Oberlandesgericht Karlsruhe Beschluss, 16. Nov. 2015 - 2 (7) Ss 571/15; 2 (7) Ss 571/15 - AK 170/15

bei uns veröffentlicht am16.11.2015

Tenor

1. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Amtsgerichts - Strafrichter - Freiburg vom 8. Juli 2015

- im Schuldspruch dahin berichtigt, dass der Angeklagte der Körperverletzung und der versuchten gefährlichen Körperverletzung schuldig ist,

- im Rechtsfolgenausspruch mit den zugehörigen Feststellungen, auch soweit von der Anordnung einer Unterbringung des Angeklagten in einer Entziehungsanstalt abgesehen worden ist, aufgehoben.

Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere strafrichterliche Abteilung des Amtsgerichts Freiburg zurückverwiesen.

2. Die weitergehende Revision wird als unbegründet verworfen

Gründe

 
Das Amtsgericht Freiburg hat den Angeklagten wegen vollendeter vorsätzlicher Körperverletzung und wegen versuchter gefährlicher Körperverletzung zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von sieben Monaten, deren Vollstreckung zur Bewährung ausgesetzt wurde, verurteilt. Hiergegen richtet sich die Sprungrevision des Angeklagten mit Verfahrensrügen und sachlich-rechtlichen Beanstandungen. Das Rechtsmittel hat den aus der Entscheidungsformel ersichtlichen Teilerfolg.
1. Die erhobenen Verfahrensrügen greifen nicht durch.
a) Die Rüge, das Amtsgericht habe § 155a StPO verletzt, indem es dem Angeklagten die Möglichkeit eines förmlichen Täter-Opfer-Ausgleichsverfahrens nicht eröffnet habe, entspricht nicht den Darlegungsanforderungen des § 344 Abs. 2 Satz 2 StPO.
Von daher kann offen bleiben, ob - wie die Generalstaatsanwaltschaft Karlsruhe in ihrer Antragsschrift ausführt - die Revision prinzipiell nicht auf eine Verletzung des § 155a StPO gestützt werden kann (so auch Meyer-Goßner/Schmitt, StPO, 58. Aufl. 2015, § 155a StPO, Rn 6; Beck-OK/Graf, StPO, Stand 1.9.2015, § 155a StPO, Rn. 7). Dagegen spricht, dass § 337 Abs. 2 StPO nicht zwischen Kann-, Soll- und Mussvorschriften unterscheidet und auch sonst kein Hinweis dafür besteht, dass ausdrücklich als Sollvorschriften bezeichnete Bestimmungen von der Revisibilität ausgeschlossen sein sollen (LR/Franke, StPO, 26. Aufl. 2012, § 337 StPO, Rn. 19; KK-StPO/Gericke, 7. Aufl. 2013, § 337 StPO, Rn. 13). Insoweit dürfte es daher vielmehr darauf ankommen, ob die Nichtbefolgung der Vorschrift im Einzelfall Verfahrensrechte des Beschwerdeführers verletzt, es sich also um eine dem Schutz des Angeklagten dienende Bestimmung handelt (vgl. BGH, Beschluss vom 14.5.1974, 1 StR 366/73, BGHSt 25, 325; LR/Franke, StPO, 26. Aufl. 2012, § 337 StPO, Rn. 21; KK-StPO/Gericke, 7. Aufl. 2013, § 337 StPO, Rn. 13). Dies wird angesichts der erheblichen Bedeutung, die § 155a StPO im Hinblick auf die Regelung des § 46a StGB für den Angeklagten haben kann, nicht zu verneinen sein (vgl. Weimer, Probleme mit der Handhabung des § 155a StPO in der strafgerichtlichen Praxis, NStZ 2002, 349, 351; die grundsätzliche Möglichkeit, eine Verletzung des § 155a Satz 1 und 2 StPO zu rügen nicht ausschließend, auch BGH, Beschluss vom 4.11.2010, 1 StR 551/10).
Dem Revisionsvorbringen ist jedoch die nach § 155a StPO erforderliche Eignung der Taten für einen Täter-Opfer-Ausgleich nicht zu entnehmen.
Hinsichtlich der Tat II.2. fehlt es bereits - wie den Urteilsgründen zu entnehmen ist - an dem hierfür regelmäßig erforderlichen Geständnis (vgl. BGH, Urteil vom 19.12.2002, 1 StR 405/02, BGHSt 48, 134; Meyer-Goßner/Schmitt, StPO, 58. Aufl. 2015, § 155a StPO, Rn. 3). Der Angeklagte hat insoweit wesentliche Teile der Tatbegehung bestritten, indem er erklärte, die in Richtung des Zeugen geworfene Flasche habe er absichtlich daneben geworfen. Damit fehlt es an der für den Täter-Opfer-Ausgleich erforderlichen Übernahme von Verantwortung.
Der Revisionsführer trägt zudem hinsichtlich beider Verletzter nicht vor, dass deren entgegenstehender Wille der Durchführung des Täter-Opfer-Ausgleichs nicht entgegensteht. Dies ist aber erforderlich, da ansonsten gemäß § 155a Satz 3 StPO die Eignung des Verfahrens zum Täter-Opfer-Ausgleich ausscheidet.
Zudem kann das Urteil auf der gerügten fehlenden Mitwirkung des Gerichts nur dann beruhen, wenn der Angeklagte ohne eine solche Mitwirkung einen Täter-Opfer-Ausgleich nicht hätte erreichen können. Es hätten daher die eigenen - vergeblichen - Anstrengungen des Angeklagten, in einen kommunikativen Prozess mit dem Opfer einzutreten, dargelegt werden müssen (vgl. Weimer, aaO, S. 351). Nicht ausreichend ist es, gegenüber Staatsanwaltschaft und Gericht das Interesse an einem Täter-Opfer-Ausgleich zu bekunden, ohne selbst irgendeine Initiative, mit dem Opfer einen Ausgleich zu finden, zu ergreifen.
Für die Durchführung der hilfsweise beantragten konkreten Normenkontrolle nach Art. 100 GG - im Hinblick auf einen Verstoß der Regelungen aus § 46a StGB und § 155a StPO gegen den Gleichbehandlungsgrundsatz aus Art. 3 GG - besteht kein Anlass. Dem Revisionsvorbringen lassen sich Anhaltspunkte für eine Verfassungswidrigkeit dieser Normen nicht entnehmen. Es wird lediglich pauschal eine dem Grundrecht aus Art. 3 Abs. 1 GG widersprechende Anwendung im Einzelfall behauptet.
10 
b) Die weitere dem Revisionsvorbringen zu entnehmende Rüge, das Amtsgericht habe über den Antrag auf Aussetzung der Hauptverhandlung nicht durch Beschluss entschieden, wäre nur dann begründet, wenn durch das Übergehen des Aussetzungsantrags die Verteidigung unzulässig beschränkt worden wäre; dies ist in der Revisionsbegründung darzulegen (Meyer-Goßner/Schmitt, StPO, 58. Aufl. 2015, § 228 StPO, Rn 17; KK-StPO/Gmel, 7. Aufl. 2013, § 228 StPO, Rn. 150). Hieran fehlt es, so dass diese Verfahrensrüge gleichfalls nicht den Anforderungen des § 344 Abs. 2 Satz 2 StPO entspricht. Die mitgeteilten Umstände der konkreten Antragstellung - Aussetzungsantrag nach Abschluss des Verteidigerplädoyers verbunden mit einem hilfsweisen Antrag zur Strafhöhe, ersichtlich für den Fall der Ablehnung des Aussetzungsantrags - lassen vielmehr darauf schließen, dass der Verteidiger auf einen förmlichen Beschluss vor der Urteilsverkündung verzichtet hat (BGH, Urteil vom 10.4.1996, 3 StR 557/95).
11 
2. Die Überprüfung des Urteils auf die Sachrüge deckt nur hinsichtlich des Rechtsfolgenausspruchs Rechtsfehler auf, der die Teilaufhebung und Zurückverweisung nach sich zieht, §§ 353, 354 Abs. 2 Satz 1 StPO.
12 
a) Die Nachprüfung des Schuldspruchs aufgrund der erhobenen Sachrüge hat keinen durchgreifenden Rechtsfehler zum Nachteil des Angeklagten ergeben. Der Schuldspruch bedurfte jedoch der Korrektur. Die Vollendung der Tatbegehung gehört prinzipiell nicht in die Urteilsformel. Bei der Körperverletzung nach § 223 StGB ist auch die vorsätzliche Tatbegehung angesichts der gesetzlichen Überschrift im Tenor nicht zu erwähnen (BGH, Beschluss vom 3.5.2002, 2 StR 133/02).
13 
b) Der Rechtsfolgenausspruch kann jedoch keinen Bestand haben.
14 
aa) Das Amtsgericht verletzt § 46 Abs. 2 Satz 2, 6. Alt. StGB, indem es den Entschuldigungen des Angeklagten ausdrücklich eine strafmildernde Wirkung abspricht. Das Amtsgericht verkennt hierbei, dass das Verhalten des Angeklagten nach der Tat, insbesondere sein Bemühen, den Schaden wiedergutzumachen oder einen Ausgleich mit dem Verletzten zu erreichen, einen bestimmenden Strafzumessungsgrund darstellt.
15 
Der Senat kann nicht ausschließen, dass das Gericht bei gebotener Berücksichtigung des näher festzustellenden Nachtatverhaltens des Angeklagten bei der Tat II.2 entweder einen minder schweren Fall nach § 224 Abs. 2 StGB angenommen oder den niedrigeren Strafrahmen nach §§ 23 Abs. 2, 49 Abs. 1 StGB angewendet sowie bei der Tat II.1 eine noch geringere Strafe ausgesprochen und die Verhängung einer Freiheitsstrafe nicht mehr als unerlässlich zur Einwirkung auf den Angeklagten angesehen hätte, § 47 Abs. 1 StGB.
16 
Hinsichtlich der Tat II.1. lässt sich den getroffenen Feststellungen zudem nicht hinreichend entnehmen, ob das Amtsgericht zu Recht eine Anwendung des § 46a StGB nicht in Betracht gezogen hat. Nach den Urteilsgründen war ein Täter-Opfer-Ausgleich im Gespräch, ohne dass hierzu nähere Feststellungen getroffen worden wären. Das Urteil weist daher eine Lücke auf, die dem Senat eine Prüfung, ob Wiedergutmachungsleistungen oder -bemühungen des Angeklagten vorliegen, die im Hinblick auf die Tat II.1., die der Angeklagte - im Gegensatz zur Tat II.2. - eingeräumt und für die er sich entschuldigt hat, eine Anwendung des § 46a Nr. 1 oder Nr. 2 StGB begründen könnten.
17 
Die Strafzumessung ist bei der Tat II.2. auch deshalb rechtsfehlerhaft, weil tragende Feststellungen für die strafschärfende Wertung, dass es nur durch glückliche Umstände nicht zu einer (dann erheblichen) Verletzung des Zeugen gekommen ist, fehlen. Insbesondere mangelt es an Feststellungen, wie weit der Zeuge vom Angeklagten beim Wurf der Flasche bereits entfernt war und wie leicht er deshalb der vom Angeklagten geworfenen Flasche ausweichen konnte.
18 
bb) Nicht durch die Feststellungen getragen ist auch die Behauptung, dass keine Anhaltspunkte dafür sprechen, dass die Taten im Rausch oder wegen des Hangs, Alkohol im Übermaß zu sich zu nehmen, begangen wurden und deshalb eine Unterbringung nach § 64 StGB ausscheidet. Vielmehr hatte der Angeklagte, bei dem eine Unterbringung in der Entziehungsanstalt - „wegen Antiaggression und Alkohol“ (UA, S. 4) -, zur Bewährung ausgesetzt ist, am Tatabend einen Rückfall mit Alkohol, ohne dass hierzu nähere Feststellungen, insbesondere über die Menge des genossenen Alkohols und über den Anlass der begangenen Delikte, getroffen worden wären. Auch insoweit ist das Urteil lückenhaft. Die Annahme eines ursächlichen Zusammenhangs zwischen Hang und Anlasstat bedarf zwar bei Taten, die nicht auf die Erlangung von Rauschmitteln oder den dazu erforderlichem Geld zielen, besonderer hierfür sprechender Umstände (BGH, Beschluss vom 12.3.2014, 4 StR 572/14); diese können aber in einem Zusammenhang von Alkoholkonsum und damit einhergehender erhöhter Aggressivität liegen. Entsprechende Anhaltspunkte, die einen solchen Zusammenhang möglich erscheinen lassen, ergeben sich aus den in den Urteilen des Amtsgerichts Freiburg vom 15.11.2010 und vom 28.9.2011 angeordneten Unterbringungen in der Entziehungsanstalt, denen gleichfalls Körperverletzungsdelikte zu Grunde lagen (UA, S. 5; vgl. BGH, Beschluss vom 5.5.2009, 3 StR 96/09).
19 
Dass gegen den Angeklagten bereits in einem früheren Verfahren die Unterbringung in einer Entziehungsanstalt nach § 64 StGB angeordnet wurde, steht einer erneuten Anordnung nicht entgegen, § 67f StGB (Fischer, StGB, 62. Aufl. 2015, § 64 StGB, Rn. 25).
20 
Dass nur der Angeklagte Revision eingelegt hat, hindert die Nachholung der Unterbringungsanordnung nicht (st. Rspr. des BGH, vgl. Beschluss vom 18.8.15, 3 StR 237/15 m.w.N.). Der Beschwerdeführer hat die Nichtanwendung des § 64 StGB durch den Tatrichter nicht vom Rechtsmittelangriff ausgenommen, sondern vielmehr ausdrücklich erklärt, die Sachrüge unbeschränkt zu erheben.
21 
Auch das Verschlechterungsverbot hindert nicht, eine Unterbringung des Angeklagten in einer Entziehungsanstalt gemäß § 64 StGB anzuordnen, wenn deren Voraussetzungen vorliegen, § 358 Abs. 2 Satz 3 StPO. Die aufgrund des Verschlechterungsverbots unabänderliche Aussetzung einer ggfs. auszusprechenden Freiheitsstrafe entfaltet nicht die Wirkung, dass eine in der neuen Hauptverhandlung - bei Vorliegen der Voraussetzungen - ggfs. daneben anzuordnende Maßregel nach § 64 StGB ebenfalls und selbst dann auszusetzen wäre, wenn die Voraussetzungen für eine Aussetzung der Maßregel an sich nicht vorliegen. Die Aussetzung der Freiheitsstrafe bei gleichzeitiger Anordnung und Nichtaussetzung der Maßregel ist rechtlich möglich, da Maßregelaussetzung und Strafaussetzung unterschiedlichen Prognosebezugspunkten folgen (OLG Celle, Beschluss vom 26.3.2013, 32 Ss 39/13, NStZ-RR 2013, 317).

