exakt 13.54 Uhr gesehen , als dieser - aus der L.gasse kommend - nach rechts stadtauswärts abgebogen sei. Die Zeitangabe habe der Zeuge deshalb so präzise machen können, weil er dabei von seinem Hofeingangsbereich aus auf die katholische Kirchturmuhr gesehen habe, die er immer kontrolliere. Wäre diese Zeitangabe des Zeugen auf die Minute genau zuverlässig, dann wäre es - wie das Landgericht ausgehend von dieser Prämisse zu Recht folgert - dem Angeklagten in der Tat zeitlich nicht möglich gewe- sen, vor dem Eintreffen der Eheleute C. um 13.55 Uhr die Bank zu betreten und es wäre auch ausgeschlossen, dass der Angeklagte zu dem davor liegenden Zeitpunkt, als der Bankangestellte M. die Bank betrat, schon an der Bank gewesen sein konnte.
18
bb) Von dem Blick auf die Kirchturmuhr hat der Zeuge in der Hauptverhandlung berichtet, jedoch ergibt sich aus dem Urteil nicht, wie er sich dazu bei seinen polizeilichen Vernehmungen geäußert hatte. Das Landgericht bewertet die Aussageentstehung jedenfalls dahin, dass 'keine gravierenden Widersprüche hinsichtlich seiner Angaben in der Hauptverhandlung und bei seinen polizeilichen Vernehmungen' vorhanden seien.
19
Ob diese Bewertung zutrifft, kann der Senat anhand der Urteilsausführungen (vgl. UA S. 144 ff.) nicht überprüfen: Bei seiner ersten Befragung am 8. Oktober 2004 (dem Tag nach der Tat) hatte der Zeuge offenbar nur bekundet, er sei 'kurz vor zwei' losgefahren; dass er den Angeklagten zuvor gesehen habe, scheint er nicht erwähnt zu haben ('Ansonsten sei ihm im Bereich der Sparkasse nichts aufgefallen.'). Bei der zweiten Vernehmung, am Vormittag des 9. Oktober 2004, berichtete er davon, den Angeklagten 'fünf bis sechs Minuten vor 14.00 Uhr' gesehen zu haben. Bei seiner dritten Vernehmung, am Nachmittag dieses Tages, präzisierte er den Zeitpunkt auf 13.54 Uhr. Unklar bleibt danach, ob, wann und wie der Zeuge bei diesen polizeilichen Vernehmungen seine Erinnerung mit dem Blick auf die Kirchturmuhr begründet oder den Zeitpunkt, zu dem er den Angeklagten sah, gar anderweitig rekonstruiert hat (etwa allein durch den mitgeteilten Blick auf die Küchenuhr um 13.45 Uhr).
20
cc) Bei der zentralen Bedeutung der Aussage des Entlastungszeugen B. hätte die Aussageentstehung - offenbar von einer zunächst vagen zu einer schließlich ganz präzisen Zeitangabe - näherer Wiedergabe und Erörterung bedurft. Es erscheint nämlich eher fern liegend, dass der zeitnah zur Tat vernommene Zeuge eine derart markante Besonderheit - wie den Kontrollblick auf die Kirchturmuhr - zunächst nicht erwähnt, obwohl es schon bei der ersten Befragung auf minutengenaue Zeitangaben angekommen war. Danach kommt ernsthaft in Betracht, dass der Zeuge, der sich darauf festgelegt hat, dass der Angeklagte nicht der Täter sein könne (UA S. 147), sich nicht konkret an die Uhrzeit erinnert , sondern diesen Zeitpunkt lediglich rekonstruiert hat.
21
Wegen dieses Erörterungsmangels besorgt der Senat, dass das Landgericht die - möglicherweise nur scheinbar präzise - Zeitangabe des Zeugen B. allein aufgrund dessen eigener Aussage, also vorschnell und damit rechtsfehlerhaft, als feststehenden zeitlichen Fixpunkt im Beweisgebäude angesehen hat. Die Frage, ob die Zeitangabe des Zeugen B. zur Überzeugung des Landgerichts zuverlässig war, durfte vielmehr erst im Rahmen der abschließenden Gesamtschau mit den übrigen Beweisanzeichen beantwortet werden. Wäre dies geschehen, dann ist nicht auszuschließen, dass die Alibibekundung des Zeugen B. als nicht hinreichend zuverlässig eingestuft worden wäre. In diesem Fall wäre es dem Angeklagten zeitlich doch möglich gewesen, die Tat zu begehen.“
22
Der Senat verwies die Sache an eine Schwurgerichtskammer des Landgerichts Stuttgart zurück. Dieses hat den Angeklagten nach erneuter Hauptverhandlung am 10. April 2008 wegen Mordes in Tateinheit mit räuberischer Erpressung , mit zweifachem Mordversuch und mit zweifacher gefährlicher Körperverletzung zu lebenslanger Freiheitsstrafe unter der Feststellung besonderer Schuldschwere verurteilt. Hiergegen revidiert nunmehr der Angeklagte.
23
Darüber haben nach dem GVG, dem Geschäftsverteilungsplan des Bundesgerichtshofs und dem internen Geschäftsverteilungsplan des 1. Strafsenats im Grundsatz dieselben Richter zu befinden, die bereits die erste Revisionsentscheidung getroffen haben, soweit nicht Hinderungsgründe, wie etwa Eintritt in den Ruhestand, Urlaub oder Krankheit, zum Entscheidungszeitpunkt entgegenstehen. Nach dem Eintritt von Richter am Bundesgerichtshof Dr. Boetticher, der ebenfalls am Senatsurteil vom 22. Mai 2007 mitwirkte, in den Ruhestand sind dies aus gegenwärtiger Sicht die verbleibenden vier mit der Sache vorbefassten Senatsmitglieder, gegen die sich die Befangenheitsanträge richten. Hinzu tritt dann ein weiteres Senatsmitglied.

II.



24
Zur Besorgnis der Befangenheit wird vorgetragen:
25
Als der Beschuldigte über die voraussichtliche Mitwirkung der vier vorbefassten Senatsmitglieder bei der Entscheidung über seine Revision erfahren habe, habe er dies mit der resignierenden Bemerkung quittiert, dass man deren Meinung dazu, ob er der Täter sei, doch bereits kenne. Dies wird von der Verteidigung dann mit der Bewertung der Beweiswürdigung des Landgerichts im Hinblick auf die Aussage des Zeugen B. im Urteil des Senats vom 22. Mai 2007 begründet:
26
Die Verteidigung habe zwar versucht, dem Angeklagten zu erklären, weshalb er - unter revisionsrechtlichen Gesichtspunkten - zu Unrecht über den Senat verärgert sei. Damit sei sie gescheitert. "Selbst wenn man es für zulässig hält, die Inhalte der" - im Rahmen von Verfahrensrügen dem Senat zur Kenntnis gebrachten - "polizeilichen Vernehmungen zu verwerten, ist es der Verteidigung nicht möglich, dem Angeklagten zu erklären, weshalb der Senat zum Befund kommen konnte, dass es bereits bei der ersten Befragung auf die minutengenaue Zeitangabe (und den Blick auf die Kirchturmuhr) angekommen war (oben unter cc). Eine solche Bewertung stand dem Senat - als Revisionsge-richt - nicht zu. Sie ist überdies falsch". Nach weiteren Ausführungen hierzu kommt die Verteidigung zu dem Schluss: "Daher ist es dem Angeklagten nicht abzusprechen , dass er der Ansicht ist, die von ihm abgelehnten Richter seien ihm nicht mehr neutral entgegengetreten, sondern hätten sich bereits im ersten Revisionsverfahren festgelegt, dass der Zeuge B. nicht zu seiner Entlastung heranzuziehen sei".
27
Ergänzend führt die Verteidigung mit Schriftsatz vom 30. Oktober 2008 im Hinblick auf die Stellungnahmen des Generalbundesanwalts vom 23. Oktober 2008 u.a. noch aus:
28
"Hätten sich die abgelehnten Richter im Rahmen der ersten Revisionsentscheidung darauf beschränkt eine eigene Beweiswürdigung vorzunehmen, so wäre das sicherlich 'lediglich' ein Rechtsfehler. Hätten die abgelehnten Richter die Beweise zudem noch fehlerhaft gewürdigt, so könnte man auch insoweit noch daran denken, dass es 'nur' ein (tatsächlicher) Fehler ist.
29
Diese Fehler bilden aber nur den Auftakt. Die Komposition erreicht ihren Höhepunkt, wenn die abgelehnten Richter dem Instanzgericht eine Beweiswürdigung ans Herz legen, der ein Denkfehler innewohnt. Ein Denkfehler, der nicht nur ein Fehler ist, sondern zeigt, welch Geistes Kind derjenige ist, der ihn formuliert : Der Zeuge B. musste bei seiner ersten Aussage den Angeklagten nur dann mit dem Bankraub in Verbindung bringen, wenn er gewusst hätte oder davon ausgegangen wäre, dass der Angeklagte derTäter ist oder sein soll. Das konnte der Zeuge B. zu diesem Zeitpunkt aber nicht wissen. Ihm zuzuschreiben , dass er es aber hätte wissen oder vermuten müssen, kann nur, wer selbst davon ausgeht, dass der Angeklagte der Täter ist".

III.


30
Die Befangenheitsanträge sind unbegründet. Es liegen keine Gründe vor, die geeignet sind, Misstrauen in die Unparteilichkeit des Vorsitzenden Richters am Bundesgerichtshof Nack, der Richter am Bundesgerichtshof Dr. Wahl und Dr. Kolz sowie der Richterin am Bundesgerichtshof Elf zu rechtfertigen (§ 24 Abs. 2 StPO).
31
a) Eine den Verfahrensgegenstand berührende Vortätigkeit eines Richters ist, soweit kein gesetzlicher Ausschließungsgrund vorliegt (vgl. § 22 Nr. 4, 5, § 23, § 148a Abs. 2 Satz 1 StPO), für sich allein nie ein Ablehnungsgrund (vgl. BGH, Beschl. vom 9. März 2000 - 4 StR 513/99; BVerfG [1. Kammer des 2. Senats], Beschl. vom 29. März 2007 - 2 BvR 412/07; EGMR [Fünfte Sektion, Kammer], Urt. vom 10. August 2006 - 75737/01 - Schwarzenberger ./. Deutschland ). Auch "ein Richter, der bei einer vom Revisionsgericht aufgehobenen Entscheidung mitgewirkt hat, ist nach Zurückweisung der Sache weder kraft Gesetzes von der Mitwirkung bei der neuen Entscheidung ausgeschlossen, noch rechtfertigt seine Mitwirkung bei der früheren Entscheidung für sich allein die Ablehnung wegen Besorgnis der Befangenheit" (BGH, Urt. vom 9. September 1966 - 4 StR 261/66 [= BGHSt 21, 142]; vgl. auch EGMR, Urteile [Kammer] vom 16. Juli 1971 - Ringeisen ./. Österreich - Ser. A, Bd. 13, S. 40 Nr. 97 und vom 26. September 1995 - 25/1994/472/553 - Diennet ./. Frankreich - Ser. A, Bd. 325-A, S. 16, Nr. 38). Denn ein verständiger Angeklagter wird von der (zutreffenden ) Erwägung ausgehen, dass ein Richter sich auf Grund der ihm nach seiner Stellung, Erziehung und Ausbildung eigenen Haltung von Befangenheit frei hält und sich nicht durch dienstliche Vorentscheidungen bei künftigen Entscheidungen , namentlich dem Urteil, beeinflussen lässt (Siolek in Löwe/Rosenberg , StPO 26. Aufl. § 24 Rdn. 40 m.w.N.). Ein Befangenheitsantrag, der lediglich damit begründet wird, der Richter sei an einer Vorentscheidung zu Lasten des Angeklagten beteiligt gewesen, ist deshalb schon unzulässig gemäß § 26a Abs. 1 Nr. 2 StPO (BGH, Beschl. vom 10. August 2005 - 5 StR 180/05 [= BGHSt 50, 216, 221]).
32
Hat sich ein Richter im früheren Verfahren sachlich verhalten, so rechtfertigen auch Prozessverstöße oder Fehler bei der Anwendung des materiellen Rechts grundsätzlich nicht die Annahme seiner Voreingenommenheit gegenüber dem Angeklagten (vgl. BGH, Beschl. vom 18. Mai 1994 - 3 StR 628/93).
33
Eine andere Beurteilung ist dann geboten, wenn darüber hinaus die Unparteilichkeit eines abgelehnten, mit der Sache vorbefassten Richters aufgrund von - das Gebot der Sachlichkeit verletzenden - Äußerungen, Maßnahmen oder Verhalten in Zweifel zu ziehen ist. Ebenso können in der Sache nicht gebotene abträgliche Werturteile über den Angeklagten oder sein Verhalten in den Urteilsgründen die Ablehnung in einem späteren Verfahren rechtfertigen (BGH, Beschl. vom 27. April 1972 - 4 StR 149/72 [= BGHSt 24, 336, 338]). Auch grobe , insbesondere objektiv willkürliche oder auf Missachtung grundlegender Verfahrensrechte von Prozessbeteiligten beruhende Verstöße gegen das Verfahrensrecht können aus der Sicht eines Angeklagten die Befangenheit eines Richters begründen (BGH, Beschl. vom 4. Oktober 1984 - 4 StR 429/84).
34
Dabei ist die subjektive Sicht des Angeklagten nicht ausschlaggebend. Auf einen objektiven Maßstab kann nicht verzichtet werden, wie schon aus dem Begriff (das Misstrauen) "rechtfertigen" in § 24 Abs. 2 StPO folgt. Abzustellen ist auf die verständige, die vernünftige Würdigung aller Umstände (vgl. BGH, Urt. vom 9. Februar 1951 - 3 StR 48/58 [= BGHSt 1, 34, 39]; BGH, Urt. vom 10. November 1967 - 4 StR 512/66 [= BGHSt 21, 334, 341]). Es kommt darauf an, dass die Befürchtung [der Befangenheit] objektiv gerechtfertigt ist (EGMR [Fünfte Sektion, Kammer] Urt. vom 10. August 2006 - 75737/01 - Schwarzenberger ./. Deutschland).
35
b) Von diesen Grundsätzen geht wohl auch die Verteidigung aus. Damit ist aber selbst aus deren Sicht die Ablehnung der Senatsmitglieder, die an der ersten Revisionsentscheidung mitwirkten, wegen Besorgnis der Befangenheit nicht gerechtfertigt, wenn sie - zutreffend - anmerkt, unter revisionsrechtlichen Gesichtspunkten sei der Angeklagte zu Unrecht über den Senat verärgert. Darauf , dass dies dem Mandanten nicht zu vermitteln war, kommt es nicht an.
36
c) Darüber hinaus kann den inhaltlichen Ausführungen zu den Gründen des Urteils des Senats vom 22. Mai 2007 und deren Bewertungen seitens der Verteidigung nicht gefolgt werden.
37
Der Senat befand ausweislich dieser Urteilsgründe weder direkt noch indirekt , auch nicht andeutungsweise, über die Schuld oder Unschuld des Angeklagten. Ebenso wenig gab der Senat dem Tatgericht Hinweise, auch keine versteckten, dazu, ob oder in welchem Umfang die Angaben des Zeugen B. vom Tatrichter letztlich als zuverlässig angesehen werden können. Der Senat nahm weder eine eigene Beweiswürdigung vor, noch legte er dem neuen Tatgericht eine bestimmte Beweiswürdigung "ans Herz". Der Senat sah lediglich revisionsrechtliche Mängel in der Beweiswürdigung der Strafkammer. Diese sei schon deshalb lückenhaft, da sie wesentliche Indizien zum Nachteil des Angeklagten außer Betracht gelassen habe. Unter Verkennung des Grundsatzes "in dubio pro reo" habe das Landgericht diesen schon auf einzelne belastende Indizien angewendet, statt dies erst am Schluss einer Gesamtbetrachtung in Erwägung zu ziehen. In der Konsequenz fehle es an einer Gesamtwürdigung aller für und gegen den Angeklagten sprechenden Gesichtspunkte. Die Strafkammer habe deshalb vorschnell allein auf die - den Angeklagten entlastende - Angabe des Zeugen B. zum genauen Zeitpunkt seiner Beobachtung des vorbeifahrenden Angeklagten abgestellt, die eine Täterschaft des Angeklagten aus- schließt. Dabei fehle es - eine weitere Lücke in der Beweiswürdigung - hinsichtlich dieser Angaben an einer - revisionsrechtlicher Überprüfung zugänglichen - Darstellung der Aussageentwicklung während des Verfahrens - "offenbar von einer zunächst vagen zu einer schließlich ganz präzisen Zeitangabe" -, die ebenfalls in die Gesamtwürdigung hätte einbezogen werden müssen. Diese Erwägungen des Senats sind weder fehlerhaft, beinhalten insbesondere keinen "Denkfehler", noch ist dem Senat ein Irrtum unterlaufen und schon gar nicht hat der Senat eine "Komposition" gefertigt.
38
Vielmehr irrt der Antragsteller, wenn er meint, den Gründen des Senatsurteils entnehmen zu können, der Senat habe festgeschrieben, die Zeitangabe des Zeugen B. in der Hauptverhandlung vor dem Landgericht Heilbronn sei unzuverlässig. Zwar führte der Senat aus, es erscheine fern liegend, dass der kurz nach der Tat vernommene Zeuge eine derart markante Besonderheit - wie den Kontrollblick auf die Kirchturmuhr - zunächst nicht erwähnt, obwohl es schon bei der ersten Befragung auf minutengenaue Zeitangaben angekommen sei, und es komme deshalb ernsthaft in Betracht, dass der Zeuge, da er sich nach den Feststellungen im Urteil des Landgerichts Heilbronn darauf festgelegt habe, dass der Angeklagte nicht der Täter sein könne, sich nicht konkret an die Uhrzeit erinnert, sondern diesen Zeitpunkt lediglich rekonstruiert habe. Damit hat der Senat aber nicht "festgelegt, dass der Zeuge B. nicht zu seiner [des Angeklagten] Entlastung heranzuziehen sei". Der Senat hatte lediglich zu prüfen , ob das Urteil des Landgerichts Heilbronn - ausgehend von den darin getroffenen Feststellungen - auf der fehlerhaften Beweiswürdigung beruht (§ 337 Abs. 1 StPO), d.h. ob das Landgericht Heilbronn bei Vermeidung der Rechtsfehler möglicherweise eine andere Entscheidung getroffen hätte. Und das komme - so der Senat - "ernsthaft in Betracht". Mehr beinhaltet diese Passage nicht. Sie steht insbesondere einer unbefangenen Prüfung bei der neuerlichen Urteilsfindung nicht entgegen.
39
d) Die Befangenheitsanträge sind nach allem unbegründet. Hebenstreit Graf Jäger Schäfer Sander

(1) Ein Richter, der bei einer durch ein Rechtsmittel angefochtenen Entscheidung mitgewirkt hat, ist von der Mitwirkung bei der Entscheidung in einem höheren Rechtszug kraft Gesetzes ausgeschlossen.

