Bundesgerichtshof Beschluss, 07. Juli 2015 - 3 StR 223/15

bei uns veröffentlicht am07.07.2015

Gericht

Bundesgerichtshof


Der Bundesgerichtshof (BGH) ist das höchste Gericht der ordentlichen Gerichtsbarkeit in Deutschland.  Der BGH besteht aus 16 Senaten, die jeweils von einem Vorsitzenden und mehreren anderen Richtern geleitet werden. Die Zusammensetzung der Senate

Richter

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
3 S t R 2 2 3 / 1 5
vom
7. Juli 2015
in der Strafsache
gegen
wegen Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge u.a.
Der 3. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat nach Anhörung der Beschwerdeführerin
und des Generalbundesanwalts - zu 3. auf dessen Antrag - am 7. Juli
2015 gemäß §§ 44, 349 Abs. 2 und 4 StPO einstimmig beschlossen:
1. Der Angeklagten wird nach Versäumung der Frist zur Begründung der Revision gegen das Urteil des Landgerichts Hannover vom 27. Januar 2015 auf ihren Antrag Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gewährt.
Die Kosten der Wiedereinsetzung trägt die Angeklagte.
2. Auf die Revision der Angeklagten wird das vorbezeichnete Urteil , soweit es sie betrifft,
a) im Schuldspruch in den Fällen II. 1. bis 72. der Urteilsgründe dahin neu gefasst, dass die Angeklagte insoweit des Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in 72 Fällen schuldig ist;
b) mit den zugehörigen Feststellungen aufgehoben, aa) soweit sie in den Fällen II. 83. und 84. der Urteilsgründe wegen Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge verurteilt worden ist, bb) im Ausspruch über die Einzelstrafen in den Fällen II. 73. bis 82. der Urteilgründe, cc) im Ausspruch über die Gesamtfreiheitsstrafe und dd) hinsichtlich der Anordnung des Verfalls von Wertersatz.
Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels , an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.
3. Die weitergehende Revision wird verworfen.

Gründe:

1
Das Landgericht hat die Angeklagte wegen "gewerbsmäßigen" unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in 72 Fällen und wegen unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in 12 Fällen zur Gesamtfreiheitsstrafe von fünf Jahren und zwei Monaten verurteilt sowie Wert- ersatzverfall in Höhe von 400.000 € angeordnet. Hiergegen wendet sich die Angeklagte mit der allgemeinen Sachbeschwerde. Das Rechtsmittel hat den aus der Entscheidungsformel ersichtlichen Teilerfolg; im Übrigen ist es unbegründet im Sinne von § 349 Abs. 2 StPO.
2
1. Das Landgericht hat es in allen Einzelfällen verabsäumt, zu den jeweils gehandelten Drogen den Wirkstoffgehalt und die Wirkstoffmenge konkret festzustellen. Solcher Feststellungen bedarf es bei einer Betäubungsmittelstraftat aber regelmäßig, da dadurch das Unrecht der Tat und die Schuld des Täters maßgeblich bestimmt werden. Hierauf kann auch dann nicht verzichtet werden, wenn - wie hier - das Urteil auf einer Verständigung beruht (vgl. BGH, Beschluss vom 6. August 2013 - 3 StR 212/13, StV 2013, 703 mwN).
3
a) Dieser Rechtsfehler führt zur Aufhebung des Urteils in den Fällen II. 83. und 84. der Urteilsgründe, da in diesen Fällen deshalb nicht belegt ist, dass die Angeklagte eine nicht geringe Menge Marihuana im Sinne des § 29a BtMG zum Zwecke des Handeltreibens gekauft hat; entgegen der Ansicht des Generalbundesanwalts kann der Senat den Einkauf einer jeweils nicht geringen Menge aus den Urteilsfeststellungen zum Gewicht des erworbenen Marihuanas und zum Gesamtkaufpreis auch mit Blick auf den Gesamtzusammenhang der Urteilsgründe nicht hinreichend sicher entnehmen.
4
b) In den Fällen II. 73. bis 82. der Urteilsgründe kann zwar der Schuldspruch bestehen bleiben, da sich insoweit aus den von der Angeklagten gekauften Drogenmengen zwischen 50 Gramm Heroin (Fall 73.) sowie ein (Fälle 74. bis 81.) bzw. mehr als zwei Kilogramm Heroin (Fall 82.) zweifelsfrei ergibt, dass sie mit nicht geringen Heroinmengen im Sinne von § 29a BtMG gehandelt hat. Indes können die für diese Fälle verhängten Einzelstrafen zwischen einem Jahr und drei Monaten sowie zwei Jahren und sechs Monaten Freiheitsstrafe nicht bestehen bleiben, weil der Schuldgehalt dieser Taten mangels Feststellungen zum Wirkstoffgehalt und zur Wirkstoffmenge der gehandelten Heroinmengen nicht belegt ist. Zwar hat das Landgericht in den Fällen 81. und 82. der Urteilsgründe die - durch labortechnische Untersuchungen des Landeskriminalamtes belegten - Wirkstoffgehalte von mehreren Teilmengen mitgeteilt, die in der Wohnung der Angeklagten aufgefunden worden waren. Das Landgericht hat indes keine Schlüsse aus diesen Ergebnissen gezogen, etwa auf den jeweiligen Mindestwirkstoffgehalt des in diesen beiden Fällen oder auch in den anderen Einzelfällen von der Angeklagten insgesamt eingekauften Heroins. Der Se- nat kann wegen der sehr stark unterschiedlichen Qualitäten der untersuchten Herointeilmengen diese Feststellungslücken auch mit Blick auf den Gesamtzusammenhang der Urteilsgründe nicht selbst ausfüllen, sodass er im Ergebnis nicht ausschließen kann, dass das Landgericht bei konkreten Feststellungen zu Wirkstoffgehalt und Wirkstoffmenge der Drogen niedrigere Einzelstrafen zugemessen hätte.
5