Urteilsbesprechung zu Oberlandesgericht Karlsruhe Beschluss, 16. Nov. 2015 - 2 (7) Ss 571/15; 2 (7) Ss 571/15 - AK 170/15

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(1) Alle Menschen sind vor dem Gesetz gleich. (2) Männer und Frauen sind gleichberechtigt. Der Staat fördert die tatsächliche Durchsetzung der Gleichberechtigung von Frauen und Männern und wirkt auf die Beseitigung bestehender Nachteile hin. (3) Ni

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(1) Erfolgt die Aufhebung des Urteils nur wegen Gesetzesverletzung bei Anwendung des Gesetzes auf die dem Urteil zugrunde liegenden Feststellungen, so hat das Revisionsgericht in der Sache selbst zu entscheiden, sofern ohne weitere tatsächliche Erört

Strafprozeßordnung - StPO | § 344 Revisionsbegründung


(1) Der Beschwerdeführer hat die Erklärung abzugeben, inwieweit er das Urteil anfechte und dessen Aufhebung beantrage (Revisionsanträge), und die Anträge zu begründen. (2) Aus der Begründung muß hervorgehen, ob das Urteil wegen Verletzung einer R
Oberlandesgericht Karlsruhe Beschluss, 16. Nov. 2015 - 2 (7) Ss 571/15; 2 (7) Ss 571/15 - AK 170/15 zitiert 17 §§.

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(1) Wer eine andere Person körperlich mißhandelt oder an der Gesundheit schädigt, wird mit Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder mit Geldstrafe bestraft. (2) Der Versuch ist strafbar.

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Hat der Täter 1. in dem Bemühen, einen Ausgleich mit dem Verletzten zu erreichen (Täter-Opfer-Ausgleich), seine Tat ganz oder zum überwiegenden Teil wiedergutgemacht oder deren Wiedergutmachung ernsthaft erstrebt oder2. in einem Fall, in welchem die

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Die Staatsanwaltschaft und das Gericht sollen in jedem Stadium des Verfahrens die Möglichkeiten prüfen, einen Ausgleich zwischen Beschuldigtem und Verletztem zu erreichen. In geeigneten Fällen sollen sie darauf hinwirken. Gegen den ausdrücklichen Wil

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Die Staatsanwaltschaft und das Gericht sollen in jedem Stadium des Verfahrens die Möglichkeiten prüfen, einen Ausgleich zwischen Beschuldigtem und Verletztem zu erreichen. In geeigneten Fällen sollen sie darauf hinwirken. Gegen den ausdrücklichen Willen des Verletzten darf die Eignung nicht angenommen werden.

(1) Der Beschwerdeführer hat die Erklärung abzugeben, inwieweit er das Urteil anfechte und dessen Aufhebung beantrage (Revisionsanträge), und die Anträge zu begründen.

(2) Aus der Begründung muß hervorgehen, ob das Urteil wegen Verletzung einer Rechtsnorm über das Verfahren oder wegen Verletzung einer anderen Rechtsnorm angefochten wird. Ersterenfalls müssen die den Mangel enthaltenden Tatsachen angegeben werden.

Die Staatsanwaltschaft und das Gericht sollen in jedem Stadium des Verfahrens die Möglichkeiten prüfen, einen Ausgleich zwischen Beschuldigtem und Verletztem zu erreichen. In geeigneten Fällen sollen sie darauf hinwirken. Gegen den ausdrücklichen Willen des Verletzten darf die Eignung nicht angenommen werden.

(1) Die Revision kann nur darauf gestützt werden, daß das Urteil auf einer Verletzung des Gesetzes beruhe.

(2) Das Gesetz ist verletzt, wenn eine Rechtsnorm nicht oder nicht richtig angewendet worden ist.

Die Staatsanwaltschaft und das Gericht sollen in jedem Stadium des Verfahrens die Möglichkeiten prüfen, einen Ausgleich zwischen Beschuldigtem und Verletztem zu erreichen. In geeigneten Fällen sollen sie darauf hinwirken. Gegen den ausdrücklichen Willen des Verletzten darf die Eignung nicht angenommen werden.

Hat der Täter

1.
in dem Bemühen, einen Ausgleich mit dem Verletzten zu erreichen (Täter-Opfer-Ausgleich), seine Tat ganz oder zum überwiegenden Teil wiedergutgemacht oder deren Wiedergutmachung ernsthaft erstrebt oder
2.
in einem Fall, in welchem die Schadenswiedergutmachung von ihm erhebliche persönliche Leistungen oder persönlichen Verzicht erfordert hat, das Opfer ganz oder zum überwiegenden Teil entschädigt,
so kann das Gericht die Strafe nach § 49 Abs. 1 mildern oder, wenn keine höhere Strafe als Freiheitsstrafe bis zu einem Jahr oder Geldstrafe bis zu dreihundertsechzig Tagessätzen verwirkt ist, von Strafe absehen.

Die Staatsanwaltschaft und das Gericht sollen in jedem Stadium des Verfahrens die Möglichkeiten prüfen, einen Ausgleich zwischen Beschuldigtem und Verletztem zu erreichen. In geeigneten Fällen sollen sie darauf hinwirken. Gegen den ausdrücklichen Willen des Verletzten darf die Eignung nicht angenommen werden.

