Bundesgerichtshof Beschluss, 20. Okt. 2016 - 3 StR 254/16

ECLI:ECLI:DE:BGH:2016:201016B3STR254.16.0
bei uns veröffentlicht am20.10.2016

Gericht

Bundesgerichtshof


Der Bundesgerichtshof (BGH) ist das höchste Gericht der ordentlichen Gerichtsbarkeit in Deutschland.  Der BGH besteht aus 16 Senaten, die jeweils von einem Vorsitzenden und mehreren anderen Richtern geleitet werden. Die Zusammensetzung der Senate

Richter

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
3 StR 254/16
vom
20. Oktober 2016
in der Strafsache
gegen
1.
2.
3.
4.
wegen zu 1.: bewaffneten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln u.a.
zu 2.: Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge u.a.
zu 3. und 4.: Beihilfe zum Handeltreiben mit Betäubungsmitteln in nicht
geringer Menge u.a.
hier: Revisionen der Angeklagten S. und M.
ECLI:DE:BGH:2016:201016B3STR254.16.0

Der 3. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat nach Anhörung des Generalbundesanwalts und der Beschwerdeführer am 20. Oktober 2016 gemäß § 349 Abs. 4, § 357 StPO einstimmig beschlossen:
Auf die Revisionen der Angeklagten S. und M. wird das Urteil des Landgerichts Stade vom 12. November 2015, auch soweit es die Mitangeklagten K. und Si. betrifft, mit den Feststellungen aufgehoben.
Die Sache wird zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Rechtsmittel, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.

Gründe:

1
Das Landgericht hat den Angeklagten S. wegen Handeltreibens mit Betäubungsmitteln "in nicht geringer Menge unter Mitführung von Waffen" in Tateinheit mit Besitz von Betäubungsmitteln zu einer Freiheitsstrafe von fünf Jahren und neun Monaten verurteilt und eine Verfallsentscheidung getroffen. Gegen den Angeklagten M. hat es wegen Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in Tateinheit mit Besitz von Betäubungsmitteln auf eine Freiheitsstrafe von drei Jahren erkannt und die Unterbringung des Angeklagten in einer Entziehungsanstalt angeordnet. Die nicht revidierenden Mitangeklagten K. und Si. hat es jeweils der Beihilfe zum Handeltreiben mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in Tateinheit mit Besitz von Betäubungsmitteln schuldig gesprochen und gegen sie eine Bewährungsstrafe verhängt. Die Revisionen der Angeklagten S. und M. haben mit der Sachrüge Erfolg; auf die von dem Angeklagten S. erhobenen Beanstandungen des Verfahrens kommt es deshalb nicht an. Die Aufhebung des Urteils ist auf die Mitangeklagten K. und Si. zu erstrecken.
2
1. Nach den vom Landgericht getroffenen Feststellungen erwarb der Angeklagte S. in drei Fällen jeweils ein Kilogramm Marihuana in der Weise, dass bei Entgegennahme der weiteren Teilmenge die zuvor erhaltene Lieferung gezahlt wurde. Der Angeklagte M. unterstützte den Angeklagten S. sodann bei dem Weiterverkauf des Rauschgifts. So lieferten die beiden Angeklagten unter anderem an den gesondert Verfolgten G. zwischen September 2013 und Februar 2014 in sieben Fällen jeweils 200 Gramm Marihuana. An den gesondert Verfolgten Sa. lieferten sie Anfang 2014, im Dezember 2014 und im Januar 2015 mehrfach Marihuana und Kokain. Die Mitangeklagten K. und Si. stellten ihre Wohnungen zur Aufbewahrung der Betäubungsmittel zur Verfügung. Im Januar 2015 wurde der Angeklagte S. in einem Pkw angehalten und vorläufig festgenommen. Dabei führte er eine Plastiktüte mit etwa 676 Gramm Marihuana und im Hosenbund ein Einhandklappmesser mit sich. Außerdem befand sich neben dem Fahrersitz des PKW ein Teleskopmetallschlagstock.
3
Das Landgericht hat hinsichtlich aller drei Lieferungen und Weiterverkäufe ein einheitliches Handeltreiben mit Betäubungsmitteln angenommen.
4
2. Das Urteil hält materiellrechtlicher Prüfung nicht stand; denn die Feststellungen werden in einem für den Schuldspruch wesentlichen Punkt von der Beweiswürdigung nicht belegt. Das Landgericht hat festgestellt, dass die drei Einkäufe von jeweils einem Kilogramm Marihuana im September 2013, Februar 2014 und Oktober oder November 2014 stattfanden. Grundlage hierfür ist aus- schließlich die Einlassung des Angeklagten S. . Dieser hat nach den Urteilsgründen jedoch angegeben, drei Lieferungen Anfang 2013, im Sommer 2013 und Ende 2013 erhalten zu haben. Diese drei Zeitpunkte weichen von den Feststellungen in erheblicher Weise ab. Die Urteilsgründe können auch nicht dahin verstanden werden, dass insoweit nur ein reines Schreibversehen oder ein sonstiger rein redaktioneller Fehler vorliegt; vielmehr wird die bestehende Diskrepanz an keiner Stelle aufgelöst. Hinzu kommt Folgendes: Legt man für die Lieferzeitpunkte die Einlassung des Angeklagten zu Grunde, so versteht es sich jedenfalls nicht von selbst, dass die nach den Feststellungen teilweise erheblich später verkauften Betäubungsmittel noch Teile der Erwerbsmengen waren. Auf der Grundlage der festgestellten Daten bleibt andererseits unklar, wieso die Angeklagten bis Februar 2014 allein an den gesondert Verfolgten G. insgesamt 1,4 Kilogramm Marihuana veräußern konnten , obwohl sie bis dahin nur eine Lieferung von einem Kilogramm Marihuana erhielten.
5
3. Der dargelegte sachlichrechtliche Fehler betrifft auch die Mitangeklagten K. und Si. . Aufgrund des Wegfalls der Haupttat ist über deren Beteiligung neu zu befinden (§ 357 Satz 1 StPO).
6
4. Über die Sache ist deshalb neu zu verhandeln und zu entscheiden. Der Senat hebt dabei auch diejenigen Teile der Feststellungen auf, die - wie etwa das Mitsichführen des Messers und des Teleskopschlagstocks - für sich genommen rechtsfehlerfrei getroffen worden sind, um dem neuen Tatgericht zu ermöglichen, insgesamt einheitliche Feststellungen zu treffen.
7
5. Mit Blick auf die konkurrenzrechtliche Bewertung des bisher festgestellten Geschehens weist der Senat darauf hin, dass insoweit derzeit zwischen den Senaten des Bundesgerichtshofs keine einheitliche Auffassung besteht (vgl. BGH, Beschlüsse vom 3. September 2015 - 3 StR 236/15, NStZ 2016, 415; vom 2. März 2016 - 5 ARs 60/15; vom 31. Mai 2016 - 2 ARs 403/15, NStZRR 2016, 313; vom 1. September 2016 - 4 ARs 21/15).
Becker Schäfer Spaniol
Tiemann Hoch

Urteilsbesprechung zu Bundesgerichtshof Beschluss, 20. Okt. 2016 - 3 StR 254/16

Urteilsbesprechungen zu Bundesgerichtshof Beschluss, 20. Okt. 2016 - 3 StR 254/16

Referenzen - Gesetze

Strafprozeßordnung - StPO | § 349 Entscheidung ohne Hauptverhandlung durch Beschluss


(1) Erachtet das Revisionsgericht die Vorschriften über die Einlegung der Revision oder die über die Anbringung der Revisionsanträge nicht für beobachtet, so kann es das Rechtsmittel durch Beschluß als unzulässig verwerfen. (2) Das Revisionsgeric

Strafprozeßordnung - StPO | § 357 Revisionserstreckung auf Mitverurteilte


Erfolgt zugunsten eines Angeklagten die Aufhebung des Urteils wegen Gesetzesverletzung bei Anwendung des Strafgesetzes und erstreckt sich das Urteil, soweit es aufgehoben wird, noch auf andere Angeklagte, die nicht Revision eingelegt haben, so ist zu
Bundesgerichtshof Beschluss, 20. Okt. 2016 - 3 StR 254/16 zitiert 2 §§.

