Bundesgerichtshof Beschluss, 05. Mai 2009 - 3 StR 96/09

bei uns veröffentlicht am05.05.2009

Gericht

Bundesgerichtshof


Der Bundesgerichtshof (BGH) ist das höchste Gericht der ordentlichen Gerichtsbarkeit in Deutschland.  Der BGH besteht aus 16 Senaten, die jeweils von einem Vorsitzenden und mehreren anderen Richtern geleitet werden. Die Zusammensetzung der Senate

Richter

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
3 StR 96/09
vom
5. Mai 2009
in der Strafsache
gegen
wegen Körperverletzung u. a.
Der 3. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat auf Antrag des Generalbundesanwalts
und nach Anhörung des Beschwerdeführers am 5. Mai 2009 gemäß
§ 349 Abs. 2 und 4 StPO einstimmig beschlossen:
1. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Düsseldorf vom 15. September 2008
a) im Strafausspruch dahin berichtigt, dass der Angeklagte zu einer Gesamtfreiheitsstrafe verurteilt ist,
b) im Maßregelausspruch mit den zugehörigen Feststellungen aufgehoben.
Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels , an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.
2. Die weitergehende Revision wird verworfen.

Gründe:


1
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen Körperverletzung in zwei Fällen, davon in einem Fall in Tateinheit mit Bedrohung zu einer "Freiheitsstrafe" von drei Jahren und sechs Monaten verurteilt sowie die Sicherungsverwah- rung angeordnet. Hiergegen richtet sich die Revision des Angeklagten mit Verfahrensrügen und sachlichrechtlichen Beanstandungen. Das Rechtsmittel hat den aus der Entscheidungsformel ersichtlichen Teilerfolg.
2
1. Die Nachprüfung des Schuld- und Strafausspruchs hat keinen durchgreifenden Rechtsfehler zum Nachteil des Angeklagten ergeben. Der Strafausspruch bedarf lediglich der Korrektur dahin, dass der Angeklagte - wie das Landgericht in den Urteilsgründen zutreffend ausgeführt hat - zu einer Gesamtfreiheitsstrafe verurteilt ist.
3
2. Die Anordnung der Sicherungsverwahrung hat bereits auf die Sachrüge keinen Bestand, weil das Landgericht die Prüfung unterlassen hat, ob gegen den Angeklagten die Unterbringung in einer Entziehungsanstalt (§ 64 StGB) anzuordnen ist und ob diese Maßregel allein ausreicht, die angenommene Gefährlichkeit des Angeklagten zu beseitigen (§ 72 Abs. 1 StGB). Auf die Verfahrensrügen , die ausschließlich im Zusammenhang mit der Maßregelanordnung stehen, kommt es deshalb nicht an.
4
Nach den Feststellungen des Landgerichts begann der Angeklagte während seines Grundwehrdienstes bei der Bundeswehr mit dem übermäßigen Konsum von Alkohol. Einige Zeit später verlor er seinen Arbeitsplatz infolge seines Trinkverhaltens und ging in der Folgezeit keiner Beschäftigung mehr nach, sondern sprach weiterhin in erheblichem Umfang dem Alkohol zu. Er war bei zwei der zu hohen Vorstrafen führenden Taten (1985 und 1993) jeweils stark alkoholisiert. Auch die beiden verfahrensgegenständlichen Handlungen - er schlug dem Bewohner einer Notunterkunft nach gemeinsamem Alkoholkonsum bei zwei Gelegenheiten mehrfach mit der Faust ins Gesicht - beging der Angeklagte jeweils mit einer Blutalkoholkonzentration von etwas mehr als zwei Promille. Das Landgericht hat dieser Alkoholisierung keine die Schuldfähigkeit des Angeklagten zur Tatzeit erheblich beeinträchtigende Wirkung beigemessen und dies - in Übereinstimmung mit dem Sachverständigen und insoweit ohne Rechtsfehler - damit begründet, dass der Angeklagte alkoholgewohnt war.
5
Danach liegt es nahe, dass der Angeklagte einen Hang hat, alkoholische Getränke im Übermaß zu sich zu nehmen, und die Taten auf diesen Hang zurückgehen. Anhaltspunkte, die gegen die hinreichende Erfolgsaussicht einer Entwöhnungstherapie sprechen, sind dem Urteil nicht zu entnehmen. Das Landgericht hätte deshalb die Unterbringung nach § 64 StGB in den Urteilsgründen erörtern müssen. Hinzu kommt, dass vorliegend die Unterbringung in der den Angeklagten wesentlich stärker belastenden Maßregel nach § 66 StGB im Raum steht.
6
3. Der Senat war trotz des weitergehenden, auf ein Entfallen der Maßregel der Sicherungsverwahrung gerichteten Antrags des Generalbundesanwalts nicht gehindert, im Beschlusswege zu entscheiden. Die Befugnis des Revisionsgerichts , nach Urteilsaufhebung die Sache zurückzuverweisen oder in der Sache selbst zu entscheiden, richtet sich ausschließlich nach § 354 StPO; sie setzt - mit Ausnahme der hier nicht einschlägigen Fallvarianten des § 354 Abs. 1 4. Alt., Abs. 1 a Satz 2 StPO - keinen entsprechenden Antrag der Staatsanwaltschaft voraus (vgl. BGH, Beschl. vom 10. Februar 2004 - 4 StR 24/04 - juris).
7
4. Für den Fortgang des Verfahrens sieht der Senat Anlass zu folgenden ergänzenden Bemerkungen:
8
a) Die nach § 66 Abs. 1 Nr. 1 StGB erforderlichen zwei Vortaten sind - entgegen der Annahme des Landgerichts - nicht in der Trunkenheitsfahrt am 30. November 1985 (abgeurteilt mit einer Freiheitsstrafe von zwei Jahren und neun Monaten durch Urteil vom 20. März 1986) und in der schweren räuberischen Erpressung am 23. Oktober 1985 (abgeurteilt mit einer Freiheitsstrafe von sechs Jahren durch Urteil vom 25. Januar 1988) zu finden. Sicherungsverwahrung nach § 66 Abs. 1 Nr. 1 StGB darf nur angeordnet werden, wenn die zur zweiten Verurteilung führende Tat nach Rechtskraft der ersten Vorverurteilung begangen worden ist (BGHSt 35, 6, 12; 38, 258). Diese formelle Voraussetzung wird aber von jeder der beiden Taten in Verbindung mit dem von dem Angeklagten im Januar 1993 begangenen Tötungsdelikt erfüllt.
9
b) Zur Anordnung einer Unterbringung in der Entziehungsanstalt anstelle oder neben der Sicherungsverwahrung verweist der Senat auf seine Entscheidungen NStZ 2007, 328; StV 2008, 300 sowie sein Urteil vom 12. Februar 2009 - 3 StR 569/08.
10
c) Zum Beleg der formellen Voraussetzungen der Sicherungsverwahrung und des Hangs im Sinne von § 66 Abs. 1 Nr. 3 StGB empfiehlt es sich, die entscheidenden Vortaten und Vorstrafen in gestraffter und auf das Wesentliche konzentrierter Form darzustellen. Die weitergehende, wörtliche Wiedergabe der Feststellungen aus den Vorverurteilungen verursacht unnötige Schreibarbeit und beeinträchtigt die Verständlichkeit des Urteils. Gleiches gilt für die vollständige Wiedergabe aller Eintragungen im Bundeszentralregister. Sofern es für die Darstellung der Persönlichkeitsentwicklung des Angeklagten von Belang ist, wann dieser erstmals strafrechtlich in Erscheinung getreten ist, reicht auch eine zusammenfassende Schilderung.
Becker Pfister RiBGH von Lienen befindet sich im Urlaub und ist daher gehindert zu unterschreiben. Becker Hubert Schäfer

