Bundesgerichtshof Beschluss, 14. Sept. 2017 - 4 StR 274/16

ECLI:ECLI:DE:BGH:2017:140917B4STR274.16.0
bei uns veröffentlicht am14.09.2017

Gericht

Bundesgerichtshof


Der Bundesgerichtshof (BGH) ist das höchste Gericht der ordentlichen Gerichtsbarkeit in Deutschland.  Der BGH besteht aus 16 Senaten, die jeweils von einem Vorsitzenden und mehreren anderen Richtern geleitet werden. Die Zusammensetzung der Senate

Richter

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
4 StR 274/16
vom
14. September 2017
Nachschlagewerk: ja
BGHSt: ja
Veröffentlichung: ja
BGHR: ja
––––––––––––––––––––––––––
Zu den Voraussetzungen der Rechtsbeugung durch einen Staatsanwalt bei
bewusstem Nichtbetreiben von anklagereifen Ermittlungsverfahren.
BGH, Beschluss vom 14. September 2017 - 4 StR 274/16 - LG Freiburg
in der Strafsache
gegen
wegen Rechtsbeugung u.a.
ECLI:DE:BGH:2017:140917B4STR274.16.0

Der 4. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat nach Anhörung des Generalbundesanwalts und des Beschwerdeführers am 14. September 2017 gemäß § 349 Abs. 2 und 4, § 154a Abs. 2 StPO beschlossen:
1. Auf die Revision des Angeklagten gegen das Urteil des Landgerichts Freiburg vom 25. Februar 2016 wird
a) die Strafverfolgung gemäß § 154a Abs. 2 StPO im Fall II.2. der Urteilsgründe mit Zustimmung des Generalbundesanwalts auf den Vorwurf der Rechtsbeugung in Tateinheit mit Strafvereitelung im Amt in zwei tateinheitlichen Fällen (Ermittlungsverfahren gegen die Beschuldigten L. und M. ) beschränkt;
b) das vorbezeichnete Urteil mit den zugehörigen Feststellungen aufgehoben, aa) soweit der Angeklagte in den Fällen II.3. bis 6. der Urteilsgründe verurteilt ist; jedoch bleiben insoweit die Feststellungen zum objektiven Tatgeschehen aufrechterhalten ; bb) in den Fällen II.1. und 2. der Urteilsgründe im Strafausspruch ; cc) im Ausspruch über die Gesamtstrafe.
2. Die weiter gehende Revision wird verworfen.
3. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels , an eine Strafkammer des Landgerichts Karlsruhe verwiesen.

Gründe:


1
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen Rechtsbeugung in Tateinheit mit Strafvereitelung im Amt in sechs Fällen, davon in einem Fall (Fall II.2. der Urteilsgründe) in drei tateinheitlichen Fällen, zu der Gesamtfreiheitsstrafe von einem Jahr und vier Monaten verurteilt und deren Vollstreckung zur Bewährung ausgesetzt. Mit seiner auf die Sach- und eine Verfahrensrüge gestützten Revision wendet sich der Angeklagte gegen seine Verurteilung. Das Rechtsmittel hat in dem aus der Beschlussformel ersichtlichen Umfang Erfolg; im Übrigen ist es unbegründet im Sinne von § 349 Abs. 2 StPO.

I.


2
Der Angeklagte ist – seit Juli 2012 vom Dienst suspendierter – Staatsanwalt bei der Staatsanwaltschaft Freiburg. Seiner Verurteilung liegen Ermittlungsverfahren zugrunde, in denen er es trotz von ihm jeweils zutreffend beurteilter Verurteilungswahrscheinlichkeit und bestehender Anklagereife unterließ, gegen die Beschuldigten der betroffenen Verfahren die öffentliche Klage – gegebenenfalls durch Beantragung eines Strafbefehls (vgl. § 407 Abs. 1 Satz 4 StPO) – zu erheben. In sämtlichen Fällen wusste der Angeklagte darum, dass die Beschuldigten bei Erhebung der öffentlichen Klage der von ihnen verwirkten Strafe zugeführt werden würden. Im Fall II.2. unterließ er es zudem, das staatsanwaltschaftliche Ermittlungsverfahren auf eine polizeilich zunächst als Zeugin und später als Tatverdächtige vernommene Beschuldigte zu erstrecken, die ihre Tatbeteiligung eingeräumt hatte.
3
Das Unterlassen der Erhebung der öffentlichen Klage durch den Angeklagten führte in den Fällen II.1. und 2., im letztgenannten Fall gegenüber zwei Beschuldigten, zum Eintritt der Strafverfolgungsverjährung. In den Fällen II.3. bis 6. schloss der Dezernatsnachfolger des Angeklagten die Ermittlungen nach dessen Suspendierung ab. Die Amtsgerichte Staufen, Ettenheim und Freiburg verhängten in diesen Fällen sodann gegen die Beschuldigten – in den Fällen II.3. und 4. durch Strafbefehl – jeweils zur Bewährung ausgesetzte Freiheits- strafen. Im Fall II.3. berücksichtigte das Amtsgericht Staufen die „ungewöhnlich lange […] Verfahrensverzögerung“, im Fall II.6. das Amtsgericht Freiburg den Umstand, „dass der Beschuldigte durch die lange Verfahrensdauer […] erheblich beeinträchtigt“ wurde, als strafmildernde Umstände. Im Fall II.5. erklärte das Amtsgericht Staufen drei Monate der gegen den Beschuldigten verhängten Ge- samtfreiheitsstrafe wegen einer „überlangen Verfahrensdauer“ für vollstreckt. Gegen die nach der Suspendierung des Angeklagten im Fall II.2. nacherfasste Beschuldigte stellte die Staatsanwaltschaft das Verfahren „aufgrund der lange zurückliegenden Tatzeit, des Geständnisses und der rechtsstaatswidrigen Verfahrensverzögerung“ gemäß § 153 Abs. 1 StPO ein.
4
Im Einzelnen hat das Landgericht folgende Feststellungen und Wertungen getroffen:
5
Die Erlasslage des baden-württembergischen Justizministeriums verpflichtete die Staatsanwälte, dem zuständigen Generalstaatsanwalt über alle Ermittlungsverfahren zu berichten, die länger als ein Jahr unerledigt in ihrem Dezernat anhängig waren. Anfang 2011 verfügte der Leitende Oberstaatsanwalt in Freiburg, dass ihm die Rückstandsberichte vorzulegen waren. Um seiner Berichtspflicht in den überjährigen Verfahren nicht nachkommen zu müssen, verfügte der Angeklagte in den den verfahrensgegenständlichen Fällen zugrunde liegenden Akten den Abschluss der Ermittlungen durch angeblich diktierte Anklagen oder Strafbefehlsanträge oder stellte die Verfahren entgegen der von ihm zutreffend gewürdigten Sach- und Rechtslage ein, ohne die Beschuldigten hiervon zu benachrichtigen oder Anzeigenerstatter zu bescheiden. Den sachbearbeitenden Polizeistellen teilte er die Einstellungen ebenfalls nicht mit. Mit den Scheinverfügungen veranlasste der Angeklagte seine Geschäftsstelle, die Ermittlungsverfahren aus dem Register als erledigt auszutragen und damit der Dienstaufsicht des Generalstaatsanwalts und seines eigenen Behördenleiters zu entziehen. Anschließend nahm er die Akten mit dem Vorhaben wieder an sich, die Verfahren zu einem späteren Zeitpunkt dem von ihm zutreffend als allein sachgerecht erkannten Abschluss durch Erhebung der öffentlichen Klage zuzuführen. Ohne dieses Vorhaben aufzugeben, bewahrte der Angeklagte die Akten bis zum 27. Juni 2012 in seinem Dienstzimmer und schließlich bis zur Entdeckung seines Vorgehens am 29. Juni 2012 kurzzeitig im Keller seiner Mutter auf. In der gesamten Zeit nach den Scheinverfügungen verlor er die Verfahren nicht aus dem Blick. In den Fällen II.1. und 2. wusste der Angeklagte durchgehend darum, wann im Hinblick auf die Tat des jeweiligen Beschuldigten Verjährung eintreten würde. Ebenso war sich der Angeklagte bewusst, dass die Akten seit seinen Scheinverfügungen keiner behördlichen Kontrolle mehr unterlagen. Seine anfangs hohe Arbeitsbelastung stand einer Erhebung der öffentlichen Klage jedenfalls ab Anfang 2009 nicht entgegen.
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Zu den einzelnen Fällen hat das Landgericht folgende weitere Feststellungen getroffen:
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1. Das seit August 2005 gegen die Beschuldigte Ma. geführte Verfahren 330 Js , dem 13 sicher nachzuweisende betrügerische Warenbestellungen zugrunde lagen, stellte der Angeklagte im Juli 2006 gemäß § 154 Abs. 1 StPO ein. Das für die Einstellung herangezogene Bezugsverfahren 330 Js , das zu einer Verurteilung wegen Betrugs in mindestens 32 Fällen geführt hätte, war seit dem 6. Dezember 2006 anklagereif. Zum 15. September 2007 wurde es berichtspflichtig. Am 30. Oktober 2007 verfügte der Angeklagte dessen Abschluss durch eine angeblich diktierte Anklage. Spätestens ab Beginn des Jahres 2009 war das Unterlassen der Anklageerhebung nach Auffas- sung des Landgerichts „unter keinem rechtlichen oder tatsächlichenGesichtspunkt mehr zu vertreten“. Im Laufe des Jahres 2011 trat Strafverfolgungsverjäh- rung ein. Eine rechtzeitige Anklageerhebung hätte zur Verurteilung der Beschuldigten geführt.
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2. Der Angeklagte führte unter dem Aktenzeichen 330 Js seit Juni 2006 ein Ermittlungsverfahren gegen die Beschuldigten W. , L. und M. u.a. wegen des Vorwurfs, im März 2006 ein Leasingfahrzeug im Wert von rund 48.000 Euro in die Ukraine verschoben zu haben. Auf seinen Antrag erließ das Amtsgericht Freiburg am 1. Dezember 2006 Haftbefehl gegen L. , der vom 23. Dezember 2006 bis zum 18. Mai 2007 vollzogen und seitdem , auf Antrag des Angeklagten, gegen Auflagen außer Vollzug gesetzt wurde. Kurz nach Eintritt der Berichtspflicht stellte der Angeklagte das Verfahren am 29. Juni 2007 gegen die Beschuldigten gemäß § 170 Abs. 2 StPO ein, wovon weder die Beschuldigten noch die sachbearbeitende Polizei Kenntnis erhielten. In einer polizeilichen Vernehmung Ende 2008 räumte die bislang ledig- lich als Zeugin in das Verfahren einbezogene F. ihre Beteiligung an der Fahrzeugverschiebung ein. Im Mai 2009 erörterte der Angeklagte mit den verantwortlichen Kriminalbeamten das Ergebnis der von ihnen durchgeführten Ermittlungen, auf dessen Grundlage gegen L. und M. sowie gegen die im Verfahrensregister als Beschuldigte nachzuerfassende F. Anklage zu erheben gewesen wäre. Spätestens ab September 2009 war das Unterlassen der Anklageerhebung nach Auffassung des Landgerichts nicht mehr zu vertreten. Bezüglich der Beschuldigten M. und L. trat am 1. Dezember 2011 bzw. am 14. Mai 2012 Verfolgungsverjährung ein. Gegen die später als Beschuldigte nacherfasste F. stellte der Dezernatsnachfolger des Angeklagten das Verfahren im Mai 2013 gemäß § 153 Abs. 1 StPO ein. Zumindest hinsichtlich der Beschuldigten L. und M. wäre bei rechtzeitiger Anklageerhebung mit der Verurteilung zu Freiheitsstrafen zu rechnen gewesen.
9
3. Unter dem Aktenzeichen 330 Js ermittelte der Angeklagte seit April 2008 gegen den Krankenpfleger S. wegen des Verdachts der gefährlichen Körperverletzung. S. war seit Oktober 2008 geständig, einer Arbeitskollegin im Februar 2008 Medikamente ins Essen gemischt zu haben, so dass sie nach dessen Verzehr eine Woche auf der Intensivstation behandelt werden musste und mindestens ein halbes Jahr lang krankgeschrieben war. Kurz nach Eintritt der Berichtspflicht verfügte der Angeklagte am 30. April 2009 den Abschluss der Ermittlungen durch einen angeblich diktierten Strafbefehlsantrag. Spätestens ab Beginn des Jahres 2010 hätte nach Auffassung des Landgerichts Anklage erhoben werden müssen. Nach der Suspendierung verhängte das Amtsgericht Staufen gegen S. wegen gefährlicher Körperverletzung durch unangefochten gebliebenen Strafbefehl vom 10. September 2012 eine zur Bewährung ausgesetzte Freiheitsstrafe von sieben Monaten.
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4. Ab Dezember 2008 führte der Angeklagte unter dem Aktenzeichen 330 Js ein Ermittlungsverfahren gegen den Beschuldigten Sch. wegen des Vorwurfs des versuchten Totschlags bzw. der gefährlichen Körperverletzung. Bei seiner verantwortlichen Vernehmung am 19. Dezember 2008 räumte Sch. das objektive Tatgeschehen weitgehend ein, bestritt aber einen Tötungsvorsatz. Ende Januar 2009 regte sein Verteidiger an, das Verfahren durch Antrag auf Erlass eines Strafbefehls wegen gefährlicher Körperverletzung abzuschließen. Kurz vor Eintritt der Berichtspflicht verfügte der Angeklagte am 30. November 2009 hinsichtlich des Beschuldigten Sch. den Abschluss der Ermittlungen durch einen angeblich diktierten Strafbefehlsantrag. Spätestens ab Mai 2010 war das Unterlassen der Anklageerhebung nach Auffassung des Landgerichts nicht mehr zu vertreten. Nach der Suspendierung des Angeklagten und der Wiederaufnahme des Verfahrens verhängte das Amtsgericht Ettenheim gegen Sch. am 10. September 2012 durch unangefochten gebliebenen Strafbefehl wegen gefährlicher Körperverletzung eine zur Bewährung ausgesetzte Freiheitsstrafe von neun Monaten.
11
5. Das ab Mai 2009 gegen K. geführte Verfahren 330 Js , dem mindestens 43 betrügerische Verkaufsfälle bei „ebay“ sowie eine durch Betrug erlangte Reise im Wert von rund 2.100 Euro zugrunde lagen, stellte der Angeklagte am 18. Mai 2010 kurz vor Eintritt der Berichtspflicht im Hinblick auf das ebenfalls wegen betrügerischer „ebay“-Verkäufegeführte Verfahren 330 Js ein, das seit November 2009 bei ihm anhängig war. Als dieses Anfang November 2010 berichtspflichtig wurde, stellte der Angeklagte es am selben Tag gemäß § 170 Abs. 2 StPO ein. Weder der Beschuldigte noch die zahlreichen Anzeigenerstatter erhielten davon Kenntnis. Die mit Bezug auf dieses Verfahren eingestellten Ermittlungen im Verfahren 330 Js nahm der Angeklagte nicht wieder auf. Spätestens ab April 2011 war das Unter- lassen der Anklageerhebung nach Auffassung des Landgerichts „unter keinem rechtlichen oder tatsächlichen Gesichtspunkt“ mehr zu vertreten. Nach dessen Suspendierung nahm der Dezernatsnachfolger des Angeklagten zunächst das Verfahren 330 Js wieder auf und erhob wegen der dortigen Taten im Dezember 2012 Anklage zum Amtsgericht Staufen. Ende Mai 2013 erfolgte – nach Verbindung mit weiteren Verfahren – die Anklageerhebung im Verfahren 330 Js . Bei ihrer gemeinsamen Verhandlung verurteilte das Amtsgericht den Beschuldigten K. im April 2014 wegen Betrugs in 75 Fällen sowie versuchten Betrugs zu einer zur Bewährung ausgesetzten Gesamtfreiheitsstrafe von einem Jahr und drei Monaten, von denen es drei Monate für vollstreckt erklärte.
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6. Ab dem 5. März 2011 ermittelte der Angeklagte unter dem Aktenzeichen 330 Js gegen den Beschuldigten Schi. wegen des Verdachts des (schweren) sexuellen Missbrauchs einer widerstandsunfähigen Person und erwirkte am selben Tag einen Haftbefehl gegen ihn. Im Rahmen seiner richterlichen Vernehmung im Haftprüfungstermin vom 19. April 2011 gestand Schi. die Tat in vollem Umfang. Am selben Tag setzte das Amtsgericht den Haftbefehl gegen Auflagen außer Vollzug. Mit Eingang weiterer polizeilicher Ermittlungen war das Verfahren ab dem 10. Juni 2011 anklagereif. Kurz bevor es berichtspflichtig wurde, stellte der Angeklagte es am 2. März 2012 gemäß § 170 Abs. 2 StPO mit einer bewusst unzutreffenden Begründung ein. Spätestens ab diesem Zeitpunkt war die Sache vielmehr anklagereif. Der Beschuldigte wurde durch die Verfahrensverzögerung einerseits begünstigt, andererseits bedeutete die Verzögerung für ihn in Anbetracht des bestehenden Haftbefehls und der bestehenden Auflagen zugleich eine Belastung. Nach der Suspendierung des Angeklagten erhob der Dezernatsnachfolger des Angeklagten Anklage zum Amtsgericht Freiburg, das den Beschuldigten Schi. am 28. November 2012 wegen sexuellen Missbrauchs einer widerstandsunfähigen Person zu einer zur Bewährung ausgesetzten Freiheitsstrafe von einem Jahr und vier Monaten verurteilte.

II.


13
Der Senat hat im Fall II.2. der Urteilsgründe die Strafverfolgung mit Zustimmung des Generalbundesanwalts auf den Vorwurf der Rechtsbeugung in Tateinheit mit Strafvereitelung im Amt in zwei tateinheitlichen Fällen (unterbliebene Anklageerhebung im Verfahren 330 Js gegen die Beschuldigten L. und M. ) beschränkt.

III.


14
1. Die Verfahrensrüge, dass bestimmte Urkunden mangels Zustimmung des Verteidigers und des Angeklagten nach § 251 Abs. 1 Nr. 1 StPO nicht im Selbstleseverfahren nach § 249 Abs. 2 Satz 1 StPO hätten eingeführt werden dürfen, ist bereits unzulässig (§ 344 Abs. 2 Satz 2 StPO), weil der Inhalt dieser Urkunden nicht bzw. nicht vollständig mitgeteilt wird. Dem Senat ist deshalb die Prüfung verwehrt, ob es sich – wofür schon das Revisionsvorbringen spricht – bei den beanstandeten Urkunden um Erklärungen von Polizeibeamten über das Ergebnis von Ermittlungshandlungen handelt, die nach § 256 Abs. 1 Nr. 5 StPO ohne Zustimmung der Verfahrensbeteiligten verlesbar waren.
15
2. Die Revision dringt jedoch mit der Sachrüge teilweise durch.
16
Die Verurteilung wegen Rechtsbeugung hält sachlich-rechtlicher Überprüfung nur in den Fällen stand, in denen es der Angeklagte unterließ, durch eine rechtzeitige Anklageerhebung oder eine Antragstellung nach § 407 Abs. 1 StPO den Eintritt der Verfolgungsverjährung zu verhindern (betr. die Fälle II. 1. und - nach Verfahrensbeschränkung - II. 2. der Urteilsgründe). Allerdings ist zu besorgen, dass das Landgericht insoweit von einem zu großen Schuldumfang ausgegangen ist, so dass die Strafaussprüche aufzuheben waren. Soweit durch die Untätigkeit des Angeklagten ein Verfahrensabschluss lediglich verzögert wurde, wird der Schuldspruch wegen Rechtsbeugung von den Feststellungen nicht getragen (Fälle II. 3. bis II. 6. der Urteilsgründe).
17
a) Für die sachlich-rechtliche Beurteilung von Fällen der vorliegenden Art gilt hinsichtlich des Tatbestands der Rechtsbeugung grundsätzlich das Folgende :
18
aa) Ein Staatsanwalt kann Täter einer Rechtsbeugung im Sinne des § 339 StGB sein, wenn er wie ein Richter in einem rechtlich vollständig geregelten Verfahren zu entscheiden hat und dabei einen gewissen Grad sachlicher Unabhängigkeit genießt. Diese Voraussetzungen hat der Bundesgerichtshof sowohl für staatsanwaltschaftliche Einstellungsverfügungen als auch für Anklageerhebungen bereits bejaht (vgl. BGH, Urteil vom 15. September 1995 – 5 StR 713/94, BGHSt 41,247, 249; Uebele in MüKo-StGB, 2. Aufl., § 339 Rn. 12; Hilgendorf in LK-StGB, 12. Aufl., § 339 Rn. 20, 36 mwN). Für die Entscheidung , die Erhebung der öffentlichen Klage durch einen Antrag auf Erlass eines Strafbefehls zu bewirken (§ 407 Abs. 1 Satz 4 StPO), kann nichts anderes gelten.
19
bb) Als eine Beugung des Rechts im Sinne von § 339 StGB kommen nur elementare Rechtsverstöße in Betracht. Dabei indizieren die Einordnung der Rechtsbeugung als Verbrechen und die gemäß § 24 Nr. 1 DRiG, § 24 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 BeamtStG im Fall einer Verurteilung kraft Gesetzes eintretende Beendigung des Richter- oder Beamtenverhältnisses die Schwere des Unwerturteils (vgl. BGH, Urteil vom 13. Mai 2015 – 3 StR 498/14, NStZ 2015, 651, 652; Urteil vom 18. Juli 2013 – 4 StR 84/13, NStZ 2013, 655, 656; Urteil vom 29. Oktober 2009 – 4 StR 97/09, NStZ-RR 2010, 310; Urteil vom 29. Oktober 1992 – 4 StR 353/92, BGHSt 38, 381, 383). § 339 StGB erfasst deshalb nur Rechts- brüche, bei denen sich der Richter oder Amtsträger bei der Leitung oder Entscheidung einer Rechtssache bewusst in schwerwiegender Weise zugunsten oder zum Nachteil einer Partei von Recht und Gesetz entfernt und sein Handeln als Organ des Staates statt an Recht und Gesetz an eigenen Maßstäben ausrichtet (st. Rspr., vgl. BGH, Urteile vom 9. Mai 1994 – 5 StR 354/93, BGHSt 40, 169, 178; vom 6. Oktober 1994 – 4 StR 23/94, BGHSt 40, 272, 283; vom 5. Dezember 1996 – 1 StR 376/96, BGHSt 42, 343, 345; vom 4. September 2001 – 5 StR 92/01, BGHSt 47, 105, 109; vom 13. Mai 2015 – 3 StR 498/14, NStZ 2015, 651, 652; Beschluss vom 7. Juli 2010 – 5 StR 555/09, StV 2011, 463, 466). Eine unrichtige Rechtsanwendung reicht daher für die Annahme einer Rechtsbeugung selbst dann nicht aus, wenn sich die getroffene Entscheidung als unvertretbar darstellt (st. Rspr., vgl. BGH, Urteil vom 4. September 2001 – 5 StR 92/01, BGHSt 47, 105, 109; Urteil vom 15. September 1995 – 5StR 713/94, BGHSt 41, 247, 251). Insoweit enthält das Merkmal der Beugung des Rechts ein normatives Element, dem die Funktion eines wesentlichen Regulativs zukommt. Ob ein elementarer Rechtsverstoß vorliegt, ist auf der Grundlage einer wertenden Gesamtbetrachtung aller objektiven und subjektiven Umstände zu entscheiden (vgl. BGH, Urteil vom 13. Mai 2015 – 3 StR 498/14, NStZ 2015, 651, 652; Urteil vom 23. Mai 1984 – 3 StR 102/84, BGHSt 32, 357, 364).
20
cc) Eine Rechtsbeugung kann grundsätzlich auch durch einen Verstoß gegen Verfahrensrecht begangen werden (st. Rspr., vgl. BGH, Urteil vom 27. Mai 1987 – 3 StR 112/87, NStZ 1988, 218; Urteil vom 29. Oktober 1992 – 4 StR353/92, BGHSt 38, 381, 383; Urteil vom 5. Dezember 1996 – 1 StR 376/96, BGHSt 42, 343, 344 f.; Urteil vom 4. September 2001 – 5 StR 92/01, BGHSt 47, 105, 109; Beschluss vom 24. Juni 2009 – 1 StR 201/09, NStZ 2010, 92; Beschluss vom 7. Juli 2010 – 5 StR 555/09, StV 2011, 463, 466). In diesem Fall ist es jedoch erforderlich, dass durch die Verfahrensverletzung die konkrete Gefahr einer falschen Entscheidung zum Vor- oder Nachteil einer Partei begründet wurde, ohne dass allerdings ein Vor- oder Nachteil tatsächlich eingetreten sein muss (vgl. BGH, Urteil vom 11. April 2013 – 5 StR 261/12, NStZ 2013, 648, 651 mwN). Daneben kann auch Bedeutung erlangen, welche Folgen der Verstoß für eine Partei hatte, inwieweit die Entscheidung materiell rechtskonform blieb und von welchen Motiven sich der Richter oder Amtsträger bei der Entscheidung leiten ließ (vgl. BGH, Urteile vom 5. Dezember 1996 – 1 StR 376/99, BGHSt 42, 343, 351; vom 20. September 2000 – 2 StR 276/00, NStZ-RR 2001, 243, 244; vom 18. Juli 2013 – 4 StR 84/13, NStZ 2013, 655, 656; vom 13. Mai 2015 – 3 StR 498/14, NStZ 2015, 651, 652).
21
dd) Hat der Täter Verfahrensrecht durch ein Unterlassen (§ 13 Abs. 1 StGB) verletzt (vgl. BGH, Urteile vom 19. Dezember 1996 – 5 StR 472/96, NJW 1997, 1455; vom 4. September 2001 – 5 StR 92/01, BGHSt 47, 105; Hilgendorf, aaO, § 339 Rn. 39 und 70; zur Abgrenzung von aktivem Tun und Unterlassen bei durch Manipulationen bewirktem „verschleppten“ Abschluss einer Anklage vgl. BGH, Urteil vom 6. November 2007 – 1 StR 394/07, Rn. 44), wird das Tat- bestandsmerkmal der Rechtsbeugung in der Regel nur dann als erfüllt angesehen werden können, wenn eine rechtlich eindeutig gebotene Handlung unterblieben ist. Dies kann insbesondere dann der Fall sein, wenn der Richter oder Staatsanwalt bewusst gegen eine Vorschrift verstoßen hat, die ein bestimmtes Handeln unabweislich zur Pflicht macht oder wenn er untätig bleibt, obwohl besondere Umstände sofortiges Handeln zwingend gebieten (vgl. BGH, Urteil vom 11. April 2013 – 5 StR 261/12, NStZ 2013, 648, 654; Urteil vom 4. September 2001 – 5 StR 92/01, BGHSt 47, 105, 111).
22
b) Danach ist unter den hier gegebenen Umständen ein die Verurteilung wegen Rechtsbeugung tragender elementarer Rechtsverstoß nur in den Fällen belegt, in denen es der Angeklagte bewusst unterließ, den Eintritt der Verfolgungsverjährung durch die Erhebung der öffentlichen Klage zu verhindern (Fall II.1. sowie Fall II.2. der Urteilsgründe, dort bezüglich der Beschuldigten L. und M. ).
23
aa) Die bewusste Nichterhebung der öffentlichen Klage in einem anklagereifen Ermittlungsverfahren mit der Folge, dass es im Falle des Unterlassens zum Eintritt der Verfolgungsverjährung kommt, ist für sich genommen grundsätzlich eine schwerwiegende Verletzung des Verfahrensrechts und verstößt gegen ein eindeutiges gesetzliches Handlungsgebot.
24
Nach § 170 Abs. 1 StPO hat ein Staatsanwalt Anklage zu erheben, wenn die Ermittlungen genügenden Anlass dazu bieten. Ein Ermessen steht ihm insoweit nicht zu. Die Vorschrift ist – ebenso wie § 152 Abs. 2 und § 160 StPO – eine Ausprägung des Legalitätsgrundsatzes, der zu den wesentlichen Grundprinzipien des Strafverfahrensrechts zählt (vgl. BGH, Urteil vom 23. September 1960 – 3 StR 28/60, BGHSt 15, 155, 159; Urteil vom 21. April 1988 – III ZR 255/86, NJW 1989, 96, 97; Urteil vom 18. Juni 1970 - III ZR 95/68, NJW 1970, 1543, 1544; Kölbel in MüKo-StPO, § 160 Rn. 29 ff.; siehe auch BVerfG, Beschluss vom 23. Juli 1982 – 2 BvR 8/82, NStZ 1982, 430 [zu § 152 Abs. 2 StPO]). Der Grundsatz der Legalität und der in § 170 Abs. 1 StPO festgeschriebene Anklagezwang gewinnen ihre Konturen aus ihrer überragenden Bedeutung für die verfassungsrechtlichen Prinzipien der Rechtsstaatlichkeit (Art. 20 Abs. 3 GG) und der Gleichheit vor dem Gesetz (Art. 3 Abs. 1 GG) sowie der Pflicht des Staates, die Sicherheit der Bürger (Art. 2 Abs. 2 Satz 1 GG) und deren Vertrauen in die Funktionsfähigkeit der staatlichen Institutionen zu schützen. Auf die zu ihrer Verwirklichung gerichtete Durchsetzung des staatlichen Strafanspruchs darf weder nach Belieben noch aus vermeidbaren Gründen generell oder im Einzelfall verzichtet werden. Der Rechtsstaat kann sich nur verwirklichen , wenn sichergestellt ist, dass Straftäter im Rahmen der geltenden Gesetze verfolgt, abgeurteilt und einer gerechten Bestrafung zugeführt werden (vgl. BGH, Beschluss vom 3. März 2005 – GSSt 1/04, BGHSt 50, 40, 53 mwN). Andernfalls droht die Legitimität staatlichen Strafens Schaden zu nehmen.
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Zwar kann § 170 Abs. 1 StPO in zeitlicher Hinsicht keine eindeutige Handlungsvorgabe entnommen werden. Die Vorschrift verpflichtet aber den Staatsanwalt jedenfalls dann unabweisbar zu einer Anklageerhebung, wenn es andernfalls zum Eintritt der Verfolgungsverjährung käme und der staatliche Strafanspruch deshalb nicht mehr durchsetzbar wäre. Diesem mit dem Herannahen des Verjährungszeitpunkts, der nach dem Gesetz eindeutig zu bestimmen ist, zwingend gewordenen Handlungsgebot ist der Angeklagte bewusst nicht nachgekommen.
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bb) Ob allein oder gegebenenfalls unter welchen weiter gehenden Voraussetzungen im Einzelfall die bewusste Nichterhebung einer öffentlichen Klage in Ansehung der konkreten Gefahr der endgültigen Verfahrensbeendigung eines anklagereifen Strafverfahrens durch den Eintritt der Verfolgungsverjährung die strengen Anforderungen an das Vorliegen eines elementaren Rechtsverstoßes im Sinne des § 339 StGB erfüllt, braucht der Senat nicht zu entscheiden. Denn vorliegend treten jedenfalls noch weitere Gesichtspunkte hinzu, die bei der gebotenen Gesamtbetrachtung den Verfahrensverstoß des Angeklagten letztlich als eine Rechtsbeugung im Sinne des § 339 StGB kennzeichnen.
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(1) So zeigt sich die Schwere des Rechtsverstoßes auch darin, dass der Angeklagte durch sein Verhalten – wie vom Landgericht zu Recht angenommen – zugleich auch eine Strafvereitelung im Amtgemäß § 258a StGB beging (vgl. BGH, Urteil vom 13. Mai 2015 – 3 StR 498/14, NStZ 2015, 651, 652; Urteil vom 18. Juli 2013 – 4 StR 84/13, NStZ 2013, 655, 657 [zu § 267 Abs. 3 StGB]). Dabei kommt dem Umstand besondere Bedeutung zu, dass der Tatbestand der Strafvereitelung im Amt ebenfalls der Durchsetzung des Legalitätsprinzips dient (vgl. Beulke in Löwe/Rosenberg, StPO, 26. Aufl., § 152 Rn. 37; Diemer in KKStPO , 7. Aufl., § 152 Rn. 1).
28
(2) Bei der gebotenen Gesamtbetrachtung war auch zu berücksichtigen, dass der Angeklagte die Verfahren zuvor durch Scheinverfügungen der Dienstaufsicht seines Behördenleiters sowie des Generalstaatsanwalts in Karlsruhe entzogen hatte. Zwar kann hierin kein eigenständiger Rechtsverstoß im Sinne einer Beugung des Rechts gesehen werden. Auch wollte der Angeklagte nach den Urteilsfeststellungen durch dieses Vorgehen den Eintritt der Verjährung nicht begünstigen oder gar ermöglichen (…). Er beabsichtigte vielmehr unver- ändert, die Verfahren – wenn auch erst zu einem späteren Zeitpunkt – ihrem sachgerechten Abschluss durch Anklageerhebung oder Strafbefehlsantrag zuzuführen. Er übertrug sich aber mit diesem Vorgehen doch faktisch die alleinige Verantwortung für ihren weiteren Fort- und Ausgang. Die Möglichkeiten der ihm übergeordneten Justizverwaltung, die ihr obliegende Pflicht, die Einhaltung angemessener Zeiträume bei der Bearbeitung von Strafverfahren zu sichern und nicht nur vermeidbaren (rechtsstaatswidrigen) Verzögerungen, sondern erst Recht einer drohenden Verjährung von Straftaten – gegebenenfalls durch Übertragung der Verfahren auf andere Dezernenten – entgegenzuwirken, beeinträchtigte der Angeklagte mit seinem Vorgehen nachhaltig. Den Verpflichtungen des Legalitätsprinzips konnte nach den Austragungen der Verfahren aus dem Register faktisch nur noch der Angeklagte selbst gerecht werden, was ihm durchgehend bewusst war. Die Einhaltung bestimmter Erledigungsfristen richtete der Angeklagte durch die Herausnahme der Verfahren aus der behördlichen Kontrolle nicht mehr an seinen Dienstvorgaben aus, deren Missachtung zwar als selbständiger Anknüpfungspunkt für die Rechtsbeugung nicht herangezogen werden kann, die aber – wovon das Landgericht zutreffend ausgegangen ist – ein Beleg dafür ist, dass der Angeklagte die Sachbehandlung ausschließlich an eigenen Maßstäben ausrichtete (vgl. BGH, Urteil vom 13. Mai 2015 – 3 StR 498/14, NStZ 2015, 651, 652).
29
(3) Schließlich war der Angeklagte auch nicht nur kurzfristig mit den Verfahren befasst. Der Zeitraum zwischen Anklagereife und dem Eintritt der Verjährung umfasste im Fall II.2. immerhin einen Zeitraum von zwei bzw. drei, im Fall II.1. sogar von rund vier Jahren.
30
c) In den Fällen, in denen ein Verfahrensabschluss lediglich verzögert wurde, hat das Landgericht auf der Grundlage der getroffenen Feststellungen einen elementaren Rechtsverstoß im Sinne des § 339 StGB nicht aufzuzeigen vermocht. Die fallbezogene Benennung von Zeitpunkten, zu denen die Untätig- keit des Angeklagten „im Hinblick auf das […] in Art. 6 Abs. 1 EMRK allgemein normierte Verbot rechtsstaatswidriger Verfahrensverzögerungen unter keinem rechtlichen wie tatsächlichen Gesichtspunkt mehr zu vertreten“ war, reicht dafür nicht aus. Die Strafkammer ist vielmehr in diesen Fällen bei der Prüfung, ob ein elementarer Verfahrensverstoß vorliegt, von einem rechtsfehlerhaften, weil zu weiten Maßstab ausgegangen.
31
Zwar gehört zu den Normen des Verfahrensrechts, durch deren Verletzung Rechtsbeugung begangen werden kann, auch das aus dem Rechtsstaatsprinzip und der allgemeinen prozessualen Fürsorgepflicht abzuleitende, in Art. 6 Abs. 1 EMRK allgemein normierte Verbot rechtsstaatswidriger Verfahrensverzögerungen. Bei der Entscheidung der Frage, ob in der verzögerten Bearbeitung einer Rechtssache ein Rechtsbruch im Sinne des § 339 StGB liegt, ist aber davon auszugehen, dass es grundsätzlich dem Richter oder Staatsanwalt überlassen bleibt, welchen der von ihm zu erledigenden vielfältigen Dienstgeschäften er den Vorrang vor anderen einräumt (vgl. BGH, Urteil vom 4. September 2001 – 5 StR 92/01, BGHSt 47, 105, 111). Im Sinne des § 339 StGB strafrechtlich relevante Verstöße gegen den Beschleunigungsgrundsatz werden deshalb nur dann in Betracht kommen, wenn gegen zwingende Vorschriften verstoßen wird, in denen der Gesetzgeber das Beschleunigungsgebot konkretisiert hat (wie etwa in § 115 StPO), wenn der Richter oder Staatsanwalt untätig bleibt, obwohl besondere Umstände sofortiges Handeln zwingend gebieten, oder wenn die zögerliche Bearbeitung auf sachfremden Erwägungen zum Vorteil oder Nachteil einer Partei beruht (vgl. BGH, Urteil vom 4. September 2001 – 5 StR 92/01, BGHSt 47, 105, 111; Urteil vom 5. Dezember 1996 – 1 StR 376/96, BGHSt 42, 343, 350 f.). Allein eine verzögerte, den Maßstäben des Art. 6 EMRK widersprechende Sachbehandlung durch den Staatsanwalt oder Richter wird daher regelmäßig nicht die strengen Anforderungen an einen elementaren Rechtsverstoß im Sinne des § 339 StGB erfüllen.
32
So ist zwar in dem Zeitraum zwischen Anklagereife und dem Eintritt der Verjährung die in § 170 Abs. 1 StPO normierte Pflicht des Staatsanwalts, die öffentliche Klage zu erheben, im Lichte des Beschleunigungsgrundsatzes zu betrachten, der in jedem Abschnitt des Verfahrens gilt (vgl. Esser in Löwe/ Rosenberg, StPO, 26. Aufl., EMRK Art. 6 Rn. 310). Die Staatsanwaltschaft ist gehalten, in anklagereifen Fällen auch alsbald anzuklagen (vgl. Kölbel, aaO, § 170 Rn. 9). Indes kann weder aus § 170 Abs. 1 StPO noch allein aus dem Beschleunigungsgebot ohne weiteres ein konkreter Zeitpunkt abgeleitet werden , zu dem eine Anklageerhebung zwingend geboten ist. Soweit in Art. 6 Abs. 1 MRK davon die Rede ist, dass jede Person eine Verhandlung innerhalb „angemessener Frist“ verlangen kann, handelt es sich um einen unbestimmten Rechtsbegriff mit nur geringer Aussagekraft (vgl. BGH, Urteil vom 4. September 2001 – 5 StR 92/01, BGHSt 47, 105, 110 [„wenig konkreter Maßstab“]; Esser, aaO, EMRK Art. 6 Rn. 314). Soweit die Strafkammer in diesem Zusammenhang darauf abgehoben hat, dass zu den von ihr für jeden Fall bestimmten Zeitpunkten eine weitere Untätigkeit „unter keinem rechtlichen wie tatsächlichen Ge- sichtspunkt mehr zu vertreten“ war, hat sie daher verkannt, dass die bloße Un- vertretbarkeit einer richterlichen oder staatsanwaltlichen Sachbehandlung für sich genommen noch nicht in eine Rechtsbeugung führt.

IV.


33
Danach können der Schuldspruch wegen Rechtsbeugung in Tateinheit mit Strafvereitelung im Amt im Fall II. 1. der Urteilsgründe und der nach der Ver- folgungsbeschränkung verbleibende Schuldspruch wegen Rechtsbeugung in Tateinheit mit Strafvereitelung im Amt in zwei tateinheitlichen Fällen im Fall II. 2. der Urteilsgründe bestehen bleiben. Allerdings kann nicht ausgeschlossen werden , dass die Strafkammer bei der Prüfung und Versagung der Strafrahmenmilderung nach § 13 Abs. 2 StGB in beiden Fällen von einem zu großen Schuldumfang ausgegangen ist, weil sie dem Angeklagten seine Untätigkeit bereits ab dem Zeitpunkt angelastet hat, in dem dies aus ihrer Sicht „unter keinem rechtlichen wie tatsächlichen Gesichtspunkt mehr zu vertreten“ war. Zu- dem verstößt nach der dargelegten Rechtsauffassung des Senats die strafschärfende Berücksichtigung des Eintritts der Verjährung gegen § 46 Abs. 3 StGB, was sich auch bei der Strafrahmenwahl zum Nachteil des Angeklagten ausgewirkt haben kann. Dies führt zur Aufhebung der Einzelstrafen. Im Fall II.2. der Urteilsgründe kommt hinzu, dass das Landgericht straferschwerend berücksichtigt hat, dass sich die Tat zugunsten von drei Beschuldigten auswirkte.
34
In den Fällen II. 3. bis II. 6. der Urteilsgründe bedarf die Sache insgesamt neuer Verhandlung und Entscheidung. Der Senat kann nicht ausschließen, dass die Strafkammer noch Feststellungen, insbesondere zu den Beweggründen der Untätigkeit des Angeklagten, zu treffen vermag, die auch in diesen Fällen die Annahme einer Rechtsbeugung etwa auf der Grundlage sachfremder Erwägungen rechtfertigen könnten. Dabei wird insbesondere zu erwägen sein, ob der Angeklagte von einer Anklageerhebung absah, um seine vorhergehenden Verfahrensmanipulationen nicht aufdecken zu müssen. Die Feststellungen zum objektiven Tatgeschehen (Feststellungen zu den den betreffenden Ermittlungsverfahren zugrunde liegenden Straftaten, zu Maßnahmen und Verfügungen des Angeklagten und zum Ausgang der betreffenden Verfahren) sind rechtsfehlerfrei getroffen und können bestehen bleiben.

V.


35
Der Senat macht von der Möglichkeit des § 354 Abs. 2 Satz 1 StPO Gebrauch und verweist die Sache an das Landgericht Karlsruhe.
Sost-Scheible Roggenbuck Franke
Quentin Feilcke

Urteilsbesprechung zu Bundesgerichtshof Beschluss, 14. Sept. 2017 - 4 StR 274/16

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Strafprozeßordnung - StPO | § 154 Teileinstellung bei mehreren Taten


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(1) Bieten die Ermittlungen genügenden Anlaß zur Erhebung der öffentlichen Klage, so erhebt die Staatsanwaltschaft sie durch Einreichung einer Anklageschrift bei dem zuständigen Gericht. (2) Andernfalls stellt die Staatsanwaltschaft das Verfahren

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(1) Fallen einzelne abtrennbare Teile einer Tat oder einzelne von mehreren Gesetzesverletzungen, die durch dieselbe Tat begangen worden sind, 1. für die zu erwartende Strafe oder Maßregel der Besserung und Sicherung oder2. neben einer Strafe oder Maß

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(1) Wer zur Täuschung im Rechtsverkehr eine unechte Urkunde herstellt, eine echte Urkunde verfälscht oder eine unechte oder verfälschte Urkunde gebraucht, wird mit Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder mit Geldstrafe bestraft. (2) Der Versuch i

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(1) Wenn eine Beamtin oder ein Beamter im ordentlichen Strafverfahren durch das Urteil eines deutschen Gerichts 1. wegen einer vorsätzlichen Tat zu einer Freiheitsstrafe von mindestens einem Jahr oder2. wegen einer vorsätzlichen Tat, die nach den Vor

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Strafgesetzbuch - StGB | § 339 Rechtsbeugung


Ein Richter, ein anderer Amtsträger oder ein Schiedsrichter, welcher sich bei der Leitung oder Entscheidung einer Rechtssache zugunsten oder zum Nachteil einer Partei einer Beugung des Rechts schuldig macht, wird mit Freiheitsstrafe von einem Jahr bi

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(1) Wird der Beschuldigte auf Grund des Haftbefehls ergriffen, so ist er unverzüglich dem zuständigen Gericht vorzuführen. (2) Das Gericht hat den Beschuldigten unverzüglich nach der Vorführung, spätestens am nächsten Tage, über den Gegenstand de

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Strafgesetzbuch - StGB | § 258a Strafvereitelung im Amt


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Ein Richter, ein anderer Amtsträger oder ein Schiedsrichter, welcher sich bei der Leitung oder Entscheidung einer Rechtssache zugunsten oder zum Nachteil einer Partei einer Beugung des Rechts schuldig macht, wird mit Freiheitsstrafe von einem Jahr bis zu fünf Jahren bestraft.

(1) Erachtet das Revisionsgericht die Vorschriften über die Einlegung der Revision oder die über die Anbringung der Revisionsanträge nicht für beobachtet, so kann es das Rechtsmittel durch Beschluß als unzulässig verwerfen.

(2) Das Revisionsgericht kann auf einen Antrag der Staatsanwaltschaft, der zu begründen ist, auch dann durch Beschluß entscheiden, wenn es die Revision einstimmig für offensichtlich unbegründet erachtet.

(3) Die Staatsanwaltschaft teilt den Antrag nach Absatz 2 mit den Gründen dem Beschwerdeführer mit. Der Beschwerdeführer kann binnen zwei Wochen eine schriftliche Gegenerklärung beim Revisionsgericht einreichen.

(4) Erachtet das Revisionsgericht die zugunsten des Angeklagten eingelegte Revision einstimmig für begründet, so kann es das angefochtene Urteil durch Beschluß aufheben.

(5) Wendet das Revisionsgericht Absatz 1, 2 oder 4 nicht an, so entscheidet es über das Rechtsmittel durch Urteil.

(1) Fallen einzelne abtrennbare Teile einer Tat oder einzelne von mehreren Gesetzesverletzungen, die durch dieselbe Tat begangen worden sind,

1.
für die zu erwartende Strafe oder Maßregel der Besserung und Sicherung oder
2.
neben einer Strafe oder Maßregel der Besserung und Sicherung, die gegen den Beschuldigten wegen einer anderen Tat rechtskräftig verhängt worden ist oder die er wegen einer anderen Tat zu erwarten hat,
nicht beträchtlich ins Gewicht, so kann die Verfolgung auf die übrigen Teile der Tat oder die übrigen Gesetzesverletzungen beschränkt werden. § 154 Abs. 1 Nr. 2 gilt entsprechend. Die Beschränkung ist aktenkundig zu machen.

(2) Nach Einreichung der Anklageschrift kann das Gericht in jeder Lage des Verfahrens mit Zustimmung der Staatsanwaltschaft die Beschränkung vornehmen.

(3) Das Gericht kann in jeder Lage des Verfahrens ausgeschiedene Teile einer Tat oder Gesetzesverletzungen in das Verfahren wieder einbeziehen. Einem Antrag der Staatsanwaltschaft auf Einbeziehung ist zu entsprechen. Werden ausgeschiedene Teile einer Tat wieder einbezogen, so ist § 265 Abs. 4 entsprechend anzuwenden.

(1) Erachtet das Revisionsgericht die Vorschriften über die Einlegung der Revision oder die über die Anbringung der Revisionsanträge nicht für beobachtet, so kann es das Rechtsmittel durch Beschluß als unzulässig verwerfen.

(2) Das Revisionsgericht kann auf einen Antrag der Staatsanwaltschaft, der zu begründen ist, auch dann durch Beschluß entscheiden, wenn es die Revision einstimmig für offensichtlich unbegründet erachtet.

(3) Die Staatsanwaltschaft teilt den Antrag nach Absatz 2 mit den Gründen dem Beschwerdeführer mit. Der Beschwerdeführer kann binnen zwei Wochen eine schriftliche Gegenerklärung beim Revisionsgericht einreichen.

(4) Erachtet das Revisionsgericht die zugunsten des Angeklagten eingelegte Revision einstimmig für begründet, so kann es das angefochtene Urteil durch Beschluß aufheben.

(5) Wendet das Revisionsgericht Absatz 1, 2 oder 4 nicht an, so entscheidet es über das Rechtsmittel durch Urteil.

(1) Im Verfahren vor dem Strafrichter und im Verfahren, das zur Zuständigkeit des Schöffengerichts gehört, können bei Vergehen auf schriftlichen Antrag der Staatsanwaltschaft die Rechtsfolgen der Tat durch schriftlichen Strafbefehl ohne Hauptverhandlung festgesetzt werden. Die Staatsanwaltschaft stellt diesen Antrag, wenn sie nach dem Ergebnis der Ermittlungen eine Hauptverhandlung nicht für erforderlich erachtet. Der Antrag ist auf bestimmte Rechtsfolgen zu richten. Durch ihn wird die öffentliche Klage erhoben.

(2) Durch Strafbefehl dürfen nur die folgenden Rechtsfolgen der Tat, allein oder nebeneinander, festgesetzt werden:

1.
Geldstrafe, Verwarnung mit Strafvorbehalt, Fahrverbot, Einziehung, Vernichtung, Unbrauchbarmachung, Bekanntgabe der Verurteilung und Geldbuße gegen eine juristische Person oder Personenvereinigung,
2.
Entziehung der Fahrerlaubnis, bei der die Sperre nicht mehr als zwei Jahre beträgt,
2a.
Verbot des Haltens oder Betreuens von sowie des Handels oder des sonstigen berufsmäßigen Umgangs mit Tieren jeder oder einer bestimmten Art für die Dauer von einem Jahr bis zu drei Jahren sowie
3.
Absehen von Strafe.
Hat der Angeschuldigte einen Verteidiger, so kann auch Freiheitsstrafe bis zu einem Jahr festgesetzt werden, wenn deren Vollstreckung zur Bewährung ausgesetzt wird.

(3) Der vorherigen Anhörung des Angeschuldigten durch das Gericht (§ 33 Abs. 3) bedarf es nicht.

(1) Hat das Verfahren ein Vergehen zum Gegenstand, so kann die Staatsanwaltschaft mit Zustimmung des für die Eröffnung des Hauptverfahrens zuständigen Gerichts von der Verfolgung absehen, wenn die Schuld des Täters als gering anzusehen wäre und kein öffentliches Interesse an der Verfolgung besteht. Der Zustimmung des Gerichtes bedarf es nicht bei einem Vergehen, das nicht mit einer im Mindestmaß erhöhten Strafe bedroht ist und bei dem die durch die Tat verursachten Folgen gering sind.

(2) Ist die Klage bereits erhoben, so kann das Gericht in jeder Lage des Verfahrens unter den Voraussetzungen des Absatzes 1 mit Zustimmung der Staatsanwaltschaft und des Angeschuldigten das Verfahren einstellen. Der Zustimmung des Angeschuldigten bedarf es nicht, wenn die Hauptverhandlung aus den in § 205 angeführten Gründen nicht durchgeführt werden kann oder in den Fällen des § 231 Abs. 2 und der §§ 232 und 233 in seiner Abwesenheit durchgeführt wird. Die Entscheidung ergeht durch Beschluß. Der Beschluß ist nicht anfechtbar.