Strafprozeßordnung - StPO | § 349 Entscheidung ohne Hauptverhandlung durch Beschluss


(1) Erachtet das Revisionsgericht die Vorschriften über die Einlegung der Revision oder die über die Anbringung der Revisionsanträge nicht für beobachtet, so kann es das Rechtsmittel durch Beschluß als unzulässig verwerfen. (2) Das Revisionsgeric

Strafprozeßordnung - StPO | § 357 Revisionserstreckung auf Mitverurteilte


Erfolgt zugunsten eines Angeklagten die Aufhebung des Urteils wegen Gesetzesverletzung bei Anwendung des Strafgesetzes und erstreckt sich das Urteil, soweit es aufgehoben wird, noch auf andere Angeklagte, die nicht Revision eingelegt haben, so ist zu

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Bundesgerichtshof Urteil, 03. Sept. 2015 - 3 StR 236/15

bei uns veröffentlicht am 03.09.2015

BUNDESGERICHTSHOF IM NAMEN DES VOLKES URTEIL 3 StR 236/15 vom 3. September 2015 in der Strafsache gegen 1. 2. wegen zu 1.: Besitzes von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge u.a. zu 2.: Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer M

Bundesgerichtshof Beschluss, 01. Sept. 2016 - 4 ARs 21/15

bei uns veröffentlicht am 01.09.2016

BUNDESGERICHTSHOF BESCHLUSS 4 ARs 21/15 vom 1. September 2016 in der Strafsache gegen wegen Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge hier: Anfragebeschluss des 3. Strafsenats vom 3. September 2015 – 3 StR 236/15 ECLI:DE:BGH

Bundesgerichtshof Beschluss, 31. Mai 2016 - 2 ARs 403/15

bei uns veröffentlicht am 31.05.2016

BUNDESGERICHTSHOF BESCHLUSS 2 ARs 403/15 vom 31. Mai 2016 in der Strafsache gegen wegen Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge u.a. hier: Antwort auf den Anfragebeschluss des 3. Strafsenats vom 3. September 2015 - 3 StR 236/1

BGH 5 ARs 60/15

bei uns veröffentlicht am 02.03.2016

Tenor Der beabsichtigten Entscheidung des 3. Strafsenats steht Rechtsprechung des 5. Strafsenats nicht entgegen. An eventuell früher abweichender Rechtsprechung hält der Senat au

Referenzen

(1) Erachtet das Revisionsgericht die Vorschriften über die Einlegung der Revision oder die über die Anbringung der Revisionsanträge nicht für beobachtet, so kann es das Rechtsmittel durch Beschluß als unzulässig verwerfen.

(2) Das Revisionsgericht kann auf einen Antrag der Staatsanwaltschaft, der zu begründen ist, auch dann durch Beschluß entscheiden, wenn es die Revision einstimmig für offensichtlich unbegründet erachtet.

(3) Die Staatsanwaltschaft teilt den Antrag nach Absatz 2 mit den Gründen dem Beschwerdeführer mit. Der Beschwerdeführer kann binnen zwei Wochen eine schriftliche Gegenerklärung beim Revisionsgericht einreichen.

(4) Erachtet das Revisionsgericht die zugunsten des Angeklagten eingelegte Revision einstimmig für begründet, so kann es das angefochtene Urteil durch Beschluß aufheben.

(5) Wendet das Revisionsgericht Absatz 1, 2 oder 4 nicht an, so entscheidet es über das Rechtsmittel durch Urteil.

Erfolgt zugunsten eines Angeklagten die Aufhebung des Urteils wegen Gesetzesverletzung bei Anwendung des Strafgesetzes und erstreckt sich das Urteil, soweit es aufgehoben wird, noch auf andere Angeklagte, die nicht Revision eingelegt haben, so ist zu erkennen, als ob sie gleichfalls Revision eingelegt hätten. § 47 Abs. 3 gilt entsprechend.