Urteilsbesprechung zu Bundesgerichtshof Beschluss, 05. Mai 2009 - 3 StR 96/09

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Referenzen - Gesetze

Strafprozeßordnung - StPO | § 349 Entscheidung ohne Hauptverhandlung durch Beschluss


(1) Erachtet das Revisionsgericht die Vorschriften über die Einlegung der Revision oder die über die Anbringung der Revisionsanträge nicht für beobachtet, so kann es das Rechtsmittel durch Beschluß als unzulässig verwerfen. (2) Das Revisionsgeric

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(1) Erfolgt die Aufhebung des Urteils nur wegen Gesetzesverletzung bei Anwendung des Gesetzes auf die dem Urteil zugrunde liegenden Feststellungen, so hat das Revisionsgericht in der Sache selbst zu entscheiden, sofern ohne weitere tatsächliche Erört

Strafgesetzbuch - StGB | § 64 Unterbringung in einer Entziehungsanstalt


Hat eine Person den Hang, alkoholische Getränke oder andere berauschende Mittel im Übermaß zu sich zu nehmen, und wird sie wegen einer rechtswidrigen Tat, die sie im Rausch begangen hat oder die auf ihren Hang zurückgeht, verurteilt oder nur deshalb

Strafgesetzbuch - StGB | § 66 Unterbringung in der Sicherungsverwahrung


(1) Das Gericht ordnet neben der Strafe die Sicherungsverwahrung an, wenn 1. jemand zu Freiheitsstrafe von mindestens zwei Jahren wegen einer vorsätzlichen Straftat verurteilt wird, die a) sich gegen das Leben, die körperliche Unversehrtheit, die per
Bundesgerichtshof Beschluss, 05. Mai 2009 - 3 StR 96/09 zitiert 6 §§.

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(1) Sind die Voraussetzungen für mehrere Maßregeln erfüllt, ist aber der erstrebte Zweck durch einzelne von ihnen zu erreichen, so werden nur sie angeordnet. Dabei ist unter mehreren geeigneten Maßregeln denen der Vorzug zu geben, die den Täter am we

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(1) Erachtet das Revisionsgericht die Vorschriften über die Einlegung der Revision oder die über die Anbringung der Revisionsanträge nicht für beobachtet, so kann es das Rechtsmittel durch Beschluß als unzulässig verwerfen.

(2) Das Revisionsgericht kann auf einen Antrag der Staatsanwaltschaft, der zu begründen ist, auch dann durch Beschluß entscheiden, wenn es die Revision einstimmig für offensichtlich unbegründet erachtet.

(3) Die Staatsanwaltschaft teilt den Antrag nach Absatz 2 mit den Gründen dem Beschwerdeführer mit. Der Beschwerdeführer kann binnen zwei Wochen eine schriftliche Gegenerklärung beim Revisionsgericht einreichen.

(4) Erachtet das Revisionsgericht die zugunsten des Angeklagten eingelegte Revision einstimmig für begründet, so kann es das angefochtene Urteil durch Beschluß aufheben.

(5) Wendet das Revisionsgericht Absatz 1, 2 oder 4 nicht an, so entscheidet es über das Rechtsmittel durch Urteil.

Hat eine Person den Hang, alkoholische Getränke oder andere berauschende Mittel im Übermaß zu sich zu nehmen, und wird sie wegen einer rechtswidrigen Tat, die sie im Rausch begangen hat oder die auf ihren Hang zurückgeht, verurteilt oder nur deshalb nicht verurteilt, weil ihre Schuldunfähigkeit erwiesen oder nicht auszuschließen ist, so soll das Gericht die Unterbringung in einer Entziehungsanstalt anordnen, wenn die Gefahr besteht, dass sie infolge ihres Hanges erhebliche rechtswidrige Taten begehen wird. Die Anordnung ergeht nur, wenn eine hinreichend konkrete Aussicht besteht, die Person durch die Behandlung in einer Entziehungsanstalt innerhalb der Frist nach § 67d Absatz 1 Satz 1 oder 3 zu heilen oder über eine erhebliche Zeit vor dem Rückfall in den Hang zu bewahren und von der Begehung erheblicher rechtswidriger Taten abzuhalten, die auf ihren Hang zurückgehen.

(1) Sind die Voraussetzungen für mehrere Maßregeln erfüllt, ist aber der erstrebte Zweck durch einzelne von ihnen zu erreichen, so werden nur sie angeordnet. Dabei ist unter mehreren geeigneten Maßregeln denen der Vorzug zu geben, die den Täter am wenigsten beschweren.

(2) Im übrigen werden die Maßregeln nebeneinander angeordnet, wenn das Gesetz nichts anderes bestimmt.

(3) Werden mehrere freiheitsentziehende Maßregeln angeordnet, so bestimmt das Gericht die Reihenfolge der Vollstreckung. Vor dem Ende des Vollzugs einer Maßregel ordnet das Gericht jeweils den Vollzug der nächsten an, wenn deren Zweck die Unterbringung noch erfordert. § 67c Abs. 2 Satz 4 und 5 ist anzuwenden.

