Bundesgerichtshof Beschluss, 07. Aug. 2018 - 3 StR 74/18

bei uns veröffentlicht am07.08.2018

Gericht

Bundesgerichtshof


Der Bundesgerichtshof (BGH) ist das höchste Gericht der ordentlichen Gerichtsbarkeit in Deutschland.  Der BGH besteht aus 16 Senaten, die jeweils von einem Vorsitzenden und mehreren anderen Richtern geleitet werden. Die Zusammensetzung der Senate

Richter

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
3 StR 74/18
vom
7. August 2018
in der Strafsache
gegen
1.
2.
wegen Mitgliedschaft in einer kriminellen Vereinigung u.a.
ECLI:DE:BGH:2018:070818B3STR74.18.0

Der 3. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat nach Anhörung der Beschwerdeführer und des Generalbundesanwalts - zu 2. auf dessen Antrag - am 7. August 2018 gemäß § 349 Abs. 2 und 4, § 354 Abs. 1 analog StPO einstimmig
beschlossen:
1. Auf die Revisionen der Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Dresden vom 24. August 2017,
a) soweit es den Angeklagten N. betrifft, aa) im Fall III.2. der Urteilsgründe mit den zugehörigen Feststellungen aufgehoben, bb) im Ausspruch über die Einzelstrafe im Fall III.3.a) der Urteilsgründe sowie im Gesamtstrafenausspruch aufgehoben ; jedoch bleiben die jeweils zugehörigen Feststellungen bestehen; cc) im verbleibenden Schuldspruch dahin geändert, dass der Angeklagte der mitgliedschaftlichen Beteiligung an einer kriminellen Vereinigung in fünf Fällen, davon in einem Fall in Tateinheit mit Landfriedensbruch und Beihilfe zur versuchten gefährlichen Körperverletzung, in zwei Fällen in Tateinheit mit Beihilfe zur gefährlichen Körperverletzung in zwei tateinheitlich zusammentreffenden Fällen, in einem Fall in Tateinheit mit Beihilfe zur Herbeiführung einer Sprengstoffexplosion, zur Sachbeschädigung und zur versuchten gefährlichen Körperverletzung und in einem Fall in Tateinheit mit Landfriedensbruch schuldig ist.
Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtmittels des Angeklagten N. , an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen ;
b) soweit es den Angeklagten S. betrifft, im Schuldspruch dahin geändert, dass der Angeklagte der mitgliedschaftlichen Beteiligung an einer kriminellen Vereinigung in fünf Fällen, davon in zwei Fällen in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung in zwei tateinheitlich zusammentreffenden Fällen, in einem Fall in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung, in einem Fall in Tateinheit mit Landfriedensbruch und versuchter gefährlicher Körperverletzung und in einem Fall in Tateinheit mit Herbeiführung einer Sprengstoffexplosion, Sachbeschädigung und versuchter gefährlicher Körperverletzung, sowie des Landfriedensbruchs in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung in acht tateinheitlich zusammentreffenden Fällen schuldig ist.
2. Die weitergehenden Revisionen werden verworfen.
3. Der Angeklagte S. hat die Kosten seines Rechtsmittels und die den Nebenklägern im Revisionsverfahren entstandenen notwendigen Auslagen zu tragen.

Gründe:

1
Das Landgericht hat den Angeklagten N. wegen mitgliedschaftlicher Beteiligung an einer kriminellen Vereinigung in sechs Fällen, davon in einem Fall in Tateinheit mit Landfriedensbruch und Beihilfe zur versuchten gefährlichen Körperverletzung, in einem Fall in Tateinheit mit Herbeiführung einer Sprengstoffexplosion, Sachbeschädigung und versuchter gefährlicher Körperverletzung, in einem Fall in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung in zwei tateinheitlich zusammentreffenden Fällen, in einem Fall in Tateinheit mit Beihilfe zur Herbeiführung einer Sprengstoffexplosion, zur Sachbeschädigung, zur gefährlichen Körperverletzung und zur versuchten gefährlichen Körperverletzung , in einem Fall in Tateinheit mit Beihilfe zur gefährlichen Körperverletzung in zwei tateinheitlich zusammentreffenden Fällen und in einem Fall in Tateinheit mit Landfriedensbruch zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von drei Jahren und acht Monaten verurteilt. Gegen den Angeklagten S. hat es wegen mitgliedschaftlicher Beteiligung an einer kriminellen Vereinigung in fünf Fällen, davon in drei Fällen in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung in zwei tateinheitlich zusammentreffenden Fällen, in einem Fall in Tateinheit mit Landfriedensbruch und versuchter gefährlicher Körperverletzung und in einem Fall in Tateinheit mit Herbeiführung einer Sprengstoffexplosion, Sachbeschädigung, gefährlicher Körperverletzung und versuchter gefährlicher Körperverletzung, sowie wegen Landfriedensbruchs in Tateinheit mit gefährlicher Körperverlet- zung in acht tateinheitlich zusammentreffenden Fällen unter Einbeziehung eines Urteils des Amtsgerichts Dresden vom 1. Juni 2016 auf eine Einheitsjugendstrafe von drei Jahren und acht Monaten erkannt. Dagegen wenden sich die Beschwerdeführer mit ihren jeweils auf die Rüge der Verletzung materiellen Rechts gestützten Revisionen. Die Rechtsmittel haben den aus der Entscheidungsformel ersichtlichen Teilerfolg; im Übrigen erweisen sie sich als unbegründet im Sinne des § 349 Abs. 2 StPO.
2
1. a) Nach den Feststellungen des Landgerichts taten sich die Angeklagten im Juli 2015 unter der Führung des gesondert Verfolgten Z. mit mehr als zehn weiteren Personen zur "Freien Kameradschaft Dresden" (im Folgenden: FKD) zusammen, um ihre rechtsextreme und ausländerfeindliche Gesinnung zu verbreiten und die Flüchtlingspolitik der Bundesregierung zu bekämpfen. In der Folge radikalisierte sich die über ein eigenes Logo und konspirativ genutzte Kommunikationskanäle verfügende Gruppierung und richtete ihr Handeln darauf aus, Ausländer und politisch Andersdenkende gewaltsam anzugreifen; auch Polizisten, soweit sie solche gewaltsamen Auseinandersetzungen zu verhindern suchten, zählte die FKD zu ihren Gegnern. Zwischen dem 22. August 2015 und dem 11. Januar 2016 begingen Mitglieder der Vereinigung unter wechselnder Beteiligung der Angeklagten die der Verurteilung zu Grunde liegenden Straftaten, namentlich Überfälle auf Polizisten, politisch Andersdenkende und Ausländer.
3
b) Die Schuldsprüche wegen mitgliedschaftlicher Beteiligung an einer kriminellen Vereinigung lassen auf der Grundlage dieser Feststellungen Rechtsfehler zum Nachteil der Angeklagten nicht erkennen. Rechtlich bedenklich ist insoweit allein, dass sie nicht auch wegen der Beteiligungshandlungen, mit denen sie nicht zugleich einen weiteren Straftatbestand verwirklichten, in einem weiteren Fall wegen mitgliedschaftlicher Beteiligung an einer kriminellen Vereinigung verurteilt worden sind. Denn nach der Rechtsprechung des Senats stehen mitgliedschaftliche Betätigungsakte wie die hier ausgeurteilten, die auch den Tatbestand einer anderen Strafvorschrift erfüllen und der Zwecksetzung der Vereinigung oder sonst deren Interessen dienen, zwar gemäß § 52 Abs. 1 Alternative 1 StGB in Tateinheit mit der jeweils gleichzeitig verwirklichten mitgliedschaftlichen Beteiligung im Sinne des § 129 Abs. 1 Satz 1 Alternative 2 StGB, jedoch - soweit sich nach allgemeinen Grundsätzen nichts anderes ergibt - nicht nur - wie die Strafkammer angenommen hat - untereinander, sondern auch zu der Gesamtheit der sonstigen mitgliedschaftlichen Betätigungsakte in Tatmehrheit (BGH, Beschluss vom 9. Juli 2015 - 3 StR 537/14, BGHSt 60, 308, 311 f.). Da das Landgericht insoweit eindeutige Feststellungen zu anderen, keinen weiteren Straftatbestand erfüllenden Beteiligungshandlungen der Angeklagten nicht getroffen hat und sie nicht dadurch beschwert sind, dass sie nicht noch in einem weiteren Fall wegen mitgliedschaftlicher Beteiligung an einer kriminellen Vereinigung verurteilt worden sind, hat der Senat von einer Schuldspruchänderung abgesehen.
4
2. Im Fall III. 2. der Urteilsgründe kann die Verurteilung des Angeklagten N. wegen mitgliedschaftlicher Beteiligung an einer kriminellen Vereinigung in Tateinheit mit Herbeiführung einer Sprengstoffexplosion, Sachbeschädigung und versuchter gefährlicher Körperverletzung keinen Bestand haben. Es begegnet zwar - wie dargelegt - keinen rechtlichen Bedenken, die Tat als mitgliedschaftliche Beteiligungshandlung an der kriminellen Vereinigung FKD zu würdigen; jedoch wird die rechtliche Bewertung der Strafkammer, der Angeklagte habe sich zugleich tateinheitlich als Mittäter der Herbeiführung einer Sprengstoffexplosion , der Sachbeschädigung und der versuchten gefährlichen Körperverletzung schuldig gemacht, von den Feststellungen nicht getragen:
5
a) Der Angeklagte N. sprach sich in diesem Fall bei dem geplanten Angriff auf ein Flüchtlingsheim gegen den Einsatz von in Deutschland nicht zugelassener Pyrotechnik aus. Nachdem er sich damit nicht hatte durchsetzen können, schloss er sich der Angriffsgruppe an, die nach seiner Annahme ohne solche Feuerwerkskörper zeitlich abgestimmt gegen eine andere Unterkunft vorgehen wollte. Während bei dem ersten Angriff tatsächlich in Deutschland wegen ihrer hohen Sprengkraft nicht zugelassene, aus Tschechien stammenden Knallkörper eingesetzt wurden, kam es zu dem zweiten Angriff, an dem sich der Angeklagte N. beteiligen wollte, nicht, weil die Angreifer aus Furcht vor vorzeitiger Entdeckung vor dem eigentlichen Angriff flüchteten, nachdem einer von ihnen einen Blitzknaller gezündet hatte.
6
