Bundesgerichtshof Beschluss, 19. Aug. 2014 - 3 StR 326/14

bei uns veröffentlicht am19.08.2014

Gericht

Bundesgerichtshof


Der Bundesgerichtshof (BGH) ist das höchste Gericht der ordentlichen Gerichtsbarkeit in Deutschland.  Der BGH besteht aus 16 Senaten, die jeweils von einem Vorsitzenden und mehreren anderen Richtern geleitet werden. Die Zusammensetzung der Senate

Richter

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
3 S t R 3 2 6 / 1 4
vom
19. August 2014
in der Strafsache
gegen
1.
2.
wegen Betruges u.a.
Der 3. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat auf Antrag des Generalbundesanwalts
und nach Anhörung der Beschwerdeführer am 19. August 2014 gemäß
§ 349 Abs. 4 StPO einstimmig beschlossen:
Auf die Revisionen der Angeklagten wird, soweit diese verurteilt worden sind, das Urteil des Landgerichts Kleve, auswärtige Strafkammer in Moers, vom 26. Februar 2014 mit den Feststellungen aufgehoben. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Rechtsmittel, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.

Gründe:

1
Das Landgericht hat die Angeklagten unter Freispruch im Übrigen schuldig gesprochen, des Betruges in Tateinheit mit Urkundenfälschung und mit Unterschlagung (E. in 52 Fällen, O. in 45 Fällen) sowie des Betruges in Tateinheit mit Urkundenfälschung (E. in sechs Fällen, O. in sieben Fällen ), den Angeklagten E. darüber hinaus des Betruges in zwei Fällen. Den Angeklagten E. hat es deswegen zu der Gesamtfreiheitsstrafe von drei Jahren verurteilt, gegen den Angeklagten O. hat es unter Einbeziehung der Strafen aus einer Vorverurteilung eine solche von vier Jahren ausgesprochen. Die Revisionen der Angeklagten haben mit den erhobenen Sachrügen Erfolg; auf die Verfahrensrügen des Angeklagten E. kommt es danach nicht mehr an.
2
1. Der Angeklagte O. beabsichtigte, sich durch den Abschluss von Mobilfunkverträgen unter falscher Identität und anschließender Veräußerung der so erlangten Geräte auf eigene Rechnung eine dauerhafte Einnahmequelle zu erschließen. Zur Herstellung der vom Betreiber geforderten Identitäts- und Bonitätsnachweise wollte er sich einer im Umlauf befindlichen Software bedienen , die nach Eingabe beliebiger Personendaten und Lichtbilder Ausdrucke im Erscheinungsbild von Kopien entsprechender Personalpapiere und Bankkarten ermöglicht. Zunächst zur Erprobung ließ er durch Mittelsmänner mehrere solcher Anträge bei der Filiale eines Unternehmens einreichen, das sich mit der Vermittlung von Mobilfunkverträgen gegen vom Betreiber zu entrichtende Provisionen befasste. Sowohl die dort tätige Filialleiterin, die frühere Mitangeklagte T. , als auch der in der Filiale beschäftigte Angeklagte E. , ein Freund des Angeklagten O. , durchschauten indes den Plan. Beide entschlossen sich zur Zusammenarbeit mit dem Angeklagten O. in der Absicht, auf diese Weise die erfolgreiche Vermittlung von Mobilfunkverträgen vorzutäuschen, die Mitangeklagte, um sich ihrer Arbeitgeberin als fähige Filialleiterin zu empfehlen, der Angeklagte E. , weil das Unternehmen die vom Betreiber bezahlten Provisionen zu einem bestimmten Anteil an die Mitarbeiter weitergab.
3