c) Der dargestellte Rechtsfehler gefährdet den Bestand des Urteils allein in den Fällen II. 1. bis 72. der Urteilsgründe nicht, in denen die - vielfach und auch mehrfach einschlägig vorbestrafte - Angeklagte jeweils 2,5 Gramm Heroin für 40 € gewinnbringend weiterverkauft hat und deshalb wegen gewerbsmäßig begangenen Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in 72 Fällen zu jeweils einem Jahr Freiheitsstrafe verurteilt worden ist. In diesen Fällen vermag der Senat aufgrund der Gesamtumstände auszuschließen, dass das Landgericht bei Feststellung der Wirkstoffmengen von der Regelwirkung des § 29 Abs. 3 Satz 2 Nr. 1 abgesehen und eine geringere als die in § 29 Abs. 3 Satz 1 BtMG angedrohte Mindeststrafe verhängt hätte. Indes wird die Verwirklichung des Regelbeispiels gewerbsmäßigen Handelns gemäß § 29 Abs. 3 Satz 2 Nr. 1 BtMG nicht in die Urteilsformel aufgenommen (vgl. Weber, BtMG, 4. Aufl., § 29 Rn. 2031; Meyer-Goßner/Schmitt, StPO, 58. Aufl., § 260 Rn. 25, jeweils mwN). Aus diesem Grund hat der Senat den Schuldspruch in den genannten Fällen entsprechend neu gefasst.
6
d) Die teilweise Aufhebung des Urteils führt zum Wegfall des Ausspruchs über die Gesamtfreiheitsstrafe.
7
2. Die Anordnung über den Verfall von Wertersatz kann ebenfalls nicht bestehen bleiben. Hierzu hat der Generalbundesanwalt in seiner Antragsschrift ausgeführt: "Keinen Bestand haben kann jedoch die Anordnung über den Verfall von Wertersatz in Höhe von 400.000 Euro. Das Landgericht ist bei der Prüfung der Härtevorschrift des § 73c Abs. 1 Satz 2 StGB von einem unzutreffenden rechtlichen Maßstab ausgegangen. Danach kann nach Ermessen des Gerichts die Anordnung unterbleiben, soweit der Wert des Erlangten in dem Vermögen des Betroffenen nicht mehr vorhanden ist. Eine unbillige Härte, wie im Fall des § 73c Abs. 1 Satz 1 StGB, ist nicht erforderlich. Die Entscheidung BGH NStZ 2005, 232 steht nicht entgegen. Zwar konnte in der Hauptverhandlung nicht geklärt werden, wo sich Geldbeträge aus dem Drogenhandel der Angeklagten befinden. Den Urteilsgründen lässt sich jedoch nicht entnehmen, dass sich die geständige Angeklagte hierzu nicht geäußert hat. Überdies hätte die Strafkammer, die nach den Urteilsgründen davon ausging, dass von den Verkaufserlösen nur noch ein Teil im Vermögen der Angeklagten vorhanden ist (UA S. 20), nach der Feststellung, dass die beschäftigungslose Angeklagte vom Einkommen ihres Ehemanns lebt (UA S. 4), auf Grund des sehr hohen Verfallsbetrages nähere Erörterungen in Hinsicht auf das von § 73c Abs. 1 Satz 2 StGB auch verfolgte Anliegen, die Resozialisierung des Täters nicht zu gefährden (BGHSt 48, 40 f; BGH NStZ 2001, 42), anstellen müssen. Auch die Feststellung der Höhe des Erlangten ist nicht frei von Rechtsfehlern. Das Landgericht legt den gerundeten Bruttowert der in den Fällen II. 73. bis 82. aufgewandten Kaufpreise zu Grunde, berücksichtigt dabei aber nicht, dass bei der Tat II. 82. die über zwei Kilogramm Heroin beschlagnahmt wurden (UA S. 10, 11) und im Fall II. 81. knapp ein Viertel der Heroinmenge (UA S. 10). Selbst unter Berücksichtigung der Verkaufspreise in den Fällen II. 1. bis 72. sowie der Kaufpreise in den Fällen II. 74. bis 84. wird unter Abzug der beschlagnahmten Mengen die Summe von 400.000 Euro nicht erreicht."
8
Dem schließt sich der Senat an.
Becker RiBGH Pfister befindet sich Hubert im Urlaub und ist daher gehindert zu unterschreiben. Becker Mayer Gericke

