Bundesgerichtshof Beschluss, 14. Juni 2016 - 3 StR 128/16

ECLI:ECLI:DE:BGH:2016:140616B3STR128.16.0
bei uns veröffentlicht am14.06.2016

Gericht

Bundesgerichtshof


Der Bundesgerichtshof (BGH) ist das höchste Gericht der ordentlichen Gerichtsbarkeit in Deutschland.  Der BGH besteht aus 16 Senaten, die jeweils von einem Vorsitzenden und mehreren anderen Richtern geleitet werden. Die Zusammensetzung der Senate

Richter

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
3 StR 128/16
vom
14. Juni 2016
in der Strafsache
gegen
wegen Betrugs u.a.
ECLI:DE:BGH:2016:140616B3STR128.16.0

Der 3. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat nach Anhörung des Beschwerdeführers und des Generalbundesanwalts - zu 2. auf dessen Antrag - am 14. Juni 2016 gemäß § 349 Abs. 2 und 4 StPO einstimmig beschlossen:
1. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Duisburg vom 11. November 2015 mit den jeweils zugehörigen Feststellungen aufgehoben,
a) soweit der Angeklagte im Fall I der Urteilsgründe verurteilt worden ist;
b) im Ausspruch über die Einzelstrafen in den Fällen II-V der Urteilsgründe sowie über die Gesamtstrafe. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels , an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen. 2. Die weitergehende Revision wird verworfen.

Gründe:

1
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen Betrugs in 14 Fällen und wegen Urkundenfälschung in Tateinheit mit mittelbarer Falschbeurkundung zu einer Gesamtfreiheitstrafe von fünf Jahren und acht Monaten verurteilt sowie wegen "überlanger Verfahrensdauer" eine Kompensationsentscheidung getroffen. Hiergegen wendet sich der Beschwerdeführer mit seiner auf die Rüge der Verletzung materiellen Rechts und eine Verfahrensrüge gestützten Revision.
Das Rechtsmittel hat den aus der Entscheidungsformel ersichtlichen Teilerfolg; im Übrigen ist es unbegründet im Sinne von § 349 Abs. 2 StPO.
2
1. Die Verfahrensrüge bleibt aus den Gründen der Antragsschrift des Generalbundesanwalts ohne Erfolg.
3
2. Die auf die Sachrüge veranlasste umfassende materiellrechtliche Überprüfung des Urteils hat zum Schuldspruch mit Ausnahme der Verurteilung im Fall I der Urteilsgründe keinen Rechtsfehler zum Nachteil des Angeklagten ergeben. Insoweit hält die Annahme des Landgerichts, der Angeklagte habe sich tateinheitlich zur Urkundenfälschung (§ 267 Abs. 1 StGB) auch wegen mittelbarer Falschbeurkundung (§ 271 Abs. 1 StGB) strafbar gemacht, der revisionsrechtlichen Prüfung indes nicht stand.
4
a) Nach den vom Landgericht diesbezüglich getroffenen Feststellungen beschloss der Angeklagte gemeinsam mit dem gesondert verfolgten N. , dem Vorstand der E. AG, zum Schein eine Kapitalerhöhung dieser Gesellschaft stattfinden und im Handelsregister eintragen zu lassen. Das Grundkapital der Gesellschaft sollte dabei durch Ausgabe von 100.000.000 Aktien zum Nennwert von 1 € auf 100.050.000 € erhöht wer- den. Nachdem hierüber ein Beschluss der Hauptversammlung der E. AG herbeigeführt worden war, zeichnete der Zeuge Ad. als Vorstand der schweizerischen A. AG einen Zeichnungsschein über den Erwerb von 100.000.000 Aktien und erklärte wahrheitswidrig, einen entsprechenden Betrag auf ein Konto der E. AG einzuzahlen. Um die Zahlung der Bareinlage gegenüber dem Registergericht nachweisen zu können und hierdurch die Eintragung der Kapitalerhöhung im Handelsregister zu bewirken, sollte nach dem Plan des Angeklagten und des gesondert verfolgten N. dem mit der Anmeldung der Kapitalerhöhung beim Handelsregister beauftragten Notar eine gefälschte Bankbestätigung als Beleg vorgelegt werden. Nach Herstellung der Fälschung durch einen unbekannten Dritten holte der Angeklagte die Bankbestätigung ab und reichte sie beim Notar ein. Dieser bemerkte die Fälschung nicht und beantragte beim Registergericht des Amtsgerichts D. , die Durchführung der Kapitalerhöhung in das Handelsregister einzutragen. Dort fiel die Fälschung ebenfalls nicht auf, worauf hin der Eintrag in das Handelsregister antragsgemäß vorgenommen wurde.
5
b) Diese Feststellungen belegen nicht die Voraussetzungen einer mittelbaren Falschbeurkundung (§ 271 Abs. 1 StGB). Zwar handelt es sich bei dem Handelsregister um ein öffentliches Register im Sinne des § 271 Abs. 1 StGB (OLG Hamburg, Beschluss vom 22. April 2015 - 1 Ws 47/15, StraFo 2015, 284, 285). Auch war die Erklärung über die vollzogene Kapitalerhöhung unrichtig. Indes wird nicht durch jede in einem öffentlichen Register enthaltene unrichtige Angabe, die ein Außenstehender durch Täuschung des gutgläubigen Amtsträgers bewirkt, der Tatbestand des § 271 Abs. 1 StGB erfüllt. Strafbewehrt beurkundet im Sinne der Vorschrift sind vielmehr nur diejenigen Erklärungen, Verhandlungen oder Tatsachen, auf die sich der öffentliche Glaube, das heißt die "volle Beweiswirkung für und gegen jedermann" erstreckt. Welche Angaben dies im einzelnen Falle sind, kann sich, wenn es an einer ausdrücklichen Vorschrift fehlt, mittelbar aus den gesetzlichen Bestimmungen ergeben, die für Errichtung und Zweck des Registers maßgeblich sind. Dabei ist auch die Anschauung des Rechtsverkehrs zu beachten. Bei der Prüfung, ob es gerechtfertigt ist, die erhöhte Beweiskraft des Registers auf eine darin angeführte Tatsache zu beziehen, ist ein strenger Maßstab anzulegen. Eine Beweiswirkung für und gegen jedermann kann nur dann angenommen werden, wenn kein Zweifel besteht, dass dies unter Berücksichtigung der Verkehrsanschauung dem Sinn und Zweck des Gesetzes entspricht (vgl. für öffentliche Urkunden BGH, Urteile vom 12. Oktober 1995 - 4 StR 259/95, NJW 1996, 470; vom 16. April 1996 - 1 StR 127/96, BGHSt 42, 131).
6
Gemessen an diesen Maßstäben besteht hinsichtlich der Eintragung im Handelsregister über die Durchführung der Erhöhung des Grundkapitals (§ 188 AktG) der besondere öffentliche Glaube nur dahin, dass der die Eintragung Anmeldende diese Erklärungen abgegeben hat; auf die inhaltliche Richtigkeit des Erklärten erstreckt er sich hingegen nicht (vgl. bereits RG, Urteile vom 5. November 1888 - Rep. 2113/88, RGSt 18, 179, 180; vom 11.Februar 1904 - D 3658/03, GA 51 (1904), 187; BeckOK StGB/Weidemann, § 271 Rn. 8; LK/Zieschang, StGB, 12. Aufl., § 271 Rn. 46; S/S-Heine/Schuster, StGB, 29. Aufl., § 271 Rn. 22; KK-AktG/Altenhain, 3. Aufl., § 399 Rn. 203 mwN). Eine gesetzliche Bestimmung, die dem Handelsregister hinsichtlich der inhaltlichen Richtigkeit der eingetragenen Tatsache eine Beweiswirkung für und gegen jedermann beimisst, fehlt. Diese folgt insbesondere auch nicht aus der Publizität des Handelsregisters gemäß § 15 HGB (aA OLG Stuttgart, Urteil vom 9. August 2012 - 4 Ss 198/12, NStZ-RR 2013, 14). Die in § 15 Abs. 2 HGB geregelte positive Publizitätswirkung wirkt nur zugunsten des Unternehmensträgers und setzt überdies die inhaltliche Richtigkeit der eingetragenen Tatsache voraus (vgl. etwa Ebenroth/Boujong/Joost/Strohn/Gehrlein, HGB, 3. Aufl., § 15 Rn. 17 mwN). Demgegenüber knüpft § 15 Abs. 3 HGB zwar an die inhaltliche Unrichtigkeit der - wie hier - eintragungspflichtigen Tatsache an; der aus der Eintragung folgende Rechtsschein wirkt jedoch nicht gegenüber jedermann, sondern ausschließlich gegen den Unternehmensträger. Die vom Registergericht im Rahmen der Eintragung zu beachtenden Verfahrensgrundsätze und dessen hieraus folgende Prüfungsintensität streiten dagegen, den öffentlichen Glauben auf die inhaltliche Richtigkeit des Erklärten zu erstrecken. Denn dem Registergericht obliegt gemäß §§ 26, 382 FamFG zwar die Kontrolle, ob die gesetzlichen Bedingungen für die Eintragung der Durchführung der Kapitalerhöhung vorliegen, was nach allgemeiner Auffassung auch deren materielle Voraussetzungen umfasst (BayObLG, Beschluss vom 9. April 2002 - 3Z BR 39/02, RNotZ 2002, 407; Grigoleit/Rieder/Holzmann, AktG, § 188 Rn. 37; Elser in: Heidel, Aktienrecht, 4. Aufl., § 188 Rn. 30; Hüffer/Koch, AktG, 12. Aufl., § 188 Rn. 20; MüKoAktG/Schürnbrand, 4. Aufl., § 188 Rn. 47; Spindler/Stilz/Servatius, AktG, 3. Aufl., § 188 Rn. 33). Indes begrenzt und beendet die Vorlage einer entsprechenden Bankbestätigung (§ 188 Abs. 2 Satz 1, § 37 Abs. 1 Satz 3 AktG) regelmäßig die registergerichtliche Kontrolle hinsichtlich der zur Kapitalerhöhung geleisteten Bareinlage (BGH, Urteil vom 18. Februar 1991 - II ZR 104/90, NJW 1991, 1754, 1758). In den Fällen, in denen die Vorlage einer Bankbestätigung zum Nachweis der geleisteten Bareinlage nicht möglich ist, genügt eine Plausibilitätsprüfung des Registergerichts auf Grundlage der mit der Anmeldung abgegebenen Erklärungen und Nachweise, sofern keine begründeten Zweifel an der Richtigkeit der mitgeteilten Tatsachen bestehen (vgl. BGH, Beschluss vom 21. Juni 2011 - II ZB 15/10, NZG 2011, 907, 908 mwN zur allgemeinen Prüfungspflicht des Registergerichts; Grigoleit/Rieder/Holzmann aaO, Rn. 38; Hüffer/Koch aaO; Elser aaO; MüKoAktG/Schürnbrand aaO, Rn. 48). Vor diesem Hintergrund kann auch unter Berücksichtigung der Anschauungen des Rechtsverkehrs nicht davon ausgegangen werden, dass der Eintragung im Handelsregister über die Durchführung der Kapitalerhöhung hinsichtlich ihrer inhaltlichen Richtigkeit der besondere öffentliche Glaube zukommt (vgl. KKAktG /Altenhain, 3. Aufl., § 399 Rn. 203; MüKoStGB/Kiethe, 2. Aufl., § 399 AktG Rn. 161; MüKoAktG/Schaal, § 399 Rn. 245; Park/Südbeck, Kapitalmarktstrafrecht , 3. Aufl., § 399 AktG Rn. 56; Spindler/Stilz/Hefendehl, AktG, 3. Aufl., § 399 Rn. 255; allgemein zur fehlenden Beweiskraft des Handelsregisters vgl.
Baumbach/Hopt, HGB, 36. Aufl., § 9 Rn. 14 sowie § 15 Rn. 16; Koch/Rudzio, ZZP 122 (2009), 37, 38 ff.).
7
c) Die deshalb gebotene Aufhebung des Schuldspruchs wegen mittelbarer Falschbeurkundung umfasst auch die tateinheitlich ausgeurteilte, für sich betrachtet rechtsfehlerfrei festgestellte Urkundenfälschung (vgl. BGH, Beschluss vom 18. August 2015 - 3 StR 289/15, juris Rn. 6; KK-Gericke, StPO, 7. Aufl., § 353 Rn. 12). Eine Schuldspruchänderung durch den Senat kommt nicht in Betracht. Es ist nicht ausgeschlossen, dass sich in der neuen Hauptverhandlung Feststellungen treffen lassen, die im Hinblick auf die inhaltlich unrichtige Anmeldung zum Handelsregister eine - tateinheitlich zur Urkundenfälschung hinzutretende - Strafbarkeit des Angeklagten wegen Beihilfe zum Kapitalerhöhungsschwindel gemäß § 399 Abs. 1 Nr. 4 AktG belegen (vgl. hierzu Spindler/Stilz/Hefendehl, AktG, 3. Aufl., § 399 Rn. 177 ff., 183).
8
3. Auch der Ausspruch über die Einzelstrafen in den Fällen II-V der Urteilsgründe sowie über die Gesamtstrafe kann keinen Bestand haben.
9
a) Anders als in den Fällen VI-XV der Urteilsgründe hat das Landgericht in den Fällen II-V nicht berücksichtigt, dass der Angeklagte hinsichtlich des gesondert verfolgten B. im Sinne von § 46b Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 StGB Aufklärungshilfe geleistet hat. Dem dürfte - nach dem Gesamtzusammenhang des Urteils - die Annahme der Strafkammer zugrunde liegen, dass es insoweit an dem durch diese Bestimmung vorausgesetzten Zusammenhang zwischen der aufgedeckten Tat und den Taten des Angeklagten fehle. Dies ist rechtsfehlerhaft. Dabei kann offen bleiben, ob nicht schon diese Annahme des Landgerichts rechtsirrig ist. Denn es hat jedenfalls nicht bedacht, dass § 46b Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 StGB in der zur Tatzeit (März 2010 - Juni 2011) geltenden Fassung noch nicht die einschränkende Voraussetzung eines Zusammenhangs zwischen der offenbarten und der dem "Kronzeugen" zur Last liegenden Tat enthielt; vielmehr war es unter der Geltung des alten Rechtszustands ausreichend , dass sich die Aufklärungshilfe nur auf eine von mehreren dem "Kronzeugen" vorgeworfenen Taten bezog (BGH, Urteil vom 20. März 2014 - 3 StR 429/13, StV 2014, 619, 620 mwN). Deshalb kommt hier die Anwendung der zur Tatzeit geltenden, für den Angeklagten günstigeren (§ 2 Abs. 3 StGB) Fassung von § 46b StGB in Betracht.
10
b) Es ist nicht auszuschließen, dass die Strafkammer ohne diesen Rechtsfehler in den Fällen II-V der Urteilsgründe zu niedrigeren Einzelstrafen gelangt wäre. Insbesondere übersteigt die im Fall IV festgesetzte Einzelstrafe (ein Jahr vier Monate) bei gleichem Schadensumfang die im Fall XIII verhängte Strafe (ein Jahr) deutlich, obwohl das Landgericht bei ansonsten identischen Strafzumessungserwägungen im Fall XIII das Nachtatverhalten des Angeklagten zusätzlich strafschärfend berücksichtigt hat. Aus diesem Grunde kommt entgegen der Auffassung des Generalbundesanwalts eine Entscheidung nach § 354 Abs. 1a StPO nicht in Betracht.
11
c) Die Aufhebung des Urteils im Fall I sowie der in den Fällen II-V festgesetzten Einzelstrafen bedingt den Wegfall der Gesamtfreiheitsstrafe. Die Kompensationsentscheidung, die keinen Rechtsfehler zum Nachteil des Angeklagten aufweist, wird hierdurch nicht berührt (BGH, Beschluss vom 12. Januar 2016 - 3 StR 478/15, juris Rn. 2). Becker Mayer Gericke RiBGH Dr. Tiemann befindet sich im Urlaub und ist daher gehindert zu unterschreiben. Spaniol Becker