(1) Die Staatsanwaltschaft kann von der Verfolgung einer Tat absehen,

1.
wenn die Strafe oder die Maßregel der Besserung und Sicherung, zu der die Verfolgung führen kann, neben einer Strafe oder Maßregel der Besserung und Sicherung, die gegen den Beschuldigten wegen einer anderen Tat rechtskräftig verhängt worden ist oder die er wegen einer anderen Tat zu erwarten hat, nicht beträchtlich ins Gewicht fällt oder
2.
darüber hinaus, wenn ein Urteil wegen dieser Tat in angemessener Frist nicht zu erwarten ist und wenn eine Strafe oder Maßregel der Besserung und Sicherung, die gegen den Beschuldigten rechtskräftig verhängt worden ist oder die er wegen einer anderen Tat zu erwarten hat, zur Einwirkung auf den Täter und zur Verteidigung der Rechtsordnung ausreichend erscheint.

(2) Ist die öffentliche Klage bereits erhoben, so kann das Gericht auf Antrag der Staatsanwaltschaft das Verfahren in jeder Lage vorläufig einstellen.

(3) Ist das Verfahren mit Rücksicht auf eine wegen einer anderen Tat bereits rechtskräftig erkannten Strafe oder Maßregel der Besserung und Sicherung vorläufig eingestellt worden, so kann es, falls nicht inzwischen Verjährung eingetreten ist, wieder aufgenommen werden, wenn die rechtskräftig erkannte Strafe oder Maßregel der Besserung und Sicherung nachträglich wegfällt.

(4) Ist das Verfahren mit Rücksicht auf eine wegen einer anderen Tat zu erwartende Strafe oder Maßregel der Besserung und Sicherung vorläufig eingestellt worden, so kann es, falls nicht inzwischen Verjährung eingetreten ist, binnen drei Monaten nach Rechtskraft des wegen der anderen Tat ergehenden Urteils wieder aufgenommen werden.

(5) Hat das Gericht das Verfahren vorläufig eingestellt, so bedarf es zur Wiederaufnahme eines Gerichtsbeschlusses.

(1) Bieten die Ermittlungen genügenden Anlaß zur Erhebung der öffentlichen Klage, so erhebt die Staatsanwaltschaft sie durch Einreichung einer Anklageschrift bei dem zuständigen Gericht.

(2) Andernfalls stellt die Staatsanwaltschaft das Verfahren ein. Hiervon setzt sie den Beschuldigten in Kenntnis, wenn er als solcher vernommen worden ist oder ein Haftbefehl gegen ihn erlassen war; dasselbe gilt, wenn er um einen Bescheid gebeten hat oder wenn ein besonderes Interesse an der Bekanntgabe ersichtlich ist.

(1) Hat das Verfahren ein Vergehen zum Gegenstand, so kann die Staatsanwaltschaft mit Zustimmung des für die Eröffnung des Hauptverfahrens zuständigen Gerichts von der Verfolgung absehen, wenn die Schuld des Täters als gering anzusehen wäre und kein öffentliches Interesse an der Verfolgung besteht. Der Zustimmung des Gerichtes bedarf es nicht bei einem Vergehen, das nicht mit einer im Mindestmaß erhöhten Strafe bedroht ist und bei dem die durch die Tat verursachten Folgen gering sind.

(2) Ist die Klage bereits erhoben, so kann das Gericht in jeder Lage des Verfahrens unter den Voraussetzungen des Absatzes 1 mit Zustimmung der Staatsanwaltschaft und des Angeschuldigten das Verfahren einstellen. Der Zustimmung des Angeschuldigten bedarf es nicht, wenn die Hauptverhandlung aus den in § 205 angeführten Gründen nicht durchgeführt werden kann oder in den Fällen des § 231 Abs. 2 und der §§ 232 und 233 in seiner Abwesenheit durchgeführt wird. Die Entscheidung ergeht durch Beschluß. Der Beschluß ist nicht anfechtbar.

(1) Bieten die Ermittlungen genügenden Anlaß zur Erhebung der öffentlichen Klage, so erhebt die Staatsanwaltschaft sie durch Einreichung einer Anklageschrift bei dem zuständigen Gericht.

(2) Andernfalls stellt die Staatsanwaltschaft das Verfahren ein. Hiervon setzt sie den Beschuldigten in Kenntnis, wenn er als solcher vernommen worden ist oder ein Haftbefehl gegen ihn erlassen war; dasselbe gilt, wenn er um einen Bescheid gebeten hat oder wenn ein besonderes Interesse an der Bekanntgabe ersichtlich ist.

(1) Die Vernehmung eines Zeugen, Sachverständigen oder Mitbeschuldigten kann durch die Verlesung eines Protokolls über eine Vernehmung oder einer Urkunde, die eine von ihm erstellte Erklärung enthält, ersetzt werden,

1.
wenn der Angeklagte einen Verteidiger hat und der Staatsanwalt, der Verteidiger und der Angeklagte damit einverstanden sind;
2.
wenn die Verlesung lediglich der Bestätigung eines Geständnisses des Angeklagten dient und der Angeklagte, der keinen Verteidiger hat, sowie der Staatsanwalt der Verlesung zustimmen;
3.
wenn der Zeuge, Sachverständige oder Mitbeschuldigte verstorben ist oder aus einem anderen Grunde in absehbarer Zeit gerichtlich nicht vernommen werden kann;
4.
soweit das Protokoll oder die Urkunde das Vorliegen oder die Höhe eines Vermögensschadens betrifft.

(2) Die Vernehmung eines Zeugen, Sachverständigen oder Mitbeschuldigten darf durch die Verlesung des Protokolls über seine frühere richterliche Vernehmung auch ersetzt werden, wenn

1.
dem Erscheinen des Zeugen, Sachverständigen oder Mitbeschuldigten in der Hauptverhandlung für eine längere oder ungewisse Zeit Krankheit, Gebrechlichkeit oder andere nicht zu beseitigende Hindernisse entgegenstehen;
2.
dem Zeugen oder Sachverständigen das Erscheinen in der Hauptverhandlung wegen großer Entfernung unter Berücksichtigung der Bedeutung seiner Aussage nicht zugemutet werden kann;
3.
der Staatsanwalt, der Verteidiger und der Angeklagte mit der Verlesung einverstanden sind.

(3) Soll die Verlesung anderen Zwecken als unmittelbar der Urteilsfindung, insbesondere zur Vorbereitung der Entscheidung darüber dienen, ob die Ladung und Vernehmung einer Person erfolgen sollen, so dürfen Protokolle und Urkunden auch sonst verlesen werden.

(4) In den Fällen der Absätze 1 und 2 beschließt das Gericht, ob die Verlesung angeordnet wird. Der Grund der Verlesung wird bekanntgegeben. Wird das Protokoll über eine richterliche Vernehmung verlesen, so wird festgestellt, ob der Vernommene vereidigt worden ist. Die Vereidigung wird nachgeholt, wenn sie dem Gericht notwendig erscheint und noch ausführbar ist.

(1) Urkunden sind zum Zweck der Beweiserhebung über ihren Inhalt in der Hauptverhandlung zu verlesen. Elektronische Dokumente sind Urkunden, soweit sie verlesbar sind.

(2) Von der Verlesung kann, außer in den Fällen der §§ 253 und 254, abgesehen werden, wenn die Richter und Schöffen vom Wortlaut der Urkunde Kenntnis genommen haben und die übrigen Beteiligten hierzu Gelegenheit hatten. Widerspricht der Staatsanwalt, der Angeklagte oder der Verteidiger unverzüglich der Anordnung des Vorsitzenden, nach Satz 1 zu verfahren, so entscheidet das Gericht. Die Anordnung des Vorsitzenden, die Feststellungen über die Kenntnisnahme und die Gelegenheit hierzu und der Widerspruch sind in das Protokoll aufzunehmen.

(1) Der Beschwerdeführer hat die Erklärung abzugeben, inwieweit er das Urteil anfechte und dessen Aufhebung beantrage (Revisionsanträge), und die Anträge zu begründen.

(2) Aus der Begründung muß hervorgehen, ob das Urteil wegen Verletzung einer Rechtsnorm über das Verfahren oder wegen Verletzung einer anderen Rechtsnorm angefochten wird. Ersterenfalls müssen die den Mangel enthaltenden Tatsachen angegeben werden.

(1) Verlesen werden können

1.
die ein Zeugnis oder ein Gutachten enthaltenden Erklärungen
a)
öffentlicher Behörden,
b)
der Sachverständigen, die für die Erstellung von Gutachten der betreffenden Art allgemein vereidigt sind, sowie
c)
der Ärzte eines gerichtsärztlichen Dienstes mit Ausschluss von Leumundszeugnissen,
2.
unabhängig vom Tatvorwurf ärztliche Atteste über Körperverletzungen,
3.
ärztliche Berichte zur Entnahme von Blutproben,
4.
Gutachten über die Auswertung eines Fahrtschreibers, die Bestimmung der Blutgruppe oder des Blutalkoholgehalts einschließlich seiner Rückrechnung,
5.
Protokolle sowie in einer Urkunde enthaltene Erklärungen der Strafverfolgungsbehörden über Ermittlungshandlungen, soweit diese nicht eine Vernehmung zum Gegenstand haben und
6.
Übertragungsnachweise und Vermerke nach § 32e Absatz 3.

(2) Ist das Gutachten einer kollegialen Fachbehörde eingeholt worden, so kann das Gericht die Behörde ersuchen, eines ihrer Mitglieder mit der Vertretung des Gutachtens in der Hauptverhandlung zu beauftragen und dem Gericht zu bezeichnen.

(1) Im Verfahren vor dem Strafrichter und im Verfahren, das zur Zuständigkeit des Schöffengerichts gehört, können bei Vergehen auf schriftlichen Antrag der Staatsanwaltschaft die Rechtsfolgen der Tat durch schriftlichen Strafbefehl ohne Hauptverhandlung festgesetzt werden. Die Staatsanwaltschaft stellt diesen Antrag, wenn sie nach dem Ergebnis der Ermittlungen eine Hauptverhandlung nicht für erforderlich erachtet. Der Antrag ist auf bestimmte Rechtsfolgen zu richten. Durch ihn wird die öffentliche Klage erhoben.

(2) Durch Strafbefehl dürfen nur die folgenden Rechtsfolgen der Tat, allein oder nebeneinander, festgesetzt werden:

1.
Geldstrafe, Verwarnung mit Strafvorbehalt, Fahrverbot, Einziehung, Vernichtung, Unbrauchbarmachung, Bekanntgabe der Verurteilung und Geldbuße gegen eine juristische Person oder Personenvereinigung,
2.
Entziehung der Fahrerlaubnis, bei der die Sperre nicht mehr als zwei Jahre beträgt,
2a.
Verbot des Haltens oder Betreuens von sowie des Handels oder des sonstigen berufsmäßigen Umgangs mit Tieren jeder oder einer bestimmten Art für die Dauer von einem Jahr bis zu drei Jahren sowie
3.
Absehen von Strafe.
Hat der Angeschuldigte einen Verteidiger, so kann auch Freiheitsstrafe bis zu einem Jahr festgesetzt werden, wenn deren Vollstreckung zur Bewährung ausgesetzt wird.

(3) Der vorherigen Anhörung des Angeschuldigten durch das Gericht (§ 33 Abs. 3) bedarf es nicht.

Ein Richter, ein anderer Amtsträger oder ein Schiedsrichter, welcher sich bei der Leitung oder Entscheidung einer Rechtssache zugunsten oder zum Nachteil einer Partei einer Beugung des Rechts schuldig macht, wird mit Freiheitsstrafe von einem Jahr bis zu fünf Jahren bestraft.

(1) Im Verfahren vor dem Strafrichter und im Verfahren, das zur Zuständigkeit des Schöffengerichts gehört, können bei Vergehen auf schriftlichen Antrag der Staatsanwaltschaft die Rechtsfolgen der Tat durch schriftlichen Strafbefehl ohne Hauptverhandlung festgesetzt werden. Die Staatsanwaltschaft stellt diesen Antrag, wenn sie nach dem Ergebnis der Ermittlungen eine Hauptverhandlung nicht für erforderlich erachtet. Der Antrag ist auf bestimmte Rechtsfolgen zu richten. Durch ihn wird die öffentliche Klage erhoben.

(2) Durch Strafbefehl dürfen nur die folgenden Rechtsfolgen der Tat, allein oder nebeneinander, festgesetzt werden:

1.
Geldstrafe, Verwarnung mit Strafvorbehalt, Fahrverbot, Einziehung, Vernichtung, Unbrauchbarmachung, Bekanntgabe der Verurteilung und Geldbuße gegen eine juristische Person oder Personenvereinigung,
2.
Entziehung der Fahrerlaubnis, bei der die Sperre nicht mehr als zwei Jahre beträgt,
2a.
Verbot des Haltens oder Betreuens von sowie des Handels oder des sonstigen berufsmäßigen Umgangs mit Tieren jeder oder einer bestimmten Art für die Dauer von einem Jahr bis zu drei Jahren sowie
3.
Absehen von Strafe.
Hat der Angeschuldigte einen Verteidiger, so kann auch Freiheitsstrafe bis zu einem Jahr festgesetzt werden, wenn deren Vollstreckung zur Bewährung ausgesetzt wird.

(3) Der vorherigen Anhörung des Angeschuldigten durch das Gericht (§ 33 Abs. 3) bedarf es nicht.

Ein Richter, ein anderer Amtsträger oder ein Schiedsrichter, welcher sich bei der Leitung oder Entscheidung einer Rechtssache zugunsten oder zum Nachteil einer Partei einer Beugung des Rechts schuldig macht, wird mit Freiheitsstrafe von einem Jahr bis zu fünf Jahren bestraft.

Wird gegen einen Richter durch Urteil eines deutschen Gerichts im Geltungsbereich dieses Gesetzes erkannt auf

1.
Freiheitsstrafe von mindestens einem Jahr wegen einer vorsätzlichen Tat,
2.
Freiheitsstrafe wegen einer vorsätzlichen Tat, die nach den Vorschriften über Friedensverrat, Hochverrat, Gefährdung des demokratischen Rechtsstaates oder Landesverrat und Gefährdung der äußeren Sicherheit strafbar ist,
3.
Aberkennung der Fähigkeit zur Bekleidung öffentlicher Ämter oder
4.
Verwirkung eines Grundrechts gemäß Artikel 18 des Grundgesetzes,
so endet das Richterverhältnis mit der Rechtskraft dieses Urteils, ohne daß es einer weiteren gerichtlichen Entscheidung bedarf.

(1) Wenn eine Beamtin oder ein Beamter im ordentlichen Strafverfahren durch das Urteil eines deutschen Gerichts

1.
wegen einer vorsätzlichen Tat zu einer Freiheitsstrafe von mindestens einem Jahr oder
2.
wegen einer vorsätzlichen Tat, die nach den Vorschriften über Friedensverrat, Hochverrat und Gefährdung des demokratischen Rechtsstaates, Landesverrat und Gefährdung der äußeren Sicherheit oder, soweit sich die Tat auf eine Diensthandlung im Hauptamt bezieht, Bestechlichkeit, strafbar ist, zu einer Freiheitsstrafe von mindestens sechs Monaten
verurteilt wird, endet das Beamtenverhältnis mit der Rechtskraft des Urteils. Entsprechendes gilt, wenn die Fähigkeit zur Bekleidung öffentlicher Ämter aberkannt wird oder wenn die Beamtin oder der Beamte aufgrund einer Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts nach Artikel 18 des Grundgesetzes ein Grundrecht verwirkt hat.

(2) Wird eine Entscheidung, die den Verlust der Beamtenrechte zur Folge hat, in einem Wiederaufnahmeverfahren aufgehoben, gilt das Beamtenverhältnis als nicht unterbrochen.

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
3 S t R 4 9 8 / 1 4
vom
13. Mai 2015
in der Strafsache
gegen
wegen Urkundenfälschung
Der 3. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat aufgrund der Verhandlung vom
5. März 2015 in der Sitzung am 13. Mai 2015, an denen teilgenommen haben:
Vorsitzender Richter am Bundesgerichtshof
Becker,
die Richter am Bundesgerichtshof
Hubert,
Dr. Schäfer,
Mayer,
Richterin am Bundesgerichtshof
Dr. Spaniol
als beisitzende Richter,
Staatsanwältin beim Bundesgerichtshof
als Vertreterin der Bundesanwaltschaft,
Rechtsanwalt - in der Verhandlung -
als Verteidiger,
Justizobersekretärin - in der Verhandlung - ,
Justizangestellte - bei der Verkündung -
als Urkundsbeamtinnen der Geschäftsstelle,

für Recht erkannt:
Auf die Revision der Staatsanwaltschaft wird das Urteil des Landgerichts Koblenz vom 24. Juni 2014 mit den Feststellungen aufgehoben. Die Sache wird zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine Strafkammer des Landgerichts Mainz zurückverwiesen.

Von Rechts wegen

Gründe:

1
Das Landgericht hat den Angeklagten vom Vorwurf der Urkundenfälschung aus Rechtsgründen freigesprochen. Hiergegen wendet sich die auf die Sachrüge gestützte Revision der Staatsanwaltschaft. Das Rechtsmittel hat Erfolg.
2
1. Das Landgericht hat folgende Feststellungen und Wertungen getroffen :
3
a) Der Angeklagte war als Strafrichter für die Verhandlung und Entscheidung der Strafsache gegen Thomas W. wegen Fahrens ohne Versicherungsschutz zuständig. In der Hauptverhandlung beantragte die Staatsanwaltschaft eine Geldstrafe von 60 Tagessätzen zu je 25 €. Der Angeklagte verurteilte Thomas W. abweichend hiervon zu einer Geldstrafe von 75 Tagessätzen zu je 15 € und bewilligte ihm deren Zahlung in monatlichen Raten zu je 15 €. Die Formel dieser Entscheidung hatte er vor der Verkündung auf dem rückwärtigen Einband der Sachakte schriftlich niedergelegt. Auf die Berufung der Staatsanwaltschaft , deren Grund er zutreffend in der danach notwendigen Dauer der Vollstreckung vermutete, entschloss er sich, die Höhe der bewilligten Raten "informell" zu erhöhen und so eine Zurücknahme des Rechtsmittels zu erreichen. Hierzu änderte der Angeklagte zunächst im Entwurf des Hauptverhandlungsprotokolls vor dessen Fertigstellung die gemäß Banddiktat dort ausgewiesene Urteilsformel durch Überschreiben der Zahl "1" dahin ab, dass eine Zahlung der Geldstrafe in monatlichen Raten zu je 25 € bewilligt wird. Mit entsprechendem Inhalt setzte er die schriftliche Urteilurkunde ab. Zur Vermeidung von Widersprüchen änderte er schließlich auch in der auf dem Akteneinband niedergelegten Urteilsformel zur Höhe der bewilligten Raten die Zahl "1" durch Überschreiben in "2". Das Berufungsgericht beließ es bei der ausgesprochenen Geldstrafe und der Bewilligung von Ratenzahlungen, setzte aber die Höhe der Raten auf 32 € monatlich fest.
4
b) Das Landgericht ist der Ansicht, der Angeklagte habe zwar mit der festgestellten Veränderung der auf dem Akteneinband fixierten Urteilsformel eine Urkundenfälschung unter Missbrauch seiner Stellung als Amtsträger begangen. Seiner Verurteilung deswegen stehe jedoch entgegen, dass er insoweit bei der Leitung einer Rechtssache tätig geworden sei, ohne dabei aber einen elementaren Verstoß gegen die Rechtspflege begangen zu haben. Er könne daher nicht wegen Rechtsbeugung (§ 339 StGB) verurteilt werden. Damit scheide aber auch ein Schuldspruch wegen Urkundenfälschung aus, denn die Nichterfüllung des Tatbestands der Rechtsbeugung entfalte eine Sperrwir- kung dahin, dass der Angeklagte wegen desselben Sachverhalts auch nicht nach einer anderen Strafvorschrift verurteilt werden könne.
5
2. Der Freispruch hält rechtlicher Überprüfung nicht stand.
6
a) Zutreffend sieht das Landgericht in der nachträglichen Abänderung der auf dem Akteneinband niedergelegten Urteilsformel tatbestandsmäßig eine Urkundenfälschung unter Missbrauch einer Stellung als Amtsträger (§ 267 Abs. 1, Abs. 3 Satz 2 Nr. 4, § 11 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. a StGB). Nicht nur das Protokoll, sondern auch die von § 268 Abs. 2 Satz 1 StPO geforderte Niederschrift der Urteilsformel ist dazu geeignet und bestimmt, die inhaltliche Übereinstimmung der durch Verlesen verkündeten mit der im schriftlichen Urteil ausgewiesenen Entscheidung zu sichern (KK-Kuckein, StPO, 7. Aufl., § 268 Rn. 3). Bereits mit der Urteilsverkündung und jedenfalls bis zur Fertigstellung eines mangelfreien Protokolls (vgl. BGH, Beschluss vom 9. Mai 2001 - 2 StR 42/01 bei Becker, NStZ-RR 2002, 97, 100) erlangt die Niederschrift Beweiskraft für den Inhalt der verlesenen Formel. Mit dem Zeitpunkt der Urteilsverkündung ist sie deshalb auch der Abänderung durch den erkennenden Richter entzogen (LR/Stuckenberg, StPO, 26. Aufl., § 268 Rn. 22; Meyer-Goßner/Schmitt, StPO, 58. Aufl., § 268 Rn. 4).
7
b) Rechtsfehlerfrei geht das Landgericht auch davon aus, dass das Handeln des Angeklagten nicht den Tatbestand der Rechtsbeugung (§ 339 StGB) erfüllt.
8
aa) Zwar wurde der Angeklagte, als er die niedergeschriebene und so verlesene Urteilsformel nachträglich abänderte, bei der Leitung einer Rechtssache tätig.

9
Unter "Rechtssache" im Sinne des § 339 StGB ist das gesamte streitige Verhältnis zu verstehen, über das der Richter zu "entscheiden" hat; die "Leitung" der Rechtssache ist der Inbegriff aller Maßnahmen, die auf die Erledigung der Sache abzielen (BGH, Urteil vom 18. Juli 2013 - 4 StR 84/13, NStZ 2013, 655, 656 mwN). Im Hauptverfahren in Strafsachen übt der Richter danach auch über die mündliche Urteilsverkündung hinaus Tätigkeiten aus, welche die Leitung und Entscheidung einer Rechtssache zum Gegenstand haben. Die Urteilsverkündung beendet das Verfahren nicht, denn es bleibt die Abfassung der schriftlichen Urteilsgründe, die zu den originären Aufgaben des erkennenden Richters zählt und die die künftige Entscheidung des Rechtsmittelgerichts zu Gunsten oder zum Nachteil des Angeklagten beeinflussen kann (BGH aaO). Nichts anderes kann für die Fertigstellung des Hauptverhandlungsprotokolls durch den Vorsitzenden gelten. Nicht (mehr) bei der Leitung oder Entscheidung einer Rechtssache im Sinne des § 339 StGB handelt der Richter erst dann, wenn ein innerer funktionaler Zusammenhang der den strafrechtlichen Vorwurf begründenden Verhaltensweise mit der Förderung der Sache fehlt und diese deshalb objektiv nicht mehr als ein auf seiner Leitungs- oder Entscheidungskompetenz beruhendes Handeln erscheint (vgl. BGH, Urteil vom 23. Mai1984 - 3 StR 102/84, BGHSt 32, 357, 364 f.; OLG Naumburg, Beschluss vom 23. April 2012 - 1 Ws 48/12, NStZ 2013, 533, 535; OLG Karlsruhe, Beschluss vom 9. Dezember 2003 - 3 Ws 174/03, NJW 2004, 1469, 1470; S/SHeine /Hecker, StGB, 29. Aufl., § 339 Rn. 17; MüKoStGB/Uebele, 2. Aufl., § 339 Rn. 73; Lackner/Kühl, StGB, 28. Aufl., § 339 Rn. 11).
10
Nach diesen Maßstäben handelte der Angeklagte, als er die auf dem Akteneinband niedergelegte Urteilsformel nachträglich abänderte, noch bei der Leitung der Strafsache gegen Thomas W. Zwar verfolgte er damit unmittelbar nur das Ziel, im Nachhinein über den wahren Inhalt einer von ihm bereits getroffenen und verkündeten Entscheidung zu täuschen. Jedoch wollte er durch sein Vorgehen zugleich auch nach außen hin eine vorgebliche Tatsachengrundlage für die weitere prozessordnungswidrige Behandlung und Erledigung der Sache schaffen. Die Fälschung stand nach der ihr vom Angeklagten zugedachten Zweckrichtung in engem und untrennbarem Zusammenhang sowohl mit der Herstellung der schriftlichen Urteilsurkunde als auch mit der Fertigstellung des Hauptverhandlungsprotokolls. Sie sollte deren inhaltliche Unrichtigkeit verschleiern und so die Entscheidung der Staatsanwaltschaft und gegebenenfalls des Rechtsmittelgerichts beeinflussen.
11
bb) Nichts zu erinnern ist aber auch gegen die Bewertung des Landgerichts , dass sich der Angeklagte dadurch keiner Beugung des Rechts schuldig gemacht hat.
12
Rechtsbeugung kann zwar auch durch Verletzung von Verfahrensrecht begangen werden (BGH, Urteile vom 29. Oktober 1992 - 4 StR 353/92, BGHSt 38, 381, 383; vom 5. Dezember 1996 - 1 StR 376/96, BGHSt 42, 343). Nicht jede unrichtige Rechtsanwendung oder jeder Ermessensfehler ist jedoch bereits eine Beugung des Rechts. Vielmehr indizieren die Einordnung der Rechtsbeugung als Verbrechenstatbestand und die gemäß § 24 Nr. 1 DRiG, § 24 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 BeamtStG im Falle einer Verurteilung kraft Gesetzes eintretende Beendigung des Richter- oder Beamtenverhältnisses die Schwere des Unwerturteils (BGH, Urteile vom 29. Oktober 1992 - 4 StR 353/92, BGHSt 38, 381, 383; vom 29. Oktober 2009 - 4 StR 97/09, NStZ-RR 2010, 310; vom 18. Juli 2013 - 4 StR 84/13, NStZ 2013, 655, 656). Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs erfasst § 339 StGB deshalb nur den Rechtsbruch als elementaren Verstoß gegen die Rechtspflege, bei dem sich der Amts- träger bewusst in schwerwiegender Weise zugunsten oder zum Nachteil einer Partei vom Gesetz entfernt und sein Handeln als Organ des Staates statt an Recht und Gesetz an seinen eigenen Maßstäben ausrichtet (vgl. nur BGH, Urteile vom 9. Mai 1994 - 5 StR 354/93, BGHSt 40, 169, 178; vom 6. Oktober 1994 - 4 StR 23/94, BGHSt 40, 272, 283; vom 20. September 2000 - 2 StR 276/00, NStZ-RR 2001, 243, 244; Beschluss vom 7. Juli 2010 - 5 StR 555/09, wistra 2011, 32, 35). Insoweit enthält das Tatbestandsmerkmal "Beugung des Rechts" ein normatives Element, dem die Funktion eines wesentlichen Regulativs zukommt (grundlegend hierzu BGH, Urteil vom 23. Mai 1984 - 3 StR 102/84, BGHSt 32, 357, 364, mit Hinweis auf die Gesetzesmaterialien). Ob ein elementarer Rechtsverstoß vorliegt, ist auf der Grundlage einer wertenden Gesamtbetrachtung aller Umstände zu entscheiden. Bei einem Verstoß gegen Verfahrensrecht kann neben dessen Ausmaß und Schwere insbesondere auch Bedeutung erlangen, welche Folgen dieser für die Partei hatte, inwieweit die Entscheidung materiell rechtskonform blieb und von welchen Motiven sich der Richter leiten ließ (vgl. BGH, Urteile vom 5. Dezember 1996 - 1 StR 376/96, BGHSt 42, 343; vom 20. September 2000 - 2 StR 276/00, NStZ-RR 2001, 243, 244; vom 18. Juli 2013 - 4 StR 84/13, NStZ 2013, 655, 656; Beschluss vom 24. Juni 2009 - 1 StR 201/09, NStZ 2010, 92).
13
Nach diesen Maßstäben ist das Landgericht ohne Rechtsfehler zu dem Ergebnis gelangt, dass dem Angeklagten kein elementarer Verstoß gegen die Rechtspflege zur Last fällt. Zwar erschöpfte sich das Handeln des Angeklagten nicht allein in einer Zuwiderhandlung gegen Vorschriften des gerichtlichen Verfahrens ; vielmehr beging er durch die Fälschung der Urteilsformel zugleich eine Straftat. Der so indizierten Schwere des Rechtsverstoßes steht jedoch gegenüber , dass sich das Vorgehen des Angeklagten schon objektiv nicht auf den Kern der Verurteilung des W. bezog, sondern lediglich auf die Höhe der ihm für die Bezahlung der verhängten Geldstrafe bewilligten Raten. In subjektiver Hinsicht kommt hinzu, dass der Angeklagte ausschließlich handelte, um einen von ihm erkannten offensichtlichen Fehlgriff zugunsten des W. bei der Bemessung der Höhe der Raten rückgängig zu machen. In der Gesamtschau rechtfertigt dies nicht eine Bewertung des Tatgeschehens dahin, dass sich der Angeklagte bewusst in schwerwiegender Weise zum Nachteil des W. vom Gesetz entfernt habe. Soweit der Bundesgerichtshof im Urteil vom 18. Juli 2013 (4 StR 84/13, NStZ 2013, 655) in einer Urkundenfälschung des Richters bei der Leitung und Entscheidung der Rechtssache zugleich einen elementaren Verstoß gegen die Rechtspflege gesehen hat, kam den dort zu beurteilenden Sachverhalten ungleich schwereres Gewicht zu. Der Entscheidung lag zu Grunde, dass der Angeklagte wiederholt Urteile in Strafsachen, die keine auch nur entfernt ausreichenden Feststellungen zur Sache und keine Beweiswürdigung enthielten und auf denen bereits der Eingangsvermerk der Geschäftsstelle angebracht war, nach Ablauf der Urteilsabsetzungsfrist heimlich ergänzte. Sein Vorgehen diente damit der wirksamen Vereitelung von Angriffen auf die Verurteilung insgesamt, denen nach § 338 Nr. 7 StPO ohne Weiteres Erfolg beschieden gewesen wäre.
14
c) Auf durchgreifende Bedenken stößt indes die Auffassung des Landgerichts , einer Bestrafung des Angeklagten wegen der festgestellten Urkundenfälschung unter Missbrauch einer Stellung als Amtsträger (§ 267 Abs. 1, Abs. 3 Nr. 4 StGB) stehe infolgedessen die sog. Sperrwirkung des Rechtsbeugungstatbestands entgegen.
15
Die dem Tatbestand der Rechtsbeugung nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs zukommende Sperrwirkung gegen eine Verurteilung nach anderen Strafvorschriften dient in erster Linie der persönlichen Unabhängigkeit des Richters (BGH, Urteil vom 7. Dezember 1956 - 1 StR 56/56, BGHSt 10, 294, 298; vgl. auch BGH, Urteil vom 29. Mai 1952 - 2 StR 45/50, MDR 1952, 693, 695). Sie soll seine Entscheidungsfreiheit sichern und ihn von dem Risiko freistellen, dass Entscheidungen, Anordnungen oder Maßnahmen der Verhandlungsleitung, zu denen er aufgrund seiner Rechtsgewährungspflicht von Gesetzes wegen gehalten ist, die aber nach ihrem Inhalt oder nach ihren Auswirkungen den Tatbestand eines allgemeinen Strafgesetzes erfüllen können, so etwa den der Strafvereitelung, der Verfolgung Unschuldiger, der Freiheitsberaubung oder der Nötigung, nachträglich und außerhalb des Instanzenzugs nochmals zur Überprüfung gestellt werden mit dem Ziel, ihn strafrechtlich oder zivilrechtlich (vgl. § 839 Abs. 2 BGB) hierfür zur Verantwortung zu ziehen.
16
Diese Rechtsprechung hat ihren Ausgangspunkt insbesondere darin, dass nach herrschender Meinung zur früheren Gesetzeslage (§ 336 StGB vor der Neufassung durch Art. 19 Nr. 188 EGStGB vom 2. März 1974, BGBl. I 469, 497) einem Richter der Vorwurf der Rechtsbeugung nur bei einem direkt vorsätzlichen Rechtsverstoß gemacht werden konnte. Vor diesem Hintergrund sollte durch die Sperrwirkung zuvörderst verhindert werden, dass ein Richter, dem keine direkt vorsätzliche Rechtsverletzung angelastet werden kann, wegen einer durch seine Entscheidung bedingt vorsätzlich oder auch nur fahrlässig begangenen Verwirklichung eines anderen Straftatbestandes zur Verantwortung gezogen wird.
17
All dies ist auf den vorliegend zu beurteilenden Sachverhalt nicht übertragbar. lndem der Gesetzgeber mit der Neufassung des Rechtsbeugungstatbestandes durch das EGStGB vom 2. März 1974 klargestellt hat, dass für die subjektive Tatseite der Rechtsbeugung auch bedingter Vorsatz ausreicht (vgl. LK/Hilgendorf, StGB, 12. Aufl., § 339 Entstehungsgeschichte Rn. 86 mwN), ist ein Begründungsansatz für die Sperrwirkung des Rechtsbeugungstatbestandes bereits weitgehend obsolet geworden; denn damit bleiben die Anforderungen an die subjektive Tatseite der denkbaren Strafvorschriften, die nach heutiger Gesetzeslage durch eine richterliche Entscheidung neben § 339 StGB verletzt werden können, nicht mehr hinter denjenigen des Rechtsbeugungstatbestandes zurück. Vor allem aber fordert es die verfassungsrechtlich gewährleistete richterliche Unabhängigkeit nicht, das Haftungsprivileg auch auf ein Handeln des Richters zu erstrecken, das nicht erst im Zusammenhang mit einer nach außen hin zu treffenden Entscheidung, Anordnung oder Maßnahme der Verhandlungsleitung zur Erfüllung eines Straftatbestands führt, sondern - wie hier - bereits für sich alleine gegen Strafgesetze verstößt (dem zuneigend bereits BGH, Urteil vom 18. Juli 2013 - 4 StR 84/13, NStZ 2013, 655, 657).
18
3. Die danach veranlasste Aufhebung des freisprechenden Urteils ist auch auf die für sich gesehen rechtsfehlerfrei getroffenen Feststellungen zu erstrecken, denn der freigesprochene Angeklagte konnte gegen diese kein Rechtsmittel einlegen (vgl. BGH, Urteil vom 18. Juli 2013 - 4 StR 84/13, NStZ 2013, 655, 657 mwN). Die Sache bedarf deshalb insgesamt neuer Verhandlung und Entscheidung. Der Senat macht von der Möglichkeit der Zurückverweisung an ein anderes Gericht Gebrauch (§ 354 Abs. 2 Satz 1 StPO).
19
4. Für die neue Hauptverhandlung weist der Senat auf Folgendes hin:
20
Ohne Rechtsfehler ist das Landgericht davon ausgegangen, dass das Handeln des Angeklagten nicht auch den Tatbestand der Falschbeurkundung im Amt (§ 348 Abs. 1 StGB) erfüllt. Insbesondere stellt das Hauptverhandlungsprotokoll keine öffentliche Urkunde dar (vgl. Stuckenberg, ZIS 2013, 212, 215; Knauer NStZ 2013, 433, 435).
Becker Hubert Schäfer Mayer Ri'inBGH Dr. Spaniol befindet sich im Urlaub und ist daher gehindert zu unterschreiben. Becker

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
4 StR 84/13
vom
18. Juli 2013
in der Strafsache
gegen
wegen Verdachts der Rechtsbeugung u.a.
Der 4. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat in der Sitzung vom 18. Juli 2013,
an der teilgenommen haben:
Richter am Bundesgerichtshof
Dr. Mutzbauer
als Vorsitzender,
Richterin am Bundesgerichtshof
Roggenbuck,
Richter am Bundesgerichtshof
Dr. Franke,
Bender,
Dr. Quentin
als beisitzende Richter,
Staatsanwalt
als Vertreter des Generalbundesanwalts,
Rechtsanwalt
als Verteidiger,
Justizangestellte
als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle,

für Recht erkannt:
Auf die Revision der Staatsanwaltschaft wird das Urteil des Landgerichts Halle vom 10. Oktober 2012 mit den Feststellungen aufgehoben.
Die Sache wird zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Strafkammer des Landgerichts Halle zurückverwiesen.
Von Rechts wegen

Gründe:


1
Das Landgericht hat den Angeklagten, einen Vorsitzenden Richter , vom Vorwurf der Rechtsbeugung in Tateinheit mit Urkundenfälschung und Strafvereitelung im Amt freigesprochen. Die vom Generalbundesanwalt vertretene Revision der Staatsanwaltschaft hat mit der Sachrüge Erfolg.

I.


2
Die Anklage legt dem Angeklagten Rechtsbeugung in Tateinheit mit Urkundenfälschung in fünf Fällen, davon in einem Fall in weiterer Tateinheit mit Strafvereitelung im Amt, zur Last, weil er entgegen dem in § 275 Abs. 1 Satz 3 der Strafprozessordnung normierten Verbot nach Ablauf der gesetzlich vorgesehenen Frist von fünf Wochen die Urteilsgründe geändert oder ergänzt und dabei zumindest billigend in Kauf genommen habe, zum Nachteil des jeweiligen Revisionsführers zu handeln. Das Landgericht lehnte die Eröff- nung des Hauptverfahrens ab, weil ein „schwerer Rechtsbruch“ nicht ange- nommen werden könne. Die Tatbestände der Urkundenfälschung und der Vollstreckungsvereitelung unterfielen der Sperrwirkung des § 339 StGB. Das Oberlandesgericht ließ die Anklage mit Beschluss vom 23. April 2012 (OLGSt StGB § 339 Nr. 3) zu und eröffnete das Verfahren vor dem Landgericht , weil der Angeklagte der Urkundenfälschung in fünf Fällen, davon in einem Fall in Tateinheit mit Strafvereitelung im Amt, hinreichend verdächtig sei.
3
1. Nach den Feststellungen des angefochtenen Urteils wurde der Angeklagte am 1. Oktober 1996 zum Vorsitzenden Richter befördert, wo er zunächst eine große Strafkammer leitete und später den Vorsitz in einer kleinen Strafkammer innehatte. Wegen verspäteter Zustellung von Urteilen kam es zu mehreren Disziplinarverfahren: Am 12. August 1999 erteilte ihm der Präsident des Landgerichts einen Vorhalt, mit Schreiben vom 1. Juli 2002 erteilte er dem Angeklagten einen Verweis, weil er in sieben Fällen ohne erkennbaren Grund die Zustellung von Urteilen erst dreieinhalb bis neun Monate nach ihrem Eingang auf der Geschäftsstelle verfügt hatte. Das Dienstgericht für Richter bei dem Landgericht verhängte gegen den Angeklagten mit rechtskräftigem Disziplinarbescheid vom 27. Juli 2006 eine Geldbuße von 1.500 €, weil er in elf Fällen wiederum die Zustellung von Urteilen erst viereinhalb bis zwölfeinhalb Monate nach ihrem Eingang auf der Geschäftsstelle verfügt hatte. Im August 2007 leitete die Staatsanwaltschaft gegen den Angeklagten ein Ermittlungsverfahren wegen Urkundenfälschung und Strafvereitelung ein. Mit Beschluss vom 8. Januar 2008 wurde der Angeklagte wegen der hier festgestellten fünf Sachverhalte und siebzehn weiterer Fälle, in denen unvollständig abgefasste Urteile zur Geschäftsstelle gelangt waren , durch das Dienstgericht für Richter bei dem Landgericht vorläufig des Dienstes enthoben.
4
2. Das Landgericht hat zu den fünf angeklagten Fällen im Einzelnen folgende Feststellungen getroffen:
5
a) In der Strafsache verwarf die vom Angeklagten geleitete Strafkammer die Berufung des A. M. nach eintägiger Hauptverhandlung am 28. Februar 2005 mit der Maßgabe der Herabsetzung der Freiheitsstrafe. Der Berufungsführer legte Revision ein. Am 1. April 2005, drei Tage vor Ablauf der fünfwöchigen Urteilsabsetzungsfrist des § 275 Abs. 1 Satz 2 StPO, leitete der Angeklagte der zuständigen Geschäftsstellenmitarbeiterin ein Urteil zu, das lediglich das Rubrum, den Tenor, die Prozessgeschichte, die Feststellungen zur Person und die Kostenentscheidung, jedoch keine Feststellungen zur Sache und keine Beweiswürdigung, keine rechtliche Würdigung und keine Ausführungen zur Strafzumessung enthielt, und ließ den Eingangsvermerk nach § 275 Abs. 1 Satz 5 StPO anbringen. Nach Ablauf der Urteilsabsetzungsfrist ergänzte er das Urteil um die fehlenden Bestandteile. Die Zustellung des vervollständigten Urteils verfügte er am 28. Juli 2006. Das Oberlandesgericht verwarf die Revision unter Berichtigung im Schuldspruch am 10. November 2006.
6
b) In der Strafsache wurde die Berufung des H. S. nach eintägiger Hauptverhandlung am 29. März 2006 mit der Maßgabe der Herabsetzung der Geldstrafe verworfen. Der Berufungsführer legte Revision ein. Am 3. Mai 2006, dem Tag des Ablaufs der Urteilsabsetzungsfrist, brachte die zuständige Geschäftsstellenmitarbeiterin auf Anweisung des Angeklagten den Eingangsvermerk auf dem schriftlichen Urteil an, das zu diesem Zeitpunkt das Rubrum, den Tenor, die Prozessgeschichte, die Feststellungen zur Person und die Kostenentscheidung enthielt, während die übrigen Urteilsbestandteile nur rudimentär oder gar nicht enthalten waren. Die Schilderung der Tathand- lung fehlte vollständig. Nach Änderungen und Ergänzungen, die er nach Ablauf der Urteilsabsetzungsfrist vorgenommen hatte, verfügte der Angeklagte am 13. Dezember 2006 die Zustellung des vervollständigten Urteils. Das Oberlandesgericht hob das Urteil mit den Feststellungen auf und verwies die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung an eine andere kleine Strafkammer des Landgerichts zurück.
7
c) In der Strafsache wurde die Berufung des S. B. nach dreitägiger Hauptverhandlung am 21. August 2006 mit der Maßgabe der Herabsetzung der Freiheitsstrafe verworfen. Der Berufungsführer legte Revision ein. Am 22. September 2006, drei Tage vor Ablauf der fünfwöchigen Urteilsabsetzungsfrist, leitete der Angeklagte der zuständigen Geschäftsstellenmitarbeiterin ein Urteil zu, das lediglich das Rubrum, den Tenor, die Prozessgeschichte , die Feststellungen zur Person und die Kostenentscheidung vollständig enthielt, und ließ den Eingangsvermerk anbringen. Die Sachverhaltsschilderung bestand zu diesem Zeitpunkt aus einem unvollständigen Halbsatz mit unzutreffender Tatzeitangabe, die Beweiswürdigung aus drei floskelhaften Sätzen. Der Angeklagte ergänzte das Urteil nach Ablauf der Urteilsabsetzungsfrist um die fehlenden Bestandteile. Die Zustellung des vervollständigten Urteils verfügte er am 3. August 2007. Das Oberlandesgericht verwarf die Revision am 1. April 2008.
8
d) In der Strafsache wurde die Berufung des M. W. nach zweitägiger Hauptverhandlung am 10. Oktober 2006 verworfen. Der Berufungsführer legte Revision ein. Am 14. November 2006, dem Tag des Ablaufs der fünfwöchigen Urteilsabsetzungsfrist, wies der Angeklagte die zuständige Geschäftsstellenmitarbeiterin an, den Eingang des Urteils zu vermerken und ihm die Akten wieder vorzulegen. Das Urteil enthielt zu diesem Zeitpunkt das Rubrum, den Tenor, die Prozessgeschichte und unvollständige Feststellungen zur Person. Die ebenfalls enthaltenen Feststellungen zur Sache, die Beweiswürdigung und die Strafzumessung standen in keinem Zusammenhang mit der abgeurteilten Straftat des Fahrens ohne Fahrerlaubnis am 19. Februar 2005, sondern bezogen sich auf zwei im Jahr 2001 begangene Betrugshandlungen. Nach Ersetzung der unzutreffenden Ausführungen nach Ablauf der Urteilsabsetzungsfrist verfügte der Angeklagte am 3. August 2007 die Urteilszustellung. Das Oberlandesgericht änderte das Urteil im Schuld- und Strafausspruch , hob die Entscheidung über die Strafaussetzung zur Bewährung mit den zugehörigen Feststellungen auf und wies in diesem Umfang die Sache unter Verwerfung der weitergehenden Revision am 21. November 2007 an eine andere kleine Strafkammer des Landgerichts zurück.
9
e) In der Strafsache wurde die Berufung des St. D. nach zweitägiger Hauptverhandlung am 19. September 2006 verworfen. Der Berufungsführer legte Revision ein. Der Angeklagte ließ am 23. Oktober 2006, einen Tag vor Ablauf der fünfwöchigen Urteilsabsetzungsfrist, von der zuständigen Geschäftsstellenmitarbeiterin den Eingangsvermerk auf dem Urteil anbringen, das zu diesem Zeitpunkt lediglich das Rubrum, den Tenor, die Prozessgeschichte und unvollständige Feststellungen zur Person enthielt. Die Feststellungen zur Sache, die Beweiswürdigung und die Strafzumessung betrafen nicht die ausgeurteilten Straftaten vom 10. September 2004, sondern eine Sachbeschädigung aus dem Jahr 2002. Nach Ablauf der Urteilsabsetzungsfrist ersetzte der Angeklagte die unzutreffenden Textpassagen durch passende Ausführungen. Die Zustellung des vervollständigten Urteils verfügte er am 3. August 2007. Bereits zuvor, am 6. November 2006, hatte Herr D. die Revision zurückgenommen. Wann der Angeklagte von der Revisionsrücknahme erfuhr, konnte nicht geklärt werden.
10
Der Angeklagte machte die nach Ablauf der Urteilsabsetzungsfrist erfolgten Änderungen nicht aktenkundig und ließ sie nicht von der Geschäftsstelle vermerken. Er beließ jeweils die erste Urteilsseite mit dem Eingangsvermerk und tauschte die geänderten Seiten heimlich aus.
11
3. Nach Auffassung des Landgerichts erfüllen die festgestellten Tathandlungen nicht den Straftatbestand der Rechtsbeugung nach § 339 StGB. Der Angeklagte habe zwar in erheblicher Weise gegen zwingendes Verfahrensrecht verstoßen. Die heimliche Nachbearbeitung der Urteilsgründe nach Ablauf der Frist des § 275 Abs. 1 Satz 2 StPO habe auch in jedem der festgestellten Fälle den Tatbestand der Urkundenfälschung gemäß § 267 Abs. 1 StGB erfüllt. Er habe jedoch nicht gehandelt, um die Revisionsführer zu benachteiligen, sondern um den Anschein eigener Leistungsfähigkeit aufrechtzuerhalten und weiteren Disziplinarmaßnahmen wegen zögerlicher Aktenbearbeitung zu entgehen. Ein „elementarer Rechtsverstoß“ oder ein „offensichtlicher Willkürakt“ im Sinne der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs sei darin nicht zu erkennen. Da der Angeklagte die Urkundenfälschung „bei der Leitung einer Rechtssache“ im Sinne des § 339 StGB begangen habe, ohne sich zugleich der Rechtsbeugung strafbar gemacht zu haben, greife zu seinen Gunsten die Sperrwirkung des § 339 StGB.

II.