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
3 StR 236/15
vom
3. September 2015
in der Strafsache
gegen
1.
2.
wegen zu 1.: Besitzes von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge u.a.
zu 2.: Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge u.a.
Der 3. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat in der Sitzung vom 3. September
2015, an der teilgenommen haben:
Richter am Bundesgerichtshof
Dr. Schäfer
als Vorsitzender,
die Richter am Bundesgerichtshof
Pfister,
Hubert,
Gericke,
Richterin am Bundesgerichtshof
Dr. Spaniol
als beisitzende Richter,
Oberstaatsanwalt beim Bundesgerichtshof - in der Verhandlung -,
Staatsanwalt - bei der Verkündung -
als Vertreter der Bundesanwaltschaft,
Justizamtsinspektor
als Urkundsbeamter der Geschäftsstelle,

für Recht erkannt:
Auf die Revision der Staatsanwaltschaft wird das Urteil des Landgerichts Stade vom 24. Juli 2014 im Ausspruch über den Verfall mit den zugehörigen Feststellungen aufgehoben.
Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.

Von Rechts wegen

Gründe:

1
Das Landgericht hat den Angeklagten Ö. wegen Besitzes von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in Tateinheit mit Beihilfe zum Handeltreiben mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge, wegen gewerbsmäßigen Einschleusens von Ausländern in zwei Fällen und wegen versuchten gewerbsmäßigen Einschleusens von Ausländern zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von drei Jahren und sieben Monaten verurteilt. Den Angeklagten A. hat es wegen Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in sieben Fällen, wegen gewerbsmäßigen Einschleusens von Ausländern in drei Fällen und wegen versuchten gewerbsmäßigen Einschleusens von Ausländern zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von fünf Jahren und sieben Monaten verurteilt. Es hat außerdem eine Verfalls- und eine Einziehungsentscheidung getroffen. Die zum Nachteil der Angeklagten eingelegte, zulässig beschränkte Revision der Staatsanwaltschaft wendet sich lediglich gegen die Verfallsentscheidung. Das Rechtsmittel hat Erfolg.
2
Das Landgericht hat in der Urteilsformel lediglich festgestellt, dass der Angeklagte A. aus den Taten insgesamt 25.900 € sowie der Angeklagte Ö. insgesamt 3.450 € erlangt haben und "dass Ansprüche Verletzter einer Verfallsanordnung - einschließlich Verfall von Wertersatz oder erweitertem Verfall - nicht entgegenstehen". Den Urteilsgründen (UA S. 46 f.) ist sodann zu entnehmen, dass es gemeint hat, damit hinsichtlich dieser Beträge den Verfall bzw. den Verfall von Wertersatz angeordnet zu haben.
3
Die Entscheidung bezüglich des Verfalls hält rechtlicher Nachprüfung nicht stand. Es fehlt an einer vollstreckbaren, in die Entscheidungsformel aufzunehmenden Anordnung (vgl. Meyer-Goßner/Schmitt, StPO, 58. Aufl., § 260 Rn. 39).
4
Der Senat kann die Anordnung nicht nachholen, weil die bisherigen Urteilsgründe einen solchen Ausspruch nicht zu tragen vermögen. Wie der Generalbundesanwalt in seiner Zuschrift im Einzelnen zutreffend dargelegt hat, fehlt es hinsichtlich der Fälle 9 und 11 der Anklage an Feststellungen dazu, dass die Angeklagten den vereinbarten Schleuserlohn auch erlangten. Dies hätte hier angesichts der Aufgriffe der geschleusten Personen durch die Polizei ausdrücklicher Darlegung bedurft. Zudem fehlt die nach § 73c Abs. 1 Satz 2 StGB vorrangig zu treffende Feststellung, ob der Wert des Erlangten noch im Vermögen der Angeklagten vorhanden ist (zur Prüfungsreihenfolge vgl. BGH, Urteil vom 26. März 2009 - 3 StR 579/08, BGHR StGB § 73c Härte 14 mwN; Beschluss vom 20. August 2013 - 3 StR 128/13, NStZ-RR 2013, 340 mwN).
Gleiches gilt für die Grundlagen, aufgrund derer das Landgericht den Wert des vom Angeklagten Ö. für die Tat zu Fall 13 der Anklage Erlangten geschätzt hat.
5
Über die Anordnung des Verfalls muss deshalb erneut verhandelt und entschieden werden. Im Hinblick auf die Darlegungen zu § 73d StGB im angefochtenen Urteil bemerkt der Senat ergänzend, dass es bislang an tatsächlichen Darlegungen fehlt, die die Anordnung des erweiterten Verfalls rechtfertigen könnten.
Schäfer Pfister RiBGH Hubert befindet sich im Urlaub und ist deshalb gehindert zu unterschreiben. Schäfer Gericke Spaniol

