Bundesgerichtshof Beschluss, 08. Feb. 2017 - 3 StR 483/16
Bundesgerichtshof
Richter
BUNDESGERICHTSHOF
Der 3. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat nach Anhörung des Beschwerdeführers und des Generalbundesanwalts - zu 2. auf dessen Antrag - am 8. Februar 2017 gemäß § 349 Abs. 2 und 4 StPO einstimmig beschlossen:
Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels , an eine Strafkammer des Landgerichts Düsseldorf zurückverwiesen.
2. Die weitergehende Revision wird verworfen.
Gründe:
- 1
- Das Landgericht hatte den Angeklagten im ersten Rechtsgang mit Urteil vom 3. September 2015 wegen Beihilfe zum Handeltreiben mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge zu einer Freiheitsstrafe von fünf Jahren und neun Monaten verurteilt. Dieses Urteil hatte der Senat mit Beschluss vom 25. Februar 2016 - unter Verwerfung der weitergehenden Revision - im Strafausspruch mit den Feststellungen aufgehoben und die Sache insoweit zu neuer Verhandlung und Entscheidung an eine andere Strafkammer zurückverwiesen. Das Landgericht hat den Angeklagten nunmehr auf der Grundlage des rechtskräftigen Schuldspruchs zu einer Freiheitsstrafe von fünf Jahren und drei Monaten verurteilt. Dagegen wendet sich der Beschwerdeführer mit seiner auf die Rüge der Verletzung materiellen Rechts gestützten Revision. Das Rechtsmittel hat überwiegend Erfolg.
- 2
- 1. Der Strafausspruch des Landgerichts hält - erneut - revisionsrechtlicher Überprüfung nicht stand.
- 3
- Denn die Strafkammer hat, obwohl dies bereits in dem ersten Urteil vom 3. September 2015 - bindend - festgestellt worden war und sie diese Feststellungen ihrer Entscheidung zu Grunde gelegt hat, nicht zu Gunsten des Angeklagten in die Strafzumessung eingestellt, dass die zum gewinnbringenden Weiterverkauf bestimmten Betäubungsmittel nach der Entdeckung der Marihuanaplantage vollständig sichergestellt worden waren und deshalb nicht in den Verkehr gelangten.
- 4
- Hierbei handelt es sich nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs wegen des damit verbundenen Wegfalls der von Betäubungsmitteln üblicherweise ausgehenden Gefahr für die Allgemeinheit um einen bestimmenden Strafzumessungsgrund, der sowohl bei der Strafrahmenwahl als auch bei der konkreten Strafzumessung zu beachten ist (BGH, Beschlüsse vom 9. November 2016 - 2 StR 133/16, juris Rn. 3; vom 30. September 2014 - 2 StR 286/14, juris Rn. 2; vom 10. September 2014 - 5 StR 383/14, juris Rn. 2 mwN) und der gemäß § 267 Abs. 3 Satz 1 Halbsatz 2 StPO in den Gründen des Strafurteils angeführt werden muss (BGH, Beschluss vom 5. Juni 2013 - 4 StR 169/13, NStZ 2013, 662).
- 5
- Das Urteil beruht auf dem Rechtsfehler, denn der Senat kann mit Blick auf die Höhe der verhängten Strafe nicht ausschließen, dass das Landgericht zu einer milderen Ahndung gelangt wäre, wenn es die Sicherstellung des Marihuanas zu Gunsten des Angeklagten berücksichtigt hätte.
- 6
- 2. Die von der Strafkammer in dem angefochtenen Urteil zur Strafzumessung getroffenen Feststellungen sind von dem Rechtsfehler, der lediglich in einer lückenhaften Würdigung der festgestellten Tatsachen besteht, nicht betroffen und können deshalb bestehen bleiben. Das neue Tatgericht kann ergänzende Feststellungen treffen, soweit sie zu den bisherigen nicht in Widerspruch stehen.
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(1) Erachtet das Revisionsgericht die Vorschriften über die Einlegung der Revision oder die über die Anbringung der Revisionsanträge nicht für beobachtet, so kann es das Rechtsmittel durch Beschluß als unzulässig verwerfen.
(2) Das Revisionsgericht kann auf einen Antrag der Staatsanwaltschaft, der zu begründen ist, auch dann durch Beschluß entscheiden, wenn es die Revision einstimmig für offensichtlich unbegründet erachtet.
(3) Die Staatsanwaltschaft teilt den Antrag nach Absatz 2 mit den Gründen dem Beschwerdeführer mit. Der Beschwerdeführer kann binnen zwei Wochen eine schriftliche Gegenerklärung beim Revisionsgericht einreichen.
(4) Erachtet das Revisionsgericht die zugunsten des Angeklagten eingelegte Revision einstimmig für begründet, so kann es das angefochtene Urteil durch Beschluß aufheben.