12
Der Freispruch hält sachlich-rechtlicher Nachprüfung nicht stand. Die rechtliche Würdigung des festgestellten Sachverhalts unterliegt durchgreifenden rechtlichen Bedenken.
13
1. Der Tatbestand der Rechtsbeugung erfordert, dass sich der Richter bei der Leitung oder Entscheidung einer Rechtssache bewusst und in schwerwiegender Weise von Recht und Gesetz entfernt und sein Handeln als Organ des Staates statt an Recht und Gesetz an eigenen Maßstäben ausrichtet (st. Rspr., u.a. BGH, Urteil vom 29. Oktober 1992 – 4 StR 353/92, BGHSt 38, 381, 383; Urteil vom 6. Oktober 1994 – 4 StR 23/94, BGHSt 40, 272, 283 f.; Urteil vom 15. September 1995 – 5 StR 713/94, BGHSt 41, 247, 251; Urteil vom 4. September 2001 – 5 StR 92/01, BGHSt 47, 105, 108 f.; Urteil vom 29. Oktober 2009 – 4 StR 97/09 jeweils mwN).
14
a) Das Landgericht ist zutreffend davon ausgegangen, dass der Angeklagte bei der Leitung oder Entscheidung einer Rechtssache gehandelt hat. Un- ter „Rechtssache“ ist das gesamte streitige Verhältnis zu verstehen, über das der Richter zu „entscheiden“ hat; die „Leitung“ der Rechtssache ist der Inbegriff aller Maßnahmen, die auf die Erledigung der Sache abzielen. Ob die Leitung der Rechtssache mit dem Erlass einer Entscheidung, also der Anordnung einer Rechtsfolge (NK-StGB-Kuhlen, 4. Aufl., § 339 Rn. 26), beendet ist, hängt von der Art des Verfahrens und dem Gegenstand der Entscheidung ab. Die Absetzung des schriftlichen Urteils in Strafsachen dient nicht allein der verwaltungsmäßigen Abwicklung des Strafverfahrens (vgl. BGH, Urteil vom 29. Oktober 1992 – 4 StR 353/92, BGHSt 38, 381, 385), dieses ist mit der mündlichen Urteilsverkündung nicht beendet. Die Abfassung der schriftlichen Urteilsgründe ist vielmehr originäre Aufgabe des erkennenden Richters und gehört zur Leitung und Entscheidung der Rechtssache. Dies gilt erst recht, wenn – wie hier – gegen die Entscheidung ein Rechtsmittel eingelegt ist. Die Tätigkeit des Richters kann in diesem Fall die künftige Entscheidung des Rechtsmittelgerichts zugunsten oder zum Nachteil des Angeklagten beeinflussen, das Verfahren hat mithin auch nach Erlass des mündlichen Urteils weiterhin die Leitung und Entscheidung einer Rechtssache zum Gegenstand.
15
b) Der Angeklagte hat auch in elementarer Weise gegen Recht und Gesetz verstoßen. Nicht jede unrichtige Rechtsanwendung stellt eine Beugung des Rechts dar. Der Bundesgerichtshof hat wiederholt darauf hingewiesen, dass der Tatbestand nicht in unangemessener Weise ausgedehnt werden darf. Zweck der Vorschrift ist es, den Rechtsbruch als elementaren Verstoß gegen die Rechtspflege unter Strafe zu stellen. Die Einordnung der Rechtsbeugung als Verbrechenstatbestand indiziert die Schwere des Unwerturteils und führt in der Regel im Falle der rechtskräftigen Verurteilung kraft Gesetzes zur Beendigung des Richterverhältnisses (§ 24 Nr. 1 DRiG). Mit dieser gesetzlichen Zweckbestimmung wäre es nicht zu vereinbaren, jede unrichtige Rechtsanwendung und jeden Ermessensfehler in den Schutzbereich der Norm einzubeziehen.
16
Dies gilt auch bei der Rechtsbeugung durch Beugung des Verfahrensrechts (st. Rspr., u.a. BGH, Urteil vom 27. Mai 1987 – 3 StR 112/87, NStZ 1988, 218; Urteil vom 29. Oktober 1992 – 4 StR 353/92, BGHSt 38, 381, 383 mwN; Urteil vom 5. Dezember 1996 – 1 StR 376/96, BGHSt 42, 343, 346, 351; Urteil vom 4. September 2001 – 5 StR 92/01, BGHSt 47, 105, 109 mwN; Beschluss vom 24. Juni 2009 – 1 StR 201/09, NStZ 2010, 92; Beschluss vom 7. Juli 2010 – 5 StR 555/09 Rn. 29, StV 2011, 463, 466). Eine Verletzung von Verfahrensvorschriften stellt nur dann einen Rechtsbruch im Sinne des § 339 StGB dar, wenn darin allein oder unter Berücksichtigung des Motivs des Täters ein elementarer Rechtsverstoß gesehen werden kann.
17
Der Angeklagte hat in den verfahrensgegenständlichen Fällen gegen die Vorschrift des § 275 Abs. 1 Satz 3 StPO verstoßen. Nach Fertigstellung ist eine sachliche Änderung oder Ergänzung der Urteilsgründe nur dann zulässig, wenn die Frist nach § 275 Abs. 1 Satz 2 StPO noch nicht abgelaufen ist. War der Eingangsvermerk der Geschäftsstelle nach § 275 Abs. 1 Satz 5 StPO bereits angebracht , so hat die Geschäftsstelle auch den Zeitpunkt der Änderung zu vermerken. Der Angeklagte hat die Urteile nach Fristablauf geändert und ergänzt, ohne dies in den Akten erkennbar zu machen oder der Geschäftsstelle mitzuteilen. Die Verletzung des § 275 StPO war hier gravierend und ist als elementarer Rechtsverstoß anzusehen. Zum einen hat der Angeklagte in erheblichem Umfang wesentliche Urteilsbestandteile ergänzt. Die vor Fristablauf zur Geschäftsstelle gelangten Urteile enthielten keine auch nur entfernt ausreichenden Feststellungen zur Sache und keine Beweiswürdigung, vermochten also einem selbst nur mit der allgemeinen Sachrüge ausgeführten Revisionsangriff nicht standzuhalten. Zum anderen hat der Angeklagte durch sein heimliches Vorgehen den Verfahrensbeteiligten und dem Revisionsgericht eine Aufdeckung der Manipulation unmöglich gemacht. Die Schwere des Verstoßes zeigt sich insoweit darin, dass sein Verhalten als solches den Tatbestand der Urkundenfälschung sogar in der Alternative des § 267 Abs. 3 Satz 2 Nr. 4 StGB erfüllt hat.
18
c) Die Tat muss zugunsten oder zum Nachteil einer Partei erfolgen. Zugunsten oder zum Nachteil einer Partei wirkt sich eine Beugung des Rechts aus, wenn sie die Partei besser oder schlechter stellt, als sie bei richtiger Rechtsanwendung stünde. Rechtsbeugung kann auch durch die Verletzung von Verfahrens- und Zuständigkeitsvorschriften begangen werden. Erforderlich ist insoweit, dass durch die Verfahrensverletzung die konkrete Gefahr einer falschen Entscheidung zum Vor- oder Nachteil einer Partei begründet wurde, ohne dass allerdings ein Vor- oder Nachteil tatsächlich eingetreten sein muss (BGH, Urteil vom 11. April 2013 – 5 StR 261/12 Rn. 39 mwN).
19
Das Verhalten des Angeklagten war in allen Fällen ohne weiteres geeignet , sich zum Nachteil des jeweiligen Revisionsführers auszuwirken. Die innerhalb der Frist des § 275 Abs. 1 Satz 2 StPO zu den Akten gelangten Urteile waren unvollständig, enthielten insbesondere keine Sachverhaltsdarstellung des abgeurteilten Falls und keine Beweiswürdigung, so dass sie bereits auf die allgemeine Sachrüge hin vom Revisionsgericht aufzuheben gewesen wären. Diesen Umstand verschleierte der Angeklagte. Der dem Angeklagten objektiv anzulastende Rechtsbeugungsverstoß lag in der heimlichen, aus den Akten nicht erkennbaren Beseitigung eines durchgreifenden Revisionsgrundes, welche zu einer Verschlechterung der Rechtsmittelposition der jeweiligen Revisionsführer führte und ohne weiteres eine Benachteiligung bedeutete (vgl. BGH, Beschluss vom 24. Juni 2009 – 1 StR 201/09 Rn. 7, NStZ 2010, 92; Urteil vom 31. Mai 2012 – 2 StR 610/11 Rn. 19, NStZ 2013, 106, 107). Ob das in der Sache ergangene Urteil der Berufungskammer materiell richtig war, ist hingegen für diese Beurteilung ebenso wenig von Belang wie die Frage, ob die Entscheidung des Revisionsgerichts ohne die Manipulation konkret anders ausgefallen wäre. Durch die Manipulationen wurde die Rechtsstellung der Revisionsführer unmittelbar verletzt, denn die unvollständigen Urteilsgründe wurden nicht zur Entscheidungsgrundlage des Revisionsgerichts.
20
d) Der Angeklagte hat nach den von der Strafkammer getroffenen Feststellungen auch den subjektiven Tatbestand des § 339 StGB erfüllt. Insofern genügt bedingter Vorsatz (BGH, Urteil vom 6. Oktober 1994 – 4 StR 23/94, BGHSt 40, 272, 276); der Täter muss für möglich halten, dass seine fehlerhafte Entscheidung zur Bevorzugung oder Benachteiligung einer Partei führen wird und sich damit abfinden (NK-StGB-Kuhlen, aaO, Rn. 78). Das Landgericht hat festgestellt, dass der Angeklagte sogar in der Absicht handelte, die Prozessbeteiligten und das Revisionsgericht darüber zu täuschen, dass die ihnen vorlie- gende Urteilsniederschrift inhaltlich nicht derjenigen entsprach, welche zu dem auf dem Eingangsvermerk bezeichneten Zeitpunkt zur Geschäftsstelle gelangt war (UA S. 20). Ohne Bedeutung für den bewussten, objektiven Verstoß gegen das Recht ist es entgegen der Ansicht des Landgerichts, dass das Motiv des Angeklagten war, den Anschein seiner Leistungsfähigkeit aufrechtzuerhalten und einer weiteren Disziplinarmaßnahme zu entgehen, nicht aber, die Revisionsführer gezielt zu benachteiligen. Für den objektiven Tatbestand reicht der bewusste Rechtsverstoß (der sich bei formell ordnungsgemäßen Handlungen aus dem Motiv des Täters ergeben kann), eine darüber hinausgehende absichtliche Begünstigung oder Benachteiligung der Prozessparteien ist nicht erforderlich (LK-StGB/Hilgendorf, 12. Aufl., § 339 Rn. 82, 85). War sich der Angeklagte über die Rechtswidrigkeit seines Handelns zum Nachteil der Revisionsführer im Klaren, dann hat er auch, und zwar mit direktem Vorsatz, das Recht gebeugt.
21
Die Strafkammer verkennt bei ihrer Bewertung zudem, dass es bei der Benachteiligung bei einem Verstoß gegen Verfahrensrecht nicht entscheidend auf die materielle Richtigkeit der „Endentscheidung“ oder des in der Berufungs- hauptverhandlung verkündeten Urteils ankommt, sondern auch in der Verschlechterung der prozessualen Situation der Prozessbeteiligten eine Benachteiligung liegt. Dass sich der Angeklagte als erfahrener Strafrichter der Verschlechterung der prozessualen Situation der Revisionsführer bewusst war, hat das Landgericht ebenfalls festgestellt (UA S. 23). Auf seine Vorstellung, das von der Berufungskammer gefundene Urteil sei im Ergebnis richtig, kommt es hingegen nicht an (vgl. BGH, Urteil vom 4. September 2001 – 5 StR 92/01, BGHSt 47, 105, 115).
22
2. Der Rechtsfehler führt zur Aufhebung des angefochtenen Urteils insgesamt. Im Fall II. 5. der Urteilsgründe liegt nach den bisherigen Feststellungen ein untauglicher Versuch nahe. Der Senat neigt im Übrigen zu der Auffassung, dass der Tatbestand der Urkundenfälschung bei der vorliegenden Sachverhaltskonstellation nicht von der Sperrwirkung des § 339 StGB erfasst wäre.
23
Auch wenn die Beweiswürdigung keinen durchgreifenden Rechtsfehler aufweist, gebietet es der Umstand, dass der freigesprochene Angeklagte gegen die getroffenen Feststellungen kein Rechtsmittel einlegen konnte, auch diese aufzuheben (BGH, Urteil vom 11. April 2013 – 5 StR 261/12 Rn. 56; vgl. MeyerGoßner , StPO, 56. Aufl., § 353 Rn. 15a; LR-StPO/Franke, 26. Aufl., § 354 Rn. 43 mwN).
Mutzbauer Roggenbuck RiBGH Dr. Franke ist infolge Urlaubs ortsabwesend und daher an der Unterschriftsleistung gehindert. Mutzbauer
Bender Quentin

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
Urteil
4 StR 97/09
vom
29. Oktober 2009
in der Strafsache
gegen
wegen Rechtsbeugung u.a.
Der 4. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat in der Sitzung vom 29. Oktober
2009, an der teilgenommen haben:
Vorsitzende Richterin am Bundesgerichtshof
Dr. Tepperwien,
Richter am Bundesgerichtshof
Athing ,
Richterin am Bundesgerichtshof
Solin-Stojanovic´,
Richter am Bundesgerichtshof
Dr. Ernemann,
Dr. Franke
als beisitzende Richter,
Staatsanwalt
als Vertreter der Bundesanwaltschaft,
Rechtsanwalt
als Verteidiger,
Justizangestellte
als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle,

für Recht erkannt:
Die Revision der Staatsanwaltschaft gegen das Urteil des Landgerichts Dessau vom 19. November 2008 wird verworfen.
Die Staatskasse trägt die Kosten des Rechtsmittels und die dem Angeklagten insoweit entstandenen notwendigen Auslagen.
Von Rechts wegen

Gründe:


1
Das Landgericht hat den Angeklagten vom Vorwurf der Rechtsbeugung in Tateinheit mit Strafvereitelung im Amt aus Rechtsgründen freigesprochen. Hiergegen wendet sich die Staatsanwaltschaft mit ihrer auf die Verletzung formellen und materiellen Rechts gestützten Revision. Das vom Generalbundesanwalt vertretene Rechtsmittel hat keinen Erfolg.

I.


2
1. Das Landgericht hat Folgendes festgestellt:
3
Im Jahr 2004 war der Angeklagte Richter am Amtsgericht Z. und als Vorsitzender des Jugendschöffengerichts für die Bearbeitung mehrerer Strafverfahren gegen den vietnamesischen Staatsangehörigen D. T. L. zuständig. Die Staatsanwaltschaft H. /Zweigstelle N. warf diesem in insgesamt sieben Anklagen u. a. mehrere im Heranwachsendenalter begangene Straftaten des gewerbsmäßigen Diebstahls vor. Der Angeklagte ließ alle An- klagen zur Hauptverhandlung zu, lehnte jedoch mit Beschluss vom 29. März 2004 den Antrag der Staatsanwaltschaft auf Erlass eines Haftbefehls gegen D. T. L. ab. Auf Beschwerde der Staatsanwaltschaft hob das Landgericht diesen Beschluss auf und ordnete Untersuchungshaft an; es bestehe Fluchtgefahr, da D. T. L. neben den angeklagten Taten eines in H. begangenen räuberischen Diebstahls dringend verdächtig sei und daher mit einer empfindlichen Strafe rechnen müsse. Auf der Grundlage dieses Haftbefehls wurde seit dem 9. Juni 2004 die Untersuchungshaft für die beim Jugendschöffengericht des Amtsgerichts Z. angeklagten Straftaten vollzogen. Der im Hinblick auf den Tatvorwurf in H. erlassene weitere Haftbefehl war zuvor aufgehoben worden, nachdem D. T. L. insoweit lediglich wegen Diebstahls zu einer Bewährungsstrafe von vier Monaten verurteilt worden war.
4
Unter dem 23. Juni 2004 fragte die Ausländerbehörde bei dem Angeklagten unter Hinweis auf § 456a StPO an, ob D. T. L. in seinen Heimatstaat abgeschoben werden könne. Nach Weiterleitung der Anfrage an die Staatsanwaltschaft teilte diese dem Angeklagten mit, ein Antrag nach § 154b Abs. 4 StPO auf vorläufige Einstellung des Verfahrens im Hinblick auf die beabsichtigte Auslieferung werde nicht gestellt. Wegen des von der Ausländerbehörde in Aussicht genommenen Termins zur Abschiebung am 23. September 2004 versuchte der Angeklagte in der Folgezeit mehrfach erfolglos, die Staatsanwaltschaft unter Hinweis auf das einschlägige völkerrechtliche Abkommen zwischen der Bundesrepublik und der Republik Vietnam von seinem Standpunkt zu überzeugen. Unter dem 19. August 2004 beantragte der Pflichtverteidiger des D. T. L. unter Hinweis auf die Verurteilung seines Mandanten zu einer viermonatigen Bewährungsstrafe durch das Amtsgericht H. , den seit dem 9. Juni 2004 vollstreckten Haftbefehl ebenfalls mangels Verhältnismäßigkeit außer Vollzug zu setzen. Der Angeklagte hob sodann mit Beschluss vom 21. Septem- ber 2004 den Haftbefehl gegen D. T. L. auf. Zur Begründung führte er sinngemäß aus, der Haftgrund der Fluchtgefahr sei unter Berücksichtigung der Verurteilung durch das Amtsgericht H. entfallen, zumal im vorliegenden Verfahren ebenfalls nur eine aussetzungsfähige Jugendstrafe zu erwarten sei. Ob Wiederholungsgefahr bestehe, könne offen bleiben; jedenfalls im Lichte der beabsichtigten Abschiebung sei die Aufrechterhaltung des Haftbefehls nicht mehr verhältnismäßig. Zwar sei § 456a Abs. 1 StPO, wonach von Vollstreckung zum Zwecke der Abschiebung abgesehen werden könne, nicht unmittelbar anwendbar. Für die Beurteilung der Verhältnismäßigkeit der Aufrechterhaltung von Untersuchungshaft müsse der Rechtsgedanke dieser Vorschrift aber entsprechend angewendet werden, wenn - wie im vorliegenden Fall - nur noch ihre Aufrechterhaltung der beabsichtigten völkerrechtlich abgesicherten Abschiebung entgegenstehe. Dem "repressiven und präventiven Interesse" der Strafverfolgungsorgane sei bereits durch den Vollzug der Untersuchungshaft seit Festnahme des D. T. L. auch in anderer Sache hinreichend genügt.
5
Die Ausländerbehörde erhielt eine Ausfertigung dieses Beschlusses noch am selben, die Staatsanwaltschaft am darauf folgenden Tag. D. T. L. wurde am 23. September 2004 nach Vietnam abgeschoben.
6
2. Das Landgericht hat bereits den objektiven Tatbestand einer Rechtsbeugung im Sinne des § 339 StGB verneint, da sich der Angeklagte mit der Aufhebung des Haftbefehls gegen D. T. L. nicht bewusst und in schwerwiegender Weise von Recht und Gesetz entfernt habe. Zwar sei die Annahme einer analogen Anwendung des § 456a StPO unter Bezugnahme auf einen vom Angeklagten angenommenen Vorrang des völkerrechtlichen Abkommens zwischen Deutschland und Vietnam rechtsfehlerhaft gewesen, was ihm angesichts des mehrfachen Hinweises der Staatsanwaltschaft auf § 154b StPO auch hätte klar sein müssen. Die Aufhebung des Haftbefehls hätte jedoch mit einer anderen Begründung rechtsfehlerfrei ergehen können. Nach Verurteilung des D. T. L. zu einer viermonatigen Bewährungsstrafe durch das Amtsgericht H. sei ein tragender Grund für die damalige, auf Beschwerde der Staatsanwaltschaft angeordnete Untersuchungshaft wegen Fluchtgefahr durch das Landgericht H. weggefallen. Jedenfalls erweise sich die Entscheidung des Angeklagten unter dem Gesichtspunkt der Verhältnismäßigkeit als vertretbar, zumal der weitere, von ihm nicht geprüfte Haftgrund der Wiederholungsgefahr angesichts der im Urteil des Amtsgerichts H. gestellten günstigen Sozialprognose fern gelegen habe.

II.


7
Die Verfahrensrüge, das Landgericht habe unter Verstoß gegen § 261 StPO eine Einlassung des Angeklagten bei der Urteilsfindung berücksichtigt, bleibt ohne Erfolg.
8
Das Landgericht hat seine Überzeugungsbildung auch hinsichtlich der in den Urteilsgründen erwähnten Einlassung des Angeklagten aus dem Inbegriff der Hauptverhandlung geschöpft. Die Beschwerdeführerin trägt selbst vor, der Angeklagte habe im Rahmen des letzten Wortes eine umfangreiche Erklärung abgegeben. Was ein Angeklagter nach § 258 Abs. 1 StPO erklärt, gehört jedoch zum Inbegriff der Hauptverhandlung im Sinne des § 261 StPO und darf folglich bei der Urteilsfindung berücksichtigt werden (BGHSt 11, 74, 75; KKSchoreit StPO 6. Aufl. § 261 Rn. 12; Meyer-Goßner StPO 52. Aufl. § 261 Rn. 5).

III.


9
Die Annahme des Landgerichts, der Angeklagte habe den Tatbestand der Rechtsbeugung im Sinne des § 339 StGB nicht erfüllt, ist auf Grund der dazu im angefochtenen Urteil getroffenen Feststellungen im Ergebnis aus Rechtsgründen nicht zu beanstanden.
10
1. Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs soll der Straftatbestand der Rechtsbeugung den Rechtsbruch als elementaren Verstoß gegen die Rechtspflege unter Strafe stellen. Da die Einordnung der Rechtsbeugung als Verbrechenstatbestand die Schwere des Unwerturteils indiziert und eine Verurteilung kraft Gesetzes (§ 24 Abs. 1 DRiG) zur Beendigung des Richterverhältnisses führt, ist es mit dieser gesetzlichen Zweckbestimmung nicht zu vereinbaren , jede unrichtige Rechtsanwendung und jeden Ermessensfehler in den Schutzbereich dieser Norm einzubeziehen. Rechtsbeugung begeht daher nur der Amtsträger, der sich bewusst und in schwer wiegender Weise von Recht und Gesetz entfernt. Das Tatbestandsmerkmal der "Beugung" enthält insoweit ein normatives Element, wonach nur elementare Rechtsverstöße und offensichtliche Willkürakte erfasst werden sollen (st. Rspr.; vgl. nur BGHSt 38, 381, 383; 40, 272, 283; 47, 105, 108 f.). Auf den Maßstab (bloßer) Unvertretbarkeit darf dabei schon im Interesse der Rechtssicherheit nicht abgestellt werden (BGHSt 47, 105, 109). Eine Beugung des Rechts kann auch durch die Verletzung von Verfahrens- und Zuständigkeitsvorschriften begangen werden und liegt etwa dann vor, wenn der entscheidende Richter aus sachfremden Erwägungen gegen Zuständigkeits- und Anhörungsvorschriften verstößt, um andere Beteiligte von der Mitwirkung am Verfahren auszuschließen, und er damit die konkrete Gefahr eines seinen Intentionen entsprechenden unrechtmäßigen Voroder Nachteils für eine Partei schafft, der bei Einhaltung der gesetzlichen Vorschriften voraussichtlich nicht zu erreichen gewesen wäre (BGHSt 42, 343, 351; BGH, Beschluss vom 24. Juni 2009 – 1 StR 201/09).
11
2. Einen solchen elementaren Rechtsverstoß des Angeklagten in Gestalt des Beschlusses vom 21. September 2004 über die Haftbefehlsaufhebung hat das Landgericht hier im Ergebnis zu Recht verneint.
12
a) Der Angeklagte hat zwar bei der Entscheidung einer Rechtssache gehandelt , er hat aber weder seine Zuständigkeit überschritten noch stellt die Aufhebung des Haftbefehls inhaltlich einen den Tatbestand des § 339 StGB erfüllenden Rechtsverstoß dar.
13
aa) Schon von Amts wegen war der Angeklagte als Vorsitzender des Jugendschöffengerichts und damit als Gericht der Hauptsache (§ 126 Abs. 2 Satz 1 StPO) nach Eröffnung des Hauptverfahrens dazu verpflichtet, die gesetzlichen Voraussetzungen für die Fortdauer der Untersuchungshaft gegen D. T. L. regelmäßig zu überprüfen und dabei dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit (§ 112 Abs. 1 Satz 2 StPO) besondere Beachtung zu schenken. Für den Angeklagten bestand darüber hinaus nicht nur im Hinblick auf den von der Ausländerbehörde in Aussicht genommenen Abschiebetermin ein konkreter Anlass, sich gerade zum damaligen Zeitpunkt mit der Frage der Haftfortdauer zu befassen. Denn der Pflichtverteidiger hatte unter dem 19. August 2004 einen Haftverschonungsantrag gestellt und zur Begründung auf die Unverhältnismäßigkeit der weiteren Fortdauer der Untersuchungshaft besonders hingewiesen.
14
bb) Auch der Sache nach erweist sich die in den Gründen des Beschlusses niedergelegte Auffassung des Angeklagten, der Haftgrund der Fluchtgefahr bestehe nicht mehr, als durchaus vertretbar, jedenfalls nicht als willkürlich. D. T. L. war vom Amtsgericht H. lediglich zu einer geringfügigen Bewährungsstrafe verurteilt worden und hatte auch in dem von dem Angeklagten geführten Strafverfahren lediglich mit einer bewährungsfähigen Strafe zu rechnen.
15
Dass der Angeklagte über den Haftgrund der Wiederholungsgefahr nicht abschließend entschieden hat, stellt ebenfalls keinen elementaren, das Vertrauen der Öffentlichkeit in die Unverbrüchlichkeit des Rechts erschütternden Rechtsverstoß dar. Zur Begründung der Aufhebung des Haftbefehls hat der Angeklagte den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit herangezogen und maßgeblich darauf abgestellt, dass dem Strafbedürfnis der Allgemeinheit durch die von D. T. L. erlittene Untersuchungshaft bereits hinreichend genügt sei. Diese Erwägung ist nicht sachfremd. Angesichts der Dauer der Untersuchungshaft von nahezu sechs Monaten bei einem Heranwachsenden war sie unter Berücksichtigung der bereits erwähnten Straferwartung für sich genommen jedenfalls nicht unvertretbar. Dass der Angeklagte in diese Verhältnismäßigkeitsbetrachtungen auch eine nicht näher erläuterte, vom Landgericht zutreffend als fehlerhaft bewertete Analogie zu § 456a StPO einbezogen hat, fällt demgegenüber nicht so erheblich ins Gewicht, dass der Entscheidung zur Aufhebung des Haftbefehls insgesamt der Charakter eines elementaren Rechtsbruchs anhaften würde.
16
b) Dafür dass der Angeklagte durch sein Verhalten auch unabhängig von der Aufhebung des Haftbefehls den Tatbestand der Rechtsbeugung und/oder der Strafvereitelung im Amt verwirklicht haben könnte, geben die im Urteil getroffenen Feststellungen keinen Anhalt.
17
aa) Zwar hat die Staatsanwaltschaft gegenüber dem Angeklagten mehrfach erklärt, sie werde den gemäß § 154b Abs. 4 Satz 1 i. V. m. Abs. 3 StPO erforderlichen Antrag zur Einstellung des Strafverfahrens wegen Abschiebung des D. T. L. nicht stellen. Über diese Willensäußerung der Staatsanwaltschaft und damit über den fehlenden Antrag als rechtliche Voraussetzung für eine Einstellung nach dieser Vorschrift hat sich der Angeklagte aber nicht hinweggesetzt. Nach den Feststellungen des Landgerichts hat er das Verfahren zu keinem Zeitpunkt gemäß § 154b StPO eingestellt.
18
bb) Ein Erörterungsmangel liegt auch nicht darin, dass das Landgericht nicht geprüft hat, ob ein elementarer, den objektiven Tatbestand der Rechtsbeugung oder der Strafvereitelung im Amt erfüllender Rechtsverstoß des Angeklagten darin bestehen konnte, dass der Angeklagte anstelle der dazu berufenen Staatsanwaltschaft die Zustimmung zur Abschiebung des D. T. L. gegeben und damit gegen die Zuständigkeitsvorschrift des (damals noch geltenden ) § 64 Abs. 3 AuslG verstoßen hätte.
19
An dem Entscheidungsprozess über die Abschiebung war der Angeklagte formal nicht beteiligt. Nach den Feststellungen ging die Initiative zur Abschiebung von der Ausländerbehörde aus und mündete in die Anfrage an den Angeklagten , ob von der "weiteren Vollstreckung der Strafe" im Hinblick auf die beabsichtigte Abschiebung des D. T. L. abgesehen werden könne. Dass der Angeklagte auf das Vorstellungsbild der zuständigen Mitarbeiter der Ausländerbehörde eingewirkt hätte, etwa dergestalt, er werde unter Missachtung der der Staatsanwaltschaft durch § 64 Abs. 3 AuslG a. F. eingeräumten Befugnisse eine Zustimmung zur Abschiebung erteilen, ergeben die Feststellungen nicht. Vielmehr hat der Angeklagte die Anfrage an die zuständige Staatsanwaltschaft weitergeleitet, sich in der Folgezeit mehrfach um deren Zustimmung be- müht und alsdann lediglich den gegen D. T. L. bestehenden Haftbefehl aufgehoben.
20
c) Auch die vom Angeklagten gewählte Verfahrensweise spricht gegen die Annahme, er habe sich maßgeblich von sachfremden Erwägungen leiten lassen, um unter gezielter Benachteiligung eines Verfahrensbeteiligten eine von ihm gewünschte Entscheidung zu erreichen. Insbesondere hat er seine Absicht, den Haftbefehl im Hinblick auf die von der Ausländerbehörde beabsichtigte Abschiebung aus Gründen der Verhältnismäßigkeit aufzuheben, der Staatsanwaltschaft nicht etwa verheimlicht. Vielmehr hat er diese nach der Anfrage der Ausländerbehörde mehrfach angehört, um, wenn auch auf der Grundlage einer teilweise irrigen Rechtsansicht, deren Zustimmung zu erreichen. Die von ihm an die Staatsanwaltschaft übermittelte Ausfertigung des Beschlusses über die Aufhebung des Haftbefehls lag dort einen Tag vor dem Vollzug der Abschiebung vor. Die Feststellungen des Landgerichts ergeben nicht, dass der Staatsanwaltschaft zu diesem Zeitpunkt eine Einflussnahme auf die bevorstehende Abschiebung unter Berufung auf § 64 Abs. 3 AuslG a. F. – etwa mit dem Ziel einer Aussetzung der Abschiebung im Eilwege – nicht mehr möglich war. Entsprechendes wird von der Beschwerdeführerin im Revisionsverfahren auch nicht vorgetragen.

IV.


21
Da das Landgericht eine Strafbarkeit des Angeklagten wegen Rechtsbeugung im Ergebnis zu Recht bereits aus objektiven Gründen verneint hat, kommt wegen der insoweit bestehenden Sperrwirkung eine Verurteilung wegen Strafvereitelung im Amt (§ 258a StGB) nicht in Betracht (Fischer StGB 56. Aufl. § 339 Rn. 21 m.w.N.). Auch bedürfen die weiter gehenden Einwände der Revi- sion gegen die Annahme von Schuldunfähigkeit des Angeklagten ebenso wenig der Erörterung wie die von der Staatsanwaltschaft in diesem Zusammenhang erhobene (weitere) Verfahrensrüge der Verletzung von § 261 StPO.
Tepperwien Athing Solin-Stojanović
Ernemann Franke

Ein Richter, ein anderer Amtsträger oder ein Schiedsrichter, welcher sich bei der Leitung oder Entscheidung einer Rechtssache zugunsten oder zum Nachteil einer Partei einer Beugung des Rechts schuldig macht, wird mit Freiheitsstrafe von einem Jahr bis zu fünf Jahren bestraft.

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
3 S t R 4 9 8 / 1 4
vom
13. Mai 2015
in der Strafsache
gegen
wegen Urkundenfälschung
Der 3. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat aufgrund der Verhandlung vom
5. März 2015 in der Sitzung am 13. Mai 2015, an denen teilgenommen haben:
Vorsitzender Richter am Bundesgerichtshof
Becker,
die Richter am Bundesgerichtshof
Hubert,
Dr. Schäfer,
Mayer,
Richterin am Bundesgerichtshof
Dr. Spaniol
als beisitzende Richter,
Staatsanwältin beim Bundesgerichtshof
als Vertreterin der Bundesanwaltschaft,
Rechtsanwalt - in der Verhandlung -
als Verteidiger,
Justizobersekretärin - in der Verhandlung - ,
Justizangestellte - bei der Verkündung -
als Urkundsbeamtinnen der Geschäftsstelle,

für Recht erkannt:
Auf die Revision der Staatsanwaltschaft wird das Urteil des Landgerichts Koblenz vom 24. Juni 2014 mit den Feststellungen aufgehoben. Die Sache wird zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine Strafkammer des Landgerichts Mainz zurückverwiesen.

Von Rechts wegen

Gründe:

1
Das Landgericht hat den Angeklagten vom Vorwurf der Urkundenfälschung aus Rechtsgründen freigesprochen. Hiergegen wendet sich die auf die Sachrüge gestützte Revision der Staatsanwaltschaft. Das Rechtsmittel hat Erfolg.
2
1. Das Landgericht hat folgende Feststellungen und Wertungen getroffen :
3
a) Der Angeklagte war als Strafrichter für die Verhandlung und Entscheidung der Strafsache gegen Thomas W. wegen Fahrens ohne Versicherungsschutz zuständig. In der Hauptverhandlung beantragte die Staatsanwaltschaft eine Geldstrafe von 60 Tagessätzen zu je 25 €. Der Angeklagte verurteilte Thomas W. abweichend hiervon zu einer Geldstrafe von 75 Tagessätzen zu je 15 € und bewilligte ihm deren Zahlung in monatlichen Raten zu je 15 €. Die Formel dieser Entscheidung hatte er vor der Verkündung auf dem rückwärtigen Einband der Sachakte schriftlich niedergelegt. Auf die Berufung der Staatsanwaltschaft , deren Grund er zutreffend in der danach notwendigen Dauer der Vollstreckung vermutete, entschloss er sich, die Höhe der bewilligten Raten "informell" zu erhöhen und so eine Zurücknahme des Rechtsmittels zu erreichen. Hierzu änderte der Angeklagte zunächst im Entwurf des Hauptverhandlungsprotokolls vor dessen Fertigstellung die gemäß Banddiktat dort ausgewiesene Urteilsformel durch Überschreiben der Zahl "1" dahin ab, dass eine Zahlung der Geldstrafe in monatlichen Raten zu je 25 € bewilligt wird. Mit entsprechendem Inhalt setzte er die schriftliche Urteilurkunde ab. Zur Vermeidung von Widersprüchen änderte er schließlich auch in der auf dem Akteneinband niedergelegten Urteilsformel zur Höhe der bewilligten Raten die Zahl "1" durch Überschreiben in "2". Das Berufungsgericht beließ es bei der ausgesprochenen Geldstrafe und der Bewilligung von Ratenzahlungen, setzte aber die Höhe der Raten auf 32 € monatlich fest.
4
b) Das Landgericht ist der Ansicht, der Angeklagte habe zwar mit der festgestellten Veränderung der auf dem Akteneinband fixierten Urteilsformel eine Urkundenfälschung unter Missbrauch seiner Stellung als Amtsträger begangen. Seiner Verurteilung deswegen stehe jedoch entgegen, dass er insoweit bei der Leitung einer Rechtssache tätig geworden sei, ohne dabei aber einen elementaren Verstoß gegen die Rechtspflege begangen zu haben. Er könne daher nicht wegen Rechtsbeugung (§ 339 StGB) verurteilt werden. Damit scheide aber auch ein Schuldspruch wegen Urkundenfälschung aus, denn die Nichterfüllung des Tatbestands der Rechtsbeugung entfalte eine Sperrwir- kung dahin, dass der Angeklagte wegen desselben Sachverhalts auch nicht nach einer anderen Strafvorschrift verurteilt werden könne.
5
2. Der Freispruch hält rechtlicher Überprüfung nicht stand.
6
a) Zutreffend sieht das Landgericht in der nachträglichen Abänderung der auf dem Akteneinband niedergelegten Urteilsformel tatbestandsmäßig eine Urkundenfälschung unter Missbrauch einer Stellung als Amtsträger (§ 267 Abs. 1, Abs. 3 Satz 2 Nr. 4, § 11 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. a StGB). Nicht nur das Protokoll, sondern auch die von § 268 Abs. 2 Satz 1 StPO geforderte Niederschrift der Urteilsformel ist dazu geeignet und bestimmt, die inhaltliche Übereinstimmung der durch Verlesen verkündeten mit der im schriftlichen Urteil ausgewiesenen Entscheidung zu sichern (KK-Kuckein, StPO, 7. Aufl., § 268 Rn. 3). Bereits mit der Urteilsverkündung und jedenfalls bis zur Fertigstellung eines mangelfreien Protokolls (vgl. BGH, Beschluss vom 9. Mai 2001 - 2 StR 42/01 bei Becker, NStZ-RR 2002, 97, 100) erlangt die Niederschrift Beweiskraft für den Inhalt der verlesenen Formel. Mit dem Zeitpunkt der Urteilsverkündung ist sie deshalb auch der Abänderung durch den erkennenden Richter entzogen (LR/Stuckenberg, StPO, 26. Aufl., § 268 Rn. 22; Meyer-Goßner/Schmitt, StPO, 58. Aufl., § 268 Rn. 4).
7
b) Rechtsfehlerfrei geht das Landgericht auch davon aus, dass das Handeln des Angeklagten nicht den Tatbestand der Rechtsbeugung (§ 339 StGB) erfüllt.
8
aa) Zwar wurde der Angeklagte, als er die niedergeschriebene und so verlesene Urteilsformel nachträglich abänderte, bei der Leitung einer Rechtssache tätig.

9
Unter "Rechtssache" im Sinne des § 339 StGB ist das gesamte streitige Verhältnis zu verstehen, über das der Richter zu "entscheiden" hat; die "Leitung" der Rechtssache ist der Inbegriff aller Maßnahmen, die auf die Erledigung der Sache abzielen (BGH, Urteil vom 18. Juli 2013 - 4 StR 84/13, NStZ 2013, 655, 656 mwN). Im Hauptverfahren in Strafsachen übt der Richter danach auch über die mündliche Urteilsverkündung hinaus Tätigkeiten aus, welche die Leitung und Entscheidung einer Rechtssache zum Gegenstand haben. Die Urteilsverkündung beendet das Verfahren nicht, denn es bleibt die Abfassung der schriftlichen Urteilsgründe, die zu den originären Aufgaben des erkennenden Richters zählt und die die künftige Entscheidung des Rechtsmittelgerichts zu Gunsten oder zum Nachteil des Angeklagten beeinflussen kann (BGH aaO). Nichts anderes kann für die Fertigstellung des Hauptverhandlungsprotokolls durch den Vorsitzenden gelten. Nicht (mehr) bei der Leitung oder Entscheidung einer Rechtssache im Sinne des § 339 StGB handelt der Richter erst dann, wenn ein innerer funktionaler Zusammenhang der den strafrechtlichen Vorwurf begründenden Verhaltensweise mit der Förderung der Sache fehlt und diese deshalb objektiv nicht mehr als ein auf seiner Leitungs- oder Entscheidungskompetenz beruhendes Handeln erscheint (vgl. BGH, Urteil vom 23. Mai1984 - 3 StR 102/84, BGHSt 32, 357, 364 f.; OLG Naumburg, Beschluss vom 23. April 2012 - 1 Ws 48/12, NStZ 2013, 533, 535; OLG Karlsruhe, Beschluss vom 9. Dezember 2003 - 3 Ws 174/03, NJW 2004, 1469, 1470; S/SHeine /Hecker, StGB, 29. Aufl., § 339 Rn. 17; MüKoStGB/Uebele, 2. Aufl., § 339 Rn. 73; Lackner/Kühl, StGB, 28. Aufl., § 339 Rn. 11).
10
Nach diesen Maßstäben handelte der Angeklagte, als er die auf dem Akteneinband niedergelegte Urteilsformel nachträglich abänderte, noch bei der Leitung der Strafsache gegen Thomas W. Zwar verfolgte er damit unmittelbar nur das Ziel, im Nachhinein über den wahren Inhalt einer von ihm bereits getroffenen und verkündeten Entscheidung zu täuschen. Jedoch wollte er durch sein Vorgehen zugleich auch nach außen hin eine vorgebliche Tatsachengrundlage für die weitere prozessordnungswidrige Behandlung und Erledigung der Sache schaffen. Die Fälschung stand nach der ihr vom Angeklagten zugedachten Zweckrichtung in engem und untrennbarem Zusammenhang sowohl mit der Herstellung der schriftlichen Urteilsurkunde als auch mit der Fertigstellung des Hauptverhandlungsprotokolls. Sie sollte deren inhaltliche Unrichtigkeit verschleiern und so die Entscheidung der Staatsanwaltschaft und gegebenenfalls des Rechtsmittelgerichts beeinflussen.
11
bb) Nichts zu erinnern ist aber auch gegen die Bewertung des Landgerichts , dass sich der Angeklagte dadurch keiner Beugung des Rechts schuldig gemacht hat.
12
Rechtsbeugung kann zwar auch durch Verletzung von Verfahrensrecht begangen werden (BGH, Urteile vom 29. Oktober 1992 - 4 StR 353/92, BGHSt 38, 381, 383; vom 5. Dezember 1996 - 1 StR 376/96, BGHSt 42, 343). Nicht jede unrichtige Rechtsanwendung oder jeder Ermessensfehler ist jedoch bereits eine Beugung des Rechts. Vielmehr indizieren die Einordnung der Rechtsbeugung als Verbrechenstatbestand und die gemäß § 24 Nr. 1 DRiG, § 24 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 BeamtStG im Falle einer Verurteilung kraft Gesetzes eintretende Beendigung des Richter- oder Beamtenverhältnisses die Schwere des Unwerturteils (BGH, Urteile vom 29. Oktober 1992 - 4 StR 353/92, BGHSt 38, 381, 383; vom 29. Oktober 2009 - 4 StR 97/09, NStZ-RR 2010, 310; vom 18. Juli 2013 - 4 StR 84/13, NStZ 2013, 655, 656). Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs erfasst § 339 StGB deshalb nur den Rechtsbruch als elementaren Verstoß gegen die Rechtspflege, bei dem sich der Amts- träger bewusst in schwerwiegender Weise zugunsten oder zum Nachteil einer Partei vom Gesetz entfernt und sein Handeln als Organ des Staates statt an Recht und Gesetz an seinen eigenen Maßstäben ausrichtet (vgl. nur BGH, Urteile vom 9. Mai 1994 - 5 StR 354/93, BGHSt 40, 169, 178; vom 6. Oktober 1994 - 4 StR 23/94, BGHSt 40, 272, 283; vom 20. September 2000 - 2 StR 276/00, NStZ-RR 2001, 243, 244; Beschluss vom 7. Juli 2010 - 5 StR 555/09, wistra 2011, 32, 35). Insoweit enthält das Tatbestandsmerkmal "Beugung des Rechts" ein normatives Element, dem die Funktion eines wesentlichen Regulativs zukommt (grundlegend hierzu BGH, Urteil vom 23. Mai 1984 - 3 StR 102/84, BGHSt 32, 357, 364, mit Hinweis auf die Gesetzesmaterialien). Ob ein elementarer Rechtsverstoß vorliegt, ist auf der Grundlage einer wertenden Gesamtbetrachtung aller Umstände zu entscheiden. Bei einem Verstoß gegen Verfahrensrecht kann neben dessen Ausmaß und Schwere insbesondere auch Bedeutung erlangen, welche Folgen dieser für die Partei hatte, inwieweit die Entscheidung materiell rechtskonform blieb und von welchen Motiven sich der Richter leiten ließ (vgl. BGH, Urteile vom 5. Dezember 1996 - 1 StR 376/96, BGHSt 42, 343; vom 20. September 2000 - 2 StR 276/00, NStZ-RR 2001, 243, 244; vom 18. Juli 2013 - 4 StR 84/13, NStZ 2013, 655, 656; Beschluss vom 24. Juni 2009 - 1 StR 201/09, NStZ 2010, 92).
13
Nach diesen Maßstäben ist das Landgericht ohne Rechtsfehler zu dem Ergebnis gelangt, dass dem Angeklagten kein elementarer Verstoß gegen die Rechtspflege zur Last fällt. Zwar erschöpfte sich das Handeln des Angeklagten nicht allein in einer Zuwiderhandlung gegen Vorschriften des gerichtlichen Verfahrens ; vielmehr beging er durch die Fälschung der Urteilsformel zugleich eine Straftat. Der so indizierten Schwere des Rechtsverstoßes steht jedoch gegenüber , dass sich das Vorgehen des Angeklagten schon objektiv nicht auf den Kern der Verurteilung des W. bezog, sondern lediglich auf die Höhe der ihm für die Bezahlung der verhängten Geldstrafe bewilligten Raten. In subjektiver Hinsicht kommt hinzu, dass der Angeklagte ausschließlich handelte, um einen von ihm erkannten offensichtlichen Fehlgriff zugunsten des W. bei der Bemessung der Höhe der Raten rückgängig zu machen. In der Gesamtschau rechtfertigt dies nicht eine Bewertung des Tatgeschehens dahin, dass sich der Angeklagte bewusst in schwerwiegender Weise zum Nachteil des W. vom Gesetz entfernt habe. Soweit der Bundesgerichtshof im Urteil vom 18. Juli 2013 (4 StR 84/13, NStZ 2013, 655) in einer Urkundenfälschung des Richters bei der Leitung und Entscheidung der Rechtssache zugleich einen elementaren Verstoß gegen die Rechtspflege gesehen hat, kam den dort zu beurteilenden Sachverhalten ungleich schwereres Gewicht zu. Der Entscheidung lag zu Grunde, dass der Angeklagte wiederholt Urteile in Strafsachen, die keine auch nur entfernt ausreichenden Feststellungen zur Sache und keine Beweiswürdigung enthielten und auf denen bereits der Eingangsvermerk der Geschäftsstelle angebracht war, nach Ablauf der Urteilsabsetzungsfrist heimlich ergänzte. Sein Vorgehen diente damit der wirksamen Vereitelung von Angriffen auf die Verurteilung insgesamt, denen nach § 338 Nr. 7 StPO ohne Weiteres Erfolg beschieden gewesen wäre.
14
c) Auf durchgreifende Bedenken stößt indes die Auffassung des Landgerichts , einer Bestrafung des Angeklagten wegen der festgestellten Urkundenfälschung unter Missbrauch einer Stellung als Amtsträger (§ 267 Abs. 1, Abs. 3 Nr. 4 StGB) stehe infolgedessen die sog. Sperrwirkung des Rechtsbeugungstatbestands entgegen.
15
Die dem Tatbestand der Rechtsbeugung nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs zukommende Sperrwirkung gegen eine Verurteilung nach anderen Strafvorschriften dient in erster Linie der persönlichen Unabhängigkeit des Richters (BGH, Urteil vom 7. Dezember 1956 - 1 StR 56/56, BGHSt 10, 294, 298; vgl. auch BGH, Urteil vom 29. Mai 1952 - 2 StR 45/50, MDR 1952, 693, 695). Sie soll seine Entscheidungsfreiheit sichern und ihn von dem Risiko freistellen, dass Entscheidungen, Anordnungen oder Maßnahmen der Verhandlungsleitung, zu denen er aufgrund seiner Rechtsgewährungspflicht von Gesetzes wegen gehalten ist, die aber nach ihrem Inhalt oder nach ihren Auswirkungen den Tatbestand eines allgemeinen Strafgesetzes erfüllen können, so etwa den der Strafvereitelung, der Verfolgung Unschuldiger, der Freiheitsberaubung oder der Nötigung, nachträglich und außerhalb des Instanzenzugs nochmals zur Überprüfung gestellt werden mit dem Ziel, ihn strafrechtlich oder zivilrechtlich (vgl. § 839 Abs. 2 BGB) hierfür zur Verantwortung zu ziehen.
16
Diese Rechtsprechung hat ihren Ausgangspunkt insbesondere darin, dass nach herrschender Meinung zur früheren Gesetzeslage (§ 336 StGB vor der Neufassung durch Art. 19 Nr. 188 EGStGB vom 2. März 1974, BGBl. I 469, 497) einem Richter der Vorwurf der Rechtsbeugung nur bei einem direkt vorsätzlichen Rechtsverstoß gemacht werden konnte. Vor diesem Hintergrund sollte durch die Sperrwirkung zuvörderst verhindert werden, dass ein Richter, dem keine direkt vorsätzliche Rechtsverletzung angelastet werden kann, wegen einer durch seine Entscheidung bedingt vorsätzlich oder auch nur fahrlässig begangenen Verwirklichung eines anderen Straftatbestandes zur Verantwortung gezogen wird.
17
All dies ist auf den vorliegend zu beurteilenden Sachverhalt nicht übertragbar. lndem der Gesetzgeber mit der Neufassung des Rechtsbeugungstatbestandes durch das EGStGB vom 2. März 1974 klargestellt hat, dass für die subjektive Tatseite der Rechtsbeugung auch bedingter Vorsatz ausreicht (vgl. LK/Hilgendorf, StGB, 12. Aufl., § 339 Entstehungsgeschichte Rn. 86 mwN), ist ein Begründungsansatz für die Sperrwirkung des Rechtsbeugungstatbestandes bereits weitgehend obsolet geworden; denn damit bleiben die Anforderungen an die subjektive Tatseite der denkbaren Strafvorschriften, die nach heutiger Gesetzeslage durch eine richterliche Entscheidung neben § 339 StGB verletzt werden können, nicht mehr hinter denjenigen des Rechtsbeugungstatbestandes zurück. Vor allem aber fordert es die verfassungsrechtlich gewährleistete richterliche Unabhängigkeit nicht, das Haftungsprivileg auch auf ein Handeln des Richters zu erstrecken, das nicht erst im Zusammenhang mit einer nach außen hin zu treffenden Entscheidung, Anordnung oder Maßnahme der Verhandlungsleitung zur Erfüllung eines Straftatbestands führt, sondern - wie hier - bereits für sich alleine gegen Strafgesetze verstößt (dem zuneigend bereits BGH, Urteil vom 18. Juli 2013 - 4 StR 84/13, NStZ 2013, 655, 657).
18
3. Die danach veranlasste Aufhebung des freisprechenden Urteils ist auch auf die für sich gesehen rechtsfehlerfrei getroffenen Feststellungen zu erstrecken, denn der freigesprochene Angeklagte konnte gegen diese kein Rechtsmittel einlegen (vgl. BGH, Urteil vom 18. Juli 2013 - 4 StR 84/13, NStZ 2013, 655, 657 mwN). Die Sache bedarf deshalb insgesamt neuer Verhandlung und Entscheidung. Der Senat macht von der Möglichkeit der Zurückverweisung an ein anderes Gericht Gebrauch (§ 354 Abs. 2 Satz 1 StPO).
19
4. Für die neue Hauptverhandlung weist der Senat auf Folgendes hin:
20
Ohne Rechtsfehler ist das Landgericht davon ausgegangen, dass das Handeln des Angeklagten nicht auch den Tatbestand der Falschbeurkundung im Amt (§ 348 Abs. 1 StGB) erfüllt. Insbesondere stellt das Hauptverhandlungsprotokoll keine öffentliche Urkunde dar (vgl. Stuckenberg, ZIS 2013, 212, 215; Knauer NStZ 2013, 433, 435).
Becker Hubert Schäfer Mayer Ri'inBGH Dr. Spaniol befindet sich im Urlaub und ist daher gehindert zu unterschreiben. Becker
Nachschlagewerk: ja
BGHSt : nein
Veröffentlichung : ja
Zur unerlässlichen Mitwirkung eines dritten Berufsrichters in
einem wegen komplexer Rechtsbeugungsvorwürfe umfangreichen
und schwierigen Strafverfahren.
BGH, Beschluss vom 7. Juli 2010 – 5 StR 555/09
LG Potsdam –

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
vom 7. Juli 2010
in der Strafsache
gegen
1.
2.
wegen Rechtsbeugung u. a.
Der 5. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat am 7. Juli 2010

beschlossen:
Auf die Revisionen der Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Potsdam vom 19. Juni 2009 nach § 349 Abs. 4 StPO mit den Feststellungen aufgehoben.
Die Sache wird zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Rechtsmittel, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.
G r ü n d e
1
Das Landgericht hat die Angeklagten wegen Rechtsbeugung in Tateinheit mit schwerer Freiheitsberaubung verurteilt. Gegen den Angeklagten M. hat es eine zur Bewährung ausgesetzte Freiheitsstrafe von zwei Jahren verhängt, gegen den Angeklagten P. eine solche von einem Jahr und acht Monaten. Zur Kompensation rechtsstaatswidriger Verfahrensverzögerung sind jeweils sechs Monate Freiheitsstrafe als vollstreckt erklärt worden.

A.