(2) Ein Richter, der bei einer durch einen Antrag auf Wiederaufnahme des Verfahrens angefochtenen Entscheidung mitgewirkt hat, ist von der Mitwirkung bei Entscheidungen im Wiederaufnahmeverfahren kraft Gesetzes ausgeschlossen. Ist die angefochtene Entscheidung in einem höheren Rechtszug ergangen, so ist auch der Richter ausgeschlossen, der an der ihr zugrunde liegenden Entscheidung in einem unteren Rechtszug mitgewirkt hat. Die Sätze 1 und 2 gelten entsprechend für die Mitwirkung bei Entscheidungen zur Vorbereitung eines Wiederaufnahmeverfahrens.

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
4 StR 275/09
vom
12. November 2009
in der Strafsache
gegen
wegen Geldfälschung u.a.
Der 4. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat in der Sitzung vom 12. November
2009, an der teilgenommen haben:
Vorsitzende Richterin am Bundesgerichtshof
Dr. Tepperwien,
Richter am Bundesgerichtshof
Maatz,
Athing,
Richterin am Bundesgerichtshof
Solin-Stojanović,
Richter am Bundesgerichtshof
Dr. Mutzbauer
als beisitzende Richter,
Bundesanwältin
als Vertreterin der Bundesanwaltschaft,
Rechtsanwalt
als Verteidiger,
Justizhauptsekretärin
als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle,

für Recht erkannt:
1. Die Revision des Angeklagten gegen das Urteil des Landgerichts Essen vom 19. Februar 2009 wird mit der Maßgabe verworfen, dass der Schuldspruch dahin geändert wird, dass der Angeklagte der Geldfälschung in vier Fällen, der Beihilfe zur Geldfälschung in zwei Fällen und der Urkundenfälschung in zehn Fällen schuldig ist.
2. Der Angeklagte hat die Kosten seines Rechtsmittels zu tragen.
Von Rechts wegen

Gründe:


1
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen Geldfälschung in vier Fällen , Beihilfe zur Geldfälschung in drei Fällen und wegen Urkundenfälschung in zehn Fällen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von vier Jahren und sechs Monaten verurteilt. Ferner hat es den Verfall des Wertersatzes in Höhe von 2.000 Euro angeordnet. Mit seiner Revision rügt der Angeklagte die Verletzung formellen und materiellen Rechts.
2
Das Rechtsmittel des Angeklagten führt lediglich zu einer Änderung des Schuldspruchs; im Übrigen ist es unbegründet.

I.


3
Die Rüge, bei dem Urteil hätten Richter und Schöffen mitgewirkt, nachdem sie wegen Besorgnis der Befangenheit abgelehnt waren und das Ablehnungsgesuch mit Unrecht verworfen worden war, hat keinen Erfolg.
4
1. Der Rüge liegt folgendes Verfahrensgeschehen zu Grunde:
5
Im Hauptverhandlungstermin am 17. Oktober 2008 wurde der Zeuge C. vom Vorsitzenden über sein Auskunftsverweigerungsrecht gemäß § 55 StPO belehrt. Ausweislich der Sitzungsniederschrift wurde der Zeuge vom Vorsitzenden darauf hingewiesen, dass er für den Fall, dass er beabsichtige, als Angeklagter im eigenen Verfahren Angaben zur Sache machen zu wollen, damit rechnen müsse, dass es bei der Beurteilung der Glaubhaftigkeit seiner Angaben deshalb zu Problemen kommen könne, weil er vorher, als Zeuge unter Wahrheitspflicht stehend , keine Angaben gemacht habe.
6
Der Verteidiger des Angeklagten und die Verteidiger der Mitangeklagten beanstandeten diese Belehrung. Diese Beanstandung wies die Strafkammer "als unzulässig" zurück, weil die Belehrung nicht ermessensfehlerhaft erfolgt sei. Der Angeklagte lehnte daraufhin den Vorsitzenden und die übrigen Mitglieder der Strafkammer, diese wegen der Zurückweisung der Beanstandung der Belehrung, wegen Besorgnis der Befangenheit ab. Aus der Belehrung werde deutlich, dass der Vorsitzende den Zeugen trotz vorher eindeutig erklärter Auskunftsverweigerung zu einer den Angeklagten belastenden Aussage habe bewegen wollen. Zudem hätte der Vorsitzende dem Zeugen, der sein Auskunfts- verweigerungsrecht auf Rat seines Verteidigers ausgeübt habe, bei Hinwirkung auf eine Aussage die Möglichkeit geben müssen, seinen Verteidiger als Rechtsbeistand hinzuzuziehen. Dass er dies unterlassen habe, begründe ebenfalls Zweifel an seiner Objektivität und Unparteilichkeit.
7
Die Ablehnungsgesuche des Angeklagten gegen den Vorsitzenden, den Beisitzer und die Schöffen wies die Strafkammer ohne Mitwirkung der abgelehnten Richter nach Einholung dienstlicher Äußerungen des Vorsitzenden, des Beisitzers und der Schöffen als unbegründet zurück. Die beanstandete Belehrung des Zeugen durch den Vorsitzenden rechtfertige nicht ein Misstrauen gegen die Unparteilichkeit des Richters, ohne dass es darauf ankäme, inwieweit tatsächlich die Berufung auf ein Auskunftsverweigerungsrecht durch einen Zeugen Bedeutung in einem späteren, gegen den Zeugen geführten Strafprozess haben könne. Vorliegend sei aus der Sicht eines vernünftigen Angeklagten ein Misstrauen gegen die Unparteilichkeit des Vorsitzenden schon deshalb nicht gerechtfertigt, weil der Zeuge, worauf sowohl der Vorsitzende als auch der Beisitzer in ihren jeweiligen dienstlichen Äußerungen unwidersprochen hingewiesen hätten, im vorangegangenen Ermittlungsverfahren noch nicht ausgesagt habe. Es könne dahinstehen, ob die Auffassung des Angeklagten und des Mitangeklagten M. zutreffe, der Hinweis habe jedenfalls nicht erfolgen dürfen , ohne dass der Zeuge sich mit seinem Anwalt, der ihm zur Ausübung des Auskunftsverweigerungsrechts geraten hatte, habe abstimmen können. Hierdurch werde der Rechtskreis des Angeklagten nicht berührt, sondern allenfalls derjenige des Zeugen. Auch gegen den Beisitzer und die Schöffen sei die Besorgnis der Befangenheit nicht begründet, weil der die Beanstandung der Zeugenbelehrung zurückweisende Kammerbeschluss zu Recht ergangen sei.
8
2. Es bestehen bereits Bedenken gegen die Zulässigkeit der Rüge, weil die beanstandete Belehrung des Zeugen durch den Vorsitzenden lediglich inhaltlich verkürzt, nicht aber in ihrem protokollierten Wortlaut mitgeteilt wird. Die Zulässigkeit kann hier jedoch dahinstehen, weil die Rüge jedenfalls unbegründet ist.
9
Die gegen die Mitglieder der Strafkammer gerichteten Ablehnungsgesuche sind nicht mit Unrecht verworfen worden:
10
a) Misstrauen in die Unparteilichkeit eines Richters ist dann gerechtfertigt , wenn der Ablehnende bei verständiger Würdigung des ihm bekannten Sachverhalts Grund zu der Annahme hat, der Richter nehme ihm gegenüber eine innere Haltung ein, die seine Unparteilichkeit und Unvoreingenommenheit störend beeinflussen kann (vgl. Meyer-Goßner StPO 52. Aufl. § 24 Rdn. 6, 8 m.w.N.).
11
Entgegen der Auffassung der Revision kann sich ein solches Misstrauen in die Unvoreingenommenheit eines Vorsitzenden grundsätzlich nicht daraus ergeben, dass er einen Zeugen, der berechtigt von seinem Auskunftsverweigerungsrecht Gebrauch gemacht hat, ergänzend belehrt. Zwar kann ein Zeuge, dem ein Auskunftsverweigerungsrecht gemäß § 55 StPO zusteht, nach seinem eigenen freien Ermessen darüber entscheiden, ob er hiervon Gebrauch machen will. Dies schließt es jedoch nicht aus, dass der Richter einen Zeugen im Rahmen der gemäß § 55 Abs. 2 StPO gebotenen Belehrung über Umstände unterrichtet , die für die vom Zeugen zu treffende Entscheidung von Bedeutung sein können (vgl. BGHSt 21, 12, 13 zu § 52 StPO; BGH, Urteil vom 30. Juni 1988 - 1 StR 150/88, BGHR StPO § 52 Abs. 3 Satz 1 Belehrung 2).
12
Allerdings war die Belehrung des Zeugen, er könne im Falle der Auskunftsverweigerung in dem gegen ihn gerichteten Verfahren Probleme bekommen , unzutreffend. Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs ist es unzulässig, Schlüsse zum Nachteil des Angeklagten daraus zu ziehen, dass dieser sich als Zeuge in einem anderen, den gleichen Tatkomplex betreffenden Strafverfahren auf das Auskunftsverweigerungsrecht nach § 55 StPO berufen hat, wenn er sich – wie hier - bis zur Verweigerung der Auskunft nicht zur Sache geäußert hatte (BGHSt 38, 302, 305). Dass ein Richter eine unzutreffende Rechtsmeinung geäußert hat, rechtfertigt jedoch in der Regel nicht die Annahme der Befangenheit. Verfahrensverstöße, die auf einem Irrtum oder auf einer unrichtigen Rechtsansicht beruhen, stellen grundsätzlich keinen Ablehnungsgrund dar. Zwar gilt dieser Maßstab dann nicht, wenn die vom Richter geäußerte Rechtsauffassung abwegig ist oder sogar den Anschein der Willkür erweckt (vgl. BGHSt 48, 4, 8; Meyer-Goßner aaO § 24 Rn. 8 m.w.N.). Hierfür bestehen aber im vorliegenden Fall keine Anhaltspunkte. Dass der Vorsitzende den Zeugen durch seine Belehrung gezielt zu einer für den Angeklagten nachteiligen Aussage drängen wollte, musste für einen verständigen Angeklagten schon deshalb fern liegen, weil der Zeuge im Ermittlungsverfahren nicht ausgesagt und den Angeklagten somit gerade nicht belastet hatte. Welchen Inhalt seine Aussage haben würde, war daher noch offen. Besonderheiten, wie sie in der vom Generalbundesanwalt in seiner Antragsschrift angeführten Entscheidung BGHSt 1, 34 im Fall einer nach § 52 StPO zeugnisverweigerungsberechtigten Ehefrau gegeben waren, liegen hier nicht vor.
13
b) Misstrauen in die Unvoreingenommenheit des Vorsitzenden kann sich auch nicht daraus ergeben, dass er dem Zeugen nicht die Hinzuziehung seines Verteidigers als Zeugenbeistand ermöglicht hat, die der Zeuge im Übrigen auch nicht verlangt hatte. Wie das Auskunftsverweigerungsrecht gemäß § 55 StPO dient auch das Recht eines Zeugen, in einem solchen Fall einen Beistand hinzuzuziehen , allein dem Schutz des Zeugen, nicht aber auch dem des Angeklagten (vgl. BGHSt 11, 213, 216/217 [GSSt]; Meyer-Goßner aaO § 55 Rn. 1 m.w.N.).

II.


14
1. Der Senat hat das Verfahren in der Hauptverhandlung auf Antrag des Generalbundesanwalts durch Beschluss gemäß § 154 Abs. 2 StPO eingestellt, soweit der Angeklagte im Fall II. 1 d der Urteilsgründe wegen Beihilfe zur Geldfälschung verurteilt worden ist. Dies führt zur entsprechenden Änderung des Schuldspruchs und zum Wegfall der wegen dieser Tat verhängten Einzelfreiheitsstrafe von neun Monaten.
15
2. Die Überprüfung des Urteils auf die Sachrüge hat im Übrigen keinen Rechtsfehler zum Nachteil des Angeklagten ergeben. Der näheren Erörterung bedarf nur Folgendes:
16
a) Entgegen der Auffassung der Revision ist auch die Annahme von Urkundenfälschung in der Form des mittäterschaftlich und gewerbsmäßig begangenen Herstellens einer unechten Urkunde (§ 267 Abs. 1 und 3 Nr. 1 StGB) durch die rechtsfehlerfrei getroffenen Feststellungen hinreichend belegt. Dass der Angeklagte nicht eigenhändig bei der Herstellung der unechten Urkunden mitgewirkt hat, steht seiner mittäterschaftlichen Beteiligung nicht von vornherein entgegen. Die Tatbestandsvariante des Herstellens einer unechten Urkunde ist kein eigenhändiges Delikt. Demgemäß kommt auch eine Beteiligung des Auftraggebers als Mittäter an der Herstellung der unechten Urkunden durch einen Anderen in Betracht (vgl. BGH, Beschluss vom 18. November 1988 - 3 StR 481/88, BGHR StGB § 267 Abs. 1 Gebrauchmachen 1; MünchKommStGB/Erb § 267 Rn. 213; Cramer/Heine in Schönke/Schröder StGB 27. Aufl. § 267 Rn. 97). Soweit die Revision darauf verweist, dass dem Angeklagten nach den Feststellungen nicht bekannt war, wer die bei Salvatore M. bestellten Falsifikate anfertigen würde, steht dies der Annahme der Mittäterschaft nicht entgegen. Vielmehr können mehrere eine Tat auch dann gemeinschaftlich begehen , wenn sie einander nicht kennen, sofern sich jeder bewusst ist, dass andere mitwirken und alle im bewussten und gewollten Zusammenwirken handeln (vgl. RGSt 58, 279; Cramer/Heine in Schönke/Schröder aaO § 25 Rn. 71 und § 267 Rn. 97; Schünemann in LK 12. Aufl. § 25 Rn. 173). Das Landgericht hat die Beteiligung des Angeklagten an der Herstellung der unechten Urkunden durch "die Fälscher in Italien" als Mittäterschaft gewertet, weil er mit der Weiterleitung der Personalien und der Passfotos einen unentbehrlichen Tatbeitrag zur Anfertigung der Falsifikate geleistet und wegen des erhofften finanziellen Vorteils aus der Veräußerung der Falsifikate ein erhebliches eigenes Interesse an der Durchführung gehabt habe. Ob der Senat der engen Auffassung, dass diese Kriterien allein für die Annahme mittäterschaftlichen Herstellens einer unechten Urkunde nicht ausreichen (vgl. BGH, Beschluss vom 30. Oktober 2008 - 3 StR 156/08 Rn. 9), in dieser Allgemeinheit folgen würde, muss hier nicht entschieden werden; denn im vorliegenden Fall war das Zusammenwirken zwischen dem Angeklagten, dem Vermittler und dem Fälscher von vornherein auf eine dauerhafte arbeitsteilige Zusammenarbeit im Hinblick auf bereits verfügbares Fälschungsmaterial gerichtet. Unter diesen Voraussetzungen hält sich die Wertung des Landgerichts innerhalb des dem Tatrichter zustehenden Beurteilungsspielraums (vgl. BGHSt 47, 384, 385).
17
b) Die Gesamtfreiheitsstrafe kann trotz des Wegfalls der im Fall II. 1 d der Urteilsgründe verhängten Einzelstrafe bestehen bleiben. Angesichts der verbleibenden 16 Einzelfreiheitsstrafen (Einsatzstrafe: zwei Jahre sechs Monate Freiheitsstrafe) und des bei der Bildung der Gesamtstrafe vorgenommenen straffen Zusammenzuges schließt der Senat aus, dass das Landgericht ohne die in dem eingestellten Fall verhängte Einzelstrafe zu einer noch niedrigeren Gesamtstrafe gelangt wäre. Tepperwien Maatz Athing Solin-Stojanović Mutzbauer
Nachschlagewerk: ja
BGHSt: ja
Veröffentlichung: ja

a) Zur Frage der Befangenheit bei Fehlern im Zusammenhang mit der Anordnung
und Durchführung der Begutachtung der Schuldfähigkeit.

b) Zur Verhältnismäßigkeit bei der vorbereitenden Unterbringung in einem
psychiatrischen Krankenhaus zur Erstellung eines Gutachtens über eine
Persönlichkeitsstörung.
BGH, Beschl. vom 10. September 2002 - 1 StR 169/02 - LG Mannheim -

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
1 StR 169/02
vom
10. September 2002
in der Strafsache
gegen
wegen bandenmäßigen Betruges u.a.
Der 1. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat am 10. September 2002 beschlossen
:
Auf die Revision des Angeklagten S. wird das Urteil des
Landgerichts Mannheim vom 18. Dezember 2001, soweit es ihn
betrifft, im Strafausspruch mit den Feststellungen aufgehoben.
Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zur anderweitigen Ver-
handlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels
, an eine andere Wirtschaftsstrafkammer des Landgerichts
zurückverwiesen.