Tenor

Der beabsichtigten Entscheidung des 3. Strafsenats steht Rechtsprechung des 5. Strafsenats nicht entgegen. An eventuell früher abweichender Rechtsprechung hält der Senat aus den Gründen des Anfragebeschlusses nicht fest.

Sander                  Schneider                        König

                 Berger                          Feilcke

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
2 ARs 403/15
vom
31. Mai 2016
in der Strafsache
gegen
wegen Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge u.a.
hier: Antwort auf den Anfragebeschluss des 3. Strafsenats vom 3. September 2015
- 3 StR 236/15
ECLI:DE:BGH:2016:310516B2ARS403.15.0

Der 2. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat am 31. Mai 2016 gemäߧ 132 Abs. 3 Satz 1 GVG beschlossen:
Die beabsichtigte Entscheidung des 3. Strafsenats widerspricht der Rechtsprechung des 2. Strafsenats, der an dieser festhält.

Gründe:

1
1. Der 3. Strafsenat des Bundesgerichtshofs beabsichtigt zu entscheiden :
2
"Weder das sowohl dem Transport des Kaufgeldes für die erste als auch der Übernahme der weiteren Betäubungsmittelmenge dienende Aufsuchen des Lieferanten noch die Bezahlung einer zuvor auf 'Kommission' erhaltenen Betäubungsmittelmenge bei Gelegenheit der Übernahme einer weiteren Betäubungsmittelmenge verbindet die beiden Umsatzgeschäfte zu einer einheitlichen Tat im materiellrechtlichen Sinn."
3
Er hat daher mit Beschluss vom 3. September 2015 (3 StR 236/15) bei den anderen Strafsenaten angefragt, ob an (ggf.) entgegenstehender Rechtsprechung festgehalten wird.
4
2. Der beabsichtigten Entscheidung des 3. Strafsenats steht Rechtsprechung des 2. Strafsenats entgegen (Beschlüsse vom 23. Juni 1993 - 2 StR 47/93, BGHR BtMG § 29 Abs. 1 Nr. 3 Konkurrenzen 5, vom 22. Januar 2010 - 2 StR 563/09, NStZ 2011, 97 und vom 9. Dezember 2014 - 2 StR 381/14; of- fen gelassen im Beschluss vom 24. Oktober 2013 - 2 ARs 319/13, NStZ-RR 2014, 81).
5
3. Der Senat hält an dieser Rechtsprechung fest.
6
Die Annahme von Tateinheit bei mehreren Betäubungsmittelgeschäften, bei denen die Bezahlung einer zuvor erhaltenen Betäubungsmittelmenge durch den Täter bei Gelegenheit der Übernahme einer weiteren Betäubungsmittelmenge erfolgt, beruht auf der weiten Auslegung des Begriffs des Handeltreibens (vgl. BGH, Beschluss vom 26. Oktober 2005 - GSSt 1/05, BGHSt 50, 252). Danach erfüllen grundsätzlich alle Handlungen von der Anbahnung des Geschäfts bis zu dessen finanzieller Abwicklung das Tatbestandsmerkmal des Handeltreibens (vgl. BGH, Urteil vom 17. Juli 1997 - 1 StR 791/96, BGHSt 43, 158, 161 f.; Urteil vom 7. Februar 2008 - 5 StR 242/07, NStZ 2008, 465). Infolgedessen geht auch der 3. Strafsenat davon aus, dass das Aufsuchen des Lieferanten gleichermaßen beiden Taten des unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln dient und die Tathandlungen sich daher teilweise überschneiden. Dies entspricht der bisherigen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs, die daran anknüpfend eine tateinheitliche Verwirklichung der Tatbegehungen aufgrund der teilweisen Identität der Ausführungshandlungen annimmt (vgl. Senatsbeschluss vom 9. Dezember 2014 - 2 StR 381/14; BGH, Beschluss vom 31. Juli 2013 - 4 StR 223/13, NStZ-RR 2014, 144, 145; Urteil vom 25. April 2013 - 4 StR 418/12, NStZ 2014, 162).