"Mit Hilfe von E. und - gelegentlich - T. " stellte der Angeklagte O. in der Folge in insgesamt 49 Fällen wie beschrieben unter Verwendung fiktiver Personalien schriftliche Anträge an einen Mobilfunkbetreiber auf Abschluss entsprechender Verträge (mehrere Anträge an demselben Tag und unter denselben Personalien hat das Landgericht zu einer Tat zusammengefasst ). Im Sinne einer zusätzlichen "Belohnung" der Genannten für ihre Mitwir- kung zielten diese nicht nur auf die Überlassung von Geräten ab, sondern hatten auch Leistungen anderer Art zum Gegenstand. 43 dieser Fälle betrafen (auch) den Kauf von Mobiltelefonen, die der Angeklagte O. jeweils vom Angeklagten E. oder von der Mitangeklagten erhielt und sodann auf eigene Rechnung verwertete.
4
Die frühere Mitangeklagte beendete schließlich ihre Tätigkeit in der Filiale , wonach der Angeklagte O. mit Hilfe des Angeklagten E. noch in drei weiteren Fällen entsprechende Anträge an den Betreiber stellte, bevor er sich seinerseits zum Aufhören entschloss. Zwei dieser Fälle betrafen den Kauf von Geräten, die der Angeklagte E. jeweils dem Angeklagten O. aushändigte.
5
In der Folge beschaffte sich der Angeklagte E. die erforderliche Software und fingierte nun selbst schriftliche Anträge an den Betreiber. Es kam insgesamt zu acht solcher Fälle "jeweils mit Ausgabe von Handys". In zwei dieser Fälle war der Antrag nicht unterschrieben.
6
2. Die Schuldsprüche haben keinen Bestand.
7
a) Das Landgericht hat den Angeklagten E. auch in den Fällen als Mittäter (§ 25 Abs. 2 StGB) angesehen, in denen der Angeklagte O. die Anträge im Zusammenwirken mit der früheren Mitangeklagten eingereicht hatte. Dies hält rechtlicher Überprüfung nicht stand. Zwar erfordert die Annahme von Mittäterschaft nicht zwingend eine Mitwirkung am Kerngeschehen der Tat; vielmehr kann für eine Tatbeteiligung als Mittäter auch ein auf der Grundlage gemeinsamen Wollens die Tatbestandsverwirklichung fördernder Beitrag ausreichen , der sich auf eine Vorbereitungs- oder Unterstützungshandlung be- schränkt (st. Rspr.; vgl. BGH, Beschluss vom 2. Juli 2008 - 1 StR 174/08, NStZ 2009, 25, 26). Auch einen das tatbestandliche Handeln (allein) der früheren Mitangeklagten und des Angeklagten O. in diesem Sinne wenigstens fördernden Tatbeitrag des Angeklagten E. hat das Landgericht indes nicht festgestellt. Ein solcher kann insbesondere nicht schon aus dem Umstand abgeleitet werden, dass der Angeklagte E. in den gemeinsam gefassten, auf die Begehung zwar gleichartiger, im Einzelnen aber noch unbestimmter Taten gerichteten Tatplan eingebunden war. Entgegen der Auffassung des Generalbundesanwalts stellt sich deshalb nicht nur die Frage der konkurrenzrechtlichen Behandlung eines einheitlichen, mehrere Einzeltaten eines Mittäters fördernden Tatbeitrags.
8
In welchen oder zumindest in wie vielen Fällen der Angeklagte O. allein mit der früheren Mitangeklagten zusammenwirkte, ist den Feststellungen nicht zu entnehmen. Soweit der Angeklagte E. wegen der 49 auf den ersten Tatabschnitt entfallenden Taten verurteilt worden ist, unterliegt das Urteil deshalb insgesamt der Aufhebung.
9
b) Aufzuheben ist das Urteil auch, soweit das Landgericht die Angeklagten wegen Betruges in Tateinheit mit Urkundenfälschung und mit Unterschlagung verurteilt hat, denn das Landgericht hat, was die Unterschlagung betrifft, bereits die Subsidiaritätsklausel des § 246 Abs. 1 StGB übersehen. Eine entsprechende Abänderung der Schuldsprüche ist dem Senat verwehrt, denn zu der naheliegenden Frage, ob die Herausgabe der Geräte durch die frühere Mitangeklagte bzw. den Angeklagten E. statt dessen als Untreue (und das Verhalten des Angeklagte O. als Beihilfe hierzu) zu bewerten ist, verhält sich das Urteil nicht. Der neue Tatrichter wird insoweit Ermittlungen zur jeweiligen Pflichtenstellung nachzuholen haben.