Urteilsbesprechung zu Bundesgerichtshof Beschluss, 07. Juli 2015 - 3 StR 223/15

Urteilsbesprechungen zu Bundesgerichtshof Beschluss, 07. Juli 2015 - 3 StR 223/15

Referenzen - Gesetze

Strafprozeßordnung - StPO | § 349 Entscheidung ohne Hauptverhandlung durch Beschluss


(1) Erachtet das Revisionsgericht die Vorschriften über die Einlegung der Revision oder die über die Anbringung der Revisionsanträge nicht für beobachtet, so kann es das Rechtsmittel durch Beschluß als unzulässig verwerfen. (2) Das Revisionsgeric

Betäubungsmittelgesetz - BtMG 1981 | § 29 Straftaten


(1) Mit Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder mit Geldstrafe wird bestraft, wer1.Betäubungsmittel unerlaubt anbaut, herstellt, mit ihnen Handel treibt, sie, ohne Handel zu treiben, einführt, ausführt, veräußert, abgibt, sonst in den Verkehr bringt,
Bundesgerichtshof Beschluss, 07. Juli 2015 - 3 StR 223/15 zitiert 8 §§.

Strafprozeßordnung - StPO | § 349 Entscheidung ohne Hauptverhandlung durch Beschluss


(1) Erachtet das Revisionsgericht die Vorschriften über die Einlegung der Revision oder die über die Anbringung der Revisionsanträge nicht für beobachtet, so kann es das Rechtsmittel durch Beschluß als unzulässig verwerfen. (2) Das Revisionsgeric

Betäubungsmittelgesetz - BtMG 1981 | § 29 Straftaten


(1) Mit Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder mit Geldstrafe wird bestraft, wer1.Betäubungsmittel unerlaubt anbaut, herstellt, mit ihnen Handel treibt, sie, ohne Handel zu treiben, einführt, ausführt, veräußert, abgibt, sonst in den Verkehr bringt,

Betäubungsmittelgesetz - BtMG 1981 | § 29a Straftaten


(1) Mit Freiheitsstrafe nicht unter einem Jahr wird bestraft, wer1.als Person über 21 JahreBetäubungsmittel unerlaubt an eine Person unter 18 Jahren abgibt oder sie ihr entgegen § 13 Abs. 1 verabreicht oder zum unmittelbaren Verbrauch überläßt oder2.

Strafgesetzbuch - StGB | § 73c Einziehung des Wertes von Taterträgen


Ist die Einziehung eines Gegenstandes wegen der Beschaffenheit des Erlangten oder aus einem anderen Grund nicht möglich oder wird von der Einziehung eines Ersatzgegenstandes nach § 73 Absatz 3 oder nach § 73b Absatz 3 abgesehen, so ordnet das Gericht

Strafprozeßordnung - StPO | § 44 Wiedereinsetzung in den vorigen Stand bei Fristversäumung


War jemand ohne Verschulden verhindert, eine Frist einzuhalten, so ist ihm auf Antrag Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren. Die Versäumung einer Rechtsmittelfrist ist als unverschuldet anzusehen, wenn die Belehrung nach den § 35a Satz 1

Referenzen - Urteile

Bundesgerichtshof Beschluss, 07. Juli 2015 - 3 StR 223/15 zitiert oder wird zitiert von 3 Urteil(en).

Bundesgerichtshof Beschluss, 07. Juli 2015 - 3 StR 223/15 zitiert 1 Urteil(e) aus unserer Datenbank.

Bundesgerichtshof Beschluss, 06. Aug. 2013 - 3 StR 212/13

bei uns veröffentlicht am 06.08.2013

BUNDESGERICHTSHOF BESCHLUSS 3 StR 212/13 vom 6. August 2013 in der Strafsache gegen wegen Anstiftung zur Einfuhr von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge u.a. Der 3. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat nach Anhörung des Beschwerdeführers un
2 Urteil(e) in unserer Datenbank zitieren Bundesgerichtshof Beschluss, 07. Juli 2015 - 3 StR 223/15.

Bundesgerichtshof Beschluss, 28. Aug. 2018 - 4 StR 280/18

bei uns veröffentlicht am 28.08.2018

BUNDESGERICHTSHOF BESCHLUSS 4 StR 280/18 vom 28. August 2018 in der Strafsache gegen wegen unerlaubter Einfuhr von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge Der 4. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat auf Antrag des Generalbundesanwalts und nach A

Bundesgerichtshof Beschluss, 31. Mai 2016 - 3 StR 138/16

bei uns veröffentlicht am 31.05.2016

BUNDESGERICHTSHOF BESCHLUSS 3 StR 138/16 vom 31. Mai 2016 in der Strafsache gegen wegen Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge u.a. ECLI:DE:BGH:2016:310516B3STR138.16.0 Der 3. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat nach Anh

Referenzen

War jemand ohne Verschulden verhindert, eine Frist einzuhalten, so ist ihm auf Antrag Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren. Die Versäumung einer Rechtsmittelfrist ist als unverschuldet anzusehen, wenn die Belehrung nach den § 35a Satz 1 und 2, § 319 Abs. 2 Satz 3 oder nach § 346 Abs. 2 Satz 3 unterblieben ist.

