Bundesgerichtshof Beschluss, 18. Mai 2017 - 2 StR 83/17

ECLI:ECLI:DE:BGH:2017:180517B2STR83.17.0
bei uns veröffentlicht am18.05.2017

Gericht

Bundesgerichtshof


Der Bundesgerichtshof (BGH) ist das höchste Gericht der ordentlichen Gerichtsbarkeit in Deutschland.  Der BGH besteht aus 16 Senaten, die jeweils von einem Vorsitzenden und mehreren anderen Richtern geleitet werden. Die Zusammensetzung der Senate

Richter

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
2 StR 83/17
vom
18. Mai 2017
in der Strafsache
gegen
wegen versuchten Totschlags u.a.
ECLI:DE:BGH:2017:180517B2STR83.17.0

Der 2. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat nach Anhörung des Generalbundesanwalts und des Beschwerdeführers am 18. Mai 2017 gemäß § 349 Abs. 2 und 4 StPO beschlossen:
1. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Gießen vom 19. Dezember 2016 mit den zugehörigen Feststellungen aufgehoben, soweit der Angeklagte im Fall II.4 der Urteilsgründe verurteilt worden ist, sowie im Gesamtstrafenausspruch. 2. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels , an eine andere Schwurgerichtskammer des Landgerichts zurückverwiesen. 3. Die weitergehende Revision des Angeklagten wird verworfen.

Gründe:

1
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen versuchten Totschlags in Tateinheit mit Beleidigung sowie wegen versuchter Nötigung, Bedrohung in Tateinheit mit Beleidigung und Sachbeschädigung sowie Bedrohung in Tateinheit mit Beleidigung unter Einbeziehung weiterer Strafen aus einer anderen Entscheidung zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von drei Jahren und sechs Monaten verurteilt. Die auf die Verletzung sachlichen Rechts gestützte Revision des Angeklagten führt in dem aus dem Tenor ersichtlichen Umfang zum Erfolg; im Übrigen ist sie offensichtlich unbegründet (§ 349 Abs. 2 StPO).

I.

2
1. Nach den Feststellungen des Landgerichts war der Angeklagte am 8. Juli 2015 im Anschluss an eine Auseinandersetzung mit einer anderen Person auf den Zeugen P. getroffen und war ihm mit seinem Motorroller gefolgt, hatte ihn beleidigt und bedroht, bevor er vor dem Hof des Zeugen stürzte. Anschließend drohte er erneut an, ihn „abzustechen“, und floh schließlich ohne seinen Roller, dessen Schlüssel P. abgezogen hatte (Fall II. 2 der Urteilsgründe). Kurze Zeit später kehrte der Angeklagte zurück, wiederholte seine Drohung und kündigte dem Zeugen an, ihn „abzustechen“, wenn er die Polizei rufe. Mit vorgehaltenen Besenstielen gelang es dem Zeugen P. und dem hinzugeeilten Nachbarn B. , den mit einem Messer Stichbewegungen in Richtung des P. ausführenden Angeklagten auf Distanz zu halten. Schließlich kam der dem Angeklagten körperlich überlegene Zeuge O. hinzu, schlug ihm das Messer aus der Hand und nahm ihn mit (Fall II. 3 der Urteilsgründe).
3
Aufgrund der Alkoholisierung, seines akuten Schlafmangels und noch immer aufgebracht und wütend auf den Zeugen P. entschloss sich der Angeklagte nun, diesen zu töten. Er bewaffnete sich mit einer Grabgabel mit vier vorne spitz zulaufenden Zinken aus Metall mit einer Länge von 26 cm, wobei der Stiel der Gabel etwa 20 cm oberhalb der Zinken abgebrochen war. Damit machte er sich auf den Weg zum Hof des Zeugen P. , der von einem Nachbarn vor dem Erscheinen des Angeklagten telefonisch gewarnt worden war. P. seinerseits bewaffnete sich zu seiner Verteidigung mit einer Schaufel, der Zeuge B. hielt noch immer den Besenstiel in seiner Hand. Als der Angeklagte die beiden wieder erreicht hatte, stürzte er auf den Zeugen P. zu und führte mit der Grabgabel Stichbewegungen in Richtung des Zeugen aus. Als der Angeklagte noch etwa fünf Meter entfernt war,warnte ihn P. , er werde mit der Schaufel zuschlagen, falls er sich weiter nähere. Der Angeklagte ließ sich davon nicht abhalten, näherte sich bis auf eineinhalb Meter und stach mit der Grabgabel, die er mit beiden Händen vor sich hielt, gezielt in Richtung des Oberkörpers des Zeugen wuchtig zu. Obwohl dieser vor dem Stich des Angeklagten zurückwich, gelangten die Spitzen bis auf eine Entfernung von 50 Zentimeter an seinen Bauch heran. Dabei erkannte der Angeklagte , dass er P. am Oberkörper treffen und ihm dadurch im Bereich lebenswichtiger Organe Verletzungen zufügen würde. Dennoch stach er immer wieder in dessen Richtung, wobei er erneut drohte, ihn abzustechen. Nunmehr schlug P. mit der Schaufel nach dem Angeklagten und traf ihn am Arm. Die Grabgabel fiel zu Boden, der Angeklagte hob sie wieder auf und ging erneut auf den Zeugen P. los. Diesem gelang es jedoch zusammen mit dem Zeugen B. , den Angeklagten weiter auf Distanz zu halten. Schließlich kam erneut O. hinzu, dem es mit erheblichem Kraftaufwand gelang , den Angeklagten von dem Zeugen P. wegzuziehen. Beide verließen sodann den Ort des Geschehens (Fall II. 4 der Urteilsgründe).
4
2. Die Schwurgerichtskammer ist davon ausgegangen, dass sich der Angeklagte durch das Zustechen in Richtung des Oberkörpers des Zeugen P. wegen versuchten Totschlags strafbar gemacht hat. Der Angeklagte habe unmittelbar zur Tat angesetzt und auch den Entschluss gefasst, diesen zu töten. Er habe gewusst, dass er mit einem Stich in Richtung des Oberkörpers lebenswichtige Organe treffen und verletzen könne. Aufgrund des dynamischen Geschehens und des Umstandes, dass er den Zeugen mit vier Spitzen gleich an vier Stellen des Körpers treffen würde, habe er auch nicht darauf vertraut, dass er beim Zustechen lebenswichtige Organe verfehlen würde. Zudem habe er seiner Absicht, den Zeugen zu töten, dadurch Ausdruck verliehen, dass er mehrfach lautstark ankündigte, P. zu töten. Schließlich habe sich der Angeklagte dem Zeugen so weit genähert, dass er ihn ohne dessen Zurückweichen getroffen hätte.