10
c) Der Senat verkennt nicht, dass die dargelegten Rechtsfehler bei beiden Angeklagten die Schuldsprüche hinsichtlich einiger (weniger) Einzeltaten unberührt lassen; die Auffassung des Generalbundesanwalts, dass das Landgericht darüber hinaus die Zusammenfassung aller an demselben Tage gestellten Anträge zu einer Tat auch insoweit hätte prüfen müssen, als ihnen unterschiedliche fiktive Personalien zu Grunde lagen, teilt der Senat nicht. Gleichwohl hebt er das Urteil insgesamt auf, um dem neuen Tatrichter Gelegenheit zu umfassenden neuen Feststellungen zu geben.
Becker Pfister RiBGH Hubert befindet sich im Urlaub und ist daher gehindert zu unterschreiben. Becker Mayer Ri'inBGH Dr. Spaniol befindet sich im Urlaub und ist daher gehindert zu unterschreiben. Becker

Urteilsbesprechung zu Bundesgerichtshof Beschluss, 19. Aug. 2014 - 3 StR 326/14

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Referenzen - Gesetze

Strafprozeßordnung - StPO | § 349 Entscheidung ohne Hauptverhandlung durch Beschluss


(1) Erachtet das Revisionsgericht die Vorschriften über die Einlegung der Revision oder die über die Anbringung der Revisionsanträge nicht für beobachtet, so kann es das Rechtsmittel durch Beschluß als unzulässig verwerfen. (2) Das Revisionsgeric

Strafgesetzbuch - StGB | § 25 Täterschaft


(1) Als Täter wird bestraft, wer die Straftat selbst oder durch einen anderen begeht. (2) Begehen mehrere die Straftat gemeinschaftlich, so wird jeder als Täter bestraft (Mittäter).

Strafgesetzbuch - StGB | § 246 Unterschlagung


(1) Wer eine fremde bewegliche Sache sich oder einem Dritten rechtswidrig zueignet, wird mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder mit Geldstrafe bestraft, wenn die Tat nicht in anderen Vorschriften mit schwererer Strafe bedroht ist. (2) Ist in
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(1) Erachtet das Revisionsgericht die Vorschriften über die Einlegung der Revision oder die über die Anbringung der Revisionsanträge nicht für beobachtet, so kann es das Rechtsmittel durch Beschluß als unzulässig verwerfen. (2) Das Revisionsgeric

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(1) Als Täter wird bestraft, wer die Straftat selbst oder durch einen anderen begeht. (2) Begehen mehrere die Straftat gemeinschaftlich, so wird jeder als Täter bestraft (Mittäter).

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(1) Erachtet das Revisionsgericht die Vorschriften über die Einlegung der Revision oder die über die Anbringung der Revisionsanträge nicht für beobachtet, so kann es das Rechtsmittel durch Beschluß als unzulässig verwerfen.

(2) Das Revisionsgericht kann auf einen Antrag der Staatsanwaltschaft, der zu begründen ist, auch dann durch Beschluß entscheiden, wenn es die Revision einstimmig für offensichtlich unbegründet erachtet.

(3) Die Staatsanwaltschaft teilt den Antrag nach Absatz 2 mit den Gründen dem Beschwerdeführer mit. Der Beschwerdeführer kann binnen zwei Wochen eine schriftliche Gegenerklärung beim Revisionsgericht einreichen.

(4) Erachtet das Revisionsgericht die zugunsten des Angeklagten eingelegte Revision einstimmig für begründet, so kann es das angefochtene Urteil durch Beschluß aufheben.

(5) Wendet das Revisionsgericht Absatz 1, 2 oder 4 nicht an, so entscheidet es über das Rechtsmittel durch Urteil.