Urteilsbesprechung zu Bundesgerichtshof Beschluss, 14. Juni 2016 - 3 StR 128/16

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(1) Erachtet das Revisionsgericht die Vorschriften über die Einlegung der Revision oder die über die Anbringung der Revisionsanträge nicht für beobachtet, so kann es das Rechtsmittel durch Beschluß als unzulässig verwerfen.

(2) Das Revisionsgericht kann auf einen Antrag der Staatsanwaltschaft, der zu begründen ist, auch dann durch Beschluß entscheiden, wenn es die Revision einstimmig für offensichtlich unbegründet erachtet.

(3) Die Staatsanwaltschaft teilt den Antrag nach Absatz 2 mit den Gründen dem Beschwerdeführer mit. Der Beschwerdeführer kann binnen zwei Wochen eine schriftliche Gegenerklärung beim Revisionsgericht einreichen.

(4) Erachtet das Revisionsgericht die zugunsten des Angeklagten eingelegte Revision einstimmig für begründet, so kann es das angefochtene Urteil durch Beschluß aufheben.

(5) Wendet das Revisionsgericht Absatz 1, 2 oder 4 nicht an, so entscheidet es über das Rechtsmittel durch Urteil.

(1) Wer zur Täuschung im Rechtsverkehr eine unechte Urkunde herstellt, eine echte Urkunde verfälscht oder eine unechte oder verfälschte Urkunde gebraucht, wird mit Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder mit Geldstrafe bestraft.

(2) Der Versuch ist strafbar.

(3) In besonders schweren Fällen ist die Strafe Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu zehn Jahren. Ein besonders schwerer Fall liegt in der Regel vor, wenn der Täter

1.
gewerbsmäßig oder als Mitglied einer Bande handelt, die sich zur fortgesetzten Begehung von Betrug oder Urkundenfälschung verbunden hat,
2.
einen Vermögensverlust großen Ausmaßes herbeiführt,
3.
durch eine große Zahl von unechten oder verfälschten Urkunden die Sicherheit des Rechtsverkehrs erheblich gefährdet oder
4.
seine Befugnisse oder seine Stellung als Amtsträger oder Europäischer Amtsträger mißbraucht.

(4) Mit Freiheitsstrafe von einem Jahr bis zu zehn Jahren, in minder schweren Fällen mit Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu fünf Jahren wird bestraft, wer die Urkundenfälschung als Mitglied einer Bande, die sich zur fortgesetzten Begehung von Straftaten nach den §§ 263 bis 264 oder 267 bis 269 verbunden hat, gewerbsmäßig begeht.

(1) Wer bewirkt, daß Erklärungen, Verhandlungen oder Tatsachen, welche für Rechte oder Rechtsverhältnisse von Erheblichkeit sind, in öffentlichen Urkunden, Büchern, Dateien oder Registern als abgegeben oder geschehen beurkundet oder gespeichert werden, während sie überhaupt nicht oder in anderer Weise oder von einer Person in einer ihr nicht zustehenden Eigenschaft oder von einer anderen Person abgegeben oder geschehen sind, wird mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder mit Geldstrafe bestraft.

(2) Ebenso wird bestraft, wer eine falsche Beurkundung oder Datenspeicherung der in Absatz 1 bezeichneten Art zur Täuschung im Rechtsverkehr gebraucht.

(3) Handelt der Täter gegen Entgelt oder in der Absicht, sich oder einen Dritten zu bereichern oder eine andere Person zu schädigen, so ist die Strafe Freiheitsstrafe von drei Monaten bis zu fünf Jahren.

(4) Der Versuch ist strafbar.

(1) Der Vorstand und der Vorsitzende des Aufsichtsrats haben die Durchführung der Erhöhung des Grundkapitals zur Eintragung in das Handelsregister anzumelden.

(2) Für die Anmeldung gelten sinngemäß § 36 Abs. 2, § 36a und § 37 Abs. 1. Durch Gutschrift auf ein Konto des Vorstands kann die Einzahlung nicht geleistet werden.

(3) Der Anmeldung sind beizufügen

1.
die Zweitschriften der Zeichnungsscheine und ein vom Vorstand unterschriebenes Verzeichnis der Zeichner, das die auf jeden entfallenden Aktien und die auf sie geleisteten Einzahlungen angibt;
2.
bei einer Kapitalerhöhung mit Sacheinlagen die Verträge, die den Festsetzungen nach § 183 zugrunde liegen oder zu ihrer Ausführung geschlossen worden sind;
3.
eine Berechnung der Kosten, die für die Gesellschaft durch die Ausgabe der neuen Aktien entstehen werden.
4.
(weggefallen)

(4) Anmeldung und Eintragung der Durchführung der Erhöhung des Grundkapitals können mit Anmeldung und Eintragung des Beschlusses über die Erhöhung verbunden werden.

(5) (weggefallen)

(1) Solange eine in das Handelsregister einzutragende Tatsache nicht eingetragen und bekanntgemacht ist, kann sie von demjenigen, in dessen Angelegenheiten sie einzutragen war, einem Dritten nicht entgegengesetzt werden, es sei denn, daß sie diesem bekannt war.

(2) Ist die Tatsache eingetragen und bekanntgemacht worden, so muß ein Dritter sie gegen sich gelten lassen. Dies gilt nicht bei Rechtshandlungen, die innerhalb von fünfzehn Tagen nach der Bekanntmachung vorgenommen werden, sofern der Dritte beweist, daß er die Tatsache weder kannte noch kennen mußte.

(3) Ist eine einzutragende und bekannt gemachte Tatsache unrichtig eingetragen, so kann sich ein Dritter demjenigen gegenüber, in dessen Angelegenheit die Tatsache einzutragen war, auf die eingetragene Tatsache berufen, es sei denn, dass er die Unrichtigkeit kannte.

(4) Für den Geschäftsverkehr mit einer in das Handelsregister eingetragenen Zweigniederlassung eines Unternehmens mit Sitz oder Hauptniederlassung im Ausland ist im Sinne dieser Vorschriften die Eintragung und Bekanntmachung durch das Gericht der Zweigniederlassung entscheidend.

(5) Die Absätze 1 bis 3 sind nicht anzuwenden im Hinblick auf die im Registerblatt einer Kapitalgesellschaft eingetragenen Informationen über eine Zweigniederlassung der Gesellschaft im Ausland.

Tenor

Die Revision der Staatsanwaltschaft gegen das Urteil des Amtsgerichts Stuttgart vom 05. Dezember 2011 wird als unbegründet

v e r w o r f e n .

Die Kosten des Revisionsverfahrens sowie die insoweit entstandenen notwendigen Auslagen des Angeklagten trägt die Staatskasse.