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
1 StR 551/10
vom
4. November 2010
in der Strafsache
gegen
wegen besonders schweren Raubes
Der 1. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat am 4. November 2010 beschlossen
:
Die Revision des Angeklagten gegen das Urteil des Landgerichts
Traunstein vom 24. Juni 2010 wird als unbegründet verworfen, da
die Nachprüfung des Urteils auf Grund der Revisionsrechtfertigung
keinen Rechtsfehler zum Nachteil des Angeklagten ergeben hat
Der Beschwerdeführer hat die Kosten des Rechtsmittels zu tragen.
Ergänzend bemerkt der Senat:
Zutreffend hat der Generalbundesanwalt darauf hingewiesen, dass das
Landgericht die Voraussetzungen des § 46a StGB rechtsfehlerfrei verneint hat.
Auch die Rüge der Verletzung des § 155a Satz 1 und 2 StPO hat keinen
Erfolg. Es liegt bereits kein Verfahrensverstoß vor. Im vorliegenden Fall war das
Gericht nicht gehalten, auf einen Täter-Opfer-Ausgleich hinzuwirken. Die durch
Rechtsanwälte vertretenen Verfahrensbeteiligten waren über die Funktion eines
Täter-Opfer-Ausgleichs informiert und haben ausdrücklich und nachhaltig hierüber
verhandelt.
Wahl Rothfuß Hebenstreit
Elf Jäger

Die Staatsanwaltschaft und das Gericht sollen in jedem Stadium des Verfahrens die Möglichkeiten prüfen, einen Ausgleich zwischen Beschuldigtem und Verletztem zu erreichen. In geeigneten Fällen sollen sie darauf hinwirken. Gegen den ausdrücklichen Willen des Verletzten darf die Eignung nicht angenommen werden.

Nachschlagewerk: ja
BGHSt: ja
Veröffentlichung: ja
____________________
Bei Gewaltdelikten und Delikten gegen die sexuelle Selbstbestimmung ist für
einen erfolgreichen Täter-Opfer-Ausgleich mit der zu Gunsten des Angeklagten
wirkenden Folge der Strafmilderung nach § 46a i.V.m. § 49 Abs. 1 StGB regelmäßig
ein Geständnis zu verlangen.
BGH, Urt. vom 19. Dezember 2002 - 1 StR 405/02 - LG Konstanz -

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
1 StR 405/02
vom
19. Dezember 2002
in der Strafsache
gegen
wegen Vergewaltigung
Der 1. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat aufgrund der Verhandlung vom
18. Dezember 2002 in der Sitzung am 19. Dezember 2002, an denen teilgenommen
haben:
Vorsitzender Richter am Bundesgerichtshof
Nack
und die Richter am Bundesgerichtshof
Dr. Boetticher,
Schluckebier,
Hebenstreit,
die Richterin am Bundesgerichtshof
Elf,
Oberstaatsanwalt beim Bundesgerichtshof
als Vertreter der Bundesanwaltschaft,
Rechtsanwalt
- in der Verhandlung -
als Verteidiger,
Justizangestellte ,
Justizangestellte
als Urkundsbeamtinnen der Geschäftsstelle,

für Recht erkannt:
Auf die Revision der Staatsanwaltschaft wird das Urteil des Landgerichts Konstanz vom 15. Mai 2002 im Strafausspruch mit den zugehörigen Feststellungen aufgehoben. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.

Von Rechts wegen

Gründe:

I.

Das Landgericht hat den Angeklagten wegen Vergewaltigung zu einer Freiheitsstrafe von zwei Jahren verurteilt. Die Vollstreckung der Freiheitsstrafe hat es zur Bewährung ausgesetzt. Mit ihrer zu Ungunsten des Angeklagten eingelegten, wirksam auf den Strafausspruch beschränkten Revision greift die Staatsanwaltschaft mit einer Verfahrensrüge und der Sachbeschwerde die Bemessung der Freiheitsstrafe und die Strafaussetzung zur Bewährung an. Sie wendet sich insbesondere gegen die mit einem Täter-Opfer-Ausgleich nach § 46a Nr. 1 StGB begründete Strafrahmenverschiebung nach § 49 Abs. 1 StGB. Das Rechtsmittel hat Erfolg. 1. Nach den Feststellungen lernten sich der Angeklagte und die 20jährige Geschädigte in einer Diskothek kennen. Sie tauschten dort einvernehmlich Zärtlichkeiten aus. Sie verließen gemeinsam die Diskothek und gingen über einen Parkplatz zu einer nahegelegenen Autowaschanlage. In einer
Waschbox hielt der Angeklagte plötzlich mit einer Hand das Handgelenk der Geschädigten fest und drückte sie gegen die Wand. Gegen ihren erkennbaren Willen küßte er sie heftig, faßte unter ihr Oberteil und knetete fest ihre Brüste. Er zog ihre Hose bis zu den Knien herunter und führte zwei oder drei Finger seiner anderen Hand in ihre Scheide ein. Anschließend versuchte er mit seinem Penis von hinten in die Scheide einzudringen, was ihm nicht gelang; dafür führte er an ihr den Oralverkehr durch. Er fügte dem Tatopfer aufgrund dieser Behandlung Kratzwunden sowie erhebliche Schmerzen zu.
Der Angeklagte hat in der Hauptverhandlung die von ihm an der Geschädigten vorgenommenen sexuellen Handlungen in der Waschbox eingeräumt. Er hat aber bestritten, Nötigungsmittel angewandt zu haben; alle sexuellen Handlungen seien einverständlich erfolgt. Die Kammer hat sich jedoch aufgrund der glaubhaften Aussage der Geschädigten von der Schuld des Angeklagten überzeugt.
2. Zur Anwendung des § 46a Nr. 1 StGB hat die Strafkammer folgendes ausgeführt: Nach der Vernehmung des Tatopfers in der Hauptverhandlung sei der zunächst bestreitende Angeklagte mit einem gerichtlichen Hinweis gemäß § 155a StPO auf die Möglichkeiten des Täter-Opfer-Ausgleichs hingewiesen worden. Er sei daraufhin von seiner ursprünglichen Einlassung insoweit abgewichen , als er ein „Mißverständnis bzw. ein Verschulden einräumte". Der Angeklagte habe sich bei dem Tatopfer – nach Auffassung der Kammer ernsthaft – entschuldigt. Er habe kein volles Geständnis abgelegt, was in Anbetracht der in der Hauptverhandlung anwesenden Familienangehörigen und Freunde des Angeklagten sowie seiner Verlobten nachvollziehbar sei. Er habe in der Hauptverhandlung ernsthaft angeboten, sich durch Vermittlung eines Sozialthera-
peuten mit dem Tatopfer an einen Tisch zu setzen und ihr durch ein Gespräch dabei zu helfen, die Sache endgültig zu verarbeiten. Ferner habe er sich bereit erklärt, zum Ausgleich des immateriellen Schadens ein Schmerzensgeld von 3.500 Euro zu bezahlen. Seine Familie habe diesen Betrag in der Hauptverhandlung zur Verfügung gestellt und der Geschädigten ausgehändigt, "die diesen Betrag durch ihren Beistand als gewissen Ausgleich akzeptiert" habe (UA S. 7). Zur weiteren Begründung hat die Strafkammer ausgeführt, ein TäterOpfer -Ausgleich könne in jeder Lage des Verfahrens erfolgen. Der Angeklagte habe erst durch den gerichtlichen Hinweis von der Möglichkeit eines TäterOpfer -Ausgleichs erfahren. Er habe zwar dem Tatopfer eine peinliche Befragung nicht erspart, habe sich aber am Ende der Beweisaufnahme darum bemüht , einen kommunikativen Prozeß mit der Geschädigten in die Wege zu leiten. Er habe auch seiner in der Hauptverhandlung anwesenden Familie zugesagt , den Betrag von 3.500 Euro durch Arbeitsleistungen zurückzuerstatten. Die Kammer habe - auch unter Beobachtung des in Haftsachen besonders zu berücksichtigenden Beschleunigungsgrundsatzes - davon abgesehen, die Hauptverhandlung zur Ermöglichung einer weiteren Kommunikation zwischen dem Angeklagten und der Geschädigten auszusetzen.
3. Die Beschwerdeführerin trägt - insoweit enthält die Revisionsbegründung eine noch zulässige Verfahrensrüge nach § 261 StPO - vor, der Angeklagte habe im Ermittlungsverfahren Zeugen benannt, die bekunden sollten, die Geschädigte biete sich vor der Diskothek gegen Geld an. Nachdem sich dieses als falsch herausgestellt habe, sei dem Angeklagten, dem im gesamten Ermittlungs- und Hauptverfahren ein Verteidiger zur Seite gestanden habe, im Eröffnungsbeschluß ein Hinweis nach § 155a StPO auf einen Ausgleich gegeben worden. Dessen ungeachtet habe seine Verteidigung über zwei Verhand-
lungstage auf einen Freispruch abgezielt. Dies habe in einem Antrag auf Ein- holung eines Sachverständigengutachtens zum Beweis der Tatsache gegipfelt, die Geschädigte habe die Unwahrheit gesagt. Das darin zum Ausdruck gekommene weitere Bestreiten des Angeklagten hätte nicht mit dem erneuten rechtlichen Hinweis gemäß § 155a StPO unterlaufen werden dürfen. Auch nach dem Hinweis habe sich der Angeklagte nur dahin eingelassen, es handele sich um ein Mißverständnis und es tue ihm leid. Er habe damit die vorsätzliche Mißachtung der sexuellen Selbstbestimmung relativiert und die Tat weiter in Abrede gestellt. Dies komme auch darin zum Ausdruck, daß der Verteidiger im Schlußvortrag Freispruch beantragt habe. Nach dem gerichtlichen Hinweis hätten sich mehrere im Gerichtssaal anwesende Familienmitglieder entfernt und 2.500 Euro beigebracht. Erst nach den Schlußvorträgen habe der Vater des Angeklagten dem Vertreter der Nebenklage 2.500 Euro in Anwesenheit des Tatopfers übergeben. Der Vater habe zugesichert, im Laufe des Tages weitere 1.000 Euro zu übergeben und habe auf Drängen des Nebenklägervertreters zugesagt, die Kosten des Adhäsionsverfahrens und die bis dahin angefallenen Gebühren zu übernehmen. Aufgrund dieser Umstände seien wesentliche Voraussetzungen des Täter-Opfer-Ausgleichs nicht erfüllt. Der Angeklagte habe seine schädigende Handlung niemals eingeräumt.

II.