Hat eine Person den Hang, alkoholische Getränke oder andere berauschende Mittel im Übermaß zu sich zu nehmen, und wird sie wegen einer rechtswidrigen Tat, die sie im Rausch begangen hat oder die auf ihren Hang zurückgeht, verurteilt oder nur deshalb nicht verurteilt, weil ihre Schuldunfähigkeit erwiesen oder nicht auszuschließen ist, so soll das Gericht die Unterbringung in einer Entziehungsanstalt anordnen, wenn die Gefahr besteht, dass sie infolge ihres Hanges erhebliche rechtswidrige Taten begehen wird. Die Anordnung ergeht nur, wenn eine hinreichend konkrete Aussicht besteht, die Person durch die Behandlung in einer Entziehungsanstalt innerhalb der Frist nach § 67d Absatz 1 Satz 1 oder 3 zu heilen oder über eine erhebliche Zeit vor dem Rückfall in den Hang zu bewahren und von der Begehung erheblicher rechtswidriger Taten abzuhalten, die auf ihren Hang zurückgehen.

(1) Das Gericht ordnet neben der Strafe die Sicherungsverwahrung an, wenn

1.
jemand zu Freiheitsstrafe von mindestens zwei Jahren wegen einer vorsätzlichen Straftat verurteilt wird, die
a)
sich gegen das Leben, die körperliche Unversehrtheit, die persönliche Freiheit oder die sexuelle Selbstbestimmung richtet,
b)
unter den Ersten, Siebenten, Zwanzigsten oder Achtundzwanzigsten Abschnitt des Besonderen Teils oder unter das Völkerstrafgesetzbuch oder das Betäubungsmittelgesetz fällt und im Höchstmaß mit Freiheitsstrafe von mindestens zehn Jahren bedroht ist oder
c)
den Tatbestand des § 145a erfüllt, soweit die Führungsaufsicht auf Grund einer Straftat der in den Buchstaben a oder b genannten Art eingetreten ist, oder den Tatbestand des § 323a, soweit die im Rausch begangene rechtswidrige Tat eine solche der in den Buchstaben a oder b genannten Art ist,
2.
der Täter wegen Straftaten der in Nummer 1 genannten Art, die er vor der neuen Tat begangen hat, schon zweimal jeweils zu einer Freiheitsstrafe von mindestens einem Jahr verurteilt worden ist,
3.
er wegen einer oder mehrerer dieser Taten vor der neuen Tat für die Zeit von mindestens zwei Jahren Freiheitsstrafe verbüßt oder sich im Vollzug einer freiheitsentziehenden Maßregel der Besserung und Sicherung befunden hat und
4.
die Gesamtwürdigung des Täters und seiner Taten ergibt, dass er infolge eines Hanges zu erheblichen Straftaten, namentlich zu solchen, durch welche die Opfer seelisch oder körperlich schwer geschädigt werden, zum Zeitpunkt der Verurteilung für die Allgemeinheit gefährlich ist.
Für die Einordnung als Straftat im Sinne von Satz 1 Nummer 1 Buchstabe b gilt § 12 Absatz 3 entsprechend, für die Beendigung der in Satz 1 Nummer 1 Buchstabe c genannten Führungsaufsicht § 68b Absatz 1 Satz 4.

(2) Hat jemand drei Straftaten der in Absatz 1 Satz 1 Nummer 1 genannten Art begangen, durch die er jeweils Freiheitsstrafe von mindestens einem Jahr verwirkt hat, und wird er wegen einer oder mehrerer dieser Taten zu Freiheitsstrafe von mindestens drei Jahren verurteilt, so kann das Gericht unter der in Absatz 1 Satz 1 Nummer 4 bezeichneten Voraussetzung neben der Strafe die Sicherungsverwahrung auch ohne frühere Verurteilung oder Freiheitsentziehung (Absatz 1 Satz 1 Nummer 2 und 3) anordnen.

(3) Wird jemand wegen eines die Voraussetzungen nach Absatz 1 Satz 1 Nummer 1 Buchstabe a oder b erfüllenden Verbrechens oder wegen einer Straftat nach § 89a Absatz 1 bis 3, § 89c Absatz 1 bis 3, § 129a Absatz 5 Satz 1 erste Alternative, auch in Verbindung mit § 129b Absatz 1, den §§ 174 bis 174c, 176a, 176b, 177 Absatz 2 Nummer 1, Absatz 3 und 6, §§ 180, 182, 224, 225 Abs. 1 oder 2 oder wegen einer vorsätzlichen Straftat nach § 323a, soweit die im Rausch begangene Tat eine der vorgenannten rechtswidrigen Taten ist, zu Freiheitsstrafe von mindestens zwei Jahren verurteilt, so kann das Gericht neben der Strafe die Sicherungsverwahrung anordnen, wenn der Täter wegen einer oder mehrerer solcher Straftaten, die er vor der neuen Tat begangen hat, schon einmal zu Freiheitsstrafe von mindestens drei Jahren verurteilt worden ist und die in Absatz 1 Satz 1 Nummer 3 und 4 genannten Voraussetzungen erfüllt sind. Hat jemand zwei Straftaten der in Satz 1 bezeichneten Art begangen, durch die er jeweils Freiheitsstrafe von mindestens zwei Jahren verwirkt hat und wird er wegen einer oder mehrerer dieser Taten zu Freiheitsstrafe von mindestens drei Jahren verurteilt, so kann das Gericht unter den in Absatz 1 Satz 1 Nummer 4 bezeichneten Voraussetzungen neben der Strafe die Sicherungsverwahrung auch ohne frühere Verurteilung oder Freiheitsentziehung (Absatz 1 Satz 1 Nummer 2 und 3) anordnen. Die Absätze 1 und 2 bleiben unberührt.