Gründe

 
I.
1.
Im Strafbefehl vom 05. Mai 2011 war dem Angeklagten folgendes zur Last gelegt worden:
Der Angeklagte ist Inhaber der Firma … und besitzt selbst nicht die persönlichen Voraussetzungen zur Eintragung in die Handwerksrolle als Stuckateur.
Am 27. August 2007 meldete er bei der Handwerkskammer Region … (damals Mit-) Angeklagten … als Betriebsleiter an, um seine Eintragung in die Handwerksrolle für das zulassungspflichtige Stuckateurhandwerk zu erreichen. Dazu legte er einen mit dem Angeklagten … geschlossenen Arbeitsvertrag vom 27. August 2007 vor, wonach dieser als Betriebsleiter für 20 Stunden pro Woche und 1.000,-- EUR brutto bei dem Angeklagten … beschäftigt ist. Aufgrund der Angaben, dass der Angeklagte … als Betriebsleiter bei dem Angeklagten … beschäftigt ist, wurde der Angeklagte … mit dem … als Betriebsleiter in die Handwerksrolle eingetragen. Tatsächlich wurde der Angeklagte … niemals als Betriebsleiter für den Angeklagten … tätig, sondern arbeitete als Aushilfe auf 400,-- EUR Basis für den …. Dies alles wussten die Angeklagten. Sie handelten aufgrund gemeinsamen Tatenschlusses im bewussten und gewollten Zusammenwirken.
Der Angeklagte wurde daher der mittelbaren Falschbeurkundung gem. §§ 271 Abs. 1, 25 Abs. 2 StGB beschuldigt.
2.
Auf rechtzeitigen Einspruch des Angeklagten sprach das Amtsgericht den Angeklagten unter Zugrundelegung des Sachverhaltes des Strafbefehls am 05. Dezember 2011 aus rechtlichen Gründen frei. Es sah keine Strafbarkeit nach § 271 Abs. 1 StGB. Die Handwerksrolle besitze keinen öffentlichen Glauben zum Beweis für und gegen jedermann über die Berechtigung, ein bestimmtes Handwerk ausüben zu dürfen. Eine Verurteilung wegen einer Ordnungswidrigkeit nach § 118 Abs. 1 Nr. 2 Handwerksordnung (HandwO) scheide wegen Verjährung aus.
Gegen dieses Urteil wendet sich die Staatsanwaltschaft mit ihrer rechtzeitig eingelegten und ausführlich begründeten Sprungrevision. Sie rügt die Verletzung sachlichen Rechts und legt dar, weswegen entgegen dem Bayrischen Obersten Landesgericht (NJW 1971, 634) die Handwerksrolle zu öffentlichem Glauben im Sinne von § 271 StGB bekunde, dass der Betriebsinhaber das zulassungspflichtige Handwerk mit dem benannten Betriebsleiter als stehendes Gewerbe tatsächlich betreibe. Die Generalstaatsanwaltschaft tritt der Revision bei.
II.
Die Revision hat keinen Erfolg. Entgegen der Rechtsansicht der Staatsanwaltschaft ist der Tatbestand des § 271 Abs. 1 StGB nicht erfüllt.
1.
Die Handwerksrolle ist ein Verzeichnis, in welches die Handwerkskammern die Inhaber von Betrieben zulassungspflichtiger Handwerke ihres Bezirks nach Maßgabe der Anlage D Abschnitt I zur HandwO mit dem von ihnen zu betreibenden Handwerk oder bei der Ausübung mehrerer Handwerke mit diesen Handwerken einzutragen haben (§ 6 Abs. 1 HandwO). Bei Nachweis eines berechtigten Interesses darf im Wege einer Einzelauskunft jedermann Einsicht in die Handwerksrolle nehmen (§ 6 Abs. 2 S.1 HandwO). Sie ist ein öffentliches Register (BVerwGE 34, 56).
Voraussetzung für eine Strafbarkeit nach § 271 StGB ist allerdings, dass die Tatsache, die trotz inhaltlicher Unrichtigkeit beurkundet wird, sich auf einen Punkt bezieht, hinsichtlich dessen die öffentliche Urkunde bzw. das öffentliche Register Beweis für und gegen jedermann zu erbringen bestimmt ist, d.h. eine „volle Beweiswirkung für und gegen jedermann“ (BGH NJW 1968, 2153) aufweist. Die Beweiskraft eines öffentlichen Registers muss sich nicht stets auf dessen gesamten Inhalt erstrecken (Fischer, StGB, 59. Auflage, § 271 Rn. 9 m. w. N.). Die konkrete Reichweite der Beweiskraft eines öffentliches Registers ist vielmehr im Einzelfall jeweils festzustellen (BGHSt 22, 203).
2.
10 
Dieser besondere öffentliche Glaube, d. h. die „volle Beweiswirkung für und gegen jedermann“, kommt der Handwerksrolle zumindest im Punkt der Eintragung des Betriebsleiters hinsichtlich dessen inhaltlicher Richtigkeit nicht zu (so BayObLG NJW 1971, 634; ihm folgend: Fischer a. a. O.; LK- Zieschang, StGB, 12. Aufl., § 271 Rn. 64; a. A. AG Fürstenfeldbruck, GewArch 1983, 227; AG Winsen, Ge-wArch 1985, 20; Honig, Handwerksordnung, 4. Auflage, § 6 Rn. 5; Erbs/Kohlhaas-Ambs, Strafrechtliche Nebengesetze, HandwO, Stand Mai 2008, § 6 Rn.1). Etwas anderes ergibt sich auch nicht aus dem von der Revision zitierten Urteil des OVG Hamburg (GewArch 1990, 408). Dort ist zwar allgemein davon die Rede, die Handwerksrolle sei ein mit öffentlichem Glauben versehenes Register; zum hier entscheidenden Punkt, ob gerade die Eintragung des Betriebsleiters mit dem besonderen öffentlichen Glauben versehen ist, äußert sich das OVG Hamburg nicht.
11 
Bezüglich der Betriebsleiterstellung besteht ein öffentlicher Glaube, d. h. die volle Beweiswürdigung für und gegen jedermann, nur insoweit, als bezeugt wird, dass gegenüber der Handwerkskammer die Erklärung abgegeben wurde, die jeweilige Person sei der Betriebsleiter. Nicht aber wird die inhaltliche Richtigkeit des Erklärten beurkundet.
12 
Dies ergibt sich aus folgendem:
13 
a) Es fehlt in der HandwO eine Vorschrift, die ihr bezüglich der Eintragung zum Betriebsleiter öffentlichen Glauben verleihen würde. Anders als z. B. beim Grundbuch (§§ 892, 1138 BGB), den Personenstandsbüchern (§ 54 PStG) und dem Handelsregister (§ 15 HGB) fehlt eine entsprechende Bestimmung für die Handwerksrolle. Darauf hat bereits das BayObLG (a.a.O.) hingewiesen. Trotz vieler, auch grundlegender Reformen der HandwO in der Zwischenzeit (so z.B. die „große Novelle“ vom 24. Dezember 2003, BGBl. I S. 2934) hat der Gesetzgeber es weiterhin rechtspolitisch nicht für geboten erachtet, die Handwerksrolle mit entsprechendem öffentlichen Glauben auszustatten. Er hat es vielmehr trotz Änderungen auch der §§ 6 und 7 HandwO insoweit bei der ursprünglichen Nichtregelung belassen. Falsche Angaben gegenüber der Handwerkskammer hat er weiterhin (nur) mit einem Bußgeld sanktioniert (§ 118 Abs. 1 Nr. 1, 2 HandwO). Somit wurde rechtspolitisch kein Bedarf gesehen, an der vom BayObLG beschriebenen Rechtslage Veränderungen vorzunehmen.
14 
Auch die von der Staatsanwaltschaft ins Feld geführte möglicherweise veränderte Verkehrsanschauung sowie der mittlerweile bedeutsamer zu veranschlagende Verbraucherschutz kann die gesetzlich nicht zugeschriebene Wirkung öffentlichen Glaubens für sich allein nicht bewirken. Bei der Prüfung, ob eine öffentliche Urkunde bezüglich eines bestimmten Eintragungspunktes die erhöhte Beweiskraft besitzt, muss schon angesichts des aus Art. 103 Abs. 2 GG resultierenden Gesetzesvorbehalts ein strenger Maßstab angelegt werden. Eine Beweiswirkung für und gegen jedermann kann nur dann angenommen werden, wenn kein Zweifel besteht, dass dies unter Berücksichtigung der Verkehrsanschauung dem Sinn und Zweck des Gesetzes entspricht (BGHSt 22, 203). Eine geänderte Verkehrsanschauung allein könnte ohne Änderung des Gesetzes keine Strafbarkeit (neu) begründen. Richterliche Rechtsauslegung darf den Gesetzgeber nicht korrigieren, es ist ihr auch verwehrt, über die Voraussetzungen einer Bestrafung selbst zu entscheiden (BVerfGE 73, 236).
15 
b) Nicht alle in amtlichen Schriftstücken enthaltene Angaben werden mit der Funktion besonderer amtlicher Richtigkeitsbestätigung beurkundet (MüKoStGB- Freund, § 271, Rn. 19). Eine entsprechend gesteigerte beweiskräftige Beurkundung lässt sich nur annehmen, wenn es dafür einen sachlich berechtigten Grund gibt. Ein derartiger Grund für die Annahme einer gesteigerten Beweiskraft liegt vor, soweit das Dokumentierte zwar nicht notwendig als Eigenwahrnehmung des zuständigen Urkundsbeamten, jedenfalls aber als Eigenwahrnehmung der Behörde mit der Funktion amtlicher Richtigkeitsbestätigung zu qualifizieren ist (MüKo a. a.O. Rn. 20). Die Handwerkskammern sind zwar berechtigt, für die Prüfung der Eintragungsvoraussetzungen Auskünfte zu verlangen über die handwerklichen Prüfungen des Betriebsleiters sowie über die vertragliche und praktische Ausgestaltung des Betriebsleiterverhältnisses (§ 17 Abs.1 S.1 HandwO). Nach dem Revisionsvortrag der Staatsanwaltschaft (Begründung S. 4 ) dient als Nachweis für die Eintragung des Betriebsleiters die Vorlage einer Fotokopie des Anstellungsvertrages, eine Bestätigung der Krankenkasse und der Nachweis der handwerksrechtlichen Qualifikation. Eine Prüfung, ob und in welchem Umfang der Betriebsleiter den Betrieb tatsächlich führt, findet in der Praxis nicht statt (s. S. 6 der Revisionsbegründung: Aus den „darin enthaltenen Informationen“ werde „auf die Ernst-lichkeit der Betriebsleiterstellung geschlossen“). Die Handwerkskammern nehmen angesichts der Vielzahl entsprechender Vorgänge im Regelfall - ohne entsprechende Verdachtsmomente - weder eine detailliertere Prüfung vor noch hinterfragen sie die Angaben zum Betriebsleiter, auch wenn ihnen das Gesetz die Befugnis dazu einräumt (§ 17 HandwO). Daher fehlt es an einer genügenden behördlichen Eigenrecherche, an die sich der besondere öffentliche Glaube knüpfen könnte.
16 
c) Die in der Praxis erhobenen Unterlagen vor einer Eintragung werden es in der Regel kaum erlauben, die von der verwaltungsgerichtlichen Rechtsprechung aufgestellten differenzierten Anforderungen an einen geeigneten Betriebsleiter zu überprüfen, zumal eine Bestellung zum Betriebsleiter nicht zwingend schriftlich und in einem Anstellungsvertrag erfolgen muss und sich die Handwerkskammer bei der Beurteilung der Frage, ob die Voraussetzungen einer Betriebsleitung vorliegen, nicht auf die Würdigung des bloßen Vertragswortlauts beschränken darf (BVerwGE 88, 122). So soll ein Betriebsleiter wie ein das Handwerk selbständig betreibender Handwerksmeister die handwerklichen Tätigkeiten leiten und dafür sorgen, dass diese Tätigkeiten „meisterhaft“ ausgeführt werden (BVerwG GewArch 1995, 164). Dies setzt u.a. voraus, dass er rechtlich in der Lage ist, einen bestimmenden Einfluss auf den handwerklichen Betrieb zu nehmen. Er muss die ihm übertragene Leitung tatsächlich ausüben. Der Betriebsleiter hat den Arbeitsablauf zu steuern, zu betreuen und zu überwachen. Er darf sich nicht auf eine bloße Kontrolle des Arbeitsergebnisses beschränken, er hat vielmehr Mängel in der Ausführung der Arbeiten zu verhindern und erforderlichenfalls abzustellen, Verstöße gegen Rechtsvorschriften oder Betriebsanweisungen zu vermeiden und zu unterbinden (BVerwGE 88, 122). Allerdings kann die Funktion des Betriebsleiters auch nebenberuflich und von Personen, die in einem anderen abhängigen Arbeitsverhältnis beschäftigt sind, ausgeübt werden. Es ist auch nicht ausgeschlossen, dass zwei Betriebe von einem Betriebsleiter geführt werden. Ein Betriebsleiter braucht nicht in jedem Fall ständig in dem von ihm geleiteten Betrieb anwesend zu sein. Die Ausgestaltung der Rechtsbeziehungen zwischen Inhaber und Betriebsleiter ist den Beteiligten überlassen; auch Umfang und Inhalt der Tätigkeit des Betriebsleiters sind grundsätzlich von dem Willen der Vertragspartner abhängig. Begrenzt wird diese Vertragsfreiheit nur von der vom Gesetz vorausgesetzten Funktion des Betriebsleiters (BVerwG a.a.O.; s. zum Ganzen: Detterbeck, Handwerksordnung, 4. Auflage, § 7 Rn. 20 m.w.N.).
17 
d) Die materielle Richtigkeit der Erklärung gegenüber der Handwerkskammer, eine bestimmte Person sei zum Zeitpunkt der Anmeldung zur Eintragung Betriebsleiter, kann sich jederzeit aus verschiedenen Gründen ändern. Auch daher kann ein besonderes Vertrauen in die inhaltliche Richtigkeit der ursprünglichen Eintragung nicht erwachsen:
18 
Bei der Beantwortung der Frage, ob der Betreffende die Voraussetzungen eines Betriebsleiters erfüllt, hat die Handwerkskammer auf die derzeitigen (d.h. Zeitpunkt der Eintragung) tatsächlichen Verhältnisse abzustellen. Eine mittel- oder gar langfristige Prognoseentscheidung darüber, wie sich die Verhältnisse des Handwerksbetriebs entwickeln werden, ist ihr verwehrt (BVerwG, GewArch 1995, 165). Bei einer Anmeldung und Eintragung in die Handwerksrolle kommt es nicht darauf an, ob der (vorgesehene) Betriebsleiter „auf Dauer“ die Gewähr für die Erfüllung der gesetzlichen Anforderung bietet. Es ist unerheblich, ob er hierzu nach betrieblichen Änderungen weiter in der Lage und z. B. im Hinblick auf die Höhe der Vergütung gewillt ist, seine Aufgaben auf Dauer zu erfüllen.
19 
Gerade weil sich die Betriebsleiterstellung jederzeit verändern kann und sich deren Voraussetzungen zeitlich variabel darstellen, können weder die Handwerkskammern noch die Öffentlichkeit oder Einblick nehmende Dritte, z. B. interessierte Verbraucher, dauerhaft auf die angegebene Person als Betriebsleiter vertrauen.
20 
Der Senat sieht daher auch in der Sache keine Berechtigung für eine volle Beweiswirkung der Eintragung eines Betriebsleiters.
III.
21 
Eine eventuelle Ordnungswidrigkeit nach § 118 Abs. 1 Nr. 2 HandwO ist verjährt.