II.

5
Die Revision des Angeklagten hat Erfolg, soweit er im Fall II. 4 der Urteilsgründe unter anderem wegen versuchten Totschlags verurteilt worden ist. Das Landgericht hat die Annahme des Tötungsvorsatzes nicht tragfähig begründet.
6
1. Es ist den Urteilsgründen schon nicht eindeutig zu entnehmen, von welcher Vorsatzform das Landgericht ausgegangen ist. Soweit davon die Rede ist, der Angeklagte habe den Entschluss gefasst, den Zeugen P. zu töten , zudem habe er die Absicht, ihn zu töten, mehrfach lautstark angekündigt, deutet dies darauf hin, dass die Schwurgerichtskammer Absicht als Vorsatzform angenommen hat. Soweit sie sich damit auseinander setzt, der Angeklagte habe nicht darauf vertraut, dass er beim Zustechen in Richtung des Oberkörpers lebenswichtige Organe verfehlen würde, könnte diese im Zusammenhang mit dem voluntativen Vorsatzelement beim bedingten Vorsatz anzustellende Erwägung dafür sprechen, das Landgericht sei von lediglich bedingtem Tötungsvorsatz ausgegangen.
7
Es kann dahinstehen, ob diese Unklarheit schon für sich genommen einen den Angeklagten beschwerenden Rechtsfehler darstellt. Denn jedenfalls fehlt es der landgerichtlichen Entscheidung für jede der beiden möglichen Vorsatzalternativen an hinreichend tragfähigen Erwägungen.
8
a) Soweit das Landgericht bei nicht zu beanstandender Annahme des Wissenselements des Vorsatzes die Tötungsabsicht auf die mehrfachen Ausrufe des Angeklagten, er wolle ihn abstechen, und auf die ausgeführten Stichbewegungen stützt, greift diese Würdigung zu kurz. Zwar erlauben die von dem Angeklagten bei der eigentlichen Tatbegehung gemachten Äußerungen durchaus einen Rückschluss auf die mit seiner Tat verfolgten Ziele. Allerdings hätte das Landgericht insoweit in den Blick nehmen müssen, dass der Angeklagte während des gesamten Geschehens und kurz zuvor auch noch gegenüber einer anderen Person nahezu stereotyp angedroht hatte, den jeweils Betroffenen umzubringen bzw. abzustechen. Vor allem auch mit Blick auf den Zustand des Angeklagten, der alkoholisiert war, unter Drogeneinfluss stand und an erheblichem Schlafmangel litt, hätte es näherer Erörterung bedurft, ob die ausgestoßenen Bedrohungen insgesamt ernsthafter Natur waren und damit indiziell das Vorliegen von Tötungsabsicht stützen konnten oder eher auf den durch die Umstände bedingten enthemmten Zustand des Angeklagten zurückzuführen waren.
9
b) Im Hinblick auf die mögliche Annahme lediglich bedingten Tötungsvorsatzes fehlt es hinsichtlich des voluntativen Vorsatzelements an der erforderlichen Gesamtwürdigung aller maßgeblichen Umstände. Die Annahme oder Ablehnung bedingten Tötungsvorsatzes können nur im Rahmen einer Gesamtbetrachtung aller objektiven und subjektiven Umstände erfolgen (BGH, Urteil vom 23. Februar 2012 - 4 StR 608/11, NStZ 2012, 443, 444). Dabei ist die auf der Grundlage der dem Täter bekannten Umstände zu bestimmende objektive Gefährlichkeit der Tathandlung ein wesentlicher Indikator (vgl. BGH, Urteil vom 25. März 1999 - 1 StR 26/99, NJW 1999, 2533, 2534). Bei der Würdigung des Willenselements ist neben der konkreten Angriffsweise jedoch regelmäßig auch die Persönlichkeit des Täters, sein psychischer Zustand zum Tatzeitpunkt und seine Motivation mit in die erforderliche Gesamtbetrachtung einzubeziehen (vgl. Senat, Beschluss vom 1. Juni 2007 - 2 StR 133/07, NStZ-RR 2007, 267, 268; Beschluss vom 9. Juni 2015 - 2 StR 504/14, StV 2015, 695).
10
Daran gemessen hätte sich das Landgericht mit einigen nach Sachlage in Betracht kommenden Umständen auseinander setzen müssen, die den Vorsatz insoweit in Frage zu stellen geeignet wären (vgl. BGH NStZ-RR 2004, 204; NStZ-RR 2005, 304). Zum einen wären die Alkoholisierung des Angeklagten, sein Schlafmangel und seine Wut zu berücksichtigen gewesen. Zum anderen hätte die Schwurgerichtskammer die besondere Kampfsituation in den Blick nehmen müssen, die davon geprägt war, dass dem Angeklagten zwei bewaffnete Kontrahenten gegenüber standen. Mit Blick auf die Vorgeschichte und das Rahmengeschehen, das sich eigendynamisch, aber ohne wirkliches Motiv zur Tat hin entwickelt hat, hätte sich eine Auseinandersetzung mit der Frage aufgedrängt , ob der Angeklagte den Todeserfolg tatsächlich billigend in Kauf genommen hat.
11
Dieser Darlegungsmangel führt zur Aufhebung der Verurteilung wegen versuchten Totschlags. Sie erfasst ohne Weiteres auch die tateinheitlich angenommene Beleidigung, die sich im Übrigen den Feststellungen für die Tat II. 4 der Urteilsgründe nicht entnehmen lässt.
12
2. Der Wegfall des Schuldspruchs im Fall II. 4 der Urteilsgründe entzieht dem Gesamtstrafenausspruch die Grundlage. Für die neue Hauptverhandlung weist der Senat darauf hin, dass die Strafe aus dem Urteil des Amtsgerichts Alsfeld vom 13. April 2016 gesamtstrafenfähig und damit bei der Bildung einer neuen Gesamtstrafe einzustellen ist. Appl Krehl Bartel Grube Schmidt