(1) Erachtet das Revisionsgericht die Vorschriften über die Einlegung der Revision oder die über die Anbringung der Revisionsanträge nicht für beobachtet, so kann es das Rechtsmittel durch Beschluß als unzulässig verwerfen.

(2) Das Revisionsgericht kann auf einen Antrag der Staatsanwaltschaft, der zu begründen ist, auch dann durch Beschluß entscheiden, wenn es die Revision einstimmig für offensichtlich unbegründet erachtet.

(3) Die Staatsanwaltschaft teilt den Antrag nach Absatz 2 mit den Gründen dem Beschwerdeführer mit. Der Beschwerdeführer kann binnen zwei Wochen eine schriftliche Gegenerklärung beim Revisionsgericht einreichen.

(4) Erachtet das Revisionsgericht die zugunsten des Angeklagten eingelegte Revision einstimmig für begründet, so kann es das angefochtene Urteil durch Beschluß aufheben.

(5) Wendet das Revisionsgericht Absatz 1, 2 oder 4 nicht an, so entscheidet es über das Rechtsmittel durch Urteil.

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
3 StR 212/13
vom
6. August 2013
in der Strafsache
gegen
wegen Anstiftung zur Einfuhr von Betäubungsmitteln in nicht geringer
Menge u.a.
Der 3. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat nach Anhörung des Beschwerdeführers
und des Generalbundesanwalts – zu 2. auf dessen Antrag – am
6. August 2013 gemäß § 349 Abs. 2 und 4 StPO einstimmig beschlossen:
1. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Bückeburg vom 10. April 2013 aufgehoben. Die Feststellungen mit Ausnahme derjenigen zum Wirkstoffgehalt der eingeführten Betäubungsmittel bleiben aufrechterhalten. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels , an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen. 2. Die weitergehende Revision wird verworfen.

Gründe:

1
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen Anstiftung zur Einfuhr von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in Tateinheit mit Handeltreiben mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in neun Fällen zu zwei Gesamtfreiheitsstrafen verurteilt. Hiergegen richtet sich die auf die allgemeine Sachrüge gestützte Revision des Angeklagten. Sie hat den aus der Entscheidungsformel ersichtlichen Teilerfolg.
2
1. Der Schuldspruch wird von den Feststellungen nicht getragen. Danach veranlasste der Angeklagten einen anderen jeweils dazu, in die Niederlande zu fahren, dort "mindestens 500 Gramm Marihuana" mit einem Wirkstoffgehalt von jeweils "mindestens 1,5%" THC (Wirkstoff demnach mindestens 7,5 g THC) zu erwerben und nach Deutschland einzuführen. Hier entnahmen beide der Einfuhrmenge jeweils Marihuana zum Eigenverbrauch. Der Rest wurde auf Weisung des Angeklagten von dem anderen gewinnbringend verkauft. Damit ist eine Anstiftung zum Handeltreiben mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge nicht belegt, da der zum Eigenverbrauch verwendete Anteil nicht zum gewinnbringenden Verkauf dienen sollte und die zum Handeltreiben bestimmte Menge deshalb unter dem Grenzwert von 7,5 g THC (BGH, Urteil vom 18. Juli 1984 – 3 StR 183/84, BGHSt 33, 8) lag.
3
2. Eine Schuldspruchänderung durch den Senat kommt nicht in Betracht. Es liegt vielmehr nahe, dass in einer erneuten Hauptverhandlung weitere, den bisherigen Schuldspruch tragende Feststellungen zum Wirkstoffgehalt des Marihuanas getroffen werden können, die das Landgericht bislang rechtsfehlerhaft nicht getroffen hat.
4
Das Unrecht einer Betäubungsmittelstraftat und die Schuld des Täters werden maßgeblich durch die Wirkstoffkonzentration und die Wirkstoffmenge des Rauschgifts bestimmt. Hierzu bedarf es deshalb konkreter Feststellungen. Stehen die tatgegenständlichen Betäubungsmittel für eine Untersuchung nicht mehr zur Verfügung, muss das Tatgericht unter Berücksichtigung der anderen ausreichend sicher festgestellten Umstände (Herkunft, Preis, Handelsstufe, Beurteilung durch die Tatbeteiligten, Begutachtungen in Parallelverfahren etc.) die Wirkstoffkonzentration – notfalls unter Anwendung des Zweifelssatzes – durch eine "Schätzung" festlegen (vgl. BGH, Beschluss vom 7. Dezember 2011 – 4 StR 517/11, NStZ 2012, 339 mwN). Hierauf darf auch dann nicht verzichtet werden, wenn das Urteil – wie hier – auf einer Verständigung beruht. Auch in diesen Fällen gilt die aus dem verfassungsrechtlich verankerten Schuldprinzip folgende Verpflichtung des Gerichts, von Amts wegen den wahren Sachverhalt – die materielle Wahrheit – zu erforschen (§ 244 Abs. 2 StPO, vgl. zuletzt BVerfG, Urteil vom 19. März 2013 – 2 BvR 2628/10, 2 BvR 2883/10, 2 BvR 2155/11, NJW 2013, 1058; BGH, Beschluss vom 15. April 2013 – 3 StR 35/13, juris). Es ist daher unzulässig, dem Urteil einen Sachverhalt zu Grunde zu legen , der nicht auf einer Überzeugungsbildung unter vollständiger Ausschöpfung des Beweismaterials beruht. Dies gilt auch dann, wenn sich der Angeklagte – unter Umständen aufgrund einer Verständigung – geständig gezeigt hat. Zwar unterfällt auch die Bewertung eines Geständnisses dem Grundsatz der freien richterlichen Beweiswürdigung. Das Tatgericht muss aber, will es die Verurteilung des Angeklagten auf dessen Einlassung stützen, von deren Richtigkeit überzeugt sein. Es ist deshalb stets zu untersuchen, ob das abgelegte Geständnis mit dem Ermittlungsergebnis zu vereinbaren ist, ob es in sich stimmig ist und ob es die getroffenen Feststellungen trägt (BGH aaO Rn. 7 mwN).
5
Dem genügt das angefochtene Urteil nicht. Das Landgericht nimmt ohne weitere Erörterungen einen Mindestwirkstoffgehalt an, der mit 1,5% THC gerade noch ausreicht, um die Voraussetzungen des § 30 Abs. 1 Nr. 4 BtMG zu erfüllen. Er entfernt sich indes weit von den üblicherweise festzustellenden Wirkstoffgehalten (vgl. dazu Weber, BtMG, 4. Aufl., Einleitung Rn. 146), ohne dass der Sachverhalt dazu einen Anhaltspunkt geben würde. Vielmehr sind die Betäubungsmittel in ihrer Qualität von den Konsumenten erkennbar niemals beanstandet worden.
6
Die sonstigen Urteilsfeststellungen sind von diesem Aufklärungsmangel nicht betroffen und können daher – mit Ausnahme derjenigen zum Wirkstoffge- halt – aufrechterhalten bleiben. Über die Qualität der Betäubungsmittel muss dagegen erneut verhandelt und entschieden werden.
7
3. Rechtsfehlerhaft ist das Urteil auch insoweit, als es das Landgericht unterlassen hat zu prüfen, ob gegen den Angeklagten die Unterbringung in einer Entziehungsanstalt (§ 64 StGB) anzuordnen ist, obwohl die Feststellungen dazu drängten. Danach wollte der Angeklagte mit den Taten "seinen eigenen Betäubungsmittelkonsum finanzieren" (UA S. 10) und "seine Betäubungsmittelabhängigkeit befriedigen" (UA S. 15). Der Angeklagte ist erst in jüngster Zeit – erkennbar für eine Tat während der Verbüßung einer seiner Vorstrafen – we- gen unerlaubten Besitzes von Betäubungsmitteln bestraft worden. Er ist jetzt "gewillt, eine Drogentherapie zu absolvieren" (UA S. 17). Danach hätte es der Erörterung bedurft, ob bei dem Angeklagten ein Hang zum Konsum berauschender Mittel im Übermaß vorliegt und die anderen Voraussetzungen für eine Unterbringung gegeben sind. Auch dies wird der neue Tatrichter nachzuholen haben.
8
4. Zuletzt gibt das Urteil Anlass zu folgendem Hinweis:
9
Zutreffend ist das Landgericht davon ausgegangen, dass die Verurteilung des Angeklagten zu einer zweijährigen Freiheitsstrafe durch das Amtsgericht Rinteln am 11. Mai 2010 eine Zäsur darstellt. Es hat deshalb – wie sich allerdings erst aus den Urteilsgründen ergibt – wegen drei der hier verfahrensgegenständlichen , vor der Zäsur liegenden Taten unter Einbeziehung der Vorstrafe eine Gesamtstrafe und hinsichtlich der anderen sechs Taten eine weitere Gesamtstrafe gebildet. Der neue Tatrichter wird bereits in der Entscheidungsformel die Anzahl der Taten zum Ausdruck bringen müssen, aus deren Einzelstrafen jeweils die Gesamtstrafen gebildet worden sind.
Becker Pfister Mayer Gericke Spaniol