(4) Im Sinne des Absatzes 1 Satz 1 Nummer 2 gilt eine Verurteilung zu Gesamtstrafe als eine einzige Verurteilung. Ist Untersuchungshaft oder eine andere Freiheitsentziehung auf Freiheitsstrafe angerechnet, so gilt sie als verbüßte Strafe im Sinne des Absatzes 1 Satz 1 Nummer 3. Eine frühere Tat bleibt außer Betracht, wenn zwischen ihr und der folgenden Tat mehr als fünf Jahre verstrichen sind; bei Straftaten gegen die sexuelle Selbstbestimmung beträgt die Frist fünfzehn Jahre. In die Frist wird die Zeit nicht eingerechnet, in welcher der Täter auf behördliche Anordnung in einer Anstalt verwahrt worden ist. Eine Tat, die außerhalb des räumlichen Geltungsbereichs dieses Gesetzes abgeurteilt worden ist, steht einer innerhalb dieses Bereichs abgeurteilten Tat gleich, wenn sie nach deutschem Strafrecht eine Straftat der in Absatz 1 Satz 1 Nummer 1, in den Fällen des Absatzes 3 der in Absatz 3 Satz 1 bezeichneten Art wäre.

(1) Erfolgt die Aufhebung des Urteils nur wegen Gesetzesverletzung bei Anwendung des Gesetzes auf die dem Urteil zugrunde liegenden Feststellungen, so hat das Revisionsgericht in der Sache selbst zu entscheiden, sofern ohne weitere tatsächliche Erörterungen nur auf Freisprechung oder auf Einstellung oder auf eine absolut bestimmte Strafe zu erkennen ist oder das Revisionsgericht in Übereinstimmung mit dem Antrag der Staatsanwaltschaft die gesetzlich niedrigste Strafe oder das Absehen von Strafe für angemessen erachtet.

(1a) Wegen einer Gesetzesverletzung nur bei Zumessung der Rechtsfolgen kann das Revisionsgericht von der Aufhebung des angefochtenen Urteils absehen, sofern die verhängte Rechtsfolge angemessen ist. Auf Antrag der Staatsanwaltschaft kann es die Rechtsfolgen angemessen herabsetzen.

(1b) Hebt das Revisionsgericht das Urteil nur wegen Gesetzesverletzung bei Bildung einer Gesamtstrafe (§§ 53, 54, 55 des Strafgesetzbuches) auf, kann dies mit der Maßgabe geschehen, dass eine nachträgliche gerichtliche Entscheidung über die Gesamtstrafe nach den §§ 460, 462 zu treffen ist. Entscheidet das Revisionsgericht nach Absatz 1 oder Absatz 1a hinsichtlich einer Einzelstrafe selbst, gilt Satz 1 entsprechend. Die Absätze 1 und 1a bleiben im Übrigen unberührt.

(2) In anderen Fällen ist die Sache an eine andere Abteilung oder Kammer des Gerichtes, dessen Urteil aufgehoben wird, oder an ein zu demselben Land gehörendes anderes Gericht gleicher Ordnung zurückzuverweisen. In Verfahren, in denen ein Oberlandesgericht im ersten Rechtszug entschieden hat, ist die Sache an einen anderen Senat dieses Gerichts zurückzuverweisen.

(3) Die Zurückverweisung kann an ein Gericht niederer Ordnung erfolgen, wenn die noch in Frage kommende strafbare Handlung zu dessen Zuständigkeit gehört.

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
4 StR 24/04
vom
10. Februar 2004
in der Strafsache
gegen
wegen schwerer räuberischer Erpressung u.a.
Der 4. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat nach Anhörung des Generalbundesanwalts
und des Beschwerdeführers am 10. Februar 2004 gemäß § 349
Abs. 2 und 4 StPO beschlossen:
1. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Arnsberg vom 16. September 2003 im Maßregelausspruch mit den zugehörigen Feststellungen aufgehoben.
2. Insoweit wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung , auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.
3. Die weiter gehende Revision wird verworfen.

Gründe:


Das Landgericht hat den Angeklagten wegen schwerer räuberischer Erpressung in drei Fällen, versuchter schwerer räuberischer Erpressung und schweren Raubes zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von fünf Jahren verurteilt. Ferner hat es seine Fahrerlaubnis entzogen, seinen Führerschein eingezogen und bestimmt, daß ihm vor Ablauf von zwei Jahren keine neue Fahrerlaubnis erteilt werden darf.
1. Die Revision des Angeklagten, mit der er die Verletzung formellen und materiellen Rechts rügt, ist zum Schuld- und Strafausspruch unbegründet
im Sinne des § 349 Abs. 2 StPO, weil die Überprüfung des Urteils aufgrund der Revisionsrechtfertigung insoweit keinen Rechtsfehler zum Nachteil des Angeklagten ergeben hat.
2. Die Entscheidung über die Entziehung der Fahrerlaubnis hat hingegen keinen Bestand.
Das Landgericht hat hierzu ausgeführt, der Angeklagte habe sich durch sein Verhalten, „insbesondere durch den Einsatz seines PKWs und des Fahrzeugs seiner damaligen Freundin“ als ungeeignet zum Führen von Kraftfahrzeugen im Sinne des § 69 Abs. 1 StGB erwiesen. Der Umstand, daß er die Fahrzeuge gezielt zur Durchführung der Straftaten eingesetzt habe, indiziere im Hinblick auf das Gewicht der Taten und die Bedeutung des Einsatzes der Kraftfahrzeuge bei den Überfällen bereits für sich genommen seine charakterliche Unzuverlässigkeit und damit seine Ungeeignetheit.
Diese Erwägungen tragen die Entscheidung nicht. Zutreffend ist zwar der rechtliche Ausgangspunkt des Landgerichts, daß § 69 Abs. 1 StGB nicht nur bei Verkehrsverstößen im engeren Sinne, sondern auch bei sonstigen strafbaren Handlungen anwendbar ist, sofern sie im Zusammenhang mit dem Führen eines Kraftfahrzeugs begangen werden und sich daraus die mangelnde Eignung zum Führen von Kraftfahrzeugen ergibt. Anders als bei der Begehung einer der in § 69 Abs. 2 StGB aufgeführten rechtswidrigen Taten begründet jedoch allein der Umstand, daß der Täter ein Kraftfahrzeug zur Begehung von Straftaten benutzt hat, nicht bereits eine Regelvermutung für seine charakterliche Unzuverlässigkeit zum Führen von Kraftfahrzeugen; deshalb verlangt die Rechtsprechung in diesen Fällen regelmäßig eine nähere Begründung der Ent-
scheidung aufgrund einer umfassenden Gesamtwürdigung (st. Rspr.; vgl. BGHR StGB § 69 Abs. 1 Entziehung 5 und 8; Senatsbeschlüsse vom 22. Oktober 2002 - 4 StR 339/02 = NZV 2003, 46 und 5. November 2002 – 4 StR 406/02 = NZV 2003, 199). Dieser Anforderung genügt die pauschale Würdigung , mit der das Landgericht die Annahme der Ungeeignetheit im Sinne des § 69 Abs. 1 StGB begründet hat, nicht, und zwar ungeachtet der weiteren (streitigen) Frage, ob zwischen den einzelnen Taten und der Verkehrssicherheit ein (verkehrsspezifischer) Zusammenhang zu fordern ist (vgl. hierzu den Anfragebeschluß des Senats vom 16. September 2003 – 4 StR 85/03 = DAR 2003, 563 sowie BGH, Beschluß vom 26. September 2003 – 2 StR 161/03 = NStZ 2004, 144).
Dem steht nicht die vom Landgericht herangezogene Entscheidung des Bundesgerichtshofes (Beschluß vom 14. Mai 2003 – 1 StR 113/03, abgedruckt in NStZ 2003, 658) entgegen. Dort hat zwar der 1. Strafsenat die Auffassung vertreten, daß bei bestimmten schweren Straftaten, die unter Benutzung eines Kraftfahrzeuges begangen werden, in aller Regel die charakterliche Eignung des Täters zum Führen von Kraftfahrzeugen verneint werden müsse. Hierzu zähle etwa auch die Nutzung des Kraftfahrzeuges zur Flucht mit der Beute durch den Räuber oder den räuberischen Erpresser. Allerdings hat er weiterhin ausgeführt, daß auch in derartigen Fällen der Umfang der tatrichterlichen Begründungspflicht von den jeweiligen Umständen des Einzelfalls, insbesondere von der Täterpersönlichkeit und vom Gewicht der Tat abhänge. Angesichts der vom Landgericht angeführten zahlreichen Strafmilderungsgründe (vgl. UA 13 bis 15), die die Persönlichkeit des Angeklagten und seine Beteiligung an den Taten zum Gegenstand haben, hätte auch bei Zugrundelegung dieser
Rechtsauffassung die Annahme der Ungeeignetheit zum Führen von Kraftfahrzeugen näherer Darlegung bedurft.
3. Die Entziehung der Fahrerlaubnis bedarf daher erneuter tatrichterlicher Prüfung und Entscheidung. Der Senat vermag nicht auszuschließen, daß sich aufgrund der neuen Hauptverhandlung noch Umstände ergeben können, die eine Ungeeignetheitsprognose im Sinne des § 69 Abs. 1 StGB rechtfertigen und deshalb den Maßregelausspruch tragen könnten. Er war trotz des weitergehenden , auf Entfall der Maßregel gerichteten Antrags des Generalbundesanwalts nicht gehindert, im Beschlußwege wie geschehen zu entscheiden. Die Befugnis des Revisionsgerichts, nach Urteilsaufhebung die Sache zurückverweisen oder in der Sache selbst zu entscheiden, richtet sich ausschließlich nach § 354 StPO; sie setzt - mit Ausnahme der hier nicht einschlägigen Fallvarianten des § 354 Abs. 1 4. Alt. StPO – keinen entsprechenden Antrag der Staatsanwaltschaft voraus.
Tepperwien Kuckein Athing

(1) Das Gericht ordnet neben der Strafe die Sicherungsverwahrung an, wenn

1.
jemand zu Freiheitsstrafe von mindestens zwei Jahren wegen einer vorsätzlichen Straftat verurteilt wird, die
a)
sich gegen das Leben, die körperliche Unversehrtheit, die persönliche Freiheit oder die sexuelle Selbstbestimmung richtet,
b)
unter den Ersten, Siebenten, Zwanzigsten oder Achtundzwanzigsten Abschnitt des Besonderen Teils oder unter das Völkerstrafgesetzbuch oder das Betäubungsmittelgesetz fällt und im Höchstmaß mit Freiheitsstrafe von mindestens zehn Jahren bedroht ist oder
c)
den Tatbestand des § 145a erfüllt, soweit die Führungsaufsicht auf Grund einer Straftat der in den Buchstaben a oder b genannten Art eingetreten ist, oder den Tatbestand des § 323a, soweit die im Rausch begangene rechtswidrige Tat eine solche der in den Buchstaben a oder b genannten Art ist,
2.
der Täter wegen Straftaten der in Nummer 1 genannten Art, die er vor der neuen Tat begangen hat, schon zweimal jeweils zu einer Freiheitsstrafe von mindestens einem Jahr verurteilt worden ist,
3.
er wegen einer oder mehrerer dieser Taten vor der neuen Tat für die Zeit von mindestens zwei Jahren Freiheitsstrafe verbüßt oder sich im Vollzug einer freiheitsentziehenden Maßregel der Besserung und Sicherung befunden hat und
4.
die Gesamtwürdigung des Täters und seiner Taten ergibt, dass er infolge eines Hanges zu erheblichen Straftaten, namentlich zu solchen, durch welche die Opfer seelisch oder körperlich schwer geschädigt werden, zum Zeitpunkt der Verurteilung für die Allgemeinheit gefährlich ist.
Für die Einordnung als Straftat im Sinne von Satz 1 Nummer 1 Buchstabe b gilt § 12 Absatz 3 entsprechend, für die Beendigung der in Satz 1 Nummer 1 Buchstabe c genannten Führungsaufsicht § 68b Absatz 1 Satz 4.

(2) Hat jemand drei Straftaten der in Absatz 1 Satz 1 Nummer 1 genannten Art begangen, durch die er jeweils Freiheitsstrafe von mindestens einem Jahr verwirkt hat, und wird er wegen einer oder mehrerer dieser Taten zu Freiheitsstrafe von mindestens drei Jahren verurteilt, so kann das Gericht unter der in Absatz 1 Satz 1 Nummer 4 bezeichneten Voraussetzung neben der Strafe die Sicherungsverwahrung auch ohne frühere Verurteilung oder Freiheitsentziehung (Absatz 1 Satz 1 Nummer 2 und 3) anordnen.