Gründe:


I.

Das Landgericht hat den Angeklagten wegen Betruges in 145 Fällen, wegen bandenmäßigen Betruges in weiteren 97 Fällen sowie wegen Kapitalanlagebetruges in Tateinheit mit versuchtem bandenmäßigen Betrug zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von zwölf Jahren verurteilt. Die auf den Strafausspruch beschränkte Revision des Angeklagten hat mit der Rüge einer Verletzung der Vorschriften über die Ablehnung (§ 24 Abs. 1 und 2, § 338 Nr. 3 StPO) Erfolg. Auf die weitere Verfahrensrüge und die Sachrüge kommt es daher nicht an.
1. Das Rechtsmittel ist nach dem eindeutigen Wortlaut des gestellten Antrags und nach dem erkennbaren Willen des Angeklagten auf den Strafaus- spruch beschränkt. Der Wirksamkeit dieser Beschränkung steht nicht entgegen, daß mit der formellen Rüge beanstandet wird, an dem angefochtenen Urteil hätten mit den drei Berufsrichtern Me. , Dr. F. und T. Richter mitgewirkt, die vom Angeklagten S. wegen Besorgnis der Befangenheit abgelehnt gewesen seien und bezüglich derer das Ablehnungsgesuch zu Unrecht verworfen worden sei (§ 338 Nr. 3 StPO). Die Revision kann, solange sie dadurch nicht widersprüchlich wird, auch dann auf den Strafausspruch beschränkt werden, wenn, wie in den Fällen einer Rüge nach § 338 Nr. 1 bis 7 StPO, ein Verfahrensfehler beanstandet wird, der auch den Schuldspruch berührt und ohne eine Beschränkung des Rechtsmittels das Urteil insgesamt zu Fall brächte (vgl. BGH NJW 1995, 1910; Kleinknecht/Meyer-Goßner StPO 45. Aufl. § 344 Rdn. 7; Kuckein in KK StPO 4. Aufl. § 338 Rdn. 6, § 344 Rdn. 6; Sarstedt/Hamm, Die Revision in Strafsachen, 6. Aufl., Rdn. 157 m.w.Nachw.). 2. Die Verteidiger des Angeklagten lehnten zu Beginn des ersten Hauptverhandlungstages die drei Berufsrichter wegen Besorgnis der Befangenheit ab. Das Landgericht wies nach Einholung dienstlicher Erklärungen das Ablehnungsgesuch als unbegründet zurück.
Dem Ablehnungsgesuch liegt folgender Verfahrensablauf zugrunde: Der Angeklagte befand sich seit dem 5. Februar 2000 in Untersuchungshaft. Am 26. September 2000 beauftragte die Staatsanwaltschaft Prof. Dr. Sch. aus G. mit einem psychiatrischen und psychologischen Schuldfähigkeitsgutachten (§§ 20, 21 StGB). Gemäß Beschluß des Landgerichts Mannheim vom 2. Mai 2001 wurde der Gutachtenauftrag dahin erweitert,
ob infolge seines Zustandes weitere erhebliche rechtswidrige, insbesondere gleichartige Taten zu erwarten seien und deshalb seine Unterbringung in ei- nem psychiatrischen Krankenhaus nach § 63 StGB oder wegen eines Hanges zur Begehung gleichartiger Betrugstaten eine Unterbringung in der Sicherungsverwahrung (§ 66 Abs. 2 i.V.m. § 66 Abs. 1 Nr. 3 StGB) erforderlich sei. Der Sachverständige erstattete sein schriftliches Gutachten am 25. Juni 2001; er vermochte das Vorliegen der medizinischen Voraussetzungen für eine mögliche Anwendung des § 21 StGB nicht auszuschließen. Mit Beschluß vom 9. Juli 2001 ordnete die Strafkammer ein weiteres psychiatrisches Gutachten an und bestellte Prof. Dr. Gl. aus Ma. zum weiteren Gutachter. Zur Begründung führte die Kammer aus, sie halte eine zusätzliche Begutachtung "unter Anwendung ausschließlich medizinisch-psychiatrischer Maßstäbe für erforderlich". Der Gutachter Prof. Dr. Sch. sei zu seinem Ergebnis unter Unterstellung eines ausschließlich auf den Angaben des Angeklagten beruhenden und lediglich zu dessen Gunsten bewerteten Ergebnisses einer vorweggenommenen Beweisaufnahme gelangt. Die Verteidigung erhob gegen den Beschluß Gegenvorstellung. Sie habe zum Zeitpunkt des Beschlusses weder Kenntnis vom Ergebnis der Begutachtung durch Prof. Dr. Sch. noch von dem Umstand gehabt, daß das Gutachten der Staatsanwaltschaft und dem Gericht überhaupt vorgelegen habe. Sie regte an, Prof. Dr. Sch. zur Klarstellung über das Ergebnis des Gutachtens aufzufordern.
Am 31. Juli 2001 lehnte der Angeklagte ein Gespräch mit Prof. Dr. Gl. ab. Am 2. August 2001 erstellte dieser daraufhin ein auf die schriftlichen Unterlagen gestütztes psychiatrisches Gutachten. Er schlug darin eine mehrwöchige Unterbringung des Angeklagten zur Beobachtung in einem psychiatrischen Krankenhaus vor. Dort könne u.a. das Verhalten des Ange-
klagten, sein Umgang mit Menschen und Dingen außerhalb der Untersuchungssituation , seine Selbstdarstellung solchen Menschen gegenüber, deren Urteil er entweder nicht "zu befürchten" habe oder deren Urteil er für belanglos halte, beobachtet werden. Während eines mehrwöchigen Aufenthalts in einem psychiatrischen Krankenhaus sei Sorge für eine sorgfältige Dokumentation des Verhaltens sowohl im Stationsalltag als auch im Gespräch mit Fachvertretern zu tragen. Die so entstehenden Berichte des ärztlichen und nichtärztlichen Personals könnten einen erheblichen Informationsgewinn bedeuten.
Am 6. August 2001 beantragte die Verteidigung, vor einer Entscheidung über die vorgeschlagene Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus das psychiatrische Gutachten des Prof. Dr. Gl. vom 2. August 2001 dem Sachverständigen Prof. Dr. Sch. zuzuleiten und eine Stellungnahme einzuholen. Dieser werde bestätigen, daß eine aktive Mitwirkung des Angeklagten zur Begutachtung unabdingbar sei. Mit Beschluß vom 8. August 2001 ordnete das Landgericht an, daß der Angeklagte in das Zentrum für Psychiatrie W. zu verbringen und dort zu beobachten sei. Im Rahmen einer mündlichen Haftprüfung am gleichen Tag wurde dem Angeklagten der Beschluß der Strafkammer zur Unterbringung gemäß § 81 StPO verkündet. Es wurde erörtert , daß der Beschluß nicht vollzogen würde, wenn der Angeklagte einer Verlegung in das Vollzugskrankenhaus H. und dort einer Untersuchung durch Prof. Dr. Gl. zustimme. Dieses lehnte der Angeklagte nach Rücksprache mit seinem Verteidiger erneut ab, da er nach der langen Untersuchungshaft nicht in der Lage sei, eine weitere Begutachtung durchzustehen.
Gegen den Beschluß vom 8. August 2001 legte der Verteidiger des Angeklagten sofortige Beschwerde mit der Begründung ein, die von Prof.
Dr. Gl. beschriebene Beobachtung trage ansatzweise experimentelle Züge und habe mit der von § 81 StPO gemeinten Beobachtung in einem psychiatrischen Krankenhaus wenig gemein.
Durch Beschluß vom 28. August 2001 ordnete der 3. Strafsenat des Oberlandesgerichts Karlsruhe an, die Beobachtung des Angeklagten sei nicht im Zentrum für Psychiatrie in W. , sondern in der Krankenabteilung der Justizvollzugsanstalt St. durchzuführen. Am 30. August 2001 wurde der Angeklagte in die Justizvollzugsanstalt St. verlegt und nach einem Gespräch mit der Anstaltsärztin am 31. August 2001 auf Empfehlung von Prof. Dr. Gl. in einer Gemeinschaftszelle (Drei-Mann-Zelle) untergebracht. In einem Schreiben vom 7. September 2001 erläuterte der Gutachter dem Landgericht Mannheim nochmals, was er sich an zusätzlichen Erkenntnissen aus der Beobachtung des ärztlichen, des nichtärztlichen Personals und der Mitgefangenen erwarte.
Auf die Verfassungsbeschwerde des Angeklagten erließ die Dritte Kammer des Zweiten Senats des Bundesverfassungsgerichts mit Beschluß vom 10. September 2001 eine einstweilige Anordnung, mit der die weitere Vollziehung der Beobachtung einstweilen außer Kraft gesetzt wurde. Mit Beschluß vom 9. Oktober 2001 stellte das Bundesverfassungsgericht fest, der Beschluß des Oberlandesgerichts Karlsruhe vom 28. August 2001 verletze den Angeklagten in seinen Grundrechten aus Art. 2 Abs. 1 i.V.m. Art. 1 Abs. 1 des Grundgesetzes (Beschluß der Dritten Kammer des Zweiten Senats des Bundesverfassungsgerichts vom 9. Oktober 2001 - 2 BvR 1523/01 - in NStZ 2002,

98).


II.


Das Ablehnungsgesuch gegen die drei Berufsrichter ist zu Unrecht verworfen worden. Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes rechtfertigen die Mitwirkung des Richters an Zwischenentscheidungen in dem anhängigen Verfahren und die dabei geäußerten Rechtsmeinungen in der Regel nicht die Annahme der Befangenheit (vgl. nur BGHSt 15, 40, 46; NStZ 1985, 492 [Pf/M]). Selbst Verfahrensverstöße, die auf einem Irrtum oder auf einer unrichtigen oder sogar unhaltbaren Rechtsansicht beruhen, stellen grundsätzlich keinen Ablehnungsgrund dar. Dies folgt aus dem Grundsatz, daß sachliche und rechtliche Fehler für sich nicht geeignet sind, die Besorgnis der Befangenheit eines Richters zu begründen. Allerdings gilt dieser Maßstab dann nicht, wenn dessen Entscheidungen abwegig sind oder sogar den Anschein der Willkür erwecken. Auch kann sich die Befangenheit daraus ergeben, daß das Verhalten des Richters vor der Hauptverhandlung besorgen läßt, er werde nicht mehr unvoreingenommen an die Sache herangehen, indem er etwa deutlich zum Ausdruck bringt, er sei bereits vorher von der (vollen) Schuld des Angeklagten endgültig überzeugt (vgl. Kleinknecht/Meyer-Goßner StPO 45. Aufl. § 24 Rdn. 14, 15; Pfeiffer in KK 4. Aufl. § 24 Rdn. 6 jeweils m.w.Nachw.).
Nach diesem Maßstab konnte der Angeklagte aus seiner Sicht die Besorgnis haben, die Strafkammer habe mit dem Beschluß über die weitere Begutachtung (1), dem dafür gewählten Verfahren (2) und ihrem Verhalten bei der Durchführung der Beobachtung (3) allein das Ziel verfolgt, das ihm scheinbar günstige Ergebnis des Erstgutachtens einer möglicherweise eingeschränkten Schuldfähigkeit zu widerlegen.

1. Nach § 73 StPO steht es zwar im Ermessen des Richters, ein weiteres Sachverständigengutachten einzuholen. Jedoch ist die sich aus dem Beschluß vom 9. Juli 2001 ergebende Bewertung des Erstgutachtens schlechthin nicht vertretbar.
a) Der Sachverständige Prof. Dr. Sch. hat den Angeklagten an sechs Tagen in der Justizvollzugsanstalt M. "eingehend" psychiatrisch exploriert und ein testpsychologisches Zusatzgutachten erstatten lassen. Er ist zu dem vorläufigen Ergebnis gelangt, beim Angeklagten liege aus medizinischer Sicht die Diagnose einer charaktergebundenen "Persönlichkeitsstörung im Sinne einer (tiefen) Selbstwertunsicherheit, sozialen Akzeptanzängsten mit Überkompensation in Richtung Erfolgs-, Geltungs- und Darstellungsstrebigkeit, teilweise ausufernd in Megalomanie und pseudologischen Verhaltensweisen im Sinne von ICD 10 F 60.8." vor (Gutachten S. 90). Er hat indes im Abschnitt VI. des Gutachtens ausdrücklich ausgeführt, es bleibe die forensisch relevante Frage offen, ob die Persönlichkeitsabweichungen nach ihrem Gewicht und ihren verhaltensbestimmenden Auswirkungen (überhaupt schon) die Schwelle einer schweren anderen seelischen Abartigkeit im Sinne von § 20 StGB erreicht hätten. Dafür sei maßgeblich, ob sich die Bedingungen, die der Angeklagte aus seiner subjektiven Sicht als "Leichtmachen der Betrugshandlungen durch die Banken" empfunden habe ("Die Banken haben mir das Geld förmlich nachgetragen" ) im Sinne eines "zwanghaften Weitermachen-Müssens" zumindest in einem späten Stadium der Betrugshandlungen als zutreffend erweisen sollten. Nur in diesem Fall seien die Störungen als "schwer" anzusehen. Nur dann könne sich für das Gericht die Rechtsfrage stellen, ob die Steuerungsfähigkeit "bei der Tat" erheblich eingeschränkt gewesen sein könnte. Diese mit der ständigen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs vereinbare Prüfungsreihenfolge (vgl.
nur BGH NStZ 1999, 630 m.w.Nachw.) hat der Gutachter im schriftlichen Gutachten mehrfach unter den "Hauptverhandlungsvorbehalt" gestellt (S. 105, 108, 109, 110). Er hat zum Vorliegen der medizinischen Voraussetzungen der Rechtsfrage sogar ausdrücklich seine Zweifel geäußert (Gutachten S. 105). Zu der Frage, ob die Maßregel einer Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus (§ 63 StGB) in Betracht komme, hat Prof. Dr. Sch. auch dargelegt , daß es aus seiner Sicht allenfalls darum gehe, daß die Voraussetzungen des § 21 StGB nicht ausgeschlossen werden könnten, so daß bereits aus diesem Grund die Anwendung des § 63 StGB entfalle. Allerdings sei die Anwendung einer Maßregel nach § 63 StGB erneut zu erörtern, wenn sich in der Hauptverhandlung herausstelle, daß die Schuldfähigkeitseinschränkungen auch in positiver Form zu bejahen seien (Gutachten S. 110). Eine abschließende Stellungnahme hat der Sachverständige dagegen zu der Frage einer möglichen Sicherungsverwahrung nach § 66 Abs. 2 i.V.m. § 66 Abs. 1 Nr. 3 StGB abgegeben. Er hat ausgeführt, den beim Angeklagten diagnostizierten Persönlichkeitsstörungen sei nicht das prägende Gewicht beizumessen, daß seine Gesamtpersönlichkeit ihn zum "Hangtäter" qualifiziere.