(1) Mit Freiheitsstrafe nicht unter einem Jahr wird bestraft, wer

1.
als Person über 21 JahreBetäubungsmittel unerlaubt an eine Person unter 18 Jahren abgibt oder sie ihr entgegen § 13 Abs. 1 verabreicht oder zum unmittelbaren Verbrauch überläßt oder
2.
mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge unerlaubt Handel treibt, sie in nicht geringer Menge herstellt oder abgibt oder sie besitzt, ohne sie auf Grund einer Erlaubnis nach § 3 Abs. 1 erlangt zu haben.

(2) In minder schweren Fällen ist die Strafe Freiheitsstrafe von drei Monaten bis zu fünf Jahren.

(1) Mit Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder mit Geldstrafe wird bestraft, wer

1.
Betäubungsmittel unerlaubt anbaut, herstellt, mit ihnen Handel treibt, sie, ohne Handel zu treiben, einführt, ausführt, veräußert, abgibt, sonst in den Verkehr bringt, erwirbt oder sich in sonstiger Weise verschafft,
2.
eine ausgenommene Zubereitung (§ 2 Abs. 1 Nr. 3) ohne Erlaubnis nach § 3 Abs. 1 Nr. 2 herstellt,
3.
Betäubungsmittel besitzt, ohne zugleich im Besitz einer schriftlichen Erlaubnis für den Erwerb zu sein,
4.
(weggefallen)
5.
entgegen § 11 Abs. 1 Satz 2 Betäubungsmittel durchführt,
6.
entgegen § 13 Abs. 1 Betäubungsmittel
a)
verschreibt,
b)
verabreicht oder zum unmittelbaren Verbrauch überläßt,
6a.
entgegen § 13 Absatz 1a Satz 1 und 2 ein dort genanntes Betäubungsmittel überlässt,
6b.
entgegen § 13 Absatz 1b Satz 1 Betäubungsmittel verabreicht,
7.
entgegen § 13 Absatz 2
a)
Betäubungsmittel in einer Apotheke oder tierärztlichen Hausapotheke,
b)
Diamorphin als pharmazeutischer Unternehmer
abgibt,
8.
entgegen § 14 Abs. 5 für Betäubungsmittel wirbt,
9.
unrichtige oder unvollständige Angaben macht, um für sich oder einen anderen oder für ein Tier die Verschreibung eines Betäubungsmittels zu erlangen,
10.
einem anderen eine Gelegenheit zum unbefugten Erwerb oder zur unbefugten Abgabe von Betäubungsmitteln verschafft oder gewährt, eine solche Gelegenheit öffentlich oder eigennützig mitteilt oder einen anderen zum unbefugten Verbrauch von Betäubungsmitteln verleitet,
11.
ohne Erlaubnis nach § 10a einem anderen eine Gelegenheit zum unbefugten Verbrauch von Betäubungsmitteln verschafft oder gewährt, oder wer eine außerhalb einer Einrichtung nach § 10a bestehende Gelegenheit zu einem solchen Verbrauch eigennützig oder öffentlich mitteilt,
12.
öffentlich, in einer Versammlung oder durch Verbreiten eines Inhalts (§ 11 Absatz 3 des Strafgesetzbuches) dazu auffordert, Betäubungsmittel zu verbrauchen, die nicht zulässigerweise verschrieben worden sind,
13.
Geldmittel oder andere Vermögensgegenstände einem anderen für eine rechtswidrige Tat nach Nummern 1, 5, 6, 7, 10, 11 oder 12 bereitstellt,
14.
einer Rechtsverordnung nach § 11 Abs. 2 Satz 2 Nr. 1 oder § 13 Abs. 3 Satz 2 Nr. 1, 2a oder 5 zuwiderhandelt, soweit sie für einen bestimmten Tatbestand auf diese Strafvorschrift verweist.
Die Abgabe von sterilen Einmalspritzen an Betäubungsmittelabhängige und die öffentliche Information darüber sind kein Verschaffen und kein öffentliches Mitteilen einer Gelegenheit zum Verbrauch nach Satz 1 Nr. 11.