b) Danach ist die Mittäterschaft des Angeklagten N. hier nicht belegt. Diese ist in wertender Gesamtbetrachtung festzustellen und anhand von Kriterien wie Grad des eigenen Interesses am Erfolg der Tat, Umfang der Tatbeteiligung , objektive Tatherrschaft und Wille zur Tatherrschaft von der Teilnahme abzugrenzen (vgl. Fischer, StGB, 65. Aufl., § 25 Rn. 25 ff. mit zahlreichen Nachweisen zur ständigen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs). Nach diesen Maßstäben ist der Angeklagte jedenfalls nicht Mittäter der Herbeiführung einer Sprengstoffexplosion: Er wollte eine solche Tat nicht, beging keine darauf gerichtete Tathandlung und hatte insoweit weder objektiv Tatherrschaft noch subjektiv den Willen dazu. Dass er in Kenntnis des Angriffsplans keine weiteren Bemühungen entfaltete, die anderen Beteiligten von dem beabsichtigten Vorgehen abzubringen, und sich der Gruppe anschloss, die nach seiner Auffassung nur mit Steinwürfen, nicht aber mit Sprengkörpern angreifen sollte, trägt auf der Grundlage der getroffenen Feststellungen auch mit Blick auf den geplanten Doppelangriff, der sich für den Angeklagten N. als Sachbeschädigung und versuchte gefährliche Körperverletzung darstellen mag, die Bewertung als mittäterschaftlich begangenes Sprengstoffverbrechen nach § 308 Abs. 1 StGB nicht.
7
c) Da der Senat nicht ausschließen kann, dass die Strafkammer bei Anlegung des zutreffenden rechtlichen Maßstabs gegebenenfalls weitergehende Feststellungen hätte treffen können, die möglicherweise auch eine Verurteilung etwa wegen Beihilfe zur Herbeiführung einer Sprengstoffexplosion erlaubten, bedarf die Sache insoweit neuer Verhandlung und Entscheidung.
8
3. Im Fall III. 3. a) der Urteilsgründe erweist sich die Verurteilung des Angeklagten N. wegen - zu der mitgliedschaftlichen Beteiligung an der kriminellen Vereinigung in Tateinheit stehender - täterschaftlich begangener gefährlicher Körperverletzung ebenfalls als unzutreffend; die eindeutigen Feststellungen der Strafkammer tragen nur die Bewertung als Beihilfe (§ 27 StGB) zu diesem Delikt und erlauben insoweit die Änderung des Schuldspruchs. Insoweit gilt:
9
a) Nach den Feststellungen des Landgerichts kam es im Anschluss an den Besuch eines Volksfestes zu einer zunächst verbalen und dann auch körperlichen Auseinandersetzung, bei der Mitglieder der FKD, unter ihnen der Angeklagte S. , Ausländer und "ausländisch aussehende" Personen unter anderem mit einer Weinflasche schlugen. Der Angeklagte N. beteiligte sich an dem körperlichen Angriff nicht.
10
b) Das Landgericht hat ihn gleichwohl als Täter der gefährlichen Körperverletzung angesehen, weil er nicht nur im Vorfeld die Angriffsbereitschaft der Gruppe gefördert, sondern auch nach Beginn des Angriffs zusammen mit anderen Gruppenmitgliedern für die Geschädigten erkennbar eingriffsbereit unmittelbar neben dem Ort des Geschehens gestanden habe. Dies trägt zwar die Beur- teilung, der Angeklagte N. sei ein Beteiligter an einer gefährlichen Körperverletzung im Sinne von § 224 Abs. 1 Nr. 4 StGB gewesen, nicht aber die Bewertung, er habe dabei mittäterschaftlich gehandelt. Eine gemeinschaftliche Begehungsweise im Sinne der Vorschrift ist gegeben, wenn Täter und Beteiligter bei Begehung der Körperverletzung einverständlich zusammenwirken, wobei es bereits genügt, wenn ein am Tatort anwesender Tatgenosse die Wirkung der Körperverletzungshandlung des Täters bewusst in einer Weise verstärkt, welche die Lage des Verletzten zu verschlechtern geeignet ist (st. Rspr.; vgl. zuletzt BGH, Beschluss vom 25. Juli 2017 - 3 StR 93/17, NStZ-RR 2017, 339 mwN). Dabei kann auch das Zusammenwirken eines Täters mit einem Gehilfen zur Erfüllung des Qualifikationsmerkmals ausreichen; dies besagt jedoch nicht, dass in diesen Fällen der Gehilfe wegen der gemeinschaftlichen Begehungsweise als Mittäter zu bestrafen wäre. Vielmehr sind auch bei der gefährlichen Körperverletzung nach § 224 Abs. 1 Nr. 4 StGB die Tatbeiträge nach den allgemeinen Regeln abzugrenzen; derjenige, der nur Unterstützungshandlungen für einen anderen ausführt, macht sich lediglich der Beihilfe zur gefährlichen Körperverletzung schuldig (BGH, Beschluss vom 22. Oktober 2008 - 2 StR 286/08, NStZ-RR 2009, 10; Urteil vom 22. Januar 2015 - 3 StR 233/14, juris Rn. 68 [insoweit in BGHSt 60, 166 nicht abgedruckt]).
11
c) So verhält es sich hier: Die festgestellten Handlungen des Angeklagten N. stellten sich lediglich als Unterstützung der von dem Angeklagten S. und anderen Gruppenmitgliedern begangenen Körperverletzungshandlungen dar. Insbesondere liegt in dem bloßen Danebenstehen, auch wenn es den Geschädigten Eingriffsbereitschaft signalisiert und den Tätern aufgrund der geschaffenen Überlegenheitssituation die Tat erleichtert, nach den oben genannten Abgrenzungskriterien keine täterschaftlich begangene (gefährliche) Körperverletzung.
12
4. Die Aufhebung im Fall III. 2. und die Schuldspruchänderung im Fall III. 3. a) der Urteilsgründe führen zur Aufhebung der insoweit verhängten Einzelstrafen; dies bedingt auch die Aufhebung des den Angeklagten N. betreffenden Gesamtstrafenausspruchs.
13
5. Betreffend den Angeklagten S. war der Schuldspruch im Fall III. 3. b) der Urteilsgründe dahin zu ändern, dass er tateinheitlich zu der auch in diesem Fall begangenen mitgliedschaftlichen Beteiligung an einer kriminellen Vereinigung lediglich in einem Fall der gefährlichen Körperverletzung nach § 224 Abs. 1 Nr. 4 StGB (nicht in zwei tateinheitlich zusammentreffenden Fällen) schuldig ist. Denn nach den Feststellungen kam es zwar zu einer Auseinandersetzung mit zwei Personen, die sich außer mit dem Angeklagten S. auch mit anderen Mitgliedern der FKD konfrontiert sahen; es ist aber lediglich bezüglich einer der beiden festgestellt, dass sie auch verletzt wurde. Darüber hinaus lässt sich den Feststellungen nicht entnehmen, wodurch das Tatbestandsmerkmal des gefährlichen Werkzeugs im Sinne von § 224 Abs. 1 Nr. 2 StGB verwirklicht worden sein soll. Zwar warfen einige der Angreifer mit Steinen nach den fliehenden Opfern; dass diese dadurch aber verletzt wurden, ergibt sich nicht.
14
Der Senat hat den Schuldspruch entsprechend geändert. Er schließt angesichts der überwiegend auf Erziehungszwecke abstellenden Strafzumessungserwägungen aus, dass die Strafkammer, die die Taten desAngeklagten S. im Übrigen zutreffend rechtlich gewürdigt hat, bei Annahme nur eines Qualifikationsmerkmals und nur eines Tatopfers auf eine niedrigere Einheitsjugendstrafe erkannt hätte.
15
6. Der geringfügige Teilerfolg der Revision des Angeklagten S. lässt es nicht unbillig erscheinen, ihn insgesamt mit den Kosten seines Rechtsmittels zu belasten (§ 473 Abs. 4 StPO).
Becker Gericke Tiemann Berg Leplow