b) Obwohl bei zutreffender Bewertung des vorläufigen schriftlichen Gutachtens eine erhebliche Verminderung der Steuerungsfähigkeit bei den Betrugstaten nach § 21 StGB eher fern lag, wird auch aus den Umständen nachvollziehbar , unter denen der Beschluß vom 9. Juli 2001 zustande gekommen ist, daß beim Angeklagten die Besorgnis entstehen konnte, den Richtern sei es mit dem Beschluß allein darum gegangen, das für den Angeklagten scheinbar günstige Ergebnis des Erstgutachtens zu widerlegen. Allein um die Frage, ob dieser Anschein aus der Sicht eines verständigen Angeklagten ausreicht, die Befan-
genheit der Richter festzustellen, geht es bei der Entscheidung über das Vorliegen des absoluten Revisionsgrundes des § 338 Nr. 3 StPO.
Die Revision trägt vor, die Verteidigung habe beim Erlaß des Beschlusses vom 9. Juli 2001 weder Kenntnis vom Ergebnis der Begutachtung durch Prof. Dr. Sch. noch von dem Umstand gehabt, daß das Gutachten des Sachverständigen vom 25. Juni 2001 der Staatsanwaltschaft und dem Gericht überhaupt schon vorgelegen habe. Etwas anderes ergibt sich zudem aus der dienstlichen Erklärung des Vorsitzenden Richters Me. vom 25. September 2001 nicht. Sie geht auf die gewählte Verfahrensweise nicht ein. Vielmehr wird ausgeführt, Anlaß für die Einholung eines Zweitgutachtens sei gewesen, daß der weitere Gutachter zur Frage der Diagnose der "Megalomanie" habe Stellung nehmen sollen, "insbesondere weil die Megalomanie medizinisch in dem Bereich der Psychosen anzusiedeln ist, Prof. Dr. Sch. jedoch die Bereiche der krankhaften seelischen Störung, der tiefgreifenden Bewußtseinsstörung und des Schwachsinns ausdrücklich ausgeschlossen hat". Auch diese Ausführungen zum Erstgutachten sind schlechthin unvertretbar. Zu keinem Zeitpunkt bestanden Zweifel über die Einordnung der Persönlichkeitsstörung "teilweise ausufernd in Megalomanie" in ein anderes als das vierte Merkmal des § 20 StGB.
Schließlich haben die Richter die Verteidigung vor der Bestellung des weiteren Gutachters auch nicht an der Auswahl beteiligt. Entscheidet sich der Richter nach der Einholung eines Gutachtens zur Schuldfähigkeit, wie hier kurz vor Beginn der Hauptverhandlung zur Erhebung eines weiteren Gutachtens, ist er, schon um den Anspruch auf rechtliches Gehör zu gewährleisten, nach § 73 Abs. 1 StPO (vgl. BGHSt 44, 26, 31 und Nr. 70 Abs. 1 RiStBV) verpflichtet, die Verteidigung an der Auswahl des beizuziehenden Gutachters zu beteiligen.

2. Hinzu kommt, daß die abgelehnten Richter trotz der nachvollziehbaren Erklärung des Angeklagten, er sei nach der langen Untersuchungshaft weder physisch noch psychisch in der Lage, noch einmal an einer Exploration durch einen anderen Gutachter teilzunehmen, im Beschluß vom 8. August 2001 angeordnet haben "daß der Angeklagte in das Zentrum für Psychiatrie W. gebracht und dort - für die Dauer von sechs Wochen - beobachtet wird." Die zur Vorbereitung des Gutachtens über den psychischen Zustand angeordnete Unterbringung zur Beobachtung in einem öffentlichen psychiatrischen Krankenhaus nach § 81 StPO darf nur angeordnet werden, wenn sie unerläßlich ist und alle anderen (ambulanten) Mittel ausgeschöpft sind, um zu einer Beurteilung der Schuldfähigkeit des Beschuldigten zu kommen. Dies folgt aus dem verfassungsrechtlichen Verhältnismäßigkeitsgrundsatz (vgl. BVerfG, Zweite Kammer des Zweiten Senats, Beschl. vom 7. März 1995 - 2 BvR 1509/94 - in StV 1995, 617; OLG Düsseldorf StV 1993, 571; Kleinknecht/Meyer-Goßner StPO 45. Aufl. § 81 Rdn. 8; Eb. Schmidt, Lehrkommentar zur StPO, Band II, 1957, § 81, Rdn. 5). Die Anforderungen an die Darlegungen zur Unerläßlichkeit sind grundsätzlich dann höher, wenn bereits eine Exploration durchgeführt worden ist. Zwar darf generell nicht von einer Untersuchung eines Beschuldigten allein deshalb Abstand genommen werden, weil dieser seine Mitwirkung verweigert. Dies gilt jedoch dann nicht, wenn bei verweigerter Untersuchung ihre zwangsweise Vornahme kein verwertbares Ergebnis erbringen kann (vgl. BGH StV 1994, S. 231 f.). Zu allem verhält sich der Beschluß der Kammer nicht. 3. Zur Beurteilung des Anscheins der Befangenheit aus Sicht des Angeklagten ist schließlich das Verhalten der Richter bei der Umsetzung des von Prof. Dr. Gl. vorgeschlagenen Konzepts zur Beobachtung des Angeklagten von Bedeutung.

Nachdem der Angeklagte erklärt hatte, an der zweiten Exploration nicht mitzuwirken, und das Oberlandesgericht Karlsruhe in seinem Beschluß vom 28. August 2001 ausgeführt hatte, eine wörtliche Erfassung von Aussagen des Beschwerdeführers im Rahmen der Beobachtung sei nur dann zulässig, wenn ihre Freiwilligkeit außer Frage stehe oder der Beschwerdeführer vor einer Befragung auf die beabsichtigte Dokumentation ausdrücklich hingewiesen werde, reduzierte sich das Konzept von Prof. Dr. Gl. auf die schlichte Beobachtung des Verhaltens des Angeklagten. Obwohl mit einem Einverständnis des Angeklagten weder der Gutachter noch die Strafkammer rechnen konnten, ließen es die Richter zu, daß der Angeklagte auf Empfehlung des Gutachters am 30. August 2001 auf der Krankenstation der Justizvollzugsanstalt St. in einer Drei-Mann-Zelle untergebracht wurde. Sie nahmen auch hin, daß ihnen Prof. Dr. Gl. im Schreiben vom 7. September 2001 mitteilte, er habe gegenüber der ärztlichen Leiterin angeordnet,
"sowohl das ärztliche als auch das nichtärztliche Personal dazu anzuhalten, die eigenen Wahrnehmungen im Umgang mit Herrn S. ebenso wie diejenigen schriftlich festzuhalten, die ihnen von Mitgefangenen berichtet werden. Eine gegebenenfalls megalomane Geltungs- und Darstellungsstrebigkeit verwirklicht sich - auch - im Beziehungsverhalten , in verbalen Bekundungen ebenso wie im mimischen und gestischen Verhalten. Die Selbstdarstellung des Herrn S. den Mitgefangenen, dem ärztlichen und nichtärztlichen Personal gegenüber kann ebenso von Bedeutung sein wie die von ihm im Gespräch bevorzugte Thematik. Sollte sich Herr S. jeder Kommunikation verweigern, so kann eine solche Verweigerung gleichfalls eine verwertbare Information darstellen. Sie wäre als ein Indiz für die Fähigkeit des Herrn S. zu registrieren , die angenommene megalomane Geltungs- und
Darstellungsstrebigkeit in Abhängigkeit von situativen Bedingungen der Wahrnehmung zu entziehen."

a) Es ist nicht nachvollziehbar, wie aufgrund dieses Konzeptes der Zweck der Unterbringung überhaupt noch erreicht werden konnte. Dafür ist auch maßgeblich, daß Prof. Dr. Gl. dem ärztlichen und dem nichtärztlichen Personal sowie sogar den Mitgefangenen auf der Krankenstation ohne nähere Vorgaben die Sammlung und Dokumentation von Äußerungen, Verhalten und Reaktionen überlassen wollte. Diese verfügten weder über Erkenntnisse noch über Erfahrungen zu den Lebensverhältnissen, in denen der Angeklagte bisher gelebt hatte und in dem es zu den außergewöhnlich umfangreichen Betrugstaten gekommen war. Nach den Feststellungen beging der Angeklagte seine Taten in einem Umfeld, das durch Reichtum, Umgang mit Prominenten und Anerkennung als erfolgreicher Geschäftsmann geprägt war. Er war deshalb im Umgang mit der Geschäftswelt im allgemeinen und mit den Banken und Leasinggesellschaften im besonderen vertraut. Bei dieser Sachlage erscheint schlechthin undenkbar, daß die auf einer Station - sei es eines psychiatrischen Krankenhauses, sei es in der Krankenabteilung einer Justizvollzugsanstalt - gesammelten Informationen über sein dortiges Verhalten geeignet waren, ohne Kenntnis seines bisherigen Lebens und der Entwicklung zu strafbarem Handeln Rückschlüsse auf sein kriminelles Handeln zu ziehen. Dies gilt insbesondere hinsichtlich der von Prof. Dr. Sch. in seinem Gutachten offen gebliebenen Fragen, ob bei den Betrugstaten gegenüber den Banken und Leasingfirmen beim Angeklagten die inneren Hemmbarrieren herabgesetzt waren. Es ist auszuschließen, daß Informationen, die auf diesem Wege über das Verhalten des Angeklagten gewonnen werden, geeignet sein können, als Grundlage für eine wissenschaftlich begründete Aussage in einem fachpsychiatrischen Gutachten zu dienen.


b) Diese nach dem Konzept von Prof. Dr. Gl. durchgeführte Beob- achtung ohne Mitwirkung des Angeklagten war vor allem rechtlich unzulässig. Mit der angestrebten Totalbeobachtung sollten Erkenntnisse über die Persönlichkeit des Angeklagten erbracht werden, die er von sich aus nicht preisgeben wollte, von denen aber erhofft wurde, daß er sie unter der Einflußnahme Dritter offenbarte. Diese Maßnahme läuft auf die Umgehung des verfassungsrechtlich garantierten Schweigerechts des Angeklagten und einen Verstoß gegen § 136a StPO hinaus. Verfassungsrechtlich steht einer solchen Totalbeobachtung das Persönlichkeitsrecht des Angeklagten entgegen. Dieser würde dadurch zum bloßen Objekt staatlicher Wahrheitsfindung gemacht, daß sein Verhalten nicht mehr als Ausdruck seiner Individualität, sondern nur noch als wissenschaftliche Erkenntnisquelle verwertet würde (vgl. BVerfG (Kammer), NStZ 2002, 98).
Trotz Kenntnis dieser Umstände unterbanden die Richter die auch durch nichtärztliches Personal und sogar durch Mitgefangene der Gemeinschaftszelle durchgeführte Beobachtung nicht. Weder unternahm der stellvertretende Vorsitzende etwas, als er am 31. August 2001 zuerst von der Verlegung des Beschwerdeführers in eine Drei-Mann-Zelle zum Zwecke seiner "Beobachtung" auch durch Zellengenossen Kenntnis erhielt, noch beendete die Strafkammer die Beobachtung des Angeklagten, bis das Bundesverfassungsgericht mit Beschluß vom 10. September 2001 die weitere Vollziehung der Beobachtung aussetzte. Daß die Beobachtung des Angeklagten durch Mitgefangene einer Drei-Mann-Zelle auf der Krankenstation einer Justizvollzugsanstalt letztlich durch die Entscheidung des Oberlandesgerichts zustande kam, entlastet die Richter
nicht. Aus der Sicht des Angeklagten ist für den Anschein der Befangenheit maßgeblich, daß diese Form der Beobachtung bereits in dem von den Richtern veranlaßten und gebilligten Untersuchungskonzept des Gutachters erkennbar angelegt war.
Schäfer Wahl Boetticher
Kolz Hebenstreit

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
4 StR 275/09
vom
12. November 2009
in der Strafsache
gegen
wegen Geldfälschung u.a.
Der 4. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat in der Sitzung vom 12. November
2009, an der teilgenommen haben:
Vorsitzende Richterin am Bundesgerichtshof
Dr. Tepperwien,
Richter am Bundesgerichtshof
Maatz,
Athing,
Richterin am Bundesgerichtshof
Solin-Stojanović,
Richter am Bundesgerichtshof
Dr. Mutzbauer
als beisitzende Richter,
Bundesanwältin
als Vertreterin der Bundesanwaltschaft,
Rechtsanwalt
als Verteidiger,
Justizhauptsekretärin
als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle,

für Recht erkannt:
1. Die Revision des Angeklagten gegen das Urteil des Landgerichts Essen vom 19. Februar 2009 wird mit der Maßgabe verworfen, dass der Schuldspruch dahin geändert wird, dass der Angeklagte der Geldfälschung in vier Fällen, der Beihilfe zur Geldfälschung in zwei Fällen und der Urkundenfälschung in zehn Fällen schuldig ist.
2. Der Angeklagte hat die Kosten seines Rechtsmittels zu tragen.
Von Rechts wegen

Gründe:


1
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen Geldfälschung in vier Fällen , Beihilfe zur Geldfälschung in drei Fällen und wegen Urkundenfälschung in zehn Fällen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von vier Jahren und sechs Monaten verurteilt. Ferner hat es den Verfall des Wertersatzes in Höhe von 2.000 Euro angeordnet. Mit seiner Revision rügt der Angeklagte die Verletzung formellen und materiellen Rechts.
2
Das Rechtsmittel des Angeklagten führt lediglich zu einer Änderung des Schuldspruchs; im Übrigen ist es unbegründet.

I.