2
Das Landgericht hat seiner Verurteilung im Wesentlichen folgende Feststellungen zugrunde gelegt:
3
Der Beschwerdeführer M. führte als Richter am Amtsgericht den Vorsitz in einer Schöffengerichtssache gegen B. A. vor dem Amtsgericht Eisenhüttenstadt. A. wurde zur Last gelegt, als Nachlasspfleger in sechs Fällen Nachlassvermögen in Höhe von insgesamt etwa 400.000 € veruntreut zu haben. Am 30. Juni 2005 verurteilte ihn das Schöf- fengericht unter Vorsitz des Beschwerdeführers M. schließlich zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von vier Jahren. M. war nach dem Jahresgeschäftsverteilungsplan des Amtsgerichts lediglich noch für die Erledigung dieses schöffengerichtlichen Verfahrens zuständig, dessen Hauptverhandlung am 16. Dezember 2004 begonnen hatte. Im Übrigen (90 %) war er an das Landgericht Frankfurt/Oder abgeordnet. Der Beschwerdeführer P. ist Oberstaatsanwalt und nahm als Sitzungsvertreter der Staatsanwaltschaft Frankfurt/Oder an der überwiegenden Anzahl der Hauptverhandlungstage teil.
4
A. ließ sich im Strafverfahren unter anderem von Rechtsanwalt R. verteidigen. Darüber war der Beschwerdeführer M. von Beginn an sehr ungehalten, weil er R. verdächtigte, an der Vortat des A. beteiligt gewesen zu sein. Er rechnete daher damit, dass R. Konfliktverteidigung betreiben würde, „um von seiner eigenen Tatbeteiligung abzulenken sowie die Aufklärung des Sachverhalts zu verzögern und zu erschweren“ (UA S. 13). Er war deshalb bestrebt, „R. möglichst rasch der Beteiligung an den Taten des B. A. zu überführen und ihn auf diese Weise auch aus dem gegen B. A. anhängigen Strafverfahren auszuschließen“ (UA S. 13). Seine im April 2004 erfolgte Vorlage an das Brandenburgische Oberlandesgericht mit dem Ziel, R. gemäß §§ 138a, 138c StPO als Tatbeteiligten auszuschließen, war ohne Erfolg geblieben (UA S. 14). Deshalb beschloss er, „selbst gegen Rechtsanwalt R. zu ermitteln und ihn mit Zwangsmaßnahmen zu überziehen“ (UA S. 14). Dabei war ihm bekannt, dass sowohl gegen R. als auch gegen A. s Ehefrau C. von der Staatsanwaltschaft wegen des Verdachts der Geldwäsche Ermittlungsverfahren eingeleitet worden waren. Der auch für das Verfahren gegen B. A. zuständige Dezernent, Staatsanwalt B. , erhob später, im Juni 2006, gegen R. und C. A. wegen Geldwäsche Anklage. Zum Ausgang dieses Verfahrens hat die Strafkammer keine Feststellungen getroffen.
5
In dem Schöffengerichtsverfahren wurde der Beschwerdeführer M. am 24. März 2005 (7. Hauptverhandlungstag) durch B. A. wegen Besorgnis der Befangenheit abgelehnt. Begründet wurde das Ablehnungsgesuch maßgeblich mit der Berichterstattung des früheren Direktors des Amtsgerichts Eisenhüttenstadt W. Oder-Spree- im Fernsehen vom Vortag. Dieser nahm als Prozessberichterstatter an einer Vielzahl der Sitzungstage teil und kommentierte über diesen Sender „tendenziös zu Lasten“ des Angeklagten A. und des Verteidigers Rechtsanwalt R. das Prozessgeschehen; dabei verfügte er aus Sicht der Verteidigung A. s über Informationen, die er nur von M. erlangt haben konnte (UA S. 29).
6
Am 7. April 2005 (8. Hauptverhandlungstag) wurde der Beschwerdeführer M. erneut abgelehnt. Grund dafür war seine wörtliche Äußerung (UA S. 31): „Hier gilt doch nicht die StPO, hier gilt doch die HPO. Die kennen Sie doch? Die kennt nur einen Paragraphen und der heißt: Der Strafprozess beginnt mit der Vollstreckung, alles weitere bestimmt der Vorsitzende !“ Mit der Wendung „HPO“ meinte M. eine sogenannte „Hüttenstädter Prozessordnung“, mit der er Rechtsanwalt R. die Macht des Vorsitzenden demonstrieren wollte (UA S. 31). Die Ablehnungsgesuche wurden am 11. April 2005 (UA S. 36) und 21. April 2005 (UA S. 45) jeweils durch M. s Vertreterin zurückgewiesen.
7
Ebenfalls am achten Hauptverhandlungstag überreichte der als Zeuge vernommene Rechtsanwalt R. Ablichtungen eines Kaufvertrags über die Veräußerung seines Kraftfahrzeugs an C. A. . Der Beschwerdeführer M. nahm an, dass der Kaufvertrag rückdatiert worden sei, erhob sich, „warf seine Robe nach hinten, deutete auf den Zeugen R. und rief: ‚Sie sind festgenommen!’. Er hatte bereits vor dieser Sitzung den Entschluss gefasst, den Zeugen R. , B. A. und dessen Ehefrau festnehmen zu lassen, und dies mit P. besprochen, weil er sichergehen wollte , dass dieser die entsprechenden Haftbefehlsanträge stellen würde“ (UA S. 33). Entsprechend erhielt der Beschwerdeführer M. vom Beschwerdeführer P. drei vorbereitete schriftliche Anträge, mit denen dieser die Anordnung der Untersuchungshaft gegen B. A. wegen Untreue sowie gegen R. und C. A. wegen Geldwäsche und Begünstigung , bezüglich R. auch wegen uneidlicher Falschaussage beantragte. Sämtliche Anträge waren auf den Haftgrund der Verdunkelungsgefahr sowie bei R. zusätzlich auf Fluchtgefahr gestützt. Der Beschwerdeführer M. vergab für die Haftbefehlsanträge betreffend R. und C. A. gerichtliche Aktenzeichen mit Gs-Registerzeichen, beschloss die Verbindung der Ermittlungsverfahren gegen R. und C. A. mit dem von ihm geführten Strafverfahren gegen B. A. und ordnete antragsgemäß Untersuchungshaft gegen alle drei an. R. und B. A. wurden im Sitzungssaal, C. A. acht Minuten später an ihrer Arbeitsstelle festgenommen.
8
Beiden Beschwerdeführern war bewusst, dass M. für eine eigenmächtige Verbindung der bei der Staatsanwaltschaft anhängigen und noch nicht abgeschlossenen Ermittlungsverfahren ebenso wenig zuständig war wie für den Erlass von Haftbefehlen in diesen Ermittlungsverfahren. Sie wollten insbesondere „in Kenntnis des Fehlens tragender Haftgründe im Umgang mit einer vermeintlichen Konfliktverteidigung ein Exempel statuieren“ und gingen davon aus, dass „der Erlass der Haftbefehle durch einen anderen Richter, ebenso wie die Beantragung der Haftbefehle durch einen anderen Vertreter der Staatsanwaltschaft höchstwahrscheinlich nicht zu erreichen gewesen wäre“ (UA S. 36/37).
9
Am 14. April 2005 (9. Hauptverhandlungstag) wurden R. und C. A. als Zeugen vernommen. Zwischenzeitlich war es auf Betreiben von Staatsanwalt B. zu Unterredungen mit dem Leitenden Oberstaatsanwalt gekommen, in deren Folge Staatsanwalt B. am 14. April 2005 die Entlassung von R. aus der Untersuchungshaft anordnete. Am folgenden Tag beschloss der Beschwerdeführer M. „in den Straf- und Ermittlungsverfahren“ gegen B. und C. A. sowie R. , dass die Haftbefehle gegen den Angeklagten A. sowie die „Beschuldigte“ C. A. aufgehoben werden, weil sich im Hinblick auf die Entlassung des „Beschuldigten“ R. der weitere Vollzug der Untersuchungshaft als unverhältnismäßig darstelle (UA S. 45); am selben Tag ordnete er ihre Entlassung an und hob später auch den Haftbefehl gegen R. sowie den Verbindungsbeschluss auf.

B.


10
Die Revisionen haben bereits mit Besetzungsrüge Erfolg. Zu Recht beanstanden die Beschwerdeführer, dass die Strafkammer unter Verstoß gegen § 76 Abs. 2 Satz 1 GVG mit nur zwei Berufsrichtern besetzt gewesen ist. Die fehlerhafte Besetzung des erkennenden Gerichts hat als absoluter Revisionsgrund die Aufhebung des Urteils zur Folge (§ 338 Nr. 1 StPO).
11
I. Den Rügen liegt folgender prozessualer Sachverhalt zugrunde:
12
1. Die Staatsanwaltschaft hat gegen die Beschwerdeführer unter dem 30. August 2007 Anklage wegen gemeinschaftlich begangener Rechtsbeugung und Freiheitsberaubung zum Landgericht Frankfurt/Oder erhoben. Den zunächst ergangenen Nichteröffnungsbeschluss hat das Brandenburgische Oberlandesgericht am 29. Juli 2008 auf sofortige Beschwerde der Staatsanwaltschaft aufgehoben und das Hauptverfahren vor dem Landgericht Potsdam eröffnet. Das Landgericht hat mit Beschluss vom 6. Februar 2009 nach § 76 Abs. 2 Satz 1 GVG von der Mitwirkung eines dritten Berufsrichters ohne Angabe von Gründen abgesehen; den von den Beschwerdeführern jeweils vor ihrer Vernehmung zur Sache erhobenen Besetzungseinwand, gestützt auf eine unvertretbare reduzierte Gerichtsbesetzung nach § 76 Abs. 2 Satz 1 GVG, hat das Landgericht (in der für die Hauptverhandlung vorgesehenen Besetzung) zurückgewiesen und zur Begründung mitgeteilt: „Die Kammer hält sich für ordnungsgemäß besetzt. Eine willkürliche Entscheidung über die Besetzung ist nach hiesiger Meinung nicht erkennbar.“
13
2. Den bestreitenden Beschwerdeführern wurden durch die Anklageschrift „mehrere evidente Rechtsverstöße“, begangen zum Nachteil der Eheleute A. sowie des Rechtsanwalts R. , als einheitliche Tat der Rechtsbeugung und Freiheitsberaubung zur Last gelegt. Im Zeitpunkt der Eröffnungsentscheidung belief sich der Umfang der Leitakte bereits auf mehr als 900 Seiten.
14
Überdies oblag der Strafkammer die Aufklärung des komplexen Ausgangsverfahrens gegen B. A. , das ursprünglich zum Landgericht angeklagt , aber mit Blick auf die zu erwartende Rechtsfolge vor dem Schöffengericht eröffnet worden war. Unter dem Vorsitz des Beschwerdeführers M. war darüber mehr als ein halbes Jahr an 14 Hauptverhandlungstagen auch unter Hinzuziehung eines Sachverständigen verhandelt worden. Die Hauptaktenbände umfassten etwa 1.600 Seiten, wurden ebenso wie die Hauptakten der Ermittlungsverfahren gegen R. und C. A. (Umfang etwa 800 Seiten) als Kopieakten beigezogen und in der Darstellung der Beweismittel in der Anklageschrift berücksichtigt. Nach dem – durch die Gegenerklärung unwidersprochen gebliebenen (vgl. zur Bedeutung der Revisionsgegenerklärung Drescher NStZ 2003, 296, 300) – Revisionsvortrag umfassten allein die beigezogenen Verfahrensakten – ersichtlich nebst Beiakten – insgesamt mehr als 7.000 Seiten.
15
3. In der Hauptverhandlung gegen die beiden Beschwerdeführer traten vor dem Landgericht neben den Verteidigern zwei Nebenkläger mit jeweils einem anwaltlichen Beistand auf. Die Strafkammer terminierte zunächst sechs Hauptverhandlungstage und lud dazu 13 Zeugen; insgesamt verhandelte sie anschließend noch an vier weiteren Tagen bis zur Urteilsverkündung.
16
II. Den Besetzungsrügen kann der Erfolg nicht versagt werden. Durch die Verhandlung und Entscheidung in der Besetzung mit nur zwei Berufsrichtern hat die Strafkammer § 76 Abs. 2 Satz 1 GVG verletzt, weil der Umfang der Sach- und Rechtslage die Mitwirkung eines dritten Berufsrichters notwendig machte.
17
1. Gemäß § 76 Abs. 2 Satz 1 GVG beschließt die – nicht als Schwurgericht zuständige – große Strafkammer bei der Eröffnung des Hauptverfahrens , dass sie in der Hauptverhandlung mit nur zwei Berufsrichtern einschließlich des Vorsitzenden besetzt ist, es sei denn, nach dem Umfang oder der Schwierigkeit der Sache erscheint die Mitwirkung eines dritten Berufsrichters erforderlich. Bei dieser Entscheidung steht der Strafkammer kein Ermessen zu; sie hat die Dreierbesetzung zu beschließen, wenn diese nach dem vorgenannten Maßstab notwendig erscheint. Jedoch ist dem Tatgericht bei der Auslegung der gesetzlichen Merkmale ein weiter Beurteilungsspielraum eröffnet, der die Umstände des Einzelfalles zu berücksichtigen hat (BGHSt 44, 328, 334; BGH NStZ 2004, 56; StV 2004, 250, 251; Kissel /Mayer, GVG 6. Aufl. § 76 Rdn. 4). Maßgebend für die Bewertung des Umfangs der Sache sind etwa die Zahl der Angeklagten, Verteidiger und erforderlichen Dolmetscher, die Anzahl der angeklagten Taten, der Zeugen sowie anderer Beweismittel, namentlich die Notwendigkeit von Sachverständigengutachten , der Umfang der Akten sowie die voraussichtliche Dauer der Hauptverhandlung (BGHR GVG § 76 Abs. 2 Beurteilungsspielraum 3).
18
2. Bleibt im Einzelfall zweifelhaft, welche Gerichtsbesetzung für die sachgerechte Verfahrensbehandlung geboten ist, gebührt der Dreierbesetzung wegen ihrer gegenüber der reduzierten Besetzung strukturellen Überlegenheit , die sich bereits vor der 1993 erfolgten Einführung des § 76 Abs. 2 GVG bewährt hatte, der Vorrang (vgl. BGHSt 44, 328, 334; BGH JR 2004, 170). Die Beteiligung mehrerer Berufsrichter neben dem Vorsitzenden ist besonders geeignet, Aufgaben insbesondere auch in der Hauptverhandlung sachgerecht aufzuteilen, den Tatsachenstoff intensiver zu würdigen und schwierige Rechtsfragen besser zu bewältigen (vgl. BGH JR aaO; BTDrucks 12/1217 S. 46 f.). Die Besetzung der Strafkammer hat so unmittelbaren Einfluss auf die Qualität des Erkenntnisverfahrens; eine reguläre Besetzung der Strafkammer ermöglicht insbesondere eine straffe, effektive – und damit auch ressourcenschonende – Verhandlungsführung. Die Würdigung des Tatsachenstoffs und der Rechtsfragen durch drei Richter gewährleistet ferner die von der einzigen Tatsacheninstanz im Rechtszug geforderte hohe Qualität tatgerichtlicher Erkenntnis (BTDrucks aaO).
19
Der Senat merkt in diesem Zusammenhang an, dass die Rechtspraxis , soweit ersichtlich, den gebotenen sensiblen Umgang der großen Strafkammern mit der Besetzungsreduktion derzeit nicht widerspiegelt; anders ist ihre oftmals überwiegende, bei manchen Landgerichten ausschließliche Inanspruchnahme nicht erklärlich (vgl. BTDrucks 14/2777 S. 2 f.; 14/3831 S. 5; 16/3038 S. 32). Der Senat hielte es demgegenüber grundsätzlich für angezeigt , den der Beurteilung des Tatrichters unterstehenden Rechtsbegriff des Umfangs der Sache auch dahingehend weiter zu konturieren, dass jedenfalls bei einer im Zeitpunkt der Eröffnung des Hauptverfahrens absehbaren Verhandlungsdauer von wenigstens zehn Hauptverhandlungstagen von der Mitwirkung eines dritten Berufsrichters grundsätzlich nicht abgesehen werden darf (vgl. zu dieser Schwelle BGHSt 52, 355, 362; Becker in Löwe /Rosenberg, StPO 26. Aufl. § 229 Rdn. 2; Gollwitzer in Löwe/Rosenberg, StPO 25. Aufl. § 275 Rdn. 2). Ausnahmen mögen insbesondere bei weniger komplexen Verfahren möglich sein, wenn deren Umfang etwa allein durch eine Vielzahl für sich jeweils ganz einfach gelagerter Fälle bedingt ist.
20
3. Der absolute Revisionsgrund nach § 338 Nr. 1 StPO wegen eines Verstoßes gegen § 76 Abs. 2 Satz 1 GVG liegt jedenfalls bei einer auf sachfremde Erwägungen gestützten Besetzungsentscheidung oder bei einem unvertretbaren Überschreiten des Beurteilungsspielraums durch das Tatgericht vor. Unter solchen Voraussetzungen ist die Anordnung reduzierter Besetzung objektiv willkürlich (vgl. BGHSt 44, 328, 333 ff.; BGHR GVG § 76 http://www.juris.de/jportal/portal/t/362m/page/jurisw.psml?pid=Dokumentanzeige&showdoccase=1&js_peid=Trefferliste&documentnumber=1&numberofresults=2&fromdoctodoc=yes&doc.id=BJLU034439337&doc.part=S&doc.price=0.0#focuspoint - 10 - Abs. 2 Beurteilungsspielraum 3; BGH NStZ 2004, 56; Siolek in Löwe /Rosenberg, StPO 25. Aufl. § 76 GVG Rdn. 16; Diemer in KK 6. Aufl. § 76 GVG Rdn. 3; Kissel/Mayer aaO § 76 Rdn. 5; Schlothauer StV 1993, 147, 150). Diese Voraussetzungen sind hier nach den Kriterien sowohl des Umfangs als auch der Schwierigkeit der Sache erfüllt.
21
Nur scheinbar waren nach dem konkreten Anklagesatz wenige Rechtsbeugungshandlungen aufzuklären, die an drei Hauptverhandlungstagen begangen wurden. Von Beginn an war evident, dass tatgerichtliche Feststellungen allein dieser Verfahrenshandlungen unzureichend sein würden. Gerade wegen der tatbestandlich gebotenen Bewertung der Verfahrensfehler im Rahmen des § 339 StGB war ersichtlich auch die aufwendige Rekonstruktion weiter Teile und Hintergründe des für sich bereits komplexen Ausgangsverfahrens vor dem Schöffengericht unerlässlich (§ 244 Abs. 2 StPO). Nur auf diese Weise konnte die Strafkammer ausschließen, dass die angeklagten Handlungen nicht etwa sachgerecht, vertretbar oder letztlich gar geboten waren.
22
Im Zeitpunkt der Besetzungsentscheidung lag daher auf der Hand, dass die von der Staatsanwaltschaft beigezogenen umfangreichen, mehrere tausend Seiten umfassenden Verfahrensakten aus dem zudem in der Sache komplizierten Strafverfahren gegen B. A. einschließlich der Ermittlungsakten der Verfahren gegen Rechtsanwalt R. und C. A. auszuwerten waren. Anhand dessen waren insbesondere die Hintergründe der von den Beschwerdeführern vermuteten Beteiligung von R. und C. A. an den Taten des B. A. durch die Strafkammer aufzuklären.
23
Der so ohnehin bereits erhebliche und komplexe Verhandlungsumfang wurde weiter geprägt durch die Auseinandersetzung mit verschiedenen, sämtlich anwaltlich beratenen Verfahrensbeteiligten, die voraussehbar jeweils unterschiedliche Interessen verfolgten. Dabei zeichnete sich schon durch die ausführlichen gegensätzlichen Gerichtsentscheidungen über die Eröffnung des Hauptverfahrens eine Auseinandersetzung über streitige, mindestens teilweise nicht alltägliche Rechts- und Verfahrensfragen ab. Diese Gesichtspunkte wurden hier auch nicht etwa entkräftet durch eine einfach gelagerte Beweisaufnahme (vgl. BGHSt 44, 328, 335 f.; BGHR GVG § 76 Abs. 2 Beurteilungsspielraum 3; BGH JR 2004, 170, 171). Vielmehr ließen auch die drohenden dienstrechtlichen Folgen einer Verurteilung für die nicht geständigen Beschwerdeführer von Anfang an erkennen, dass eine aufwendige und kontroverse Beweisaufnahme zu bewältigen sein würde.
24
Nach all dem war die Besetzungsentscheidung ebenso wie der nicht näher begründete, den Besetzungseinwand zurückweisende Gerichtsbeschluss nicht mehr vertretbar. Die Strafkammer hätte auf den Einwand hin die Besetzungsentscheidung aufheben müssen (BGH JR 2004, 170, 171). Das Vorliegen des absoluten Revisionsgrundes nach § 338 Nr. 1 StPO hat die Aufhebung und Zurückverweisung der Sache zur Folge, über die eine große Strafkammer in nicht reduzierter Besetzung zu entscheiden haben wird.

C.


25
Auf die sonstigen erhobenen Verfahrensrügen und die – nicht etwa zu einer begünstigenden Durchentscheidung führenden – sachlichrechtlichen Beanstandungen der Revisionen der Beschwerdeführer kommt es danach nicht mehr an. Der Senat sieht jedoch mit Blick auf das weitere Verfahren Anlass zu folgenden ergänzenden Bemerkungen:
26
I. Die von der Strafkammer getroffenen Feststellungen zum Verfahren gegen B. A. vor dem Amtsgericht Eisenhüttenstadt sind – möglicherweise gar infolge der reduzierten Strafkammerbesetzung – derart zusammenhanglos und lückenhaft, dass sie eine sachlichrechtliche Überprüfung einiger der den Beschwerdeführern zur Last gelegten Verfahrenshandlungen http://www.juris.de/jportal/portal/t/1c1d/page/jurisw.psml?pid=Dokumentanzeige&showdoccase=1&js_peid=Trefferliste&documentnumber=1&numberofresults=2&fromdoctodoc=yes&doc.id=KORE301549700&doc.part=K&doc.price=0.0#focuspoint [Link] http://www.juris.de/jportal/portal/t/1clq/page/jurisw.psml?pid=Dokumentanzeige&showdoccase=1&js_peid=Trefferliste&documentnumber=1&numberofresults=1&fromdoctodoc=yes&doc.id=KORE301549700&doc.part=K&doc.price=0.0#focuspoint - 12 - für den Senat weitgehend nicht ermöglichen würden. Dies gilt namentlich für eine willkürliche Annahme von Haftgründen.
27
Darüber hinaus stellen Verfahrensrügen des Beschwerdeführers M. die Feststellungen zu ihm vorgeworfenen rechtsbeugerischen Verfahrenshandlungen teilweise in Frage. Dies gilt beispielsweise für die Feststellung der Haftgründe gegen Rechtsanwalt R. , wie für die Initiative des Beschwerdeführers M. in dem gegen diesen betriebenen Ausschließungsverfahren nach §§ 138a ff. StPO.
28
II. Der Senat merkt andererseits an: Im Gewicht von Verfahrensverstößen kann ein tragfähiges Indiz für eine sachwidrige Motivation im Sinne des § 339 StGB liegen. Weitere Indizien können sich aus den festzustellenden Begleitumständen ergeben.
29
1. Die Strafkammer geht zu Recht davon aus, dass Rechtsbeugung auch durch den Verstoß gegen Verfahrensvorschriften begangen werden kann (vgl. BGHSt 42, 343, 344; 47, 105, 109; BGHR StGB § 339 Rechtsbeugung 6; jeweils m.w.N.). Um nicht in jedem Rechtsverstoß bereits eine „Beugung“ des Rechts zu sehen, enthält das Tatbestandsmerkmal ein normatives Element; erfasst werden sollen davon nur elementare Verstöße gegen die Rechtspflege, bei denen sich der Täter bewusst und in schwerer Weise zugunsten oder zum Nachteil einer Partei von Recht und Gesetz entfernt (vgl. BGHSt 32, 357, 364; 34, 146, 149; 38, 381, 383; 42, 343, 345; 47, 105, 109 ff.; BGHR StGB § 339 Rechtsbeugung 7; BGH, Beschluss vom 29. Oktober 2009 – 4 StR 97/09 Tz. 10) und dadurch die konkrete Gefahr einer falschen Entscheidung begründet, ohne dass allerdings ein Vor- oder Nachteil tatsächlich eingetreten sein muss (BGHSt 42, 343, 346, 351; BGHR StGB § 339 Rechtsbeugung 6).
30
2. Für die Erfüllung des ungeschriebenen tatbestandlichen Regulativs der konkreten Gefahr einer sachfremden Entscheidung (vgl. BGHSt 32, 357, 364) kann es sprechen, wenn ein Richter eine Entscheidung zum Nachteil einer Partei unter bewusster Begehung eines schwerwiegenden Verfahrensfehlers trifft. Ein derartiger schwerwiegender Verstoß kann in einer willkürlichen Zuständigkeitsbegründung als Missachtung des rechtsstaatlich besonders bedeutsamen Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG jedenfalls dann liegen, wenn diese eine Verletzung weiterer wesentlicher grund- oder konventionsrechtlicher Rechtspositionen des Betroffenen bewirkt.
31
a) Der Beschwerdeführer M. war nach den bislang getroffenen Feststellungen für die Anordnung von Untersuchungshaft gegen R. und C. A. nicht zuständig. Nach der Geschäftsverteilung war M. im Jahre 2005 ausschließlich für die Erledigung des bereits rechtshängigen Schöffengerichtsverfahrens gegen B. A. zuständig.
32
aa) Die von ihm beschlossene Verbindung der bei der Staatsanwaltschaft anhängigen Ermittlungsverfahren gegen R. und C. A. mit dem beim Amtsgericht Eisenhüttenstadt rechtshängigen Verfahren gegen B. A. konnte eine Zuständigkeit nicht begründen. Die allein in Betracht kommende Verfahrensverbindung nach § 4 StPO war dem Angeklagten verschlossen. Es fehlte bereits an der erforderlichen Anklage (vgl. MeyerGoßner , StPO 53. Aufl. § 4 Rdn. 4); nicht einmal ein entsprechender – freilich dafür nicht genügender – Verbindungsantrag des Beschwerdeführers P. als Sitzungsvertreter der Staatsanwaltschaft war gestellt worden. Die Staatsanwaltschaft hatte ihre alleinige Dispositionsbefugnis über die Ermittlungsverfahren noch nicht verloren (vgl. Erb in Löwe/Rosenberg, StPO 26. Aufl. § 4 Rdn. 3).
33
bb) Entgegen der Auffassung der Revision ergeben die bisherigen Feststellungen auch keine Zuständigkeit des Beschwerdeführers M. aus § 125 Abs. 1 StPO. http://www.juris.de/jportal/portal/t/1dv0/page/jurisw.psml?pid=Dokumentanzeige&showdoccase=1&js_peid=Trefferliste&documentnumber=14&numberofresults=15&fromdoctodoc=yes&doc.id=KSRE161320576&doc.part=K&doc.price=0.0#focuspoint - 14 -
34
Als gegenüber § 162 Abs. 1 StPO speziellere Regelung ist danach vor Erhebung der öffentlichen Klage für den Erlass eines Haftbefehls grundsätzlich jeder Richter bei dem Amtsgericht zuständig, in dessen Bezirk ein Gerichtsstand begründet ist (vgl. auch Hilger in Löwe/Rosenberg, StPO 26. Aufl. § 125 Rdn. 5). Im Falle verschiedener Gerichtsstände können daher auch mehrere Richter unterschiedlicher örtlich zuständiger Amtsgerichte zuständig sein, sofern deren Verhältnis nicht durch eine Zuständigkeitskonzentration nach § 58 GVG geregelt worden ist. Indes bestimmt § 125 Abs. 1 StPO nicht, wie sich die Zuständigkeit verschiedener Richter desselben in Betracht kommenden Gerichtsstands zueinander verhält. Die Annahme der Revision, aus § 125 Abs. 1 StPO folge die gleichrangige unmittelbare Zuständigkeit jedes Richters dieses Amtsgerichts, ist mit Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG unvereinbar.
35
Über den im Einzelfall nach § 125 StPO konkret zuständigen Richter haben die Bestimmungen der Geschäftsverteilungspläne der Gerichte Regelungen zu treffen (vgl. BVerfGE 19, 52, 59 f.; 20, 336, 344; 25, 336, 346). Auf diese Weise wird gewährleistet, dass der einzelne konkret zuständige Richter generell vorbestimmt ist, und verhindert, dass er ad hoc und ad personam bestimmt wird. Durch den Jahresgeschäftsverteilungsplan des Amtsgerichts Eisenhüttenstadt wurde die Zuständigkeit für ermittlungsrichterliche Befugnisse ausdrücklich zwei namentlich benannten Richtern und weiteren Vertretern , nicht jedoch dem ausschließlich noch für das Schöffengerichtsverfahren gegen B. A. zuständigen Beschwerdeführer M. zugewiesen. Die bisherigen Urteilsfeststellungen belegen damit eine zureichende generelle Bestimmung auch des nach § 125 Abs. 1 StPO zuständigen Richters.
36
Der Ermittlungsrichter ist funktionell für sämtliche amtsgerichtliche Entscheidungen im Verfahren zur Vorbereitung der öffentlichen Klage und damit auch für die Anordnung der Untersuchungshaft nach § 125 Abs. 1 StPO zuständig, sofern keine abweichende Regelung im Geschäftsverteilungsplan getroffen worden ist (vgl. Hilger in Gedächtnisschrift für Karlheinz Meyer [1990] S. 209, 213; Meyer-Goßner aaO § 162 Rdn. 13, § 125 Rdn. 2; Erb aaO § 162 Rdn. 16). Eine nähere Regelung eines Zuständigkeitsbereiches für den „Haftrichter“ im Geschäftsverteilungsplan ist regelmäßig entbehrlich , wenngleich als Spezialzuweisung möglich; der Strafprozessordnung ist ebenso wie dem Gerichtsverfassungsgesetz der Begriff und damit eine eigenständige regelungsbedürftige funktionale Zuständigkeit des „Haftrichters“ fremd.
37
cc) Von diesem Rechtsverständnis ging, soweit aus den bisherigen Feststellungen ersichtlich, auch der Beschwerdeführer M. aus. Er stützte seine Anordnung gerade nicht auf § 125 StPO; anderenfalls hätte es der offensichtlich rechtswidrigen Verbindung der Verfahren nicht bedurft.
38
b) Bei alledem erfolgte die Verletzung des grundrechtsgleichen Rechts aus Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG im Zusammenhang mit der Anordnung einer Freiheitsentziehung und berührte damit zugleich das Grundrecht auf Freiheit der Person (Art. 2 Abs. 2 Satz 2 GG), die zudem durch Richtervorbehalt (Art. 104 Abs. 2 GG) verfahrensrechtlich besonders abgesichert ist (vgl. Gusy in von Mangoldt/Klein/Starck, GG Band III 5. Aufl. Art. 104 Rdn. 13; ferner Art. 5 MRK).
39
III. Zur Revision des Beschwerdeführers P. merkt der Senat ergänzend an:
40
Die Strafkammer legt ihm zur Last, „sich als Mittäter einer Rechtsbeugung schuldig gemacht zu haben“, indem er „aus sachfremden Erwägungen“ und „in Absprache mit dem Beschwerdeführer M. die Anträge auf Erlass der Haftbefehle“ in der Kenntnis gestellt hat, dass „keine tragenden Haftgründe gegeben waren“ (UA S. 89).
41
1. Die Annahme mittäterschaftlichen Handelns des Beschwerdeführers P. (§ 25 Abs. 2 StGB) begegnet vor dem Hintergrund der getroffe- nen Urteilsfeststellungen rechtlichen Bedenken. Als Mittäter handelt, wer seinen eigenen Tatbeitrag so in die gemeinschaftliche Tat einfügt, dass er als Teil der Handlung des anderen Beteiligten und umgekehrt dessen Tun als Ergänzung des einen Tatanteils erscheint (BGHSt 40, 299, 301; Fischer, StGB 57. Aufl. § 25 Rdn. 12 ff.). Erforderlich zur gebotenen Abgrenzung zur Teilnahme ist eine wertende tatrichterliche Gesamtschau. Daran fehlt es hier. Allein die – durch die Strafkammer wiederholt und gar apodiktisch angeführte – Tatmotivation des Beschwerdeführers P. trägt den für die Täterschaft notwendigen Willen zur Tatherrschaft noch nicht. Ob der Umfang seiner Beteiligung in Form der gestellten Haftanträge als notwendige Voraussetzung der Haftanordnungen für sich erhebliches Gewicht im Sinne einer objektiven Mitbeherrschung des Geschehens aufweist und daher ein tragfähiges Indiz für die Mittäterschaft darstellt, erscheint – ungeachtet der maßgeblichen Zuständigkeit der Staatsanwaltschaft für die Ermittlungsverfahren gegen Rechtsanwalt R. und C. A. – jedenfalls nicht eindeutig. Sollte das neue Tatgericht keine weitergehenden Feststellungen namentlich zu einer gemeinsamen Tatplanung unter erheblicher Mitwirkung des Beschwerdeführers P. treffen können, so kann – bei entsprechendem Vorsatz – eine Beihilfe zur Rechtsbeugung in Betracht kommen.
42
2. Die knappen und wenig differenzierten Erörterungen der Strafkammer lassen indes selbst bei mittäterschaftlicher Erfolgszurechnung besorgen, dass dem Beschwerdeführer P. ein zu weiter Schuldumfang zur Last gelegt wurde. Auch bei Mittätern ist zunächst nach dem jeweils zurechenbaren Erfolgs- und Handlungsunwert zu differenzieren (vgl. Schäfer/Sander/van Gemmeren, Praxis der Strafzumessung 4. Aufl. Rdn. 479). Namentlich Ausführungen zum angenommenen Handlungsunwert sind bislang – anders als beim Beschwerdeführer M. – unterblieben. Diese waren aber gerade auch im Blick auf die hinter der Bestrafung des Beschwerdeführers M. nur wenig zurückbleibende verhängte Sanktion unentbehrlich.
Basdorf Raum Schneider König Bellay
Nachschlagewerk: ja
BGHSt : ja
Veröffentlichung: ja
Zögerliche Bearbeitung einer Rechtssache innerhalb eines
objektiv vertretbaren Zeitraums ist Rechtsbeugung, wenn
der Richter mit seiner Verfahrensweise aus sachfremden
Erwägungen gezielt zum Vorteil oder Nachteil einer Partei handelt.
BGH, Urt. v. 4. September 2001 - 5 StR 92/01
LG Hamburg

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
vom 4. September 2001
in der Strafsache
gegen
wegen Rechtsbeugung
Der 5. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat in der Sitzung vom 4. September
2001, an der teilgenommen haben:
Vorsitzende Richterin Harms,
Richter Häger,
Richterin Dr. Tepperwien,
Richter Dr. Raum,
Richter Dr. Brause
als beisitzende Richter,
Bundesanwalt
als Vertreter der Bundesanwaltschaft,
Rechtsanwalt S ,
Rechtsanwalt W
als Verteidiger,
Justizangestellte
als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle,

für Recht erkannt:
Auf die Revisionen des Angeklagten und der Staatsanwaltschaft wird das Urteil des Landgerichts Hamburg vom 13. Oktober 2000 mit den Feststellungen aufgehoben.
Die Sache wird zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.
– Von Rechts wegen – G r ü n d e Das Landgericht hat den Angeklagten wegen Rechtsbeugung (durch Unterlassen) zu einer Geldstrafe von 120 Tagessätzen zu je 100 DM verurteilt. Die hiergegen gerichtete Revision des Angeklagten, mit der er seinen Freispruch erstrebt, führt ebenso wie die Revision der Staatsanwaltschaft, die unter anderem auf eine Verurteilung des Angeklagten wegen tateinheitlich mit Rechtsbeugung begangener Freiheitsberaubung gerichtet ist, mit der jeweils erhobenen Sachrüge zur Aufhebung des angefochtenen Urteils; eines Eingehens auf die vom Angeklagten zusätzlich erhobenen Verfahrensrügen bedarf es daher nicht.

I.


Nach den Feststellungen des Landgerichts kam es während einer von dem Angeklagten als Einzelrichter geleiteten Hauptverhandlung vor dem Amtsgericht Hamburg am 19. Mai 1999 zu erheblichen Störungen durch Zuhörer. Diese äußerten lautstark ihren Unmut über den Angeklagten und blieben , als er das Urteil verkünden wollte, demonstrativ sitzen. Ein Zuhörer stellte sich auch nach Abmahnung durch den Angeklagten nicht aufrecht hin, worauf der Angeklagte ihm die Verhängung von Ordnungshaft zunächst androhte und, als der Zuhörer seine provozierende Haltung beibehielt, drei Tage Ordnungshaft verhängte. Im Rahmen des anschließenden Tumults versuchte ein anderer Zuhörer über die Barriere zwischen Verhandlungssaal und Zuhörerraum zu steigen und trat um sich, als er von der Saalwachtmeisterin daran gehindert werden sollte. Auch gegen diesen Störer verhängte der Angeklagte nach vorheriger Androhung, auf die der Zuhörer nicht reagierte , drei Tage Ordnungshaft. Beide Störer wurden sofort in Haft genommen.
Ein Prozeßbevollmächtigter der inhaftierten Zuhörer legte bereits etwa eine Stunde danach Beschwerde gegen die Ordnungshaftbeschlüsse ein. Der Angeklagte erfuhr hiervon noch am Nachmittag desselben Tages während einer bis kurz nach 16 Uhr dauernden weiteren Hauptverhandlung, in der ihm die Beschwerdeschrift durch Justizpersonal vorgelegt wurde. Er bearbeitete die Beschwerden an diesem Tag nicht mehr. Am Vormittag des folgenden Tages begab sich der Angeklagte zunächst nicht ins Gericht, sondern er erkundigte sich in einem Fachgeschäft nach Sicherheitsvorrichtungen für seine Wohnung, zu denen ihm von der Staatsschutzabteilung des Landeskriminalamtes geraten worden war. Gegen Mittag erklärte er ausweislich der tatrichterlichen Feststellungen einem Journalisten, der ihn unter seiner privaten Telefonnummer nach dem Stand des Beschwerdeverfahrens gefragt hatte, ”er müsse ja nicht gleich springen, wenn Anwälte etwas von ihm wollten. So etwas müsse sorgfältig und in Ruhe geprüft werden”. Der Journalist möge diese Ä ußerung aber nicht veröffentlichen, sie sei nicht zi-
tierfähig. Als der Angeklagte gegen 14.30 Uhr im Gericht eintraf, diktierte er der Protokollführerin die Ordnungshaftbeschlüsse, die sie in das Hauptverhandlungsprotokoll einfügte. Von der Möglichkeit, die Strafakten anschließend selbst wieder in Empfang zu nehmen, machte er keinen Gebrauch. Er ordnete vielmehr an, daß die Akten nach der erfolgten Ergänzung des Protokolls in sein Fach zu legen seien, und bereitete dann bis 22 oder 23 Uhr die Hauptverhandlungen des folgenden Tages vor. Die Beschwerden bearbeitete er auch an diesem Tag nicht mehr. Am 21. Mai 1999 wurden dem Angeklagten, der ab 9.45 Uhr Hauptverhandlungen geleitet hatte, beim Mittagessen in der Gerichtskantine von Kollegen Vorhaltungen gemacht, er verschleppe das Verfahren hinsichtlich der eingelegten Beschwerden. Diese Vorwürfe wies er mit der – inhaltlich unzutreffenden – Behauptung zurück, das Protokoll sei noch nicht fertiggestellt, weil er die Protokollführerin nicht habe erreichen können. Kurz nach 16 Uhr brachte er dann die Akte mit dem Hauptverhandlungsprotokoll, den Beschwerdebegründungen und einem von ihm zuvor noch gefertigten Vermerk über die Gründe einer unterbliebenen Rechtsmittelbelehrung persönlich zum Hanseatischen Oberlandesgericht als Beschwerdegericht.
Eine Stunde nach Eingang der Beschwerden beim Oberlandesgericht hob der zuständige Senat die Ordnungshaftbeschlüsse aus formellen Gründen auf, weil die Vorgänge in der Hauptverhandlung, die zur Anordnung der Ordnungshaft geführt hatten, entgegen § 182 GVG im Protokoll nicht dargestellt waren. Zur materiellen Rechtslage enthält der Beschluß den Hinweis, daß die Verhängung mehrtägiger Ordnungshaft angesichts der den Beschlußgründen zu entnehmenden massiven Störungen nahegelegen habe.
Der Angeklagte hat bestritten, das Beschwerdeverfahren gezielt verzögert zu haben, um die beiden Störer ”schmoren” zu lassen. Er sei der Auffassung gewesen, die in § 306 Abs. 2 StPO dem Richter eingeräumte Frist von drei Tagen für die Vorlage einer Beschwerde an das Rechtsmittel-
gericht gelte auch für Beschwerden gegen Ordnungshaftbeschlüsse und habe von ihm voll ausgeschöpft werden dürfen. Wegen anderweitiger dienstlicher und privater Obliegenheiten und wegen einer von ihm für erforderlich erachteten Überprüfung der Ordnungshaftbeschlüsse insbesondere in formeller Hinsicht habe er eine Bearbeitungszeit von zwei Tagen benötigt. Das Landgericht ist demgegenüber davon überzeugt, daß der Angeklagte in Kenntnis der Eilbedürftigkeit die Bearbeitung der Beschwerden gezielt verzögert hat, um die Durchsetzung der Haftanordnungen nicht zu gefährden. Dabei stützt es sich maßgeblich auf eine ins einzelne gehende Rekonstruktion des jeweiligen Tagesablaufs des Angeklagten am 19., 20. und 21. Mai 1999 und kommt zu dem Ergebnis, daß es dem Angeklagten – jedenfalls unter zumutbarer Zurückstellung privater Belange – möglich gewesen wäre, die Beschwerden dem Oberlandesgericht schneller zuzuleiten. Auch die Ä ußerungen des Angeklagten gegenüber dem Journalisten und das Kantinengespräch, in dem der Angeklagte nachweislich gelogen habe, ließen auf eine Verschleppungsabsicht und damit auf eine bewußt unrichtige Anwendung des Verfahrensrechts zum Nachteil der Inhaftierten schließen.
Eine Rechtsbeugung sieht das Landgericht in der zeitlichen Behandlung der gegen die Ordnungsmittelbeschlüsse gerichteten Beschwerden. Insoweit stelle sich das Verhalten des Angeklagten als ”bewußte Verzögerung des offensichtlich gewünschten Rechtsschutzes” und damit als elementarer Verstoß gegen die Rechtsweggarantie dar, die sowohl in Art. 19 Abs. 4 GG als auch in Art. 5 Abs. 4 MRK ihren Niederschlag gefunden habe.

II.


Revision des Angeklagten
Die Revision des Angeklagten hat Erfolg. Namentlich die Beweiswürdigung hält rechtlicher Nachprüfung nicht stand.

Nach ständiger Rechtsprechung stellt nicht jede unrichtige Rechtsanwendung eine Beugung des Rechts im Sinne von § 339 StGB dar. Nur der Rechtsbruch als elementarer Verstoß gegen die Rechtspflege soll unter Strafe gestellt sein. Rechtsbeugung begeht daher nur der Amtsträger, der sich bewußt und in schwerwiegender Weise von Recht und Gesetz entfernt. Selbst die (bloße) Unvertretbarkeit einer Entscheidung begründet eine Rechtsbeugung nicht (st. Rspr.; vgl. nur BGH NJW 1997, 1455 m.w.N.). Einen elementaren Rechtsverstoß zeigt das Landgericht auf der Grundlage der bisher erhobenen Beweise nicht auf, zumal da es bei der Beweiswürdigung ein zu enges Verständnis des dem Richter bei der Erledigung seiner Dienstgeschäfte einzuräumenden zeitlichen Spielraums zugrundelegt.
1. Im Ansatz zutreffend geht das Landgericht – das die verhängte Ordnungshaft vor dem Hintergrund wiederholter massiver Störungen der Hauptverhandlung mit Recht für inhaltlich vertretbar hält (vgl. dazu Diemer in KK StPO 4. Aufl. § 178 GVG Rdn. 3 mit Beispielen aus der Rechtsprechung ) – davon aus, daß Rechtsbeugung nicht nur in Form von Sachentscheidungen , sondern auch durch einen Verstoß gegen Verfahrensrecht begangen werden kann (st. Rspr.; vgl. nur BGHSt 32, 357; 38, 381, 383; 42, 343; jeweils m.w.N.). Zu den wesentlichen Grundprinzipien des Strafverfahrensrechts zählt das unmittelbar aus dem Rechtsstaatsprinzip des Art. 20 GG und der allgemeinen prozessualen Fürsorgepflicht abzuleitende, schlagwortartig als Beschleunigungsgebot bezeichnete Verbot rechtsstaatswidriger Verfahrensverzögerung (BGHSt 24, 239 f.; 26, 1, 4). Allgemein normiert in Art. 6 Abs. 1 MRK, wird die Bedeutung des Verbots rechtsstaatswidriger Verfahrensverzögerung für Haftsachen in Art. 2 Abs. 2 Satz 2, Art. 104 GG sowie in Art. 5 Abs. 3, 4 MRK besonders hervorgehoben. Auch wenn die Einzelregelungen dieser Normen auf die – verglichen mit vorläufiger Festnahme und Untersuchungshaft eher seltene und in ihren zeitlich begrenzten Auswirkungen auf den Betroffenen weniger schwerwiegende –
Anordnung von Ordnungshaft nicht unmittelbar zugeschnitten sind, gilt das in den genannten Vorschriften zum Ausdruck kommende Prinzip, daß Haftsachen besonders zügig zu bearbeiten sind, für Maßnahmen nach § 178 Abs. 1 Satz 1, 2. Alternative GVG in gleicher Weise. Rechtsbeugung durch Verstoß gegen das Beschleunigungsgebot ist daher auch im Bereich der Ordnungshaft nicht grundsätzlich ausgeschlossen.
2. Trotz der nachteiligen Auswirkungen, die eine zögerliche Sachbearbeitung insbesondere in Haftsachen für den Betroffenen mit sich bringen mag, darf jedoch der Tatbestand der Rechtsbeugung, soweit dessen Verwirklichung durch einen Verstoß gegen das Beschleunigungsgebot in Betracht gezogen wird, auch in diesem Bereich richterlicher Tätigkeit nicht in unangemessener Weise ausgedehnt werden. Insbesondere ist bei der Auslegung der Norm darauf Bedacht zu nehmen, daß die richterliche Unabhängigkeit gewahrt bleibt.

a) Die Bearbeitung einer Rechtssache, wie sie der Angeklagte hier in Form der Fertigstellung und Korrektur des Protokolls, der nachgeholten schriftlichen Begründung der Ordnungshaftbeschlüsse sowie eines für das Beschwerdegericht gefertigten erläuternden Vermerks vorgenommen hat, fällt grundsätzlich in den Schutzbereich, der dem Richter in Art. 97 GG und den einfachgesetzlichen Vorschriften der § 25 Abs. 1 DRiG, § 1 GVG eingeräumt ist. Zwar handelt es sich bei den genannten Tätigkeiten nicht um den Kernbereich richterlichen Wirkens, die Spruchtätigkeit, jedoch gebietet es das Interesse an einer wirksamen Gewährleistung der richterlichen Unabhängigkeit , auch die der Rechtsfindung nur mittelbar dienenden, sie vorbereitenden und ihr nachfolgenden Sach- und Verfahrensentscheidungen in den Schutzbereich einzubeziehen (BGHZ 90, 41, 45). Dem entspricht es, daß nach ständiger Rechtsprechung des Richterdienstgerichts des Bundes verzögerte Terminierungen oder als unangemessen lang gewertete Urteilsabsetzungszeiträume nur dann im Rahmen der Dienstaufsicht nach § 26
Abs. 2 DRiG beanstandet werden dürfen, wenn dies losgelöst von einzelnen Rechtssachen oder Fallgruppen geschieht und wenn die Aufsichtsmaßnahme die Entscheidungsfreiheit des Richters im Einzelfall unberührt läßt (BGHZ 51, 280, 287; 90, 41, 46; 93, 238, 243 f.). Da eine Strafandrohung, zumal in Form eines Verbrechenstatbestandes, noch weit mehr als eine Maßnahme der Dienstaufsicht geeignet sein wird, den Richter in seinem Verhalten zu beeinflussen, darf auch unter strafrechtlichen Gesichtspunkten eine Überprüfung richterlicher Tätigkeit am wenig konkreten Maßstab des Beschleunigungsgebots nicht zu einer grundlegenden Beeinträchtigung der sachlichen Unabhängigkeit des Richters führen (vgl. BGH NStZ 1988, 218 f.).

b) Bei der Entscheidung der Frage, ob in der verzögerten Bearbeitung einer Rechtssache ein Rechtsbruch im Sinne des § 339 StGB liegen kann, ist daher davon auszugehen, daß es grundsätzlich dem Richter überlassen bleibt, welchem der von ihm zu erledigenden vielfältigen Dienstgeschäfte er den Vorrang vor anderen einräumt, welche Mittel er im Einzelfall für die Förderung einer Rechtssache geeignet hält und welche Gründlichkeit er der Sachbearbeitung widmet. An bestimmte Dienstzeiten ist er dabei nicht gebunden (BVerwGE 78, 211, 213).
Da die richterliche Unabhängigkeit weder Standesprivileg (BVerfGE 27, 211, 217; BGHZ 67, 184, 187; Benda DRiZ 1975, 166, 170) noch absoluter Selbstwert ist, vor dem alle anderen Bedingungen einer rechtsstaatlichen Justizgewährung zurückzutreten hätten (Rudolph DRiZ 1978, 146; Kissel, GVG 3. Aufl. § 1 Rdn. 43), schließt ein dem Richter im Grundsatz zuzubilligender großzügiger Ermessensspielraum bei der Einteilung seiner Dienstgeschäfte strafrechtlich relevante Verstöße gegen das Beschleunigungsgebot nicht in jedem Fall aus. Sie werden insbesondere dann in Betracht kommen, wenn der Richter gegen zwingende Vorschriften verstößt, in denen der Gesetzgeber – wie beispielsweise in § 115 StPO – das allgemei-
ne Beschleunigungsgebot konkretisiert hat oder wenn der Richter untätig bleibt, obwohl besondere Umstände sofortiges Handeln – etwa die Veranlassung der Freilassung eines Inhaftierten nach Aufhebung des Haftbefehls – zwingend gebieten. Beides trifft auf den vorliegend zu beurteilenden Fall jedoch nicht zu.
Nachdem der Angeklagte, einer zumindest vertretbaren Mindermeinung folgend (vgl. dazu die Nachweise bei Katholnigg, Strafgerichtsverfassungsrecht 3. Aufl. § 181 GVG Rdn. 1; Kissel aaO § 181 Rdn. 2), die gemäß § 181 Abs. 2 GVG eingelegten fristgebundenen Beschwerden gegen die Ordnungshaftbeschlüsse als einfache Beschwerden gewertet hat, richtete sich aus seiner Sicht die Weiterleitung der Rechtsmittel nach § 306 Abs. 2 StPO. Diese Vorschrift sieht für den Fall der Nichtabhilfe die Vorlage an das Beschwerdegericht ”sofort, spätestens vor Ablauf von drei Tagen” vor. Gegen die Dreitagesfrist, die zudem nur eine Sollvorschrift darstellt (Kleinknecht /Meyer-Goßner, StPO 45. Aufl. § 306 Rdn. 11), hat der Angeklagte nicht verstoßen, weil er die Beschwerden am zweiten Tag nach ihrem Eingang an das Beschwerdegericht weitergeleitet hat. Auch wenn der Angeklagte damit nicht ”sofort” gehandelt hat, stellt die Einhaltung der Dreitagesfrist ein gewichtiges Indiz dafür dar, daß eine vom Gesetz noch als angemessen erachtete Bearbeitungszeit nicht überschritten worden ist.
Da richterliche Entscheidungen, gegen die eine Beschwerde möglich ist, Sachverhalte unterschiedlicher Art betreffen und mehr oder minder schwere Eingriffe in die Rechtssphäre der Beschwerdeführer zum Gegenstand haben, können besondere Umstände eine Weiterleitung der Beschwerden vor Ablauf der Frist im Ausnahmefall allerdings gleichwohl erfordern. Solche Besonderheiten hat das Landgericht hier darin gesehen, daß die angeordnete Ordnungshaft entsprechend der gesetzlichen Vorgabe des § 179 GVG sofort vollstreckt worden ist, den Beschwerdeführern daher bei einer Weiterleitung der Rechtsmittelschriften unter voller Ausschöpfung der
Dreitagesfrist ein effektiver Rechtsschutz nicht mehr hätte gewährt werden können.
Die drohende vollständige Vollstreckung einer angeordneten Freiheitsentziehung kann aber für sich allein keine Pflicht zum sofortigen Tätigwerden begründen. Grundsätzlich bleibt auch in diesen Fällen dem Richter ein Spielraum für die Einteilung seiner dienstlichen und – weil er an feste Dienstzeiten nicht gebunden ist (vgl. BVerwGE 78, 211, 213) – auch seiner privaten Angelegenheiten. Zwar hat der Erfolg der Beschwerde für einen Beschwerdeführer, der die Ordnungshaft bereits verbüßt hat, über die Feststellung der Rechtswidrigkeit hinaus kaum praktische Bedeutung, zumal da nach herrschender Meinung eine Entschädigung aus der Staatskasse nach dem Gesetz über die Entschädigung für Strafverfolgungsmaßnahmen nicht in Betracht kommt (OLG Frankfurt NJW 1976, 303; Kissel aaO Rdn. 18). Ein bestimmender Einfluß auf die dem Richter zuzubilligende Bearbeitungszeit in der Weise, daß sich diese umso mehr verkürzt, je weiter die angeordnete Dauer der Ordnungshaft unter der zulässigen Höchstdauer von einer Woche liegt, kommt dem Gesichtspunkt abnehmender Effizienz aber nicht zu. Der Richter, der lediglich einen Tag Ordnungshaft verhängt und die dagegen gerichtete Beschwerde am folgenden Tag an das Beschwerdegericht weiterleitet , gerät nicht allein dadurch in den Bereich der Rechtsbeugung, daß die Haft zu diesem Zeitpunkt bereits vollzogen ist. Vielmehr wird sich in derartigen Fällen effektiver Rechtsschutz durch eine Anordnung des Beschwerdegerichts nach § 307 Abs. 2 StPO anbieten, mit der eine aufschiebende Wirkung der Beschwerde hergestellt wird (vgl. Katholnigg aaO § 181 GVG Rdn. 4; Kissel aaO Rdn. 11; Kleinknecht/Meyer-Goßner aaO § 181 GVG Rdn. 1; Schäfer/Wickern in Löwe/Rosenberg, StPO 24. Aufl. § 181 GVG Rdn. 13).
Zwar wäre im vorliegenden Fall schon aufgrund des für Haftsachen allgemein geltenden Beschleunigungsgrundsatzes eine zügigere Bearbei-
tung der mit der Anordnung von Ordnungshaft in Zusammenhang stehenden Vorgänge wünschenswert und unter Berücksichtigung der sonstigen dienstlichen Verpflichtungen und privaten Interessen des Angeklagten auch zumutbar gewesen. Gleichwohl hat der Angeklagte nach den oben angeführten Grundsätzen mit der von ihm gewählten Verfahrensweise die äußeren Grenzen des ihm für die Weiterleitung der Beschwerden einzuräumenden Ermessens nicht in schwerwiegender Weise mißachtet. Dies gilt umso mehr, als sich sein Verhalten nicht auf bloße Untätigkeit beschränkte, sondern nach seiner insoweit unwiderlegten Einlassung rechtliche Nachforschungen sowie die Umsetzung der dadurch gewonnenen Erkenntnisse im Protokoll und in einem Vermerk einschloß.

c) Bei zögerlicher Bearbeitung einer Rechtssache innerhalb eines objektiv vertretbaren Zeitraumes kommt ein schwerwiegender Rechtsverstoß allerdings dann in Betracht, wenn der Richter mit seiner Verfahrensweise aus sachfremden Erwägungen gezielt zum Vorteil oder Nachteil einer Partei handelt (vgl. BGHSt 42, 343, 345). Dies wäre hier gegeben, wenn der Angeklagte , wie vom Landgericht für erwiesen erachtet, sich bereits zu Beginn des auf die Verkündung der Ordnungshaftbeschlüsse folgenden Tages entschlossen hätte, unter mutwilliger Verzögerung die Beschwerden solange zurückzuhalten, bis der vollständige Vollzug der Ordnungshaft durch einen Erfolg der Beschwerden beim Oberlandesgericht nicht mehr gefährdet werden konnte. In einem solchen Fall wären zwar die äußeren Schranken des dem Richter für die Bearbeitung von Rechtssachen in zeitlicher Hinsicht eingeräumten Ermessens eingehalten, so daß eine Ermessensüberschreitung ausgeschlossen wäre. Es läge jedoch ein Ermessensmißbrauch durch Überschreitung der inneren Schranken des Ermessens vor.
Soweit das Landgericht bereits in dem objektiven Ablauf des Beschwerdeverfahrens unter weitgehender Ausschöpfung der Dreitagesfrist einen schwerwiegenden Verstoß gegen das Beschleunigungsgebot sieht,
der den Schluß auf eine böswillige Vorgehensweise des Angeklagten nahelege , geht es, wie oben dargestellt, von einem zu engen Verständnis der dem Richter für die Bearbeitung von Rechtssachen in zeitlicher Hinsicht eingeräumten Spielräume aus. Wenn das Landgericht im einzelnen darlegt, daß der Angeklagte unter Zurückstellung anderer dienstlicher, insbesondere aber privater Belange die Beschwerden schneller als geschehen hätte bearbeiten und weiterleiten können, so mag dies belegen, daß der Angeklagte den hohen Anforderungen, die an das Pflicht- und Verantwortungsbewußtsein eines Richters gerade angesichts der mit der richterlichen Unabhängigkeit verbundenen Freiräume zu stellen sind (vgl. dazu Kissel aaO § 1 Rdn. 3), nicht in ausreichendem Maße gerecht geworden ist. Der Nachweis einer gezielten Verfahrensverzögerung kann damit aber nicht geführt werden.
Auch ist der Inhalt des Telefonats des Angeklagten mit dem Journalisten vom Landgericht nicht erschöpfend gewürdigt worden. Da die Überheblichkeit , die aus der Ä ußerung des Angeklagten spricht, ”er müsse ja nicht gleich springen, wenn Anwälte etwas von ihm wollten”, im Umgang zwischen Richter- und Anwaltschaft unangebracht ist, hatte der Angeklagte allen Anlaß , eine Veröffentlichung dieser von ihm mit Recht als ”nicht zitierfähig” eingeschätzten Bemerkung zu verhindern. Dagegen erscheint es fernliegend , daß der Angeklagte, wie das Landgericht meint, der Auffassung gewesen sein sollte, dem Journalisten mit seiner Ä ußerung einen gezielten Rechtsbruch offenbart zu haben und ihn wegen der Brisanz, die ein solches ”Geständnis” zweifellos hätte, um Verschwiegenheit gebeten hat.
Ä hnliche Erwägungen gelten für das ”Kantinengespräch”. Auch insoweit läßt das Landgericht unberücksichtigt, daß der Angeklagte angesichts der berechtigten Vorhaltungen seiner Kollegen Veranlassung hatte, die schleppende Bearbeitung der Beschwerdevorgänge durch eine falsche Darstellung der wahren Ursachen zu rechtfertigen.
Da das Landgericht das Motiv für eine rechtsbeugerische Verfahrensverzögerung darin sieht, daß der Angeklagte das Risiko einer Aufhebung der Ordnungshaftbeschlüsse durch das Beschwerdegericht und eine Entlassung der Störer aus der Haft vor deren vollständigem Vollzug nicht habe eingehen wollen, hätte es zudem der Darlegung bedurft, weshalb der Angeklagte ein solches Risiko als naheliegend erachtet haben sollte. Ausführungen hierzu waren umso mehr geboten, als das Landgericht zu Gunsten des Angeklagten unterstellt hat, daß dieser die formellen Mängel der Ordnungshaftanordnungen nicht erkannt hat und daß die von ihm getroffenen Entscheidungen vor dem Hintergrund der vorangegangenen massiven Störungen sachlich vertretbar erschienen.
Die aufgezeigten Fehler führen zur Aufhebung des Urteils. Ein vom Generalbundesanwalt beantragter Freispruch durch den Senat kam dagegen nicht in Betracht, weil nicht mit letzter Sicherheit auszuschließen ist, daß ein neuer Tatrichter zu den s ubjektiven Vorstellungen des Angeklagten rechtsfehlerfrei Feststellungen treffen kann, die zu einer Verurteilung nach § 339 StGB führen.