Urteilsbesprechung zu Bundesgerichtshof Beschluss, 18. Mai 2017 - 2 StR 83/17

Urteilsbesprechungen zu Bundesgerichtshof Beschluss, 18. Mai 2017 - 2 StR 83/17

Referenzen - Gesetze

Strafprozeßordnung - StPO | § 349 Entscheidung ohne Hauptverhandlung durch Beschluss


(1) Erachtet das Revisionsgericht die Vorschriften über die Einlegung der Revision oder die über die Anbringung der Revisionsanträge nicht für beobachtet, so kann es das Rechtsmittel durch Beschluß als unzulässig verwerfen. (2) Das Revisionsgeric
Bundesgerichtshof Beschluss, 18. Mai 2017 - 2 StR 83/17 zitiert 2 §§.

Strafprozeßordnung - StPO | § 349 Entscheidung ohne Hauptverhandlung durch Beschluss


(1) Erachtet das Revisionsgericht die Vorschriften über die Einlegung der Revision oder die über die Anbringung der Revisionsanträge nicht für beobachtet, so kann es das Rechtsmittel durch Beschluß als unzulässig verwerfen. (2) Das Revisionsgeric

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Bundesgerichtshof Urteil, 23. Feb. 2012 - 4 StR 608/11

bei uns veröffentlicht am 23.02.2012

BUNDESGERICHTSHOF IM NAMEN DES VOLKES Urteil 4 StR 608/11 vom 23. Februar 2012 in der Strafsache gegen wegen gefährlicher Körperverletzung Der 4. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat in der Sitzung vom 23.Februar 2012, an der teilgenommen haben:

Bundesgerichtshof Beschluss, 09. Juni 2015 - 2 StR 504/14

bei uns veröffentlicht am 09.06.2015

BUNDESGERICHTSHOF BESCHLUSS 2 S t R 5 0 4 / 1 4 vom 9. Juni 2015 in der Strafsache gegen wegen versuchten Mordes u.a. Der 2. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat nach Anhörung des Generalbundesanwalts und des Beschwerdeführers am 9. Juni 2015 gem

Referenzen

(1) Erachtet das Revisionsgericht die Vorschriften über die Einlegung der Revision oder die über die Anbringung der Revisionsanträge nicht für beobachtet, so kann es das Rechtsmittel durch Beschluß als unzulässig verwerfen.

(2) Das Revisionsgericht kann auf einen Antrag der Staatsanwaltschaft, der zu begründen ist, auch dann durch Beschluß entscheiden, wenn es die Revision einstimmig für offensichtlich unbegründet erachtet.

(3) Die Staatsanwaltschaft teilt den Antrag nach Absatz 2 mit den Gründen dem Beschwerdeführer mit. Der Beschwerdeführer kann binnen zwei Wochen eine schriftliche Gegenerklärung beim Revisionsgericht einreichen.