(1) Als Täter wird bestraft, wer die Straftat selbst oder durch einen anderen begeht.

(2) Begehen mehrere die Straftat gemeinschaftlich, so wird jeder als Täter bestraft (Mittäter).

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
1 StR 174/08
vom
2. Juli 2008
in der Strafsache
gegen
wegen schweren Raubes u. a.
Der 1. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat am 2. Juli 2008 beschlossen:
1. Auf die Revision des Angeklagten I. wird das Urteil des Landgerichts Tübingen vom 25. Oktober 2007, soweit es ihn betrifft,
a) im Schuldspruch dahin geändert, dass er im Fall B (Überfall auf den Penny-Markt am 31. Januar 2007) der Verabredung einer schweren räuberischen Erpressung schuldig ist,
b) im Ausspruch über die Einzelstrafe zu Fall B sowie im Gesamtstrafenausspruch aufgehoben. 2. Die weitergehende Revision dieses Angeklagten wird verworfen. 3. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels , an eine allgemeine Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.

Gründe:

1
Das Landgericht hat den Angeklagten I. wegen schweren Raubes (Fall
A) und Anstiftung zur schweren räuberischen Erpressung (Fall B) zur Gesamtfreiheitsstrafe von vier Jahren und sechs Monaten verurteilt. Seine auf die Sachrüge gestützte Revision hat hinsichtlich Fall B im Umfang des Beschlusstenors Erfolg (§ 349 Abs. 4 StPO). Im Übrigen hat die Nachprüfung des Urteils keinen Rechtsfehler zu seinem Nachteil ergeben (§ 349 Abs. 2 StPO).

I.

2
1. Folgendes ist - soweit im Rahmen der Revision von Bedeutung - zu Fall B festgestellt:
3
Gegen Ende 2006 war Gesprächsthema zumindest zwischen dem Angeklagten I. sowie den Mitangeklagten K. . und Z. , Raubüberfälle in A. zu begehen. Es entwickelte sich die Idee, den Marktleiter des dortigen Penny-Markts zu überfallen, um die Einnahmen vorausgegangener Tage zu entwenden. Die Tat sollte an einem der Warenanlieferungstage in den frühen Morgenstunden vor Öffnung des Markts begangen werden, weil der Marktleiter zu diesen Zeiten allein im Markt war, um einen Diebstahl der angelieferten Waren zu verhindern. Der Angeklagte I. sowie die Mitangeklagten K. und Z. brachten in Erfahrung, dass die Tageseinnahmen nicht an jedem Tag von einem Geldtransportunternehmen abgeholt wurden. Nachdem sie noch den Mitangeklagten W. gewonnen und mit diesem zunächst einen Raubüberfall auf einen Tankstellenbetreiber in A. (Fall A) begangen hatten, kamen sie überein, dass der Überfall auf den Marktleiter am 29. Januar 2007 - unter Beteiligung und "Regie" des Angeklagten I. - stattfinden solle.
4
Die vier Angeklagten trafen sich am 29. Januar 2007 zur Tatausführung, verschätzten sich jedoch in der Zeit und fuhren unverrichteter Dinge wieder nach Hause. Der Angeklagte I. war an den darauf folgenden Tagen verhindert, weil er an seiner Arbeitsstelle Frühschicht hatte. Die Mitangeklagten beschlossen , den Plan in Unkenntnis des Angeklagten I. zu nutzen und nur die Rollen neu zu verteilen. Der Mitangeklagte K. übernahm dessen Tatbeitrag (Steuerung des Fluchtfahrzeugs), und als vierten (Ersatz-)Mann gewannen sie den Mitangeklagten H. . Zunächst war der Angeklagte I. "planender Kopf" der Gruppe gewesen; auch diese Rolle wurde nunmehr vom Mitangeklagten K. übernommen. Noch bestand zwischen den Mitangeklagten K. , Z. , W. und H. Einigkeit, dass der Angeklagte I. an der Tatbeute beteiligt werden solle.
5
Am frühen Morgen des 31. Januar 2007 besprachen die Mitangeklagten im Fluchtfahrzeug, wie der Überfall konkret ablaufen solle. Anschließend führten sie die Tat aus, indem sie den Marktleiter im Marktinneren überwältigten und mit einer ungeladenen Schreckschusspistole zur Öffnung des Tresors und zur Übergabe des vorrätigen Wechselgeldes (insgesamt 1.529,50 €) zwangen. Auf Betreiben des Mitangeklagten H. nahmen sie anschließend davon Abstand, den Angeklagten I. an der Tatbeute zu beteiligen. Dieser erfuhr jedoch aus der Zeitung von dem Überfall, stellte den Mitangeklagten Z. zur Rede, verlangte seinen Beuteanteil und ohrfeigte ihn, woraufhin dieser dem Angeklagten I. 300,- € übergab.
6
2. Die Kammer hat die Beteiligung des Angeklagten I. als Anstiftung zur - von den Mitangeklagten mittäterschaftlich begangenen - schweren räuberischen Erpressung gewertet. Insoweit ist im Urteil - lediglich - ausgeführt, der Angeklagte I. habe "keine konkrete Tatherrschaft, aber ein eigenes Tatinteresse bei dem Überfall" gehabt.
7
Die Revision macht geltend, dass eine Anstiftung ausscheide, weil die Angeklagten den Tatentschluss gemeinsam gefasst hätten und nicht vom Angeklagten I. hierzu bestimmt worden seien. Sie meint, bei ihm läge vielmehr Beihilfe vor, und begehrt eine entsprechende Abänderung des Schuldspruchs.