(2) In den Fällen des Absatzes 1 Satz 1 Nr. 1, 2, 5 oder 6 Buchstabe b ist der Versuch strafbar.

(3) In besonders schweren Fällen ist die Strafe Freiheitsstrafe nicht unter einem Jahr. Ein besonders schwerer Fall liegt in der Regel vor, wenn der Täter

1.
in den Fällen des Absatzes 1 Satz 1 Nr. 1, 5, 6, 10, 11 oder 13 gewerbsmäßig handelt,
2.
durch eine der in Absatz 1 Satz 1 Nr. 1, 6 oder 7 bezeichneten Handlungen die Gesundheit mehrerer Menschen gefährdet.

(4) Handelt der Täter in den Fällen des Absatzes 1 Satz 1 Nummer 1, 2, 5, 6 Buchstabe b, Nummer 6b, 10 oder 11 fahrlässig, so ist die Strafe Freiheitsstrafe bis zu einem Jahr oder Geldstrafe.

(5) Das Gericht kann von einer Bestrafung nach den Absätzen 1, 2 und 4 absehen, wenn der Täter die Betäubungsmittel lediglich zum Eigenverbrauch in geringer Menge anbaut, herstellt, einführt, ausführt, durchführt, erwirbt, sich in sonstiger Weise verschafft oder besitzt.

(6) Die Vorschriften des Absatzes 1 Satz 1 Nr. 1 sind, soweit sie das Handeltreiben, Abgeben oder Veräußern betreffen, auch anzuwenden, wenn sich die Handlung auf Stoffe oder Zubereitungen bezieht, die nicht Betäubungsmittel sind, aber als solche ausgegeben werden.

Ist die Einziehung eines Gegenstandes wegen der Beschaffenheit des Erlangten oder aus einem anderen Grund nicht möglich oder wird von der Einziehung eines Ersatzgegenstandes nach § 73 Absatz 3 oder nach § 73b Absatz 3 abgesehen, so ordnet das Gericht die Einziehung eines Geldbetrages an, der dem Wert des Erlangten entspricht. Eine solche Anordnung trifft das Gericht auch neben der Einziehung eines Gegenstandes, soweit dessen Wert hinter dem Wert des zunächst Erlangten zurückbleibt.