(4) Erachtet das Revisionsgericht die zugunsten des Angeklagten eingelegte Revision einstimmig für begründet, so kann es das angefochtene Urteil durch Beschluß aufheben.

(5) Wendet das Revisionsgericht Absatz 1, 2 oder 4 nicht an, so entscheidet es über das Rechtsmittel durch Urteil.

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
Urteil
4 StR 608/11
vom
23. Februar 2012
in der Strafsache
gegen
wegen gefährlicher Körperverletzung
Der 4. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat in der Sitzung vom 23.Februar
2012, an der teilgenommen haben:
Richter am Bundesgerichtshof
Dr. Mutzbauer
als Vorsitzender,
Richterin am Bundesgerichtshof
Roggenbuck,
Richter am Bundesgerichtshof
Cierniak,
Dr. Franke,
Dr. Quentin
als beisitzende Richter,
Staatsanwältin
als Vertreterin der Bundesanwaltschaft,
Rechtsanwalt
als Verteidiger,
Rechtsanwalt
als Vertreter der Nebenkläger,
die Nebenkläger V. und T. V. in Person,
Justizangestellte
als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle,

für Recht erkannt:
1. Auf die Revisionen der Staatsanwaltschaft und der Nebenkläger wird das Urteil des Landgerichts Bielefeld vom 27. Juni 2011 mit den Feststellungen aufgehoben.
2. Die Sache wird zu neuer Verhandlung und Entscheidung , auch über die Kosten der Rechtsmittel, an eine andere Jugendkammer des Landgerichts zurückverwiesen.
Von Rechts wegen

Gründe:


1
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen gefährlicher Körperverletzung , begangen in den Varianten des § 224 Abs. 1 Nr. 2 (Körperverletzung mittels eines gefährlichen Werkzeuges) und Nr. 5 StGB (Körperverletzung mittels einer das Leben gefährdenden Behandlung) zu einer zur Bewährung ausgesetzten Jugendstrafe von einem Jahr und neun Monaten verurteilt. Die Staatsanwaltschaft und die Eltern des Geschädigten als Nebenkläger beanstanden mit ihren Rechtsmitteln die Verletzung materiellen Rechts. Die Revisionen führen zur Aufhebung des Urteils und zu einer Zurückverweisung der Sache an eine andere als Jugendkammer zuständige Strafkammer des Landgerichts.
2
1. Nach den Feststellungen hielt sich der Angeklagte am frühen Morgen des 12. Dezember 2010 gegen 03.45 Uhr mit drei Freunden auf dem Parkplatz einer Diskothek auf. Als es im Eingangsbereich zu einer tätlichen Auseinandersetzung mit wechselseitigen Faustschlägen zwischen den Zeugen A. und C. kam, lief der Angeklagte in Richtung der Streitenden, um zu schlichten (UA 6/7). Etwa zum gleichen Zeitpunkt trat der ebenfalls um eine Streitschlichtung bemühte D. V. zwischen die Kontrahenten und wurde von dem Zeugen A. mit der Faust zu Boden geschlagen. Ob sich D. V. danach noch einmal zu erheben vermochte oder sofort regungslos liegenblieb, konnte das Landgericht nicht zweifelsfrei feststellen. Wenige Sekunden nachdem D. V. zu Boden gegangen war, trat ihm der Angeklagte ohne nachvollziehbaren Grund aus der Körperdrehung heraus mit seiner rechten Innenfußseite gegen die rechte Wange. Zu diesem Zeitpunkt lag D. V. auf der Seite oder auf dem Rücken, sodass sein Gesicht zur Seite oder nach oben ge- richtet war. Infolge des „mit nicht genau feststellbarer Intensität“ geführten Tritts wurde der Kopf des erheblich alkoholisierten Geschädigten nach hinten ge- schleudert und „im Radius von etwa 1/2 Meter in Trittrichtung gedreht. Die Fü- ße blieben am Ort liegen“. Dabei trug der Angeklagte geschnürte Sportschuhe, deren Innenseite so hart war, dass es dadurch bei Tritten zu erheblichen Verletzungen kommen konnte (UA 7).
3
Der Zeuge C. und andere Umstehende bemühten sich sofort um eine Erstversorgung des Geschädigten und alarmierten um 3.53 Uhr den Rettungsdienst. Der Angeklagte zeigte sich ebenfalls besorgt und überließ dem Zeugen C. seine Telefonnummer. Danach fuhr er mit seinen Freunden nach Hause.
4
Als der Rettungsdienst um 4.02 Uhr eintraf, war der Geschädigte bewusstlos und ohne eigene Atmung. Bei einem Intubationsversuch stellte der kurze Zeit später hinzu gekommene Notarzt fest, dass der Deckel der Luftröhre durch einen Kaugummi verlegt und deshalb keine Versorgung mit Sauerstoff über die Atemwege mehr möglich war. Nachdem er den Kaugummistreifen mit einem Spezialinstrument entfernt hatte, konnte der Tubus gelegt und eine maschinelle Beatmung eingeleitet werden. D. V. hatte daraufhin wieder ei- nen Spontankreislauf und einen stabilen Puls. Bis zu diesem Zeitpunkt war er etwa 15 Minuten ohne Bewusstsein. Nach dem Transport ins Krankenhaus wurde bei ihm eine bis dahin unbemerkt gebliebene massive Einblutung in die weiche Hirnhaut (Subarachnoidalblutung) festgestellt, die noch am 12. Dezember 2010 eine operative Entfernung knöcherner Schädelteile erforderlich machte (Entlastungscraniektomie). D. V. verstarb am 16. Dezember 2010 an einer irreversiblen Hirnschädigung in Folge einer akuten schwersten globalen Minderversorgung des Gehirns mit Blut und Sauerstoff.
5
Das medizinisch-sachverständig beratene Landgericht geht davon aus, dass der Geschädigte auf Grund des Faustschlages des Zeugen A. seinen Kaugummi in einer Weise verschluckt hat, dass dadurch sowohl der Kehlkopf als auch die Luftröhre verlegt wurden. In der Folge kam es zu einem reflektorischen Herz-Kreislauf-Stillstand (sog. Bolustod). Die Einblutung unter die weiche Hirnhaut ist nach Ansicht des Landgerichts „am ehesten durch den Sturz des Geschädigten ausgelöst worden und kann nicht zwangsläufig auf den Tritt des Angeklagten zurückgeführt werden“. Sie wurde zudem „wohl vom Bolustod überholt“ und ist „jedenfalls nicht mehr todesursächlich geworden“.
6
2. Das Landgericht hat angenommen, dass der Angeklagte billigend in Kauf nahm, dass durch seinen Tritt „das Leben des Geschädigten potentiell gefährdet würde“. Eshat deshalb einen bedingten Vorsatz in Bezug auf eine das Leben gefährdende Körperverletzungshandlung entsprechend § 224 Abs. 1 Nr. 5 StGB für gegeben erachtet (UA 24).
7
Einen bedingten Tötungsvorsatz hat das Landgericht verneint, weil die Feststellungen nicht belegen, dass der Angeklagte bei der Ausführung des Trittes den Tod des Geschädigten billigend in Kauf nahm. Dabei hat es auf die folgenden Punkte abgestellt (UA 26):
8
Die Intensität des Trittes konnte nicht ausreichend festgestellt werden und war deshalb ohne Aussagekraft. Das Fehlen knöcherner Schädelverlet- zungen spricht eher gegen „eine besonders starke Intensität“(UA 27).
9
Eine „deutliche Motivation“ für den Tritt ist nicht feststellbar, weil der An- geklagte an der vorausgegangenen Auseinandersetzung nicht beteiligt war. Anhaltspunkte dafür, dass der Angeklagte gegenüber dem ihm unbekannten Geschädigten eine „grundsätzlich feindliche Willensrichtung“ eingenommen hatte, bestehen nicht. Eine Solidarisierung mit dem Zeugen A. , die die Annahme rechtfertigen könnte, der Angeklagte habe ihn auch um den Preis des Todes eines Menschen unterstützen wollen, ist nicht anzunehmen. A. war dem Angeklagten nur flüchtig bekannt und wurde von D. V. zuvor nicht angegriffen.
10
Der Umstand, dass dem Angeklagten seine Tat sofort Leid tat und er sich in der Folgezeit mehrfach für das Befinden des Geschädigten interessierte, ist ein „weiteres Indiz“ gegen die Annahme eines bedingten Tötungsvorsatzes (UA 27).
11
3. Die Erwägungen, mit denen das Landgericht die Annahme eines bedingten Tötungsvorsatzes abgelehnt hat, halten rechtlicher Überprüfung nicht stand.
12
a) Die Beweiswürdigung ist Sache des Tatgerichts (§ 261 StPO). Ihm allein obliegt es, das Ergebnis der Hauptverhandlung festzustellen und zu würdigen. Seine Schlussfolgerungen brauchen nicht zwingend zu sein, es genügt, wenn sie möglich sind. Ein revisionsgerichtliches Eingreifen ist erst dann veranlasst , wenn dem Tatrichter Rechtsfehler unterlaufen sind. Dies ist dann der Fall, wenn die Beweiswürdigung widersprüchlich, unklar oder lückenhaft ist oder gegen die Denkgesetze oder gesicherte Erfahrungssätze verstößt (BGH, Urteil vom 21. Dezember 2011 – 1 StR 400/11, Rn. 23; Urteil vom 14. Dezember 2011 – 1 StR 501/11; KK-StPO/Schoreit, 6. Aufl., § 261 Rn. 51 mwN).
13
Bedingten Tötungsvorsatz hat, wer den Eintritt des Todes als mögliche Folge seines Handelns erkennt (Wissenselement) und billigend in Kauf nimmt (Willenselement). Beide Elemente müssen durch tatsächliche Feststellungen belegt werden. Ihre Bejahung oder Verneinung kann nur auf der Grundlage einer Gesamtbetrachtung aller objektiven und subjektiven Umstände erfolgen (vgl. BGH, Urteil vom 27. Januar 2011 – 4 StR 502/10, NStZ 2011, 699 Rn. 34 f. mwN.). Dabei ist die auf der Grundlage der dem Täter bekannten Umstände zu bestimmende objektive Gefährlichkeit der Tathandlung ein wesentlicher Indikator (vgl. BGH, Urteil vom 25. März 1999 – 1 StR 26/99, NJW 1999, 2533, 2534; NK-StGB/Neumann 3. Aufl., § 212 Rn. 12 f.; Mößner, Die Überprüfung des bedingten Tötungsvorsatzes in der Revision S. 6 ff., jew. mwN). Bei der Würdigung des Willenselements ist neben der konkreten Angriffsweise regelmäßig auch die Persönlichkeit des Täters, sein psychischer Zustand zum Tatzeitpunkt und seine Motivation mit in die Betrachtung einzubeziehen (BGH, Urteil vom 11. Oktober 2000 – 3 StR 321/00, BGHR StGB § 212 Abs. 1 Vorsatz, bedingter 51; Beschluss vom 1. Juni 2007 – 2 StR 133/07, NStZ-RR 2007, 267, 268; Urteil vom 27. August 2009 – 3 StR 246/09, NStZ-RR 2009, 372 jew. mwN).
14
b) Diesen Anforderungen wird die landgerichtliche Entscheidung nicht gerecht.
15
Die Ausführungen des Landgerichts zur objektiven Gefährlichkeit des vom Angeklagten geführten Angriffs sind schon deshalb lückenhaft, weil sie sich nicht mit der von dem Angeklagten selbst geschilderten erheblichen Wirkung seines Tritts auf die Lage des Körpers des Geschädigten auseinanderset- zen (UA 7 und 14). Auch hätte an dieser Stelle nochmals erkennbar Berücksichtigung finden müssen, dass der Angeklagte die Trittwirkung gefährlich verstärkende Schuhe trug (UA 7) und auf den Geschädigten zu einem Zeitpunkt eintrat, als dieser – jedenfalls nach seiner Wahrnehmung (UA 13) – in Folge des Schlags des Zeugen A. regungslos am Boden lag. Bei seinen Erörterungen zum inneren Tatbestand des § 224 Abs. 1 Nr. 5 StGB hat das Landgericht diese Umstände als Beleg dafür ausreichen lassen, dass der Angeklagte eine potentielle Gefährdung des Lebens seines Opfers in Kauf nahm (UA