(1) Solange eine in das Handelsregister einzutragende Tatsache nicht eingetragen und bekanntgemacht ist, kann sie von demjenigen, in dessen Angelegenheiten sie einzutragen war, einem Dritten nicht entgegengesetzt werden, es sei denn, daß sie diesem bekannt war.

(2) Ist die Tatsache eingetragen und bekanntgemacht worden, so muß ein Dritter sie gegen sich gelten lassen. Dies gilt nicht bei Rechtshandlungen, die innerhalb von fünfzehn Tagen nach der Bekanntmachung vorgenommen werden, sofern der Dritte beweist, daß er die Tatsache weder kannte noch kennen mußte.

(3) Ist eine einzutragende und bekannt gemachte Tatsache unrichtig eingetragen, so kann sich ein Dritter demjenigen gegenüber, in dessen Angelegenheit die Tatsache einzutragen war, auf die eingetragene Tatsache berufen, es sei denn, dass er die Unrichtigkeit kannte.

(4) Für den Geschäftsverkehr mit einer in das Handelsregister eingetragenen Zweigniederlassung eines Unternehmens mit Sitz oder Hauptniederlassung im Ausland ist im Sinne dieser Vorschriften die Eintragung und Bekanntmachung durch das Gericht der Zweigniederlassung entscheidend.

(5) Die Absätze 1 bis 3 sind nicht anzuwenden im Hinblick auf die im Registerblatt einer Kapitalgesellschaft eingetragenen Informationen über eine Zweigniederlassung der Gesellschaft im Ausland.

Das Gericht hat von Amts wegen die zur Feststellung der entscheidungserheblichen Tatsachen erforderlichen Ermittlungen durchzuführen.

(1) Das Registergericht gibt einem Eintragungsantrag durch die Eintragung in das Register statt. Die Eintragung wird mit ihrem Vollzug im Register wirksam.

(2) Die Eintragung soll den Tag, an welchem sie vollzogen worden ist, angeben; sie ist mit der Unterschrift oder der elektronischen Signatur des zuständigen Richters oder Beamten zu versehen.

(3) Die einen Eintragungsantrag ablehnende Entscheidung ergeht durch Beschluss.

(4) Ist eine Anmeldung zur Eintragung in die in § 374 genannten Register unvollständig oder steht der Eintragung ein anderes durch den Antragsteller behebbares Hindernis entgegen, hat das Registergericht dem Antragsteller eine angemessene Frist zur Beseitigung des Hindernisses zu bestimmen. Die Entscheidung ist mit der Beschwerde anfechtbar.

(1) Der Vorstand und der Vorsitzende des Aufsichtsrats haben die Durchführung der Erhöhung des Grundkapitals zur Eintragung in das Handelsregister anzumelden.

(2) Für die Anmeldung gelten sinngemäß § 36 Abs. 2, § 36a und § 37 Abs. 1. Durch Gutschrift auf ein Konto des Vorstands kann die Einzahlung nicht geleistet werden.

(3) Der Anmeldung sind beizufügen

1.
die Zweitschriften der Zeichnungsscheine und ein vom Vorstand unterschriebenes Verzeichnis der Zeichner, das die auf jeden entfallenden Aktien und die auf sie geleisteten Einzahlungen angibt;
2.
bei einer Kapitalerhöhung mit Sacheinlagen die Verträge, die den Festsetzungen nach § 183 zugrunde liegen oder zu ihrer Ausführung geschlossen worden sind;
3.
eine Berechnung der Kosten, die für die Gesellschaft durch die Ausgabe der neuen Aktien entstehen werden.
4.
(weggefallen)

(4) Anmeldung und Eintragung der Durchführung der Erhöhung des Grundkapitals können mit Anmeldung und Eintragung des Beschlusses über die Erhöhung verbunden werden.

(5) (weggefallen)

(1) In der Anmeldung ist zu erklären, daß die Voraussetzungen des § 36 Abs. 2 und des § 36a erfüllt sind; dabei sind der Betrag, zu dem die Aktien ausgegeben werden, und der darauf eingezahlte Betrag anzugeben. Es ist nachzuweisen, daß der eingezahlte Betrag endgültig zur freien Verfügung des Vorstands steht. Ist der Betrag gemäß § 54 Abs. 3 durch Gutschrift auf ein Konto eingezahlt worden, so ist der Nachweis durch eine Bestätigung des kontoführenden Instituts zu führen. Für die Richtigkeit der Bestätigung ist das Institut der Gesellschaft verantwortlich. Sind von dem eingezahlten Betrag Steuern und Gebühren bezahlt worden, so ist dies nach Art und Höhe der Beträge nachzuweisen.

(2) In der Anmeldung haben die Vorstandsmitglieder zu versichern, daß keine Umstände vorliegen, die ihrer Bestellung nach § 76 Absatz 3 Satz 2 Nummer 2 und 3 sowie Satz 3 und 4 entgegenstehen, und daß sie über ihre unbeschränkte Auskunftspflicht gegenüber dem Gericht belehrt worden sind. Die Belehrung nach § 53 Abs. 2 des Bundeszentralregistergesetzes kann schriftlich vorgenommen werden; sie kann auch durch einen Notar oder einen im Ausland bestellten Notar, durch einen Vertreter eines vergleichbaren rechtsberatenden Berufs oder einen Konsularbeamten erfolgen.

(3) In der Anmeldung sind ferner anzugeben:

1.
eine inländische Geschäftsanschrift,
2.
Art und Umfang der Vertretungsbefugnis der Vorstandsmitglieder.

(4) Der Anmeldung sind beizufügen

1.
die Satzung und die Urkunden, in denen die Satzung festgestellt worden ist und die Aktien von den Gründern übernommen worden sind;
2.
im Fall der §§ 26 und 27 die Verträge, die den Festsetzungen zugrunde liegen oder zu ihrer Ausführung geschlossen worden sind, und eine Berechnung des der Gesellschaft zur Last fallenden Gründungsaufwands; in der Berechnung sind die Vergütungen nach Art und Höhe und die Empfänger einzeln anzuführen;
3.
die Urkunden über die Bestellung des Vorstands und des Aufsichtsrats;
3a.
eine Liste der Mitglieder des Aufsichtsrats, aus welcher Name, Vorname, ausgeübter Beruf und Wohnort der Mitglieder ersichtlich ist;
4.
der Gründungsbericht und die Prüfungsberichte der Mitglieder des Vorstands und des Aufsichtsrats sowie der Gründungsprüfer nebst ihren urkundlichen Unterlagen.
5.
(weggefallen)

(5) Für die Einreichung von Unterlagen nach diesem Gesetz gilt § 12 Abs. 2 des Handelsgesetzbuchs entsprechend.

(6) (weggefallen)

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
II ZB 15/10
vom
21. Juni 2011
in der Handelsregistersache
Nachschlagewerk: ja
BGHZ: nein
BGHR: ja

a) Ob eine Willenserklärung einem Empfänger mit Sitz im Ausland zugegangen ist,
beurteilt sich nach dem Ortsrecht des Abgabeorts.

b) Eine Pflicht des Registergerichts zur Amtsermittlung nach §§ 26, 382 FamFG besteht
nur dann, wenn entweder die formalen Mindestanforderungen für eine Eintragung
nicht erfüllt sind oder wenn begründete Zweifel an der Wirksamkeit der
zur Eintragung angemeldeten Erklärungen oder der Richtigkeit der mitgeteilten
Tatsachen bestehen.
BGH, Beschluss vom 21. Juni 2011 - II ZB 15/10 - OLG Hamburg
AG Hamburg
Der II. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat am 21. Juni 2011 durch
den Vorsitzenden Richter Dr. Bergmann, den Richter Dr. Strohn, die Richterinnen
Caliebe und Dr. Reichart sowie den Richter Sunder

beschlossen:
Auf die Rechtsmittel des Antragstellers werden der Beschluss des 11. Zivilsenats des Hanseatischen Oberlandesgerichts Hamburg vom 6. Mai 2010 und die Zwischenverfügung des Amtsgerichts Hamburg - Registergericht - vom 24. Februar 2010 aufgehoben. Das Amtsgericht - Registergericht - Hamburg wird angewiesen, antragsgemäß die Amtsniederlegung des Geschäftsführers J. H. K. in das Handelsregister - HRB 100526 - einzutragen. Der Wert des Rechtsbeschwerdeverfahrens wird gemäß § 42 Abs. 3 FamGKG auf 3.000 € festgesetzt.