Urteilsbesprechung zu Bundesgerichtshof Beschluss, 07. Aug. 2018 - 3 StR 74/18

Urteilsbesprechungen zu Bundesgerichtshof Beschluss, 07. Aug. 2018 - 3 StR 74/18

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(1) Erachtet das Revisionsgericht die Vorschriften über die Einlegung der Revision oder die über die Anbringung der Revisionsanträge nicht für beobachtet, so kann es das Rechtsmittel durch Beschluß als unzulässig verwerfen. (2) Das Revisionsgeric

Strafprozeßordnung - StPO | § 473 Kosten bei zurückgenommenem oder erfolglosem Rechtsmittel; Kosten der Wiedereinsetzung


(1) Die Kosten eines zurückgenommenen oder erfolglos eingelegten Rechtsmittels treffen den, der es eingelegt hat. Hat der Beschuldigte das Rechtsmittel erfolglos eingelegt oder zurückgenommen, so sind ihm die dadurch dem Nebenkläger oder dem zum Ansc

Strafgesetzbuch - StGB | § 224 Gefährliche Körperverletzung


(1) Wer die Körperverletzung 1. durch Beibringung von Gift oder anderen gesundheitsschädlichen Stoffen,2. mittels einer Waffe oder eines anderen gefährlichen Werkzeugs,3. mittels eines hinterlistigen Überfalls,4. mit einem anderen Beteiligten gemeins
Bundesgerichtshof Beschluss, 07. Aug. 2018 - 3 StR 74/18 zitiert 7 §§.