24).


16
Die Annahme des Landgerichts, der Tritt des Angeklagten könne nicht von „besonders starker Intensität“ (UA 27) oder „nicht von übermäßiger Wucht“ (UA 19) gewesen sein, weil bei dem Geschädigten keine knöchernen Schädelverletzungen festzustellen waren, stellt einseitig auf die ex post feststellbaren Verletzungsfolgen ab (vgl. BGH, Urteil vom 21. Dezember 2011 – 1 StR 400/11 Rn. 28) und lässt die generelle Gefährlichkeit derartiger Tritte außer Acht (vgl. BGH, Beschluss vom 18. Mai 2011 – 1 StR 179/11, Rn. 10). Sie ist zudem nicht mit der an anderer Stelle getroffenen Feststellung vereinbar, dass die Knochenbrücke zwischen den Knochendeckeln des Schädelknochens einen nicht unterbluteten Bruch aufwies (UA 11). Zwar liegt es nicht fern, dass dieser Bruch auf die später durchgeführte Entlastungscraniektomie zurückzuführen ist, doch hätte dies einer ausdrücklichen Erörterung bedurft.
17
Der Umstand, dass dem Angeklagten sein Tritt sofort Leid tat und er sich in der Folgezeit mehrfach für das Befinden des Geschädigten interessierte, durfte vom Landgericht nicht ohne weitere Darlegungen als Indiz gegen die Annahme eines bedingten Tötungsvorsatzes gewertet werden.
18
Nachträgliches Bedauern und Rettungsversuche sagen nur bedingt etwas über die innere Haltung des Täters im Tatzeitpunkt aus, da sie nicht selten auf einer spontanen Ernüchterung beruhen und mit Blick auf die Tatfolgen von der Sorge um das eigene Wohl geleitet sind (BGH, Urteil vom 8. August2001 – 2StR 166/01, NStZ-RR 2001, 369, 370; Urteil vom 23. Juni 2009 – 1 StR 191/09, NStZ 2009, 629, 630). Der Angeklagte hat hierzu angegeben, nach dem Tritt „wach geworden“ zu sein. Dabei habe er begriffen, dass er etwas ge- tan habe, was nicht in Ordnung gewesen sei (UA 14). Der Angeklagte – dessen Einlassung das Landgericht im Übrigen gefolgt ist – hat damit selbst eingeräumt , dass sein Nachtatverhalten nicht mehr Ausdruck der ihn beherrschenden inneren Einstellung im Tatzeitpunkt gewesen ist, sondern auf einer veränderten Sicht der Dinge beruhte. Hieran durfte das Landgericht nicht vorübergehen.
19
Bedenken bestehen schließlich auch insoweit, als das Landgericht in dem Umstand, dass es „keine deutliche Motivation für den Tritt“ festzustellen vermochte, ein Indiz gegen die Annahme eines bedingten Tötungsvorsatzes gesehen hat.
20
Mit bedingten Tötungsvorsatz handelnde Täter haben kein Tötungsmotiv , sondern gehen einem anderen Handlungsantrieb nach (BGH, Urteil vom 30. November 2005 – 5 StR 344/05, NStZ-RR 2006, 317, 318). Allerdings kann sich aus der Art des jeweiligen Handlungsantriebs ein Rückschluss auf die Stärke des vom Täter empfundenen Tatanreizes und damit auch auf seine Bereitschaft zur Inkaufnahme schwerster Folgen ergeben (vgl. BGH, Beschluss vom 24. August 1990 – 3 StR 311/90, BGHR StGB § 212 Abs.1 Vorsatz, bedingter 22; Urteil vom 30. November 2005 – 3 StR 344/05, NStZ-RR 2006, 317,

318).