Gründe:

1
I. Der Antragsteller ist im Handelsregister als alleiniger Geschäftsführer der T. GmbH eingetragen. Sämtliche Geschäftsanteile der GmbH werden von der T. Inc. mit früherem Sitz in C. , Kalifornien , USA, gehalten. Als deren gesetzlicher Vertreter war dem Handelsregister O. H. K. mitgeteilt worden. Mit Telefaxschreiben vom 25. November 2009, gesendet am 7. Dezember 2009 an die T. Inc., C. - O. H. K. unter der Telefaxnummer 1 , erklärte der Antragsteller, sein Amt als Geschäftsführer mit Wirkung ab der Eintragung im Handelsregister niederzulegen. Mit Telefaxschreiben vom 8. Dezember 2009 bestätigte D. L. unter der Firma T. Inc. mit derselben Telefaxnummer, die Amtsniederlegungserklärung erhalten zu haben. In dem Schreiben ist als Sitz der US-Gesellschaft G. , Kalifornien, angegeben.
2
Der Antragsteller hat beantragt, seine Amtsniederlegung in das Handelsregister einzutragen. Das Amtsgericht - Registergericht - hat die Eintragung mit Zwischenverfügung vom 24. Februar 2010 davon abhängig gemacht, dass gemäß § 39 Abs. 2 GmbHG eine Urkunde über den Zugang der Amtsniederlegungserklärung bei einem Vertretungsberechtigten der Gesellschafterin vorgelegt wird. Das Telefaxschreiben des D. L. hält das Amtsgericht nicht für ausreichend, weil die dort aufgeführte Anschrift der Gesellschafterin nicht mit dem in der Gesellschafterliste verzeichneten Geschäftssitz übereinstimme, ein Vertretungsnachweis nicht vorliege und eine Empfangsbestätigung eines Mitarbeiters der Gesellschafterin ohnehin nicht zum Nachweis des Zugangs bei einem vertretungsberechtigten Organ der Gesellschafterin ausreiche.
3
Mit seiner Beschwerde hat der Antragsteller ein weiteres Telefaxschreiben des D. L. vom 18. März 2010 vorgelegt, in dem es heißt, dieT. L. Inc. sei von C. nach G. umgezogen, habe aber ihre Telefaxnummer beibehalten.
4
Das Beschwerdegericht hat die Beschwerde zurückgewiesen. Dagegen richtet sich die vom Beschwerdegericht zugelassene Rechtsbeschwerde des Antragstellers.
5
II. Die Rechtsbeschwerde ist gemäß § 70 Abs. 1 FamFG statthaft und auch im Übrigen zulässig. Sie hat in der Sache Erfolg. Die Beschwerde des Antragstellers gegen die Zwischenverfügung des Amtsgerichts vom 24. Februar 2010 ist zulässig (§ 382 Abs. 4 Satz 2 FamFG) und begründet. Das Amtsgericht darf die Eintragung der Amtsniederlegung des Antragstellers in das Handelsregister nicht von den in seiner Zwischenverfügung aufgeführten Nachweisen abhängig machen.
6
1. Das Beschwerdegericht hat seine gegenteilige Auffassung wie folgt begründet: Es könne offen bleiben, ob ein urkundlicher Nachweis über den Zugang der Amtsniederlegungserklärung nach § 39 Abs. 2 GmbHG in jedem Fall oder nur dann vorzulegen sei, wenn Zweifel an der Richtigkeit der einzutragenden Tatsache bestünden. Solche Zweifel seien hier gegeben. Die Telefaxbestätigung des D. L. reiche schon deshalb nicht als Nachweis des Zugangs der Amtsniederlegungserklärung aus, weil darin eine andere Anschrift der Gesellschafterin als in der Gesellschafterliste angegeben sei und der Antragsteller diese Diskrepanz bei Einreichung der Unterlage nicht erklärt habe. Es reiche auch nicht aus, dass die Erklärung in den Empfangsbereich eines Gesellschafters gelangt sei und er die Möglichkeit gehabt habe, davon Kenntnis zu nehmen. Wegen der Bedeutung der Amtsniederlegung müsse vielmehr sichergestellt sein und damit gemäß § 39 Abs. 2 GmbHG nachgewiesen werden, dass der Gesellschafter - hier das zuständige Vertretungsorgan der T. Inc. - die Erklärung erhalten habe.
7
2. Diese Ausführungen halten rechtlicher Prüfung nicht stand.
8
a) Zutreffend ist das Beschwerdegericht allerdings davon ausgegangen, dass die Niederlegung des Amtes eines GmbH-Geschäftsführers nur dann wirksam ist, wenn sie mindestens einem der Gesellschafter zugegangen ist (BGH, Urteil vom 17. September 2001 - II ZR 378/99, BGHZ 149, 28, 31 f.), und sie weder eine bestimmte Form noch einen wichtigen Grund erfordert (BGH, Urteil vom 8. Februar 1993 - II ZR 58/92, BGHZ 121, 257, 261 f.). Dass die Amtsniederlegung hier aufschiebend bedingt durch die Eintragung im Handelsregister erklärt worden ist, steht ihrer Wirksamkeit ebenfalls nicht entgegen (OLG Zweibrücken, GmbHR 1999, 479; Wachter, GmbHR 2001, 1129, 1135, jeweils m.w.N.).
9
b) Das Beschwerdegericht hat aber an den Zugang ebenso wie an den Nachweis des Zugangs der Amtsniederlegungserklärung überhöhte Anforderungen gestellt.
10
aa) Das Registergericht hat die Pflicht, darüber zu wachen, dass Eintragungen im Handelsregister den gesetzlichen Erfordernissen und der tatsächlichen Rechtslage entsprechen (BGH, Urteil vom 24. Juni 1982 - III ZR 19/81, BGHZ 84, 285, 287). Dabei ist es aber nicht verpflichtet, verwickelte Rechtsverhältnisse oder zweifelhafte Rechtsfragen zu klären (RGZ 127, 153, 158). Dadurch würden die Registergerichte überlastet und es bestünde die Gefahr, dass Handelsregistereintragungen auf unangemessene Zeit blockiert würden. Eine Pflicht zur Amtsermittlung nach §§ 26, 382 FamFG besteht vielmehr nur dann, wenn entweder die formalen Mindestanforderungen für eine Eintragung nicht erfüllt sind oder wenn begründete Zweifel an der Wirksamkeit der zur Eintragung angemeldeten Erklärungen oder an der Richtigkeit der mitgeteilten Tatsachen bestehen (vgl. BayObLG, DB 1981, 2219 f.; GmbHR 1992, 306; OLG Düsseldorf, GmbHR 2001, 243 f.; OLG München, WM 2009, 1038, 1040; Paefgen in Ulmer/Habersack/Winter, GmbHG, § 39 Rn. 36 ff.; Altmeppen in Roth/Altmeppen, GmbHG, 6. Aufl., § 39 Rn. 15 ff.; Oetker in Henssler/Strohn, Gesellschaftsrecht, GmbHG § 39 Rn. 14; Nedden-Boeger in Schulte-Bunert/ Weinreich, FamFG, 2. Aufl., vor § 378 Rn. 57 ff.; Bahrenfuss/Steup, FamFG, § 374 Rn. 38 ff.).
11
bb) Zwar steht danach der Umfang der Ermittlungstätigkeit grundsätzlich im pflichtgemäßen Ermessen des Registerrichters und des Beschwerdegerichts. Das Rechtsbeschwerdegericht kann aber überprüfen, ob das vorinstanzliche Gericht die Grenzen seines Ermessens überschritten und insbesondere ohne berechtigten Grund inhaltliche Bedenken gegen eine Eintragung gesehen hat.
12
Danach ist die Auffassung des Beschwerdegerichts rechtsfehlerhaft, der Antragsteller habe nicht ausreichend dargelegt, dass seine Amtsniederlegungserklärung der einzigen Gesellschafterin der T. GmbH, nämlich der T. Inc., zugegangen und damit - abgesehen von der aufschiebenden Bedingung - wirksam geworden sei.
13
(1) Die Frage, ob der Antragsteller sein Amt als Geschäftsführer wirksam niedergelegt hat, beurteilt sich nach deutschem Recht. Es geht um die inneren Beziehungen der T. GmbH, die sich grundsätzlich nach deutschem Recht richten (vgl. dazu BGH, Urteil vom 27. Oktober 2008 - II ZR 158/06, BGHZ 178, 192 Rn. 13 ff. - Trabrennbahn). Nach dem Personalstatut der Gesellschaft beantworten sich auch die Fragen, wer ihr gesetzlicher Vertreter ist (BGH, Urteil vom 5. Mai 1960 - VII ZR 92/58, BGHZ 32, 256, 258; Urteil vom 17. November 1994 - III ZR 70/93, BGHZ 128, 41, 44; MünchKomm BGB/Kindler, 5. Aufl., IntGesR Rn. 589) und ob und auf welche Weise der gesetzliche Vertreter sein Amt niederlegen kann. Die Frage, ob die Amtsniederlegungserklärung der amerikanischen Gesellschafterin an deren Sitz in Kalifornien zugegangen ist, richtet sich ebenfalls nach deutschem Recht. Für den Zugang einer Willenserklärung kommt es nicht auf das Ortsrecht des Zugangsorts , sondern auf dasjenige des Abgabeorts an (Erman/Hohloch, BGB, 12. Aufl., Art. 11 EGBGB Rn. 26 f.; MünchKommBGB/Spellenberg, 5. Aufl., Art. 11 EGBGB Rn. 125 ff.). Danach ist entscheidend, dass die Erklärung in Deutschland abgegeben worden ist.
14
(2) Entgegen der Auffassung des Beschwerdegerichts gelten für die Amtsniederlegungserklärung eines GmbH-Geschäftsführers gegenüber einem Gesellschafter die allgemeinen Regeln über den Zugang von Willenserklärungen. Eine Amtsniederlegungserklärung kann zwar erhebliche Folgen für die Gesellschaft und die Gesellschafter haben. Das rechtfertigt es aber nicht, die Zugangsvoraussetzungen zu verschärfen. Auch andere Willenserklärungen können von großer Wichtigkeit sein, ohne dass deshalb die gesetzlichen Grundsätze für ihren Zugang in Frage gestellt würden.
15
Wird die Amtsniederlegungserklärung - wie hier - unter Abwesenden abgegeben , wird sie gemäß § 130 Abs. 1 Satz 1 BGB mit ihrem Zugang wirksam. Zugegangen in diesem Sinne ist eine Willenserklärung dann, wenn sie so in den Bereich des Empfängers gelangt ist, dass dieser unter normalen Verhältnissen die Möglichkeit hat, vom Inhalt der Erklärung Kenntnis zu nehmen (st. Rspr., s. etwa BGH, Urteil vom 21. Januar 2004 - XII ZR 214/00, NJW 2004, 1320). Dabei genügt es, wenn die Erklärung über einen von dem Empfänger bereitgestell- ten Telefaxanschluss übermittelt wird. In diesem Fall geht die Erklärung dem Empfänger zu, wenn der Druckvorgang am Empfangsgerät abgeschlossen ist und dem Empfänger eine Kenntnisnahme möglich und nach der Verkehrsanschauung zu erwarten ist (BGH, Urteil vom 21. Januar 2004 - XII ZR 214/00, NJW 2004, 1320).
16
(3) Nach diesen Grundsätzen genügte es hier, dass die Amtsniederlegungserklärung an den Telefaxanschluss der Gesellschafterin geschickt worden ist. Welche Funktion D. L. in deren Unternehmen hatte, ist unerheblich. Jedenfalls bestand für den oder die gesetzlichen Vertreter der US-Gesellschaft die Möglichkeit, von dem Schriftstück Kenntnis zu nehmen. Angesichts des Inhalts der Mitteilung: I herewith like to inform you that I will resign from my office as managing director of T. GmbH … with effect from the date my dismissal is registered with the commercial register in Hamburg/Germany. stand zu erwarten, dass das Schriftstück an den oder die gesetzlichen Vertreter der T. Inc. weitergeleitet würde.
17
Entgegen der Auffassung des Beschwerdegerichts bestehen auch nicht etwa deshalb beachtliche Zweifel an dem Zugang der Amtsniederlegungserklärung , weil die derzeitige Anschrift der Gesellschafterin nicht mit der in der Gesellschafterliste vermerkten Anschrift übereinstimmt. Es reicht aus, dass D. L. unter dem Briefkopf der Gesellschafterin deren Umzug von C. nach G. angezeigt und mitgeteilt hat, dass die Telefaxnummer, an die der Antragsteller seine Erklärung übermittelt hat, gleich geblieben sei. Das Beschwerdegericht hat keine Anhaltspunkte dafür aufgezeigt, dass diese Erklärung un- richtig ist und die T. Inc. in G. in Wirklichkeit mit der (früheren ) T. Inc. in C. nicht identisch ist.
18
Bedenken gegen den ordnungsgemäßen Zugang ergeben sich schließlich auch nicht daraus, dass Zweifel darüber bestehen, wer gesetzlicher Vertreter der T. Inc. ist und ob gegebenenfalls eine Alleinvertretung bei der Entgegennahme von Willenserklärungen wie nach § 35 Abs. 2 Satz 2 GmbHG stattfindet.
19
Wer gesetzlicher Vertreter der US-Gesellschaft ist und ob er gegebenenfalls Alleinvertretungsmacht hat, richtet sich nach dem Personalstatut dieser Gesellschaft, also nach dem Recht des Staates Kalifornien. Auf die Person des gesetzlichen Vertreters kommt es hier aber nicht entscheidend an. Zwar hat das Beschwerdegericht angenommen, es bestehe ein Widerspruch zwischen der Erklärung gegenüber dem Registergericht, O. H. K. sei gesetzlicher Vertreter der T. Inc., und dem Inhalt des Telefaxschreibens von D. L. vom 18. März 2010, wonach die Amtsniederlegungserklärung "to the legal representatives of our company", also an mehrere gesetzliche Vertreter, weitergeleitet worden sei. Dieser Widerspruch begründet aber unter Berücksichtigung der nur beschränkten Prüfungspflicht des Registergerichts - und im Beschwerdeverfahren des Beschwerdegerichts - noch keinen beachtlichen Zweifel an der Wirksamkeit der Amtsniederlegung. Wenn die Erklärung über den Telefaxanschluss der US-Gesellschaft in deren Machtbereich gelangt ist, kann ohne weiteres davon ausgegangen werden, dass die zur Entgegennahme einer derartigen Erklärung befugten Personen davon Kenntnis genommen haben oder jedenfalls hätten Kenntnis nehmen können. Dem Antragsteller bei dieser Sachlage aufzugeben, die Vertretungsverhältnisse der amerikanischen Gesellschaft darzulegen, übersteigt den Rahmen der bei der Eintragung einer Amtsniederlegung des Geschäftsführers gebotenen registerrechtlichen Prüfung.
20
cc) Rechtsfehlerhaft ist auch die Annahme des Beschwerdegerichts, der Antragsteller habe die nach § 39 Abs. 2 GmbHG erforderlichen Urkunden zum Nachweis des Zugangs seiner Amtsniederlegungserklärung nicht vorgelegt.
21
Nach § 39 Abs. 2 GmbHG, § 12 Abs. 2 HGB sind der Anmeldung einer Niederlegung des Geschäftsführeramtes die elektronisch einzureichenden Urkunden über die Beendigung der Vertretungsbefugnis in Urschrift oder öffentlich beglaubigter Abschrift beizufügen. In Rechtsprechung und Schrifttum ist umstritten , ob dazu regelmäßig der urkundliche Nachweis des Zugangs der Niederlegungserklärung gehört (BayObLGZ 1981, 227, 230; OLG Naumburg, NZG 2001, 853, 854; OLG Düsseldorf, NZG 2004, 1068, 1069; OLG Hamm, GmbHR 2010, 1092, 1093; Oetker in Henssler/Strohn, Gesellschaftsrecht, GmbHG § 39 Rn. 12), ob dieser Nachweis jedenfalls dann vorzulegen ist, wenn Zweifel an dem Zugang bestehen (OLG Frankfurt am Main, ZIP 2006, 1769, 1770; Wachter, GmbHR 2001, 1129, 1137; Lohr, DStR 2002, 2173, 2181 f.; Zöllner/Noack in Baumbach/Hueck, GmbHG, 19. Aufl., § 39 Rn. 16; Altmeppen in Roth/Altmeppen, GmbHG, 6. Aufl., § 39 Rn. 12) oder ob ein derartiger Nachweis in keinem Fall verlangt werden darf (so wohl Scholz/Uwe H. Schneider, GmbHG, 10. Aufl., § 39 Rn. 18; Paefgen in Ulmer/Habersack/Winter, GmbHG, § 39 Rn. 32). Die Frage braucht hier nicht entschieden zu werden. Denn der Antragsteller hat Urkunden vorgelegt, die für den im Eintragungsverfahren gebotenen Nachweis des Zugangs seiner Amtsniederlegungserklärung ausreichen.
22
Der Zugang der Erklärung ergibt sich mit der für eine Eintragung ausreichenden Gewissheit einerseits aus dem Telefax-Sendebericht vom 7. Dezember 2009 über die Versendung der Erklärung an die T. Inc. unter der Telefaxnummer 1 und andererseits aus der Telefaxbestätigung der US-Gesellschaft vom 8. Dezember 2009, gesendet von demselben Telefax-Anschluss und unterzeichnet von D. L. Bei dieser Sachlage kann von dem Antragsteller nicht verlangt werden, einen weiteren urkundlichen Nachweis über den Zugang seiner Amtsniederlegungserklärung beizubringen.
Bergmann Strohn Caliebe Reichart Sunder
Vorinstanzen:
AG Hamburg, Entscheidung vom 24.02.2010 - 66 HRB 100526 -
OLG Hamburg, Entscheidung vom 06.05.2010 - 11 W 36/10 -
6
3. Die deshalb gebotene Aufhebung des Urteils umfasst auch die in Tateinheit zur Körperverletzung stehende, für sich betrachtet rechtsfehlerfrei festgestellte Beleidigung (vgl. KK-Gericke, StPO, 7. Aufl., § 353 Rn. 12 mwN). Der Wegfall der Einzelstrafe bedingt die Aufhebung der Gesamtstrafe.