(3) Wird jemand wegen eines die Voraussetzungen nach Absatz 1 Satz 1 Nummer 1 Buchstabe a oder b erfüllenden Verbrechens oder wegen einer Straftat nach § 89a Absatz 1 bis 3, § 89c Absatz 1 bis 3, § 129a Absatz 5 Satz 1 erste Alternative, auch in Verbindung mit § 129b Absatz 1, den §§ 174 bis 174c, 176a, 176b, 177 Absatz 2 Nummer 1, Absatz 3 und 6, §§ 180, 182, 224, 225 Abs. 1 oder 2 oder wegen einer vorsätzlichen Straftat nach § 323a, soweit die im Rausch begangene Tat eine der vorgenannten rechtswidrigen Taten ist, zu Freiheitsstrafe von mindestens zwei Jahren verurteilt, so kann das Gericht neben der Strafe die Sicherungsverwahrung anordnen, wenn der Täter wegen einer oder mehrerer solcher Straftaten, die er vor der neuen Tat begangen hat, schon einmal zu Freiheitsstrafe von mindestens drei Jahren verurteilt worden ist und die in Absatz 1 Satz 1 Nummer 3 und 4 genannten Voraussetzungen erfüllt sind. Hat jemand zwei Straftaten der in Satz 1 bezeichneten Art begangen, durch die er jeweils Freiheitsstrafe von mindestens zwei Jahren verwirkt hat und wird er wegen einer oder mehrerer dieser Taten zu Freiheitsstrafe von mindestens drei Jahren verurteilt, so kann das Gericht unter den in Absatz 1 Satz 1 Nummer 4 bezeichneten Voraussetzungen neben der Strafe die Sicherungsverwahrung auch ohne frühere Verurteilung oder Freiheitsentziehung (Absatz 1 Satz 1 Nummer 2 und 3) anordnen. Die Absätze 1 und 2 bleiben unberührt.

(4) Im Sinne des Absatzes 1 Satz 1 Nummer 2 gilt eine Verurteilung zu Gesamtstrafe als eine einzige Verurteilung. Ist Untersuchungshaft oder eine andere Freiheitsentziehung auf Freiheitsstrafe angerechnet, so gilt sie als verbüßte Strafe im Sinne des Absatzes 1 Satz 1 Nummer 3. Eine frühere Tat bleibt außer Betracht, wenn zwischen ihr und der folgenden Tat mehr als fünf Jahre verstrichen sind; bei Straftaten gegen die sexuelle Selbstbestimmung beträgt die Frist fünfzehn Jahre. In die Frist wird die Zeit nicht eingerechnet, in welcher der Täter auf behördliche Anordnung in einer Anstalt verwahrt worden ist. Eine Tat, die außerhalb des räumlichen Geltungsbereichs dieses Gesetzes abgeurteilt worden ist, steht einer innerhalb dieses Bereichs abgeurteilten Tat gleich, wenn sie nach deutschem Strafrecht eine Straftat der in Absatz 1 Satz 1 Nummer 1, in den Fällen des Absatzes 3 der in Absatz 3 Satz 1 bezeichneten Art wäre.

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
3 StR 569/08
vom
12. Februar 2009
in der Strafsache
gegen
wegen versuchten Mordes u. a.
Der 3. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat in der Sitzung vom 12. Februar
2009, an der teilgenommen haben:
Vorsitzender Richter am Bundesgerichtshof
Becker,
die Richter am Bundesgerichtshof
Pfister,
von Lienen,
die Richterin am Bundesgerichtshof
Sost-Scheible,
der Richter am Bundesgerichtshof
Hubert
als beisitzende Richter,
Bundesanwalt beim Bundesgerichtshof
als Vertreter der Bundesanwaltschaft,
Justizamtsinspektor
als Urkundsbeamter der Geschäftsstelle,

für Recht erkannt:
Auf die Revision der Staatsanwaltschaft wird das Urteil des Landgerichts Mönchengladbach vom 16. Juni 2008 im Maßregelausspruch mit den zugehörigen Feststellungen aufgehoben, auch soweit die Anordnung der Unterbringung des Angeklagten H. in der Sicherungsverwahrung unterblieben ist.
Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.
Von Rechts wegen

Gründe:

1
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen versuchten Mordes in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung sowie wegen schweren Raubes zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von zehn Jahren verurteilt, die Unterbringung in einer Entziehungsanstalt angeordnet und bestimmt, dass fünf Jahre Freiheitsstrafe vor der Unterbringung zu vollziehen sind. Die Staatsanwaltschaft wendet sich mit ihrer auf sachlichrechtliche Beanstandungen gestützten Revision gegen das Urteil, soweit die Anordnung der Sicherungsverwahrung unterblieben ist. Das Rechtsmittel führt zur Aufhebung des gesamten Maßregelausspruchs.
2
Nach den Feststellungen des Landgerichts verübte der vielfältig suchtkranke Angeklagte im November 2007 einen Überfall auf eine Apotheke, um Benzodiazepine zu erlangen. Unter Vorhalt einer geladenen Gaspistole erzwang er die Herausgabe von Medikamenten. Anfang Dezember 2007 überfiel er zusammen mit seiner ebenfalls drogenabhängigen Lebensgefährtin, der Mitangeklagten S. , einen ihnen bekannten Drogenhändler in dessen Wohnung. Sie wollten ihm gewaltsam Heroin wegnehmen. Um den Widerstand des ihnen körperlich überlegenen Opfers auszuschalten, nahmen sie ein Messer mit, mit dem der Angeklagte dem ahnungslosen Opfer unmittelbar nach Betreten der Wohnung unvermittelt in die Brust stach und dabei dessen Tod zumindest billigend in Kauf nahm. Obwohl durch einen Stich in die Herzgegend lebensgefährlich verletzt, gelang es dem Überfallenen, dem Angeklagten das Messer zu entwinden, worauf beide Angeklagte flüchteten.
3
Das Landgericht hat nicht ausschließen können, dass die Steuerungsfähigkeit des Angeklagten bei dem Raub aus Angst vor unmittelbar bevorstehenden Entzugserscheinungen sowie bei dem Mordversuch wegen einer akuten Intoxikation erheblich vermindert war. Es hat deshalb einen minder schweren Fall des Raubes angenommen und eine Einzelfreiheitsstrafe von sechs Jahren sowie wegen des Mordversuchs aus dem zweifach gemilderten Strafrahmen des § 211 StGB eine Einzelfreiheitsstrafe von acht Jahren verhängt. Daraus hat es die Gesamtfreiheitsstrafe von zehn Jahren gebildet.
4
Wegen des Hangs des Angeklagten zum Betäubungsmittelmissbrauch, auf dem die verfahrensgegenständlichen Taten beruhen und der mit allergrößter , nahezu hundertprozentiger Wahrscheinlichkeit zu weiteren erheblichen Taten des Angeklagten führen wird, hat das Landgericht die Unterbringung in der Entziehungsanstalt (§ 64 Satz 1 StGB) angeordnet. Deren Erfolgsaussicht (§ 64 Satz 2 StGB) hat es angesichts der Therapiemotivation des Angeklagten als günstig angesehen.
5
Die Anordnung der Sicherungsverwahrung hat das Landgericht im Hinblick auf § 72 Abs. 1 StGB abgelehnt und dies damit begründet, dass nach den Ausführungen des gehörten Sachverständigen, denen es sich angeschlossen hat, "mit höchster Wahrscheinlichkeit davon auszugehen" sei, die Unterbringung in der Entziehungsanstalt sei ausreichend, um die von dem Angeklagten ausgehende Gefahr zu beseitigen. Dass der Angeklagte in der Vergangenheit mehrfach Therapien auf der Grundlage von § 35 BtMG abgebrochen habe, stehe dem nicht entgegen, da diese nicht unter Rahmenbedingungen stattfänden, die für eine erfolgreiche Behandlung des Angeklagten erforderlich seien. Die Möglichkeit, eine Therapie leicht und jederzeit abzubrechen, bestehe bei einer Unterbringung nach § 64 StGB nicht.
6
1. Die Beschränkung des Rechtsmittels auf die Nichtanordnung der Sicherungsverwahrung ist unwirksam. Vorliegend kann die Anordnung der Maßregel nach § 66 StGB nicht getrennt von derjenigen nach § 64 StGB geprüft werden, denn nach den Gründen des angefochtenen Urteils liegt es mehr als nahe, dass allein die vom Landgericht angenommene hohe Wahrscheinlichkeit des Therapieerfolgs der Unterbringung nach § 64 StGB der Anordnung der Sicherungsverwahrung gegen den Angeklagten entgegenstand. Die Revision erfasst deshalb den Maßregelausspruch insgesamt. Darüber hinaus bestehen gegen die Beschränkung indes keine Rechtsbedenken; denn eine Abhängigkeit der Strafhöhe vom Maßregelausspruch ist hier zu verneinen (vgl. BGHR StGB § 66 Strafausspruch 1).
7
2. Die Anordnung der Unterbringung des Angeklagten in einer Entziehungsanstalt nach § 64 StGB hält rechtlicher Nachprüfung nicht stand. Sie ist nur zulässig, wenn eine hinreichend konkrete Aussicht besteht, den Angeklagten durch die Behandlung zu heilen oder eine erhebliche Zeit vor dem Rückfall in den Hang zu bewahren und von der Begehung erheblicher rechtswidriger Taten abzuhalten, die auf seinen Hang zurückgehen. Das Landgericht hat seine Überzeugung von der Erfolgsaussicht auf den gehörten Sachverständigen gestützt. Dieser hat ausgeführt, der Angeklagte sei in der Lage, "eine Therapie mit der Zielsetzung einer dauerhaft abstinenten Lebensführung oder zumindest in Bezug auf Suchtmittelkonsum streng kontrollierten Lebensführung unter Vermeidung eines unkontrollierten und anhaltenden Suchtmittelkonsums zu bewältigen". Er sei "nicht intellektuell beeinträchtigt und weise, abgesehen von seiner Sucht, keine persönlichen Strukturdefizite entsprechend einer Persönlichkeitsveränderung auf" (UA S. 59 f.). Dies widerspricht den Darlegungen des Landgerichts zur erheblich verminderten Steuerungsfähigkeit des Angeklagten zum Zeitpunkt des Mordversuchs. Insoweit hat das Landgericht - ebenfalls den Darlegungen des Sachverständigen folgend - ausgeführt, die Polytoxikomanie des Angeklagten habe zu einer "Persönlichkeitsveränderung" geführt. Der "langjährige Drogenkonsum habe die Lebenssituation des Angeklagten erheblich geprägt und beeinflusst." Dieser befinde sich "seit Jahrzehnten in den Stadien einer Drogenbindung und Drogenkonditionierung." Bei ihm sei aufgrund von "Epilepsieanfällen bei Benzodiazepinentzug … von einer Hirnschädigung auszugehen." Zudem bestehe bei ihm "ein erhebliches persönliches Strukturdefizit" (UA S. 50).
8
Der Widerspruch entzieht der Feststellung einer Erfolgsaussicht im Sinne von § 64 Satz 2 StGB die Grundlage. Über die Verhängung dieser Maßregel ist neu zu entscheiden. Der Wegfall der Unterbringung nach § 64 StGB führt dazu, dass auch über die Frage einer Anordnung der Sicherungsverwahrung nochmals entschieden werden muss (s. oben 1.).
9
3. Sollte der neue Tatrichter nach Beratung durch einen - sinnvollerweise anderen - Sachverständigen (vgl. § 246 a StPO) erneut zur Anordnung der Unterbringung nach § 64 StGB kommen, wird er zu prüfen haben, ob auch die Voraussetzungen der Unterbringung in der Sicherungsverwahrung vorliegen. Diese sind vom Landgericht bislang nicht ausdrücklich festgestellt worden, indes - wie ausgeführt - naheliegend. Das Absehen von der Anordnung der Sicherungsverwahrung im Hinblick auf die Unterbringung in einer Entziehungsanstalt würde ein hohes Maß an prognostischer Sicherheit voraussetzen, dass allein mit der Maßregel nach § 64 StGB die vom Angeklagten ausgehende Gefahr beseitigt werden kann (BGH NStZ 2000, 587 [1 StR 263/00]; 2007, 328 [3 StR 360/06]; NStZ-RR 2008, 336 [4 StR 152/08]). Dabei werden nicht nur die vielfachen Therapieabbrüche in der Vergangenheit (nach den bisherigen Feststellungen mindestens acht), sondern auch der Umstand zu beachten sein, dass der Angeklagte, soweit dies im Urteil mitgeteilt wird, auch mehrfach wegen anderer, mit seiner Polytoxikomanie nicht erkennbar in Zusammenhang stehender Straftaten verurteilt worden und es deswegen als möglich erscheint, dass die Gefährlichkeit des Angeklagten auch von Umständen jenseits seiner Sucht ausgeht.
10
Sofern erneut eine Entscheidung nach § 67 Abs. 2 StGB zu treffen sein wird, verweist der Senat insoweit auf die Gründe seines heutigen, auf die Revision des Angeklagten ergangenen Beschlusses.
Becker Pfister von Lienen
Sost-Scheible Hubert