21
Das Landgericht hat mit der Verneinung einer feindlichen Grundhaltung gegenüber dem Geschädigten einerseits und einer unbedingten Solidarität mit seinem Kontrahenten A. andererseits lediglich zwei mögliche starke Handlungsantriebe ausgeschlossen. Dies allein lässt jedoch noch nicht den Schluss zu, dass es dem Angeklagten deshalb an der Bereitschaft gefehlt hat, auch schwerste Tatfolgen in Kauf zu nehmen. Stattdessen wäre es an dieser Stelle erforderlich gewesen, näher auf die Persönlichkeit des Angeklagten, sein Verhältnis zur Anwendung körperlicher Gewalt und seine Fähigkeit zur Kontrolle aggressiver Impulse einzugehen. Wie das Landgericht im Rahmen seiner Erwägungen zu § 105 Abs. 1 Nr. 2 JGG zutreffend festgestellt hat, lässt die Art und Weise, wie sich der Angeklagte zu der Tat hinreißen ließ, auf einen starken Mangel an Ausgeglichenheit und Besonnenheit schließen (UA 29). Auch musste er in der Vergangenheit bereits zweimal wegen Körperverletzung geahndet werden, wobei er seinen Opfern jeweils knöcherne Verletzungen des Gesichtsschädels zufügte (UA 4 f.). Mangelnde Impulskontrolle, wie sie bei dem Angeklagten schon mehrfach zutage getreten ist, führt nicht selten dazu, dass es bereits bei geringsten Anlässen zu massiven Gewalthandlungen kommt, bei denen dem Täter die Konsequenzen seines Handelns gleichgültig sind und deshalb selbst tödliche Folgen in Kauf genommen werden (vgl. BGH, Urteil vom 16. April 2008 – 2 StR 95/08, Rn. 9).
22
4. Die Sache bedarf daher insgesamt neuer Verhandlung und Entscheidung. Ein Eingehen auf die von der Revision erhobenen Einwände gegen die unterbliebene Verurteilung wegen Körperverletzung mit Todesfolge ist unter diesen Umständen ebenso wenig erforderlich wie die Erörterung einer Strafbarkeit nach § 231 Abs. 1 Alt. 2 StGB.
Mutzbauer Roggenbuck Cierniak
Franke Quentin

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
2 S t R 5 0 4 / 1 4
vom
9. Juni 2015
in der Strafsache
gegen
wegen versuchten Mordes u.a.
Der 2. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat nach Anhörung des Generalbundesanwalts
und des Beschwerdeführers am 9. Juni 2015 gemäß § 349 Abs. 2
und 4 StPO beschlossen:
1. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Gießen vom 22. August 2014 mit den Feststellungen aufgehoben.
2. Die Sache wird zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere als Schwurgericht zuständige Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.

Gründe:

1
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen versuchten Mordes in Tateinheit mit besonders schwerem Raub und tateinheitlich begangener gefährlicher Körperverletzung zu einer Freiheitsstrafe von neun Jahren verurteilt und seine Unterbringung in einer Entziehungsanstalt sowie den Vorwegvollzug eines Teils der Strafe angeordnet. Die auf die Sachrüge gestützte Revision des Angeklagten hat Erfolg.

I.