III.


Revision der Staatsanwaltschaft
Soweit die Staatsanwaltschaft mit ihrer zu Ungunsten des Angeklagten eingelegten Revision beanstandet, das Landgericht habe eine Verurteilung des Angeklagten wegen tateinheitlicher Freiheitsberaubung mit rechtsfehlerhafter Begründung abgelehnt, ist ihr – im übrigen nach § 301 StPO auch zu Gunsten des Angeklagten wirkendes – Rechtsmittel begründet.
Auf der Grundlage der vom Landgericht zu den subjektiven Vorstellungen des Angeklagten getroffenen Feststellungen kommt es entgegen der
Rechtsauffassung des Tatrichters nicht darauf an, daß der Angeklagte die Ordnungshaftbeschlüsse für formal und sachlich rechtsfehlerfrei erachtete. Ebensowenig wie der Vorsatz der Rechtsbeugung durch die Vorstellung des Täters, er handele im Ergebnis gerecht, in Frage gestellt wird, wenn sich sein Handeln in schwerwiegender Weise vom Gesetz entfernt und an eigenen Maßstäben anstelle der vom Gesetzgeber statuierten ausrichtet (vgl. BGHSt 32, 357, 360), kann den Richter eine solche Vorstellung bei idealkonkurrierenden Delikten entlasten. Die Anordnung freiheitsberaubender Maßnahmen zu Lasten des Bürgers ist ebenso wie ihre Aufrechterhaltung nur im Rahmen eines ordnungsgemäßen justizförmigen Verfahrens zulässig, zu dem auch die Gewährung eines effektiven Rechtsschutzes unter Beachtung des Beschleunigungsgebots gehört. Sollte der neue Tatrichter daher auf der Grundlage rechtsfehlerfrei getroffener Feststellungen erneut zu dem Ergebnis gelangen, daß der Angeklagte durch eine verzögerte Weiterleitung der Beschwerden an das Oberlandesgericht die Freilassung der inhaftierten Zuhörer zu einem früheren Zeitpunkt gezielt verhindert hat, wird der Angeklagte auch wegen tateinheitlich begangener Freiheitsberaubung zu verurteilen sein.
Harms Häger Tepperwien Raum Brause

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
3 S t R 4 9 8 / 1 4
vom
13. Mai 2015
in der Strafsache
gegen
wegen Urkundenfälschung
Der 3. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat aufgrund der Verhandlung vom
5. März 2015 in der Sitzung am 13. Mai 2015, an denen teilgenommen haben:
Vorsitzender Richter am Bundesgerichtshof
Becker,
die Richter am Bundesgerichtshof
Hubert,
Dr. Schäfer,
Mayer,
Richterin am Bundesgerichtshof
Dr. Spaniol
als beisitzende Richter,
Staatsanwältin beim Bundesgerichtshof
als Vertreterin der Bundesanwaltschaft,
Rechtsanwalt - in der Verhandlung -
als Verteidiger,
Justizobersekretärin - in der Verhandlung - ,
Justizangestellte - bei der Verkündung -
als Urkundsbeamtinnen der Geschäftsstelle,

für Recht erkannt:
Auf die Revision der Staatsanwaltschaft wird das Urteil des Landgerichts Koblenz vom 24. Juni 2014 mit den Feststellungen aufgehoben. Die Sache wird zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine Strafkammer des Landgerichts Mainz zurückverwiesen.

Von Rechts wegen

Gründe:

1
Das Landgericht hat den Angeklagten vom Vorwurf der Urkundenfälschung aus Rechtsgründen freigesprochen. Hiergegen wendet sich die auf die Sachrüge gestützte Revision der Staatsanwaltschaft. Das Rechtsmittel hat Erfolg.
2
1. Das Landgericht hat folgende Feststellungen und Wertungen getroffen :
3
a) Der Angeklagte war als Strafrichter für die Verhandlung und Entscheidung der Strafsache gegen Thomas W. wegen Fahrens ohne Versicherungsschutz zuständig. In der Hauptverhandlung beantragte die Staatsanwaltschaft eine Geldstrafe von 60 Tagessätzen zu je 25 €. Der Angeklagte verurteilte Thomas W. abweichend hiervon zu einer Geldstrafe von 75 Tagessätzen zu je 15 € und bewilligte ihm deren Zahlung in monatlichen Raten zu je 15 €. Die Formel dieser Entscheidung hatte er vor der Verkündung auf dem rückwärtigen Einband der Sachakte schriftlich niedergelegt. Auf die Berufung der Staatsanwaltschaft , deren Grund er zutreffend in der danach notwendigen Dauer der Vollstreckung vermutete, entschloss er sich, die Höhe der bewilligten Raten "informell" zu erhöhen und so eine Zurücknahme des Rechtsmittels zu erreichen. Hierzu änderte der Angeklagte zunächst im Entwurf des Hauptverhandlungsprotokolls vor dessen Fertigstellung die gemäß Banddiktat dort ausgewiesene Urteilsformel durch Überschreiben der Zahl "1" dahin ab, dass eine Zahlung der Geldstrafe in monatlichen Raten zu je 25 € bewilligt wird. Mit entsprechendem Inhalt setzte er die schriftliche Urteilurkunde ab. Zur Vermeidung von Widersprüchen änderte er schließlich auch in der auf dem Akteneinband niedergelegten Urteilsformel zur Höhe der bewilligten Raten die Zahl "1" durch Überschreiben in "2". Das Berufungsgericht beließ es bei der ausgesprochenen Geldstrafe und der Bewilligung von Ratenzahlungen, setzte aber die Höhe der Raten auf 32 € monatlich fest.
4
b) Das Landgericht ist der Ansicht, der Angeklagte habe zwar mit der festgestellten Veränderung der auf dem Akteneinband fixierten Urteilsformel eine Urkundenfälschung unter Missbrauch seiner Stellung als Amtsträger begangen. Seiner Verurteilung deswegen stehe jedoch entgegen, dass er insoweit bei der Leitung einer Rechtssache tätig geworden sei, ohne dabei aber einen elementaren Verstoß gegen die Rechtspflege begangen zu haben. Er könne daher nicht wegen Rechtsbeugung (§ 339 StGB) verurteilt werden. Damit scheide aber auch ein Schuldspruch wegen Urkundenfälschung aus, denn die Nichterfüllung des Tatbestands der Rechtsbeugung entfalte eine Sperrwir- kung dahin, dass der Angeklagte wegen desselben Sachverhalts auch nicht nach einer anderen Strafvorschrift verurteilt werden könne.
5
2. Der Freispruch hält rechtlicher Überprüfung nicht stand.
6
a) Zutreffend sieht das Landgericht in der nachträglichen Abänderung der auf dem Akteneinband niedergelegten Urteilsformel tatbestandsmäßig eine Urkundenfälschung unter Missbrauch einer Stellung als Amtsträger (§ 267 Abs. 1, Abs. 3 Satz 2 Nr. 4, § 11 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. a StGB). Nicht nur das Protokoll, sondern auch die von § 268 Abs. 2 Satz 1 StPO geforderte Niederschrift der Urteilsformel ist dazu geeignet und bestimmt, die inhaltliche Übereinstimmung der durch Verlesen verkündeten mit der im schriftlichen Urteil ausgewiesenen Entscheidung zu sichern (KK-Kuckein, StPO, 7. Aufl., § 268 Rn. 3). Bereits mit der Urteilsverkündung und jedenfalls bis zur Fertigstellung eines mangelfreien Protokolls (vgl. BGH, Beschluss vom 9. Mai 2001 - 2 StR 42/01 bei Becker, NStZ-RR 2002, 97, 100) erlangt die Niederschrift Beweiskraft für den Inhalt der verlesenen Formel. Mit dem Zeitpunkt der Urteilsverkündung ist sie deshalb auch der Abänderung durch den erkennenden Richter entzogen (LR/Stuckenberg, StPO, 26. Aufl., § 268 Rn. 22; Meyer-Goßner/Schmitt, StPO, 58. Aufl., § 268 Rn. 4).
7
b) Rechtsfehlerfrei geht das Landgericht auch davon aus, dass das Handeln des Angeklagten nicht den Tatbestand der Rechtsbeugung (§ 339 StGB) erfüllt.
8
aa) Zwar wurde der Angeklagte, als er die niedergeschriebene und so verlesene Urteilsformel nachträglich abänderte, bei der Leitung einer Rechtssache tätig.

9
Unter "Rechtssache" im Sinne des § 339 StGB ist das gesamte streitige Verhältnis zu verstehen, über das der Richter zu "entscheiden" hat; die "Leitung" der Rechtssache ist der Inbegriff aller Maßnahmen, die auf die Erledigung der Sache abzielen (BGH, Urteil vom 18. Juli 2013 - 4 StR 84/13, NStZ 2013, 655, 656 mwN). Im Hauptverfahren in Strafsachen übt der Richter danach auch über die mündliche Urteilsverkündung hinaus Tätigkeiten aus, welche die Leitung und Entscheidung einer Rechtssache zum Gegenstand haben. Die Urteilsverkündung beendet das Verfahren nicht, denn es bleibt die Abfassung der schriftlichen Urteilsgründe, die zu den originären Aufgaben des erkennenden Richters zählt und die die künftige Entscheidung des Rechtsmittelgerichts zu Gunsten oder zum Nachteil des Angeklagten beeinflussen kann (BGH aaO). Nichts anderes kann für die Fertigstellung des Hauptverhandlungsprotokolls durch den Vorsitzenden gelten. Nicht (mehr) bei der Leitung oder Entscheidung einer Rechtssache im Sinne des § 339 StGB handelt der Richter erst dann, wenn ein innerer funktionaler Zusammenhang der den strafrechtlichen Vorwurf begründenden Verhaltensweise mit der Förderung der Sache fehlt und diese deshalb objektiv nicht mehr als ein auf seiner Leitungs- oder Entscheidungskompetenz beruhendes Handeln erscheint (vgl. BGH, Urteil vom 23. Mai1984 - 3 StR 102/84, BGHSt 32, 357, 364 f.; OLG Naumburg, Beschluss vom 23. April 2012 - 1 Ws 48/12, NStZ 2013, 533, 535; OLG Karlsruhe, Beschluss vom 9. Dezember 2003 - 3 Ws 174/03, NJW 2004, 1469, 1470; S/SHeine /Hecker, StGB, 29. Aufl., § 339 Rn. 17; MüKoStGB/Uebele, 2. Aufl., § 339 Rn. 73; Lackner/Kühl, StGB, 28. Aufl., § 339 Rn. 11).
10
Nach diesen Maßstäben handelte der Angeklagte, als er die auf dem Akteneinband niedergelegte Urteilsformel nachträglich abänderte, noch bei der Leitung der Strafsache gegen Thomas W. Zwar verfolgte er damit unmittelbar nur das Ziel, im Nachhinein über den wahren Inhalt einer von ihm bereits getroffenen und verkündeten Entscheidung zu täuschen. Jedoch wollte er durch sein Vorgehen zugleich auch nach außen hin eine vorgebliche Tatsachengrundlage für die weitere prozessordnungswidrige Behandlung und Erledigung der Sache schaffen. Die Fälschung stand nach der ihr vom Angeklagten zugedachten Zweckrichtung in engem und untrennbarem Zusammenhang sowohl mit der Herstellung der schriftlichen Urteilsurkunde als auch mit der Fertigstellung des Hauptverhandlungsprotokolls. Sie sollte deren inhaltliche Unrichtigkeit verschleiern und so die Entscheidung der Staatsanwaltschaft und gegebenenfalls des Rechtsmittelgerichts beeinflussen.
11
bb) Nichts zu erinnern ist aber auch gegen die Bewertung des Landgerichts , dass sich der Angeklagte dadurch keiner Beugung des Rechts schuldig gemacht hat.
12
Rechtsbeugung kann zwar auch durch Verletzung von Verfahrensrecht begangen werden (BGH, Urteile vom 29. Oktober 1992 - 4 StR 353/92, BGHSt 38, 381, 383; vom 5. Dezember 1996 - 1 StR 376/96, BGHSt 42, 343). Nicht jede unrichtige Rechtsanwendung oder jeder Ermessensfehler ist jedoch bereits eine Beugung des Rechts. Vielmehr indizieren die Einordnung der Rechtsbeugung als Verbrechenstatbestand und die gemäß § 24 Nr. 1 DRiG, § 24 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 BeamtStG im Falle einer Verurteilung kraft Gesetzes eintretende Beendigung des Richter- oder Beamtenverhältnisses die Schwere des Unwerturteils (BGH, Urteile vom 29. Oktober 1992 - 4 StR 353/92, BGHSt 38, 381, 383; vom 29. Oktober 2009 - 4 StR 97/09, NStZ-RR 2010, 310; vom 18. Juli 2013 - 4 StR 84/13, NStZ 2013, 655, 656). Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs erfasst § 339 StGB deshalb nur den Rechtsbruch als elementaren Verstoß gegen die Rechtspflege, bei dem sich der Amts- träger bewusst in schwerwiegender Weise zugunsten oder zum Nachteil einer Partei vom Gesetz entfernt und sein Handeln als Organ des Staates statt an Recht und Gesetz an seinen eigenen Maßstäben ausrichtet (vgl. nur BGH, Urteile vom 9. Mai 1994 - 5 StR 354/93, BGHSt 40, 169, 178; vom 6. Oktober 1994 - 4 StR 23/94, BGHSt 40, 272, 283; vom 20. September 2000 - 2 StR 276/00, NStZ-RR 2001, 243, 244; Beschluss vom 7. Juli 2010 - 5 StR 555/09, wistra 2011, 32, 35). Insoweit enthält das Tatbestandsmerkmal "Beugung des Rechts" ein normatives Element, dem die Funktion eines wesentlichen Regulativs zukommt (grundlegend hierzu BGH, Urteil vom 23. Mai 1984 - 3 StR 102/84, BGHSt 32, 357, 364, mit Hinweis auf die Gesetzesmaterialien). Ob ein elementarer Rechtsverstoß vorliegt, ist auf der Grundlage einer wertenden Gesamtbetrachtung aller Umstände zu entscheiden. Bei einem Verstoß gegen Verfahrensrecht kann neben dessen Ausmaß und Schwere insbesondere auch Bedeutung erlangen, welche Folgen dieser für die Partei hatte, inwieweit die Entscheidung materiell rechtskonform blieb und von welchen Motiven sich der Richter leiten ließ (vgl. BGH, Urteile vom 5. Dezember 1996 - 1 StR 376/96, BGHSt 42, 343; vom 20. September 2000 - 2 StR 276/00, NStZ-RR 2001, 243, 244; vom 18. Juli 2013 - 4 StR 84/13, NStZ 2013, 655, 656; Beschluss vom 24. Juni 2009 - 1 StR 201/09, NStZ 2010, 92).
13
Nach diesen Maßstäben ist das Landgericht ohne Rechtsfehler zu dem Ergebnis gelangt, dass dem Angeklagten kein elementarer Verstoß gegen die Rechtspflege zur Last fällt. Zwar erschöpfte sich das Handeln des Angeklagten nicht allein in einer Zuwiderhandlung gegen Vorschriften des gerichtlichen Verfahrens ; vielmehr beging er durch die Fälschung der Urteilsformel zugleich eine Straftat. Der so indizierten Schwere des Rechtsverstoßes steht jedoch gegenüber , dass sich das Vorgehen des Angeklagten schon objektiv nicht auf den Kern der Verurteilung des W. bezog, sondern lediglich auf die Höhe der ihm für die Bezahlung der verhängten Geldstrafe bewilligten Raten. In subjektiver Hinsicht kommt hinzu, dass der Angeklagte ausschließlich handelte, um einen von ihm erkannten offensichtlichen Fehlgriff zugunsten des W. bei der Bemessung der Höhe der Raten rückgängig zu machen. In der Gesamtschau rechtfertigt dies nicht eine Bewertung des Tatgeschehens dahin, dass sich der Angeklagte bewusst in schwerwiegender Weise zum Nachteil des W. vom Gesetz entfernt habe. Soweit der Bundesgerichtshof im Urteil vom 18. Juli 2013 (4 StR 84/13, NStZ 2013, 655) in einer Urkundenfälschung des Richters bei der Leitung und Entscheidung der Rechtssache zugleich einen elementaren Verstoß gegen die Rechtspflege gesehen hat, kam den dort zu beurteilenden Sachverhalten ungleich schwereres Gewicht zu. Der Entscheidung lag zu Grunde, dass der Angeklagte wiederholt Urteile in Strafsachen, die keine auch nur entfernt ausreichenden Feststellungen zur Sache und keine Beweiswürdigung enthielten und auf denen bereits der Eingangsvermerk der Geschäftsstelle angebracht war, nach Ablauf der Urteilsabsetzungsfrist heimlich ergänzte. Sein Vorgehen diente damit der wirksamen Vereitelung von Angriffen auf die Verurteilung insgesamt, denen nach § 338 Nr. 7 StPO ohne Weiteres Erfolg beschieden gewesen wäre.
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c) Auf durchgreifende Bedenken stößt indes die Auffassung des Landgerichts , einer Bestrafung des Angeklagten wegen der festgestellten Urkundenfälschung unter Missbrauch einer Stellung als Amtsträger (§ 267 Abs. 1, Abs. 3 Nr. 4 StGB) stehe infolgedessen die sog. Sperrwirkung des Rechtsbeugungstatbestands entgegen.
15
Die dem Tatbestand der Rechtsbeugung nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs zukommende Sperrwirkung gegen eine Verurteilung nach anderen Strafvorschriften dient in erster Linie der persönlichen Unabhängigkeit des Richters (BGH, Urteil vom 7. Dezember 1956 - 1 StR 56/56, BGHSt 10, 294, 298; vgl. auch BGH, Urteil vom 29. Mai 1952 - 2 StR 45/50, MDR 1952, 693, 695). Sie soll seine Entscheidungsfreiheit sichern und ihn von dem Risiko freistellen, dass Entscheidungen, Anordnungen oder Maßnahmen der Verhandlungsleitung, zu denen er aufgrund seiner Rechtsgewährungspflicht von Gesetzes wegen gehalten ist, die aber nach ihrem Inhalt oder nach ihren Auswirkungen den Tatbestand eines allgemeinen Strafgesetzes erfüllen können, so etwa den der Strafvereitelung, der Verfolgung Unschuldiger, der Freiheitsberaubung oder der Nötigung, nachträglich und außerhalb des Instanzenzugs nochmals zur Überprüfung gestellt werden mit dem Ziel, ihn strafrechtlich oder zivilrechtlich (vgl. § 839 Abs. 2 BGB) hierfür zur Verantwortung zu ziehen.
16
Diese Rechtsprechung hat ihren Ausgangspunkt insbesondere darin, dass nach herrschender Meinung zur früheren Gesetzeslage (§ 336 StGB vor der Neufassung durch Art. 19 Nr. 188 EGStGB vom 2. März 1974, BGBl. I 469, 497) einem Richter der Vorwurf der Rechtsbeugung nur bei einem direkt vorsätzlichen Rechtsverstoß gemacht werden konnte. Vor diesem Hintergrund sollte durch die Sperrwirkung zuvörderst verhindert werden, dass ein Richter, dem keine direkt vorsätzliche Rechtsverletzung angelastet werden kann, wegen einer durch seine Entscheidung bedingt vorsätzlich oder auch nur fahrlässig begangenen Verwirklichung eines anderen Straftatbestandes zur Verantwortung gezogen wird.
17
All dies ist auf den vorliegend zu beurteilenden Sachverhalt nicht übertragbar. lndem der Gesetzgeber mit der Neufassung des Rechtsbeugungstatbestandes durch das EGStGB vom 2. März 1974 klargestellt hat, dass für die subjektive Tatseite der Rechtsbeugung auch bedingter Vorsatz ausreicht (vgl. LK/Hilgendorf, StGB, 12. Aufl., § 339 Entstehungsgeschichte Rn. 86 mwN), ist ein Begründungsansatz für die Sperrwirkung des Rechtsbeugungstatbestandes bereits weitgehend obsolet geworden; denn damit bleiben die Anforderungen an die subjektive Tatseite der denkbaren Strafvorschriften, die nach heutiger Gesetzeslage durch eine richterliche Entscheidung neben § 339 StGB verletzt werden können, nicht mehr hinter denjenigen des Rechtsbeugungstatbestandes zurück. Vor allem aber fordert es die verfassungsrechtlich gewährleistete richterliche Unabhängigkeit nicht, das Haftungsprivileg auch auf ein Handeln des Richters zu erstrecken, das nicht erst im Zusammenhang mit einer nach außen hin zu treffenden Entscheidung, Anordnung oder Maßnahme der Verhandlungsleitung zur Erfüllung eines Straftatbestands führt, sondern - wie hier - bereits für sich alleine gegen Strafgesetze verstößt (dem zuneigend bereits BGH, Urteil vom 18. Juli 2013 - 4 StR 84/13, NStZ 2013, 655, 657).
18
3. Die danach veranlasste Aufhebung des freisprechenden Urteils ist auch auf die für sich gesehen rechtsfehlerfrei getroffenen Feststellungen zu erstrecken, denn der freigesprochene Angeklagte konnte gegen diese kein Rechtsmittel einlegen (vgl. BGH, Urteil vom 18. Juli 2013 - 4 StR 84/13, NStZ 2013, 655, 657 mwN). Die Sache bedarf deshalb insgesamt neuer Verhandlung und Entscheidung. Der Senat macht von der Möglichkeit der Zurückverweisung an ein anderes Gericht Gebrauch (§ 354 Abs. 2 Satz 1 StPO).
19
4. Für die neue Hauptverhandlung weist der Senat auf Folgendes hin:
20
Ohne Rechtsfehler ist das Landgericht davon ausgegangen, dass das Handeln des Angeklagten nicht auch den Tatbestand der Falschbeurkundung im Amt (§ 348 Abs. 1 StGB) erfüllt. Insbesondere stellt das Hauptverhandlungsprotokoll keine öffentliche Urkunde dar (vgl. Stuckenberg, ZIS 2013, 212, 215; Knauer NStZ 2013, 433, 435).
Becker Hubert Schäfer Mayer Ri'inBGH Dr. Spaniol befindet sich im Urlaub und ist daher gehindert zu unterschreiben. Becker
Nachschlagewerk: ja
BGHSt : ja
Veröffentlichung: ja
Zögerliche Bearbeitung einer Rechtssache innerhalb eines
objektiv vertretbaren Zeitraums ist Rechtsbeugung, wenn
der Richter mit seiner Verfahrensweise aus sachfremden
Erwägungen gezielt zum Vorteil oder Nachteil einer Partei handelt.
BGH, Urt. v. 4. September 2001 - 5 StR 92/01
LG Hamburg

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
vom 4. September 2001
in der Strafsache
gegen
wegen Rechtsbeugung
Der 5. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat in der Sitzung vom 4. September
2001, an der teilgenommen haben:
Vorsitzende Richterin Harms,
Richter Häger,
Richterin Dr. Tepperwien,
Richter Dr. Raum,
Richter Dr. Brause
als beisitzende Richter,
Bundesanwalt
als Vertreter der Bundesanwaltschaft,
Rechtsanwalt S ,
Rechtsanwalt W
als Verteidiger,
Justizangestellte
als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle,

für Recht erkannt:
Auf die Revisionen des Angeklagten und der Staatsanwaltschaft wird das Urteil des Landgerichts Hamburg vom 13. Oktober 2000 mit den Feststellungen aufgehoben.
Die Sache wird zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.
– Von Rechts wegen – G r ü n d e Das Landgericht hat den Angeklagten wegen Rechtsbeugung (durch Unterlassen) zu einer Geldstrafe von 120 Tagessätzen zu je 100 DM verurteilt. Die hiergegen gerichtete Revision des Angeklagten, mit der er seinen Freispruch erstrebt, führt ebenso wie die Revision der Staatsanwaltschaft, die unter anderem auf eine Verurteilung des Angeklagten wegen tateinheitlich mit Rechtsbeugung begangener Freiheitsberaubung gerichtet ist, mit der jeweils erhobenen Sachrüge zur Aufhebung des angefochtenen Urteils; eines Eingehens auf die vom Angeklagten zusätzlich erhobenen Verfahrensrügen bedarf es daher nicht.

I.


Nach den Feststellungen des Landgerichts kam es während einer von dem Angeklagten als Einzelrichter geleiteten Hauptverhandlung vor dem Amtsgericht Hamburg am 19. Mai 1999 zu erheblichen Störungen durch Zuhörer. Diese äußerten lautstark ihren Unmut über den Angeklagten und blieben , als er das Urteil verkünden wollte, demonstrativ sitzen. Ein Zuhörer stellte sich auch nach Abmahnung durch den Angeklagten nicht aufrecht hin, worauf der Angeklagte ihm die Verhängung von Ordnungshaft zunächst androhte und, als der Zuhörer seine provozierende Haltung beibehielt, drei Tage Ordnungshaft verhängte. Im Rahmen des anschließenden Tumults versuchte ein anderer Zuhörer über die Barriere zwischen Verhandlungssaal und Zuhörerraum zu steigen und trat um sich, als er von der Saalwachtmeisterin daran gehindert werden sollte. Auch gegen diesen Störer verhängte der Angeklagte nach vorheriger Androhung, auf die der Zuhörer nicht reagierte , drei Tage Ordnungshaft. Beide Störer wurden sofort in Haft genommen.
Ein Prozeßbevollmächtigter der inhaftierten Zuhörer legte bereits etwa eine Stunde danach Beschwerde gegen die Ordnungshaftbeschlüsse ein. Der Angeklagte erfuhr hiervon noch am Nachmittag desselben Tages während einer bis kurz nach 16 Uhr dauernden weiteren Hauptverhandlung, in der ihm die Beschwerdeschrift durch Justizpersonal vorgelegt wurde. Er bearbeitete die Beschwerden an diesem Tag nicht mehr. Am Vormittag des folgenden Tages begab sich der Angeklagte zunächst nicht ins Gericht, sondern er erkundigte sich in einem Fachgeschäft nach Sicherheitsvorrichtungen für seine Wohnung, zu denen ihm von der Staatsschutzabteilung des Landeskriminalamtes geraten worden war. Gegen Mittag erklärte er ausweislich der tatrichterlichen Feststellungen einem Journalisten, der ihn unter seiner privaten Telefonnummer nach dem Stand des Beschwerdeverfahrens gefragt hatte, ”er müsse ja nicht gleich springen, wenn Anwälte etwas von ihm wollten. So etwas müsse sorgfältig und in Ruhe geprüft werden”. Der Journalist möge diese Ä ußerung aber nicht veröffentlichen, sie sei nicht zi-
tierfähig. Als der Angeklagte gegen 14.30 Uhr im Gericht eintraf, diktierte er der Protokollführerin die Ordnungshaftbeschlüsse, die sie in das Hauptverhandlungsprotokoll einfügte. Von der Möglichkeit, die Strafakten anschließend selbst wieder in Empfang zu nehmen, machte er keinen Gebrauch. Er ordnete vielmehr an, daß die Akten nach der erfolgten Ergänzung des Protokolls in sein Fach zu legen seien, und bereitete dann bis 22 oder 23 Uhr die Hauptverhandlungen des folgenden Tages vor. Die Beschwerden bearbeitete er auch an diesem Tag nicht mehr. Am 21. Mai 1999 wurden dem Angeklagten, der ab 9.45 Uhr Hauptverhandlungen geleitet hatte, beim Mittagessen in der Gerichtskantine von Kollegen Vorhaltungen gemacht, er verschleppe das Verfahren hinsichtlich der eingelegten Beschwerden. Diese Vorwürfe wies er mit der – inhaltlich unzutreffenden – Behauptung zurück, das Protokoll sei noch nicht fertiggestellt, weil er die Protokollführerin nicht habe erreichen können. Kurz nach 16 Uhr brachte er dann die Akte mit dem Hauptverhandlungsprotokoll, den Beschwerdebegründungen und einem von ihm zuvor noch gefertigten Vermerk über die Gründe einer unterbliebenen Rechtsmittelbelehrung persönlich zum Hanseatischen Oberlandesgericht als Beschwerdegericht.
Eine Stunde nach Eingang der Beschwerden beim Oberlandesgericht hob der zuständige Senat die Ordnungshaftbeschlüsse aus formellen Gründen auf, weil die Vorgänge in der Hauptverhandlung, die zur Anordnung der Ordnungshaft geführt hatten, entgegen § 182 GVG im Protokoll nicht dargestellt waren. Zur materiellen Rechtslage enthält der Beschluß den Hinweis, daß die Verhängung mehrtägiger Ordnungshaft angesichts der den Beschlußgründen zu entnehmenden massiven Störungen nahegelegen habe.
Der Angeklagte hat bestritten, das Beschwerdeverfahren gezielt verzögert zu haben, um die beiden Störer ”schmoren” zu lassen. Er sei der Auffassung gewesen, die in § 306 Abs. 2 StPO dem Richter eingeräumte Frist von drei Tagen für die Vorlage einer Beschwerde an das Rechtsmittel-
gericht gelte auch für Beschwerden gegen Ordnungshaftbeschlüsse und habe von ihm voll ausgeschöpft werden dürfen. Wegen anderweitiger dienstlicher und privater Obliegenheiten und wegen einer von ihm für erforderlich erachteten Überprüfung der Ordnungshaftbeschlüsse insbesondere in formeller Hinsicht habe er eine Bearbeitungszeit von zwei Tagen benötigt. Das Landgericht ist demgegenüber davon überzeugt, daß der Angeklagte in Kenntnis der Eilbedürftigkeit die Bearbeitung der Beschwerden gezielt verzögert hat, um die Durchsetzung der Haftanordnungen nicht zu gefährden. Dabei stützt es sich maßgeblich auf eine ins einzelne gehende Rekonstruktion des jeweiligen Tagesablaufs des Angeklagten am 19., 20. und 21. Mai 1999 und kommt zu dem Ergebnis, daß es dem Angeklagten – jedenfalls unter zumutbarer Zurückstellung privater Belange – möglich gewesen wäre, die Beschwerden dem Oberlandesgericht schneller zuzuleiten. Auch die Ä ußerungen des Angeklagten gegenüber dem Journalisten und das Kantinengespräch, in dem der Angeklagte nachweislich gelogen habe, ließen auf eine Verschleppungsabsicht und damit auf eine bewußt unrichtige Anwendung des Verfahrensrechts zum Nachteil der Inhaftierten schließen.
Eine Rechtsbeugung sieht das Landgericht in der zeitlichen Behandlung der gegen die Ordnungsmittelbeschlüsse gerichteten Beschwerden. Insoweit stelle sich das Verhalten des Angeklagten als ”bewußte Verzögerung des offensichtlich gewünschten Rechtsschutzes” und damit als elementarer Verstoß gegen die Rechtsweggarantie dar, die sowohl in Art. 19 Abs. 4 GG als auch in Art. 5 Abs. 4 MRK ihren Niederschlag gefunden habe.

II.


Revision des Angeklagten
Die Revision des Angeklagten hat Erfolg. Namentlich die Beweiswürdigung hält rechtlicher Nachprüfung nicht stand.

Nach ständiger Rechtsprechung stellt nicht jede unrichtige Rechtsanwendung eine Beugung des Rechts im Sinne von § 339 StGB dar. Nur der Rechtsbruch als elementarer Verstoß gegen die Rechtspflege soll unter Strafe gestellt sein. Rechtsbeugung begeht daher nur der Amtsträger, der sich bewußt und in schwerwiegender Weise von Recht und Gesetz entfernt. Selbst die (bloße) Unvertretbarkeit einer Entscheidung begründet eine Rechtsbeugung nicht (st. Rspr.; vgl. nur BGH NJW 1997, 1455 m.w.N.). Einen elementaren Rechtsverstoß zeigt das Landgericht auf der Grundlage der bisher erhobenen Beweise nicht auf, zumal da es bei der Beweiswürdigung ein zu enges Verständnis des dem Richter bei der Erledigung seiner Dienstgeschäfte einzuräumenden zeitlichen Spielraums zugrundelegt.
1. Im Ansatz zutreffend geht das Landgericht – das die verhängte Ordnungshaft vor dem Hintergrund wiederholter massiver Störungen der Hauptverhandlung mit Recht für inhaltlich vertretbar hält (vgl. dazu Diemer in KK StPO 4. Aufl. § 178 GVG Rdn. 3 mit Beispielen aus der Rechtsprechung ) – davon aus, daß Rechtsbeugung nicht nur in Form von Sachentscheidungen , sondern auch durch einen Verstoß gegen Verfahrensrecht begangen werden kann (st. Rspr.; vgl. nur BGHSt 32, 357; 38, 381, 383; 42, 343; jeweils m.w.N.). Zu den wesentlichen Grundprinzipien des Strafverfahrensrechts zählt das unmittelbar aus dem Rechtsstaatsprinzip des Art. 20 GG und der allgemeinen prozessualen Fürsorgepflicht abzuleitende, schlagwortartig als Beschleunigungsgebot bezeichnete Verbot rechtsstaatswidriger Verfahrensverzögerung (BGHSt 24, 239 f.; 26, 1, 4). Allgemein normiert in Art. 6 Abs. 1 MRK, wird die Bedeutung des Verbots rechtsstaatswidriger Verfahrensverzögerung für Haftsachen in Art. 2 Abs. 2 Satz 2, Art. 104 GG sowie in Art. 5 Abs. 3, 4 MRK besonders hervorgehoben. Auch wenn die Einzelregelungen dieser Normen auf die – verglichen mit vorläufiger Festnahme und Untersuchungshaft eher seltene und in ihren zeitlich begrenzten Auswirkungen auf den Betroffenen weniger schwerwiegende –
Anordnung von Ordnungshaft nicht unmittelbar zugeschnitten sind, gilt das in den genannten Vorschriften zum Ausdruck kommende Prinzip, daß Haftsachen besonders zügig zu bearbeiten sind, für Maßnahmen nach § 178 Abs. 1 Satz 1, 2. Alternative GVG in gleicher Weise. Rechtsbeugung durch Verstoß gegen das Beschleunigungsgebot ist daher auch im Bereich der Ordnungshaft nicht grundsätzlich ausgeschlossen.
2. Trotz der nachteiligen Auswirkungen, die eine zögerliche Sachbearbeitung insbesondere in Haftsachen für den Betroffenen mit sich bringen mag, darf jedoch der Tatbestand der Rechtsbeugung, soweit dessen Verwirklichung durch einen Verstoß gegen das Beschleunigungsgebot in Betracht gezogen wird, auch in diesem Bereich richterlicher Tätigkeit nicht in unangemessener Weise ausgedehnt werden. Insbesondere ist bei der Auslegung der Norm darauf Bedacht zu nehmen, daß die richterliche Unabhängigkeit gewahrt bleibt.

a) Die Bearbeitung einer Rechtssache, wie sie der Angeklagte hier in Form der Fertigstellung und Korrektur des Protokolls, der nachgeholten schriftlichen Begründung der Ordnungshaftbeschlüsse sowie eines für das Beschwerdegericht gefertigten erläuternden Vermerks vorgenommen hat, fällt grundsätzlich in den Schutzbereich, der dem Richter in Art. 97 GG und den einfachgesetzlichen Vorschriften der § 25 Abs. 1 DRiG, § 1 GVG eingeräumt ist. Zwar handelt es sich bei den genannten Tätigkeiten nicht um den Kernbereich richterlichen Wirkens, die Spruchtätigkeit, jedoch gebietet es das Interesse an einer wirksamen Gewährleistung der richterlichen Unabhängigkeit , auch die der Rechtsfindung nur mittelbar dienenden, sie vorbereitenden und ihr nachfolgenden Sach- und Verfahrensentscheidungen in den Schutzbereich einzubeziehen (BGHZ 90, 41, 45). Dem entspricht es, daß nach ständiger Rechtsprechung des Richterdienstgerichts des Bundes verzögerte Terminierungen oder als unangemessen lang gewertete Urteilsabsetzungszeiträume nur dann im Rahmen der Dienstaufsicht nach § 26
Abs. 2 DRiG beanstandet werden dürfen, wenn dies losgelöst von einzelnen Rechtssachen oder Fallgruppen geschieht und wenn die Aufsichtsmaßnahme die Entscheidungsfreiheit des Richters im Einzelfall unberührt läßt (BGHZ 51, 280, 287; 90, 41, 46; 93, 238, 243 f.). Da eine Strafandrohung, zumal in Form eines Verbrechenstatbestandes, noch weit mehr als eine Maßnahme der Dienstaufsicht geeignet sein wird, den Richter in seinem Verhalten zu beeinflussen, darf auch unter strafrechtlichen Gesichtspunkten eine Überprüfung richterlicher Tätigkeit am wenig konkreten Maßstab des Beschleunigungsgebots nicht zu einer grundlegenden Beeinträchtigung der sachlichen Unabhängigkeit des Richters führen (vgl. BGH NStZ 1988, 218 f.).

b) Bei der Entscheidung der Frage, ob in der verzögerten Bearbeitung einer Rechtssache ein Rechtsbruch im Sinne des § 339 StGB liegen kann, ist daher davon auszugehen, daß es grundsätzlich dem Richter überlassen bleibt, welchem der von ihm zu erledigenden vielfältigen Dienstgeschäfte er den Vorrang vor anderen einräumt, welche Mittel er im Einzelfall für die Förderung einer Rechtssache geeignet hält und welche Gründlichkeit er der Sachbearbeitung widmet. An bestimmte Dienstzeiten ist er dabei nicht gebunden (BVerwGE 78, 211, 213).
Da die richterliche Unabhängigkeit weder Standesprivileg (BVerfGE 27, 211, 217; BGHZ 67, 184, 187; Benda DRiZ 1975, 166, 170) noch absoluter Selbstwert ist, vor dem alle anderen Bedingungen einer rechtsstaatlichen Justizgewährung zurückzutreten hätten (Rudolph DRiZ 1978, 146; Kissel, GVG 3. Aufl. § 1 Rdn. 43), schließt ein dem Richter im Grundsatz zuzubilligender großzügiger Ermessensspielraum bei der Einteilung seiner Dienstgeschäfte strafrechtlich relevante Verstöße gegen das Beschleunigungsgebot nicht in jedem Fall aus. Sie werden insbesondere dann in Betracht kommen, wenn der Richter gegen zwingende Vorschriften verstößt, in denen der Gesetzgeber – wie beispielsweise in § 115 StPO – das allgemei-
ne Beschleunigungsgebot konkretisiert hat oder wenn der Richter untätig bleibt, obwohl besondere Umstände sofortiges Handeln – etwa die Veranlassung der Freilassung eines Inhaftierten nach Aufhebung des Haftbefehls – zwingend gebieten. Beides trifft auf den vorliegend zu beurteilenden Fall jedoch nicht zu.
Nachdem der Angeklagte, einer zumindest vertretbaren Mindermeinung folgend (vgl. dazu die Nachweise bei Katholnigg, Strafgerichtsverfassungsrecht 3. Aufl. § 181 GVG Rdn. 1; Kissel aaO § 181 Rdn. 2), die gemäß § 181 Abs. 2 GVG eingelegten fristgebundenen Beschwerden gegen die Ordnungshaftbeschlüsse als einfache Beschwerden gewertet hat, richtete sich aus seiner Sicht die Weiterleitung der Rechtsmittel nach § 306 Abs. 2 StPO. Diese Vorschrift sieht für den Fall der Nichtabhilfe die Vorlage an das Beschwerdegericht ”sofort, spätestens vor Ablauf von drei Tagen” vor. Gegen die Dreitagesfrist, die zudem nur eine Sollvorschrift darstellt (Kleinknecht /Meyer-Goßner, StPO 45. Aufl. § 306 Rdn. 11), hat der Angeklagte nicht verstoßen, weil er die Beschwerden am zweiten Tag nach ihrem Eingang an das Beschwerdegericht weitergeleitet hat. Auch wenn der Angeklagte damit nicht ”sofort” gehandelt hat, stellt die Einhaltung der Dreitagesfrist ein gewichtiges Indiz dafür dar, daß eine vom Gesetz noch als angemessen erachtete Bearbeitungszeit nicht überschritten worden ist.
Da richterliche Entscheidungen, gegen die eine Beschwerde möglich ist, Sachverhalte unterschiedlicher Art betreffen und mehr oder minder schwere Eingriffe in die Rechtssphäre der Beschwerdeführer zum Gegenstand haben, können besondere Umstände eine Weiterleitung der Beschwerden vor Ablauf der Frist im Ausnahmefall allerdings gleichwohl erfordern. Solche Besonderheiten hat das Landgericht hier darin gesehen, daß die angeordnete Ordnungshaft entsprechend der gesetzlichen Vorgabe des § 179 GVG sofort vollstreckt worden ist, den Beschwerdeführern daher bei einer Weiterleitung der Rechtsmittelschriften unter voller Ausschöpfung der
Dreitagesfrist ein effektiver Rechtsschutz nicht mehr hätte gewährt werden können.
Die drohende vollständige Vollstreckung einer angeordneten Freiheitsentziehung kann aber für sich allein keine Pflicht zum sofortigen Tätigwerden begründen. Grundsätzlich bleibt auch in diesen Fällen dem Richter ein Spielraum für die Einteilung seiner dienstlichen und – weil er an feste Dienstzeiten nicht gebunden ist (vgl. BVerwGE 78, 211, 213) – auch seiner privaten Angelegenheiten. Zwar hat der Erfolg der Beschwerde für einen Beschwerdeführer, der die Ordnungshaft bereits verbüßt hat, über die Feststellung der Rechtswidrigkeit hinaus kaum praktische Bedeutung, zumal da nach herrschender Meinung eine Entschädigung aus der Staatskasse nach dem Gesetz über die Entschädigung für Strafverfolgungsmaßnahmen nicht in Betracht kommt (OLG Frankfurt NJW 1976, 303; Kissel aaO Rdn. 18). Ein bestimmender Einfluß auf die dem Richter zuzubilligende Bearbeitungszeit in der Weise, daß sich diese umso mehr verkürzt, je weiter die angeordnete Dauer der Ordnungshaft unter der zulässigen Höchstdauer von einer Woche liegt, kommt dem Gesichtspunkt abnehmender Effizienz aber nicht zu. Der Richter, der lediglich einen Tag Ordnungshaft verhängt und die dagegen gerichtete Beschwerde am folgenden Tag an das Beschwerdegericht weiterleitet , gerät nicht allein dadurch in den Bereich der Rechtsbeugung, daß die Haft zu diesem Zeitpunkt bereits vollzogen ist. Vielmehr wird sich in derartigen Fällen effektiver Rechtsschutz durch eine Anordnung des Beschwerdegerichts nach § 307 Abs. 2 StPO anbieten, mit der eine aufschiebende Wirkung der Beschwerde hergestellt wird (vgl. Katholnigg aaO § 181 GVG Rdn. 4; Kissel aaO Rdn. 11; Kleinknecht/Meyer-Goßner aaO § 181 GVG Rdn. 1; Schäfer/Wickern in Löwe/Rosenberg, StPO 24. Aufl. § 181 GVG Rdn. 13).
Zwar wäre im vorliegenden Fall schon aufgrund des für Haftsachen allgemein geltenden Beschleunigungsgrundsatzes eine zügigere Bearbei-
tung der mit der Anordnung von Ordnungshaft in Zusammenhang stehenden Vorgänge wünschenswert und unter Berücksichtigung der sonstigen dienstlichen Verpflichtungen und privaten Interessen des Angeklagten auch zumutbar gewesen. Gleichwohl hat der Angeklagte nach den oben angeführten Grundsätzen mit der von ihm gewählten Verfahrensweise die äußeren Grenzen des ihm für die Weiterleitung der Beschwerden einzuräumenden Ermessens nicht in schwerwiegender Weise mißachtet. Dies gilt umso mehr, als sich sein Verhalten nicht auf bloße Untätigkeit beschränkte, sondern nach seiner insoweit unwiderlegten Einlassung rechtliche Nachforschungen sowie die Umsetzung der dadurch gewonnenen Erkenntnisse im Protokoll und in einem Vermerk einschloß.

c) Bei zögerlicher Bearbeitung einer Rechtssache innerhalb eines objektiv vertretbaren Zeitraumes kommt ein schwerwiegender Rechtsverstoß allerdings dann in Betracht, wenn der Richter mit seiner Verfahrensweise aus sachfremden Erwägungen gezielt zum Vorteil oder Nachteil einer Partei handelt (vgl. BGHSt 42, 343, 345). Dies wäre hier gegeben, wenn der Angeklagte , wie vom Landgericht für erwiesen erachtet, sich bereits zu Beginn des auf die Verkündung der Ordnungshaftbeschlüsse folgenden Tages entschlossen hätte, unter mutwilliger Verzögerung die Beschwerden solange zurückzuhalten, bis der vollständige Vollzug der Ordnungshaft durch einen Erfolg der Beschwerden beim Oberlandesgericht nicht mehr gefährdet werden konnte. In einem solchen Fall wären zwar die äußeren Schranken des dem Richter für die Bearbeitung von Rechtssachen in zeitlicher Hinsicht eingeräumten Ermessens eingehalten, so daß eine Ermessensüberschreitung ausgeschlossen wäre. Es läge jedoch ein Ermessensmißbrauch durch Überschreitung der inneren Schranken des Ermessens vor.
Soweit das Landgericht bereits in dem objektiven Ablauf des Beschwerdeverfahrens unter weitgehender Ausschöpfung der Dreitagesfrist einen schwerwiegenden Verstoß gegen das Beschleunigungsgebot sieht,
der den Schluß auf eine böswillige Vorgehensweise des Angeklagten nahelege , geht es, wie oben dargestellt, von einem zu engen Verständnis der dem Richter für die Bearbeitung von Rechtssachen in zeitlicher Hinsicht eingeräumten Spielräume aus. Wenn das Landgericht im einzelnen darlegt, daß der Angeklagte unter Zurückstellung anderer dienstlicher, insbesondere aber privater Belange die Beschwerden schneller als geschehen hätte bearbeiten und weiterleiten können, so mag dies belegen, daß der Angeklagte den hohen Anforderungen, die an das Pflicht- und Verantwortungsbewußtsein eines Richters gerade angesichts der mit der richterlichen Unabhängigkeit verbundenen Freiräume zu stellen sind (vgl. dazu Kissel aaO § 1 Rdn. 3), nicht in ausreichendem Maße gerecht geworden ist. Der Nachweis einer gezielten Verfahrensverzögerung kann damit aber nicht geführt werden.
Auch ist der Inhalt des Telefonats des Angeklagten mit dem Journalisten vom Landgericht nicht erschöpfend gewürdigt worden. Da die Überheblichkeit , die aus der Ä ußerung des Angeklagten spricht, ”er müsse ja nicht gleich springen, wenn Anwälte etwas von ihm wollten”, im Umgang zwischen Richter- und Anwaltschaft unangebracht ist, hatte der Angeklagte allen Anlaß , eine Veröffentlichung dieser von ihm mit Recht als ”nicht zitierfähig” eingeschätzten Bemerkung zu verhindern. Dagegen erscheint es fernliegend , daß der Angeklagte, wie das Landgericht meint, der Auffassung gewesen sein sollte, dem Journalisten mit seiner Ä ußerung einen gezielten Rechtsbruch offenbart zu haben und ihn wegen der Brisanz, die ein solches ”Geständnis” zweifellos hätte, um Verschwiegenheit gebeten hat.
Ä hnliche Erwägungen gelten für das ”Kantinengespräch”. Auch insoweit läßt das Landgericht unberücksichtigt, daß der Angeklagte angesichts der berechtigten Vorhaltungen seiner Kollegen Veranlassung hatte, die schleppende Bearbeitung der Beschwerdevorgänge durch eine falsche Darstellung der wahren Ursachen zu rechtfertigen.
Da das Landgericht das Motiv für eine rechtsbeugerische Verfahrensverzögerung darin sieht, daß der Angeklagte das Risiko einer Aufhebung der Ordnungshaftbeschlüsse durch das Beschwerdegericht und eine Entlassung der Störer aus der Haft vor deren vollständigem Vollzug nicht habe eingehen wollen, hätte es zudem der Darlegung bedurft, weshalb der Angeklagte ein solches Risiko als naheliegend erachtet haben sollte. Ausführungen hierzu waren umso mehr geboten, als das Landgericht zu Gunsten des Angeklagten unterstellt hat, daß dieser die formellen Mängel der Ordnungshaftanordnungen nicht erkannt hat und daß die von ihm getroffenen Entscheidungen vor dem Hintergrund der vorangegangenen massiven Störungen sachlich vertretbar erschienen.
Die aufgezeigten Fehler führen zur Aufhebung des Urteils. Ein vom Generalbundesanwalt beantragter Freispruch durch den Senat kam dagegen nicht in Betracht, weil nicht mit letzter Sicherheit auszuschließen ist, daß ein neuer Tatrichter zu den s ubjektiven Vorstellungen des Angeklagten rechtsfehlerfrei Feststellungen treffen kann, die zu einer Verurteilung nach § 339 StGB führen.