7
Soweit der 3. Strafsenat seine hiervon abweichende Rechtsansicht und die Annahme rechtlich selbständiger Tatbegehungen auf die Erwägung stützt, der Tatbestand des unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln sei bereits mit der Einigung zwischen dem Täter und dem Lieferanten vollendet und die Fahrt zum Lieferanten weise keinen wesentlichen eigenen Unrechts- und Schuldgehalt auf, erscheint diese Begründung nicht geeignet, die Annahme mehrerer selbständiger Taten zu rechtfertigen. Nach Ansicht des Senats kommt es für die rechtliche Beurteilung des Konkurrenzverhältnisses auf das Gewicht und den Unwertgehalt der jeweiligen Tathandlungen nicht an. Zwar genügt die bloße Gleichzeitigkeit von Geschehensabläufen nicht, um eine tateinheitliche Begehung an sich selbständiger Taten zu begründen (st. Rspr.; vgl. BGH, Beschluss vom 11. Februar 2014 - 4 StR 437/13; Senatsurteil vom 5. Dezember 2012 - 2 StR 117/12, wistra 2013, 310, 311), weshalb - je nach sorgfältig zu prüfender Fallgestaltung - in der Entgegennahme weiterer Betäubungsmittel bei Bezahlung zuvor gelieferter Betäubungsmittel Tateinheit (Senat, Beschlüsse vom 22. Januar 2010 - 2 StR 563/09, NStZ 2011, 97 und vom 9. Dezember 2014 - 2 StR 381/14), aber auch Tatmehrheit gegeben sein kann (vgl. Senat, Urteil vom 11. Juli 2012 - 2 StR 572/11). Bei einer Teilidentität der Ausführungshandlungen steht indes bereits der insoweit eindeutige Wortlaut des § 52 Abs. 1 StGB der Annahme von Tatmehrheit entgegen. Danach ist von einer tateinheitlichen Tatbegehung auszugehen, wenn - wie hier - dieselbe Handlung dasselbe Strafgesetz mehrmals verletzt. Eine Einschränkung auf Tathandlungen (des Handeltreibens), die einen nicht unerheblichen eigenen Unrechts- und Schuldgehalt aufweisen und dadurch deren Unwert und die jeweilige Schuld des Täters zumindest mitprägen, ist dem Gesetz nicht zu entnehmen. Fischer Krehl Eschelbach Zeng Bartel

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
4 ARs 21/15
vom
1. September 2016
in der Strafsache
gegen
wegen Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge
hier: Anfragebeschluss des 3. Strafsenats vom 3. September 2015
– 3 StR 236/15
ECLI:DE:BGH:2016:010916B4ARS21.15.0

Der 4. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat am 1. September 2016 gemäß § 132 Abs. 3 Satz 1 GVG beschlossen:
Die beabsichtigte Entscheidung des 3. Strafsenats widerspricht der Rechtsprechung des 4. Strafsenats, der an dieser festhält.