2
1. Nach den Feststellungen des Landgerichts plante der vielfach vorbestrafte und betäubungsmittelabhängige Angeklagte, der über langjährige Kampfsporterfahrung verfügt, die 73 Jahre alte, schmächtige Nebenklägerin, die er zufällig in einer Spielothek kennengelernt hatte und die ihm als ein "leichtes Opfer" erschien, zu überfallen und auszurauben, um seinen Drogenkonsum finanzieren und weitere Betäubungsmittel erwerben zu können. Nachdem die Nebenklägerin sein Angebot, sie nach Hause zu begleiten, abgelehnt hatte, versteckte er sich vor der Spielothek und wartete auf die Nebenklägerin. Er folgte der mit mehreren Taschen beladenen Frau bis vor ihre Wohnung und schlug dort mit einem rund einem Kilogramm schweren Fäustel insgesamt vier Mal wuchtig auf den Kopf der arg- und wehrlosen Nebenklägerin ein, um sie "außer Gefecht" zu setzen und sich in den Besitz ihrer Handtasche und des darin vermuteten Bargelds zu bringen. Ein fünfter Schlag traf die Nebenklägerin an der Schulter. Sie kam infolge der Schläge zu Fall, stand - entgegen der Erwartung des Angeklagten - jedoch wieder auf und setzte sich heftig zur Wehr; sie schlug auf den Angeklagten ein, packte ihn an der Nase, zog fest daran und schrie laut um Hilfe. Nachdem der in seiner Sehfähigkeit eingeschränkte Angeklagte in dem Handgemenge seine Brille verloren und sich in der Nachbarschaft ein Fenster geöffnet hatte, fürchtete der Angeklagte das Eingreifen Dritter, gab sein Vorhaben auf, ergriff eine der Taschen der Nebenklägerin und floh. Von einem aufmerksamen Zeugen verfolgt konnte er rasch festgenommen werden.
3
Die Nebenklägerin erlitt durch die Schläge eine atypische Jochbeinfraktur , drei oberflächliche Verletzungen an Kopf und Stirn, die jeweils genäht werden mussten, sowie multiple Prellmarken und Weichteilverletzungen an Kopf, Knie, Hüfte und Schulter. Die Nebenklägerin, die sich einer Operation zur Jochbeinreposition unterziehen musste, befand sich mehrere Tage in stationärer Behandlung.
4
2. Der Angeklagte, der den äußeren Tathergang im Wesentlichen eingeräumt und sich im Übrigen auf Erinnerungslücken berufen hatte, hat bestritten, dass er die Nebenklägerin durch die Schläge mit dem Fäustel habe töten wollen. Er habe den Fäustel eigens mit Klebeband umwickelt, damit er "nicht zu gefährlich sei". Seine Überzeugung, dass der Angeklagte mit bedingtem Tötungsvorsatz handelte, hat das Schwurgericht auf die Lebensgefährlichkeit der konkreten Verletzungshandlungen gestützt und daraus auf das Vorliegen bedingten Tötungsvorsatzes geschlossen.

II.

5
Die Revision des Angeklagten hat Erfolg. Das Landgericht hat die Annahme bedingten Tötungsvorsatzes nicht tragfähig begründet.
6
1. Bedingt vorsätzliches Handeln setzt voraus, dass der Täter den Eintritt des tatbestandlichen Erfolges als möglich und nicht ganz fernliegend erkennt, und dass er ihn billigt oder sich um des erstrebten Zieles willen mit der Tatbestandsverwirklichung abfindet. Beide Elemente der inneren Tatseite müssen in jedem Einzelfall gesondert geprüft und durch tatsächliche Feststellungen belegt werden (BGH, Urteil vom 4. November 1988 - 1 StR 262/88, BGHSt 36, 1, 9 f.; Senat, Urteil vom 18. Oktober 2006 - 2 StR 340/06, NStZ 2007, 150, 151; BGH, Urteil vom 27. Januar 2011 - 4 StR 502/10, NStZ 2011, 699, 702). Annahme oder Ablehnung bedingten Tötungsvorsatzes können nur auf der Grundlage einer Gesamtbetrachtung aller objektiven und subjektiven Umstände erfolgen (BGH, Urteil vom 23. Februar 2012 - 4 StR 608/11, NStZ 2012, 443, 444). Dabei ist die auf der Grundlage der dem Täter bekannten Umstände zu bestimmende objektive Gefährlichkeit der Tathandlung ein wesentlicher Indikator (vgl. BGH, Urteil vom 25. März 1999 - 1 StR 26/99, NJW 1999, 2533, 2534). Bei der Würdigung des Willenselements ist neben der konkreten Angriffsweise jedoch regelmäßig auch die Persönlichkeit des Täters, sein psychischer Zustand zum Tatzeitpunkt und seine Motivation mit in die erforderliche Gesamtbetrachtung einzubeziehen (vgl. Senat, Beschluss vom 1. Juni 2007 - 2 StR 133/07, NStZRR 2007, 267, 268).
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2. Diesen Anforderungen wird die landgerichtliche Entscheidung nicht gerecht. An der erforderlichen Gesamtwürdigung aller Umstände fehlt es vorliegend gänzlich. Das Landgericht hält lediglich fest, dass die Handlungen des Angeklagten "konkret lebensgefährlich" und "jeder einzelne Schlag […] geeignet" gewesen sei, "die Nebenklägerin zu töten". Dies genügt - wie bereits der Blick auf § 224 Abs. 1 Nr. 5 StGB zeigt - für die Annahme bedingten Tötungsvorsatzes nicht. Seine Überzeugung, dass der Angeklagte die Lebensgefährlichkeit der Schläge erkannte und den Eintritt des ihm unerwünschten Erfolgs jedenfalls billigend in Kauf nahm, begründet das Landgericht nicht näher. Es setzt sich weder mit dem konkreten subjektiven Vorstellungsbild des Angeklagten , der die Nebenklägerin lediglich "außer Gefecht" setzen wollte, noch mit dem Umstand auseinander, dass die Gefährlichkeit der mit dem Fäustel geführten Schläge entscheidend von ihrer Intensität abhing. Unerörtert bleibt auch, ob das Ausbleiben knöcherner Verletzungen dafür sprechen könnte, dass der Angeklagte die Schläge jedenfalls nicht mit Wucht geführt hat.
8
3. Die Sache bedarf daher insgesamt neuer Verhandlung und Entscheidung. Fischer Krehl Eschelbach Zeng Bartel