III.


Revision der Staatsanwaltschaft
Soweit die Staatsanwaltschaft mit ihrer zu Ungunsten des Angeklagten eingelegten Revision beanstandet, das Landgericht habe eine Verurteilung des Angeklagten wegen tateinheitlicher Freiheitsberaubung mit rechtsfehlerhafter Begründung abgelehnt, ist ihr – im übrigen nach § 301 StPO auch zu Gunsten des Angeklagten wirkendes – Rechtsmittel begründet.
Auf der Grundlage der vom Landgericht zu den subjektiven Vorstellungen des Angeklagten getroffenen Feststellungen kommt es entgegen der
Rechtsauffassung des Tatrichters nicht darauf an, daß der Angeklagte die Ordnungshaftbeschlüsse für formal und sachlich rechtsfehlerfrei erachtete. Ebensowenig wie der Vorsatz der Rechtsbeugung durch die Vorstellung des Täters, er handele im Ergebnis gerecht, in Frage gestellt wird, wenn sich sein Handeln in schwerwiegender Weise vom Gesetz entfernt und an eigenen Maßstäben anstelle der vom Gesetzgeber statuierten ausrichtet (vgl. BGHSt 32, 357, 360), kann den Richter eine solche Vorstellung bei idealkonkurrierenden Delikten entlasten. Die Anordnung freiheitsberaubender Maßnahmen zu Lasten des Bürgers ist ebenso wie ihre Aufrechterhaltung nur im Rahmen eines ordnungsgemäßen justizförmigen Verfahrens zulässig, zu dem auch die Gewährung eines effektiven Rechtsschutzes unter Beachtung des Beschleunigungsgebots gehört. Sollte der neue Tatrichter daher auf der Grundlage rechtsfehlerfrei getroffener Feststellungen erneut zu dem Ergebnis gelangen, daß der Angeklagte durch eine verzögerte Weiterleitung der Beschwerden an das Oberlandesgericht die Freilassung der inhaftierten Zuhörer zu einem früheren Zeitpunkt gezielt verhindert hat, wird der Angeklagte auch wegen tateinheitlich begangener Freiheitsberaubung zu verurteilen sein.
Harms Häger Tepperwien Raum Brause

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
1 StR 201/09
vom
24. Juni 2009
in der Strafsache
gegen
wegen Rechtsbeugung u.a.
Der 1. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat am 24. Juni 2009 beschlossen:
Die Revision des Angeklagten gegen das Urteil des Landgerichts Stuttgart vom 14. November 2008 wird als unbegründet verworfen. Der Beschwerdeführer hat die Kosten des Rechtsmittels zu tragen.

Gründe:


1
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen Rechtsbeugung in 47 Fällen und versuchter Rechtsbeugung in sieben Fällen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von drei Jahren und sechs Monaten verurteilt. Die hiergegen gerichtete, auf die Rüge der Verletzung formellen und materiellen Rechts gestützte Revision des Angeklagten hat keinen Erfolg. Das Rechtsmittel ist aus den Gründen der Antragsschrift des Generalbundesanwalts unbegründet im Sinne des § 349 Abs. 2 StPO. Ergänzend bemerkt der Senat:
2
1. Die rechtsfehlerfrei getroffenen Feststellungen tragen den Schuldspruch der Rechtsbeugung gemäß § 339 StGB. Rechtsbeugung kann auch durch den Verstoß gegen Verfahrensvorschriften begangen werden (vgl. BGHSt 42, 343, 344; BGHR StGB § 339 Rechtsbeugung 6; jew. m.w.N.). Allerdings ist nicht jeder Rechtsverstoß als „Beugung“ des Rechts anzusehen, vielmehr enthält dieses Tatbestandsmerkmal ein normatives Element und soll nur Verstöße gegen die Rechtspflege erfassen, bei denen sich der Täter bewusst und in schwerer Weise zugunsten oder zum Nachteil einer Partei von Recht und Gesetz entfernt (vgl. BGHSt aaO m.w.N.). Solche elementaren Rechtsverstöße liegen hier vor.
3
a) Nach den Feststellungen hat der Angeklagte als am Amtsgericht tätiger Richter in Betreuungssachen in den 54 verfahrensgegenständlichen Fällen gegenüber in Pflegeheimen befindlichen Personen freiheitsentziehende Maßnahmen nach § 1906 Abs. 1 bzw. Abs. 4 BGB - wie etwa die Anbringung von Bettgittern, die Fixierung im Bett, Sessel oder Rollstuhl oder die Verwendung einer Schutzdecke, aber auch die Verlängerung der Unterbringung - genehmigt und dabei entgegen der ihm bekannten gesetzlichen Verpflichtung aus § 70c FGG systematisch darauf verzichtet, die Betroffenen zuvor persönlich anzuhören und sich einen unmittelbaren Eindruck von ihnen zu verschaffen. Hierdurch wollte der Angeklagte die Verfahren leichter und schneller entscheiden können und sich Arbeit ersparen, namentlich auch, um mehr Zeit für Familie, Hobbys und Nebentätigkeiten zu haben (UA S. 8, 70). Um den Anschein ordnungsgemäß durchgeführter Anhörungen zu erwecken, erstellte der Angeklagte formularmäßig vorgefertigte Anhörungsprotokolle, die er zu den Verfahrensakten nahm. In sieben Fällen dokumentierte er damit Anhörungen von Personen, die zum angeblichen Zeitpunkt der Anhörung bereits verstorben waren. Als er in einem Fall von der Geschäftsstelle im Amtsgericht angesichts einer Todesmitteilung darauf hingewiesen wurde, dass der Betroffene am Tag der angeblichen Anhörung bereits verstorben gewesen sei, veränderte der Angeklagte nachträglich den Inhalt der Verfahrensakten.
4
b) Mit dem systematischen Verstoß gegen die Anhörungspflicht aus § 70c FGG bei gleichzeitiger Vorspiegelung einer verfahrensrechtlich ordnungsgemäßen Vorgehensweise mit fingierten Anhörungsprotokollen hat sich der Angeklagte in einer derart schweren Weise bewusst von Recht und Gesetz entfernt, dass darin ein elementarer Rechtsverstoß zu sehen ist.
5
aa) Die gesetzlich vorgeschriebene Anhörungspflicht aus § 70c FGG verfolgt nicht nur den Zweck, dass der Betroffene in den Entscheidungsprozess einbezogen wird, indem ihm rechtliches Gehör im allgemeinen Sinne gewährt wird (Jansen/Sonnenfeld, FGG 3. Aufl. § 70c Rdn. 3); vielmehr soll die Vorschrift auch sicherstellen, dass das Gericht in Unterbringungssachen und Betreuungssachen seiner Kontrollfunktion gegenüber Zeugen und Sachverständigen besser gerecht werden kann. Das Gericht darf bei derart wichtigen Angelegenheiten, die die Freiheitsgrundrechte der von den jeweiligen Maßnahmen Betroffenen berühren, keine Entscheidungen ohne eigene Anschauungsgrundlage nur auf Grund von Beweismitteln treffen (vgl. BTDrucks. 11/ 4528 S. 90; Jansen/Sonnenfeld aaO Rdn. 1). Nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts ist zudem unverzichtbare Voraussetzung für ein rechtsstaatliches Verfahren, dass Entscheidungen, die den Entzug der persönlichen Freiheit betreffen, auf zureichender richterlicher Sachaufklärung beruhen und eine in tatsächlicher Hinsicht genügende Grundlage haben, die der Bedeutung der Freiheitsgarantie entspricht (vgl. BVerfG NJW 1998, 1774). Demnach haftet einer Unterbringungsmaßnahme, die unter Verstoß gegen das Gebot vorheriger persönlicher Anhörung ergeht, der Makel einer rechtswidrigen Freiheitsentziehung an, der rückwirkend nicht mehr zu heilen ist (BVerfG NJW 1990, 2309, 2310 m.w.N.).
6
bb) Der Angeklagte hat in den ihm zur Last liegenden Fällen über die Anträge nach § 1906 BGB entweder allein nach Aktenlage entschieden oder aufgrund von Informationen, die er aus kurzen, oberflächlichen Gesprächen mit dem Pflegepersonal über den Zustand der Betroffenen erlangt hatte. In keinem der Fälle hat der Angeklagte die Betroffenen persönlich angehört oder sich einen unmittelbaren Eindruck von deren Zustand im Pflegeheim verschafft. Er hat dabei seine richterliche Pflicht zur Anhörung nicht nur im Einzelfall, etwa aus beruflicher Überlastung, vernachlässigt, sondern hat aus sachfremden Erwägungen , nämlich „um seine Freizeit zu optimieren“ (UA S. 70), systematisch auf Anhörungen verzichtet. Damit hat er die mit der Anhörungspflicht bezweckte Stärkung der Rechtsposition von Personen im Verfahren, die aufgrund ihres Alters oder Gesundheitszustandes in besonderem Maße schutzbedürftig sind (vgl. BTDrucks. 11/4528 S. 89), durch seine Vorgehensweise wieder aufgehoben. Da er sich nicht einmal einen persönlichen Eindruck von den Betroffenen verschaffte, fehlte ihm zudem eine wichtige Entscheidungsgrundlage für die Genehmigung der beantragten Maßnahmen.
7
cc) Durch den systematischen Verzicht auf die Durchführung der richterlichen Anhörungen hat der Angeklagte mit der Genehmigung der freiheitsentziehenden Maßnahmen gemäß § 1906 Abs. 1 bzw. Abs. 4 BGB bewusst einen Rechtsbruch zum Nachteil der Betroffenen begangen. Er hat die Betroffenen durch den Verstoß gegen seine Anhörungspflicht nach § 70c FGG aus sachfremden Erwägungen, nämlich um mehr Freizeit zu haben, nicht nur der konkreten Gefahr eines Nachteils ausgesetzt (vgl. BGHSt 42, 343), sondern hat ihre Rechtsstellung durch die Genehmigung der jeweiligen Maßnahme in der Sache bereits unmittelbar verletzt. Denn weder der persönliche Eindruck noch Wünsche oder sonstige möglichen Äußerungen, die sich auf die Entscheidung hätten auswirken können, wurden so Entscheidungsgrundlage. Der Verfahrensverstoß führte somit in jedem Einzelfall auch zu einer sachlich-rechtlich fehlerhaften Entscheidung. Entgegen der Auffassung der Revision liegt damit der Schwerpunkt der Vorwerfbarkeit nicht in einem Unterlassen der nach § 70c FGG gebotenen Anhörung, sondern in der Genehmigung freiheitsentziehender Maßnahmen auf unzureichender Entscheidungsgrundlage. Die hypothetische Frage, ob der Angeklagte im Falle einer durchgeführten Anhörung ebenfalls zu einer Genehmigung der jeweiligen Maßnahme gelangt wäre, ist für die Frage, ob sich der Angeklagte „zum Nachteil einer Partei der Beugung des Rechts schuldig“ gemacht hat, ohne Bedeutung. Denn dies ließe die Beugung des Rechts, nämlich die Sachentscheidung auf unvollständiger Grundlage und damit die Verletzung der Rechtsposition der Betroffenen, nicht entfallen.
8
c) Die Feststellungen tragen auch den Tatvorsatz des Angeklagten. Der Vorsatz muss sich darauf richten, das Recht zugunsten oder zuungunsten einer Partei zu verletzen; einer besonderen Absicht bedarf es nicht (vgl. Fischer, StGB § 339 Rdn. 17). Diese Voraussetzungen sind hier erfüllt. Es begegnet keinen rechtlichen Bedenken, dass das Landgericht den Umstand, dass dem Angeklagten die Schwere der von ihm begangenen Verfahrensverstöße zum Nachteil der Betroffenen bewusst war, aus seinen Verschleierungshandlungen geschlossen hat.
9
Um den Anschein einer ordnungsgemäßen Anhörung zu erwecken, hatte der Angeklagte ein Formular entwickelt, auf dem sich Kästchen zum Ankreuzen befanden, die den gesundheitlichen Zustand des Betroffenen, wie z.B. „nicht ansprechbar“ bzw. „ansprechbar und allseits / teilweise / nicht orientiert“, dokumentieren sollten. Außerdem hatte er auf dem Formular folgenden Satz vorformuliert : „D. Betroffene äußerte zum Grund der Anhörung: nichts.“. In den ihm zur Last liegenden Fällen legte der Angeklagte jeweils ein auf den Tag der Beschlussfassung datiertes Anhörungsprotokoll bei, obwohl er eine Anhörung gemäß § 70c FGG überhaupt nicht durchgeführt hatte. Der Angeklagte hat hierdurch inhaltlich unzutreffende Dokumente zu Aktenbestandteilen der Verfahrensakten gemacht, um auf diese Weise einen den gesetzlichen Vorschriften entsprechenden Verfahrensablauf vorzutäuschen. Im Hinblick auf die Vielzahl der Fälle, in denen der Angeklagte die von ihm begangenen schweren Verfahrensverletzungen planvoll vertuscht hat, ist die Annahme des Landgerichts, dass der Angeklagte bewusst und aus sachfremden Motiven, namentlich um seine Freizeit zu optimieren, das Recht gebeugt hat, revisionsgerichtlich nicht zu beanstanden. Bereits das systematische Vorgehen zur Vermehrung der eigenen Freizeit legt nahe, dass das Handeln des Angeklagten nicht am Wohl der Betroffenen ausgerichtet war.
10
2. Der Strafausspruch hält ebenfalls revisionsgerichtlicher Nachprüfung stand. Es beschwert den Angeklagten nicht, dass es das Landgericht nicht auszuschließen vermochte, „dass die vom Angeklagten genehmigten Maßnahmen tatsächlich erforderlich waren, seine Entscheidungen damit materiell richtig waren“ , ohne dies im Einzelfall tatsächlich ermittelt zu haben. RiBGH Dr. Kolz befindet sich in Urlaub und ist deshalb an der Unterschrift gehindert. Nack Nack Hebenstreit Elf Jäger
Nachschlagewerk: ja
BGHSt : nein
Veröffentlichung : ja
Zur unerlässlichen Mitwirkung eines dritten Berufsrichters in
einem wegen komplexer Rechtsbeugungsvorwürfe umfangreichen
und schwierigen Strafverfahren.
BGH, Beschluss vom 7. Juli 2010 – 5 StR 555/09
LG Potsdam –

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
vom 7. Juli 2010
in der Strafsache
gegen
1.
2.
wegen Rechtsbeugung u. a.
Der 5. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat am 7. Juli 2010

beschlossen:
Auf die Revisionen der Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Potsdam vom 19. Juni 2009 nach § 349 Abs. 4 StPO mit den Feststellungen aufgehoben.
Die Sache wird zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Rechtsmittel, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.
G r ü n d e
1
Das Landgericht hat die Angeklagten wegen Rechtsbeugung in Tateinheit mit schwerer Freiheitsberaubung verurteilt. Gegen den Angeklagten M. hat es eine zur Bewährung ausgesetzte Freiheitsstrafe von zwei Jahren verhängt, gegen den Angeklagten P. eine solche von einem Jahr und acht Monaten. Zur Kompensation rechtsstaatswidriger Verfahrensverzögerung sind jeweils sechs Monate Freiheitsstrafe als vollstreckt erklärt worden.

A.


2
Das Landgericht hat seiner Verurteilung im Wesentlichen folgende Feststellungen zugrunde gelegt:
3
Der Beschwerdeführer M. führte als Richter am Amtsgericht den Vorsitz in einer Schöffengerichtssache gegen B. A. vor dem Amtsgericht Eisenhüttenstadt. A. wurde zur Last gelegt, als Nachlasspfleger in sechs Fällen Nachlassvermögen in Höhe von insgesamt etwa 400.000 € veruntreut zu haben. Am 30. Juni 2005 verurteilte ihn das Schöf- fengericht unter Vorsitz des Beschwerdeführers M. schließlich zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von vier Jahren. M. war nach dem Jahresgeschäftsverteilungsplan des Amtsgerichts lediglich noch für die Erledigung dieses schöffengerichtlichen Verfahrens zuständig, dessen Hauptverhandlung am 16. Dezember 2004 begonnen hatte. Im Übrigen (90 %) war er an das Landgericht Frankfurt/Oder abgeordnet. Der Beschwerdeführer P. ist Oberstaatsanwalt und nahm als Sitzungsvertreter der Staatsanwaltschaft Frankfurt/Oder an der überwiegenden Anzahl der Hauptverhandlungstage teil.
4
A. ließ sich im Strafverfahren unter anderem von Rechtsanwalt R. verteidigen. Darüber war der Beschwerdeführer M. von Beginn an sehr ungehalten, weil er R. verdächtigte, an der Vortat des A. beteiligt gewesen zu sein. Er rechnete daher damit, dass R. Konfliktverteidigung betreiben würde, „um von seiner eigenen Tatbeteiligung abzulenken sowie die Aufklärung des Sachverhalts zu verzögern und zu erschweren“ (UA S. 13). Er war deshalb bestrebt, „R. möglichst rasch der Beteiligung an den Taten des B. A. zu überführen und ihn auf diese Weise auch aus dem gegen B. A. anhängigen Strafverfahren auszuschließen“ (UA S. 13). Seine im April 2004 erfolgte Vorlage an das Brandenburgische Oberlandesgericht mit dem Ziel, R. gemäß §§ 138a, 138c StPO als Tatbeteiligten auszuschließen, war ohne Erfolg geblieben (UA S. 14). Deshalb beschloss er, „selbst gegen Rechtsanwalt R. zu ermitteln und ihn mit Zwangsmaßnahmen zu überziehen“ (UA S. 14). Dabei war ihm bekannt, dass sowohl gegen R. als auch gegen A. s Ehefrau C. von der Staatsanwaltschaft wegen des Verdachts der Geldwäsche Ermittlungsverfahren eingeleitet worden waren. Der auch für das Verfahren gegen B. A. zuständige Dezernent, Staatsanwalt B. , erhob später, im Juni 2006, gegen R. und C. A. wegen Geldwäsche Anklage. Zum Ausgang dieses Verfahrens hat die Strafkammer keine Feststellungen getroffen.
5
In dem Schöffengerichtsverfahren wurde der Beschwerdeführer M. am 24. März 2005 (7. Hauptverhandlungstag) durch B. A. wegen Besorgnis der Befangenheit abgelehnt. Begründet wurde das Ablehnungsgesuch maßgeblich mit der Berichterstattung des früheren Direktors des Amtsgerichts Eisenhüttenstadt W. Oder-Spree- im Fernsehen vom Vortag. Dieser nahm als Prozessberichterstatter an einer Vielzahl der Sitzungstage teil und kommentierte über diesen Sender „tendenziös zu Lasten“ des Angeklagten A. und des Verteidigers Rechtsanwalt R. das Prozessgeschehen; dabei verfügte er aus Sicht der Verteidigung A. s über Informationen, die er nur von M. erlangt haben konnte (UA S. 29).
6
Am 7. April 2005 (8. Hauptverhandlungstag) wurde der Beschwerdeführer M. erneut abgelehnt. Grund dafür war seine wörtliche Äußerung (UA S. 31): „Hier gilt doch nicht die StPO, hier gilt doch die HPO. Die kennen Sie doch? Die kennt nur einen Paragraphen und der heißt: Der Strafprozess beginnt mit der Vollstreckung, alles weitere bestimmt der Vorsitzende !“ Mit der Wendung „HPO“ meinte M. eine sogenannte „Hüttenstädter Prozessordnung“, mit der er Rechtsanwalt R. die Macht des Vorsitzenden demonstrieren wollte (UA S. 31). Die Ablehnungsgesuche wurden am 11. April 2005 (UA S. 36) und 21. April 2005 (UA S. 45) jeweils durch M. s Vertreterin zurückgewiesen.
7
Ebenfalls am achten Hauptverhandlungstag überreichte der als Zeuge vernommene Rechtsanwalt R. Ablichtungen eines Kaufvertrags über die Veräußerung seines Kraftfahrzeugs an C. A. . Der Beschwerdeführer M. nahm an, dass der Kaufvertrag rückdatiert worden sei, erhob sich, „warf seine Robe nach hinten, deutete auf den Zeugen R. und rief: ‚Sie sind festgenommen!’. Er hatte bereits vor dieser Sitzung den Entschluss gefasst, den Zeugen R. , B. A. und dessen Ehefrau festnehmen zu lassen, und dies mit P. besprochen, weil er sichergehen wollte , dass dieser die entsprechenden Haftbefehlsanträge stellen würde“ (UA S. 33). Entsprechend erhielt der Beschwerdeführer M. vom Beschwerdeführer P. drei vorbereitete schriftliche Anträge, mit denen dieser die Anordnung der Untersuchungshaft gegen B. A. wegen Untreue sowie gegen R. und C. A. wegen Geldwäsche und Begünstigung , bezüglich R. auch wegen uneidlicher Falschaussage beantragte. Sämtliche Anträge waren auf den Haftgrund der Verdunkelungsgefahr sowie bei R. zusätzlich auf Fluchtgefahr gestützt. Der Beschwerdeführer M. vergab für die Haftbefehlsanträge betreffend R. und C. A. gerichtliche Aktenzeichen mit Gs-Registerzeichen, beschloss die Verbindung der Ermittlungsverfahren gegen R. und C. A. mit dem von ihm geführten Strafverfahren gegen B. A. und ordnete antragsgemäß Untersuchungshaft gegen alle drei an. R. und B. A. wurden im Sitzungssaal, C. A. acht Minuten später an ihrer Arbeitsstelle festgenommen.
8
Beiden Beschwerdeführern war bewusst, dass M. für eine eigenmächtige Verbindung der bei der Staatsanwaltschaft anhängigen und noch nicht abgeschlossenen Ermittlungsverfahren ebenso wenig zuständig war wie für den Erlass von Haftbefehlen in diesen Ermittlungsverfahren. Sie wollten insbesondere „in Kenntnis des Fehlens tragender Haftgründe im Umgang mit einer vermeintlichen Konfliktverteidigung ein Exempel statuieren“ und gingen davon aus, dass „der Erlass der Haftbefehle durch einen anderen Richter, ebenso wie die Beantragung der Haftbefehle durch einen anderen Vertreter der Staatsanwaltschaft höchstwahrscheinlich nicht zu erreichen gewesen wäre“ (UA S. 36/37).
9
Am 14. April 2005 (9. Hauptverhandlungstag) wurden R. und C. A. als Zeugen vernommen. Zwischenzeitlich war es auf Betreiben von Staatsanwalt B. zu Unterredungen mit dem Leitenden Oberstaatsanwalt gekommen, in deren Folge Staatsanwalt B. am 14. April 2005 die Entlassung von R. aus der Untersuchungshaft anordnete. Am folgenden Tag beschloss der Beschwerdeführer M. „in den Straf- und Ermittlungsverfahren“ gegen B. und C. A. sowie R. , dass die Haftbefehle gegen den Angeklagten A. sowie die „Beschuldigte“ C. A. aufgehoben werden, weil sich im Hinblick auf die Entlassung des „Beschuldigten“ R. der weitere Vollzug der Untersuchungshaft als unverhältnismäßig darstelle (UA S. 45); am selben Tag ordnete er ihre Entlassung an und hob später auch den Haftbefehl gegen R. sowie den Verbindungsbeschluss auf.

B.


10
Die Revisionen haben bereits mit Besetzungsrüge Erfolg. Zu Recht beanstanden die Beschwerdeführer, dass die Strafkammer unter Verstoß gegen § 76 Abs. 2 Satz 1 GVG mit nur zwei Berufsrichtern besetzt gewesen ist. Die fehlerhafte Besetzung des erkennenden Gerichts hat als absoluter Revisionsgrund die Aufhebung des Urteils zur Folge (§ 338 Nr. 1 StPO).
11
I. Den Rügen liegt folgender prozessualer Sachverhalt zugrunde:
12
1. Die Staatsanwaltschaft hat gegen die Beschwerdeführer unter dem 30. August 2007 Anklage wegen gemeinschaftlich begangener Rechtsbeugung und Freiheitsberaubung zum Landgericht Frankfurt/Oder erhoben. Den zunächst ergangenen Nichteröffnungsbeschluss hat das Brandenburgische Oberlandesgericht am 29. Juli 2008 auf sofortige Beschwerde der Staatsanwaltschaft aufgehoben und das Hauptverfahren vor dem Landgericht Potsdam eröffnet. Das Landgericht hat mit Beschluss vom 6. Februar 2009 nach § 76 Abs. 2 Satz 1 GVG von der Mitwirkung eines dritten Berufsrichters ohne Angabe von Gründen abgesehen; den von den Beschwerdeführern jeweils vor ihrer Vernehmung zur Sache erhobenen Besetzungseinwand, gestützt auf eine unvertretbare reduzierte Gerichtsbesetzung nach § 76 Abs. 2 Satz 1 GVG, hat das Landgericht (in der für die Hauptverhandlung vorgesehenen Besetzung) zurückgewiesen und zur Begründung mitgeteilt: „Die Kammer hält sich für ordnungsgemäß besetzt. Eine willkürliche Entscheidung über die Besetzung ist nach hiesiger Meinung nicht erkennbar.“
13
2. Den bestreitenden Beschwerdeführern wurden durch die Anklageschrift „mehrere evidente Rechtsverstöße“, begangen zum Nachteil der Eheleute A. sowie des Rechtsanwalts R. , als einheitliche Tat der Rechtsbeugung und Freiheitsberaubung zur Last gelegt. Im Zeitpunkt der Eröffnungsentscheidung belief sich der Umfang der Leitakte bereits auf mehr als 900 Seiten.
14
Überdies oblag der Strafkammer die Aufklärung des komplexen Ausgangsverfahrens gegen B. A. , das ursprünglich zum Landgericht angeklagt , aber mit Blick auf die zu erwartende Rechtsfolge vor dem Schöffengericht eröffnet worden war. Unter dem Vorsitz des Beschwerdeführers M. war darüber mehr als ein halbes Jahr an 14 Hauptverhandlungstagen auch unter Hinzuziehung eines Sachverständigen verhandelt worden. Die Hauptaktenbände umfassten etwa 1.600 Seiten, wurden ebenso wie die Hauptakten der Ermittlungsverfahren gegen R. und C. A. (Umfang etwa 800 Seiten) als Kopieakten beigezogen und in der Darstellung der Beweismittel in der Anklageschrift berücksichtigt. Nach dem – durch die Gegenerklärung unwidersprochen gebliebenen (vgl. zur Bedeutung der Revisionsgegenerklärung Drescher NStZ 2003, 296, 300) – Revisionsvortrag umfassten allein die beigezogenen Verfahrensakten – ersichtlich nebst Beiakten – insgesamt mehr als 7.000 Seiten.
15
3. In der Hauptverhandlung gegen die beiden Beschwerdeführer traten vor dem Landgericht neben den Verteidigern zwei Nebenkläger mit jeweils einem anwaltlichen Beistand auf. Die Strafkammer terminierte zunächst sechs Hauptverhandlungstage und lud dazu 13 Zeugen; insgesamt verhandelte sie anschließend noch an vier weiteren Tagen bis zur Urteilsverkündung.
16
II. Den Besetzungsrügen kann der Erfolg nicht versagt werden. Durch die Verhandlung und Entscheidung in der Besetzung mit nur zwei Berufsrichtern hat die Strafkammer § 76 Abs. 2 Satz 1 GVG verletzt, weil der Umfang der Sach- und Rechtslage die Mitwirkung eines dritten Berufsrichters notwendig machte.
17
1. Gemäß § 76 Abs. 2 Satz 1 GVG beschließt die – nicht als Schwurgericht zuständige – große Strafkammer bei der Eröffnung des Hauptverfahrens , dass sie in der Hauptverhandlung mit nur zwei Berufsrichtern einschließlich des Vorsitzenden besetzt ist, es sei denn, nach dem Umfang oder der Schwierigkeit der Sache erscheint die Mitwirkung eines dritten Berufsrichters erforderlich. Bei dieser Entscheidung steht der Strafkammer kein Ermessen zu; sie hat die Dreierbesetzung zu beschließen, wenn diese nach dem vorgenannten Maßstab notwendig erscheint. Jedoch ist dem Tatgericht bei der Auslegung der gesetzlichen Merkmale ein weiter Beurteilungsspielraum eröffnet, der die Umstände des Einzelfalles zu berücksichtigen hat (BGHSt 44, 328, 334; BGH NStZ 2004, 56; StV 2004, 250, 251; Kissel /Mayer, GVG 6. Aufl. § 76 Rdn. 4). Maßgebend für die Bewertung des Umfangs der Sache sind etwa die Zahl der Angeklagten, Verteidiger und erforderlichen Dolmetscher, die Anzahl der angeklagten Taten, der Zeugen sowie anderer Beweismittel, namentlich die Notwendigkeit von Sachverständigengutachten , der Umfang der Akten sowie die voraussichtliche Dauer der Hauptverhandlung (BGHR GVG § 76 Abs. 2 Beurteilungsspielraum 3).
18
2. Bleibt im Einzelfall zweifelhaft, welche Gerichtsbesetzung für die sachgerechte Verfahrensbehandlung geboten ist, gebührt der Dreierbesetzung wegen ihrer gegenüber der reduzierten Besetzung strukturellen Überlegenheit , die sich bereits vor der 1993 erfolgten Einführung des § 76 Abs. 2 GVG bewährt hatte, der Vorrang (vgl. BGHSt 44, 328, 334; BGH JR 2004, 170). Die Beteiligung mehrerer Berufsrichter neben dem Vorsitzenden ist besonders geeignet, Aufgaben insbesondere auch in der Hauptverhandlung sachgerecht aufzuteilen, den Tatsachenstoff intensiver zu würdigen und schwierige Rechtsfragen besser zu bewältigen (vgl. BGH JR aaO; BTDrucks 12/1217 S. 46 f.). Die Besetzung der Strafkammer hat so unmittelbaren Einfluss auf die Qualität des Erkenntnisverfahrens; eine reguläre Besetzung der Strafkammer ermöglicht insbesondere eine straffe, effektive – und damit auch ressourcenschonende – Verhandlungsführung. Die Würdigung des Tatsachenstoffs und der Rechtsfragen durch drei Richter gewährleistet ferner die von der einzigen Tatsacheninstanz im Rechtszug geforderte hohe Qualität tatgerichtlicher Erkenntnis (BTDrucks aaO).
19
Der Senat merkt in diesem Zusammenhang an, dass die Rechtspraxis , soweit ersichtlich, den gebotenen sensiblen Umgang der großen Strafkammern mit der Besetzungsreduktion derzeit nicht widerspiegelt; anders ist ihre oftmals überwiegende, bei manchen Landgerichten ausschließliche Inanspruchnahme nicht erklärlich (vgl. BTDrucks 14/2777 S. 2 f.; 14/3831 S. 5; 16/3038 S. 32). Der Senat hielte es demgegenüber grundsätzlich für angezeigt , den der Beurteilung des Tatrichters unterstehenden Rechtsbegriff des Umfangs der Sache auch dahingehend weiter zu konturieren, dass jedenfalls bei einer im Zeitpunkt der Eröffnung des Hauptverfahrens absehbaren Verhandlungsdauer von wenigstens zehn Hauptverhandlungstagen von der Mitwirkung eines dritten Berufsrichters grundsätzlich nicht abgesehen werden darf (vgl. zu dieser Schwelle BGHSt 52, 355, 362; Becker in Löwe /Rosenberg, StPO 26. Aufl. § 229 Rdn. 2; Gollwitzer in Löwe/Rosenberg, StPO 25. Aufl. § 275 Rdn. 2). Ausnahmen mögen insbesondere bei weniger komplexen Verfahren möglich sein, wenn deren Umfang etwa allein durch eine Vielzahl für sich jeweils ganz einfach gelagerter Fälle bedingt ist.
20
3. Der absolute Revisionsgrund nach § 338 Nr. 1 StPO wegen eines Verstoßes gegen § 76 Abs. 2 Satz 1 GVG liegt jedenfalls bei einer auf sachfremde Erwägungen gestützten Besetzungsentscheidung oder bei einem unvertretbaren Überschreiten des Beurteilungsspielraums durch das Tatgericht vor. Unter solchen Voraussetzungen ist die Anordnung reduzierter Besetzung objektiv willkürlich (vgl. BGHSt 44, 328, 333 ff.; BGHR GVG § 76 http://www.juris.de/jportal/portal/t/362m/page/jurisw.psml?pid=Dokumentanzeige&showdoccase=1&js_peid=Trefferliste&documentnumber=1&numberofresults=2&fromdoctodoc=yes&doc.id=BJLU034439337&doc.part=S&doc.price=0.0#focuspoint - 10 - Abs. 2 Beurteilungsspielraum 3; BGH NStZ 2004, 56; Siolek in Löwe /Rosenberg, StPO 25. Aufl. § 76 GVG Rdn. 16; Diemer in KK 6. Aufl. § 76 GVG Rdn. 3; Kissel/Mayer aaO § 76 Rdn. 5; Schlothauer StV 1993, 147, 150). Diese Voraussetzungen sind hier nach den Kriterien sowohl des Umfangs als auch der Schwierigkeit der Sache erfüllt.
21
Nur scheinbar waren nach dem konkreten Anklagesatz wenige Rechtsbeugungshandlungen aufzuklären, die an drei Hauptverhandlungstagen begangen wurden. Von Beginn an war evident, dass tatgerichtliche Feststellungen allein dieser Verfahrenshandlungen unzureichend sein würden. Gerade wegen der tatbestandlich gebotenen Bewertung der Verfahrensfehler im Rahmen des § 339 StGB war ersichtlich auch die aufwendige Rekonstruktion weiter Teile und Hintergründe des für sich bereits komplexen Ausgangsverfahrens vor dem Schöffengericht unerlässlich (§ 244 Abs. 2 StPO). Nur auf diese Weise konnte die Strafkammer ausschließen, dass die angeklagten Handlungen nicht etwa sachgerecht, vertretbar oder letztlich gar geboten waren.
22
Im Zeitpunkt der Besetzungsentscheidung lag daher auf der Hand, dass die von der Staatsanwaltschaft beigezogenen umfangreichen, mehrere tausend Seiten umfassenden Verfahrensakten aus dem zudem in der Sache komplizierten Strafverfahren gegen B. A. einschließlich der Ermittlungsakten der Verfahren gegen Rechtsanwalt R. und C. A. auszuwerten waren. Anhand dessen waren insbesondere die Hintergründe der von den Beschwerdeführern vermuteten Beteiligung von R. und C. A. an den Taten des B. A. durch die Strafkammer aufzuklären.
23
Der so ohnehin bereits erhebliche und komplexe Verhandlungsumfang wurde weiter geprägt durch die Auseinandersetzung mit verschiedenen, sämtlich anwaltlich beratenen Verfahrensbeteiligten, die voraussehbar jeweils unterschiedliche Interessen verfolgten. Dabei zeichnete sich schon durch die ausführlichen gegensätzlichen Gerichtsentscheidungen über die Eröffnung des Hauptverfahrens eine Auseinandersetzung über streitige, mindestens teilweise nicht alltägliche Rechts- und Verfahrensfragen ab. Diese Gesichtspunkte wurden hier auch nicht etwa entkräftet durch eine einfach gelagerte Beweisaufnahme (vgl. BGHSt 44, 328, 335 f.; BGHR GVG § 76 Abs. 2 Beurteilungsspielraum 3; BGH JR 2004, 170, 171). Vielmehr ließen auch die drohenden dienstrechtlichen Folgen einer Verurteilung für die nicht geständigen Beschwerdeführer von Anfang an erkennen, dass eine aufwendige und kontroverse Beweisaufnahme zu bewältigen sein würde.
24
Nach all dem war die Besetzungsentscheidung ebenso wie der nicht näher begründete, den Besetzungseinwand zurückweisende Gerichtsbeschluss nicht mehr vertretbar. Die Strafkammer hätte auf den Einwand hin die Besetzungsentscheidung aufheben müssen (BGH JR 2004, 170, 171). Das Vorliegen des absoluten Revisionsgrundes nach § 338 Nr. 1 StPO hat die Aufhebung und Zurückverweisung der Sache zur Folge, über die eine große Strafkammer in nicht reduzierter Besetzung zu entscheiden haben wird.

C.


25
Auf die sonstigen erhobenen Verfahrensrügen und die – nicht etwa zu einer begünstigenden Durchentscheidung führenden – sachlichrechtlichen Beanstandungen der Revisionen der Beschwerdeführer kommt es danach nicht mehr an. Der Senat sieht jedoch mit Blick auf das weitere Verfahren Anlass zu folgenden ergänzenden Bemerkungen:
26
I. Die von der Strafkammer getroffenen Feststellungen zum Verfahren gegen B. A. vor dem Amtsgericht Eisenhüttenstadt sind – möglicherweise gar infolge der reduzierten Strafkammerbesetzung – derart zusammenhanglos und lückenhaft, dass sie eine sachlichrechtliche Überprüfung einiger der den Beschwerdeführern zur Last gelegten Verfahrenshandlungen http://www.juris.de/jportal/portal/t/1c1d/page/jurisw.psml?pid=Dokumentanzeige&showdoccase=1&js_peid=Trefferliste&documentnumber=1&numberofresults=2&fromdoctodoc=yes&doc.id=KORE301549700&doc.part=K&doc.price=0.0#focuspoint [Link] http://www.juris.de/jportal/portal/t/1clq/page/jurisw.psml?pid=Dokumentanzeige&showdoccase=1&js_peid=Trefferliste&documentnumber=1&numberofresults=1&fromdoctodoc=yes&doc.id=KORE301549700&doc.part=K&doc.price=0.0#focuspoint - 12 - für den Senat weitgehend nicht ermöglichen würden. Dies gilt namentlich für eine willkürliche Annahme von Haftgründen.
27
Darüber hinaus stellen Verfahrensrügen des Beschwerdeführers M. die Feststellungen zu ihm vorgeworfenen rechtsbeugerischen Verfahrenshandlungen teilweise in Frage. Dies gilt beispielsweise für die Feststellung der Haftgründe gegen Rechtsanwalt R. , wie für die Initiative des Beschwerdeführers M. in dem gegen diesen betriebenen Ausschließungsverfahren nach §§ 138a ff. StPO.
28
II. Der Senat merkt andererseits an: Im Gewicht von Verfahrensverstößen kann ein tragfähiges Indiz für eine sachwidrige Motivation im Sinne des § 339 StGB liegen. Weitere Indizien können sich aus den festzustellenden Begleitumständen ergeben.
29
1. Die Strafkammer geht zu Recht davon aus, dass Rechtsbeugung auch durch den Verstoß gegen Verfahrensvorschriften begangen werden kann (vgl. BGHSt 42, 343, 344; 47, 105, 109; BGHR StGB § 339 Rechtsbeugung 6; jeweils m.w.N.). Um nicht in jedem Rechtsverstoß bereits eine „Beugung“ des Rechts zu sehen, enthält das Tatbestandsmerkmal ein normatives Element; erfasst werden sollen davon nur elementare Verstöße gegen die Rechtspflege, bei denen sich der Täter bewusst und in schwerer Weise zugunsten oder zum Nachteil einer Partei von Recht und Gesetz entfernt (vgl. BGHSt 32, 357, 364; 34, 146, 149; 38, 381, 383; 42, 343, 345; 47, 105, 109 ff.; BGHR StGB § 339 Rechtsbeugung 7; BGH, Beschluss vom 29. Oktober 2009 – 4 StR 97/09 Tz. 10) und dadurch die konkrete Gefahr einer falschen Entscheidung begründet, ohne dass allerdings ein Vor- oder Nachteil tatsächlich eingetreten sein muss (BGHSt 42, 343, 346, 351; BGHR StGB § 339 Rechtsbeugung 6).
30
2. Für die Erfüllung des ungeschriebenen tatbestandlichen Regulativs der konkreten Gefahr einer sachfremden Entscheidung (vgl. BGHSt 32, 357, 364) kann es sprechen, wenn ein Richter eine Entscheidung zum Nachteil einer Partei unter bewusster Begehung eines schwerwiegenden Verfahrensfehlers trifft. Ein derartiger schwerwiegender Verstoß kann in einer willkürlichen Zuständigkeitsbegründung als Missachtung des rechtsstaatlich besonders bedeutsamen Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG jedenfalls dann liegen, wenn diese eine Verletzung weiterer wesentlicher grund- oder konventionsrechtlicher Rechtspositionen des Betroffenen bewirkt.
31
a) Der Beschwerdeführer M. war nach den bislang getroffenen Feststellungen für die Anordnung von Untersuchungshaft gegen R. und C. A. nicht zuständig. Nach der Geschäftsverteilung war M. im Jahre 2005 ausschließlich für die Erledigung des bereits rechtshängigen Schöffengerichtsverfahrens gegen B. A. zuständig.
32
aa) Die von ihm beschlossene Verbindung der bei der Staatsanwaltschaft anhängigen Ermittlungsverfahren gegen R. und C. A. mit dem beim Amtsgericht Eisenhüttenstadt rechtshängigen Verfahren gegen B. A. konnte eine Zuständigkeit nicht begründen. Die allein in Betracht kommende Verfahrensverbindung nach § 4 StPO war dem Angeklagten verschlossen. Es fehlte bereits an der erforderlichen Anklage (vgl. MeyerGoßner , StPO 53. Aufl. § 4 Rdn. 4); nicht einmal ein entsprechender – freilich dafür nicht genügender – Verbindungsantrag des Beschwerdeführers P. als Sitzungsvertreter der Staatsanwaltschaft war gestellt worden. Die Staatsanwaltschaft hatte ihre alleinige Dispositionsbefugnis über die Ermittlungsverfahren noch nicht verloren (vgl. Erb in Löwe/Rosenberg, StPO 26. Aufl. § 4 Rdn. 3).
33
bb) Entgegen der Auffassung der Revision ergeben die bisherigen Feststellungen auch keine Zuständigkeit des Beschwerdeführers M. aus § 125 Abs. 1 StPO. http://www.juris.de/jportal/portal/t/1dv0/page/jurisw.psml?pid=Dokumentanzeige&showdoccase=1&js_peid=Trefferliste&documentnumber=14&numberofresults=15&fromdoctodoc=yes&doc.id=KSRE161320576&doc.part=K&doc.price=0.0#focuspoint - 14 -
34
Als gegenüber § 162 Abs. 1 StPO speziellere Regelung ist danach vor Erhebung der öffentlichen Klage für den Erlass eines Haftbefehls grundsätzlich jeder Richter bei dem Amtsgericht zuständig, in dessen Bezirk ein Gerichtsstand begründet ist (vgl. auch Hilger in Löwe/Rosenberg, StPO 26. Aufl. § 125 Rdn. 5). Im Falle verschiedener Gerichtsstände können daher auch mehrere Richter unterschiedlicher örtlich zuständiger Amtsgerichte zuständig sein, sofern deren Verhältnis nicht durch eine Zuständigkeitskonzentration nach § 58 GVG geregelt worden ist. Indes bestimmt § 125 Abs. 1 StPO nicht, wie sich die Zuständigkeit verschiedener Richter desselben in Betracht kommenden Gerichtsstands zueinander verhält. Die Annahme der Revision, aus § 125 Abs. 1 StPO folge die gleichrangige unmittelbare Zuständigkeit jedes Richters dieses Amtsgerichts, ist mit Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG unvereinbar.
35
Über den im Einzelfall nach § 125 StPO konkret zuständigen Richter haben die Bestimmungen der Geschäftsverteilungspläne der Gerichte Regelungen zu treffen (vgl. BVerfGE 19, 52, 59 f.; 20, 336, 344; 25, 336, 346). Auf diese Weise wird gewährleistet, dass der einzelne konkret zuständige Richter generell vorbestimmt ist, und verhindert, dass er ad hoc und ad personam bestimmt wird. Durch den Jahresgeschäftsverteilungsplan des Amtsgerichts Eisenhüttenstadt wurde die Zuständigkeit für ermittlungsrichterliche Befugnisse ausdrücklich zwei namentlich benannten Richtern und weiteren Vertretern , nicht jedoch dem ausschließlich noch für das Schöffengerichtsverfahren gegen B. A. zuständigen Beschwerdeführer M. zugewiesen. Die bisherigen Urteilsfeststellungen belegen damit eine zureichende generelle Bestimmung auch des nach § 125 Abs. 1 StPO zuständigen Richters.
36
Der Ermittlungsrichter ist funktionell für sämtliche amtsgerichtliche Entscheidungen im Verfahren zur Vorbereitung der öffentlichen Klage und damit auch für die Anordnung der Untersuchungshaft nach § 125 Abs. 1 StPO zuständig, sofern keine abweichende Regelung im Geschäftsverteilungsplan getroffen worden ist (vgl. Hilger in Gedächtnisschrift für Karlheinz Meyer [1990] S. 209, 213; Meyer-Goßner aaO § 162 Rdn. 13, § 125 Rdn. 2; Erb aaO § 162 Rdn. 16). Eine nähere Regelung eines Zuständigkeitsbereiches für den „Haftrichter“ im Geschäftsverteilungsplan ist regelmäßig entbehrlich , wenngleich als Spezialzuweisung möglich; der Strafprozessordnung ist ebenso wie dem Gerichtsverfassungsgesetz der Begriff und damit eine eigenständige regelungsbedürftige funktionale Zuständigkeit des „Haftrichters“ fremd.
37
cc) Von diesem Rechtsverständnis ging, soweit aus den bisherigen Feststellungen ersichtlich, auch der Beschwerdeführer M. aus. Er stützte seine Anordnung gerade nicht auf § 125 StPO; anderenfalls hätte es der offensichtlich rechtswidrigen Verbindung der Verfahren nicht bedurft.
38
b) Bei alledem erfolgte die Verletzung des grundrechtsgleichen Rechts aus Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG im Zusammenhang mit der Anordnung einer Freiheitsentziehung und berührte damit zugleich das Grundrecht auf Freiheit der Person (Art. 2 Abs. 2 Satz 2 GG), die zudem durch Richtervorbehalt (Art. 104 Abs. 2 GG) verfahrensrechtlich besonders abgesichert ist (vgl. Gusy in von Mangoldt/Klein/Starck, GG Band III 5. Aufl. Art. 104 Rdn. 13; ferner Art. 5 MRK).
39
III. Zur Revision des Beschwerdeführers P. merkt der Senat ergänzend an:
40
Die Strafkammer legt ihm zur Last, „sich als Mittäter einer Rechtsbeugung schuldig gemacht zu haben“, indem er „aus sachfremden Erwägungen“ und „in Absprache mit dem Beschwerdeführer M. die Anträge auf Erlass der Haftbefehle“ in der Kenntnis gestellt hat, dass „keine tragenden Haftgründe gegeben waren“ (UA S. 89).
41
1. Die Annahme mittäterschaftlichen Handelns des Beschwerdeführers P. (§ 25 Abs. 2 StGB) begegnet vor dem Hintergrund der getroffe- nen Urteilsfeststellungen rechtlichen Bedenken. Als Mittäter handelt, wer seinen eigenen Tatbeitrag so in die gemeinschaftliche Tat einfügt, dass er als Teil der Handlung des anderen Beteiligten und umgekehrt dessen Tun als Ergänzung des einen Tatanteils erscheint (BGHSt 40, 299, 301; Fischer, StGB 57. Aufl. § 25 Rdn. 12 ff.). Erforderlich zur gebotenen Abgrenzung zur Teilnahme ist eine wertende tatrichterliche Gesamtschau. Daran fehlt es hier. Allein die – durch die Strafkammer wiederholt und gar apodiktisch angeführte – Tatmotivation des Beschwerdeführers P. trägt den für die Täterschaft notwendigen Willen zur Tatherrschaft noch nicht. Ob der Umfang seiner Beteiligung in Form der gestellten Haftanträge als notwendige Voraussetzung der Haftanordnungen für sich erhebliches Gewicht im Sinne einer objektiven Mitbeherrschung des Geschehens aufweist und daher ein tragfähiges Indiz für die Mittäterschaft darstellt, erscheint – ungeachtet der maßgeblichen Zuständigkeit der Staatsanwaltschaft für die Ermittlungsverfahren gegen Rechtsanwalt R. und C. A. – jedenfalls nicht eindeutig. Sollte das neue Tatgericht keine weitergehenden Feststellungen namentlich zu einer gemeinsamen Tatplanung unter erheblicher Mitwirkung des Beschwerdeführers P. treffen können, so kann – bei entsprechendem Vorsatz – eine Beihilfe zur Rechtsbeugung in Betracht kommen.
42
2. Die knappen und wenig differenzierten Erörterungen der Strafkammer lassen indes selbst bei mittäterschaftlicher Erfolgszurechnung besorgen, dass dem Beschwerdeführer P. ein zu weiter Schuldumfang zur Last gelegt wurde. Auch bei Mittätern ist zunächst nach dem jeweils zurechenbaren Erfolgs- und Handlungsunwert zu differenzieren (vgl. Schäfer/Sander/van Gemmeren, Praxis der Strafzumessung 4. Aufl. Rdn. 479). Namentlich Ausführungen zum angenommenen Handlungsunwert sind bislang – anders als beim Beschwerdeführer M. – unterblieben. Diese waren aber gerade auch im Blick auf die hinter der Bestrafung des Beschwerdeführers M. nur wenig zurückbleibende verhängte Sanktion unentbehrlich.
Basdorf Raum Schneider König Bellay
5 StR 261/12
(alt: 5 StR 555/09)

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
vom 11. April 2013
in der Strafsache
gegen
1.
2.
wegen Rechtsbeugung u.a.
Der 5. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat in der Sitzung vom
11. April 2013, an der teilgenommen haben:
Vorsitzender Richter Basdorf,
Richter Dr. Raum,
Richterin Dr. Schneider,
Richter Dölp,
Richter Bellay
als beisitzende Richter,
Bundesanwalt
als Vertreter der Bundesanwaltschaft,
Rechtsanwalt I.
als Verteidiger für den Angeklagten M. ,
Rechtsanwalt Z.
als Verteidiger für den Angeklagten P. ,
Rechtsanwalt H. S.
als Vertreter für den Nebenkläger A. ,
Rechtsanwalt M. S.
als Vertreter für den Nebenkläger R. ,
Justizhauptsekretärin
als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle,

für Recht erkannt:
1. Auf die Revisionen der Staatsanwaltschaft und der Nebenkläger wird das Urteil des Landgerichts Potsdam vom 8. Dezember 2011, soweit es den Angeklagten M. betrifft, mit den Feststellungen aufgehoben.
Insoweit wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung , auch über die Kosten der den Angeklagten M. betreffenden Rechtsmittel, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.
2. Die den Angeklagten P. betreffenden Revisionen der Staatsanwaltschaft und der Nebenkläger werden verworfen.
Die Kosten der den Angeklagten P. betreffenden Revision der Staatsanwaltschaft sowie die ihm im Revisionsverfahren entstandenen notwendigen Auslagen werden der Staatskasse auferlegt. Die Nebenkläger tragen die Kosten ihrer Rechtsmittel.
– Von Rechts wegen – G r ü n d e
1
Das Landgericht hatte die Angeklagten jeweils wegen Rechtsbeugung in Tateinheit mit schwerer Freiheitsberaubung zu Freiheitsstrafen, die zur Bewährung ausgesetzt wurden, verurteilt und wegen rechtsstaatswidriger Verfahrensverzögerung einen Teil der Strafen als vollstreckt erklärt. Der Se- nat hat diese Erkenntnis durch Beschluss vom 7. Juli 2010 (5 StR 555/09, StV 2011, 463) aufgehoben.
2
Das Landgericht hat die Angeklagten nunmehr freigesprochen. Die hiergegen gerichteten Revisionen der Staatsanwaltschaft und der Nebenkläger führen hinsichtlich des Angeklagten M. mit der Sachrüge zum Erfolg. Soweit die Revisionen den Angeklagten P. betreffen, sind sie hingegen unbegründet.