Die Revision der Staatsanwaltschaft ist begründet. Die Bejahung der Voraussetzungen des Täter-Opfer-Ausgleichs gemäß § 46a StGB durch das Landgericht begegnet durchgreifenden rechtlichen Bedenken. 1. Der Gesetzgeber verfolgt mit der Übernahme des im Jugendstrafrecht erfolgreich angewandten Täter-Opfer-Ausgleichs (§ 10 Abs. 1 Satz 3 Nr. 7, §
45 Abs. 2 Satz 2 JGG) in das allgemeine Strafrecht die Absicht, auch im Er- wachsenenstrafrecht die Belange des Opfers von Straftaten stärker in den Mittelpunkt des Interesses zu rücken. Gleichzeitig kann der Täter auf diesem Wege besser als mit bloßer Bestrafung zur Einsicht in die Verwerflichkeit seines Tuns und zur Übernahme von Verantwortung für die Folgen seiner Straftat veranlaßt werden (BTDrucks. 12/6853 S. 21). § 46a StGB will einen Anreiz für Ausgleichsbemühungen seitens des Täters schaffen, dem Opfer durch sein persönliches Einstehen für die Folgen der Tat, durch immaterielle Leistungen oder auch durch materielle Schadensersatzleistungen Genugtuung zu verschaffen. Allerdings will die Norm mit den Anforderungen an einen friedensstiftenden Ausgleich auch in dem aus generalpräventiver Sicht erforderlichen Umfang sicherstellen, daß nicht jede Form des Schadensausgleichs ausnahmslos und ohne Rücksicht auf den Einzelfall dem Täter zugute kommt (BTDrucks. aaO S. 21). Der Gesetzgeber hat zwar mit § 46a StGB - ähnlich mit § 31 BtMG für aufklärungsbereite Betäubungsmittelstraftäter - für um Ausgleich und Wiedergutmachung bemühte Beschuldigte den Anreiz eines Strafmilderungsgrundes geschaffen; die Vorschrift soll aber kein Instrument zur einseitigen Privilegierung reuiger Täter sein (Schöch, 50 Jahre Bundesgerichtshof, Festgabe aus der Wissenschaft S. 309, 323; zur Gefahr, daß die Vorschrift entgegen den gesetzgeberischen Intentionen doch zu einem Freikauf durch den Täter führen kann, vgl. BGH Beschl. vom 14. Dezember 1999 - 4 StR 554/99 - , StV 2000, 129). 2. § 46a Nr. 1 StGB macht das Angebot an den Täter und das Opfer, mit Hilfe eines Vermittlers oder einer sonstigen auf Ausgleich ausgerichteten Kommunikation eine von allen Beteiligten einverständlich getragene Regelung zu finden, die geeignet ist, Konflikte beizulegen, die zu der Straftat geführt haben oder durch sie verursacht wurden. Ergeben die Ausgleichsbemühungen,
daß die Wiedergutmachung ganz oder zum überwiegenden Teil aus materiellen Leistungen in Form von Schadensersatz oder Schmerzensgeld bestehen, so verlangt § 46a Nr. 2 StGB, daß der Täter diese tatsächlich erbracht und dafür erhebliche persönliche Anstrengungen unternommen und Verzicht geleistet hat. Beide Alternativen des § 46a StGB beschreiben selbständige Voraussetzungen , die übereinstimmend einen Schadensausgleich bezwecken. Der Tatrichter kann die Strafmilderung für den Täter nach den Umständen des Einzelfalles auf jede der beiden Alternativen stützen; liegen jedoch die Voraussetzungen für beide Alternativen vor, können sie nebeneinander festgestellt werden (Lackner/Kühl StGB 24. Aufl. § 46a Rdn. 4a). Der Unterschied zwischen Nr. 1 und Nr. 2 besteht darin, daß Nr. 2 für die materiellen Wiedergutmachungsleistungen den Eintritt des Erfolges (d.h. die geleistete Zahlung) verlangt , während sich Nr. 1 unter Umständen mit den mit dem erstrebten Erfolg verbundenen Ausgleichsbemühungen (hinsichtlich der materiellen Leistungen deren Zusage) begnügt (Schöch aaO S. 309 ff., 319, 323, 335).
a) Der Gesetzgeber hat sich in § 46a Nr. 1 StGB inhaltlich an der im Jugendstrafrecht geltenden Konfliktregelung des § 10 Abs. 1 Nr. 7 JGG und den dort zur Verfügung stehenden jugendspezifischen Modellen des formalisierten Täter-Opfer-Ausgleichs orientiert. Bei der Übernahme des Täter-OpferAusgleichs in das allgemeine Strafrecht hat er sich wegen der Vielfalt der nach Landesrecht geregelten Verfahren und wegen der nur bedingt möglichen Übertragbarkeit auf kein formalisiertes Verfahren festgelegt. Bei dieser Konzeption ist er auch anläßlich der Einführung der verfahrensrechtlichen Grundnormen der § 155a und § 155b StPO geblieben (Gesetz vom 20. Dezember 1999; BGBl. I S. 2491), mit denen er den in das materielle Strafrecht eingestellten Täter-Opfer-Ausgleich verfahrensrechtlich verankern und stärken wollte (BTDrucks. 14/1928 S. 8).
Der 1. Strafsenat hat schon kurz nach Inkrafttreten die Vorschrift des § 46a StGB dahin ausgelegt, daß dessen Wortlaut - entgegen der Entwurfsbegründung - offen läßt, ob die Lösung des der Tat zugrundeliegenden Gesamtkonflikts "stets" unter Anleitung eines Dritten anzustreben ist oder ob dies nur "tunlichst" geschehen soll. Dafür hat der Senat aber in ständiger Rechtsprechung zumindest einen "kommunikativen Prozeß zwischen Täter und Opfer" verlangt, der auf einen umfassenden Ausgleich der durch die Tat verursachten Folgen gerichtet sein muß. Er hat damit gegenüber dem in Täter-OpferAusgleichs -Verfahren von fachkundigen Personen vermittelten "Gespräch als Medium parteiautonomer Konfliktregulierung" (Messmer, Täter-OpferAusgleich , Zwischenbilanz und Perspektiven, Bonner Symposium, 1991, S. 127) einen offeneren Kommunikationsbegriff gewählt, um auch anderen Kommunikationsformen zur Schadenswiedergutmachung Raum zu lassen. Sofern ein Verfahren nicht offensichtlich für einen Täter-Opfer-Ausgleich ungeeignet ist, sollen Staatsanwaltschaft und Gericht nach § 155a StPO grundsätzlich in die Prüfung eintreten, ob ein Ausgleich zwischen Beschuldigtem und Verletztem erreicht werden kann. Dies gilt nach § 155a Satz 1 und 2 StPO ausdrücklich für jedes Stadium des Verfahrens (BTDrucks. aaO S. 8). Schwerpunkt der durch Dritte vermittelten Ausgleichsbemühungen wird nach dem gesetzgeberischen Willen aber das Ermittlungsverfahren mit der dazu neu geschaffenen Möglichkeit der Einstellung des Verfahrens nach § 153 a Abs. 1 Nr. 5 StPO sein. In der Hauptverhandlung kann der Tatrichter ebenfalls noch auf den Täter-Opfer-Ausgleich hinwirken, jedoch wird das in diesem Verfahrensstadium bei einem bestreitenden oder schweigenden Angeklagten nur eingeschränkt möglich und angezeigt sein.
b) Die Eignung eines Verfahrens für den Täter-Opfer-Ausgleich und das Maß des zu verlangenden kommunikativen Prozesses sind abhängig von dem
zugrundeliegenden Delikt, vom Umfang der beim Tatopfer eingetretenen Schä- digungen und damit von dem Grad der persönlichen Betroffenheit des Opfers. Schwere - auf einzelne Opfer bezogene - Gewaltdelikte, insbesondere Delikte gegen die sexuelle Selbstbestimmung (etwa Vergewaltigung, sexuelle Nötigung , sexueller Mißbrauch von Kindern) sind nicht prinzipiell vom Täter-OpferAusgleich ausgeschlossen. Allerdings wird in diesen Fällen der kommunikative Prozeß seltener durch ein persönliches Gespräch zwischen Täter und Opfer geprägt sein. Für den erfolgreichen Täter-Opfer-Ausgleich wird eher eine über Angehörige, den Verteidiger und den Nebenklägervertreter oder den Beistand vermittelte Kommunikation ausreichen. Um der Gefahr zu begegnen, daß der Täter die Vergünstigung des § 46a i.V.m. § 49 Abs. 1 StGB durch "ein routiniert vorgetragenes Lippenbekenntnis" oder einen Anwaltsschriftsatz erlangt, oder das Opfer während der Kommunikation Pressionen aussetzt und dem Tatrichter bei Sexualstraftaten oder Körperverletzungsdelikten "ein versöhntes Opfer" präsentiert, hat der Tatrichter seine Feststellungen zum erfolgreichen oder nicht erfolgreichen Täter-Opfer-Ausgleich in den Urteilsgründen darzulegen. Dabei wird er insbesondere den Willen des Opfers zur Versöhnung und die Frage einer erzielten Genugtuung zu berücksichtigen haben (vgl. König, Anm. zum Urt. vom 25. Mai 2001 - 2 StR 78/01 - JR 2002, 251, 253). aa) Nach dem Wortlaut des § 46a StGB ist ein bestimmtes Prozeßverhalten des Beschuldigten nicht ausdrücklich gefordert. Da es aber beim TäterOpfer -Ausgleich um eine strafrechtliche Konfliktskontrolle geht, muß der Beschuldigte prinzipiell - im Einzelfall in Abwägung zwischen dem Ziel der Schuldmilderung und dem nemo-tenetur-Prinzip - akzeptieren, daß er für das am Opfer begangene Unrecht einzustehen hat; dazu gehört auch, daß er die Opferrolle respektiert. Der rechtliche Konflikt über die Rollenverteilung von Täter und Opfer kann nicht jedesmal von den Beteiligten neu und individuell
festgelegt werden (Rössner, Bonner Symposium aaO S. 210, 217). Das bedeutet , daß ein explizit bestreitender Beschuldigter von einer Überweisung an eine nach landesrechtlichen Vorschriften für den Täter-Opfer-Ausgleich zuständige geeignete Stelle oder von einer durch Dritte vermittelten friedensstiftenden Kommunikation ausgeschlossen bleiben muß. Dagegen kann neben dem geständigen Täter auch der schweigende Täter in die Kommunikation einbezogen werden (vgl. Hartmann, Staatsanwaltschaft und Täter-OpferAusgleich , 1998, S. 68). bb) Dem entspricht, daß der Bundesgerichtshof für den kommunikativen Prozeß verlangt, daß das Verhalten des Täters im Verfahren "Ausdruck der Übernahme von Verantwortung" ist, um die friedensstiftende Wirkung der Schadenswiedergutmachung zu entfalten (Senat, Beschl. vom 25. Juli 1995 - 1 StR 205/95 -, NStZ 1995, 492, 493; BGH, Beschl. vom 20. Februar 2001 - 4 StR 551/00 - , StV 2001, 346; BGH, Beschl. vom 25. Oktober 2000 - 5 StR 399/00 - , NStZ 2001, 200; kritisch zu dieser Wortwahl Schöch aaO S. 326; König, Anm. zu BGH, Urt. vom 25. Mai 2001 - 2 StR 78/01, JR 2002, 251, 252). Hieran hält der Senat fest. Im Rahmen der tatrichterlichen Würdigung kann nur dem Täter die Strafmilderung nach § 46a i.V.m. § 49 Abs. 1 StGB zuteil werden , der gegenüber seinem Opfer eine konstruktive Leistung erbringt, die diesem Genugtuung verschafft. Jedenfalls für Gewaltdelikte und Delikte gegen die sexuelle Selbstbestimmung , die sich gegen einzelne Opfer gerichtet haben, wird für einen erfolgreichen Täter-Opfer-Ausgleich mit der zu Gunsten des Angeklagten wirkenden Folge der Strafmilderung nach § 46a i.V.m. § 49 Abs. 1 StGB regelmäßig ein Geständnis zu verlangen sein. Oftmals wird dem Opfer gerade ein Bekennen des Täters zu seiner Tat im Strafverfahren besonders wichtig sein, so daß oh-
ne ein Geständnis die angestrebte Wiedergutmachung kaum denkbar sein wird (BGH, Beschl. vom 20. September 2002 - 2 StR 336/02 -, StV 2002, 649). Es obliegt dem Tatrichter, unter Beachtung dieses Maßstabs nach den Umständen des Einzelfalls in wertender Betrachtung festzustellen, inwieweit der Täter freiwillig Verantwortung für sein Handeln übernimmt. Dies wird namentlich der Fall sein, wenn er die Haltung des Opfers zu respektieren lernt und diese zu seinem eigenen Verhalten in Bezug setzt (Oberlies, Streit 1999 S. 110). Eine solche Einzelfallprüfung ist erforderlich, um der in der tatrichterlichen Rechtsprechung zu beobachtenden Entwicklung des Täter-Opfer-Ausgleichs zu einem Freikauf von der Verantwortung zu Lasten der Opfer entgegenzuwirken. cc) Die Strafmilderung nach § 46a Nr. 1 StGB läßt bei einem Täter, dem es erkennbar auf die Aussöhnung ankommt und dessen persönliche Leistungen sich als "Ausdruck der Übernahme von Verantwortung" erweisen, im Einzelfall auch schon das "Bemühen um umfassenden Ausgleich" ausreichen. Im Fall eines materiellen Ausgleichs steht der Annahme ausreichender Bemühungen nicht von vornherein entgegen, daß der Täter den finanziellen Ausgleich durch seinen Verteidiger und etwa erst zu einem Zeitpunkt veranlaßt hat oder sich dazu verpflichtet hat, zu dem ihn das Opfer bereits auf Zahlung in Anspruch genommen hat (BGH, Beschl. vom 14. Dezember 1999 - 4 StR 554/99, StV 2000, 129; BGH, Beschl. vom 17. Juni 1998 - 1 StR 249/98; StV 1999, 89). dd) Aus der Sicht des Opfers ist es für die verlangte Kommunikation unabdingbar , daß der Verletzte in den Dialog mit dem Täter über die zur Wiedergutmachung erforderlichen Leistungen einbezogen wird. Ein erfolgreicher Täter -Opfer-Ausgleich im Sinne des § 46a Nr. 1 StGB setzt grundsätzlich voraus, daß das Opfer die Leistungen des Täters als friedensstiftenden Ausgleich akzeptiert (BGH, Urt. vom 31. Mai 2002 - 2 StR 73/02 -, NStZ 2002, 646). Dies
ergibt sich schon daraus, daß überhaupt nur angemessene und nachhaltige Leistungen die erlittenen Schädigungen ausgleichen und zu einer Genugtuung für das Opfer führen können (ebenso Oberlies, Streit 2000 S. 99, 110). Läßt sich das Tatopfer - etwa weil das Delikt oder Art und Umfang der Schädigungen ihm einen Ausgleich unmöglich machen - auf einen kommunikativen Prozeß nicht ein, so ist - wie es der 1999 eingeführte § 155a Satz 3 StPO ausdrücklich klargestellt - das Verfahren für die Durchführung eines Täter-OpferAusgleichs nicht geeignet (vgl. BTDrucks. 14/1928 S. 8). Grundsätzlich kann nichts anderes gelten für die in § 46a Nr. 1 StGB genannten "Bemühungen" des Täters, die im Einzelfall ausreichen können, um zu einem erfolgreichen Täter-Opfer-Ausgleich zu gelangen. Verweigert der Verletzte auch insoweit seine Zustimmung, so hat dies der Täter trotz der herabgesetzten Anforderungen an einen erfolgreichen Ausgleich hinzunehmen, denn ohne Zustimmung des Opfers fehlt bereits die Basis für sein Bemühen (offengelassen für den Fall des nicht festgestellten entgegenstehenden Willens von Bankangestellten als Opfer eines Banküberfalls, denen der Täter Schmerzensgeld angeboten und Schadensersatz an die Banken geleistet hatte, von BGH, Urt. vom 25. Mai 2001 - 2 StR 78/01 - , NStZ 2002, 364 mit Anm. Kühl/Häger JZ 2002, 363; Dölling/Hartmann NStZ 2002, 366 und König JR aaO S. 252). Allein auf die Sicht "eines vernünftigen Dritten" kann es nicht ankommen (Schöch aaO S. 322; Oberlies aaO S. 107; a.A. Kilchling NStZ 1996, S. 309, 314 unter Berufung auf SK-Horn § 46a Rdn. 3). Dem Tatrichter wird vielmehr auferlegt, unter Berücksichtigung der Interessen des Opfers und des Täters in wertender Betrachtung zu entscheiden, "wie sich das Tatopfer etwa in dem Fall zu den Bemühungen des Angeklagten stellt und welche Folgen die Schmerzensgeldverpflichtung für den Angeklagten hat, aber auch wie sicher
deren Erfüllung ist" (BGH, Beschl. vom 22. August 2001 - 1 StR 333/01 - , NStZ 2002, 29). ee) Kommt es nach diesem Maßstab zu einer Kommunikation zwischen Täter und Opfer, ist der Täter-Opfer-Ausgleich gelungen, wenn das Tatopfer in die Kommunikation einbezogen ist und dieses die erbrachten Leistungen oder Bemühungen nach Form und Inhalt als Wiedergutmachung akzeptiert hat (BGH, Urt. vom 31. Mai 2002 - 2 StR 73/02 -, NStZ 2002, 646). Als Fälle eines fehlgeschlagenen Ausgleichs sind solche Ergebnisse einer Kommunikation anzusehen, bei denen eine Einigung wegen unterschiedlicher Vorstellungen über die immateriellen oder materiellen Leistungen nicht zustande gekommen oder deren Vereinbarungen nicht eingehalten worden sind. (1) Eine Ausgleichsvereinbarung ist schon dann nicht erfolgreich, wenn der Täter die ideelle Komponente seiner Wiedergutmachung nicht erfüllt, er etwa eine Entschuldigung nur formal abgibt und das Tatopfer diese deshalb nicht annimmt. Gleiches gilt für Arbeitsleistungen, die der Täter zu Gunsten des Tatopfers persönlich oder gegenüber gemeinnützigen Einrichtungen anbietet. Ein vollwertiger Täter-Opfer-Ausgleich liegt auch nicht vor, wenn ein vom Tatopfer getragener Aussöhnungsversuch zwischen Verwandten, Freunden oder den beauftragten Anwälten nicht zustande kommt. (2) Für die materielle Wiedergutmachung genügt allein die Erfüllung von dem Tatopfer nach dem Zivilrecht ohnehin zustehenden Schadensersatzansprüchen nicht (BGH, Urt. vom 25. Mai 2001 - 2 StR 78/01 -, NStZ 2002, 364). Der Täter muß einen über die rein rechnerische Kompensation hinausgehenden Beitrag erbringen (BGH, Urt. vom 18. November 1999 - 4 StR 435/99 - , NStZ 2000, 205). Andererseits kann aber im Einzelfall ein Ausgleich erfolgreich sein, wenn der Täter sein gesamtes Vermögen zur Schadenswiedergutma-
chung zur Verfügung stellt und so persönlichen Verzicht leistet und den Geschädigten zum überwiegenden Teil entschädigt (BGH, Beschl. vom 19. Oktober 1999 - 1 StR 515/99 - , NStZ 2000, 83). (3) Die Vereinbarung und die Zahlung von Schmerzensgeld müssen sich an den zivilrechtlichen Schmerzensgeldansprüchen messen lassen. Eine Vereinbarung über ein Schmerzensgeld, das in einem Mißverhältnis zu den zivilrechtlich zu realisierenden Schadensersatz- und Schmerzensgeldleistungen steht, kann nicht zu einem erfolgreichen Ausgleich führen (Oberlies aaO S. 110). Akzeptiert etwa das Tatopfer einer Vergewaltigung unter dem Druck des Strafverfahrens eine von dem Verteidiger des Angeklagten und dem Nebenklägervertreter vereinbarte schriftliche Abrede, weil sie befürchtet, ansonsten keinerlei Ersatzleistungen von dem Angeklagten zu erhalten, reicht dies nicht aus (BGH, Urt. vom 31. Mai 2002 - 2 StR 73/02 -, NStZ 2002, 646). (4) Findet eine an den dargestellten Maßstäben zu messende Kommunikation statt, äußert sich das Tatopfer aber nicht zu dem vereinbarten Ausgleich oder den Bemühungen des Täters, so kann daraus nicht in jedem Fall auf eine ausdrückliche Ablehnung der Verletzten mit der Konsequenz eines nicht erfolgreichen Ausgleichs geschlossen werden. In diesem Fall müssen sich die Urteilsgründe dazu verhalten, ob darin der verständliche Wunsch nach "Nichtbefassung" im Sinne einer Ablehnung zu sehen ist. Mit der Ausgestaltung der Vorschrift als "vertyptem Strafmilderungsgrund" wollte der Gesetzgeber einen nachhaltigen Anreiz für Ausgleichsbemühungen im Strafrecht schaffen. Das verbietet nach Auffassung des Senats in diesen Fällen ein allzu enges Verständnis der Vorschrift jedenfalls in denjenigen Fällen, in denen ein kommunikativer Prozeß zwischen Täter und Opfer stattgefunden hat; dies wird vornehmlich für Taten im Familienverbund oder innerhalb sonstiger persönlicher
Beziehungen zu gelten haben (Senat, Urt. vom 27. August 2002 - 1 StR 204/02 -, StV 2002, 654).
c) Nach der als prozessuale Grundnorm anzusehenden Vorschrift des § 155a Satz 1 StPO "sollen" die Staatsanwaltschaft und das Gericht in jedem Stadium des Verfahrens prüfen, ob ein Ausgleich zwischen Beschuldigtem und Verletztem erreichbar ist (vgl. BTDrucks. 14/1928 S. 8). In der Hauptverhandlung ist es dem Tatrichter je nach den Umständen des Einzelfalles nicht verwehrt , zur Anbahnung oder Durchführung des Täter-Opfer-Ausgleichs die Hauptverhandlung zu unterbrechen. Allerdings ergibt die Verfahrensvorschrift des § 155a StPO (vgl. auch den unverändert gebliebenen § 265 Abs. 3 StPO) keinen Anspruch des Angeklagten auf Unterbrechung oder Aussetzung der Hauptverhandlung.
d) Auf der Grundlage dieser Maßstäbe hat der Tatrichter die wesentlichen Einzelheiten über den erfolgreichen oder den nicht erfolgreichen Ausgleich einschließlich der Frage der Zustimmung oder der Verweigerung des Tatopfers in den Urteilsgründen in dem Umfang darzulegen, daß sie die revisionsgerichtliche Überprüfung - insbesondere unter Beachtung der Opferinteressen - ermöglichen. Die Urteilsgründe müssen die "wertende Betrachtung" und die Ausübung tatrichterlichen Ermessens erkennen lassen, ob der Tatrichter die Voraussetzungen des Täter-Opfer-Ausgleichs annimmt und danach von der so eröffneten Milderungsmöglichkeit Gebrauch macht. 3. Das Landgericht hat diese Maßstäbe nicht ausreichend beachtet. Die Urteilsgründe belegen die Voraussetzungen eines erfolgreichen Täter-OpferAusgleichs nicht.