3
Die Rüge, bei dem Urteil hätten Richter und Schöffen mitgewirkt, nachdem sie wegen Besorgnis der Befangenheit abgelehnt waren und das Ablehnungsgesuch mit Unrecht verworfen worden war, hat keinen Erfolg.
4
1. Der Rüge liegt folgendes Verfahrensgeschehen zu Grunde:
5
Im Hauptverhandlungstermin am 17. Oktober 2008 wurde der Zeuge C. vom Vorsitzenden über sein Auskunftsverweigerungsrecht gemäß § 55 StPO belehrt. Ausweislich der Sitzungsniederschrift wurde der Zeuge vom Vorsitzenden darauf hingewiesen, dass er für den Fall, dass er beabsichtige, als Angeklagter im eigenen Verfahren Angaben zur Sache machen zu wollen, damit rechnen müsse, dass es bei der Beurteilung der Glaubhaftigkeit seiner Angaben deshalb zu Problemen kommen könne, weil er vorher, als Zeuge unter Wahrheitspflicht stehend , keine Angaben gemacht habe.
6
Der Verteidiger des Angeklagten und die Verteidiger der Mitangeklagten beanstandeten diese Belehrung. Diese Beanstandung wies die Strafkammer "als unzulässig" zurück, weil die Belehrung nicht ermessensfehlerhaft erfolgt sei. Der Angeklagte lehnte daraufhin den Vorsitzenden und die übrigen Mitglieder der Strafkammer, diese wegen der Zurückweisung der Beanstandung der Belehrung, wegen Besorgnis der Befangenheit ab. Aus der Belehrung werde deutlich, dass der Vorsitzende den Zeugen trotz vorher eindeutig erklärter Auskunftsverweigerung zu einer den Angeklagten belastenden Aussage habe bewegen wollen. Zudem hätte der Vorsitzende dem Zeugen, der sein Auskunfts- verweigerungsrecht auf Rat seines Verteidigers ausgeübt habe, bei Hinwirkung auf eine Aussage die Möglichkeit geben müssen, seinen Verteidiger als Rechtsbeistand hinzuzuziehen. Dass er dies unterlassen habe, begründe ebenfalls Zweifel an seiner Objektivität und Unparteilichkeit.
7
Die Ablehnungsgesuche des Angeklagten gegen den Vorsitzenden, den Beisitzer und die Schöffen wies die Strafkammer ohne Mitwirkung der abgelehnten Richter nach Einholung dienstlicher Äußerungen des Vorsitzenden, des Beisitzers und der Schöffen als unbegründet zurück. Die beanstandete Belehrung des Zeugen durch den Vorsitzenden rechtfertige nicht ein Misstrauen gegen die Unparteilichkeit des Richters, ohne dass es darauf ankäme, inwieweit tatsächlich die Berufung auf ein Auskunftsverweigerungsrecht durch einen Zeugen Bedeutung in einem späteren, gegen den Zeugen geführten Strafprozess haben könne. Vorliegend sei aus der Sicht eines vernünftigen Angeklagten ein Misstrauen gegen die Unparteilichkeit des Vorsitzenden schon deshalb nicht gerechtfertigt, weil der Zeuge, worauf sowohl der Vorsitzende als auch der Beisitzer in ihren jeweiligen dienstlichen Äußerungen unwidersprochen hingewiesen hätten, im vorangegangenen Ermittlungsverfahren noch nicht ausgesagt habe. Es könne dahinstehen, ob die Auffassung des Angeklagten und des Mitangeklagten M. zutreffe, der Hinweis habe jedenfalls nicht erfolgen dürfen , ohne dass der Zeuge sich mit seinem Anwalt, der ihm zur Ausübung des Auskunftsverweigerungsrechts geraten hatte, habe abstimmen können. Hierdurch werde der Rechtskreis des Angeklagten nicht berührt, sondern allenfalls derjenige des Zeugen. Auch gegen den Beisitzer und die Schöffen sei die Besorgnis der Befangenheit nicht begründet, weil der die Beanstandung der Zeugenbelehrung zurückweisende Kammerbeschluss zu Recht ergangen sei.
8
2. Es bestehen bereits Bedenken gegen die Zulässigkeit der Rüge, weil die beanstandete Belehrung des Zeugen durch den Vorsitzenden lediglich inhaltlich verkürzt, nicht aber in ihrem protokollierten Wortlaut mitgeteilt wird. Die Zulässigkeit kann hier jedoch dahinstehen, weil die Rüge jedenfalls unbegründet ist.
9
Die gegen die Mitglieder der Strafkammer gerichteten Ablehnungsgesuche sind nicht mit Unrecht verworfen worden:
10
a) Misstrauen in die Unparteilichkeit eines Richters ist dann gerechtfertigt , wenn der Ablehnende bei verständiger Würdigung des ihm bekannten Sachverhalts Grund zu der Annahme hat, der Richter nehme ihm gegenüber eine innere Haltung ein, die seine Unparteilichkeit und Unvoreingenommenheit störend beeinflussen kann (vgl. Meyer-Goßner StPO 52. Aufl. § 24 Rdn. 6, 8 m.w.N.).
11
Entgegen der Auffassung der Revision kann sich ein solches Misstrauen in die Unvoreingenommenheit eines Vorsitzenden grundsätzlich nicht daraus ergeben, dass er einen Zeugen, der berechtigt von seinem Auskunftsverweigerungsrecht Gebrauch gemacht hat, ergänzend belehrt. Zwar kann ein Zeuge, dem ein Auskunftsverweigerungsrecht gemäß § 55 StPO zusteht, nach seinem eigenen freien Ermessen darüber entscheiden, ob er hiervon Gebrauch machen will. Dies schließt es jedoch nicht aus, dass der Richter einen Zeugen im Rahmen der gemäß § 55 Abs. 2 StPO gebotenen Belehrung über Umstände unterrichtet , die für die vom Zeugen zu treffende Entscheidung von Bedeutung sein können (vgl. BGHSt 21, 12, 13 zu § 52 StPO; BGH, Urteil vom 30. Juni 1988 - 1 StR 150/88, BGHR StPO § 52 Abs. 3 Satz 1 Belehrung 2).
12
Allerdings war die Belehrung des Zeugen, er könne im Falle der Auskunftsverweigerung in dem gegen ihn gerichteten Verfahren Probleme bekommen , unzutreffend. Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs ist es unzulässig, Schlüsse zum Nachteil des Angeklagten daraus zu ziehen, dass dieser sich als Zeuge in einem anderen, den gleichen Tatkomplex betreffenden Strafverfahren auf das Auskunftsverweigerungsrecht nach § 55 StPO berufen hat, wenn er sich – wie hier - bis zur Verweigerung der Auskunft nicht zur Sache geäußert hatte (BGHSt 38, 302, 305). Dass ein Richter eine unzutreffende Rechtsmeinung geäußert hat, rechtfertigt jedoch in der Regel nicht die Annahme der Befangenheit. Verfahrensverstöße, die auf einem Irrtum oder auf einer unrichtigen Rechtsansicht beruhen, stellen grundsätzlich keinen Ablehnungsgrund dar. Zwar gilt dieser Maßstab dann nicht, wenn die vom Richter geäußerte Rechtsauffassung abwegig ist oder sogar den Anschein der Willkür erweckt (vgl. BGHSt 48, 4, 8; Meyer-Goßner aaO § 24 Rn. 8 m.w.N.). Hierfür bestehen aber im vorliegenden Fall keine Anhaltspunkte. Dass der Vorsitzende den Zeugen durch seine Belehrung gezielt zu einer für den Angeklagten nachteiligen Aussage drängen wollte, musste für einen verständigen Angeklagten schon deshalb fern liegen, weil der Zeuge im Ermittlungsverfahren nicht ausgesagt und den Angeklagten somit gerade nicht belastet hatte. Welchen Inhalt seine Aussage haben würde, war daher noch offen. Besonderheiten, wie sie in der vom Generalbundesanwalt in seiner Antragsschrift angeführten Entscheidung BGHSt 1, 34 im Fall einer nach § 52 StPO zeugnisverweigerungsberechtigten Ehefrau gegeben waren, liegen hier nicht vor.
13
b) Misstrauen in die Unvoreingenommenheit des Vorsitzenden kann sich auch nicht daraus ergeben, dass er dem Zeugen nicht die Hinzuziehung seines Verteidigers als Zeugenbeistand ermöglicht hat, die der Zeuge im Übrigen auch nicht verlangt hatte. Wie das Auskunftsverweigerungsrecht gemäß § 55 StPO dient auch das Recht eines Zeugen, in einem solchen Fall einen Beistand hinzuzuziehen , allein dem Schutz des Zeugen, nicht aber auch dem des Angeklagten (vgl. BGHSt 11, 213, 216/217 [GSSt]; Meyer-Goßner aaO § 55 Rn. 1 m.w.N.).

II.


14
1. Der Senat hat das Verfahren in der Hauptverhandlung auf Antrag des Generalbundesanwalts durch Beschluss gemäß § 154 Abs. 2 StPO eingestellt, soweit der Angeklagte im Fall II. 1 d der Urteilsgründe wegen Beihilfe zur Geldfälschung verurteilt worden ist. Dies führt zur entsprechenden Änderung des Schuldspruchs und zum Wegfall der wegen dieser Tat verhängten Einzelfreiheitsstrafe von neun Monaten.
15
2. Die Überprüfung des Urteils auf die Sachrüge hat im Übrigen keinen Rechtsfehler zum Nachteil des Angeklagten ergeben. Der näheren Erörterung bedarf nur Folgendes:
16
a) Entgegen der Auffassung der Revision ist auch die Annahme von Urkundenfälschung in der Form des mittäterschaftlich und gewerbsmäßig begangenen Herstellens einer unechten Urkunde (§ 267 Abs. 1 und 3 Nr. 1 StGB) durch die rechtsfehlerfrei getroffenen Feststellungen hinreichend belegt. Dass der Angeklagte nicht eigenhändig bei der Herstellung der unechten Urkunden mitgewirkt hat, steht seiner mittäterschaftlichen Beteiligung nicht von vornherein entgegen. Die Tatbestandsvariante des Herstellens einer unechten Urkunde ist kein eigenhändiges Delikt. Demgemäß kommt auch eine Beteiligung des Auftraggebers als Mittäter an der Herstellung der unechten Urkunden durch einen Anderen in Betracht (vgl. BGH, Beschluss vom 18. November 1988 - 3 StR 481/88, BGHR StGB § 267 Abs. 1 Gebrauchmachen 1; MünchKommStGB/Erb § 267 Rn. 213; Cramer/Heine in Schönke/Schröder StGB 27. Aufl. § 267 Rn. 97). Soweit die Revision darauf verweist, dass dem Angeklagten nach den Feststellungen nicht bekannt war, wer die bei Salvatore M. bestellten Falsifikate anfertigen würde, steht dies der Annahme der Mittäterschaft nicht entgegen. Vielmehr können mehrere eine Tat auch dann gemeinschaftlich begehen , wenn sie einander nicht kennen, sofern sich jeder bewusst ist, dass andere mitwirken und alle im bewussten und gewollten Zusammenwirken handeln (vgl. RGSt 58, 279; Cramer/Heine in Schönke/Schröder aaO § 25 Rn. 71 und § 267 Rn. 97; Schünemann in LK 12. Aufl. § 25 Rn. 173). Das Landgericht hat die Beteiligung des Angeklagten an der Herstellung der unechten Urkunden durch "die Fälscher in Italien" als Mittäterschaft gewertet, weil er mit der Weiterleitung der Personalien und der Passfotos einen unentbehrlichen Tatbeitrag zur Anfertigung der Falsifikate geleistet und wegen des erhofften finanziellen Vorteils aus der Veräußerung der Falsifikate ein erhebliches eigenes Interesse an der Durchführung gehabt habe. Ob der Senat der engen Auffassung, dass diese Kriterien allein für die Annahme mittäterschaftlichen Herstellens einer unechten Urkunde nicht ausreichen (vgl. BGH, Beschluss vom 30. Oktober 2008 - 3 StR 156/08 Rn. 9), in dieser Allgemeinheit folgen würde, muss hier nicht entschieden werden; denn im vorliegenden Fall war das Zusammenwirken zwischen dem Angeklagten, dem Vermittler und dem Fälscher von vornherein auf eine dauerhafte arbeitsteilige Zusammenarbeit im Hinblick auf bereits verfügbares Fälschungsmaterial gerichtet. Unter diesen Voraussetzungen hält sich die Wertung des Landgerichts innerhalb des dem Tatrichter zustehenden Beurteilungsspielraums (vgl. BGHSt 47, 384, 385).
17
b) Die Gesamtfreiheitsstrafe kann trotz des Wegfalls der im Fall II. 1 d der Urteilsgründe verhängten Einzelstrafe bestehen bleiben. Angesichts der verbleibenden 16 Einzelfreiheitsstrafen (Einsatzstrafe: zwei Jahre sechs Monate Freiheitsstrafe) und des bei der Bildung der Gesamtstrafe vorgenommenen straffen Zusammenzuges schließt der Senat aus, dass das Landgericht ohne die in dem eingestellten Fall verhängte Einzelstrafe zu einer noch niedrigeren Gesamtstrafe gelangt wäre. Tepperwien Maatz Athing Solin-Stojanović Mutzbauer

(1) Die Untersuchungshaft darf gegen den Beschuldigten angeordnet werden, wenn er der Tat dringend verdächtig ist und ein Haftgrund besteht. Sie darf nicht angeordnet werden, wenn sie zu der Bedeutung der Sache und der zu erwartenden Strafe oder Maßregel der Besserung und Sicherung außer Verhältnis steht.

(2) Ein Haftgrund besteht, wenn auf Grund bestimmter Tatsachen

1.
festgestellt wird, daß der Beschuldigte flüchtig ist oder sich verborgen hält,
2.
bei Würdigung der Umstände des Einzelfalles die Gefahr besteht, daß der Beschuldigte sich dem Strafverfahren entziehen werde (Fluchtgefahr), oder
3.
das Verhalten des Beschuldigten den dringenden Verdacht begründet, er werde
a)
Beweismittel vernichten, verändern, beiseite schaffen, unterdrücken oder fälschen oder
b)
auf Mitbeschuldigte, Zeugen oder Sachverständige in unlauterer Weise einwirken oder
c)
andere zu solchem Verhalten veranlassen,
und wenn deshalb die Gefahr droht, daß die Ermittlung der Wahrheit erschwert werde (Verdunkelungsgefahr).

(3) Gegen den Beschuldigten, der einer Straftat nach § 6 Absatz 1 Nummer 1 oder § 13 Absatz 1 des Völkerstrafgesetzbuches oder § 129a Abs. 1 oder Abs. 2, auch in Verbindung mit § 129b Abs. 1, oder nach den §§ 176c, 176d, 211, 212, 226, 306b oder 306c des Strafgesetzbuches oder, soweit durch die Tat Leib oder Leben eines anderen gefährdet worden ist, nach § 308 Abs. 1 bis 3 des Strafgesetzbuches dringend verdächtig ist, darf die Untersuchungshaft auch angeordnet werden, wenn ein Haftgrund nach Absatz 2 nicht besteht.

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
1 StR 301/07
vom
18. Dezember 2007
in der Strafsache
gegen
wegen Beihilfe zum Mord u. a.
Der 1. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat in der Sitzung vom 18. Dezember
2007, an der teilgenommen haben:
Vorsitzender Richter am Bundesgerichtshof
Nack
und die Richter am Bundesgerichtshof
Dr. Wahl,
Dr. Kolz,
die Richterin am Bundesgerichtshof
Elf,
der Richter am Bundesgerichtshof
Dr. Graf
Bundesanwalt
als Vertreter der Bundesanwaltschaft,
Rechtsanwalt ,
Rechtsanwalt
als Verteidiger,
Rechtsanwältin
als Vertreterin der Nebenklägerinnen,
Justizangestellte
als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle,

für Recht erkannt:
1. Die Revision des Angeklagten gegen das Urteil des Landgerichts Stuttgart vom 8. Dezember 2006 wird verworfen. Der Beschwerdeführer hat die Kosten seines Rechtsmittels und die den Nebenklägerinnen dadurch entstandenen notwendigen Auslagen zu tragen. 2. Auf die Revision der Staatsanwaltschaft wird das vorbezeichnete Urteil
a) im Schuldspruch dahingehend geändert, dass der Angeklagte K. wegen Beihilfe zum Mord in Tateinheit mit Raub mit Todesfolge schuldig ist;
b) im Strafausspruch hinsichtlich des Angeklagten K. aufgehoben. 3. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung - auch über die Kosten dieses Rechtsmittels - an eine als Schwurgericht zuständige Kammer des Landgerichts zurückverwiesen.
Von Rechts wegen

Gründe:


1
Das Landgericht hat den Angeklagten K. wegen Beihilfe zum Mord in Tateinheit mit schwerem Raub zu einer Freiheitsstrafe von sieben Jahren verurteilt. Der Angeklagte wendet sich mit der auf die Sachbeschwerde gestützten Revision gegen das Urteil. Die zu Ungunsten des Angeklagten eingelegte Revision der Staatsanwaltschaft rügt ebenfalls die Verletzung materiellen Rechts. Sie wird vom Generalbundesanwalt vertreten und erstrebt eine Verurteilung des Angeklagten K. wegen Beihilfe zum Mord in Tateinheit mit Raub mit Todesfolge. Während das Rechtsmittel des Angeklagten keinen Erfolg hat, ist das Urteil, soweit es den Angeklagten K. betrifft, auf die Revision der Staatsanwaltschaft im Schuldspruch zu ändern und im Strafausspruch aufzuheben.
2
I. Das Landgericht hat folgende Feststellungen getroffen:
3
Am Nachmittag des 29. Oktober 2005 überfielen die Angeklagten S. und K. den 62-jährigen W. in seinem Schrebergarten, um dessen Fahrzeug gewaltsam zu entwenden. Die beiden Angeklagten hatten sich zuvor darauf verständigt, das Opfer niederzuschlagen, um ihm die Autoschlüssel abzunehmen und die Zeit der Ohnmacht oder Benommenheit zur Wegnahme des Autos und zur Flucht zu nutzen. Der Angeklagte K. sollte dazu W. nach Wasser und Arbeit fragen; währenddessen sollte sich der Angeklagte S. unbemerkt von hinten anschleichen und das Opfer niederschlagen. Die Mitangeklagte D. hatte diese Absprache mitbekommen und war damit einverstanden, in der Nähe des Fahrzeugs zu warten und gegebenenfalls vor herannahenden Personen zu warnen. K. und D. wussten, dass der Angeklagte S. ein Fahrtenmesser in der Lederscheide am Gürtel bei sich trug.
4
Dem gemeinsamen Tatplan entsprechend verwickelte der Angeklagte K. W. in ein Gespräch. Der Angeklagte S. hatte sich zunächst im Hintergrund gehalten. In ihm war plötzlich der Gedanke gereift, W. mit seinem mitgeführten Messer zu erstechen, um ungestört und ohne Angst vor späteren Folgen mit dem entwendeten Pkw weiterreisen zu können. Er zog deshalb mit der rechten Hand sein Fahrtenmesser aus der Lederscheide und schlich sich - ansonsten absprachegemäß - von hinten an den völlig ahnungslosen W. heran. Als er dicht hinter ihm angekommen war, schlug er W. nicht - wie vom Angeklagten K. dem Tatplan gemäß erwartet - nieder, sondern umschlang ihn mit dem linken Arm von hinten im Schulterbereich und zog ihn zu sich her. Gleichzeitig führte er mit der rechten Hand mit dem gezückten Messer in Tötungsabsicht zwei heftige Stiche tief in die linke Halsseite, wodurch die Halsschlagader durchtrennt wurde. W. sank zu Boden, versuchte aber in höchster Lebensangst zu schreien und sich durch Arm- und Beinbewegungen zu wehren. Der Angeklagte S. stürzte sich auf ihn und stach weitere neun Mal schnell und heftig vor allem auf die linke Brustseite des Opfers ein. Der nun wehrlose, tödlich getroffene W. gab nur noch schwache Lebenszeichen von sich.
5
Um der Gefahr der zufälligen Entdeckung durch Passanten auf dem nur wenige Meter entfernten Weg zu entgehen, begann der Angeklagte S. W. nach hinten in das Grundstück zu ziehen. Da ihm dies alleine zu schwer und zu langsam ging, forderte er den Angeklagten K. auf, ihm zu helfen. K. hatte, als er die wahre Absicht des Angeklagten S. erkannte, versucht wegzulaufen, war aber an den Spalierdrähten der Sträucher gescheitert. Als er auf die Aufforderung nicht gleich reagierte, drohte ihm der Angeklagte S. , dass ihm dasselbe geschehe. Da es dem Angeklagten K. vor dem Hintergrund ihrer bedrängten Lage (keine finanziellen Mittel, keine Bleibe) und wegen seines angeschlagenen körperlichen Zustandes (Blasen an den Füßen) nach wie vor darum ging, in den Besitz des Fahrzeugs zu gelangen, um damit gemeinsam schnell und bequem nach München fahren zu können, schob er seine Bedenken wegen des Zustechens durch S. beiseite und entschloss sich, diesem zu helfen. Er nahm die rechte Hand von W. , dessen Tod auch er alsbald erwartete, und schleifte gemeinsam mit dem Angeklagte S. das bereits bewusstlos gewordene Opfer rund zehn Meter Richtung Grundstücksmitte, um es zu verstecken.
6
Während der Angeklagte K. sich nun auf Anweisung des Angeklagten S. auf den Weg zum Auto machte, nahm der Angeklagte S. den Schlüsselbund, an dem sich unter anderem der Autoschlüssel befand, aus der Hosentasche des Opfers. Die Angeklagte D. war während des Geschehens absprachegemäß in der Nähe des Fahrzeugs geblieben, um den Weg zu beobachten und gegebenenfalls rechtzeitig zu warnen. Die drei Angeklagten flüchteten anschließend mit dem Auto des Opfers. W. verstarb an den ihm zugefügten Verletzungen.
7
II. Die Revision des Angeklagten K. ist unbegründet, da eine Überprüfung des Urteils weder im Schuld- noch im Strafausspruch einen den Angeklagten beschwerenden Rechtsfehler ergeben hat. Soweit der Beschwerdeführer im Rahmen der Sachrüge geltend macht, das Landgericht habe § 35 Abs. 2 StGB übersehen, dringt er nicht durch. Die Voraussetzungen des § 35 Abs. 2 StGB liegen nach den getroffenen Feststellungen offensichtlich nicht vor, so dass die Kammer in den Urteilsgründen auch nicht darauf eingehen musste. http://www.juris.de/jportal/portal/t/j8i/page/jurisw.psml?pid=Dokumentanzeige&showdoccase=1&js_peid=Trefferliste&documentnumber=1&numberofresults=1&fromdoctodoc=yes&doc.id=BJNR001270871BJNE044103307&doc.part=S&doc.price=0.0#focuspoint [Link] http://www.juris.de/jportal/portal/t/j8i/page/jurisw.psml?pid=Dokumentanzeige&showdoccase=1&js_peid=Trefferliste&documentnumber=1&numberofresults=1&fromdoctodoc=yes&doc.id=BJNR001270871BJNE044103307&doc.part=S&doc.price=0.0#focuspoint [Link] http://www.juris.de/jportal/portal/t/jit/page/jurisw.psml?pid=Dokumentanzeige&showdoccase=1&js_peid=Trefferliste&documentnumber=1&numberofresults=1&fromdoctodoc=yes&doc.id=KORE004118042&doc.part=K&doc.price=0.0#focuspoint - 7 -
8
III. Die Revision der Staatsanwaltschaft, mit der sie eine Verurteilung wegen Beihilfe zum Mord in Tateinheit mit Raub mit Todesfolge erstrebt, hat Erfolg. Die von der Kammer getroffenen Feststellungen tragen diesen Schuldspruch.
9
1. Zwar sind dann, wenn lediglich einer von mehreren Tatbeteiligten den qualifizierenden Erfolg verursacht hat, die übrigen nach § 251 StGB grundsätzlich nur strafbar, wenn sich ihr zumindest bedingter Vorsatz auf die Gewaltanwendungen erstreckt, durch welche der qualifizierende Erfolg herbeigeführt worden ist, und wenn auch ihnen in Bezug auf die Todesfolge wenigstens Leichtfertigkeit vorzuwerfen ist. Ein Beteiligter haftet somit gemäß § 251 StGB als Mittäter nur für die Folgen derjenigen Handlungen des den Tod des Opfers unmittelbar herbeiführenden Täters, die er in seine Vorstellungen von dem Tatgeschehen einbezogen hat.
10
Nicht jede Abweichung des tatsächlichen Geschehens von dem vereinbarten Tatplan beziehungsweise von den Vorstellungen des Mittäters begründet die Annahme eines Exzesses. Vielmehr liegt sukzessive Mittäterschaft vor, wenn jemand in Kenntnis und Billigung des bisher Geschehenen - auch wenn dieses in wesentlichen Punkten von dem ursprünglichen gemeinsamen Tatplan abweicht - in eine bereits begonnene Ausführungshandlung als Mittäter eintritt. Sein Einverständnis bezieht sich dann auf die Gesamttat mit der Folge, dass ihm das gesamte Verbrechen strafrechtlich zugerechnet wird. "Nur für das, was schon vollständig abgeschlossen vorliegt, vermag das Einverständnis ... die strafbare Verantwortlichkeit nicht zu begründen" (BGHSt 2, 344, 346). Der die Mittäterschaft begründende Eintritt ist demnach noch möglich, solange der zunächst allein Handelnde die Tat noch nicht beendet hat, selbst wenn sie strafrechtlich schon vorher vollendet war (BGH JZ 1981, 596).

11
2. Von diesen Grundsätzen ausgehend tragen die Feststellungen des Landgerichts den Schuldspruch wegen Beihilfe zum Mord in Tateinheit mit Raub mit Todesfolge.
12
Der Angeklagte K. hat in Verfolgung des gemeinsamen Tatplanes die tödlich verlaufenden Körperverletzungen, die sein Mittäter - im Rahmen verabredeter Gewaltausübung - dem Opfer beigebracht hatte, dazu ausgenutzt, sich und seine Tatgenossen in den Besitz des Kraftfahrzeugs zu bringen. Dass die tatsächliche Tatausführung von der ursprünglich geplanten abwich, ist dabei unerheblich. Der Angeklagte K. hatte nach den Feststellungen das Geschehen unmittelbar mitverfolgt und trat in Kenntnis und Billigung dieser Umstände in die bereits begonnene, von der ursprünglichen Absprache abweichende Ausführungshandlung ein, indem er mit dem Angeklagten S. das Opfer, "dessen Tod auch er alsbald erwartete" (UA S. 19), versteckte. Um bequem nach München fahren zu können, schob er seine Bedenken wegen des Zustechens durch S. beiseite. Dadurch sowie durch das Ansichnehmen der Kfz-Schlüssel aus der Kleidung des dann zurückgelassenen tödlich Verletzten und durch das folgende Entwenden des Fahrzeugs hat sich sein Vorsatz sukzessiv auf die zum Tod führende Gewalthandlung des Mittäters S. erstreckt (vgl. BGH NJW 1998, 3361, 3362; BGH, Beschl. vom 1. Februar 2007 - 5 StR 494/06; Fischer, StGB 55. Aufl. § 251 Rdn. 10). Der Angeklagte K. handelte im Hinblick auf die von ihm gebilligten Tathandlungen des Angeklagten S. und durch die eigene Mithilfe beim Verstecken des tödlich verletzten Opfers bezüglich des Todeseintritts jedenfalls leichtfertig. Dies bedarf aufgrund der Art des Messereinsatzes durch den Angeklagten S. keiner näheren Ausführung.
13
Somit hat er sich als Mittäter des Raubes mit Todesfolge gemäß §§ 251, 25 Abs. 2 StGB schuldig gemacht. Gleichzeitig wurde er Gehilfe des Mörders mit den eigenen Mordmerkmalen "aus Habgier" und "zur Ermöglichung einer Straftat" nach §§ 211, 27 StGB.
14
3. Da weitere Feststellungen weder in objektiver noch in subjektiver Hinsicht zu erwarten sind, ändert der Senat den Schuldspruch in entsprechender Anwendung des § 354 Abs. 1 StPO selbst.
15
IV. Die Änderung des Schuldspruchs führt zur Aufhebung des Strafausspruchs. Die dazu rechtsfehlerfrei getroffenen Feststellungen können bestehen bleiben, da sie von der Änderung des Schuldspruchs nicht berührt werden (§ 353 Abs. 2 StPO). Ergänzende weitere Feststellungen hierzu kann der neue Tatrichter treffen, soweit sie den bisherigen nicht widersprechen.
16
Da sich das Verfahren nur noch gegen einen Erwachsenen richtet, hat der Senat die Sache zur Bemessung einer neuen Strafe und zur Entscheidung über die Kosten des Rechtsmittels der Staatsanwaltschaft an eine als Schwurgericht zuständige Kammer des Landgerichts zurückverwiesen.
Nack Wahl Kolz Elf Graf

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
1 StR 323/08
vom
22. September 2008
BGHR: ja
BGHSt: nein
Veröffentlichung: ja
_________________________
Leistet der Gehilfe zu mehreren Taten der Steuerhinterziehung durch jeweils
selbständige Unterstützungshandlungen Hilfe im Sinne des § 27 Abs. 1 StGB,
steht der Umstand, dass der Angeklagte bereits bei der Anbahnung des Gesamtgeschäfts
, auf das die einzelnen Haupttaten zurückgehen, beteiligt war,
der Annahme von mehreren im Verhältnis der Tatmehrheit (§ 53 Abs. 1 StGB)
zueinander stehenden Taten der Beihilfe zur Steuerhinterziehung nicht entgegen.
BGH, Beschl. vom 22. September 2008 - 1 StR 323/08 - LG Koblenz
in der Strafsache
gegen
wegen Beihilfe zur Steuerhinterziehung
Der 1. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat am 22. September 2008 beschlossen
:
Die Revision des Angeklagten gegen das Urteil des Landgerichts
Koblenz vom 20. November 2007 wird mit der Maßgabe als unbegründet
verworfen, dass der Angeklagte der Beihilfe zur Steuerhinterziehung
in sieben Fällen schuldig ist.
Der Beschwerdeführer hat die Kosten des Rechtsmittels zu tragen.

Gründe:


1
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen Beihilfe zur Steuerverkürzung in sieben Fällen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von drei Jahren und zehn Monaten verurteilt. Auf die Revision des Angeklagten, mit der er die Verletzung formellen und sachlichen Rechts rügt, berichtigt der Senat den Schuldspruch wie aus der Beschlussformel ersichtlich. Im Übrigen ist das Rechtsmittel unbegründet im Sinne des § 349 Abs. 2 StPO. Der Erörterung bedarf lediglich Folgendes :

I.


2
Die Verfahrensrüge, die gegen die Berufsrichter der Strafkammer gerichteten Befangenheitsanträge seien zu Unrecht zurückgewiesen worden (§ 338 Nr. 3 StPO), bleibt ohne Erfolg.
3
1. Der Rüge liegt folgendes Geschehen zugrunde:
4
Im Laufe der knapp ein Jahr dauernden Hauptverhandlung legte ein Verteidiger des Angeklagten nach dem 16. Hauptverhandlungstag Haftbeschwerde gegen die Haftfortdauerentscheidung des Landgerichts ein, die mit dem Eröffnungsbeschluss ergangen war. Begründet wurde die Beschwerde insbesondere mit der Behauptung, die Strafkammer habe bei der Terminierung der Hauptverhandlung gegen das Beschleunigungsgebot verstoßen. Der Beschwerde half das Landgericht nicht ab. Da nach Auffassung des Angeklagten die Abhilfeentscheidung mit objektiv unwahren Tatsachen begründet worden war, erhob er Gegenvorstellung und erstrebte die Richtigstellung der behaupteten Tatsachen. Diesem Antrag kam die Strafkammer nicht nach und wies die Gegenvorstellung zurück. Mit der Begründung, dass die wiederholten, nach seiner Ansicht objektiv falschen Behauptungen in den vorgenannten Beschlüssen der Strafkammer Misstrauen in die Unparteilichkeit der Berufsrichter der Strafkammer begründen würden, lehnte der Angeklagte sodann am 19. Hauptver-handlungstag die Berufsrichter wegen Befangenheit ab. Dieses Ablehnungsgesuch wurde von der Strafkammer ohne Mitwirkung der abgelehnten Richter als unbegründet zurückgewiesen ; die Hauptverhandlung wurde dann von der Strafkammer in der ursprünglichen Besetzung fortgeführt. Am 25. Verhandlungstag kam es zwischen den Verfahrensbeteiligten zu einer verfahrensbeendenden Absprache. Auf die Zusage einer Strafobergrenze von vier Jahren Freiheitsstrafe hin legte der Angeklagte ein von seinem Verteidiger vorgetragenes Geständnis ab. Staatsanwaltschaft und Verteidigung nahmen alle noch nicht erledigten Beweisanträge zurück; einen Rügeverzicht im Hinblick auf die am 19. Hauptverhandlungstag geltend gemachte Befangenheit der Berufsrichter erklärte der Angeklagte nicht.
5
2. Die Befangenheitsrüge ist bereits unzulässig (vgl. BGHR StPO § 338 Nr. 3 Revisibilität 5; BGH, Beschl. vom 17. September 2008 - 5 StR 404/08). Der Angeklagte hat nach sachlicher Bescheidung des Befangenheitsantrags mit den zuvor als befangen abgelehnten Richtern eine Urteilsabsprache getroffen; Umstände, die trotz dieser Absprache ein Fortbestehen der von dem Angeklagten mit seinem Befangenheitsantrag geltend gemachten Besorgnis der Befangenheit rechtfertigen könnten, wurden nicht vorgetragen und sind auch sonst nicht ersichtlich. Bei dieser Sachlage beruht die Erhebung der Befangenheitsrüge auf einem widersprüchlichen Verhalten des Beschwerdeführers; für sie besteht daher kein Rechtsschutzbedürfnis.
6
a) Ein vorhandenes und fortbestehendes Rechtsschutzinteresse ist eine allen Prozessordnungen gemeinsame Sachentscheidungsvoraussetzung (BVerfG - Kammer - NJW 2003, 1514, 1515 m.w.N.). Das Rechtsschutzinteresse kann fehlen, wenn die Ausübung eines an sich gegebenen Rechts zu früherem Prozessverhalten in einem unauflösbaren Selbstwiderspruch steht (BGH StV 2001, 100 und StV 2001, 101). Die Rechtsausübung kann dann auch mit dem auch im Strafprozess bestehenden Verbot des Missbrauchs prozessualer Rechte (vgl. Meyer-Goßner, StPO, 51. Aufl. Einl. Rdn. 111; vgl. auch Art. 35 Abs. 3 Var. 3 EMRK) sowie dem auch für die Gerichte geltenden Grundsatz der Effizienz staatlichen Handelns (vgl. BVerfG - Kammer - NJW 2003, 1514, 1515) nicht zu vereinbaren sein. Sie ist dann unzulässig.