I.


3
Das Landgericht hat folgende Feststellungen und Wertungen getroffen :
4
1. Der Angeklagte M. führte als Richter am Amtsgericht Eisenhüttenstadt den Vorsitz in einer Schöffensache gegen den damals angeklagten Nebenkläger A. . Diesem wurde zur Last gelegt, als Nachlasspfleger in sechs Nachlassverfahren Vermögen von über 430.000 € veruntreut zu haben. Eine detaillierte Darstellung der veruntreuten Beträge, insbesondere zu Kontoauswertungen oder sonstigen Beweismitteln zu Entnahme und Verbleib der Nachlassgelder, enthielt die Anklageschrift nicht. Ungeachtet dieser Mängel hatte die Wirtschaftsstrafkammer des Landgerichts Frankfurt (Oder) das Verfahren vor dem Schöffengericht eröffnet; eine höhere Straferwartung als vier Jahre Freiheitsstrafe bestehe gegenüber dem – während mehrerer Monate vollzogener Untersuchungshaft – weitgehendgeständigen A. nicht.
5
Als sich der Nebenkläger Rechtsanwalt R. als (zusätzlicher) Verteidiger des A. anzeigte, erregte dies den Argwohn des Angeklagten M. . Er wusste, dass A. seine Tätigkeit als Nachlasspfleger in den Kanzleiräumen des Nebenklägers R. ausgeübt hatte ; zudem war ihm aufgrund einer Mitteilung der Staatsanwaltschaft bekannt, dass gegen R. ein Ermittlungsverfahren wegen Geldwäsche eingeleitet worden war, weil er von A. Nachlassgelder in Kenntnis von deren rechtswidriger Herkunft erhalten habe. M. war bewusst, dass der Strafvorwurf gegen R. wegen Geldwäsche rechtlich davon abhing, ob A. die Untreuehandlungen gewerbsmäßig begangen hatte.
6
M. beschloss, eine Sachverständige mit der Untersuchung zu beauftragen, in welchem Ausmaß A. durch seine Aktienspekulationen die einzelnen Nachlässe geschädigt habe. Den Auftrag erweiterte er dahin , auch zu prüfen, ob R. nach Lage der Akten an den Taten des A. beteiligt gewesen sei. Eine Anregung des Dezernatsvertreters des Angeklagten M. an die Staatsanwaltschaft, einen Antrag auf Ausschluss von Rechtsanwalt R. als Verteidiger nach §§ 138a, 138c StPO zu prüfen, blieb ohne Ergebnis. Die Staatsanwaltschaft stellte zwar ohne nähere Begründung einen entsprechenden Antrag, den sie jedoch nach Hinweis der Generalstaatsanwaltschaft zurücknahm, dass der Antrag nicht den Begründungserfordernissen entspreche.
7
Die Hauptverhandlung gegen A. begann am 16. Dezember 2004 und war vom Angeklagten M. mit Blick auf ein erwartetes Geständnis A. s auf zwei Sitzungstage terminiert. Sitzungsvertreter der Staatsanwaltschaft war zunächst Staatsanwalt B. . Dieser beantragte die Einvernahme des weiterhin als Verteidiger auftretenden R. als Zeuge und legte M. hierzu einen Fragenkatalog vor, um Erkenntnisse bezüglich der Geldflüsse zwischen R. und A. zu erhalten. B. hatte zuvor auch ein Ermittlungsverfahren gegen die Ehefrau des Nebenklägers A. , Ad. , wegen Geldwäsche eingeleitet, weil es Anhaltspunkte dafür gab, dass auch sie veruntreute Nachlassgelder erhalten hatte.
8
Die Hauptverhandlung war – bei noch ausstehendem Gutachten der Sachverständigen – geprägt durch Nachermittlungshandlungen gegen A. und Ermittlungshandlungen gegenüber R. , bei dem insbesondere mehrere Durchsuchungsmaßnahmen, auch in Anwesenheit M. s, vollzogen wurden. Im Mittelpunkt stand dabei der Erwerb eines hochwertigen Pkw BMW, der von A. seit 2001 benutzt wurde; Halter des Fahrzeugs war aber R. , der die Anschaffungskosten steuerlich über seine Kanzlei geltend gemacht hatte. Das Fahrzeug kam als Sicherungsmittel für etwaige Geschädigte in Betracht, was aber voraussetzte, dass es mit inkriminierten Geldern erworben worden war.
9
Über die Verteidigung wurden – so auch am ersten Hauptverhandlungstag – mehrere Ablehnungsgesuche gegen M. gestellt, die zu- mindest zum Teil der Verfahrensverschleppung dienten „und bisweilen laienhaft wirkende Begründungen enthielten“; zudem vertrat Rechtsanwalt R. „bizarre“ Rechtsansichten mit Blick auf den Strafvorwurf. Nach Verlesung des Anklagesatzes machte A. von seinem Schweigerecht Gebrauch.
10
Für das Prozessverhalten A. s machte M. in erster Linie Rechtsanwalt R. verantwortlich, der nach seiner Meinung damit verhindern wollte, wegen eigener Beteiligung an dessen Taten belangt zu werden. M. fasste daher nach dem ersten Verhandlungstag den Ent- schluss, „dass Rechtsanwalt R. der Teilnahme an den Taten des A. überführt und sein Ausschluss aus dem Strafverfahren erreicht werden müsse“ (UA S. 21).
11
Auf Antrag der Staatsanwaltschaft ordnete M. am 5. Januar 2005 unter anderem die Durchsuchung der Kanzleiräume von R. nach Buchhaltungs- und Steuerunterlagen an. Er zog bei der Einsatzbesprechung auch Beamte der Steuerfahndung hinzu und nahm selbst an den Durchsuchungen teil, wobei er die Beweismittelrelevanz von Unterlagen prüfte. M. fand hierbei einen Darlehensvertrag aus Februar 2001, wonach Ad. Rechtsanwalt R. ein Darlehen über 85.000 DM ge- währen werde, und eine weitere handschriftliche Vereinbarung zwischen R. und Ad. aus Februar 2001 über die Rückabwicklung des Darlehens bei Rückgabe des Pkw BMW. Auf telefonischen Antrag des angeklagten Oberstaatsanwalts P. , der ab 6. Januar 2005 als Sitzungsvertreter bei den weiteren Hauptverhandlungsterminen vorgesehen war, ordnete M. die Beschlagnahme des Pkw BMW an, unter anderem weil das Fahrzeug voraussichtlich der Einziehung oder dem Verfall unterliege.
12
Zu einem nicht bekannten Zeitpunkt vor dem 7. April 2005 erfuhrM. , dass A. am 11. Januar 2005 im Rahmen eines Zivilverfahrens eine eidesstattliche Versicherung über seine Einkommens- und Vermögensverhältnisse abgegeben hatte, wonach er von seiner Ehefrau Ad. getrennt lebe, was nach Auffassung M. s nicht zutraf.
13
Am 14. Februar 2005 wurde M. mit 90 % seiner Arbeitskraft an das Landgericht Frankfurt (Oder) abgeordnet; mit seiner verbleibenden Arbeitskraft sollte er das Verfahren gegen A. beim Amtsgericht Eisenhüttenstadt zum Abschluss bringen. Das Präsidium des Amtsgerichts änderte dementsprechend den Geschäftsverteilungsplan unter anderem dahin, dass Richter am Amtsgericht T. – neben Richterin am Amtsgericht Pe. in wöchentlichem Wechsel – als Ermittlungsrichter zuständig wurde. Das Landgericht konnte nicht feststellen, dass der Angeklagte P. von dieser Änderung der Geschäftsverteilung Kenntnis erlangt hat.
14
Im Hauptverhandlungstermin am 10. März 2005 wurde R. als Zeuge vernommen; er gab an, den Pkw BMW vollständig bar bezahlt zu haben. Die Frage, ob ein Pkw Opel Calibra der Ad. in Zahlung gegeben worden sei, verneinte er wahrheitswidrig. Nach Belehrung gemäß § 55 StPO gab er Erklärungen zum Hintergrund des Darlehensvertrages und der Rückabwicklungsvereinbarung aus Februar 2001 ab.
15
Abweichende Angaben hierzu hatte Ad. in einer Beschuldigtenvernehmung bei der Polizei gemacht, wie ein Polizeibeamter als Zeuge in der Hauptverhandlung vom 24. März 2005 bekundete. Im weiteren Verlauf der Hauptverhandlung beschwerte sich der neuerlich als Zeuge einvernommene Nebenkläger R. über die Art und Weise der bei ihm durchgeführten Durchsuchungen; diese seien nicht nach den Vorschriften der StPO erfolgt. M. entgegnete ihm darauf „mit der als Scherz gemeinten Be- kundung, die Durchsuchung sei auf Grundlage der ‚HPO‘(der [Eisen-] Hüttenstädter Prozessordnung) erfolgt, die mit der Vollstreckung beginne“ (UA S. 30). R. bekundete als Zeuge im Anschluss daran, dass er den inzwischen beschlagnahmten Pkw BMW am 30. Dezember 2004 an Ad. veräußert habe; er würde den Vertrag im nächsten Hauptverhandlungstermin vorlegen.
16
Die Angeklagten M. und P. waren aufgrund der für sie erstaunlichen Bekundungen von R. davon überzeugt, dass es sich bei dem behaupteten Kaufvertrag, sollte er vorgelegt werden, um einen „Scheinvertrag“ handeln würde. P. fertigte daher bis zum nächsten Hauptverhandlungstermin am 7. April 2005 jeweils einen Antrag auf Erlass eines Haftbefehls gegen R. , Ad. und A. . Er beabsichtigte diese Anträge für den Fall der Vorlage des behaupteten Kaufvertrages durch R. zu stellen, sofern dieser den Verdacht, dass es sich um einen Scheinvertrag handele, nicht ausräumen könne.
17
Im Hauptverhandlungstermin vom 7. April 2005 wurde R. erneut als Zeuge einvernommen. Er überreichte eine Kopie eines auf den 30. Dezember 2004 datierten Kaufvertrages zwischen ihm und Ad. bezüglich des Pkw BMW über 20.000 € und eine auf den 3. Januar 2005 datierte Aufrechnungserklärung, die eine Teilaufrechnung der Kaufpreisforderung mit dem Darlehensrückzahlungsanspruch der Käuferin Ad. enthielt. Auf Frage gab er an, dass sich der Kaufvertrag bei der Durchsuchung am 5. Januar 2005 in der Buchhaltung seiner Kanzlei befunden habe.
18
Sowohl der Angeklagte P. als auch der Angeklagte M. glaubten der Schilderung des Zeugen R. nicht. Beide waren der Auffassung , dass der Kaufvertrag rückdatiert und erst nach der Durchsuchung gefertigt worden sei. Sie meinten zudem, der Kaufvertrag diene der Verschleierung der Eigentumsverhältnisse an dem sichergestellten Fahrzeug und der Umstände seines Erwerbs aus veruntreuten Nachlassgeldern im Jahre 2001.
19
M. , der wusste, dass P. im Falle der Vorlage des Kaufvertrages durch R. Haftbefehlsanträge stellen würde, sofern R. die Vorgänge nicht schlüssig erklären konnte, erhob sich, wies auf R. und rief: „Sie sind festgenommen!“, woraufhin im Zuschauersaal Applaus auf- brandete. Er ordnete ebenfalls die Festnahme A. s und dessen nicht im Sitzungssaal befindlicher Ehefrau Ad. an. Als ein Justizwachtmeister Rechtsanwalt R. Handfesseln anlegen wollte und dieser erklärte , das sei wirklich nicht nötig, er werde nicht fliehen, rief M. dem Wachtmeister zu: „Das volle Programm!“. R. und A. wurden in Handfesseln abgeführt; die Hauptverhandlung wurde unterbrochen.
20
Danach übergab P. die drei von ihm vorbereiteten, auf den 7. April 2005 datierten, sämtlich an das Schöffengericht des Amtsgerichts Eisenhüttenstadt adressierten Anträge auf Erlass von Haftbefehlen gegen den damaligen Angeklagten A. sowie gegen die damaligen Beschuldigten R. und Ad. ; die Ermittlungsakten gegen R. und Ad. legte er nicht vor. Hinsichtlich des damaligen Angeklagten A. stützte P. den Haftbefehlsantrag auf den dringenden Tatverdacht der Untreue in sechs Fällen und nahm mit Blick auf die Straferwartung und den Verlauf der Hauptverhandlung Flucht- sowie Verdunkelungsgefahr als Haftgründe an. Dem damaligen Beschuldigten R. legte P. Geldwäsche und uneidliche Falschaussage zur Last und führte als Haftgründe ebenfalls Verdunkelungs- sowie Fluchtgefahr an. Gegen die damalige Beschuldig- te Ad. begründete P. den Haftbefehlsantrag damit, dass sie der Geldwäsche dringend verdächtig sei und Verdunkelungsgefahr bestehe.
21
M. nahm die Haftbefehlsanträge zu den Verfahrensakten A. s und vergab – obwohl er keine Zuständigkeit als Ermittlungsrichter hatte – bezüglich der Haftbefehlsanträge gegen R. und Ad. jeweils gesonderte Gs-Aktenzeichen. Sodann fertigte er handschriftlich einen Beschluss, in welchem er die beiden Ermittlungsverfahren gegen R. und Ad. zu dem bei ihm anhängigen Strafverfahren gegen A. zur „gemeinsamen Entscheidung gemäß §§ 2, 4 StPO“ verband. Anschließend erließ M. unter Anführung aller Aktenzeichen einen (einheitlichen ) Haftbefehl gegen A. , R. und Ad. , jedoch jeweils mit gesonderter Begründung. Im Haftbefehl gegen A. begründete er die Verdunkelungsgefahr wegen gewerbsmäßiger Untreue unter anderem mit dessen Beitrag zur Vorlage des rückdatierten Kaufvertrages und seiner wahrheitswidrigen Angabe, dauernd von seiner Ehefrau getrennt zu leben. Im Haftbefehl gegen R. nahm M. dringenden Tatverdacht wegen Geldwäsche in Tateinheit mit Begünstigung sowie wegen uneidlicher Falschaussage an. Als Haftgrund wurde Verdunkelungsgefahr durch seine unwahre Zeugenaussage und die Präsentation des rückdatierten Kaufvertrages in Zusammenwirken mit Ad. angenommen. Im Haftbefehl gegen Ad. – die wenige Minuten nach der Festnahme ihres Ehemannes und seines Verteidigers auf ihrer Arbeitsstelle festgenommen worden war – begründete M. den dringenden Tatverdacht wegen Geldwäsche in Tateinheit mit Begünstigung unter anderem damit, dass sie den bei ihr festgestellten Vermögenszuwachs zwischen 1999 und 2005 in Höhe von etwa 100.000 € nicht selbst erwirtschaftet haben könne, so dass als einzige Erklärung hierfür eine Vermögensverschiebung seitens A. in Betracht komme. Für die angenommene Verdunkelungsgefahr führte M. im Wesentlichen die gleiche Begründung wie bei A. und R. an. Im Hinblick auf die hohen Schadenssummen sei die Anordnung der Untersuchungshaft bei allen Beteiligten auch verhältnismäßig.
22
Am Nachmittag des 7. April 2005 ließ M. nacheinander A. , Ad. und R. vorführen und verkündete – in Anwesenheit P. s – die Haftbefehle. Am 8. April 2005 (Freitag) verhandelte M. Zivilverfahren am Landgericht Frankfurt (Oder). Darüber hinaus ordnete er telefonisch die Durchsuchung der Rechtsanwaltskanzlei von R. an, um den Originalkaufvertrag vom 30. Dezember 2004 aufzufinden. Auch veranlasste er die Übersendung der Haftbefehle und verfügte die Mitteilung der Inhaftierung von R. an die Rechtsanwaltskammer. An diesem Tag legten die Verteidiger von A. , Ad. und R. beim Amtsgericht Eisenhüttenstadt Haftbeschwerden ein, über die Richter am Amtsgericht T. sofort M. fernmündlich unterrichtete; dieser erklärte, er werde erst wieder am 11. April 2005 in Eisenhüttenstadt anwesend sein und die Haftbeschwerden bearbeiten. An diesem Tag verfügte M. , dass den Haftbeschwerden nicht abgeholfen werde; er veranlasste die Fertigung von Aktendoppeln und – ohne besondere Maßnahmen zur Beschleunigung – deren Vorlage über die Staatsanwaltschaft an das Beschwerdegericht, bei dem die Akten am 12. April 2005 eingingen.
23
Der Angeklagte P. hatte den Leitenden Oberstaatsanwalt noch am Abend des 7. April 2005 fernmündlich über die Verhaftung von Rechtsanwalt R. in Kenntnis gesetzt. Der Leitende Oberstaatsanwalt veranlasste aufgrund seiner nach Besprechungen und Überprüfungen gewonnenen Überzeugung von der Nichtigkeit des Verbindungsbeschlusses und der Unzuständigkeit des Angeklagten M. als Ermittlungsrichter den Dezernenten Staatsanwalt B. dazu, R. am 14. April 2005 aus der Haft zu entlassen.
24
M. war hierüber und über B. s korrespondierenden Antrag vom 15. April 2005 auf Aufhebung des Haftbefehls gegen R. empört und beschwerte sich am selben Tag telefonisch beim Leitenden Oberstaatsanwalt. Dieser wies M. s Ansicht, der Verbindungsbeschluss sei zulässig gewesen, ungehalten als geradezu absurd zurück. M.
beschloss noch am 15. April 2005 „in dem Straf- und Ermittlungsverfahren gegen A. , R. und Ad. “ die Aufhebung der Haftbefehle gegen und Ad. , weil sich nach der Haftentlassung von R. der Vollzug der Untersuchungshaft gegenüber den Eheleuten A. als unverhältnismäßig darstelle, und veranlasste deren Haftentlassung. Am 20. April 2005 hob er auch den Haftbefehl gegen R. auf.
25
Am 20. April 2005 fertigte M. zudem einen Vermerk, wonach unmittelbar vor dem Hauptverhandlungstermin am 7. April 2005 zwischen ihm und der Ermittlungsrichterin Pe. eine Zuständigkeitserörterung stattgefunden habe. In diesem Vermerk führte er aus, dass beide die Geschäftsverteilung des Amtsgerichts Eisenhüttenstadt dahin auslegten, dass er auch für Maßnahmen gegen Dritte, wie z. B. die Ehefrau Ad. und den Verteidiger Rechtsanwalt R. zuständig sei, wenn sich „die Sache“ aus dem Verfahren gegen A. ergebe. Hierüber habe Einigkeit bestanden, und aus diesem Grund hätte Pe. , „deren Zuständigkeit sinngemäß behauptet worden sei“, ein Tätigwerden gegen Ad. undRechtsanwalt R. im Hinblick auf die „unbestrittene“ Zuständigkeit M. s abgelehnt. Die Ermittlungsrichterin Pe. bestätigte in einem gesonderten Vermerk vom 21. April 2005, dass der Inhalt des Vermerks des Angeklagten M. „in vollem Umfang zutreffe“.
26
Nach weiteren, insgesamt 14 Hauptverhandlungstagen verurteilte das Schöffengericht unter dem Vorsitz von M. den damaligen Angeklagten A. wegen gewerbsmäßiger Untreue in sechs Fällen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von vier Jahren; zugleich ordnete es an, dass der Pkw BMW dem Verfall unterliege. Im Berufungsverfahren wurde die Gesamtfreiheitsstrafe auf drei Jahre und drei Monate herabgesetzt; die Verfallsentscheidung kam in Wegfall; zudem wurden wegen „überlanger“ Verfahrensdauer ein Jahr und drei Monate der Strafe als vollstreckt erkannt. Das Berufungsgericht vermochte eine gewerbsmäßige Handlungsweise A. s nicht nachzuweisen. Über die von A. gegen das Berufungsurteil eingelegte Revision ist noch nicht entschieden worden.
27
2. Das Landgericht hat die Angeklagten aus rechtlichen Gründen freigesprochen. Die von ihnen begangenen Verfahrensfehler erfüllten nicht den Tatbestand der Rechtsbeugung (§ 339 StGB); wegen der Sperrwirkung dieses Tatbestandes scheide auch eine Verurteilung wegen schwerer Freiheitsberaubung (§ 239 Abs. 3 Nr. 1 StGB) aus.
28
a) Die Strafkammer hat bei der Prüfung des Rechtsbeugungstatbestandes beim Angeklagten M. eine Vielzahl möglicher, von ihm begangener Verfahrensfehler erörtert.
29
Die ihm vorzuwerfenden Verfahrensfehler wögen jedoch im Rahmen einer Gesamtwürdigung nicht so schwer, dass es gerechtfertigt wäre, sein Verhalten als bewusste und gewollte schwerwiegende Entfernung von Recht und Gesetz mit der konkreten Gefahr eines unrechtmäßigen Nachteils für die betroffenen Parteien zu werten.
30
aa) Sowohl M. – als auch der Richterin am Amtsgericht Pe. – sei bei der Zuständigkeitserörterung vor dem Hauptverhandlungstermin am 7. April 2005 klar gewesen, dass M. beim Amtsgericht Eisenhüttenstadt nur noch für das Verfahren gegen A. zuständig gewesen sei und er keine über dieses Verfahren hinausgehende Zuständigkeit als Ermittlungsrichter besessen habe (UA S. 47). Die durch die Verfahrensver- bindung bewirkte „künstliche“ und willkürliche Zuständigkeitsbegründung für die Ermittlungsverfahren gegen R. und Ad. sei der am schwersten wiegende Anhaltspunkt für eine sachwidrige Motivation M. s; der Verstoß stelle eine bewusste Missachtung der grundgesetzlich geschützten Garantie des gesetzlichen Richters dar (UA S. 76). Hinzu komme , dass M. über keine Ermittlungsakten und damit keine gesicherte Tatsachengrundlagen verfügt habe, wodurch sich eine konkrete Gefahr einer falschen Entscheidung zum Nachteil der Beteiligten eröffnet habe. Dies werde aber dadurch relativiert, dass das bei M. anhängige Strafverfahren sehr eng mit den Ermittlungsverfahren verknüpft war und ihm eine umfassende Kenntnis der Umstände ermöglichte, die für die Prüfung eines Tatverdachts gegen die Beschuldigten R. und Ad. notwendig waren.
31
bb) Als weitere Indizien für eine sachwidrige Motivation sprächen die Begründung, mit der M. den Haftbefehl gegen A. aufgehoben habe, und seine sich nicht lediglich auf eine richterliche, neutral hoheitliche Tätigkeit beschränkende, sondern insbesondere an der Vorbereitung und Durchführung von Durchsuchungsmaßnahmen orientierende Beteiligung an Ermittlungsmaßnahmen.
32
cc) Gegen eine sachwidrige Motivation M. s spreche aber, dass die materiellen Voraussetzungen für den Erlass der Haftbefehle erfüllt gewesen seien. Zwar hätte die zuständige Ermittlungsrichterin die Haftbefehle gegen R. und Ad. wegen fehlender Aktenvorlage nicht erlassen können. Die Strafkammer habe sich durch Vernehmung der Zeugin Pe. aber davon überzeugt, „dass diese aufgrund der überlegenen Kenntnis des Angeklagten M. geneigt war, dessen Vorschläge und Anordnungen ohne eigene inhaltliche Überprüfung zu akzeptieren, wie der von ihr unterzeichnete Vermerk betreffend die Zuständigkeiten vom 20. April 2005“ zeige (UA S. 79).
33
dd) Gegen eine sachwidrige Motivation spreche ferner der Fortgang der Verfahren gegen die Beteiligten, die Art und Weise der Verhandlungsführung im Strafverfahren gegen A. im Übrigen und die fernmündliche Beschwerde des Angeklagten M. über die Freilassung von R. gegenüber dem Leitenden Oberstaatsanwalt. In letzterem Umstand sei ein Indiz gegen sachwidrige Motive zu sehen, weil es nach der Lebenserfahrung unwahrscheinlich sei, dass sich jemand, der sich zu seinem Handeln nicht berechtigt fühle, selbst an die Staatsanwaltschaft wende, um auf ein eigenes Fehlverhalten aufmerksam zu machen und so Ermittlungen gegen sich selbst herbeizuführen.
34
ee) Angesichts der Verhandlungsführung des Angeklagten M. sei es durchaus möglich, dass die von ihm begangenen Fehler teilweise auf Ungeschicklichkeit und mangelnde Beherrschung der Situation zurückzuführen seien. Es sei ihm zugute zu halten, dass er als alleiniger Berufsrichter mit mangelhaften Ermittlungen, einer äußerst schwierigen Prozesssituation mit kompliziertem Prozessstoff und wenig kooperativen Verteidigern konfrontiert war, die ihn fortlaufend attackierten (UA S. 80). Ausreichende Anhaltspunkte für eine sachwidrige Motivation M. s lägen im Ergebnis nicht vor.
35
b) Hinsichtlich des Angeklagten P. hat die Strafkammerebenfalls mögliche, von ihm begangene Verfahrensfehler geprüft. Im Rahmen der Gesamtwürdigung seines Verhaltens wertet das Landgericht die fehlende interne Zuständigkeit bezüglich der Ermittlungsverfahren gegen R. und Ad. und die Stellung der gegen sie gerichteten Haftbefehlsanträge als „massive Einwirkung“ auf die Ermittlungsverfahren, die ein „bedeutungsschweres“ Indiz für eine sachwidrige Motivation darstelle. Gleichwohl sei da- rin kein derart schwerwiegender Verstoß zu sehen, weil es kein Grundrecht auf einen gesetzlichen Staatsanwalt gebe. Dass M. nicht mehr Ermittlungsrichter war, habe er nicht gewusst. Weil die Beantragung der Haftbefehle und deren Erlass vertretbar, wenn auch nicht zweckmäßig erschienen , sei ein Handeln des Angeklagten P. aus sachfremden Erwägungen nicht gegeben.

II.


36
Während das freisprechende Urteil hinsichtlich des Angeklagten P. keinen Rechtsfehler erkennen lässt, hält es, soweit es den Angeklagten M. betrifft, sachlich-rechtlicher Überprüfung nicht stand.
37
1. Zum Angeklagten M.
38
Die Strafkammer hat ihrer Bewertung des Verhaltens des angeklagten Richters im Ausgangspunkt den zutreffenden rechtlichen Maßstab zugrunde gelegt. Jedoch begegnet ihre Beweiswürdigung in einem für die Subsumtion wesentlichen Punkt durchgreifenden rechtlichen Bedenken.
39
a) Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs soll der Straftatbestand der Rechtsbeugung den Rechtsbruch als elementaren Verstoß gegen die Rechtspflege unter Strafe stellen. Nicht jede unrichtige Rechtsanwendung stellt eine Beugung des Rechts im Sinne des § 339 StGB dar; vielmehr enthält dieses Tatbestandsmerkmal ein normatives Element. Erfasst werden nur solche Rechtsverstöße, bei denen sich der Täter bewusst und in schwerer Weise von Recht und Gesetz entfernt (st. Rspr., vgl. nur BGH, Urteile vom 23. Mai 1984 – 3 StR 102/84, BGHSt 32, 357, vom 29. Oktober 1992 – 4 StR 353/92, BGHSt 38, 381, vom 5. Dezember 1996 – 1StR 376/96, BGHSt 42, 343, und vom 29. Oktober 2010 – 4 StR 97/09, NStZ-RR 2010, 310). Rechtsbeugung kann auch durch die Verletzung von Verfahrens- und Zuständigkeitsvorschriften begangen werden. Erforderlich ist jedoch insoweit, dass durch die Verfahrensverletzung die konkrete Gefahr einer falschen Entscheidung zum Vor- oder Nachteil einer Partei begründet wurde, ohne dass allerdings ein Vor- oder Nachteil tatsächlich eingetreten sein muss (BGH, Urteile vom 5. Dezember 1996 – 1 StR 376/96, BGHSt 42, 343, und vom 20. September 2000 – 2 StR 276/00, BGHR StGB § 339 Rechtsbeugung 6; Beschluss vom 7. Juli 2010 – 5 StR 555/09 – in dieser Sache –, StV 2011, 463).
40
b) Nach diesen Grundsätzen ist es zunächst nicht zu beanstanden, dass das Landgericht den Inhalt der erlassenen Haftbefehle als Anknüpfungspunkt für den Rechtsbeugungsvorwurf ausgeschlossen hat. Zutreffend geht das Urteil davon aus, dass der Erlass der Haftbefehle gegen den damaligen Angeklagten A. sowie die Beschuldigten R. und Ad. gemessen am Maßstab der §§ 112, 114 StPO inhaltlich vertretbar war. Näherer Erörterung bedürfen insoweit nur die Annahme des Haftgrundes der Verdunkelungsgefahr (§ 112 Abs. 2 Nr. 3 StPO) sowie die Frage der Verhältnismäßigkeitsprüfung nach § 112 Abs. 1 Satz 2 StPO.
41
aa) Rechtsfehlerfrei stellt die Strafkammer hinsichtlich A. zunächst darauf ab, dass die Höhe der fehlenden Gelder sowie deren Verteilung auf die einzelnen Nachlässe wegen der unzureichenden staatsanwaltschaftlichen Ermittlungen noch unklar waren und erst mit Hilfe von Sachverständigen aufgeklärt werden mussten, „die Wege der veruntreuten Gelder noch offen“ waren und darüber hinaus zu klären war, ob der einstweilen be- schlagnahmte hochpreisige Pkw BMW dem Verfall unterliege.
42
Wie das Landgericht zutreffend dargelegt hat, ist auch die Annahme des Angeklagten nicht zu beanstanden, dass es sich bei den zwischen Ad. und dem mit ihrem Ehemann A. eng befreundeten Rechtsanwalt R. geschlossenen Verträgen vom 15. Februar 2001 über ein durch Ad. gewährtes Darlehen von 85.000 DM und den Teilerlass des Rückzahlungsanspruchs für jeden Monat der Nutzung des Pkw BMW durch Ad. sowie bei dem dieses Fahrzeug betreffenden Kaufvertrag vom 30. Dezember 2004 um Scheinverträge handele, die nur dem Zweck der Verschleierung der Herkunft des für die Anschaffung des Pkw aufgewendeten Geldes dienten. Die weitere Annahme, dass der mit R. eng befreundete A. an der Planung und Durchführung dieser Verschleierungsmaßnahmen beteiligt war, ist angesichts des gegen ihn bestehenden Verdachts der Veruntreuung von Nachlassgeldern, durch die unter anderem der fragliche Pkw finanziert worden sein könnte, bei der im Rahmen des § 112 Abs. 2 Nr. 3 StPO zu treffenden Prognoseentscheidung ebenfalls vertretbar. Vor dem aufgezeigten Hintergrund war es trotz der zwischenzeitlich aufgrund der Durchsuchung der Kanzleiräume von R. erfolgten Beweissicherung auch vertretbar anzunehmen, dass A. , der nach den Feststellungen bereits unwahre Angaben im Rahmen eines Prozesskosten- hilfegesuchs über ein angebliches Getrenntleben von seiner Ehefrau gemacht hatte, mit hoher Wahrscheinlichkeit (weitere) Verdunkelungshandlungen durchführen werde, um das Beweisergebnis zu seinen Gunsten zu verändern. Angesichts der A. zur Last liegenden Untreuehandlungen mit einer Gesamtschadenssumme von mehreren Hunderttausend Euro ist auch gegen die Verhältnismäßigkeit des Haftbefehls nichts Durchgreifendes zu erinnern.
43
bb) Auch die Annahme eines gegen den damaligen Beschuldigten R. bestehenden dringenden Tatverdachts der Geldwäsche in Tateinheit mit Begünstigung ist nicht zu beanstanden. Zutreffend weist das Landgericht darauf hin, dass aufgrund der in der Hauptverhandlung festgestellten Einkommensverhältnisse der Eheleute A. eine sehr hohe Verdachtslage dahingehend bestand, dass Zuwendungen an R. (bzw. über ihn umgeleitete Aufwendungen für die Anschaffung des Pkw BMW) in Höhe von zumindest 70.000 DM aus veruntreutem Nachlassvermögen herrührten. Die Annahme von Verdunkelungsgefahr ist aus den bereits dargelegten Gründen auch hinsichtlich des Rechtsanwalts R. vertretbar; der Angeklagte M. ging, wie das Landgericht ohne Rechtsfehler festgestellt hat, aufgrund einer verständigen Würdigung der Beweislage davon aus, dass R. zur Verschleierung der die seinerzeit verfahrensgegenständlichen Nachlassgelder betreffenden Geldflüsse einen rückdatierten Kaufvertrag erstellt und im Rahmen seiner Zeugenvernehmung vorgelegt habe. Aufgrund dieser Umstände ist es fern von Willkür, wenn der Angeklagte M. vom Vorliegen dringender Gründe für die Gefahr von Verdunkelungshandlungen ausgegangen ist. Angesichts des oben näher dargelegten Aufklärungsbedarfs gilt dies auch in Ansehung der Tatsache, dass R. der auch gegen ihn bestehende Verdacht seit längerem bekannt war und eine weitgehende Beweissicherung bereits stattgefunden hatte. Insbesondere lag die Gefahr einer Anfertigung weiterer falscher Beweismittel zur Verschleierung der noch nicht aufgeklärten Geldflüsse nicht ganz fern. Dass der Angeklagte M. vom Erlass des Haftbefehls nicht wegen Unverhältnismä- ßigkeit gemäß § 112 Abs. 1 Satz 2 StPO abgesehen hat, führt – wenngleich insoweit auch eine andere Bewertung nahe gelegen hätte – angesichts des Gewichts der in Rede stehenden Geldwäschehandlung jedenfalls nicht zur Unvertretbarkeit der getroffenen Entscheidung.
44
cc) Ohne Rechtsverstoß konnte der Angeklagte M. schließlich einen dringenden Tatverdacht der Geldwäsche gegen Ad. annehmen. Dieser ließ sich in Anbetracht des geringen Einkommens der damaligen Beschuldigten Ad. ohne weiteres aus dem vorläufigen Ergebnis der Vermögenszuwachsberechnung und aus der angeblichen Darlehensgewährung an R. herleiten. Wie bei Rechtsanwalt R. konnte aus der Mitwirkung an der Erstellung eines falschen Beweismittels in vertretbarer Weise auf Verdunkelungsgefahr geschlossen werden; angesichts der aufzuklärenden Geldflüsse und der noch in Frage stehenden Eignung des Pkw BMW als Verfallsgegenstand war es keinesfalls abwegig, vom Fortbestehen der Verdunkelungsgefahr auszugehen. Zwar sprach in Bezug auf Ad. viel gegen die Verhältnismäßigkeit der Untersuchungshaft, namentlich der Umstand , dass sie ein Kleinkind zu versorgen hatte und sowohl im Rahmen der Tatausführung als auch bei der Planung der Verdunkelungsmaßnahmen eine eher untergeordnete Rolle gespielt haben dürfte. Dies lässt den Erlass des Haftbefehls angesichts der Erheblichkeit des Tatvorwurfs und in Anbetracht des im Rahmen der Verhältnismäßigkeitsprüfung anzulegenden Maßstabs (vgl. hierzu Meyer-Goßner, StPO, 55. Aufl., § 112 Rn. 8) jedoch noch nicht als gänzlich unvertretbar erscheinen.
45
dd) Ein für den Rechtsbeugungsvorwurf erforderlicher elementarer Verstoß gegen die Rechtspflege kommt somit allein aufgrund des Inhalts der Haftbefehle nicht in Betracht.
46
c) Indessen war der Erlass der Haftbefehle gegenR. und Ad. evident verfahrensfehlerhaft, weil der Angeklagte M. für die Entscheidung über die in dem gegen diese Beschuldigten geführten Ermitt- lungsverfahren gestellten Haftanträge unzuständig war. Nach der Geschäftsverteilung des Amtsgerichts Eisenhüttenstadt war der Angeklagte M. ab dem 14. Februar 2005 nur noch für das vor dem Schöffengericht anhängige Verfahren gegen A. zuständig. Die Aufgaben des – mangels anderweitiger Bestimmung im Geschäftsverteilungsplan auch für Haftentscheidungen gemäß § 125 StPO zuständigen – Ermittlungsrichters waren, unterteilt nach Kalenderwochen, zwei anderen Richtern übertragen. Ein Vertretungsfall – in dem der Angeklagte M. zudem nicht der als nächster zuständige Richter gewesen wäre – lag zum Zeitpunkt des Erlasses der Haftbefehle nicht vor, da die in dieser Woche zuständige Richterin am Amtsgericht Pe. zugegen war. Für eine Verfahrensverbindung der im alleinigen Zuständigkeitsbereich der Staatsanwaltschaft stehenden Ermittlungsverfahren mit dem beim Schöffengericht anhängigen Verfahren bot § 4 StPO keine Grundlage. Vor diesem Hintergrund ließ sich eine Zuständigkeit des Angeklagten M. für die R. und Ad. betreffenden Haftentscheidungen unter keinem denkbaren rechtlichen Gesichtspunkt begründen (vgl. hierzu die in dieser Sache ergangene Senatsentscheidung vom 7. Juli 2010 – 5 StR 555/09, StV 2011, 463). Wenngleich das Landgericht diesen Verfahrensverstoß im Grundsatz richtig erkannt hat, hat es ihn jedoch aufgrund einer unzulänglichen Beweiswürdigung im Rahmen der Prüfung des Rechtsbeugungstatbestandes nicht zutreffend bewertet.
47
aa) Die bei einem Verstoß gegen Verfahrensrecht für den Rechtsbeugungstatbestand notwendige konkrete Gefahr einer „falschen“ Entscheidung zum Vor- oder Nachteil einer Partei ist jedenfalls dann anzunehmen, wenn der Richter aus sachfremden Erwägungen die Zuständigkeit an sich zieht, um zu Gunsten oder zu Lasten einer Prozesspartei eine von ihm gewünschte Entscheidung herbeizuführen, die bei Einhaltung der gesetzlichen Vorschriften voraussichtlich nicht zu erreichen gewesen wäre (BGH, Urteile vom 5. Dezember 1996 – 1 StR 376/96, BGHSt 42, 343, vom 20. September 2000 – 2StR 276/00, BGHR StGB § 339 Rechtsbeugung 6, und vom 29. Oktober 2009 – 4 StR 97/09, NStZ-RR 2010, 310). Diese Voraussetzungen sind bereits dann als erfüllt anzusehen, wenn eine in mit sachwidriger Motivation angemaßter Zuständigkeit getroffene Entscheidung vom zuständigen Richter aufgrund abweichender Sachverhaltseinschätzung, anderer Bewertung eines Beurteilungsspielraums oder abweichender Ermessensausübung anders hätte getroffen werden können, wie der unzuständige Richter weiß.
48
bb) Die beweiswürdigenden Erwägungen des Landgerichts zu der danach maßgeblichen Frage nach dem Vorliegen sachfremder Motive für die fehlerhafte Zuständigkeitsbegründung durch den Angeklagten M. enthalten einen durchgreifenden Rechtsfehler zum Vorteil des Angeklagten.
49
Kann das Tatgericht die erforderliche Gewissheit von einem bestimmten Sachverhalt nicht gewinnen und spricht es daher den Angeklagten frei, so hat das Revisionsgericht dies regelmäßig hinzunehmen. Die Beweiswürdigung ist Sache des Tatgerichts (§ 261 StPO). Es kommt nicht darauf an, ob das Revisionsgericht angefallene Erkenntnisse anders gewürdigt oder Zweifel überwunden hätte. Eine Beweiswürdigung ist aber etwa dann rechtsfehlerhaft , wenn sie von einem rechtlich unzutreffenden Ansatz ausgeht, wenn sie lückenhaft ist, namentlich wesentliche Feststellungen nicht erörtert oder nur eine von mehreren gleich nahe liegenden Möglichkeiten erörtert, wenn sie widersprüchlich oder unklar ist, gegen Gesetze der Logik oder gesicherte Erfahrungssätze verstößt oder wenn an die zur Verurteilung erforderliche Gewissheit überspannte Anforderungen gestellt sind. Dies ist auch dann der Fall, wenn eine nach den Feststellungen naheliegende Schlussfolgerung nicht gezogen ist, ohne dass konkrete Gründe angeführt sind, die dieses Ergebnis stützen könnten. Dabei ist es weder im Hinblick auf den Zweifelssatz noch sonst geboten, zu Gunsten des Angeklagten Tatvarianten zu unterstellen , für deren Vorliegen keine konkreten Anhaltspunkte erbracht sind (st. Rspr., vgl. etwa BGH, Urteile vom 11. Januar 2005 – 1 StR 478/04, NStZ-RR 2005, 147, vom 7. November 2012 – 5 StR 322/12 und vom 13. Dezember 2012 – 4 StR 33/12, jeweils mwN).
50
An diesen Anforderungen scheitern die Erwägungen des Landgerichts. Die Strafkammer wertet das Vorgehen des Angeklagten M. vor dem Hintergrund der Verbindung einer Haftentscheidung in dem bei ihm anhängigen Strafverfahren mit Haftentscheidungen in Ermittlungsverfahren gegen R. und Ad. als willkürliche Zuständigkeitsbegründung; hierin sieht sie konsequenterweise einen schwerwiegenden Anhaltspunkt für eine sachwidrige Motivation des Angeklagten. Zur Entlastung des Angeklagten M. führt die Strafkammer jedoch aus, sie habe sich bei der Vernehmung der Zeugin Pe. davon überzeugt, „dass diese aufgrund der überlegenen Kenntnis des Angeklagten M. geneigt war, dessen Vorschläge und Anordnungen ohne eigene inhaltliche Prüfung zu akzeptieren, wie der von ihr unterzeichnete Vermerk betreffend die Zuständigkeit vom 20. April 2005 zeigt“. Angesichts dessen habe sie nicht feststellen können, „dass der AngeklagteM. beim Erlass der Haftbefehle gegen R. und Ad. gerade deshalb selbst gehandelt hat, um die zuständige Ermittlungsrichterin Pe. , die möglicherweise anders entschieden hätte, von der Entscheidung auszuschließen“ (UA S. 79).
51
Indem sich das Landgericht mit diesen Erwägungen an der Feststellung des Vorliegens sachfremder Motive des Angeklagten M. gehindert gesehen hat, hat es in unzulässiger Weise einen Sachverhalt zu Gunsten des Angeklagten unterstellt. Wenngleich bei mehreren nach den gesamten Umständen in Betracht kommenden Möglichkeiten grundsätzlich von der für den Angeklagten günstigeren auszugehen ist, sind andererseits nicht alle nur denkbaren Gesichtspunkte, zu denen keine Feststellungen getroffen werden können, zu Gunsten des Angeklagten zu berücksichtigen. Vielmehr berechtigen nur vernünftige Zweifel, die reale Anknüpfungspunkte haben, den Tatrichter zu Unterstellungen zu Gunsten des Angeklagten. Die Urteilsgründe müssen daher erkennen lassen, dass die Beweiswürdigung auf einer tragfähigen Grundlage beruht und die vom Gericht gezogene Schlussfolgerung nicht etwa nur eine Annahme ist oder sich als bloße Vermutung erweist (BGH, Urteil vom 11. April 2002 – 4 StR 585/01, NStZ-RR 2002, 243 mwN; vgl. ferner BGH, Urteil vom 13. Dezember 2012 – 4 StR 177/12, NStZ-RR 2013, 117).
52
Hieran fehlt es in Bezug auf die für die Schlussfolgerung des Landgerichts grundlegende Annahme, die Richterin am Amtsgericht Pe. sei geneigt gewesen, ohne eigene inhaltliche Prüfung die Vorschläge und Anordnungen des Angeklagten M. zu akzeptieren. Konkrete Anhaltspunkte, die geeignet wären, die Richtigkeit dieser Vermutung zu belegen, sind dem Urteil nicht zu entnehmen. Insbesondere kann eine derart weitreichende Unterstellung – eine Richterin werde ohne Aktenkenntnis und ohne eigene Prüfung allein aufgrund der Anweisungen eines Kollegen Haftbefehle erlassen – nicht allein aus dem insoweit seitens der Strafkammer zur Begründung herangezogenen Umstand hergeleitet werden, dass die Ermittlungsrichterin Pe. in Kenntnis der Rechtslage (vgl. UA S. 47) den eine falsche Rechtsauffassung über die Zuständigkeit des Angeklagten M. für die Haftentscheidungen betreffenden Vermerk vom 20. April 2005 bestätigt hat. Hierdurch hat sie zwar nach den Urteilsfeststellungen den Angeklagten bei dessen Zuständigkeitsanmaßung unterstützt. Dies hat indessen bei weitem nicht die gleiche Qualität wie der Erlass von Haftbefehlen durch eine Richterin, die deren Voraussetzungen selbst gar nicht geprüft hat. Während es der Richterin aus verschiedenen denkbaren Gründen gelegen gekommen sein mag, die in Rede stehenden Haftentscheidungen nicht selbst zu treffen, sondern dem Angeklagten M. zu überlassen, bleibt nach den Urteilsfeststellungen unerfindlich, weshalb sie, wenn sie selbst hätte entscheiden müssen, hierbei ohne eigene Sachprüfung ausschließlich nach Vorgaben des Angeklagten M. hätte handeln sollen.
53
Im Übrigen hätte die Strafkammer in diesem Zusammenhang kritisch erwägen müssen, dass der Angeklagte M. nach den Urteilsfeststellungen (UA S. 47) wider besseres Wissen einen seine Zuständigkeit mit rechtlichen Erwägungen herleitenden Vermerk angefertigt und durch die von ihm beschlossene Verfahrensverbindung die „künstliche Begründung einer Zuständigkeit“ (UA S. 76) geschaffen hat, was für sich gegen eine Verneinung sachfremder Motive spricht.
54
cc) Hinzu tritt hier, dass sich aufgrund im Urteil festgestellter konkreter Hinweise die Möglichkeit aufdrängte, dem Angeklagten könnte es – auch neben einer Ausschließung der tatsächlich zuständigen Richterin – darum gegangen sein, durch die Verhaftung des Rechtsanwalts R. in öffentlicher Verhandlung einen wirkungsvollen Effekt zu erzielen und die Verfahrensbeteiligten zudem durch sein Vorgehen in besonderer Weise einzuschüchtern. Für diese Möglichkeit sprechen jedenfalls die Umstände der Verhaftung des Nebenklägers R. während seiner Zeugeneinvernahme, die vor Beantragung und Erlass des Haftbefehls und ohne eine Bezugnahme auf eine anderweitige Rechtsgrundlage (etwa – den in der Sache freilich fernliegenden – § 183 Satz 2 GVG) erfolgte und sich auch in ihren Begleitumständen des Bestehens auf einer Fesselung und in der sofortigen Veranlassung der Festnahme von Ad. als effektheischende öffentliche Machtdemonstration darstellte. Dieser Gesichtspunkt ist indessen in der Beweiswürdigung des Landgerichts zur Frage sachfremder Motive nicht aufgegriffen worden, so dass die Beweiswürdigung auch wegen der fehlenden Erörterung dieser nahe liegenden Möglichkeit lückenhaft ist.
55
Auch dieser Beweiswürdigungsmangel wirkt sich entscheidend auf die rechtliche Bewertung des Verhaltens des Angeklagten M. aus. Die von der Strafkammer rechtsfehlerhaft nicht in Betracht gezogene – auf Öffentlichkeitswirksamkeit und Einschüchterung abzielende – Motivlage würde einen sachfremden Beweggrund für die festgestellte Zuständigkeitsanmaßung darstellen, der befürchten ließe, dass die jeweils im Rahmen eines Beurteilungsspielraums zu treffenden Haftentscheidungen ihrerseits von sachfremden Entscheidungen beeinflusst waren. Bereits hierin würde ein Nachteil für die von den Haftentscheidungen Betroffenen liegen, ohne dass es noch darauf ankäme, ob die schließlich getroffene Entscheidung in der Sache rechtlich vertretbar war (BGH, Urteil vom 5. Dezember 1996 – 1 StR 376/96, BGHSt 42, 343).
56
d) Die aufgezeigten Rechtsfehler führen zur Aufhebung des Freispruchs des Angeklagten M. mit den zugehörigen Feststellungen und zur Zurückverweisung der Sache an eine andere Strafkammer des Landgerichts. Eine – von der Generalstaatsanwaltschaft in Brandenburg angeregte – Entscheidung des Revisionsgerichts über den Schuldspruch scheidet schon deshalb aus, weil die Frage des Vorliegens sachfremder Motive für die durch den Angeklagten begangene Zuständigkeitsanmaßung der erneuten tatgerichtlichen Prüfung bedarf. Auch eine Aufrechterhaltung von Feststellungen kommt von vornherein nicht in Betracht, weil es dem Angeklagten verwehrt war, die ihn belastenden Feststellungen revisionsrechtlich anzugreifen (vgl. BGH, Urteil vom 20. Juni 2012 – 5 StR 536/11, NJW 2012, 2453).
57
Dies gilt namentlich für die die Grundlage der weiteren Prüfung bildende Feststellung, der Angeklagte habe seine Unzuständigkeit für den Erlass der Haftbefehle erkannt und sich nicht etwa tatsächlich entsprechend der in dem Vermerk vom 20. April 2005 niedergelegten Rechtsauffassung für zuständig gehalten. Diese Frage wird Schwerpunkt der neuen Hauptverhandlung sein.
58
e) Für diese weist der Senat auf Folgendes hin:
59
aa) Die Argumentation des Landgerichts, gegen eine sachwidrige Motivation spreche, dass der Angeklagte sich fernmündlich beim Leitenden Oberstaatsanwalt über die Freilassung von R. beschwert habe (UA S. 80), ist zweifelhaft. Die Erwägung, dies deute darauf hin, dass M. sich zu seinem Handeln berechtigt fühlte, steht in einem Spannungsverhältnis zu der Feststellung, er habe um seine Unzuständigkeit für die Haftentscheidungen gewusst. Zudem zieht das Landgericht nicht in Betracht, dass die „Beschwerde“ über die Freilassung auch darin begründet gewesen sein kann, dass der Angeklagte M. , der sich womöglich durch die von der Staatsanwaltschaft verfügte Haftentlassung bereits dem Vorwurf rechtswidrigen Handelns ausgesetzt sah, nur den Eindruck erwecken wollte, von der Rechtmäßigkeit seines Vorgehens überzeugt zu sein.
60
bb) Hingegen sind weitere vom Landgericht festgestellte (vermeintliche ) Verfahrensverstöße von vornherein nicht geeignet, den Rechtsbeugungsvorwurf zu begründen, da sie jedenfalls nicht das hierfür erforderliche Gewicht aufweisen.
61
(1) Hinsichtlich des Haftbefehls gegen A. liegt eine – zumal gravierende – Verletzung des § 29 Abs. 1 StPO nicht vor (vgl. auch BGH, Beschluss vom 3. April 2003 – 4 StR 506/02, BGHSt 48, 264). Der Unaufschiebbarkeit einer Handlung im Sinne des § 29 Abs. 1 StPO steht die Erreichbarkeit eines Vertreters nicht entgegen; ist die Handlung unaufschiebbar , stellt dies vielmehr eine Ausnahme vom Ausschlussgrund des § 29 Abs. 1 StPO dar, so dass ein Vertretungsfall gerade nicht gegeben ist.
62
(2) Der beschlossenen Verbindung kommt jenseits der Indizwirkung im Rahmen der Zuständigkeitsanmaßung für den Rechtsbeugungsvorwurf keine eigenständige Bedeutung zu. Hierdurch drohte den Betroffenen für sich kein konkreter Nachteil. Der Angeklagte hat sowohl Ad. als auch R. in dem nach der Verbindung stattfindenden Hauptverhandlungstermin vom 14. April 2005 als Zeugen vernommen und nicht etwa als Beschuldigte oder gar als Angeklagte des laufenden Verfahrens vor dem Schöffengericht behandelt. Den Verbindungsbeschluss hat er schließlich am 29. April 2005 mit der Begründung aufgehoben, die Verbindung sei nach Aufhebung des Haftbefehls gegenstandslos.
63
(3) Auch die richterlichen Handlungen des Angeklagten M. im Zusammenhang mit den Durchsuchungen der Kanzleiräume des Rechtsanwalts R. scheiden als Anknüpfungspunkt für den Vorwurf der Rechts- beugung jedenfalls mangels der hierfür erforderlichen Schwere des Verstoßes aus. Eine Zuständigkeitsanmaßung liegt auch hinsichtlich der zweiten Durchsuchungsanordnung nicht vor, da die zu suchenden Beweismittel gerade auch in dem von M. geführten Verfahren gegen A. Bedeutung erlangen konnten, so dass der Angeklagte als Vorsitzender des Schöffengerichts in diesem Verfahren Durchsuchungen gemäß §§ 102, 103 StPO anordnen konnte.
64
(4) Das – auch vom Landgericht nicht als Verfahrensverstoß gewertete – Unterlassen einer Bearbeitung der Haftbeschwerden schon am 8. April 2005, an dem sich der Angeklagte M. zur Verhandlung von Zivilverfahren in Frankfurt (Oder) befand, kann jedenfalls nicht als elementarer Verstoß gegen die Rechtspflege gewertet werden. Der Angeklagte hat die Beschwerden innerhalb der Dreitagesfrist des § 306 Abs. 2 Halbsatz 2 StPO weitergeleitet. Insoweit liegt jedenfalls die Annahme eines schwerwiegenden Rechtsverstoßes – ohne das Hinzutreten weiterer Umstände – fern (vgl. auch BGH, Urteil vom 4. September 2001 – 5 StR 92/01, BGHSt 47, 105).
65
2. Zum Angeklagten P.
66
Zu Recht hat das Landgericht auf Grundlage der insoweit rechtsfehlerfrei getroffenen Feststellungen eine Strafbarkeit des Angeklagten P. nach § 339 StGB, gegebenenfalls i.V.m. § 25 Abs. 2, §§ 26 oder 27 StGB verneint.
67
a) Die Stellung der Haftbefehlsanträge war materiell-rechtlich vertretbar und kann somit im Hinblick auf ihren Inhalt nicht als Beugung des Rechts gewertet werden. Hierbei kommt es nicht darauf an, ob die Begründung der Anträge in jeder Hinsicht tragfähig war. Weder eine unzulängliche noch eine in Teilen fernliegende Antragsbegründung – wie etwa die Annahme von Fluchtgefahr bei Rechtsanwalt R. – vermögen für sich genommen einen elementaren Rechtsverstoß im Sinne des § 339 StGB zu begründen, wenn die beantragten gerichtlichen Maßnahmen – wie hier – im Ergebnis vertretbar waren und auch die Antragstellung als solche nicht gegen Verfahrensvorschriften verstieß; denn die Antragsbegründung selbst entfaltet keinerlei Außenwirkung und vermag somit allein keinen mit dem Recht unvereinbaren Zustand zu schaffen.
68
b) Zwar käme grundsätzlich eine Beteiligung des AngeklagtenP. an der willkürlichen Zuständigkeitsbegründung des Angeklagten M. im Hinblick darauf in Betracht, dass P. die Ad. und R. betreffenden schriftlichen Haftbefehlsanträge durch persönliche Übergabe beim Angeklagten M. gestellt hat, obwohl dieser zur Entscheidung über diese Anträge unzuständig war. Das Landgericht hat sich jedoch nicht davon zu überzeugen vermocht, dass der Angeklagte P. die erst mit Wirkung zum 14. Februar 2005 beschlossene Änderung des Geschäftsverteilungsplans kannte und daher wusste, dass M. nicht mehr als Ermittlungsrichter des Amtsgerichts Eisenhüttenstadt für Haftentscheidungen zuständig war. Die dem zugrunde liegende Beweiswürdigung ist jedenfalls vor dem Hintergrund, dass M. im laufenden Geschäftsjahr noch als Ermittlungsrichter des Amtsgerichts Eisenhüttenstadt zuständig gewesen war, vertretbar und vom Revisionsgericht hinzunehmen. Wenn aber P. von einer Zuständigkeit des Angeklagten M. für die Haftentscheidungen ausging , scheidet eine strafbare Beteiligung an dem von M. begangenen Verfahrensverstoß aus.
69
Die Adressierung auch der R. und Ad. betreffenden An- träge an das „Schöffengericht des Amtsgerichts Eisenhüttenstadt“ führt – unabhängig von der vom Landgericht nicht näher gewürdigten Einlassung P. s, er habe bei der Erstellung der Anträge am PC versehentlich die vorher für den A. betreffenden Antrag verwendete Maske benutzt – jedenfalls vor dem Hintergrund, dass diese außerhalb der Hauptverhandlung gestellt wurden, zu keiner anderen Bewertung. Der für außerhalb der Hauptverhandlung zu treffende Entscheidungen des Schöffengerichts allein zu- ständige Angeklagte M. war nach Vorstellung des Angeklagten P. , wie zu dessen Gunsten zu unterstellen ist, mit dem zuständigen Ermittlungsrichter personenidentisch, so dass die Falschadressierung – hiervon ausgehend – nicht zu einer Verletzung von Zuständigkeitsvorschriften führen konnte.
70
c) Ein in der Stellung der Haftbefehlsanträge liegender Verstoß gegen die interne staatsanwaltschaftliche Zuständigkeitsverteilung kann ohne das Hinzutreten weiterer sich hieraus ergebender Rechtsverstöße keine Beugung des Rechts darstellen. Die Ermittlungsverfahren gegen R. und Ad. wurden aufgrund einer bestehenden örtlichen Zuständigkeit bei der Staatsanwaltschaft Frankfurt (Oder) geführt. Als dieser Behörde angehörender Oberstaatsanwalt war der Angeklagte P. nach außen hin befugt, die Haftbefehlsanträge zu stellen. Die Zuwiderhandlung gegen die innerhalb seiner Behörde geltenden Zuständigkeitsabgrenzungen bewirkt – unabhängig von der Frage nach dem Vorliegen einer beamtenrechtlich relevanten Dienstpflichtverletzung – keine Verletzung materiellen oder prozessualen Rechts.
71
d) Selbst wenn nachzuweisen sein sollte, dass der Mitangeklagte M. sich maßgeblich aus dem Motiv einer öffentlichkeitswirksamen Aktion zu den Verhaftungen entschlossen und P. dies durchschaut und mit seinen Anträgen unterstützt hätte, bietet dies auf der gleichwohl rechtsfehlerfrei angenommenen Grundlage materieller Vertretbarkeit der Haftentscheidungen und Unkenntnis P. s von M. s Zuständigkeitsanmaßung keinen hinreichenden Anhalt für eine strafbare Handlung P. s.
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BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
2 StR 276/00
vom
20. September 2000
in der Strafsache
gegen
wegen Rechtsbeugung
Der 2. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat in der Sitzung vom 20. September
2000, an der teilgenommen haben:
Vizepräsident des Bundesgerichtshofes
Dr. Jähnke
als Vorsitzender,
der Richter am Bundesgerichtshof
Dr. Bode,
die Richterin am Bundesgerichtshof
Dr. Otten,
der Richter am Bundesgrichtshof
Rothfuß,
die Richterin am Bundesgerichtshof
Elf
als beisitzende Richter,
Bundesanwalt
als Vertreter der Bundesanwaltschaft,
Rechtsanwalt
als Verteidiger,
Justizangestellte
als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle,