a) Ein ernsthaftes, auf einen Ausgleich mit der Geschädigten gerichtetes Bemühen des Angeklagten nach § 46a Nr. 1 StGB ist den Urteilsgründen nicht zu entnehmen. Nach den bisherigen Feststellungen hat die Strafkammer in der Hauptverhandlung mit ihrem wiederholten Hinweis nach § 155a StPO nach durchgeführter Beweisaufnahme einschließlich der Einvernahme des Tatopfers auf den Täter-Opfer-Ausgleich hingewirkt. Dies ist zwar nach dessen Satz 1 StPO rechtlich zulässig. Allerdings hätte die Strafkammer bei dieser Sachlage näher darlegen müssen, woher sie die Überzeugung nimmt, es sei dem Angeklagten zu diesem späten Zeitpunkt um eine friedensstiftende Kommunikation gegangen. Dazu bestand Anlaß, weil sich bereits aus dem wesentlichen Ergebnis der Ermittlungen ergab, daß der Angeklagte versucht hat, das Tatopfer herabzuwürdigen. Auch nachdem sich diese Behauptung als nachweislich falsch herausgestellt hatte und ihm im Eröffnungsbeschluß ein Hinweis auf den Täter-Opfer-Ausgleich gegeben worden war, hat er in der Hauptverhandlung die Geschädigte der falschen Aussage bezichtigt. Er hat ihr auch die Vernehmung in der Hauptverhandlung nicht erspart. Er hat sogar noch den Beweisantrag gestellt, ein Sachverständiger werde zu dem Ergebnis gelangen, sie habe in ihrer Vernehmung die Unwahrheit gesagt. Erst danach hat der Angeklagte die gegen den Willen der Geschädigten durchgeführten sexuellen Handlungen als "Mißverständnis" bezeichnet und sich entschuldigt. Seine Bereitschaft, sich durch Vermittlung eines Therapeuten mit der Geschädigten an einen Tisch zu setzen, um "ihr dabei durch ein Gespräch dabei zu helfen, die Sache endgültig zu verarbeiten", zeigt nicht ohne weiteres auf, daß das Verhalten des Angeklagten sich als Übernahme von Verantwortung für seine Tat erweist. Dafür spricht letztlich auch, daß sein Verteidiger im Schlußvortrag Freispruch beantragt hat. Angesichts dieser Umstände liegt eine Strafmilderung nach § 46a StGB i.V.m. § 49 Abs. 1 StGB eher fern.