(1) Mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder mit Geldstrafe wird bestraft, wer

1.
als Gründer oder als Mitglied des Vorstands oder des Aufsichtsrats zum Zweck der Eintragung der Gesellschaft oder eines Vertrags nach § 52 Absatz 1 Satz 1 über die Übernahme der Aktien, die Einzahlung auf Aktien, die Verwendung eingezahlter Beträge, den Ausgabebetrag der Aktien, über Sondervorteile, Gründungsaufwand, Sacheinlagen und Sachübernahmen oder in der nach § 37a Absatz 2, auch in Verbindung mit § 52 Absatz 6 Satz 3, abzugebenden Versicherung,
2.
als Gründer oder als Mitglied des Vorstands oder des Aufsichtsrats im Gründungsbericht, im Nachgründungsbericht oder im Prüfungsbericht,
3.
in der öffentlichen Ankündigung nach § 47 Nr. 3,
4.
als Mitglied des Vorstands oder des Aufsichtsrats zum Zweck der Eintragung einer Erhöhung des Grundkapitals (§§ 182 bis 206) über die Einbringung des bisherigen, die Zeichnung oder Einbringung des neuen Kapitals, den Ausgabebetrag der Aktien, die Ausgabe der Bezugsaktien, über Sacheinlagen, in der Bekanntmachung nach § 183a Abs. 2 Satz 1 in Verbindung mit § 37a Abs. 2 oder in der nach § 184 Abs. 1 Satz 3 abzugebenden Versicherung,
5.
als Abwickler zum Zweck der Eintragung der Fortsetzung der Gesellschaft in dem nach § 274 Abs. 3 zu führenden Nachweis oder
6.
als Mitglied des Vorstands einer Aktiengesellschaft oder des Leitungsorgans einer ausländischen juristischen Person in der nach § 37 Abs. 2 Satz 1 oder § 81 Abs. 3 Satz 1 abzugebenden Versicherung oder als Abwickler in der nach § 266 Abs. 3 Satz 1 abzugebenden Versicherung
falsche Angaben macht oder erhebliche Umstände verschweigt.

(2) Ebenso wird bestraft, wer als Mitglied des Vorstands oder des Aufsichtsrats zum Zweck der Eintragung einer Erhöhung des Grundkapitals die in § 210 Abs. 1 Satz 2 vorgeschriebene Erklärung der Wahrheit zuwider abgibt.

(1) Wenn der Täter einer Straftat, die mit einer im Mindestmaß erhöhten Freiheitsstrafe oder mit lebenslanger Freiheitsstrafe bedroht ist,

1.
durch freiwilliges Offenbaren seines Wissens wesentlich dazu beigetragen hat, dass eine Tat nach § 100a Abs. 2 der Strafprozessordnung, die mit seiner Tat im Zusammenhang steht, aufgedeckt werden konnte, oder
2.
freiwillig sein Wissen so rechtzeitig einer Dienststelle offenbart, dass eine Tat nach § 100a Abs. 2 der Strafprozessordnung, die mit seiner Tat im Zusammenhang steht und von deren Planung er weiß, noch verhindert werden kann,
kann das Gericht die Strafe nach § 49 Abs. 1 mildern, wobei an die Stelle ausschließlich angedrohter lebenslanger Freiheitsstrafe eine Freiheitsstrafe nicht unter zehn Jahren tritt. Für die Einordnung als Straftat, die mit einer im Mindestmaß erhöhten Freiheitsstrafe bedroht ist, werden nur Schärfungen für besonders schwere Fälle und keine Milderungen berücksichtigt. War der Täter an der Tat beteiligt, muss sich sein Beitrag zur Aufklärung nach Satz 1 Nr. 1 über den eigenen Tatbeitrag hinaus erstrecken. Anstelle einer Milderung kann das Gericht von Strafe absehen, wenn die Straftat ausschließlich mit zeitiger Freiheitsstrafe bedroht ist und der Täter keine Freiheitsstrafe von mehr als drei Jahren verwirkt hat.

(2) Bei der Entscheidung nach Absatz 1 hat das Gericht insbesondere zu berücksichtigen:

1.
die Art und den Umfang der offenbarten Tatsachen und deren Bedeutung für die Aufklärung oder Verhinderung der Tat, den Zeitpunkt der Offenbarung, das Ausmaß der Unterstützung der Strafverfolgungsbehörden durch den Täter und die Schwere der Tat, auf die sich seine Angaben beziehen, sowie
2.
das Verhältnis der in Nummer 1 genannten Umstände zur Schwere der Straftat und Schuld des Täters.

(3) Eine Milderung sowie das Absehen von Strafe nach Absatz 1 sind ausgeschlossen, wenn der Täter sein Wissen erst offenbart, nachdem die Eröffnung des Hauptverfahrens (§ 207 der Strafprozessordnung) gegen ihn beschlossen worden ist.