II.


8
Die Revision des Angeklagten I. hat teilweise Erfolg, weil er sich nicht wegen Anstiftung zur, sondern wegen Verabredung einer schweren räuberischen Erpressung nach § 253 Abs. 1, 2, §§ 255, 250 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. b, § 30 Abs. 2 StGB strafbar gemacht hat.
9
Entgegen der Bewertung durch das Landgericht liegt Anstiftung schon deswegen nicht vor, weil der Angeklagte I. die Mitangeklagten nicht zu der schweren räuberischen Erpressung im Sinne von § 26 StGB "bestimmt" hat (nachfolgend 1). Im Übrigen scheidet auch eine Beteiligung als Mittäter - ebenso wie eine solche als Gehilfe - aus; denn nach der Vorstellung des Angeklagten I. begingen die Mitangeklagten nicht die Tat gemäß dem gemeinsamen Tatplan, sondern eine andere Tat (nachfolgend 2).
10
1. Nach den Urteilsfeststellungen war der Angeklagte I. nicht Anstifter. Feststellungen, die die Annahme tragen, er habe den Tatentschluss bei den Mitangeklagten erst hervorgerufen, sind nicht getroffen worden. Vielmehr entwickelten die Angeklagten die Idee eines Raubüberfalls auf den Marktleiter des Penny-Markts gemeinsam. Die Informationen für den Tatplan stammten nicht allein vom Angeklagten I. , sondern auch von Mitangeklagten, so etwa, was das Wissen um das Abholen der Tageseinnahmen bei dem Supermarkt durch ein Geldtransportunternehmen anbelangt. Den Entschluss zur Tatausführung am 29. Januar 2007, die noch im Vorbereitungsstadium abgebrochen wurde, fassten die Angeklagten ebenfalls gemeinsam.
11
Der Angeklagte I. zeigte zwar im Vorbereitungsstadium die höchste Planungskompetenz in der Tätergruppe und war dementsprechend "zunächst" deren "planender Kopf" (UA S. 29). Aus den Urteilsgründen ergibt sich allerdings , dass die Planung einzelne Modalitäten der Verwirklichung eines dem Grunde nach feststehenden Tatentschlusses betraf. Dem entspricht es, dass die Mitangeklagten nach dem 29. Januar 2007 "beschlossen, I. s fortbestehenden und von diesem nicht zurückgenommenen Plan für den Überfall zu nutzen und nur die Rollen neu zu verteilen" (UA S. 18), wobei auch die Rolle des "planenden Kopfes" vom Mitangeklagten K. übernommen wurde (UA S. 29). Dementsprechend wurden im Fluchtfahrzeug in Abwesenheit des Angeklagten I. einzelne Modalitäten der Tatausführung weiter präzisiert, indem der konkrete Ablauf des Überfalls besprochen wurde.
12
2. Wie der Generalbundesanwalt in seiner Antragsschrift im Ansatz zutreffend ausgeführt hat, wäre eine Tatbeteiligung des Angeklagten I. im Grundsatz als Mittäterschaft nach § 25 Abs. 2 StGB zu qualifizieren (nachfolgend a). Allerdings begingen die Mitangeklagten, indem sie sich einseitig von dem gemeinschaftlich gefassten Tatentschluss lösten und den Marktleiter ohne Wissen und Wollen des Angeklagten I. überfielen, nicht die mittäterschaftlich geplante Tat, vielmehr eine andere Tat (nachfolgend b).
13