b) Nach den Urteilsgründen genügt auch die Zahlung des Schmerzensgeldes von 3.500 Euro den Anforderungen des § 46a Nr. 1 StGB nicht. Die Urteilsgründe teilen lediglich mit, der Angeklagte müsse einen Betrag von 3.500 Euro an seine Familie zurückzahlen, die diesen Betrag als Schmerzensgeld zur Verfügung gestellt und der Geschädigten ausgehändigt habe. Demgegenüber sprechen die von der Revision mitgeteilten tatsächlichen Umstände zur Sammlung, der Übergabe und dem Vorzählen des Geldes in Gegenwart der Geschädigten eher dafür, daß die Familie den Angeklagten "freigekauft" hat. Die Strafkammer räumt nicht aus, daß diese Form des Aushandelns des „Preises“ eine einseitig dem Täter günstige Strafmilderung bewirkt hat, damit aber die Genugtuungsfunktion des Täter-Opfer-Ausgleichs auf seiten des Tatopfers nicht erfüllt wurde.
c) Aus den Urteilsgründen ergibt sich schließlich kein Anhalt dafür, daß die Geschädigte den Täter-Opfer-Ausgleich "ernsthaft mitgetragen" und diesen als friedensstiftende Konfliktregelung "innerlich akzeptiert" hat. Die Urteilsgründe teilen dazu vielmehr mit, die Geschädigte habe "diesen Betrag durch ihren Beistand auch als gewissen Ausgleich akzeptiert". Nack Boetticher Schluckebier Hebenstreit Elf

Die Staatsanwaltschaft und das Gericht sollen in jedem Stadium des Verfahrens die Möglichkeiten prüfen, einen Ausgleich zwischen Beschuldigtem und Verletztem zu erreichen. In geeigneten Fällen sollen sie darauf hinwirken. Gegen den ausdrücklichen Willen des Verletzten darf die Eignung nicht angenommen werden.

(1) Hält ein Gericht ein Gesetz, auf dessen Gültigkeit es bei der Entscheidung ankommt, für verfassungswidrig, so ist das Verfahren auszusetzen und, wenn es sich um die Verletzung der Verfassung eines Landes handelt, die Entscheidung des für Verfassungsstreitigkeiten zuständigen Gerichtes des Landes, wenn es sich um die Verletzung dieses Grundgesetzes handelt, die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichtes einzuholen. Dies gilt auch, wenn es sich um die Verletzung dieses Grundgesetzes durch Landesrecht oder um die Unvereinbarkeit eines Landesgesetzes mit einem Bundesgesetze handelt.

(2) Ist in einem Rechtsstreite zweifelhaft, ob eine Regel des Völkerrechtes Bestandteil des Bundesrechtes ist und ob sie unmittelbar Rechte und Pflichten für den Einzelnen erzeugt (Artikel 25), so hat das Gericht die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichtes einzuholen.

(3) Will das Verfassungsgericht eines Landes bei der Auslegung des Grundgesetzes von einer Entscheidung des Bundesverfassungsgerichtes oder des Verfassungsgerichtes eines anderen Landes abweichen, so hat das Verfassungsgericht die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichtes einzuholen.

Hat der Täter

1.
in dem Bemühen, einen Ausgleich mit dem Verletzten zu erreichen (Täter-Opfer-Ausgleich), seine Tat ganz oder zum überwiegenden Teil wiedergutgemacht oder deren Wiedergutmachung ernsthaft erstrebt oder
2.
in einem Fall, in welchem die Schadenswiedergutmachung von ihm erhebliche persönliche Leistungen oder persönlichen Verzicht erfordert hat, das Opfer ganz oder zum überwiegenden Teil entschädigt,
so kann das Gericht die Strafe nach § 49 Abs. 1 mildern oder, wenn keine höhere Strafe als Freiheitsstrafe bis zu einem Jahr oder Geldstrafe bis zu dreihundertsechzig Tagessätzen verwirkt ist, von Strafe absehen.

Die Staatsanwaltschaft und das Gericht sollen in jedem Stadium des Verfahrens die Möglichkeiten prüfen, einen Ausgleich zwischen Beschuldigtem und Verletztem zu erreichen. In geeigneten Fällen sollen sie darauf hinwirken. Gegen den ausdrücklichen Willen des Verletzten darf die Eignung nicht angenommen werden.

(1) Alle Menschen sind vor dem Gesetz gleich.

(2) Männer und Frauen sind gleichberechtigt. Der Staat fördert die tatsächliche Durchsetzung der Gleichberechtigung von Frauen und Männern und wirkt auf die Beseitigung bestehender Nachteile hin.

(3) Niemand darf wegen seines Geschlechtes, seiner Abstammung, seiner Rasse, seiner Sprache, seiner Heimat und Herkunft, seines Glaubens, seiner religiösen oder politischen Anschauungen benachteiligt oder bevorzugt werden. Niemand darf wegen seiner Behinderung benachteiligt werden.

(1) Der Beschwerdeführer hat die Erklärung abzugeben, inwieweit er das Urteil anfechte und dessen Aufhebung beantrage (Revisionsanträge), und die Anträge zu begründen.

(2) Aus der Begründung muß hervorgehen, ob das Urteil wegen Verletzung einer Rechtsnorm über das Verfahren oder wegen Verletzung einer anderen Rechtsnorm angefochten wird. Ersterenfalls müssen die den Mangel enthaltenden Tatsachen angegeben werden.

(1) Soweit die Revision für begründet erachtet wird, ist das angefochtene Urteil aufzuheben.

(2) Gleichzeitig sind die dem Urteil zugrunde liegenden Feststellungen aufzuheben, sofern sie durch die Gesetzesverletzung betroffen werden, wegen deren das Urteil aufgehoben wird.

(1) Erfolgt die Aufhebung des Urteils nur wegen Gesetzesverletzung bei Anwendung des Gesetzes auf die dem Urteil zugrunde liegenden Feststellungen, so hat das Revisionsgericht in der Sache selbst zu entscheiden, sofern ohne weitere tatsächliche Erörterungen nur auf Freisprechung oder auf Einstellung oder auf eine absolut bestimmte Strafe zu erkennen ist oder das Revisionsgericht in Übereinstimmung mit dem Antrag der Staatsanwaltschaft die gesetzlich niedrigste Strafe oder das Absehen von Strafe für angemessen erachtet.