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(1) Wer anders als durch Freisetzen von Kernenergie, namentlich durch Sprengstoff, eine Explosion herbeiführt und dadurch Leib oder Leben eines anderen Menschen oder fremde Sachen von bedeutendem Wert gefährdet, wird mit Freiheitsstrafe nicht unter e

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(1) Erachtet das Revisionsgericht die Vorschriften über die Einlegung der Revision oder die über die Anbringung der Revisionsanträge nicht für beobachtet, so kann es das Rechtsmittel durch Beschluß als unzulässig verwerfen.

(2) Das Revisionsgericht kann auf einen Antrag der Staatsanwaltschaft, der zu begründen ist, auch dann durch Beschluß entscheiden, wenn es die Revision einstimmig für offensichtlich unbegründet erachtet.

(3) Die Staatsanwaltschaft teilt den Antrag nach Absatz 2 mit den Gründen dem Beschwerdeführer mit. Der Beschwerdeführer kann binnen zwei Wochen eine schriftliche Gegenerklärung beim Revisionsgericht einreichen.

(4) Erachtet das Revisionsgericht die zugunsten des Angeklagten eingelegte Revision einstimmig für begründet, so kann es das angefochtene Urteil durch Beschluß aufheben.

(5) Wendet das Revisionsgericht Absatz 1, 2 oder 4 nicht an, so entscheidet es über das Rechtsmittel durch Urteil.

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
3 StR 537/14
vom
9. Juli 2015
in der Strafsache
gegen
wegen Körperverletzung u.a.
ECLI:DE:BGH:2015:090715B3STR537.14.1

Der 3. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat nach Anhörung des Beschwerdeführers und des Generalbundesanwalts - zu 2. auf dessen Antrag - am 9. Juli 2015 gemäß § 349 Abs. 2 und 4 StPO einstimmig beschlossen:
1. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Köln vom 27. Januar 2014, soweit es ihn betrifft, mit den jeweils zugehörigen Feststellungen aufgehoben
a) im Fall B.VIII. der Urteilsgründe sowie
b) im Ausspruch über die Gesamtstrafe.
Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels , an das Amtsgericht Wipperfürth - Strafrichter - zurückverwiesen.
2. Die weitergehende Revision des Angeklagten wird verworfen.

Gründe:

1
Das Landgericht hat den Angeklagten - unter Freispruch im Übrigen - wegen Körperverletzung (Fall B.VII. 10. der Urteilsgründe) sowie wegen versuchter Körperverletzung in Tateinheit mit Verwenden von Kennzeichen verfassungswidriger Organisationen (Fall B.VIII. der Urteilsgründe) zu der Gesamt- geldstrafe von 90 Tagessätzen zu je 25 € verurteilt. Die auf die Rüge der Ver- letzung materiellen Rechts gestützte Revision des Angeklagten hat in dem aus der Beschlussformel ersichtlichen Umfang Erfolg; im Übrigen ist sie unbegründet.
2
1. Nach den Feststellungen des Landgerichts rief der Angeklagte am 1. Mai 2011 zwischen 3.00 und 4.00 Uhr auf einer Maifeier in R. lauthals "Sieg Heil". Als ihn ein Besucher deswegen zur Rede stellen wollte, wiederholte er den Ausruf und "schlug dem Zeugen mit der flachen Hand die Brille aus dem Gesicht, ohne ihm dabei Schmerzen zuzufügen oder die Brille zu beschädigen". Anschließend entfernte sich der Angeklagte (Fall B.VIII. der Urteilsgründe).
3
Am 25. November 2011 kam es in W. außerhalb eines Schnellrestaurants zu einer Schlägerei, weswegen der Filialleiter die Polizei informierte. Als er bemerkte, dass die Kämpfenden den Ort des Geschehens verließen, hielt er den sich ebenfalls entfernenden Angeklagten, der in die Filiale gekommen war und zu einer der Gruppe der Kämpfenden gehörte, am Arm fest, um einen Zeugen vor Ort zu haben. Der Angeklagte riss sich los und rannte zur Tür. Als der Filialleiter ihm folgte, drehte sich der Angeklagte um, versetzte ihm einen Schlag mit der Faust ins Gesicht und floh anschließend vom Tatort (Fall B.VII. 10. der Urteilsgründe).
4
2. Die Verurteilung wegen Körperverletzung hinsichtlich des unter B.VII. 10. der Urteilsgründe geschilderten Sachverhalts hat Bestand. Soweit die Revision geltend macht, das Landgericht hätte eine Rechtfertigung des Angeklagten durch Notwehr erörtern müssen, ergeben die rechtsfehlerfrei getroffenen Feststellungen , dass der Faustschlag des sich ohnehin im Gehen befindlichen Angeklagten jedenfalls nicht erforderlich im Sinne des § 32 Abs. 2 StGB war.
5
3. Demgegenüber wird der Schuldspruch wegen versuchter Körperverletzung hinsichtlich des Geschehens vom 1. Mai 2011 von den Feststellungen nicht getragen. Insofern fehlt es an Ausführungen zur subjektiven Tatseite des Angeklagten. Es mag zwar naheliegen, dass dessen Angriff nicht ausschließlich der Brille, sondern auch der körperlichen Integrität des Geschädigten galt oder dass der Angeklagte jedenfalls die Möglichkeit erkannte, diesen durch sein Vorgehen zu verletzen und dies billigend in Kauf nahm. Dies festzustellen ist indes Sache des Tatrichters. Darüber hinaus verhält sich das Urteil nicht zum Vorstellungsbild des Angeklagten unmittelbar nach Abschluss der letzten Ausführungshandlung, welches für die Beurteilung maßgeblich ist, ob der Angeklagte gemäß § 24 Abs. 1 Satz 1 StGB von einem etwaigen Versuch strafbefreiend zurückgetreten ist (vgl. zum Rücktrittshorizont BGH, Urteil vom 2. November 1994 - 2 StR 449/94, BGHSt 40, 304, 305 f.).
6
Die deshalb gebotene Aufhebung des Urteils umfasst auch das in Tateinheit zur versuchten Körperverletzung stehende, für sich betrachtet rechtsfehlerfrei festgestellte Verwenden von Kennzeichen verfassungswidriger Organisationen (vgl. KK-Gericke, StPO, 7. Aufl., § 353 Rn. 12 mwN). Der Wegfall der Einzelstrafe zieht die Aufhebung des Ausspruchs über die Gesamtstrafe nach sich.
7
Nach Ausscheiden des die Zuständigkeit des Landgerichts begründenden Vorwurfs der Mitgliedschaft in einer kriminellen Vereinigung gemäß § 129 Abs. 1 Var. 2 StGB verweist der Senat das Verfahren im Umfang der Aufhebung an das für das Geschehen in R. örtlich zuständige Amtsgerichts Wipperfürth - Strafrichter - zurück (§ 354 Abs. 3 StPO).
8
4. Darüber hinaus stellt der Senat klar, dass entgegen den Ausführungen in den schriftlichen Urteilsgründen des Landgerichts für einen Freispruch des Angeklagten vom Vorwurf der Mitgliedschaft in einer kriminellen Vereinigung und vom Vorwurf des Verwendens von Kennzeichen verfassungswidriger Organisationen (Nr. 1 (12) der Anklage) kein Raum war, und sich dementsprechend der ausgeurteilte Teilfreispruch hierauf nicht erstreckt.
9
Allerdings war die Anklage mit Blick auf das Geschehen vom 1. Mai 2011 von zwei Taten (§ 53 StGB) - dem ersten Ruf "Sieg Heil" auf der einen, dem zweiten Ruf sowie dem Schlag gegen die Brille auf der anderen Seite - ausgegangen. In diesen Fällen ist ein Freispruch auch dann angezeigt, wenn das tatmehrheitlich angeklagte, indes nicht als erwiesen angesehene Geschehen mit dem abgeurteilten Teil eine natürliche Handlungseinheit bilden würde (vgl. Meyer-Goßner/Schmitt, StPO, 58. Aufl., § 260 Rn. 13 mwN). Dies gilt jedoch nicht, wenn - wie vorliegend - das gesamte angeklagte Geschehen abgeurteilt wird (vgl. BGH, Beschluss vom 20. September 2012 - 3 StR 220/12, NStZ-RR 2013, 6, 7). Denn in diesen Fällen ist für eine weitere materiellrechtliche Tat, die Gegenstand eines Freispruchs sein könnte, kein Raum mehr.
10
Ein Freispruch unterbleibt des Weiteren, wenn nicht wegen aller Taten verurteilt wird, die nach dem Eröffnungsbeschluss in Tateinheit zueinander stehen (BGH, Urteil vom 22. Mai 1984 - 5 StR 270/84, NStZ 1985, 13, 15 f. bei Pfeiffer/Miebach). Deswegen kam ein Freispruch vom Vorwurf der Mitgliedschaft in einer kriminellen Vereinigung, der als in Tateinheit zu der Körperverletzung vom 25. November 2011 stehend angeklagt worden war, nicht in Betracht.
Becker Pfister Mayer Gericke Spaniol