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
3 S t R 4 2 9 / 1 3
vom
20. März 2014
in der Strafsache
gegen
wegen bewaffneten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln u.a.
Der 3. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat in der Sitzung vom 20. März
2014, an der teilgenommen haben:
Vorsitzender Richter am Bundesgerichtshof
Becker,
die Richter am Bundesgerichtshof
Pfister,
Hubert,
Mayer,
Richterin am Bundesgerichtshof
Dr. Spaniol
als beisitzende Richter,
Oberstaatsanwalt beim Bundesgerichtshof - in der Verhandlung - ,
Oberstaatsanwältin beim Bundesgerichtshof - bei der Verkündung -
als Vertreter der Bundesanwaltschaft,
Justizamtsinspektor
als Urkundsbeamter der Geschäftsstelle,

für Recht erkannt:
1. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Düsseldorf vom 25. Juni 2013 im Ausspruch über die Einzelstrafen in den Fällen II. 1. bis 4. und 6. der Urteilsgründe sowie über die Gesamtstrafe mit den zugehörigen Feststellungen aufgehoben.
Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.
2. Die weitergehende Revision wird verworfen.

Von Rechts wegen

Gründe:

1
Das Landgericht hat den Angeklagten unter Freispruch im Übrigen wegen einer Reihe von Betäubungsmittelstraftaten zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von vier Jahren und sechs Monaten verurteilt. Gegen die Verurteilung richtet sich die auf die allgemeine Sachrüge gestützte Revision des Angeklagten. Das Rechtsmittel hat in dem aus der Entscheidungsformel ersichtlichen Umfang Erfolg.
2
I. Nach den Feststellungen des Landgerichts erwarb der Angeklagte zwischen September 2009 und September 2010 bei vier Gelegenheiten in den Niederlanden jeweils ein knappes Kilo Marihuana (Wirkstoffgehalt 5%) und verbrachte es nach Deutschland. Den überwiegenden Teil verkaufte er jeweils gewinnbringend, den Rest verbrauchte er selbst (Taten 1 bis 4: jeweils Einfuhr von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in Tateinheit mit Handeltreiben mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge und Erwerb von Betäubungsmitteln ; Einzelfreiheitsstrafen von jeweils zwei Jahren und acht Monaten). Im Februar 2012 erwarb der Angeklagte in D. von einem nicht näher bezeichneten "Bo. " 100 Gramm Marihuana (Wirkstoffgehalt 12,4%), von denen der überwiegende Teil zum gewinnbringenden Weiterverkauf und der Rest zum Eigenkonsum bestimmt waren (Tat 6: Handeltreiben mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in Tateinheit mit Erwerb von Betäubungsmitteln; Einzelfreiheitsstrafe von einem Jahr und drei Monaten). Zwei Tage später erwarb der Angeklagte an seinem Wohnort von B. ein knappes Kilo Amphetamin (Wirkstoffgehalt 13,6%). Auch hier waren ein kleiner Teil zum Eigenkonsum und knapp 800 Gramm zum gewinnbringenden Weiterverkauf bestimmt. Mit einer Teilmenge von 110 Gramm wurde der Angeklagte danach auf dem Weg zu einem Abnehmer von der Polizei festgenommen. Er führte dabei eine Reizgasspraydose mit sich, um sich gegen etwaige ihn angreifende Personen wehren zu können (Tat 5: Bewaffnetes Handeltreiben mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in Tateinheit mit Erwerb von Betäubungsmitteln; Einzelfreiheitsstrafe von drei Jahren). Im Anschluss an die Festnahme wurden Teile des Amphetamins aus Tat 5 sowie des Marihuanas aus Tat 6 in der Wohnung des Angeklagten sichergestellt.
3
Der Angeklagte hat lediglich die Tat 5 durch eine von ihm bestätigte Verteidigererklärung eingeräumt. Er hatte sich insoweit bereits im Ermittlungsverfahren umfassend eingelassen und auch Angaben zu seinem Lieferanten gemacht. Zu den übrigen Taten hat der Angeklagte in der Hauptverhandlung geschwiegen. Das Landgericht hat sich von den Taten 1 bis 4 durch andere Beweismittel und von der Tat 5 auch aufgrund von geständigen Angaben des Angeklagten bei seiner polizeilichen Vernehmung überzeugt. Es hat allein bei der Strafzumessung für die Tat 5 den Strafrahmen gemäß § 31 Nr. 1 BtMG, § 49 Abs. 1 StGB verschoben.
4
II. Die Revision ist zum Schuldspruch unbegründet. Dieser wird von den rechtsfehlerfrei getroffenen Feststellungen getragen. Auch gegen die Einzelstrafe im Fall 5 ist von Rechts wegen nichts zu erinnern. Das Landgericht hat zu dieser Tat einen Aufklärungsbeitrag des Angeklagten festgestellt und von der Möglichkeit der Strafrahmenverschiebung nach § 31 BtMG, § 49 Abs. 1 StGB Gebrauch gemacht.
5
III. Der Ausspruch über die weiteren Einzelstrafen und über die Gesamtstrafe hält hingegen rechtlicher Nachprüfung nicht stand. Das Landgericht hat es unterlassen zu prüfen, ob auch insoweit eine Strafrahmenverschiebung wegen geleisteter Aufklärungshilfe vorzunehmen ist. Eine solche kam für die Tat 6 nach § 31 Satz 1 Nr. 1 BtMG aF (dazu nachstehend 1.) und für die Taten 1 bis 4 nach § 46b Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 StGB aF (dazu nachstehend 2.) in Betracht.
6
1. Nach § 31 Satz 1 Nr. 1 BtMG in der zum Tatzeitpunkt geltenden Fassung setzt die fakultative Strafmilderung voraus, dass der Täter durch freiwillige Offenbarung seines Wissens wesentlich dazu beigetragen hat, dass die Tat über seinen eigenen Tatbeitrag hinaus aufgedeckt werden konnte. Wird dem Angeklagten eine Mehrzahl von Taten vorgeworfen, so müssen die Voraussetzungen der Aufklärungshilfe für jede dieser Taten gesondert geprüft werden (Körner/Patzak/Volkmer, BtMG, 7. Aufl., § 31 Rn. 63; vgl. auch BT-Drucks. 17/9695, S. 7 linke Spalte).
7
a) Dabei ist "die Tat" im Sinne von § 31 BtMG, zu der Aufklärungshilfe geleistet werden muss, nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs nicht nur der dem Angeklagten im einzelnen Strafverfahren vorgeworfene einheitliche geschichtliche Lebensvorgang. Der "eigenständige" - weil von § 264 StPO losgelöste - Tatbegriff im Sinne von § 31 BtMG umfasst vielmehr auch die Betäubungsmitteltaten anderer Personen, die als rechtlich selbständig zu werten und nicht Gegenstand des anhängigen Verfahrens sind (vgl. BGH, Urteil vom 20. Februar 1991 - 2 StR 608/90, BGHR BtMG § 31 Nr. 1 Tat 1 unter Hinweis auf die Gesetzgebungsmaterialien; Beschluss vom 2. November 1993 - 1 StR 602/93, BGHR BtMG § 31 Nr. 1 Tat 2). Denn Zweck der Vorschrift ist gerade auch die Aufklärung strafrechtlich relevanten Verhaltens Dritter jenseits der dem "Kronzeugen" angelasteten Tat im prozessualen Sinne; es soll ein Anreiz zur Mithilfe bei der Aufklärung und Verfolgung auch anderer gewichtiger Betäubungsmitteldelikte geboten werden, weshalb auch diejenigen die Vergünstigung einer Strafmilderung erhalten sollen, die zur Aufdeckung weiterer Straftaten beitragen.
8
b) Zwischen der aufgedeckten Tat und den Taten des Angeklagten muss allerdings über den Wortlaut von § 31 BtMG in der zur Tatzeit geltenden Fassung hinausgehend ein Zusammenhang bestehen.
9
(1) Diese von der Rechtsprechung (vgl. BGH, Urteil vom 20. Februar 1991 - 2 StR 608/90, aaO) seit jeher geforderte und seit dem 1. August 2013 auch von § 31 BtMG in der Fassung des 46. Strafrechtsänderungsgesetzes - Beschränkung der Möglichkeit zur Strafmilderung bei Aufklärungs- und Präventionshilfe - vom 10. Juni 2013 (BGBl. I S. 1497) ausdrücklich vorgesehene Einschränkung soll sicherstellen, dass die Privilegierung des "Kronzeugen" mit dem Grundsatz schuldangemessenen Strafens (§ 46 StGB) dadurch in einem nachvollziehbaren Einklang steht, dass der Bezug zwischen der offenbarten Tat und der Tat des "Kronzeugen" geeignet ist, zumindest mittelbar das Maß des Vorwurfs zu reduzieren, der dem "Kronzeugen" für dessen eigene Tat zu machen ist (vgl. dazu die Begründung zur Beschränkung von § 46b StGB, BT-Drucks. 17/9695 S. 6).
10
(2) Ein solcher Zusammenhang, d.h. ein innerer und verbindender Bezug zwischen der eigenen und der offenbarten Tat (vgl. BT-Drucks. 17/9695 S. 8 rechte Spalte mwN) besteht, wenn der "Kronzeuge" das tatbestandliche Handeln eines Mittäters aufdeckt, wenn sich die aufgedeckte Tat als Teil einer fortgesetzten Handlung des Mittäters erweist, an der der "Kronzeuge" jedenfalls in anderen Handlungsabschnitten beteiligt war (BGH, Urteil vom 20. Februar 1991 - 2 StR 608/90, aaO) oder wenn es sich um weitere Geschäfte eines Betäubungsmittellieferanten des "Kronzeugen" handelt (BGH, Beschluss vom 2. November 1993 - 1 StR 602/93, aaO). Er wird auch angenommen für weitere Taten eines Betäubungsmittelkuriers im Auftrag desselben Hintermannes (BGH, Beschluss vom 15. März 1995 - 3 StR 77/95, BGHR BtMG § 31 Nr. 1 Tat 3; Beschluss vom 5. August 2013 - 5 StR 327/13, StV 2013, 707) oder für den Fall, dass neben einer Vielzahl von Taten mit geleisteter Aufklärungshilfe bei zwei Taten der erforderliche Aufklärungserfolg nicht eingetreten ist (BGH, Beschluss vom 10. April 2013 - 4 StR 90/13, StV 2013, 705, 706).
11
(3) Nach diesen Maßstäben besteht lediglich zwischen den Taten 5 und 6 der für die Anwendung von § 31 BtMG notwendige Zusammenhang. Der Angeklagte hat Teile des erworbenen Amphetamins aus der Tat 5 und die Reste des zwei Tage zuvor erworbenen Marihuanas aus der Tat 6 in seiner Wohnung aufbewahrt, wo sie von der Polizei im Anschluss an die Festnahme des Angeklagten sichergestellt wurden. Damit bilden die beiden Rauschgiftgeschäfte eine prozessuale Tat, was über die Anforderungen an den Zusammenhang sogar hinausgeht (vgl. BGH, Urteil vom 20. Februar 1991 - 2 StR 608/90, aaO).
12
(4) Zwischen den Taten 1 bis 4 einerseits und der Tat 5 andererseits fehlt es hingegen an dem erforderlichen Zusammenhang. Die Taten 1 bis 4 lagen mehrere Jahre zurück, betrafen ein anderes Betäubungsmittel und eine andere Tatmodalität. Der allen Taten gleichermaßen innewohnende Umstand ist allein die Tatsache, dass der Angeklagte als Täter des Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in Erscheinung getreten ist. Das den Taten zugrundeliegende gleichartige Tatmotiv reicht für den Zusammenhang nicht aus, nachdem weder die Verkäufer noch die Abnehmer identisch waren (vgl. Weber, BtMG, 4. Aufl., § 31 Rn. 43).
13
2. Hinsichtlich der Taten 1 bis 4 hätte das Landgericht indes erwägen müssen, ob der Strafrahmen unter Anwendung von § 46b Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 StGB aF zu mildern ist.
14
a) Die Anwendung der allgemeinen Kronzeugenregelung nach § 46b StGB ist durch die bereichsspezifische Kronzeugenregelung in § 31 BtMG nicht ausgeschlossen. Bei der Einführung von § 46b StGB hat der Gesetzgeber an der Sonderregelung des § 31 BtMG mit ihrem weiten, die einfache Drogenkriminalität erfassenden Anwendungsbereich festgehalten, weil sich diese be- währt und in der "Drogenszene" als mögliches "Ausstiegsinstrument" fest etabliert habe (vgl. Begründung des Gesetzentwurfs BT-Drucks. 16/6268 S. 16). Der Vorrang der Spezialregelung hindert nach den allgemeinen Grundsätzen indes nicht, auf die allgemeine Regelung zurückzugreifen, wenn deren Anwendung für den "Kronzeugen" im Einzelfall günstiger ist (vgl. BT-Drucks. 16/6268 S. 14).
15
b) Danach kommt hier die Anwendung der zur Tatzeit geltenden, weil für den Angeklagten günstigeren (§ 2 Abs. 3 StGB) Fassung von § 46b StGB in Betracht. Diese enthielt nicht die einschränkende Voraussetzung eines Zusammenhangs zwischen der offenbarten und der dem "Kronzeugen" zur Last liegenden Tat (vgl. BGH, Beschluss vom 19. Mai 2010 - 5 StR 182/10, BGHSt 55, 153, 154 f.). Vielmehr war es unter der Geltung des alten Rechtszustands ausreichend, dass sich die Aufklärungshilfe nur auf eine von mehreren, dem "Kronzeugen" zur Last liegenden Taten bezog (vgl. BGH, Beschlüsse vom 5. Februar 2013 - 3 StR 8/13, NStZ-RR 2013, 203 und vom 17. September 2013 - 3 StR 209/13 juris Rn. 11).
16
3. Zur Aufklärung der Tat "über den eigenen Tatbeitrag hinaus" ist ein umfassendes Geständnis nicht erforderlich. Die Rechtsprechung hat insoweit ein nur teilweises Einräumen des eigenen Tatbeitrags für ausreichend (BGH, Urteil vom 28. November 1984 - 2 StR 608/84, BGHSt 33, 80; Beschluss vom 2. Dezember 1999 - 4 StR 547/99, NStZ 2000, 433) und auch ein Leugnen des eigenen Tatbeitrags für die Annahme einer Aufklärungshilfe unschädlich erachtet (Beschluss vom 24. September 2002 - 3 StR 292/02, StraFo 2003, 145 [in einem nicht tragenden Hinweis] sowie Beschlüsse vom 14. April 2011 - 2 StR 34/11, StV 2011, 534 und vom 27. März 2012 - 3 StR 83/12, NStZ-RR 2012, 201 [jeweils für § 46b StGB aF]).
17
4. Über die fünf Einzelstrafen und die Gesamtstrafe muss deshalb erneut befunden werden. Der neue Tatrichter wird bei seiner Entscheidung, ob er von der Möglichkeit Gebrauch macht, den Strafrahmen nach § 49 Abs. 1 StGB zu verschieben, die "aufklärungsspezifischen Kriterien" nach § 46b Abs. 2 Nr. 1 StGB und die "unrechts- und schuldspezifischen Kriterien" nach § 46b Abs. 2 Nr. 2 StGB abzuwägen haben (vgl. BGH, Urteil vom 20. Dezember 2012 - 3 StR 426/12, StV 2013, 629, 630).
Becker Pfister RiBGH Hubert befindet sich im Urlaub und ist daher gehindert zu unterschreiben. Becker RiBGH Mayer befindet sich im Urlaub und ist daher gehindert zu unterschreiben. Becker Spaniol