(1a) Wegen einer Gesetzesverletzung nur bei Zumessung der Rechtsfolgen kann das Revisionsgericht von der Aufhebung des angefochtenen Urteils absehen, sofern die verhängte Rechtsfolge angemessen ist. Auf Antrag der Staatsanwaltschaft kann es die Rechtsfolgen angemessen herabsetzen.

(1b) Hebt das Revisionsgericht das Urteil nur wegen Gesetzesverletzung bei Bildung einer Gesamtstrafe (§§ 53, 54, 55 des Strafgesetzbuches) auf, kann dies mit der Maßgabe geschehen, dass eine nachträgliche gerichtliche Entscheidung über die Gesamtstrafe nach den §§ 460, 462 zu treffen ist. Entscheidet das Revisionsgericht nach Absatz 1 oder Absatz 1a hinsichtlich einer Einzelstrafe selbst, gilt Satz 1 entsprechend. Die Absätze 1 und 1a bleiben im Übrigen unberührt.

(2) In anderen Fällen ist die Sache an eine andere Abteilung oder Kammer des Gerichtes, dessen Urteil aufgehoben wird, oder an ein zu demselben Land gehörendes anderes Gericht gleicher Ordnung zurückzuverweisen. In Verfahren, in denen ein Oberlandesgericht im ersten Rechtszug entschieden hat, ist die Sache an einen anderen Senat dieses Gerichts zurückzuverweisen.

(3) Die Zurückverweisung kann an ein Gericht niederer Ordnung erfolgen, wenn die noch in Frage kommende strafbare Handlung zu dessen Zuständigkeit gehört.

(1) Wer eine andere Person körperlich mißhandelt oder an der Gesundheit schädigt, wird mit Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder mit Geldstrafe bestraft.

(2) Der Versuch ist strafbar.

(1) Wer die Körperverletzung

1.
durch Beibringung von Gift oder anderen gesundheitsschädlichen Stoffen,
2.
mittels einer Waffe oder eines anderen gefährlichen Werkzeugs,
3.
mittels eines hinterlistigen Überfalls,
4.
mit einem anderen Beteiligten gemeinschaftlich oder
5.
mittels einer das Leben gefährdenden Behandlung
begeht, wird mit Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu zehn Jahren, in minder schweren Fällen mit Freiheitsstrafe von drei Monaten bis zu fünf Jahren bestraft.

(2) Der Versuch ist strafbar.

(1) Der Versuch eines Verbrechens ist stets strafbar, der Versuch eines Vergehens nur dann, wenn das Gesetz es ausdrücklich bestimmt.

(2) Der Versuch kann milder bestraft werden als die vollendete Tat (§ 49 Abs. 1).

(3) Hat der Täter aus grobem Unverstand verkannt, daß der Versuch nach der Art des Gegenstandes, an dem, oder des Mittels, mit dem die Tat begangen werden sollte, überhaupt nicht zur Vollendung führen konnte, so kann das Gericht von Strafe absehen oder die Strafe nach seinem Ermessen mildern (§ 49 Abs. 2).

(1) Eine Freiheitsstrafe unter sechs Monaten verhängt das Gericht nur, wenn besondere Umstände, die in der Tat oder der Persönlichkeit des Täters liegen, die Verhängung einer Freiheitsstrafe zur Einwirkung auf den Täter oder zur Verteidigung der Rechtsordnung unerläßlich machen.

(2) Droht das Gesetz keine Geldstrafe an und kommt eine Freiheitsstrafe von sechs Monaten oder darüber nicht in Betracht, so verhängt das Gericht eine Geldstrafe, wenn nicht die Verhängung einer Freiheitsstrafe nach Absatz 1 unerläßlich ist. Droht das Gesetz ein erhöhtes Mindestmaß der Freiheitsstrafe an, so bestimmt sich das Mindestmaß der Geldstrafe in den Fällen des Satzes 1 nach dem Mindestmaß der angedrohten Freiheitsstrafe; dabei entsprechen dreißig Tagessätze einem Monat Freiheitsstrafe.

Hat der Täter

1.
in dem Bemühen, einen Ausgleich mit dem Verletzten zu erreichen (Täter-Opfer-Ausgleich), seine Tat ganz oder zum überwiegenden Teil wiedergutgemacht oder deren Wiedergutmachung ernsthaft erstrebt oder
2.
in einem Fall, in welchem die Schadenswiedergutmachung von ihm erhebliche persönliche Leistungen oder persönlichen Verzicht erfordert hat, das Opfer ganz oder zum überwiegenden Teil entschädigt,
so kann das Gericht die Strafe nach § 49 Abs. 1 mildern oder, wenn keine höhere Strafe als Freiheitsstrafe bis zu einem Jahr oder Geldstrafe bis zu dreihundertsechzig Tagessätzen verwirkt ist, von Strafe absehen.

Hat eine Person den Hang, alkoholische Getränke oder andere berauschende Mittel im Übermaß zu sich zu nehmen, und wird sie wegen einer rechtswidrigen Tat, die sie im Rausch begangen hat oder die auf ihren Hang zurückgeht, verurteilt oder nur deshalb nicht verurteilt, weil ihre Schuldunfähigkeit erwiesen oder nicht auszuschließen ist, so soll das Gericht die Unterbringung in einer Entziehungsanstalt anordnen, wenn die Gefahr besteht, dass sie infolge ihres Hanges erhebliche rechtswidrige Taten begehen wird. Die Anordnung ergeht nur, wenn eine hinreichend konkrete Aussicht besteht, die Person durch die Behandlung in einer Entziehungsanstalt innerhalb der Frist nach § 67d Absatz 1 Satz 1 oder 3 zu heilen oder über eine erhebliche Zeit vor dem Rückfall in den Hang zu bewahren und von der Begehung erheblicher rechtswidriger Taten abzuhalten, die auf ihren Hang zurückgehen.

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
3 StR 96/09
vom
5. Mai 2009
in der Strafsache
gegen
wegen Körperverletzung u. a.
Der 3. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat auf Antrag des Generalbundesanwalts
und nach Anhörung des Beschwerdeführers am 5. Mai 2009 gemäß
§ 349 Abs. 2 und 4 StPO einstimmig beschlossen:
1. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Düsseldorf vom 15. September 2008
a) im Strafausspruch dahin berichtigt, dass der Angeklagte zu einer Gesamtfreiheitsstrafe verurteilt ist,
b) im Maßregelausspruch mit den zugehörigen Feststellungen aufgehoben.
Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels , an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.
2. Die weitergehende Revision wird verworfen.

Gründe:


1
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen Körperverletzung in zwei Fällen, davon in einem Fall in Tateinheit mit Bedrohung zu einer "Freiheitsstrafe" von drei Jahren und sechs Monaten verurteilt sowie die Sicherungsverwah- rung angeordnet. Hiergegen richtet sich die Revision des Angeklagten mit Verfahrensrügen und sachlichrechtlichen Beanstandungen. Das Rechtsmittel hat den aus der Entscheidungsformel ersichtlichen Teilerfolg.
2
1. Die Nachprüfung des Schuld- und Strafausspruchs hat keinen durchgreifenden Rechtsfehler zum Nachteil des Angeklagten ergeben. Der Strafausspruch bedarf lediglich der Korrektur dahin, dass der Angeklagte - wie das Landgericht in den Urteilsgründen zutreffend ausgeführt hat - zu einer Gesamtfreiheitsstrafe verurteilt ist.
3
2. Die Anordnung der Sicherungsverwahrung hat bereits auf die Sachrüge keinen Bestand, weil das Landgericht die Prüfung unterlassen hat, ob gegen den Angeklagten die Unterbringung in einer Entziehungsanstalt (§ 64 StGB) anzuordnen ist und ob diese Maßregel allein ausreicht, die angenommene Gefährlichkeit des Angeklagten zu beseitigen (§ 72 Abs. 1 StGB). Auf die Verfahrensrügen , die ausschließlich im Zusammenhang mit der Maßregelanordnung stehen, kommt es deshalb nicht an.
4
Nach den Feststellungen des Landgerichts begann der Angeklagte während seines Grundwehrdienstes bei der Bundeswehr mit dem übermäßigen Konsum von Alkohol. Einige Zeit später verlor er seinen Arbeitsplatz infolge seines Trinkverhaltens und ging in der Folgezeit keiner Beschäftigung mehr nach, sondern sprach weiterhin in erheblichem Umfang dem Alkohol zu. Er war bei zwei der zu hohen Vorstrafen führenden Taten (1985 und 1993) jeweils stark alkoholisiert. Auch die beiden verfahrensgegenständlichen Handlungen - er schlug dem Bewohner einer Notunterkunft nach gemeinsamem Alkoholkonsum bei zwei Gelegenheiten mehrfach mit der Faust ins Gesicht - beging der Angeklagte jeweils mit einer Blutalkoholkonzentration von etwas mehr als zwei Promille. Das Landgericht hat dieser Alkoholisierung keine die Schuldfähigkeit des Angeklagten zur Tatzeit erheblich beeinträchtigende Wirkung beigemessen und dies - in Übereinstimmung mit dem Sachverständigen und insoweit ohne Rechtsfehler - damit begründet, dass der Angeklagte alkoholgewohnt war.
5
Danach liegt es nahe, dass der Angeklagte einen Hang hat, alkoholische Getränke im Übermaß zu sich zu nehmen, und die Taten auf diesen Hang zurückgehen. Anhaltspunkte, die gegen die hinreichende Erfolgsaussicht einer Entwöhnungstherapie sprechen, sind dem Urteil nicht zu entnehmen. Das Landgericht hätte deshalb die Unterbringung nach § 64 StGB in den Urteilsgründen erörtern müssen. Hinzu kommt, dass vorliegend die Unterbringung in der den Angeklagten wesentlich stärker belastenden Maßregel nach § 66 StGB im Raum steht.
6
3. Der Senat war trotz des weitergehenden, auf ein Entfallen der Maßregel der Sicherungsverwahrung gerichteten Antrags des Generalbundesanwalts nicht gehindert, im Beschlusswege zu entscheiden. Die Befugnis des Revisionsgerichts , nach Urteilsaufhebung die Sache zurückzuverweisen oder in der Sache selbst zu entscheiden, richtet sich ausschließlich nach § 354 StPO; sie setzt - mit Ausnahme der hier nicht einschlägigen Fallvarianten des § 354 Abs. 1 4. Alt., Abs. 1 a Satz 2 StPO - keinen entsprechenden Antrag der Staatsanwaltschaft voraus (vgl. BGH, Beschl. vom 10. Februar 2004 - 4 StR 24/04 - juris).
7
4. Für den Fortgang des Verfahrens sieht der Senat Anlass zu folgenden ergänzenden Bemerkungen:
8
a) Die nach § 66 Abs. 1 Nr. 1 StGB erforderlichen zwei Vortaten sind - entgegen der Annahme des Landgerichts - nicht in der Trunkenheitsfahrt am 30. November 1985 (abgeurteilt mit einer Freiheitsstrafe von zwei Jahren und neun Monaten durch Urteil vom 20. März 1986) und in der schweren räuberischen Erpressung am 23. Oktober 1985 (abgeurteilt mit einer Freiheitsstrafe von sechs Jahren durch Urteil vom 25. Januar 1988) zu finden. Sicherungsverwahrung nach § 66 Abs. 1 Nr. 1 StGB darf nur angeordnet werden, wenn die zur zweiten Verurteilung führende Tat nach Rechtskraft der ersten Vorverurteilung begangen worden ist (BGHSt 35, 6, 12; 38, 258). Diese formelle Voraussetzung wird aber von jeder der beiden Taten in Verbindung mit dem von dem Angeklagten im Januar 1993 begangenen Tötungsdelikt erfüllt.
9
b) Zur Anordnung einer Unterbringung in der Entziehungsanstalt anstelle oder neben der Sicherungsverwahrung verweist der Senat auf seine Entscheidungen NStZ 2007, 328; StV 2008, 300 sowie sein Urteil vom 12. Februar 2009 - 3 StR 569/08.
10
c) Zum Beleg der formellen Voraussetzungen der Sicherungsverwahrung und des Hangs im Sinne von § 66 Abs. 1 Nr. 3 StGB empfiehlt es sich, die entscheidenden Vortaten und Vorstrafen in gestraffter und auf das Wesentliche konzentrierter Form darzustellen. Die weitergehende, wörtliche Wiedergabe der Feststellungen aus den Vorverurteilungen verursacht unnötige Schreibarbeit und beeinträchtigt die Verständlichkeit des Urteils. Gleiches gilt für die vollständige Wiedergabe aller Eintragungen im Bundeszentralregister. Sofern es für die Darstellung der Persönlichkeitsentwicklung des Angeklagten von Belang ist, wann dieser erstmals strafrechtlich in Erscheinung getreten ist, reicht auch eine zusammenfassende Schilderung.
Becker Pfister RiBGH von Lienen befindet sich im Urlaub und ist daher gehindert zu unterschreiben. Becker Hubert Schäfer