(5) Wendet das Revisionsgericht Absatz 1, 2 oder 4 nicht an, so entscheidet es über das Rechtsmittel durch Urteil.
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a) – auch soweit es die Mitangeklagte L. J. betrifft – in den Aussprüchen über die im Fall II. 5 der Urteilsgründe verhängte Einzelstrafe und die Gesamtstrafe , wobei die Feststellungen aufrechterhalten bleiben,
b) mit den zugehörigen Feststellungen, soweit es den Angeklagten Z. J. betrifft und eine Entscheidung zur Unterbringung in einer Entziehungsanstalt unterblieben ist.
2. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels , an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.
3. Die weiter gehende Revision wird verworfen.
Gründe:
- 1
- Das Landgericht hat den Angeklagten Z. J. wegen unerlaubter Einfuhr von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in Tateinheit mit unerlaubtem Handeltreiben mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in fünf Fällen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von vier Jahren und sechs Monaten verurteilt. Gegen die nicht revidierende Mitangeklagte L. J. wurde wegen Beihilfe zur unerlaubten Einfuhr von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in Tateinheit mit unerlaubtem Handeltreiben mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge infünf Fällen eine Gesamtfreiheitsstrafe von zwei Jahren und elf Monaten verhängt. Ferner hat das Gericht den gesamtschuldnerischen Verfall von Wertersatz in Höhe von 20.000 € angeordnet.
- 2
- Die Revision des Angeklagten Z. J. erzielt mit der Sachrüge – gemäß § 357 StPO auch hinsichtlich der ehemaligen Mitangeklagten L. J. – den aus der Beschlussformel ersichtlichen Teilerfolg.
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- 1. Die Überprüfung des Urteils auf Grund der Revisionsrechtfertigung hat zum Schuldspruch und zu den Strafaussprüchen in den Fällen II. 1 bis II. 4 der Urteilsgründe keinen Rechtsfehler zum Nachteil des Angeklagten ergeben (§ 349 Abs. 2 StPO).
- 4
- 2. Dagegen hat der Einzelstrafausspruch im Fall II. 5 keinen Bestand; dies führt zur Aufhebung auch des Ausspruchs über die Gesamtstrafe.
- 5
- a) Nach den zu Fall II. 5 getroffenen Feststellungen erwarb der Angeklagte Z. J. am 16. Juli 2012 in V. (Niederlande) 300 Gramm Kokain mit einem Wirkstoffgehalt von 98,1 % zum gewinnbringenden Weiterverkauf. Nachdem er das Rauschgift in seinem Pkw versteckt hatte, trat er die Rückfahrt nach G. an. Da der Drogentransport durch die Polizei observiert und zugleich die Telekommunikation überwacht wurde, konnte der Angeklagte gegen 18.00 Uhr auf einem Rastplatz in B. festgenommen werden. Das gekaufte Kokain wurde vollständig sichergestellt. Der Angeklagte Z. J. handelte auf Grund eines gemeinsamen Tatplans mit der Mitangeklagten , die von G. aus die telefonische Verbindung aufrechterhielt und den geplanten Verkauf der Drogen vorbereitete.
- 6
- Die Überwachung durch die Polizei und die Sicherstellung der Betäubungsmittel hat die Strafkammer weder bei der Prüfung eines minder schweren Falles noch bei der konkreten Strafzumessung angesprochen.
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- b) Dies ist rechtsfehlerhaft.
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- Zwar hat der Tatrichter nach § 267 Abs. 3 Satz 1 Hs. 2 StPO nur die bestimmenden Strafzumessungsgesichtspunkte mitzuteilen. Mit der Überwachung des Drogentransports und der Telekommunikation durch die Polizei sowie der vollständigen Sicherstellung der Betäubungsmittel sind jedoch wesentliche Strafmilderungsgründe unerwähnt geblieben, deren Berücksichtigung sich aufdrängen musste (vgl. BGH, Beschlüsse vom 8. Juni 2004 – 5 StR 173/04, NStZ 2004, 694; vom 9. Dezember 2008 – 5 StR 561/08; vom 28. Oktober 2009 – 5 StR 443/09, Rn. 16; vom 7. Februar 2012 – 4 StR 653/11, NStZ-RR 2012, 153; Weber, BtMG, 4. Aufl., Vor §§ 29 ff. Rn. 965 ff. mwN). Dies führt zur Aufhebung der im Fall II. 5 gegen den Angeklagten Z. J. verhängten Einzelfreiheitsstrafe von zwei Jahren und sechs Monaten sowie der Gesamtstrafe, auch wenn die Einzelstrafe trotz einer erheblichen Kokainmenge mit einem sehr hohen Wirkstoffgehalt nur wenig über der Strafrahmenuntergrenze des § 30 Abs. 1 BtMG liegt. Denn das Landgericht hat im ebenfalls 300 Gramm Kokain betreffenden Fall II. 3 der Urteilsgründe, in dem weder eine Überwachung noch eine Sicherstellung erfolgt ist, auch eine Einzelfreiheitsstrafe von zwei Jahren und sechs Monaten verhängt.