(1) Das Gericht ordnet neben der Strafe die Sicherungsverwahrung an, wenn

1.
jemand zu Freiheitsstrafe von mindestens zwei Jahren wegen einer vorsätzlichen Straftat verurteilt wird, die
a)
sich gegen das Leben, die körperliche Unversehrtheit, die persönliche Freiheit oder die sexuelle Selbstbestimmung richtet,
b)
unter den Ersten, Siebenten, Zwanzigsten oder Achtundzwanzigsten Abschnitt des Besonderen Teils oder unter das Völkerstrafgesetzbuch oder das Betäubungsmittelgesetz fällt und im Höchstmaß mit Freiheitsstrafe von mindestens zehn Jahren bedroht ist oder
c)
den Tatbestand des § 145a erfüllt, soweit die Führungsaufsicht auf Grund einer Straftat der in den Buchstaben a oder b genannten Art eingetreten ist, oder den Tatbestand des § 323a, soweit die im Rausch begangene rechtswidrige Tat eine solche der in den Buchstaben a oder b genannten Art ist,
2.
der Täter wegen Straftaten der in Nummer 1 genannten Art, die er vor der neuen Tat begangen hat, schon zweimal jeweils zu einer Freiheitsstrafe von mindestens einem Jahr verurteilt worden ist,
3.
er wegen einer oder mehrerer dieser Taten vor der neuen Tat für die Zeit von mindestens zwei Jahren Freiheitsstrafe verbüßt oder sich im Vollzug einer freiheitsentziehenden Maßregel der Besserung und Sicherung befunden hat und
4.
die Gesamtwürdigung des Täters und seiner Taten ergibt, dass er infolge eines Hanges zu erheblichen Straftaten, namentlich zu solchen, durch welche die Opfer seelisch oder körperlich schwer geschädigt werden, zum Zeitpunkt der Verurteilung für die Allgemeinheit gefährlich ist.
Für die Einordnung als Straftat im Sinne von Satz 1 Nummer 1 Buchstabe b gilt § 12 Absatz 3 entsprechend, für die Beendigung der in Satz 1 Nummer 1 Buchstabe c genannten Führungsaufsicht § 68b Absatz 1 Satz 4.

(2) Hat jemand drei Straftaten der in Absatz 1 Satz 1 Nummer 1 genannten Art begangen, durch die er jeweils Freiheitsstrafe von mindestens einem Jahr verwirkt hat, und wird er wegen einer oder mehrerer dieser Taten zu Freiheitsstrafe von mindestens drei Jahren verurteilt, so kann das Gericht unter der in Absatz 1 Satz 1 Nummer 4 bezeichneten Voraussetzung neben der Strafe die Sicherungsverwahrung auch ohne frühere Verurteilung oder Freiheitsentziehung (Absatz 1 Satz 1 Nummer 2 und 3) anordnen.

(3) Wird jemand wegen eines die Voraussetzungen nach Absatz 1 Satz 1 Nummer 1 Buchstabe a oder b erfüllenden Verbrechens oder wegen einer Straftat nach § 89a Absatz 1 bis 3, § 89c Absatz 1 bis 3, § 129a Absatz 5 Satz 1 erste Alternative, auch in Verbindung mit § 129b Absatz 1, den §§ 174 bis 174c, 176a, 176b, 177 Absatz 2 Nummer 1, Absatz 3 und 6, §§ 180, 182, 224, 225 Abs. 1 oder 2 oder wegen einer vorsätzlichen Straftat nach § 323a, soweit die im Rausch begangene Tat eine der vorgenannten rechtswidrigen Taten ist, zu Freiheitsstrafe von mindestens zwei Jahren verurteilt, so kann das Gericht neben der Strafe die Sicherungsverwahrung anordnen, wenn der Täter wegen einer oder mehrerer solcher Straftaten, die er vor der neuen Tat begangen hat, schon einmal zu Freiheitsstrafe von mindestens drei Jahren verurteilt worden ist und die in Absatz 1 Satz 1 Nummer 3 und 4 genannten Voraussetzungen erfüllt sind. Hat jemand zwei Straftaten der in Satz 1 bezeichneten Art begangen, durch die er jeweils Freiheitsstrafe von mindestens zwei Jahren verwirkt hat und wird er wegen einer oder mehrerer dieser Taten zu Freiheitsstrafe von mindestens drei Jahren verurteilt, so kann das Gericht unter den in Absatz 1 Satz 1 Nummer 4 bezeichneten Voraussetzungen neben der Strafe die Sicherungsverwahrung auch ohne frühere Verurteilung oder Freiheitsentziehung (Absatz 1 Satz 1 Nummer 2 und 3) anordnen. Die Absätze 1 und 2 bleiben unberührt.

(4) Im Sinne des Absatzes 1 Satz 1 Nummer 2 gilt eine Verurteilung zu Gesamtstrafe als eine einzige Verurteilung. Ist Untersuchungshaft oder eine andere Freiheitsentziehung auf Freiheitsstrafe angerechnet, so gilt sie als verbüßte Strafe im Sinne des Absatzes 1 Satz 1 Nummer 3. Eine frühere Tat bleibt außer Betracht, wenn zwischen ihr und der folgenden Tat mehr als fünf Jahre verstrichen sind; bei Straftaten gegen die sexuelle Selbstbestimmung beträgt die Frist fünfzehn Jahre. In die Frist wird die Zeit nicht eingerechnet, in welcher der Täter auf behördliche Anordnung in einer Anstalt verwahrt worden ist. Eine Tat, die außerhalb des räumlichen Geltungsbereichs dieses Gesetzes abgeurteilt worden ist, steht einer innerhalb dieses Bereichs abgeurteilten Tat gleich, wenn sie nach deutschem Strafrecht eine Straftat der in Absatz 1 Satz 1 Nummer 1, in den Fällen des Absatzes 3 der in Absatz 3 Satz 1 bezeichneten Art wäre.