Hat eine Person den Hang, alkoholische Getränke oder andere berauschende Mittel im Übermaß zu sich zu nehmen, und wird sie wegen einer rechtswidrigen Tat, die sie im Rausch begangen hat oder die auf ihren Hang zurückgeht, verurteilt oder nur deshalb nicht verurteilt, weil ihre Schuldunfähigkeit erwiesen oder nicht auszuschließen ist, so soll das Gericht die Unterbringung in einer Entziehungsanstalt anordnen, wenn die Gefahr besteht, dass sie infolge ihres Hanges erhebliche rechtswidrige Taten begehen wird. Die Anordnung ergeht nur, wenn eine hinreichend konkrete Aussicht besteht, die Person durch die Behandlung in einer Entziehungsanstalt innerhalb der Frist nach § 67d Absatz 1 Satz 1 oder 3 zu heilen oder über eine erhebliche Zeit vor dem Rückfall in den Hang zu bewahren und von der Begehung erheblicher rechtswidriger Taten abzuhalten, die auf ihren Hang zurückgehen.

Ordnet das Gericht die Unterbringung in einer Entziehungsanstalt an, so ist eine frühere Anordnung der Maßregel erledigt.

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
3 StR237/15
vom
18. August 2015
in der Strafsache
gegen
wegen Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge u.a.
Der 3. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat nach Anhörung des Beschwerdeführers
und des Generalbundesanwalts - zu 2. auf dessen Antrag - am
18. August 2015 gemäß § 349 Abs. 2 und 4 StPO einstimmig beschlossen:
1. Auf die Revision des Angeklagten F. wird das Urteil des Landgerichts Mönchengladbach vom 9. Februar 2015, soweit es ihn betrifft, mit den zugehörigen Feststellungen aufgehoben, soweit das Landgericht von einer Unterbringung des Angeklagten in einer Entziehungsanstalt abgesehen hat. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels , an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen. 2. Die weitergehende Revision wird verworfen.

Gründe:


1
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in vier Fällen sowie wegen Fahrens ohne Fahrerlaubnis zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von vier Jahren und sechs Monaten verurteilt, eine Sperre für die Erteilung einer Fahrerlaubnis verhängt und ihn im Übrigen freigesprochen. Die auf die nicht ausgeführte Formalrüge sowie die Rüge der Verletzung materiellen Rechts gestützte Revision des Angeklagten ist zum Schuld- und Strafausspruch sowie zu der Entscheidung nach § 69a StGB unbegründet im Sinne des § 349 Abs. 2 StPO. Das Rechtsmittel hat Erfolg, soweit das Landgericht davon abgesehen hat, die Unterbringung des Angeklagten in einer Entziehungsanstalt anzuordnen (§ 64 StGB).
2
Das sachverständig beratene Landgericht hat angenommen, bei dem Angeklagten liege eine eingewurzelte psychische Disposition vor, immer wieder Amphetamin zu konsumieren. Die abgeurteilten Taten stellten sich aber nicht als Ausdruck einer hangbedingten Gefährlichkeit des Angeklagten dar, da der Angeklagte nicht unter Suchtdruck gelitten habe und im Zeitraum der Tatbegehung in der Lage gewesen sei, seinen Konsum anlassbedingt aufzuschieben oder ganz auf ihn zu verzichten.
3
Diese Begründung trägt das Absehen von der Unterbringung des Angeklagten in einer Entziehungsanstalt nicht; denn sie steht im Widerspruch zu den getroffenen Feststellungen. Danach konsumierte der Angeklagte während des elfwöchigen Tatzeitraums fünf Gramm Amphetamin pro Woche. Seinen entsprechenden Bedarf deckte er dadurch, dass er insgesamt 55 Gramm des bei der Tat II. 1. der Urteilsgründe in den Niederlanden erworbenen Amphetamins nicht - wie die übrigen Betäubungsmittel - weiter verkaufte, sondern zum Eigenkonsum verwendete.
4
Über die Frage der Unterbringung des Angeklagten in einer Entziehungsanstalt muss deshalb neu verhandelt und entschieden werden. Dass nur der Angeklagte Revision eingelegt hat, hindert die Nachholung der Unterbringungsanordnung nicht (BGH, Beschluss vom 11. Juli 2013 - 3 StR 193/13, juris Rn. 6; Urteil vom 10. April 1990 - 1 StR 9/90, BGHSt 37, 5, 9 f.). Der Beschwerdeführer hat die Nichtanwendung des § 64 StGB durch den Tatrichter auch nicht vom Rechtsmittelangriff ausgenommen (vgl. BGH, Urteil vom 7. Oktober 1992 - 2 StR 374/92, BGHSt 38, 362, 363).
5
Der aufgezeigte Rechtsfehler lässt den Strafausspruch unberührt. Es ist auszuschließen, dass das Landgericht bei Anordnung der Unterbringung in einer Entziehungsanstalt eine mildere Freiheitsstrafe verhängt hätte.
VRiBGH Becker ist wegen Pfister Schäfer Urlaubs gehindert, seine Unterschrift beizufügen. Pfister
Mayer Spaniol

Hat eine Person den Hang, alkoholische Getränke oder andere berauschende Mittel im Übermaß zu sich zu nehmen, und wird sie wegen einer rechtswidrigen Tat, die sie im Rausch begangen hat oder die auf ihren Hang zurückgeht, verurteilt oder nur deshalb nicht verurteilt, weil ihre Schuldunfähigkeit erwiesen oder nicht auszuschließen ist, so soll das Gericht die Unterbringung in einer Entziehungsanstalt anordnen, wenn die Gefahr besteht, dass sie infolge ihres Hanges erhebliche rechtswidrige Taten begehen wird. Die Anordnung ergeht nur, wenn eine hinreichend konkrete Aussicht besteht, die Person durch die Behandlung in einer Entziehungsanstalt innerhalb der Frist nach § 67d Absatz 1 Satz 1 oder 3 zu heilen oder über eine erhebliche Zeit vor dem Rückfall in den Hang zu bewahren und von der Begehung erheblicher rechtswidriger Taten abzuhalten, die auf ihren Hang zurückgehen.

(1) Das Gericht, an das die Sache zur anderweiten Verhandlung und Entscheidung verwiesen ist, hat die rechtliche Beurteilung, die der Aufhebung des Urteils zugrunde gelegt ist, auch seiner Entscheidung zugrunde zu legen.

(2) Das angefochtene Urteil darf in Art und Höhe der Rechtsfolgen der Tat nicht zum Nachteil des Angeklagten geändert werden, wenn lediglich der Angeklagte, zu seinen Gunsten die Staatsanwaltschaft oder sein gesetzlicher Vertreter Revision eingelegt hat. Wird die Anordnung der Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus aufgehoben, hindert diese Vorschrift nicht, an Stelle der Unterbringung eine Strafe zu verhängen. Satz 1 steht auch nicht der Anordnung der Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus oder einer Entziehungsanstalt entgegen.

Hat eine Person den Hang, alkoholische Getränke oder andere berauschende Mittel im Übermaß zu sich zu nehmen, und wird sie wegen einer rechtswidrigen Tat, die sie im Rausch begangen hat oder die auf ihren Hang zurückgeht, verurteilt oder nur deshalb nicht verurteilt, weil ihre Schuldunfähigkeit erwiesen oder nicht auszuschließen ist, so soll das Gericht die Unterbringung in einer Entziehungsanstalt anordnen, wenn die Gefahr besteht, dass sie infolge ihres Hanges erhebliche rechtswidrige Taten begehen wird. Die Anordnung ergeht nur, wenn eine hinreichend konkrete Aussicht besteht, die Person durch die Behandlung in einer Entziehungsanstalt innerhalb der Frist nach § 67d Absatz 1 Satz 1 oder 3 zu heilen oder über eine erhebliche Zeit vor dem Rückfall in den Hang zu bewahren und von der Begehung erheblicher rechtswidriger Taten abzuhalten, die auf ihren Hang zurückgehen.