7
b) Auch die Mitwirkung an einer Urteilsabsprache kann dazu führen, dass sich daran anschließende Prozesshandlungen als selbstwidersprüchlich erweisen , so dass sie unzulässig sind. Auf die Notwendigkeit der Klärung der Frage, ob und in welchem Maße im Revisionsverfahren etwa unter dem Gesichtspunkt widersprüchlichen Verhaltens bestimmte Verfahrensrügen ausgeschlossen sein können (vgl. dazu auch BGH, Beschl. vom 17. September 2008 - 5 StR 404/08), hat bereits der Große Senat für Strafsachen des Bundesgerichtshofs ausdrücklich hingewiesen (BGHSt 50, 40, 52).
8
c) Mit der hier nach einer Urteilsabsprache erhobenen Befangenheitsrüge , mit der die Befangenheit der Richter vor einer Urteilsabsprache beanstandet wird, setzt sich der Beschwerdeführer in diesem Sinne zu seinem eigenen früheren Verhalten in Widerspruch. Denn bei der einvernehmlichen Beendigung des Strafverfahrens aufgrund einer Absprache bringen die Verfahrensbeteiligten grundsätzlich zum Ausdruck, dass für sie ein Grund für ein Misstrauen in die Unparteilichkeit des Richters nicht (mehr) besteht. Besondere Umstände, die hier eine andere Wertung und damit einen Ausnahmefall rechtfertigen könnten, sind weder vorgetragen noch sonst ersichtlich.
9
aa) Maßstab für die Besorgnis der Befangenheit ist, ob der Richter den Eindruck erweckt, er habe sich in der Schuld- und Straffrage bereits festgelegt. Dies ist grundsätzlich vom Standpunkt des Angeklagten aus zu beurteilen. Misstrauen in die Unparteilichkeit eines Richters ist dann gerechtfertigt, wenn der Ablehnende bei verständiger Würdigung des ihm bekannten Sachverhalts Grund zu der Annahme hat, der Richter nehme ihm gegenüber eine innere Haltung ein, die seine Unparteilichkeit und Unvoreingenommenheit störend beeinflussen kann. Dabei entspricht es ständiger Rechtsprechung, dass zunächst berechtigt erscheinendes Misstrauen nach umfassender Information über den zugrunde liegenden Vorgang gegenstandslos we rden kann (vgl. BGHSt 4, 264, 269 f.; BGH wistra 2002, 267; NStZ-RR 2004, 208, 209; NJW 2006, 3290, 3295; jeweils m.w.N.). Die Besorgnis der Befangenheit kann demnach auch durch die dem Ablehnenden bekannt gemachte dienstliche Äußerung des abgelehnten Richters ausgeräumt werden (BGH, Beschl. vom 3. Juli 1996 - 5 StR 107/96; vgl. auch BGHSt 45, 312, 320; BGH NStZ 1999, 629, 630).
10
bb) Für die Beurteilung, ob ein Befangenheitsantrag begründet ist, ist dabei auf den Zeitpunkt der Entscheidung des nach § 27 StPO zuständigen Gerichts abzustellen. Nur die zu diesem Zeitpunkt vorhandenen Tatsachen und Beweismittel dürfen auch bei der Entscheidung des Revisionsgerichts, das die Befangenheitsrüge nach Beschwerdegesichtspunkten behandelt, berücksichtigt werden (BGHSt 21, 85, 88; BGH NJW 1960, 2106, 2108).
11
cc) Indes gilt der Grundsatz, dass zunächst erscheinendes Misstrauen wieder ausgeräumt werden kann, auch für eine Urteilsabsprache. Wird - wie hier - eine den Grundsätzen von BGHSt 50, 40 entsprechende Urteilsabsprache getroffen, die zur Folge hat, dass der Angeklagte ein Geständnis ablegt und das Gericht dafür eine Strafobergrenze zusagt, so ist dieses Verhalten des Angeklagten grundsätzlich dahin zu verstehen, dass er die zuvor geäußerte Besorgnis in die Unparteilichkeit des Gerichts nicht mehr hegt (vgl. BGHR StPO § 338 Nr. 3 Revisibilität 4).
12
dd) Lässt sich der Angeklagte auf ein solches Vorgehen ein und legt er im - rechtlich geschützten - Vertrauen auf die Zusage des Gerichts ein Geständnis ab, so belegt das seine veränderte Einschätzung. Jetzt besorgt er nicht mehr, und muss auch nicht mehr besorgen, das Gericht habe sich - zu seinem Nachteil vorschnell - in der Schuld- und Straffrage festgelegt. Diese hat er nunmehr vielmehr mit dem Gericht im Wesentlichen „abgesprochen“ und das zu erwartende Urteil entspricht seiner Verteidigungsstrategie. Ist die Urteilsabsprache fair und ordnungsgemäß zustande gekommen, so vermag auch ein dabei geäußerter Vorbehalt, auf eine Befangenheitsrüge wegen des zuvor gestellten Befangenheitsantrages nicht zu verzichten, nichts daran ändern, dass der Angeklagte mit dem Eingehen auf die Absprache zu erkennen gegeben hat, dass seine Besorgnis entfallen ist.
13
ee) Hegt aber der Angeklagte keine Besorgnis der Befangenheit mehr und geht er deshalb von einer unvoreingenommenen Haltung des Gerichts zum Urteilszeitpunkt aus, fehlt ihm das Rechtsschutzbedürfnis für die Beanstandung einer Zwischenentscheidung, welche die Frage der Besorgnis der Befangenheit der erkennenden Richter in einem früheren Verfahrensstadium zu Gegenstand hatte. Dies gilt auch unter Berücksichtigung des in Art. 19 Abs. 4 GG garantierten Grundrechts des Angeklagten, wonach das Rechtsmittelgericht ein von der jeweiligen Prozessordnung eröffnetes Rechtsmittel nicht ineffektiv machen und „leer laufen“ lassen darf (BVerfGE 78, 88, 98 f.).
14
ff) Der Senat verkennt nicht, dass bei besonderen Umständen trotz vorheriger Urteilsabsprache ein Rechtsschutzbedürfnis für die Erhebung einer Befangenheitsrüge gegeben sein kann. Dies ist etwa der Fall, wenn sich eine neue Sachlage ergibt, die dazu führt, dass das Gericht seine Zusage nicht mehr aufrechterhält. In einem solchen Fall ist auch die Besorgnis des Angeklagten neu zu bewerten. Dasselbe gilt, wenn besondere Umstände vorhanden sind, die bei verständiger Würdigung des Sachverhalts trotz der Urteilsabsprache ein fortbestehendes Misstrauen in die Unparteilichkeit des Gerichts rechtfertigen. Solche Umstände sind weder vorgetragen noch sonst erkennbar. Soweit die Revision vorträgt, der Angeklagte habe bei Abgabe des Geständnisses bekundet, dass ein Rechtsmittelverzicht ebenso wenig beabsichtigt gewesen sei wie ein Ausschluss von Verfahrensrügen, ist dies nicht geeignet, eine nach der Urteilsabsprache fortbestehende Besorgnis der Befangenheit zu rechtfertigen. Denn mit dieser Erklärung brachte der Beschwerdeführer lediglich zum Ausdruck, dass er trotz der Verständigung mit dem Gericht vor der Absprache liegende Verfahrensverstöße mit dem Rechtsmittel der Revision beanstanden will. Dass er - auch angesichts der Verständigung - nach wie vor die Voreingenommenheit der Richter besorgte, kann der Erklärung indes nicht entnommen werden.
15
d) Der Unzulässigkeit der Erhebung einer Befangenheitsrüge, mit der die vor einer einvernehmlichen verfahrensbeendenden Absprache erfolgte Zurückweisung eines Befangenheitsgesuchs beanstandet wird, steht nicht entgegen, dass nach der Entscheidung des Großen Senats für Strafsachen des Bundesgerichtshofs vom 3. März 2005 (BGHSt 50, 40 ff.) das Tatgericht im Rahmen einer Urteilsabsprache an der Erörterung eines Rechtsmittelverzichts nicht mitwirken und auf einen solchen Verzicht auch nicht hinwirken darf. Denn der in einem solchen Fall eintretende Rügeverlust ist nicht etwa Folge eines Rechtsmittelverzichts , sondern des Wegfalls des Rechtsschutzinteresses nach einer Urteilsabsprache für die Beanstandung bestimmter Verfahrensverstöße vor der verfahrensbeendenden Absprache. Die Rechtsmittelbefugnis als solche besteht bei einer Urteilsabsprache uneingeschränkt fort.
16
3. Die Befangenheitsrüge wäre - ihre Zulässigkeit unterstellt - jedenfalls unbegründet.
17
a) Unter Berücksichtigung der dienstlichen Stellungnahmen der abgelehnten Richter hat sich der Senat nicht von der Richtigkeit der Behauptung der Revision überzeugt, die in der Haftbeschwerdeentscheidung zur Terminierung angegebenen Tatsachen seien unwahr. Vielmehr wurden die für die Terminierung bedeutsamen Umstände in den diesbezüglichen Entscheidungen der Kammer einerseits und der Haftbeschwerde sowie der Gegenvorstellung des Angeklagten andererseits von den Verfahrensbeteiligten ersichtlich unterschiedlich interpretiert. Dies wurde durch die dienstlichen Stellungnahmen der abgelehnten Richter auch dem Angeklagten deutlich. Schließlich konnte der Senat auch keine Anhaltspunkte für bewusste Falschangaben der abgelehnten Richter zu den Umständen der Terminierung feststellen. Bei dieser Sachlage liegen keine Umstände vor, die geeignet sind, in den Augen eines vernünftigen Angeklagten Misstrauen in die Unparteilichkeit der Richter zu rechtfertigen.

II.


18
Auch die Sachrüge bleibt aus den Gründen der Antragsschrift des Generalbundesanwalts im Ergebnis ohne Erfolg. Ergänzend bemerkt der Senat:
19
1. Nach den rechtsfehlerfrei getroffenen Feststellungen unterstützte der Angeklagte eine international tätige Organisation, die Tabakfeinschnitt, der unter Steueraussetzung aus dem Verbrauchsteuergebiet der Europäischen Gemeinschaft ausgeführt werden sollte (§ 17 TabStG), während der Beförderung dem Steueraussetzungsverfahren entzog und hiermit in nicht zugelassenen Herstellungsbetrieben in der Bundesrepublik Zigaretten herstellte, die sodann unter der Marke „Marlboro“ in Deutschland vertrieben wurden. Die insoweit nach § 11 Abs. 3, § 18 Abs. 1 Satz 1 TabStG entstandenen Steuern wurden nicht entrichtet. Der Tatbeitrag des Angeklagten bestand nach den Urteilsfest- stellungen einerseits darin, dass er bei der Beschaffung des Tabakfeinschnitts in Argentinien beteiligt war, wo er für den vorgeblichen Endempfänger auftrat. Bei diesem handelte es sich um eine in Kroatien, das zur Tatzeit noch nicht Mitglied der Europäischen Union war, ansässige Firma. Nachdem der Tabakfeinschnitt aus Argentinien ordnungsgemäß an die belgische Firma T. , die Inhaberin eines Steuerlagers war, geliefert worden war, veranlasste der Angeklagte nacheinander sieben Einzeltransporte mit Tabakfeinschnitt an die von ihm vertretene kroatische Firma im Steueraussetzungsverfahren, aus dem die Transporte dann jeweils entzogen wurden.
20
2. Entgegen der Auffassung der Revision hält der Schuldspruch auch zur Frage des Konkurrenzverhältnisses der Taten rechtlicher Nachprüfung stand. Den Urteilsgründen ist mit hinreichender Deutlichkeit zu entnehmen, dass der Angeklagte an jedem der sieben verfahrensgegenständlichen Tabaktransporte, die jeweils aus dem Steueraussetzungsverfahren entzogen wurden, unterstützend mitwirkte (UA S. 5). Er leistete zu jeder der Haupttaten durch selbständige Unterstützungshandlungen Hilfe im Sinne des § 27 Abs. 1 StGB. Die Beihilfehandlungen stehen daher zueinander im Verhältnis der Tatmehrheit (§ 53 StGB; vgl. BGH wistra 2008, 217). Der Umstand, dass der Angeklagte bereits bei der Anbahnung des Gesamtgeschäfts und an der Beschaffung des Tabaks durch die belgische Firma T. in Argentinien beteiligt war, welche den Tabak zunächst in einem Steuerlager zwischenlagerte, bevor das Steueraussetzungsverfahren eröffnet wurde, führt angesichts seiner Mitwirkung an den einzelnen Tabaktransporten zu keiner anderen Beurteilung des Konkurrenzverhältnisses. Zur Klarstellung berichtigt der Senat das offensichtliche Schreibversehen der Strafkammer „Beihilfe zur Steuerverkürzung“ im Urteilstenor in „Beihilfe zur Steuerhinterziehung“ (vgl. Meyer-Goßner, StPO 51. Aufl. § 354 Rdn. 33).

21
3. Der Strafausspruch hat ebenfalls Bestand.
22
Zwar setzt die Annahme eines besonders schweren Falles nach § 370 Abs. 3 AO beim Gehilfen eine eigenständige Bewertung aller Umstände einschließlich seines Tatbeitrages voraus (vgl. BGH NStZ 1983, 217; wistra 2007, 461; Joecks in Franzen/Gast/Joecks, Steuerstrafrecht, 6. Aufl. § 370 AO Rdn. 267). Das Landgericht durfte daher beim Angeklagten nicht allein deshalb vom - gemäß §§ 27, 49 StGB gemilderten - Strafrahmen des § 370 Abs. 3 AO ausgehen, weil die Taten bei den Haupttätern als besonders schwere Fälle der Steuerhinterziehung zu qualifizieren waren. Gleichwohl ist die Strafrahmenwahl des Landgerichts nicht zu beanstanden. Angesichts der Einbindung des Angeklagten in die Aktivitäten einer international operierenden Tätergruppe, die im großen Stil und mit großer krimineller Energie in illegal eingerichteten Fabrikationsstätten Zigaretten herstellte und unversteuert unter Markenbezeichnungen veräußerte (UA S. 3, 13), kam bei dem hier vorliegenden Tatbild mit einem Gesamtsteuerschaden von weit mehr als 10 Mio. Euro auch bei den Unterstützungshandlungen des Angeklagten nur die Annahme besonders schwerer Fälle im Sinne des § 370 Abs. 3 AO in Betracht. Dass der Angeklagte auf eine seiner Stellung und seiner Aufgabe im Tatgeschehen entsprechende Entlohnung verzichtet haben könnte, ist weder festgestellt, noch wird dies vom Angeklagten behauptet. Der Senat schließt zudem aus, dass sich in den Fällen fünf bis sieben der Urteilsgründe die geringfügige Überschreitung des gemäß § 4 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. c TabStG in der Fassung vom 23. Dezember 2003 maßgeblichen Tabaksteuersatzes für Zigaretten durch die Strafkammer um knapp 0,13 Cent pro Zigarette auf den Strafausspruch ausgewirkt hat. Nack Wahl Hebenstreit Jäger Sander

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
3 StR 208/12
vom
18. Oktober 2012
in der Strafsache
gegen
1.
2.
wegen zu 1.: Bestechung u.a.
zu 2.: Bestechlichkeit u.a.
Nebenbeteiligte:
Baugesellschaft mbH,
vertreten durch die Geschäftsführer
Der 3. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat in der Sitzung am 18. Oktober
2012, an der teilgenommen haben:
Vorsitzender Richter am Bundesgerichtshof
Becker,
die Richter am Bundesgerichtshof
Pfister,
Hubert,
Gericke,
Richterin am Bundesgerichtshof
Dr. Spaniol
als beisitzende Richter,
Bundesanwalt beim Bundesgerichtshof
als Vertreter der Bundesanwaltschaft,
Rechtsanwalt
als Verteidiger des Angeklagten D. ,
Rechtsanwalt
als Verteidiger des Angeklagten P. ,
Justizamtsinspektor
als Urkundsbeamter der Geschäftsstelle,

für Recht erkannt:
Auf die Revision der Staatsanwaltschaft wird das Urteil des Landgerichts Hildesheim vom 6. Dezember 2011 mit den Feststellungen aufgehoben.
Die Sache wird zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine Strafkammer des Landgerichts Göttingen zurückverwiesen.

Von Rechts wegen

Gründe:

1
Die Anklageschrift hatte dem Angeklagten D. Bestechung in Tateinheit mit Anstiftung zur Untreue und zum Betrug, Bestechung in zwei Fällen sowie Betrug und dem Angeklagten P. Bestechlichkeit in Tateinheit mit Untreue , Bestechlichkeit in zwei Fällen sowie ebenfalls Betrug zur Last gelegt. Das Landgericht hatte die Anklage mit einer abweichenden rechtlichen Bewertung zugelassen und dabei lediglich zwei - statt wie die Anklageschrift vier - prozessuale Taten angenommen. Es hatte die Angeklagten mit Urteil vom 23. April 2007 aus Rechtsgründen und aus tatsächlichen Gründen freigesprochen. Dieses Urteil hat der Senat - soweit es die beiden Angeklagten betraf - auf Revision der Staatsanwaltschaft durch Urteil vom 19. Juni 2008 (3 StR 490/07, BGHSt 52, 290) mit den Feststellungen aufgehoben, da das Landgericht die Amtsträgerschaft des Angeklagten P. rechtsfehlerhaft verneint hatte. Das Landgericht hat die Angeklagten nunmehr abermals freigesprochen. Die Staatsanwaltschaft wendet sich gegen den erneuten Freispruch mit ihrer auf eine Verfahrensrüge und die Sachrüge gestützten Revision. Das vom Generalbundesanwalt nicht vertretene Rechtsmittel führt bereits aufgrund der Verfahrensrüge zur Aufhebung des Urteils. Auf die sachlichrechtlichen Beanstandungen kommt es daher nicht an.

I.