Gründe:


1
1. Der 3. Strafsenat des Bundesgerichtshofs beabsichtigt zu entscheiden :
2
„Weder das sowohl dem Transport des Kaufgeldes für die erste als auch der Übernahme der weiteren Betäubungsmittelmenge dienende Aufsuchen des Lieferanten noch die Bezahlung einer zuvor auf ‚Kommission‘ erhaltenen Be- täubungsmittelmenge bei Gelegenheit der Übernahme einer weiteren Betäubungsmittelmenge verbindet die beiden Umsatzgeschäfte zu einer einheitlichen Tat im materiellrechtlichen Sinn.“
3
Er hat daher mit Beschluss vom 3. September 2015 (3 StR 236/15) bei den anderen Strafsenaten angefragt, ob an (ggf.) entgegenstehender Rechtsprechung festgehalten wird.
4
2. Der beabsichtigten Entscheidung des 3. Strafsenats steht Rechtsprechung des 4. Strafsenats entgegen (Urteil vom 25. April 2013 – 4 StR 418/12, BGHR BtMG § 29 Abs. 1 Nr. 1 Konkurrenzen 14; Beschlüsse vom 2. Juli 2014 – 4 StR 188/14, vom 13. Januar 2016 – 4 StR 322/15, NStZ 2016, 420 und vom 13. September 2016 – 4 StR 304/16).
5
3. Der Senat hält an dieser Rechtsprechung fest.
6
Zur Begründung nimmt der Senat auf seinen Vorlegungsbeschluss vom 22. Mai 2014 – 4 StR 223/13 – Bezug und bemerkt ergänzend:
7
Ausgangspunkt der konkurrenzrechtlichen Bewertung beim Vorliegen mehrerer Betäubungsmittelgeschäfte ist die vom Bundesgerichtshof seit dem Beschluss in ständiger Rechtsprechung vorgenommene weite Auslegung des Begriffs des Handeltreibens im Sinne von § 29 BtMG (vgl. BGH, Beschluss vom 26. Oktober 2005 – GSSt 1/05, BGHSt 50, 252 ff.). Da danach regelmäßig alle Handlungen von der Anbahnung des Rauschgiftgeschäfts bis zu dessen finanzieller Abwicklung dem Tatbestandsmerkmal des Handeltreibens unterfallen, ergibt sich daraus auch die Annahme von Tateinheit bei mehreren Betäubungsmittelgeschäften , bei denen, wie im Fall des anfragenden Senats, die Fahrt zum Betäubungsmittellieferanten sowohl der Bezahlung einer zuvor erhaltenen Betäubungsmittelmenge durch den Täter als auch der Abholung der bereits bestellten weiteren Betäubungsmittelmenge dient. Aufgrund der teilweisen Identität der Ausführungshandlungen nimmt die bisherige Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs daran anknüpfend eine tateinheitliche Verwirklichung der Tatbegehungen an (vgl. Senatsurteil und Senatsbeschlüsse jeweils aaO; vgl. auch BGH, Beschluss vom 9. Dezember 2014 – 2 StR 381/14).
8
Entgegen der Ansicht des 3. Strafsenats kann es für die rechtliche Beurteilung des Konkurrenzverhältnisses, wie auch der 2. Strafsenat in seiner Antwort auf die Anfrage des 3. Strafsenats zutreffend ausgeführt hat (Beschluss vom 31. Mai 2016 – 2 ARs 403/15), auf das Gewicht und den Unwertgehalt der sich überschneidenden Tathandlungen nicht ankommen. Die vom anfragenden Senat zu beurteilende Fallkonstellation ist auf Grund des weiten Begriffs des Handeltreibens im Betäubungsmittelrecht durch eine Teilidentität der Ausführungshandlungen charakterisiert, die über eine bloße Gleichzeitigkeit der Geschehensabläufe hinausgeht, weshalb der eindeutige Wortlaut von § 52 Abs. 1 StGB hier der Annahme von Tatmehrheit entgegensteht.
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RiBGH Dr. Mutzbauer ist urlaubsbedingt abwesend und deshalb gehindert zu unterschreiben. Sost-Scheible Quentin