(1) Wer anders als durch Freisetzen von Kernenergie, namentlich durch Sprengstoff, eine Explosion herbeiführt und dadurch Leib oder Leben eines anderen Menschen oder fremde Sachen von bedeutendem Wert gefährdet, wird mit Freiheitsstrafe nicht unter einem Jahr bestraft.

(2) Verursacht der Täter durch die Tat eine schwere Gesundheitsschädigung eines anderen Menschen oder eine Gesundheitsschädigung einer großen Zahl von Menschen, so ist auf Freiheitsstrafe nicht unter zwei Jahren zu erkennen.

(3) Verursacht der Täter durch die Tat wenigstens leichtfertig den Tod eines anderen Menschen, so ist die Strafe lebenslange Freiheitsstrafe oder Freiheitsstrafe nicht unter zehn Jahren.

(4) In minder schweren Fällen des Absatzes 1 ist auf Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu fünf Jahren, in minder schweren Fällen des Absatzes 2 auf Freiheitsstrafe von einem Jahr bis zu zehn Jahren zu erkennen.

(5) Wer in den Fällen des Absatzes 1 die Gefahr fahrlässig verursacht, wird mit Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder mit Geldstrafe bestraft.

(6) Wer in den Fällen des Absatzes 1 fahrlässig handelt und die Gefahr fahrlässig verursacht, wird mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder mit Geldstrafe bestraft.

(1) Als Gehilfe wird bestraft, wer vorsätzlich einem anderen zu dessen vorsätzlich begangener rechtswidriger Tat Hilfe geleistet hat.

(2) Die Strafe für den Gehilfen richtet sich nach der Strafdrohung für den Täter. Sie ist nach § 49 Abs. 1 zu mildern.

(1) Wer die Körperverletzung

1.
durch Beibringung von Gift oder anderen gesundheitsschädlichen Stoffen,
2.
mittels einer Waffe oder eines anderen gefährlichen Werkzeugs,
3.
mittels eines hinterlistigen Überfalls,
4.
mit einem anderen Beteiligten gemeinschaftlich oder
5.
mittels einer das Leben gefährdenden Behandlung
begeht, wird mit Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu zehn Jahren, in minder schweren Fällen mit Freiheitsstrafe von drei Monaten bis zu fünf Jahren bestraft.

(2) Der Versuch ist strafbar.

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
3 StR 93/17
vom
25. Juli 2017
in der Strafsache
gegen
1.
2.
3.
wegen gefährlicher Körperverletzung u.a.
ECLI:DE:BGH:2017:250717B3STR93.17.0

Der 3. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat nach Anhörung der Beschwerdeführer und des Generalbundesanwalts - zu 2. auf dessen Antrag - am 25. Juli 2017 gemäß § 349 Abs. 2 und 4, § 354 Abs. 1 analog StPO einstimmig beschlossen :
1. Auf die Revisionen der Angeklagten wird
a) das Urteil des Landgerichts Trier vom 4. November 2016 in den Schuldsprüchen dahin geändert, dass die Angeklagten im Fall 2 der Urteilsgründe wie folgt schuldig sind: aa) die Angeklagten E. und A. der gefährlichen Körperverletzung in Tateinheit mit Widerstand gegen Vollstreckungsbeamte, der Angeklagte E. zusätzlich in Tateinheit mit Beleidigung; bb) der Angeklagte H. der Körperverletzung in Tateinheit mit Widerstand gegen Vollstreckungsbeamte ;
b) das vorgenannte Urteil aufgehoben aa) im Fall 1 der Urteilsgründe mit den zugehörigen Feststellungen, soweit es die Angeklagten H. und E. betrifft; bb) in den (verbleibenden) Strafaussprüchen; jedoch bleiben die zugehörigen Feststellungen aufrechterhalten.
Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Rechtsmittel, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen. 2. Die weitergehenden Revisionen werden verworfen.