2
Die von der Staatsanwaltschaft erhobene Verfahrensrüge, bei dem Urteil habe ein Richter mitgewirkt, nachdem er wegen Besorgnis der Befangenheit abgelehnt worden war und das Ablehnungsgesuch zu Unrecht verworfen worden ist (§ 24 Abs. 1 und 2, § 338 Nr. 3 StPO), hat Erfolg.
3
1. Der Rüge liegt der folgende Verfahrensablauf zugrunde:
4
Nach Aufhebung des ersten Urteils und Zurückverweisung der Sache an das Landgericht kam es am 1. Oktober 2010 vor Terminierung der Hauptverhandlung zu einer Vorbesprechung der Kammer mit der Staatsanwaltschaft und den Verteidigern unter anderem mit dem Ziel, den erforderlichen Umfang einer erneuten Beweisaufnahme zu klären. Daran nahmen die gesamte Kammer, drei Verteidiger und drei Vertreter der Staatsanwaltschaft teil, zu denen der Anklageverfasser Oberstaatsanwalt E. zählte. Zwischen diesem und dem Verteidiger des Angeklagten D. kam es zu einem Zwiegespräch über den Nachweis der subjektiven Tatseite. Als Oberstaatsanwalt E. zur Stützung seiner Ansicht auf einen Beschluss des Oberlandesgerichts Celle verwies, der ausdrücklich einen dringenden Tatverdacht bezüglich der subjekti- ven Tatseite angenommen habe, unterbrach ihn der Vorsitzende und verlangte, ihm diesen Beschluss zu zeigen. Diese Aufforderung wiederholte er mehrfach, auch nachdem der Oberstaatsanwalt erklärt hatte, dass ihm die Akten aktuell nicht vorlägen. Schließlich wies Oberstaatsanwalt E. die Aufforderung des Vorsitzenden als "Unverschämtheit" zurück. Hierauf verließ der Vorsitzende den Besprechungsraum und kehrte nicht mehr in diesen zurück.
5
Mit Schreiben vom 3. Dezember 2010 lehnte die Staatsanwaltschaft den Vorsitzenden wegen Besorgnis der Befangenheit ab, da es ihm angesichts seines Verhaltens ausschließlich um die Bloßstellung des Vertreters der Staatsanwaltschaft gegangen und er nicht bereit sei, seine Vorstellungen anhand von Gegenargumenten zu hinterfragen. Der Vorsitzende führte in seiner dienstlichen Äußerung dazu unter anderem aus, dass er auch die Möglichkeit der Verfahrenseinstellung habe erörtern wollen und er auf die Vorbesprechung verzichtet hätte, wenn ihm zuvor die Teilnahme von Oberstaatsanwalt E. bekannt gewesen wäre. "Wie befürchtet" sei dieser nicht bereit gewesen, andere Möglichkeiten als eine Verurteilung der Angeklagten zu diskutieren. Im Übrigen halte er - der Vorsitzende - den Beschluss des Oberlandesgerichts Celle für unerheblich. Er räume ein, dass er dies den Vertretern der Staatsanwaltschaft "in anderer Form hätte darlegen müssen".
6
In einem Telefonat am 26. Januar 2011 wies Oberstaatsanwalt Dr. G. den Vorsitzenden darauf hin, dass dieser vor dem Vorgespräch Oberstaatsanwalt E. noch gar nicht gekannt habe. Hierauf erklärte der Vorsitzende, er habe seinen Eindruck von jenem aus den Akten gewonnen und das reiche.
7
Mit Schreiben vom 28. Januar 2011 lehnte die Staatsanwaltschaft den Vorsitzenden erneut wegen Besorgnis der Befangenheit ab, da er durch seine dienstliche Äußerung den Eindruck der Voreingenommenheit verstärkt habe. In der hierzu abgegebenen weiteren dienstlichen Erklärung vom 10. Februar 2011 äußerte der Vorsitzende unter anderem, er habe sich nicht auf die Person von Oberstaatsanwalt E. bezogen, sondern auf dessen Tätigkeit im Verfahren, in dem dieser "seiner Aufgabe, 'den Sachverhalt zu erforschen' (§ 160 Abs. 1 StPO), nicht gerecht geworden" sei. "Wie sonst" sei "es zu erklären , dass er während der Hauptverhandlung insgesamt acht Beweisanträge auf Vernehmung von Zeugen sowie auf Einholung eines Sachverständigengutachtens stellte". Es entstehe "der Eindruck, die Staatsanwaltschaft mache sich zum Sprachrohr der Deutschen Bahn AG und vernachlässige dabei ihre aus § 160 Abs. 2 StPO resultierenden Pflichten".
8
Mit Beschluss vom 1. März 2011 wies die Kammer - ohne Mitwirkung des Vorsitzenden - das Ablehnungsgesuch als unbegründet zurück.
9
2. Der Rüge bleibt der Erfolg nicht versagt. Aus Sicht der Staatsanwaltschaft lag bei objektiver Beurteilung ein Grund vor, der geeignet war, Misstrauen gegen die Unparteilichkeit des abgelehnten Richters zu rechtfertigen (§ 24 Abs. 2 StPO).
10
a) Der Senat hat entgegen der Ansicht der Revision eine ausreichende Beurteilungsgrundlage für die Prüfung, ob das Ablehnungsgesuch sachlich gerechtfertigt war, auch wenn der das Gesuch zurückweisende Beschluss den Verlauf der Besprechung am 1. Oktober 2010 nicht mitteilt. Weil die Rüge im Revisionsverfahren nach Beschwerdegesichtspunkten zu behandeln ist, kann der Senat die im ersten Rechtszug vorgebrachten und glaubhaft gemachten Ablehnungsgründe in tatsächlicher Hinsicht würdigen und prüfen, ohne auf eine rechtliche Nachprüfung des tatrichterlichen Verwerfungsbeschlusses beschränkt zu sein (BGH, Urteil vom 26. Mai 1970 - 1 StR 132/70, BGHSt 23, 265, 266). Hierzu sind in den Ablehnungsgesuchen die für diese maßgeblichen Tatsachen hinreichend dargelegt.
11
Da der abgelehnte Richter sich über die Ablehnungsgründe dienstlich geäußert hat (§ 26 Abs. 3 StPO) und dienstliche Erklärungen der an der Besprechung teilnehmenden Staatsanwälte sowie die Stellungnahme eines Verteidigers vorliegen, bedarf hier keiner Entscheidung, inwieweit das Revisionsgericht das Urteil aufheben oder Ermittlungen im Freibeweisverfahren anstellen muss, wenn es aufgrund von Versäumnissen des Tatgerichts mangels ausreichender tatsächlicher Beurteilungsgrundlagen die Begründetheit des Ablehnungsgesuchs nicht ohne Weiteres prüfen kann (vgl. einerseits BGH, Urteil vom 16. Dezember 1969 - 5 StR 468/69, BGHSt 23, 200, 203; Meyer-Goßner, StPO, 55. Aufl., § 338 Rn. 27; KK-Kuckein, StPO, 6. Aufl., § 338 Rn. 63; andererseits LK/Hanack, StPO, 25. Aufl., § 338 Rn. 64). Eine solche Sachlage ist hier nicht gegeben.
12
b) In der Sache bestand für die Staatsanwaltschaft bei vernünftiger Würdigung aller Umstände begründeter Anlass zu der Sorge, der Vorsitzende nehme eine innere Haltung ein, die seine Neutralität, Distanz und Unparteilichkeit gegenüber den Verfahrensbeteiligten störend beeinflusst (vgl. Meyer-Goßner, StPO, 55. Aufl., § 24 Rn. 8 mwN).
13
aa) Die Besorgnis einer Voreingenommenheit des Vorsitzenden war allerdings nicht schon deswegen begründet, weil dieser in der Besprechung vom 1. Oktober 2010 nachdrücklich verlangte, die vom Oberstaatsanwalt zitierte Entscheidung des Oberlandesgerichts zu sehen. Hierin konnte der Wunsch zum Ausdruck kommen, den Beschluss und dessen Argumentation zur Kenntnis nehmen zu können und so die Gelegenheit zu erhalten, sich mit den - dem Richter zu dem Zeitpunkt nicht präsenten - Argumenten der oberlandesgericht- lichen Entscheidung auseinanderzusetzen. Jedenfalls lässt sich dem Geschehen nicht entnehmen, dass der Vorsitzende sich in der Sache bereits eine abschließende Meinung gebildet hatte oder dass es ihm "ausschließlich um die Bloßstellung des Vertreters der Staatsanwaltschaft" ging. Zwar kann die insistierende , sachlich nicht veranlasste Aufforderung durchaus als Unmutsäußerung gegenüber dem Oberstaatsanwalt verstanden werden. Jedoch deutet dieser Unmut eher auf eine spontane Verärgerung darüber, dass der Beschluss nicht vorlag, als auf eine grundsätzliche Voreingenommenheit des Vorsitzenden in der Sache hin.
14
bb) Gleiches gilt - bei isolierter Betrachtung - auch für den Umstand, dass sich der Vorsitzende kurze Zeit später entfernte. Dies ergibt für sich ebenfalls noch nicht, dass er sich in der Sache den Argumenten der Staatsanwaltschaft entziehen und deren Verfahrensrechte beschränken wollte. Zum einen bestand in der konkreten Lage keine Möglichkeit, die angesprochene Sichtweise des Oberlandesgerichts näher zu erörtern, weil der entsprechende Beschluss nicht vorlag. Zum anderen handelte es sich lediglich um ein Vorgespräch zur weiteren Gestaltung des Verfahrens.
15
Dass das Verhalten des Vorsitzenden in der Besprechung - wie von ihm letztlich selbst in der dienstlichen Äußerung eingeräumt - nicht den üblichen Umgangsformen entsprach, lässt bei ruhiger Prüfung der Sachlage noch nicht auf eine inhaltliche Vorfestlegung schließen. Dies gilt zumal vor dem zu berücksichtigenden Gesamtzusammenhang (vgl. etwa BGH, Beschluss vom 14. Januar 2000 - 3 StR 106/99, NStZ 2000, 325) und der Tatsache, dass Oberstaatsanwalt E. - aus seiner Sicht allerdings nachvollziehbar - das Vorgehen des Vorsitzenden als "Unverschämtheit" bezeichnet hatte, bevor dieser den Raum verließ.
16
Im Übrigen begründen etwaige Spannungen zwischen einem Richter und einem bestimmten Staatsanwalt ebenso wenig ohne weiteres Misstrauen der Staatsanwaltschaft gegen die Unparteilichkeit des Richters wie Spannungen zwischen einem Richter und einem Verteidiger oder einem Sachverständigen zu berechtigtem Misstrauen des Angeklagten (vgl. etwa BGH, Beschlüsse vom 8. Juni 2005 - 2 StR 118/05, BGHR StPO § 24 Abs. 2 Befangenheit 15; vom 4. März 1993 - 1 StR 895/92, BGHR StPO § 24 Abs. 2 Befangenheit 8; Urteil vom 12. Februar 1998 - 1 StR 588/97, NJW 1998, 2458, 2459, in BGHSt 44, 26 insoweit nicht abgedruckt) führen. Allen Fällen ist gemeinsam, dass regelmäßig Belastungen auf persönlicher Ebene - jedenfalls soweit es nicht um den Angeklagten selbst geht - nicht allgemein Rückschlüsse auf eine Voreingenommenheit in der Sache zulassen, falls keine besonderen Umstände hinzutreten. Daher rechtfertigen die gegen einen bestimmten Oberstaatsanwalt gerichteten Vorbehalte des Vorsitzenden, wie sie in seiner dienstlichen Äußerung zum ersten Befangenheitsgesuch deutlich geworden sind, allein nicht die Besorgnis der Befangenheit.
17
cc) Eine solche Besorgnis ergibt sich letztlich auch nicht allein daraus, dass der Vorsitzende die Beweislage zur subjektiven Tatseite anders einschätzte als die Staatsanwaltschaft. Eine bereits erfolgte Festlegung auf ein bestimmtes Beweisergebnis ist seinen Äußerungen nicht zu entnehmen; eine vorläufige Bewertung ist grundsätzlich nicht zu beanstanden (vgl. BGH, Urteil vom 14. April 2011 - 4 StR 571/10, NStZ 2011, 590, 591 mwN).
18
dd) Es kann dahinstehen, ob die vorgenannten Umstände - zumindest in ihrer Gesamtheit - zu einer berechtigten Besorgnis der Staatsanwaltschaft führten , der Vorsitzende sei befangen (vgl. BGH, Beschluss vom 10. Januar 2012 - 3 StR 400/11, StraFo 2012, 134, 136); jedenfalls in Verbindung mit der Stel- lungnahme, die der Vorsitzende zu dem zweiten Befangenheitsgesuch abgegeben hat, ist diese Besorgnis gegeben.
19
So wie ein zunächst berechtigtes Misstrauen eines Verfahrensbeteiligten gegen die Unbefangenheit eines Richters durch dessen ihm bekannt gemachte dienstliche Äußerung ausgeräumt werden kann mit dem Ergebnis, dass eine auf § 338 Nr. 3 StPO gestützte Rüge erfolglos bleibt (vgl. BGH, Beschlüsse vom 18. Dezember 2007 - 1 StR 301/07, NStZ 2008, 229; vom 22. September 2008 - 1 StR 323/08, NStZ 2009, 159, 160; vom 4. März 2009 - 1 StR 27/09, NStZ 2009, 701 und vom 5. Oktober 2010 - 3 StR 287/10, StV 2011, 72), kann eine solche Stellungnahme dazu führen, dass einem schon durch frühere Einzelumstände genährten Misstrauen des Ablehnenden gegen den abgelehnten Richter die Berechtigung nicht mehr abzusprechen ist. Dies gilt jedenfalls dann, wenn der Inhalt der Stellungnahme in einem unmittelbaren inneren Zusammenhang mit den bereits geltend gemachten Ablehnungsgründen steht und nicht einen davon deutlich abgehobenen neuen Anknüpfungspunkt für die Besorgnis fehlender Unparteilichkeit liefert, der nur durch ein hierauf bezogenes neues Ablehnungsgesuch verfahrensrechtlich zur Geltung gebracht werden könnte.
20
In der Stellungnahme des Vorsitzenden wird der Vorwurf erhoben, die Staatsanwaltschaft sei ihrer Aufgabe, den Sachverhalt zu erforschen, nicht gerecht geworden, und habe einseitig ermittelt, ohne ihr Aufklärungsbemühen auch auf die Angeklagten entlastende Umstände zu erstrecken. Dies wird durch die in hohem Maße unsachliche Bemerkung verschärft, die Staatsanwaltschaft erwecke den Eindruck, sie mache sich zum Sprachrohr der Deutschen Bahn AG, was letztlich nichts anderes bedeutet, als dass sich die Staatsanwaltschaft von einem am Verfahren nicht beteiligten, aber an dessen Ausgang interessierten Dritten für dessen Zwecke habe instrumentalisieren lassen. Damit verstärk- te der Vorsitzende die schon in seinem vorangegangenen Verhalten angedeuteten Vorbehalte gegen die Tätigkeit der Anklagebehörde in einer Weise, die zumindest jetzt aus deren Sicht bei objektiver Betrachtung die Besorgnis begründete , er werde das Verfahren nicht unparteilich führen und in der Sache nicht mehr unbefangen entscheiden.

II.

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1. Für das weitere Verfahren sieht der Senat im Hinblick auf die Begründung , mit der das Landgericht den Vorsatz beider Angeklagter hinsichtlich der Amtsträgerstellung des Angeklagten P. verneint hat, Anlass zu folgendem Hinweis:
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Es steht zu besorgen, dass das Landgericht an den Vorsatz hinsichtlich des tatbestandlichen Elements der Wahrnehmung öffentlicher Aufgaben bei einer sonstigen Stelle im Sinne des § 11 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. c StGB zu hohe Anforderungen gestellt hat, indem es eine ins Einzelne gehende Kenntnis von den rechtlichen Grundlagen für erforderlich gehalten hat, aus denen sich die Einfluss- und Steuerungsmöglichkeiten des Staates auf die PB DE ergeben. Indes genügt - wie auch vom Landgericht angenommen - grundsätzlich bedingter Vorsatz (vgl. LK/Hilgendorf, StGB, 12. Aufl., § 11 Rn. 60), der gegeben ist, wenn der Täter das Vorliegen eines Tatbestandsmerkmals als möglich sowie nicht ganz fernliegend erkennt und dies billigt oder sich um des erstrebten Zieles willen zumindest damit abfindet (s. etwa BGH, Urteil vom 22. März 2012 - 4 StR 558/11, NJW 2012, 1524, 1525 mwN). Da nach der Beweiswürdigung des Landgerichts jedenfalls der Angeklagte P. wusste, dass die Aufgabe der PGS und der PB DE der Ausbau des Schienennetzes war, es in diesem Aufgabenbereich keine Wettbewerber gab, die Aufträge der PB DE aufgrund öffentlicher Ausschreibungen erteilt wurden und das Geld für den Schienen- ausbau "vom Bund" kam, kann ein zumindest bedingter Vorsatz selbst dann in Betracht kommen, wenn dem Angeklagten die dahinter stehenden gesetzlichen und vertraglichen Grundlagen nicht im Einzelnen bekannt waren (vgl. BGH, Urteil vom 19. Dezember 1997 - 2 StR 521/97, NJW 1998, 1874, 1877).
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2. Der Senat macht von der Möglichkeit des § 354 Abs. 2 Satz 1 2. Alt. StPO Gebrauch und verweist das Verfahren an das Landgericht Göttingen.
Becker Pfister Hubert Gericke Spaniol