a) Wäre die Tat gemäß dem gemeinsamen Tatplan ausgeführt worden, wäre der Angeklagte I. daran als Mittäter beteiligt gewesen, selbst wenn von Vornherein nicht geplant gewesen wäre, dass er im Ausführungsstadium mitwirken sollte. Insoweit gilt: Ob ein Tatbeteiligter eine Tat als Täter begeht, ist in wertender Betrachtung nach den gesamten Umständen, die von seiner Vorstellung umfasst sind, zu beurteilen. Wesentliche Anhaltspunkte können sein der Grad des eigenen Interesses am Erfolg der Tat, der Umfang der Tatbeteiligung, die Tatherrschaft oder wenigstens der Wille zur Tatherrschaft, so dass Durchführung und Ausgang der Tat maßgeblich auch vom Willen des Betreffenden abhängen. Die Annahme von Mittäterschaft erfordert nicht zwingend auch eine Mitwirkung am Kerngeschehen. Für eine Tatbeteiligung als Mittäter reicht ein auf der Grundlage gemeinsamen Wollens die Tatbestandsverwirklichung fördernder Beitrag aus, der sich auf eine Vorbereitungs- oder Unterstützungshand- lung beschränken kann (st. Rspr.; vgl. nur BGH NStZ 2003, 253, 254; NStZ-RR 2002, 74, 75 m.w.N.).
14
b) Mittäterschaft scheidet hier freilich aus, da die ausgeführte Tat wesentlich ebenso von der Vorstellung des Angeklagten I. wie vom gemeinsamen Tatplan abweicht: Die Tat wurde absprachewidrig zu einem anderen Zeitpunkt in anderer Besetzung mit anderer Rollenverteilung der Ausführenden begangen. Darüber hinaus hatte der Angeklagte I. weder Kenntnis von der Tatbegehung noch rechnete er auch nur damit; er ging vielmehr davon aus, dass sein Tatbeitrag noch nicht ausreiche und der Tatplan nicht ohne weitere Mitwirkungshandlungen seinerseits verwirklicht werde (vgl. auch Eser in Schönke/Schröder, StGB 27. Aufl. § 24 Rdn. 82; Vogler in LK 11. Aufl. § 24 Rdn. 164). Er hatte die Tatausführung noch nicht aus den Händen gegeben. Die konkrete Tat entsprach auch nicht dem Willen des Angeklagten I. . Vielmehr wollte er auch im Ausführungsstadium mitwirken. Dementsprechend stellte er, als "er aus der Zeitung erfahren hatte, dass 'sein' Überfall ohne seine Beteiligung ausgeführt worden war, Z. zur Rede … und verlangte seinen Beuteanteil" (UA S. 20).
15
In dem in diesem Sinne definierten fehlenden Wissen und Wollen unterscheiden sich Fälle der vorliegenden Art von verwandten Fallkonstellationen, die der Bundesgerichtshof bereits entschieden und dabei Mittäterschaft - zumindest im Grundsatz - bejaht hat. Das gilt vor allem für Fälle, in denen ein "Hintermann" die Planung einer Tat (mit-)beherrscht, diese aber anschließend aus den Händen gibt und dabei das genaue Vorgehen bei der Tatausführung und den hierfür geeigneten Zeitpunkt dem Ermessen seines Mittäters überlässt (vgl. BGH NStZ 2003, 253, 254; NStZ-RR 2004, 40, 41; ferner Fischer, StGB 55. Aufl. § 25 Rdn. 12a). In derartigen Fällen umfasst der gemeinschaftlich gefasste Tatentschluss das Vorgehen insoweit nur im Allgemeinen und räumt einzelnen Mittätern in der Art der Ausführung Freiheiten ein (vgl. Joecks in MünchKomm-StGB § 25 Rdn. 205 m.w.N.). In der völligen Unkenntnis des Angeklagten I. von der Tatbegehung unterscheidet sich der hiesige Fall aber auch von Fällen, in denen ein Mittäter im Vorbereitungsstadium von der Tatausführung Abstand nimmt, er allerdings - etwa wegen fehlgeschlagener Umstimmungsversuche - weiß oder zumindest damit rechnet, dass andere Mittäter (gegebenenfalls) seinen Tatbeitrag ersetzen und die Tat gleichwohl ohne ihn ausführen (vgl. BGHSt 28, 346; BGH NStZ 1994, 29; 1999, 449).
16
Aus den genannten Gründen kann der Angeklagte I. ebenso wenig als Gehilfe nach § 27 StGB belangt werden.
17
3. Da der Angeklagte I. also weder Täter noch Teilnehmer der ausgeführten - wesentlich anderen - Tat ist, hat er sich hinsichtlich der ursprünglich geplanten Tat wegen Verbrechensverabredung nach § 30 Abs. 2 StGB strafbar gemacht.