Gründe:


1
Das Landgericht hat die Angeklagten wie folgt verurteilt: die Angeklagten H. und E. jeweils wegen gefährlicher Körperverletzung in drei tateinheitlichen Fällen und wegen gefährlicher Körperverletzung in Tateinheit mit Widerstand gegen Vollstreckungsbeamte in zwei tateinheitlichen Fällen - den Angeklagten E. insoweit zusätzlich in weiterer Tateinheit mit Beleidigung - zu Gesamtfreiheitsstrafen von drei Jahren (Angeklagter H. ) bzw. vier Jahren (Angeklagter E. ) und den Angeklagten A. wegen gefährlicher Körperverletzung in Tateinheit mit Widerstand gegen Vollstreckungsbeamte in zwei tateinheitlichen Fällen zu einer Freiheitsstrafe von zwei Jahren und sechs Monaten ; im Übrigen hat es den Angeklagten A. freigesprochen. Die Beschwerdeführer wenden sich mit ihren Revisionen gegen ihre Verurteilungen und rügen die Verletzung materiellen Rechts; der Angeklagte A. beanstandet zudem das Verfahren. Die Rechtsmittel haben den aus der Entscheidungsformel ersichtlichen Erfolg; im Übrigen erweisen sie sich als unbegründet im Sinne von § 349 Abs. 2 StPO.
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I. Das Landgericht hat folgende Feststellungen getroffen:
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Die Angeklagten beschlossen in der Tatnacht, nachdem sie an einem Clubtreffen des Motorradclubs C. MC teilgenommen hatten, gemeinsam mit zwei Bekannten eine Kneipentour durch T. zu unternehmen. Sie tranken dabei Alkohol, ohne dass festgestellt werden konnte, was genau und wieviel jeder von ihnen zu sich nahm. Gegen 5:30 Uhr morgens begegneten sie den später Geschädigten und deren Begleiterin, die von einer Weihnachtsfeier kamen , dort ebenfalls Alkohol getrunken hatten und leicht angetrunken waren. Eine Person aus der Gruppe um die Angeklagten hob einen Gullideckel aus seiner Fassung und legte ihn mitten auf die Straße. Dies sah der Zeuge M. , war darüber verärgert, äußerte dies laut und begann, den Deckel wieder zurückzuschieben. Darauf entwickelte sich eine zunächst verbale Auseinandersetzung zwischen dem Zeugen und den Angeklagten H. und E. , die kurz darauf begannen, auf M. und die beiden anderen Geschädigten , die Zeugen K. und V. , einzuschlagen und davon auch nicht abließen, als die Zeugen zu Boden gegangen waren. Der Angeklagte E. schlug dem Zeugen V. unter anderem mit der Faust ins Gesicht; weitere konkrete Feststellungen dazu, wer wie oft und wen schlug, hat das Landgericht nicht treffen können (Fall 1 der Urteilsgründe).
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Dem Zeugen M. gelang es, sich zu befreien und loszulaufen, um Hilfe zu holen. Er traf nach etwa 100 Metern auf zwei uniformierte Polizisten, die sich mit ihm zurück zum Tatort begaben. Der Angeklagte H. schlug zu diesem Zeitpunkt noch auf einen der Geschädigten ein, ohne dass aufgeklärt werden konnte, auf wen. PHK S. gab sich sofort als Polizeibeamter zu erkennen und forderte H. auf, den Angriff zu beenden. Dieser ließ daraufhin von seinem Opfer ab und wollte - wie auch der Rest der Gruppe um die Angeklagten - fliehen. PHK S. setzte den Angeklagten nach und befahl ihnen, stehen zu bleiben. Der Angeklagte E. fragte daraufhin: "Was willst du Scheißbulle machen, wenn nicht?", und schlug ihm unmittelbar danach vor die Brust. Der Angeklagte A. war währenddessen hinter PHK S. hergegangen und versetzte ihm von der Seite einen Faustschlag, so dass er zu Boden ging. Sodann schlugen und traten die Angeklagten A. undE. - teils massiv - gemeinsam auf Kopf und Körper des Polizeibeamten ein, der versuchte , sich mit seinem Schlagstock zu schützen und diesen auch zu Schlägen einsetzte. Nachdem der Angeklagte A. , der weiter auf PHK S. hatte einwirken wollen, von einer unbekannten Person weggezogen worden war, kniete der Angeklagte E. auf dem immer noch am Boden liegenden Polizeibeamten. In diesem Moment kam ihm die zweite Polizistin, PK'in B. , zu Hilfe und schlug dem Angeklagten E. mit ihrem Schlagstock auf den Rücken. Dies nahm wiederum der Angeklagte H. zum Anlass, PK'in B. wegzuziehen und ihr einen Faustschlag zu versetzen. In der rechtlichen Würdigung hat die Strafkammer ausgeführt, dass der Angriff der Angeklagten A. undE. auf PHK S. nicht ausschließbar bereits beendet war, als der Angeklagte H. PK'in B. angriff (Fall 2 der Urteilsgründe).
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II. Die von dem Angeklagten A. erhobene Verfahrensrüge hat aus den in der Antragsschrift des Generalbundesanwalts genannten Gründen keinen Erfolg.
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III. Die auf die Rügen der Verletzung materiellen Rechts veranlasste umfassende Überprüfung des Urteils führt zur Aufhebung der Verurteilungen der Angeklagten H. und E. im Fall 1 der Urteilsgründe, zur Änderung der Schuldsprüche betreffend alle Angeklagten im Fall 2 der Urteilsgründe sowie zur Aufhebung der (verbleibenden) Strafaussprüche. Im Einzelnen:
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1. Im Fall 1 der Urteilsgründe hält die Verurteilung der Angeklagten H. und E. wegen gefährlicher Körperverletzung gemäß § 224 Abs. 1 Nr. 4 StGB revisionsrechtlicher Überprüfung nicht stand.
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Auf der Grundlage der getroffenen Feststellungen ist eine gemeinschaftliche Begehungsweise im Sinne der Vorschrift nicht belegt; eine solche ist nur gegeben, wenn Täter und Beteiligter bei Begehung der Körperverletzung einverständlich zusammenwirken, wobei es bereits genügt, wenn ein am Tatort anwesender Tatgenosse die Wirkung der Körperverletzungshandlung des Täters bewusst in einer Weise verstärkt, welche die Lage des Verletzten zu verschlechtern geeignet ist (BGH, Beschluss vom 17. Juli 2012 - 3 StR 158/12, BGHR StGB § 224 Abs. 1 Nr. 4 Gemeinschaftlich 4 mwN). Daran kann es indes fehlen, wenn sich mehrere Opfer jeweils nur einem Angreifer ausgesetzt sehen, ohne dass die Positionen ausgetauscht werden. Denn in einem solchen Fall stehen dem jeweiligen Opfer die Beteiligten gerade nicht gemeinschaftlich gegenüber. Damit fehlt es an dem Grund für die Strafschärfung des § 224 Abs. 1 Nr. 4 StGB, der in der erhöhten abstrakten Gefährlichkeit der Tat liegt, weil einem Geschädigten mehrere Angreifer körperlich gegenüberstehen und er deshalb in seiner Verteidigungsmöglichkeit tatsächlich oder vermeintlich eingeschränkt ist (BGH, Beschluss vom 30. Juni 2015 - 3 StR 171/15, BGHR StGB § 224 Abs. 1 Nr. 4 Gemeinschaftlich 5 mwN). Da die Strafkammer - bis auf einen Faustschlag des Angeklagten E. gegen den Zeugen V. - nicht feststellen konnte, wer von den Angeklagten welchen Geschädigten schlug, bleibt offen, ob die Angeklagten bei der Verletzung der Geschädigten in dem für die Verwirklichung des Qualifikationstatbestands erforderlichen Sinn zusammenwirkten.
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Da der Senat in diesem Fall nicht ausschließen kann, dass in einer neuen Hauptverhandlung weitergehende Feststellungen getroffen werden, die eine Verurteilung wegen gefährlicher Körperverletzung erlauben, hebt er das Urteil insoweit mit den zugehörigen Feststellungen auf.
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2. Im Fall 2 der Urteilsgründe gilt Folgendes:
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a) Indem die Angeklagten A. und E. gemeinsam auf PHK S. einschlugen und -traten, haben sie sich gemäß § 224 Abs. 1 Nr. 4, 5 StGB wegen gefährlicher Körperverletzung strafbar gemacht. In diesem Fall ist ein gemeinschaftliches Vorgehen im Sinne der Vorschrift ausdrücklich festgestellt; zudem liegen wegen der massiven Tritte gegen den Kopf auch die Voraussetzungen einer (abstrakt) lebensgefährlichen Behandlung im Sinne von § 224 Abs. 1 Nr. 5 StGB vor. Tateinheitlich verwirklichten sie den Tatbestand des Widerstands gegen Vollstreckungsbeamte gemäß § 113 Abs. 1 StGB und der Angeklagte E. darüber hinaus denjenigen der Beleidigung nach § 185 StGB. Allerdings fehlt es an der Begehung der gefährlichen Körperverletzung in Tateinheit mit Widerstand gegen Vollstreckungsbeamte "in zwei tateinheitlichen Fällen": Die Tätlichkeiten der Angeklagten richteten sich nur gegen PHK S. . Die Angeklagten A. und E. haben damit nur einem Vollstreckungsbeamten Widerstand geleistet und auch nur zum Nachteil eines Menschen gemeinschaftlich eine Körperverletzung begangen. Die allein durch den Angeklagten H. begangene Körperverletzung zum Nachteil von PK'in B. könnte ihnen in diesem Zusammenhang allenfalls zugerechnet werden, wenn dadurch weitere Tätlichkeiten der Angeklagten zum Nachteil von PHK S. ermöglicht worden wären. Das hat das Landgericht indes nicht festzustellen vermocht, sondern ist zu Gunsten des Angeklagten H. davon aus- gegangen, dass der Angriff der Angeklagten A. und E. bereits beendet war, als der Angeklagte H. in das Geschehen eingriff.
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b) Aus dem gleichen Grund hat der Angeklagte H. , der allein auf PK'in B. einwirkte, nur einer Vollstreckungsbeamtin Widerstand geleistet und nur zum Nachteil eines Menschen eine Körperverletzung begangen. Dies geschah - wie dargelegt - auch nicht mit einem anderen Beteiligten gemeinschaftlich und erfüllte auch keinen anderen Qualifikationstatbestand des § 224 Abs. 1 StGB, so dass eine gefährliche Körperverletzung durch ihn insoweit nicht begangen wurde. Allerdings hat er sich wegen einer Körperverletzung nach § 223 Abs. 1 StGB strafbar gemacht; Strafantrag ist von PK'in B. rechtzeitig gestellt worden (§ 230 Abs. 1, § 77 Abs. 1 StGB).
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c) Der Senat hat die Schuldsprüche in diesem Fall in entsprechender Anwendung von § 354 Abs. 1 StPO geändert; er schließt aus, dass ein neues Tatgericht in diesem Fall weitere Feststellungen würde treffen können, die zu anderen Schuldsprüchen führen würden.
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3. Die Aufhebung des Urteils im Fall 1 der Urteilsgründe führt zum Wegfall der gegenüber den Angeklagten H. und E. verhängten Einzelstrafen und bedingt die Aufhebung der Gesamtstrafen. Aus den Schuldspruchänderungen im Fall 2 der Urteilsgründe folgt darüber hinaus die Aufhebung der insoweit verhängten (Einzel-)Strafen gegenüber allen drei Angeklagten. Dies folgt hinsichtlich des Angeklagten H. bereits daraus, dass der Qualifikationstatbestand , aus dessen - gemilderten - Strafrahmen die Strafkammer die Strafe entnommen hat, nicht erfüllt ist. Hinsichtlich der Angeklagten A. und E. hat das Landgericht - wie bei dem Angeklagten H. im Übrigen auch - zudem straferschwerend berücksichtigt, dass durch die Tat mehrere Personen verletzt wurden, was indes - wie dargelegt - nicht der Fall ist. Der Senat kann deshalb nicht ausschließen, dass die Strafkammer unter Zugrundelegung der zutreffenden Schuldsprüche zu niedrigeren (Einzel-)Strafen gelangt wäre.
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Die zu den Strafaussprüchen getroffenen Feststellungen sind von den Rechtsfehlern indes nicht betroffen und können deshalb bestehen bleiben.
Becker Gericke Spaniol
Tiemann Berg

(1) Wer die Körperverletzung

1.
durch Beibringung von Gift oder anderen gesundheitsschädlichen Stoffen,
2.
mittels einer Waffe oder eines anderen gefährlichen Werkzeugs,
3.
mittels eines hinterlistigen Überfalls,
4.
mit einem anderen Beteiligten gemeinschaftlich oder
5.
mittels einer das Leben gefährdenden Behandlung
begeht, wird mit Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu zehn Jahren, in minder schweren Fällen mit Freiheitsstrafe von drei Monaten bis zu fünf Jahren bestraft.