(1) Die Strafe und ihre Nebenfolgen bestimmen sich nach dem Gesetz, das zur Zeit der Tat gilt.

(2) Wird die Strafdrohung während der Begehung der Tat geändert, so ist das Gesetz anzuwenden, das bei Beendigung der Tat gilt.

(3) Wird das Gesetz, das bei Beendigung der Tat gilt, vor der Entscheidung geändert, so ist das mildeste Gesetz anzuwenden.

(4) Ein Gesetz, das nur für eine bestimmte Zeit gelten soll, ist auf Taten, die während seiner Geltung begangen sind, auch dann anzuwenden, wenn es außer Kraft getreten ist. Dies gilt nicht, soweit ein Gesetz etwas anderes bestimmt.

(5) Für Einziehung und Unbrauchbarmachung gelten die Absätze 1 bis 4 entsprechend.

(6) Über Maßregeln der Besserung und Sicherung ist, wenn gesetzlich nichts anderes bestimmt ist, nach dem Gesetz zu entscheiden, das zur Zeit der Entscheidung gilt.

(1) Wenn der Täter einer Straftat, die mit einer im Mindestmaß erhöhten Freiheitsstrafe oder mit lebenslanger Freiheitsstrafe bedroht ist,

1.
durch freiwilliges Offenbaren seines Wissens wesentlich dazu beigetragen hat, dass eine Tat nach § 100a Abs. 2 der Strafprozessordnung, die mit seiner Tat im Zusammenhang steht, aufgedeckt werden konnte, oder
2.
freiwillig sein Wissen so rechtzeitig einer Dienststelle offenbart, dass eine Tat nach § 100a Abs. 2 der Strafprozessordnung, die mit seiner Tat im Zusammenhang steht und von deren Planung er weiß, noch verhindert werden kann,
kann das Gericht die Strafe nach § 49 Abs. 1 mildern, wobei an die Stelle ausschließlich angedrohter lebenslanger Freiheitsstrafe eine Freiheitsstrafe nicht unter zehn Jahren tritt. Für die Einordnung als Straftat, die mit einer im Mindestmaß erhöhten Freiheitsstrafe bedroht ist, werden nur Schärfungen für besonders schwere Fälle und keine Milderungen berücksichtigt. War der Täter an der Tat beteiligt, muss sich sein Beitrag zur Aufklärung nach Satz 1 Nr. 1 über den eigenen Tatbeitrag hinaus erstrecken. Anstelle einer Milderung kann das Gericht von Strafe absehen, wenn die Straftat ausschließlich mit zeitiger Freiheitsstrafe bedroht ist und der Täter keine Freiheitsstrafe von mehr als drei Jahren verwirkt hat.

(2) Bei der Entscheidung nach Absatz 1 hat das Gericht insbesondere zu berücksichtigen:

1.
die Art und den Umfang der offenbarten Tatsachen und deren Bedeutung für die Aufklärung oder Verhinderung der Tat, den Zeitpunkt der Offenbarung, das Ausmaß der Unterstützung der Strafverfolgungsbehörden durch den Täter und die Schwere der Tat, auf die sich seine Angaben beziehen, sowie
2.
das Verhältnis der in Nummer 1 genannten Umstände zur Schwere der Straftat und Schuld des Täters.

(3) Eine Milderung sowie das Absehen von Strafe nach Absatz 1 sind ausgeschlossen, wenn der Täter sein Wissen erst offenbart, nachdem die Eröffnung des Hauptverfahrens (§ 207 der Strafprozessordnung) gegen ihn beschlossen worden ist.

(1) Erfolgt die Aufhebung des Urteils nur wegen Gesetzesverletzung bei Anwendung des Gesetzes auf die dem Urteil zugrunde liegenden Feststellungen, so hat das Revisionsgericht in der Sache selbst zu entscheiden, sofern ohne weitere tatsächliche Erörterungen nur auf Freisprechung oder auf Einstellung oder auf eine absolut bestimmte Strafe zu erkennen ist oder das Revisionsgericht in Übereinstimmung mit dem Antrag der Staatsanwaltschaft die gesetzlich niedrigste Strafe oder das Absehen von Strafe für angemessen erachtet.

(1a) Wegen einer Gesetzesverletzung nur bei Zumessung der Rechtsfolgen kann das Revisionsgericht von der Aufhebung des angefochtenen Urteils absehen, sofern die verhängte Rechtsfolge angemessen ist. Auf Antrag der Staatsanwaltschaft kann es die Rechtsfolgen angemessen herabsetzen.

(1b) Hebt das Revisionsgericht das Urteil nur wegen Gesetzesverletzung bei Bildung einer Gesamtstrafe (§§ 53, 54, 55 des Strafgesetzbuches) auf, kann dies mit der Maßgabe geschehen, dass eine nachträgliche gerichtliche Entscheidung über die Gesamtstrafe nach den §§ 460, 462 zu treffen ist. Entscheidet das Revisionsgericht nach Absatz 1 oder Absatz 1a hinsichtlich einer Einzelstrafe selbst, gilt Satz 1 entsprechend. Die Absätze 1 und 1a bleiben im Übrigen unberührt.

(2) In anderen Fällen ist die Sache an eine andere Abteilung oder Kammer des Gerichtes, dessen Urteil aufgehoben wird, oder an ein zu demselben Land gehörendes anderes Gericht gleicher Ordnung zurückzuverweisen. In Verfahren, in denen ein Oberlandesgericht im ersten Rechtszug entschieden hat, ist die Sache an einen anderen Senat dieses Gerichts zurückzuverweisen.

(3) Die Zurückverweisung kann an ein Gericht niederer Ordnung erfolgen, wenn die noch in Frage kommende strafbare Handlung zu dessen Zuständigkeit gehört.

2
Der Generalbundesanwalt hat in seiner Antragsschrift im Wesentlichen das Folgende ausgeführt: "Der Schuldspruch bedarf indes der beantragten Klarstellung. Der Angeklagte hat im Fall 29 (UA S. 9) wegen des Verkaufs von 50 Gramm Marihuana , das bei einem THC-Gehalt von 9,5% (mithin 4,75 Gramm, vgl. UA S. 6, 18, 19) den Grenzwert zur nicht geringen Menge nicht erreicht, den Tatbestand des § 29 Abs. 1 Nr. 1 BtMG nicht - wie das Landgericht meint - wegen 'Abgabe', sondern wegen 'Handeltreibens' erfüllt. Denn ein 'Abgeben' i.S.d. § 29 Abs. 1 Nr. 1 BtMG liegt nur vor, wenn die Übertragung der eigenen tatsächlichen Verfügungsgewalt an dem Betäubungsmittel ohne rechtsgeschäftliche Grundlage und ohne Gegenleistung an einen anderen erfolgt (Weber, BtMG, 4. Aufl., § 29 Rn. 1089 m.w.N.). Hingegen erfüllt eine - wie hier gegebene - eigennützige, auf den Umsatz von Betäubungsmitteln gerichtete Tätigkeit den Begriff des Handeltreibens (vgl. BGHSt 50, 252, 256). Bei der Neufassung des Schuldspruchs entfällt im Fall 29 zudem die Zusatzbezeichnung als 'gewerbsmäßig'. Zwar tragen die Feststellungen ein gewerbsmäßiges Handeltreiben i.S.d. § 29 Abs. 1 S. 1 Nr. 1, Abs. 3 S. 1 Nr. 1 BtMG. Doch handelt es sich bei § 29 Abs. 3 BtMG lediglich um Regelbeispiele , deren Benennung in der Urteilsformel unterbleibt (vgl. BGH, Beschluss vom 5. August 2014 - 3 StR 340/14; Patzak in Körner /Patzak/Volkmer, BtMG, 7. Aufl., § 29 Teil 26 Rn. 82 m.w.N.). Entfallen kann ferner die Bezeichnung des Handeltreibens als 'unerlaubt'. Dass es sich bei Straftaten nach dem BtMG um einen 'unerlaubten' Umgang mit Betäubungsmitteln handelt, versteht sich von selbst, weil das Handeln im Rahmen einer Erlaubnis nach § 3 Abs. 1 Nr. 1 BtMG aufgrund der gegebenen Verwaltungsakzessorietät die Strafbarkeit ausschließt. Es bedarf deshalb nicht der Tenorierung, auch wenn eine solche üblich und unschädlich ist (BGH aaO).