III.

18
Der Senat ändert den Schuldspruch im Fall B analog § 354 Abs. 1 StPO dahin, dass der Angeklagte I. der Verabredung einer schweren räuberischen Erpressung schuldig ist. Dass sich dieser bei einem Hinweis auf die Veränderung des rechtlichen Gesichtspunktes wirksamer als geschehen hätte verteidigen können, schließt der Senat aus. Das gilt umso mehr, als die Revision beantragt hat, "den Schuldspruch auf Beihilfe um(zu)stellen", was zu einem identischen Strafrahmen geführt hätte. Des Weiteren schließt der Senat aus, dass die Bemessung der Einzelstrafe für die Tat im Fall A, welche die gesetzliche Mindeststrafe nicht erheblich übersteigt, von dem Wertungsfehler beeinflusst ist. Soweit das Urteil im Strafausspruch aufgehoben wird, können die zugehörigen Feststellungen gleichwohl bestehen bleiben.
19
Da sich das Verfahren nunmehr allein gegen einen Erwachsenen richtet, verweist der Senat die Sache an eine allgemeine Strafkammer. Diese wird bei der Strafzumessung strafschärfend auch die - wenngleich nicht von der Vorstellung des Angeklagten I. umfassten, so doch - vorwerfbaren Folgen der Verbrechensverabredung zu berücksichtigen haben (vgl. auch BGH NStZ-RR 2006, 372 m.w.N.), nämlich die Tatbegehung durch die vier Mitangeklagten. VRiBGH Nack ist urlaubsabwesend und daher an der Unterschrift gehindert Wahl Wahl Kolz Elf Graf

(1) Wer eine fremde bewegliche Sache sich oder einem Dritten rechtswidrig zueignet, wird mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder mit Geldstrafe bestraft, wenn die Tat nicht in anderen Vorschriften mit schwererer Strafe bedroht ist.

(2) Ist in den Fällen des Absatzes 1 die Sache dem Täter anvertraut, so ist die Strafe Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder Geldstrafe.

(3) Der Versuch ist strafbar.