(2) Der Versuch ist strafbar.

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Die Abgrenzung von Täterschaft und Teilnahme richtet sich auch im Bereich des § 224 Abs. 1 Nr. 4 StGB - sowohl hinsichtlich der an den Körperverletzungshandlungen unmittelbar Beteiligten, als auch der Außenstehenden und Abwesenden - nach den allgemeinen Regeln (vgl. BGH, Beschlüsse vom 25. März 2010 - 4 StR 522/09, NStZ-RR 2010, 236; vom 16. Mai 2012 - 3 StR 68/12, NStZ-RR 2012, 270). Insbesondere macht Gemeinschaftlichkeit im Sinne des § 224 Abs. 1 Nr. 4 StGB aus einer Beihilfe keine Täterschaft (BGH, Beschluss vom 22. Oktober 2008 - 2 StR 286/08, NStZ-RR 2009, 10). Bei Beteiligung mehrerer Personen, von denen nicht jede sämtliche Tatbestandsmerkma- le verwirklicht, handelt mittäterschaftlich, wer seinen eigenen Tatbeitrag so in die gemeinschaftliche Tat einfügt, dass er als Teil der Handlung eines anderen Beteiligten und umgekehrt dessen Tun als Ergänzung des eigenen Tatanteils erscheint. Ob ein Beteiligter ein so enges Verhältnis zur Tat hat, ist nach den gesamten Umständen, die von seiner Vorstellung umfasst sind, in wertender Betrachtung zu beurteilen. Wesentliche Anhaltspunkte können dabei der Grad des eigenen Interesses am Taterfolg, der Umfang der Tatbeteiligung und die Tatherrschaft oder wenigstens der Wille zur Tatherrschaft sein (BGH, Urteil vom 15. Januar 1991 - 5 StR 492/90, BGHSt 37, 289, 291).

(1) Wer die Körperverletzung

1.
durch Beibringung von Gift oder anderen gesundheitsschädlichen Stoffen,
2.
mittels einer Waffe oder eines anderen gefährlichen Werkzeugs,
3.
mittels eines hinterlistigen Überfalls,
4.
mit einem anderen Beteiligten gemeinschaftlich oder
5.
mittels einer das Leben gefährdenden Behandlung
begeht, wird mit Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu zehn Jahren, in minder schweren Fällen mit Freiheitsstrafe von drei Monaten bis zu fünf Jahren bestraft.

(2) Der Versuch ist strafbar.

(1) Die Kosten eines zurückgenommenen oder erfolglos eingelegten Rechtsmittels treffen den, der es eingelegt hat. Hat der Beschuldigte das Rechtsmittel erfolglos eingelegt oder zurückgenommen, so sind ihm die dadurch dem Nebenkläger oder dem zum Anschluß als Nebenkläger Berechtigten in Wahrnehmung seiner Befugnisse nach § 406h erwachsenen notwendigen Auslagen aufzuerlegen. Hat im Falle des Satzes 1 allein der Nebenkläger ein Rechtsmittel eingelegt oder durchgeführt, so sind ihm die dadurch erwachsenen notwendigen Auslagen des Beschuldigten aufzuerlegen. Für die Kosten des Rechtsmittels und die notwendigen Auslagen der Beteiligten gilt § 472a Abs. 2 entsprechend, wenn eine zulässig erhobene sofortige Beschwerde nach § 406a Abs. 1 Satz 1 durch eine den Rechtszug abschließende Entscheidung unzulässig geworden ist.

(2) Hat im Falle des Absatzes 1 die Staatsanwaltschaft das Rechtsmittel zuungunsten des Beschuldigten oder eines Nebenbeteiligten (§ 424 Absatz 1, §§ 439, 444 Abs. 1 Satz 1) eingelegt, so sind die ihm erwachsenen notwendigen Auslagen der Staatskasse aufzuerlegen. Dasselbe gilt, wenn das von der Staatsanwaltschaft zugunsten des Beschuldigten oder eines Nebenbeteiligten eingelegte Rechtsmittel Erfolg hat.

(3) Hat der Beschuldigte oder ein anderer Beteiligter das Rechtsmittel auf bestimmte Beschwerdepunkte beschränkt und hat ein solches Rechtsmittel Erfolg, so sind die notwendigen Auslagen des Beteiligten der Staatskasse aufzuerlegen.

(4) Hat das Rechtsmittel teilweise Erfolg, so hat das Gericht die Gebühr zu ermäßigen und die entstandenen Auslagen teilweise oder auch ganz der Staatskasse aufzuerlegen, soweit es unbillig wäre, die Beteiligten damit zu belasten. Dies gilt entsprechend für die notwendigen Auslagen der Beteiligten.

(5) Ein Rechtsmittel gilt als erfolglos, soweit eine Anordnung nach § 69 Abs. 1 oder § 69b Abs. 1 des Strafgesetzbuches nur deshalb nicht aufrechterhalten wird, weil ihre Voraussetzungen wegen der Dauer einer vorläufigen Entziehung der Fahrerlaubnis (§ 111a Abs. 1) oder einer Verwahrung, Sicherstellung oder Beschlagnahme des Führerscheins (§ 69a Abs. 6 des Strafgesetzbuches) nicht mehr vorliegen.

(6) Die Absätze 1 bis 4 gelten entsprechend für die Kosten und die notwendigen Auslagen, die durch einen Antrag

1.
auf Wiederaufnahme des durch ein rechtskräftiges Urteil abgeschlossenen Verfahrens oder
2.
auf ein Nachverfahren (§ 433)
verursacht worden sind.

(7) Die Kosten der Wiedereinsetzung in den vorigen Stand fallen dem Antragsteller zur Last, soweit sie nicht durch einen unbegründeten Widerspruch des Gegners entstanden sind.