- 9
- Der Aufhebung von Feststellungen bedarf es nicht, da es sich insoweit nur um einen Wertungsfehler handelt. Ergänzende Feststellungen, die den bisher getroffenen nicht widersprechen, sind möglich.
- 10
- Die Aufhebung des Urteils war gemäß § 357 Satz 1 StPO auf die Mitangeklagte L. J. zu erstrecken, da der Wertungsfehler des Landgerichts auch der Strafzumessung hinsichtlich der Nichtrevidentin zugrunde liegt und nicht nur in der Person des Beschwerdeführers vorliegt (MeyerGoßner , StPO, 55. Aufl., § 357 Rn. 15).
- 11
- 3. Das Urteil kann ferner keinen Bestand haben, soweit eine Entscheidung zur Frage der Unterbringung des Angeklagten Z. J. in einer Entziehungsanstalt nach § 64 StGB unterblieben ist.
- 12
- a) Nach den Feststellungen konsumierte der Angeklagte während des Tatzeitraums in nicht unerheblichem Umfang Kokain. Er steigerte seinen Konsum seit dem Jahr 2010 und nahm kurz vor seiner Festnahme nahezu täglich bis zu einem Gramm Kokain mit einem Wirkstoffgehalt von etwa 50 % zu sich. Die Kammer ist davon ausgegangen, dass bei den abgeurteilten monatlichen Einfuhrfahrten jeweils eine Menge von 15 Gramm nahezu reinen Kokains für den Eigenbedarf des Angeklagten bestimmt war. Zu Beginn der Untersuchungshaft litt er unter Entzugssymptomen (Schlaflosigkeit, Kopfschmerzen, Schweißausbrüche). Im Rahmen der Strafzumessung hat das Landgericht ihm zugute gehalten, dass er „möglicherweise auch unter einem gewissen Suchtdruck gehandelt haben mag“ (UA S. 13).
- 13
- b) Vor diesem Hintergrund hätte sich das Landgericht zu der Prüfung gedrängt sehen müssen, ob die Unterbringung des Angeklagten in einer Entziehungsanstalt gemäß § 64 StGB anzuordnen ist. Denn die getroffenen Feststellungen legen nahe, dass der Angeklagte einen Hang zum übermäßigen Betäubungsmittelkonsum hat, die abgeurteilten Taten jedenfalls auch auf seinen Hang zurückgehen und die Gefahr besteht, dass er infolge des Hanges weitere erhebliche rechtswidrige Taten begeht (vgl. Senatsbeschlüsse vom 4. Juli 2012 – 4 StR 173/12; vom 21. August 2012 – 4 StR 311/12; vom 12. September 2012 – 4 StR 294/12).
- 14
- Die Frage der Anordnung der Maßregel der Unterbringung in einer Entziehungsanstalt bedarf deshalb unter Hinzuziehung eines Sachverständigen (§ 246a Satz 2 StPO) der erneuten Prüfung und Entscheidung. Dabei wird gegebenenfalls § 67 Abs. 2 StGB zu beachten sein.
- 15
- c) Dass nur der Angeklagte Revision eingelegt hat, hindert die Nachholung der Unterbringungsanordnung nicht (§ 358 Abs. 2 Satz 3 StPO; BGH, Urteil vom 10. April 1990 – 1 StR 9/90, BGHSt 37, 5, 9). Der Beschwerdeführer hat die Nichtanwendung des § 64 StGB durch das Tatgericht auch nicht vom Rechtsmittelangriff ausgenommen (vgl. BGH, Urteil vom 7. Oktober 1992 – 2 StR 374/92, BGHSt 38, 362 f.).
- 16
- d) Der Senat kann ausschließen, dass das Landgericht bei Anordnung der Unterbringung in einer Entziehungsanstalt in den Fällen II. 1 bis II. 4 mildere Einzelstrafen verhängt hätte. Diese Strafaussprüche können deshalb bestehen bleiben.
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- 4. Zu der Verfallsanordnung bemerkt der Senat ergänzend:
- 18
- Da die Angeklagten eingeräumt haben, aus den verfahrensgegenständlichen Taten Mindesteinkünfte in Höhe von 20.000 € erzielt zu haben, begegnet die Anordnung des Verfalls von Wertersatz nach § 73a StGB keinen Bedenken. Der erweiterte Verfall nach § 73d StGB musste deshalb nicht in Betracht gezogen werden.
Quentin Reiter