für Recht erkannt:
Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Wiesbaden vom 27. Januar 2000 mit den Feststellungen aufgehoben. Die Sache wird zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine Strafkammer des Landgerichts Frankfurt am Main zurückverwiesen.

Von Rechts wegen

Gründe:

Das Landgericht hat den Angeklagten wegen Rechtsbeugung zu einer Freiheitsstrafe von einem Jahr verurteilt und die Vollstreckung der Strafe zur Bewährung ausgesetzt. Die gegen dieses Urteil gerichtete Revision des Angeklagten , mit der er die Verletzung formellen und materiellen Rechts rügt, hat mit der Sachrüge Erfolg.

I.

Das Landgericht hat folgende Feststellungen getroffen: Der Angeklagte war seit 1979 Richter, seit 1989 Direktor des Amtsgerichts R. . Am Wochenende 6./7. Juni 1998 war er für den Bereitschaftsdienst am Amtsgericht E. eingeteilt. Am Samstag, den 6. Juni 1998, ging beim Amtsgericht E. ein an das Verwaltungsgericht W. gerichteter Schriftsatz der Tochter des Angeklagten , der Zeugin S. , ein, den der Rechtspfleger gegen 10.00 Uhr vorfand.
Darin beantragte sie, eine einstweilige Anordnung gegen die Stadt E. z u erlassen mit dem Inhalt, der Antragstellerin während des Erdbeerfestes vom 12. bis 15. Juni 1998 die Zufahrt mit PKW zu ihrem Wohnhaus zu ermöglichen, der Stadt zu untersagen, das Abspielen von Musik und die Herstellung lauter Geräusche während des Festes zu gestatten und der Stadt aufzugeben, solchen Lärm zu verhindern. In einem Begleitschreiben teilte die Zeugin mit, sie habe am selben Tag versucht, den Antrag beim Verwaltungsgericht W. einzureichen, was ihr jedoch nicht gelungen sei, da dieses geschlossen sei. Wegen der außerordentlichen Eilbedürftigkeit richte sie ihren Antrag daher an das Amtsgericht E. . Zugleich bat die Zeugin per Fax darum, ihren Antrag wegen der außerordentlichen Dringlichkeit sofort dem Sachbearbeiter bzw. Richter vorzulegen. Nachdem der Angeklagte den Antrag durchgesehen hatte, äußerte er gegenüber dem anwesenden Rechtspfleger, er müsse den Antrag wohl bearbeiten , auch wenn die Antragstellerin seine Tochter sei, ein anderer Richter sei nicht erreichbar. Bemühungen, andere Kollegen oder das Verwaltungsgericht W. zu erreichen, unternahm er nicht. Während er mit dem Abfassen des Beschlusses, den er selbst auf der Maschine schrieb, weil eine Schreibkraft nicht sogleich zu erreichen war, befaßt war, erschien der Zeuge Dr. M. im Gericht. Er wurde dem Angeklagten von dem Rechtspfleger zutreffend als Richter am Amtsgericht E. vorgestellt, worauf der Angeklagte den Zeugen in barschem Ton aufforderte, das Zimmer zu verlassen, er wolle nicht gestört werden. Der Angeklagte stellte seinen Beschluß fertig, mit dem er eine einstweilige Anordnung erließ, die dem Antrag seiner Tochter weitgehend entsprach und lediglich hinsichtlich der Musik die Einschränkung enthielt, daß diese von
der Stadt nicht zu gestatten oder zu dulden sei, soweit sie Zimmerlautstärke überschreite. In den Gründen des Beschlusses führte er unter anderem aus: ” ... Aus der Rechtsweggarantie des Art. 19 GG folgt, daß das Amtsgericht solange zuständig ist, als das Fachgericht nicht erreicht werden kann und unaufschiebbare Entscheidungen zu treffen sind. Der Richter ist über den Antrag und seine Zuständigkeit deswegen höchst unglücklich, weil er mit der Antragstellerin im 1. Grad der Hauptlinie verwandt ist. Dessen ungeachtet muß er dennoch über den Antrag auf Gewährung einstweiligen Rechtsschutzes befinden , weil es sich um eine unaufschiebbare Angelegenheit handelt und trotz rechtlichen Ausschlusses von der Entscheidung in einem solchen Fall zu entscheiden ist, §§ 42, 47 ZPO. ... Ein anderer Richter (des AG E. ist nicht erreichbar). ...” Die Akte versah der Angeklagte mit der Verfügung: ”1. Ausfertigung an GVollz F. zur Zustellung mit Antragsabschrift 2. Austragen 3. Urschriftlich mit Anlagen dem Verwaltungsgericht in W. übersandt.” Nachdem der Gerichtsvollzieher mit einer Ausfertigung des Beschlusses das Gericht verlassen hatte, entschuldigte sich der Angeklagte bei dem Zeugen Dr. M. , den er möglicherweise erst jetzt als Kollegen erkannte, für sein unfreundliches Verhalten und schilderte ihm den gerade entschiedenen Fall, wobei er erwähnte, daß seine Tochter den Antrag gestellt habe, er aber leider habe entscheiden müssen, da der Antrag eilig sei.
Den Gerichtsvollzieher, der zu Bedenken gegeben hatte, daß die Verwaltung der Stadt am Wochenende nicht besetzt sei und er deshalb nicht zustellen könne, hatte er zuvor angewiesen, beim Bürgermeister persönlich an dessen Wohnanschrift zuzustellen. Da der Gerichtsvollzieher den Bürgermeister am Samstag jedoch nicht erreichte und er die Sache nicht für so eilig hielt, stellte er ihm den Beschluß am Montag morgen in dessen Diensträumen zu. Die Akte gelangte am gleichen Tag durch Boten an das Verwaltungsgericht W. , das nach einer Anhörung am 10. Juni 1998 den Beschluß des Amtsgerichts E. für gegenstandslos erklärte, das Verfahren einstellte, soweit die Antragstellerin den Antrag zurückgenommen hatte, und im übrigen den Antrag zurückwies.

II.

Das Landgericht hat den Angeklagten für schuldig befunden, vorsätzlich aus sachfremden Erwägungen eine Entscheidung zum Vorteil seiner Tochter getroffen zu haben, indem er seine Familienangehörigkeit zu der rechtsuchenden Partei über seine gesetzliche Pflicht, sich einer Sachentscheidung zu enthalten , gestellt habe.
Die Revision des Angeklagten hat Erfolg, weil die Ausführungen des Landgerichts zur inneren Tatseite rechtlich zu beanstanden sind.
1. Der Angeklagte hat als Richter bei Erlaß der einstweiligen Anordnung Verfahrensrecht verletzt.
Mit dem an das Verwaltungsgericht gerichteten Antrag gegen die Stadt E. wurde ein öffentlich-rechtlicher Anspruch, für den hier der Verwaltungs-
rechtsweg nach § 40 VwGO gegeben war, geltend gemacht. Die Rechtswegregelung des § 40 VwGO bezieht sich auf das gesamte Verfahren, auch auf die Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes, eine subsidiäre Zuständigkeit der ordentlichen Gerichte gemäß Art. 19 Abs. 4 S. 2 GG kommt nicht Betracht (Redeker/von Oertzen, VwGO 12. Aufl. 1997, § 40 Rdn. 1; Kopp; VwGO 10. Aufl. 1994 § 40 Rdn. 1). Der Angeklagte, der der ordentlichen Gerichtsbarkeit angehört, war schon aus diesem Grund nicht zuständig.
Mit seiner Entscheidung über den Antrag seiner Tochter hat der Angeklagte weiter gegen § 54 Abs. 1 VwGO, § 41 Nr. 3 ZPO verstoßen, weil er in einer Sache entschieden hat, bei der er als Vater der Antragstellerin von jeglicher Mitwirkung ausgeschlossen war, dies gilt auch für unaufschiebbare Amtshandlungen nach § 47 ZPO.
Die Inanspruchnahme seiner Zuständigkeit war danach grob verfahrensfehlerhaft.
Rechtsbeugung kann durch einen Verstoß gegen Verfahrensvorschriften begangen werden (RGSt 57, 31, 34; BGHSt 32, 257 f.; 38, 381, 383, 42, 343 f). Nicht jede unrichtige Rechtsanwendung stellt jedoch eine Beugung des Rechts im Sinne vom § 339 StGB dar; vielmehr enthält dieses Tatbestandsmerkmal ein normatives Element. Erfaßt werden sollen nur elementare Rechtsverstöße , bei denen sich der Täter bewußt und in schwerer Weise von Recht und Gesetz entfernt (ständige Rechtsprechung, BGHSt 32, 357; 34, 146, 149; 38, 381, 383; 42, 343, 345). In diesem Sinne sind die angesprochenen Verfahrensverstöße , insbesondere aber die Verletzung der § 54 VwGO, §§ 41, 47 ZPO gravierend. Gerade der Ausschluß eines Richters bei naher Verwandt-
schaft (hier Vater-Tochter-Beziehung), ist in allen Verfahrensordnungen geregelt. Auf die Einhaltung dieser Bestimmung vertraut jeder Bürger in besonderem Maße.
Allerdings liegt es bei Verfahrensverstößen nicht ohne weiteres auf der Hand, daß durch die Rechtsverletzung eine Besserstellung oder Benachteiligung einer Partei bewirkt wird. Die Nichtbeachtung von Zuständigkeitsnormen kann für sich genommen für das Ergebnis indifferent sein, da der Richter bei der Sachentscheidung an die gleichen rechtlichen Bestimmungen gebunden ist, wie der an sich zuständige Richter. Erforderlich ist deshalb, daß durch die Verfahrensverletzung die konkrete Gefahr einer falschen Entscheidung begründet wurde, ohne daß allerdings ein Vor- oder Nachteil tatsächlich eingetreten sein muß (BGHSt 42, 343, 346, 351). Die Gefahr der bewußten Manipulation des Entscheidungsergebnisses liegt bei Verstößen gegen eine Ausschlußbestimmung wie sie hier vorliegt, jedoch sehr nahe, sie ist jedenfalls dann anzunehmen, wenn der Richter aus sachfremden Motiven die Zuständigkeit an sich gezogen hat, um der einen Prozeßpartei einen Gefallen zu tun (BGHSt 42, 353).
2. Eine solche sachfremde Motivation des Angeklagten hat das Landgericht zwar festgestellt. Die Würdigung des Landgerichts zur inneren Tatseite beruht aber auf einer unzureichenden Grundlage und läßt wesentliche Umstände unberücksichtigt.
Der Angeklagte hatte sich dahin eingelassen, er habe sich wegen der besonderen Eilbedürftigkeit entsprechend § 47 ZPO zur Entscheidung für befugt und verpflichtet gehalten. Mit der Sperrung der Straße habe am Montag
begonnen werden sollen. Das Landgericht hat dagegen angenommen, der Angeklagte habe gewußt, daß der Antrag nicht außerordentlich eilig gewesen sei. Die Sperrung des Parkplatzes am Rheinufer, die am Montag den 8. Juni 1998 erfolgen sollte, habe noch keine unmittelbare Beeinträchtigung der Zufahrtsmöglichkeiten für seine Tochter bedeutet, die Lärmbelästigung habe erst ab Beginn des Festes eintreten können. Bei dieser Würdigung setzt sich das Landgericht jedoch nicht damit auseinander, daß der Angeklagte von einer Straßensperrung ausgegangen sein will und berücksichtigt auch nicht, daß die Maßnahmen der Stadt, mit denen die Anordnungen des Beschlusses umzusetzen waren, möglicherweise einen gewissen Vorlauf benötigten. Welche Angaben der Angeklagte zu seinen Vorstellungen über die von der Stadt zu ergreifenden Maßnahmen gemacht hat, hat es nicht mitgeteilt.
Unabhängig davon hält das Landgericht aber auch seine Einlassung für widerlegt, er sei bei seiner Entscheidung rechtsirrtümlich davon ausgegangen, entsprechend § 47 ZPO auch als ausgeschlossener Richter wie geschehen verfahren zu dürfen. Er habe nicht - wie von ihm angegeben - eine Kollegin angerufen. Bemühungen, andere Kollegen zu erreichen, habe er, wie er selbst eingeräumt habe, nicht unternommen. Er habe schnell und zielgerichtet gehandelt. Daraus folgt nach Überzeugung der Kammer, daß er spätestens nach Durchlesen des Antrags selbst im Sinne seiner Tochter habe entscheiden wollen , um zu verhindern, daß andere damit befaßte Kollegen der ordentlichen Gerichtsbarkeit an diesem Samstag oder auch erst am Montag den Antrag an das Verwaltungsgericht weiterleiten oder gar zurückweisen würden. Diese Schlußfolgerungen des Landgerichts sind zwar an sich möglich, sie berücksichtigen aber nicht, daß nach dem Sachverhalt auch Anhaltspunkte dafür
bestehen, daß der Angeklagte sich in Verkennung der Rechtslage zur Entscheidung berechtigt und verpflichtet gehalten haben kann:
So hat er nicht nur im Beschluß selbst auf das - wegen der Namensverschiedenheit nicht offensichtliche - Verwandtschaftsverhältnis zu der Antragstellerin hingewiesen und ausgeführt, daß er wegen der besonderen Eilbedürftigkeit nach § 47 ZPO handeln müsse, sondern diese Rechtsmeinung schon bei Eingang des Antrags gegenüber dem Rechtspfleger als auch unmittelbar nach Absetzung und Aushändigung des Beschlusses an den Gerichtsvollzieher gegenüber dem ihm als Kollegen vorgestellten Dr. M. vertreten. Er hat auch nicht versucht, die Vorlage der Akten an das zuständige Verwaltungsgericht zu verzögern, sondern für die umgehende Übersendung der Akten gesorgt , wodurch sein Handeln sofort offenbar wurde und noch rechtzeitig eine Entscheidung getroffen werden konnte.
Mit diesen ungewöhnlichen Umständen, die sein Handeln zur Verfolgung eines seine Tochter begünstigenden Zwecks als wenig sinnvoll erscheinen lassen , hätte sich das Landgericht auseinandersetzen und dabei auch mitteilen und erörtern müssen, welche Angaben der Angeklagte zu seinen Vorstellungen vom weiteren Verfahrensablauf beim Verwaltungsgericht gemacht hat.
Die aufgezeigten Fehler führen zur Aufhebung des Urteils. Ein vom Angeklagten beantragter Freispruch durch den Senat kam nicht in Betracht, denn es ist nicht auszuschließen, daß ein neuer Tatrichter rechtsfehlerfrei Feststellungen treffen kann, die zu einer Verurteilung gemäß § 339 StGB führen.
Der Senat macht von der Möglichkeit des § 354 Abs. 2 Satz 1 StPO Gebrauch und verweist die Sache an das Landgericht Frankfurt am Main zurück.
Jähnke Bode Otten Rothfuß Elf

(1) Wer es unterläßt, einen Erfolg abzuwenden, der zum Tatbestand eines Strafgesetzes gehört, ist nach diesem Gesetz nur dann strafbar, wenn er rechtlich dafür einzustehen hat, daß der Erfolg nicht eintritt, und wenn das Unterlassen der Verwirklichung des gesetzlichen Tatbestandes durch ein Tun entspricht.

(2) Die Strafe kann nach § 49 Abs. 1 gemildert werden.

Nachschlagewerk: ja
BGHSt : ja
Veröffentlichung: ja
Zögerliche Bearbeitung einer Rechtssache innerhalb eines
objektiv vertretbaren Zeitraums ist Rechtsbeugung, wenn
der Richter mit seiner Verfahrensweise aus sachfremden
Erwägungen gezielt zum Vorteil oder Nachteil einer Partei handelt.
BGH, Urt. v. 4. September 2001 - 5 StR 92/01
LG Hamburg

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
vom 4. September 2001
in der Strafsache
gegen
wegen Rechtsbeugung
Der 5. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat in der Sitzung vom 4. September
2001, an der teilgenommen haben:
Vorsitzende Richterin Harms,
Richter Häger,
Richterin Dr. Tepperwien,
Richter Dr. Raum,
Richter Dr. Brause
als beisitzende Richter,
Bundesanwalt
als Vertreter der Bundesanwaltschaft,
Rechtsanwalt S ,
Rechtsanwalt W
als Verteidiger,
Justizangestellte
als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle,

für Recht erkannt:
Auf die Revisionen des Angeklagten und der Staatsanwaltschaft wird das Urteil des Landgerichts Hamburg vom 13. Oktober 2000 mit den Feststellungen aufgehoben.
Die Sache wird zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.
– Von Rechts wegen – G r ü n d e Das Landgericht hat den Angeklagten wegen Rechtsbeugung (durch Unterlassen) zu einer Geldstrafe von 120 Tagessätzen zu je 100 DM verurteilt. Die hiergegen gerichtete Revision des Angeklagten, mit der er seinen Freispruch erstrebt, führt ebenso wie die Revision der Staatsanwaltschaft, die unter anderem auf eine Verurteilung des Angeklagten wegen tateinheitlich mit Rechtsbeugung begangener Freiheitsberaubung gerichtet ist, mit der jeweils erhobenen Sachrüge zur Aufhebung des angefochtenen Urteils; eines Eingehens auf die vom Angeklagten zusätzlich erhobenen Verfahrensrügen bedarf es daher nicht.

I.


Nach den Feststellungen des Landgerichts kam es während einer von dem Angeklagten als Einzelrichter geleiteten Hauptverhandlung vor dem Amtsgericht Hamburg am 19. Mai 1999 zu erheblichen Störungen durch Zuhörer. Diese äußerten lautstark ihren Unmut über den Angeklagten und blieben , als er das Urteil verkünden wollte, demonstrativ sitzen. Ein Zuhörer stellte sich auch nach Abmahnung durch den Angeklagten nicht aufrecht hin, worauf der Angeklagte ihm die Verhängung von Ordnungshaft zunächst androhte und, als der Zuhörer seine provozierende Haltung beibehielt, drei Tage Ordnungshaft verhängte. Im Rahmen des anschließenden Tumults versuchte ein anderer Zuhörer über die Barriere zwischen Verhandlungssaal und Zuhörerraum zu steigen und trat um sich, als er von der Saalwachtmeisterin daran gehindert werden sollte. Auch gegen diesen Störer verhängte der Angeklagte nach vorheriger Androhung, auf die der Zuhörer nicht reagierte , drei Tage Ordnungshaft. Beide Störer wurden sofort in Haft genommen.
Ein Prozeßbevollmächtigter der inhaftierten Zuhörer legte bereits etwa eine Stunde danach Beschwerde gegen die Ordnungshaftbeschlüsse ein. Der Angeklagte erfuhr hiervon noch am Nachmittag desselben Tages während einer bis kurz nach 16 Uhr dauernden weiteren Hauptverhandlung, in der ihm die Beschwerdeschrift durch Justizpersonal vorgelegt wurde. Er bearbeitete die Beschwerden an diesem Tag nicht mehr. Am Vormittag des folgenden Tages begab sich der Angeklagte zunächst nicht ins Gericht, sondern er erkundigte sich in einem Fachgeschäft nach Sicherheitsvorrichtungen für seine Wohnung, zu denen ihm von der Staatsschutzabteilung des Landeskriminalamtes geraten worden war. Gegen Mittag erklärte er ausweislich der tatrichterlichen Feststellungen einem Journalisten, der ihn unter seiner privaten Telefonnummer nach dem Stand des Beschwerdeverfahrens gefragt hatte, ”er müsse ja nicht gleich springen, wenn Anwälte etwas von ihm wollten. So etwas müsse sorgfältig und in Ruhe geprüft werden”. Der Journalist möge diese Ä ußerung aber nicht veröffentlichen, sie sei nicht zi-
tierfähig. Als der Angeklagte gegen 14.30 Uhr im Gericht eintraf, diktierte er der Protokollführerin die Ordnungshaftbeschlüsse, die sie in das Hauptverhandlungsprotokoll einfügte. Von der Möglichkeit, die Strafakten anschließend selbst wieder in Empfang zu nehmen, machte er keinen Gebrauch. Er ordnete vielmehr an, daß die Akten nach der erfolgten Ergänzung des Protokolls in sein Fach zu legen seien, und bereitete dann bis 22 oder 23 Uhr die Hauptverhandlungen des folgenden Tages vor. Die Beschwerden bearbeitete er auch an diesem Tag nicht mehr. Am 21. Mai 1999 wurden dem Angeklagten, der ab 9.45 Uhr Hauptverhandlungen geleitet hatte, beim Mittagessen in der Gerichtskantine von Kollegen Vorhaltungen gemacht, er verschleppe das Verfahren hinsichtlich der eingelegten Beschwerden. Diese Vorwürfe wies er mit der – inhaltlich unzutreffenden – Behauptung zurück, das Protokoll sei noch nicht fertiggestellt, weil er die Protokollführerin nicht habe erreichen können. Kurz nach 16 Uhr brachte er dann die Akte mit dem Hauptverhandlungsprotokoll, den Beschwerdebegründungen und einem von ihm zuvor noch gefertigten Vermerk über die Gründe einer unterbliebenen Rechtsmittelbelehrung persönlich zum Hanseatischen Oberlandesgericht als Beschwerdegericht.
Eine Stunde nach Eingang der Beschwerden beim Oberlandesgericht hob der zuständige Senat die Ordnungshaftbeschlüsse aus formellen Gründen auf, weil die Vorgänge in der Hauptverhandlung, die zur Anordnung der Ordnungshaft geführt hatten, entgegen § 182 GVG im Protokoll nicht dargestellt waren. Zur materiellen Rechtslage enthält der Beschluß den Hinweis, daß die Verhängung mehrtägiger Ordnungshaft angesichts der den Beschlußgründen zu entnehmenden massiven Störungen nahegelegen habe.
Der Angeklagte hat bestritten, das Beschwerdeverfahren gezielt verzögert zu haben, um die beiden Störer ”schmoren” zu lassen. Er sei der Auffassung gewesen, die in § 306 Abs. 2 StPO dem Richter eingeräumte Frist von drei Tagen für die Vorlage einer Beschwerde an das Rechtsmittel-
gericht gelte auch für Beschwerden gegen Ordnungshaftbeschlüsse und habe von ihm voll ausgeschöpft werden dürfen. Wegen anderweitiger dienstlicher und privater Obliegenheiten und wegen einer von ihm für erforderlich erachteten Überprüfung der Ordnungshaftbeschlüsse insbesondere in formeller Hinsicht habe er eine Bearbeitungszeit von zwei Tagen benötigt. Das Landgericht ist demgegenüber davon überzeugt, daß der Angeklagte in Kenntnis der Eilbedürftigkeit die Bearbeitung der Beschwerden gezielt verzögert hat, um die Durchsetzung der Haftanordnungen nicht zu gefährden. Dabei stützt es sich maßgeblich auf eine ins einzelne gehende Rekonstruktion des jeweiligen Tagesablaufs des Angeklagten am 19., 20. und 21. Mai 1999 und kommt zu dem Ergebnis, daß es dem Angeklagten – jedenfalls unter zumutbarer Zurückstellung privater Belange – möglich gewesen wäre, die Beschwerden dem Oberlandesgericht schneller zuzuleiten. Auch die Ä ußerungen des Angeklagten gegenüber dem Journalisten und das Kantinengespräch, in dem der Angeklagte nachweislich gelogen habe, ließen auf eine Verschleppungsabsicht und damit auf eine bewußt unrichtige Anwendung des Verfahrensrechts zum Nachteil der Inhaftierten schließen.
Eine Rechtsbeugung sieht das Landgericht in der zeitlichen Behandlung der gegen die Ordnungsmittelbeschlüsse gerichteten Beschwerden. Insoweit stelle sich das Verhalten des Angeklagten als ”bewußte Verzögerung des offensichtlich gewünschten Rechtsschutzes” und damit als elementarer Verstoß gegen die Rechtsweggarantie dar, die sowohl in Art. 19 Abs. 4 GG als auch in Art. 5 Abs. 4 MRK ihren Niederschlag gefunden habe.

II.


Revision des Angeklagten
Die Revision des Angeklagten hat Erfolg. Namentlich die Beweiswürdigung hält rechtlicher Nachprüfung nicht stand.

Nach ständiger Rechtsprechung stellt nicht jede unrichtige Rechtsanwendung eine Beugung des Rechts im Sinne von § 339 StGB dar. Nur der Rechtsbruch als elementarer Verstoß gegen die Rechtspflege soll unter Strafe gestellt sein. Rechtsbeugung begeht daher nur der Amtsträger, der sich bewußt und in schwerwiegender Weise von Recht und Gesetz entfernt. Selbst die (bloße) Unvertretbarkeit einer Entscheidung begründet eine Rechtsbeugung nicht (st. Rspr.; vgl. nur BGH NJW 1997, 1455 m.w.N.). Einen elementaren Rechtsverstoß zeigt das Landgericht auf der Grundlage der bisher erhobenen Beweise nicht auf, zumal da es bei der Beweiswürdigung ein zu enges Verständnis des dem Richter bei der Erledigung seiner Dienstgeschäfte einzuräumenden zeitlichen Spielraums zugrundelegt.
1. Im Ansatz zutreffend geht das Landgericht – das die verhängte Ordnungshaft vor dem Hintergrund wiederholter massiver Störungen der Hauptverhandlung mit Recht für inhaltlich vertretbar hält (vgl. dazu Diemer in KK StPO 4. Aufl. § 178 GVG Rdn. 3 mit Beispielen aus der Rechtsprechung ) – davon aus, daß Rechtsbeugung nicht nur in Form von Sachentscheidungen , sondern auch durch einen Verstoß gegen Verfahrensrecht begangen werden kann (st. Rspr.; vgl. nur BGHSt 32, 357; 38, 381, 383; 42, 343; jeweils m.w.N.). Zu den wesentlichen Grundprinzipien des Strafverfahrensrechts zählt das unmittelbar aus dem Rechtsstaatsprinzip des Art. 20 GG und der allgemeinen prozessualen Fürsorgepflicht abzuleitende, schlagwortartig als Beschleunigungsgebot bezeichnete Verbot rechtsstaatswidriger Verfahrensverzögerung (BGHSt 24, 239 f.; 26, 1, 4). Allgemein normiert in Art. 6 Abs. 1 MRK, wird die Bedeutung des Verbots rechtsstaatswidriger Verfahrensverzögerung für Haftsachen in Art. 2 Abs. 2 Satz 2, Art. 104 GG sowie in Art. 5 Abs. 3, 4 MRK besonders hervorgehoben. Auch wenn die Einzelregelungen dieser Normen auf die – verglichen mit vorläufiger Festnahme und Untersuchungshaft eher seltene und in ihren zeitlich begrenzten Auswirkungen auf den Betroffenen weniger schwerwiegende –
Anordnung von Ordnungshaft nicht unmittelbar zugeschnitten sind, gilt das in den genannten Vorschriften zum Ausdruck kommende Prinzip, daß Haftsachen besonders zügig zu bearbeiten sind, für Maßnahmen nach § 178 Abs. 1 Satz 1, 2. Alternative GVG in gleicher Weise. Rechtsbeugung durch Verstoß gegen das Beschleunigungsgebot ist daher auch im Bereich der Ordnungshaft nicht grundsätzlich ausgeschlossen.
2. Trotz der nachteiligen Auswirkungen, die eine zögerliche Sachbearbeitung insbesondere in Haftsachen für den Betroffenen mit sich bringen mag, darf jedoch der Tatbestand der Rechtsbeugung, soweit dessen Verwirklichung durch einen Verstoß gegen das Beschleunigungsgebot in Betracht gezogen wird, auch in diesem Bereich richterlicher Tätigkeit nicht in unangemessener Weise ausgedehnt werden. Insbesondere ist bei der Auslegung der Norm darauf Bedacht zu nehmen, daß die richterliche Unabhängigkeit gewahrt bleibt.

a) Die Bearbeitung einer Rechtssache, wie sie der Angeklagte hier in Form der Fertigstellung und Korrektur des Protokolls, der nachgeholten schriftlichen Begründung der Ordnungshaftbeschlüsse sowie eines für das Beschwerdegericht gefertigten erläuternden Vermerks vorgenommen hat, fällt grundsätzlich in den Schutzbereich, der dem Richter in Art. 97 GG und den einfachgesetzlichen Vorschriften der § 25 Abs. 1 DRiG, § 1 GVG eingeräumt ist. Zwar handelt es sich bei den genannten Tätigkeiten nicht um den Kernbereich richterlichen Wirkens, die Spruchtätigkeit, jedoch gebietet es das Interesse an einer wirksamen Gewährleistung der richterlichen Unabhängigkeit , auch die der Rechtsfindung nur mittelbar dienenden, sie vorbereitenden und ihr nachfolgenden Sach- und Verfahrensentscheidungen in den Schutzbereich einzubeziehen (BGHZ 90, 41, 45). Dem entspricht es, daß nach ständiger Rechtsprechung des Richterdienstgerichts des Bundes verzögerte Terminierungen oder als unangemessen lang gewertete Urteilsabsetzungszeiträume nur dann im Rahmen der Dienstaufsicht nach § 26
Abs. 2 DRiG beanstandet werden dürfen, wenn dies losgelöst von einzelnen Rechtssachen oder Fallgruppen geschieht und wenn die Aufsichtsmaßnahme die Entscheidungsfreiheit des Richters im Einzelfall unberührt läßt (BGHZ 51, 280, 287; 90, 41, 46; 93, 238, 243 f.). Da eine Strafandrohung, zumal in Form eines Verbrechenstatbestandes, noch weit mehr als eine Maßnahme der Dienstaufsicht geeignet sein wird, den Richter in seinem Verhalten zu beeinflussen, darf auch unter strafrechtlichen Gesichtspunkten eine Überprüfung richterlicher Tätigkeit am wenig konkreten Maßstab des Beschleunigungsgebots nicht zu einer grundlegenden Beeinträchtigung der sachlichen Unabhängigkeit des Richters führen (vgl. BGH NStZ 1988, 218 f.).

b) Bei der Entscheidung der Frage, ob in der verzögerten Bearbeitung einer Rechtssache ein Rechtsbruch im Sinne des § 339 StGB liegen kann, ist daher davon auszugehen, daß es grundsätzlich dem Richter überlassen bleibt, welchem der von ihm zu erledigenden vielfältigen Dienstgeschäfte er den Vorrang vor anderen einräumt, welche Mittel er im Einzelfall für die Förderung einer Rechtssache geeignet hält und welche Gründlichkeit er der Sachbearbeitung widmet. An bestimmte Dienstzeiten ist er dabei nicht gebunden (BVerwGE 78, 211, 213).
Da die richterliche Unabhängigkeit weder Standesprivileg (BVerfGE 27, 211, 217; BGHZ 67, 184, 187; Benda DRiZ 1975, 166, 170) noch absoluter Selbstwert ist, vor dem alle anderen Bedingungen einer rechtsstaatlichen Justizgewährung zurückzutreten hätten (Rudolph DRiZ 1978, 146; Kissel, GVG 3. Aufl. § 1 Rdn. 43), schließt ein dem Richter im Grundsatz zuzubilligender großzügiger Ermessensspielraum bei der Einteilung seiner Dienstgeschäfte strafrechtlich relevante Verstöße gegen das Beschleunigungsgebot nicht in jedem Fall aus. Sie werden insbesondere dann in Betracht kommen, wenn der Richter gegen zwingende Vorschriften verstößt, in denen der Gesetzgeber – wie beispielsweise in § 115 StPO – das allgemei-
ne Beschleunigungsgebot konkretisiert hat oder wenn der Richter untätig bleibt, obwohl besondere Umstände sofortiges Handeln – etwa die Veranlassung der Freilassung eines Inhaftierten nach Aufhebung des Haftbefehls – zwingend gebieten. Beides trifft auf den vorliegend zu beurteilenden Fall jedoch nicht zu.
Nachdem der Angeklagte, einer zumindest vertretbaren Mindermeinung folgend (vgl. dazu die Nachweise bei Katholnigg, Strafgerichtsverfassungsrecht 3. Aufl. § 181 GVG Rdn. 1; Kissel aaO § 181 Rdn. 2), die gemäß § 181 Abs. 2 GVG eingelegten fristgebundenen Beschwerden gegen die Ordnungshaftbeschlüsse als einfache Beschwerden gewertet hat, richtete sich aus seiner Sicht die Weiterleitung der Rechtsmittel nach § 306 Abs. 2 StPO. Diese Vorschrift sieht für den Fall der Nichtabhilfe die Vorlage an das Beschwerdegericht ”sofort, spätestens vor Ablauf von drei Tagen” vor. Gegen die Dreitagesfrist, die zudem nur eine Sollvorschrift darstellt (Kleinknecht /Meyer-Goßner, StPO 45. Aufl. § 306 Rdn. 11), hat der Angeklagte nicht verstoßen, weil er die Beschwerden am zweiten Tag nach ihrem Eingang an das Beschwerdegericht weitergeleitet hat. Auch wenn der Angeklagte damit nicht ”sofort” gehandelt hat, stellt die Einhaltung der Dreitagesfrist ein gewichtiges Indiz dafür dar, daß eine vom Gesetz noch als angemessen erachtete Bearbeitungszeit nicht überschritten worden ist.
Da richterliche Entscheidungen, gegen die eine Beschwerde möglich ist, Sachverhalte unterschiedlicher Art betreffen und mehr oder minder schwere Eingriffe in die Rechtssphäre der Beschwerdeführer zum Gegenstand haben, können besondere Umstände eine Weiterleitung der Beschwerden vor Ablauf der Frist im Ausnahmefall allerdings gleichwohl erfordern. Solche Besonderheiten hat das Landgericht hier darin gesehen, daß die angeordnete Ordnungshaft entsprechend der gesetzlichen Vorgabe des § 179 GVG sofort vollstreckt worden ist, den Beschwerdeführern daher bei einer Weiterleitung der Rechtsmittelschriften unter voller Ausschöpfung der
Dreitagesfrist ein effektiver Rechtsschutz nicht mehr hätte gewährt werden können.
Die drohende vollständige Vollstreckung einer angeordneten Freiheitsentziehung kann aber für sich allein keine Pflicht zum sofortigen Tätigwerden begründen. Grundsätzlich bleibt auch in diesen Fällen dem Richter ein Spielraum für die Einteilung seiner dienstlichen und – weil er an feste Dienstzeiten nicht gebunden ist (vgl. BVerwGE 78, 211, 213) – auch seiner privaten Angelegenheiten. Zwar hat der Erfolg der Beschwerde für einen Beschwerdeführer, der die Ordnungshaft bereits verbüßt hat, über die Feststellung der Rechtswidrigkeit hinaus kaum praktische Bedeutung, zumal da nach herrschender Meinung eine Entschädigung aus der Staatskasse nach dem Gesetz über die Entschädigung für Strafverfolgungsmaßnahmen nicht in Betracht kommt (OLG Frankfurt NJW 1976, 303; Kissel aaO Rdn. 18). Ein bestimmender Einfluß auf die dem Richter zuzubilligende Bearbeitungszeit in der Weise, daß sich diese umso mehr verkürzt, je weiter die angeordnete Dauer der Ordnungshaft unter der zulässigen Höchstdauer von einer Woche liegt, kommt dem Gesichtspunkt abnehmender Effizienz aber nicht zu. Der Richter, der lediglich einen Tag Ordnungshaft verhängt und die dagegen gerichtete Beschwerde am folgenden Tag an das Beschwerdegericht weiterleitet , gerät nicht allein dadurch in den Bereich der Rechtsbeugung, daß die Haft zu diesem Zeitpunkt bereits vollzogen ist. Vielmehr wird sich in derartigen Fällen effektiver Rechtsschutz durch eine Anordnung des Beschwerdegerichts nach § 307 Abs. 2 StPO anbieten, mit der eine aufschiebende Wirkung der Beschwerde hergestellt wird (vgl. Katholnigg aaO § 181 GVG Rdn. 4; Kissel aaO Rdn. 11; Kleinknecht/Meyer-Goßner aaO § 181 GVG Rdn. 1; Schäfer/Wickern in Löwe/Rosenberg, StPO 24. Aufl. § 181 GVG Rdn. 13).
Zwar wäre im vorliegenden Fall schon aufgrund des für Haftsachen allgemein geltenden Beschleunigungsgrundsatzes eine zügigere Bearbei-
tung der mit der Anordnung von Ordnungshaft in Zusammenhang stehenden Vorgänge wünschenswert und unter Berücksichtigung der sonstigen dienstlichen Verpflichtungen und privaten Interessen des Angeklagten auch zumutbar gewesen. Gleichwohl hat der Angeklagte nach den oben angeführten Grundsätzen mit der von ihm gewählten Verfahrensweise die äußeren Grenzen des ihm für die Weiterleitung der Beschwerden einzuräumenden Ermessens nicht in schwerwiegender Weise mißachtet. Dies gilt umso mehr, als sich sein Verhalten nicht auf bloße Untätigkeit beschränkte, sondern nach seiner insoweit unwiderlegten Einlassung rechtliche Nachforschungen sowie die Umsetzung der dadurch gewonnenen Erkenntnisse im Protokoll und in einem Vermerk einschloß.

c) Bei zögerlicher Bearbeitung einer Rechtssache innerhalb eines objektiv vertretbaren Zeitraumes kommt ein schwerwiegender Rechtsverstoß allerdings dann in Betracht, wenn der Richter mit seiner Verfahrensweise aus sachfremden Erwägungen gezielt zum Vorteil oder Nachteil einer Partei handelt (vgl. BGHSt 42, 343, 345). Dies wäre hier gegeben, wenn der Angeklagte , wie vom Landgericht für erwiesen erachtet, sich bereits zu Beginn des auf die Verkündung der Ordnungshaftbeschlüsse folgenden Tages entschlossen hätte, unter mutwilliger Verzögerung die Beschwerden solange zurückzuhalten, bis der vollständige Vollzug der Ordnungshaft durch einen Erfolg der Beschwerden beim Oberlandesgericht nicht mehr gefährdet werden konnte. In einem solchen Fall wären zwar die äußeren Schranken des dem Richter für die Bearbeitung von Rechtssachen in zeitlicher Hinsicht eingeräumten Ermessens eingehalten, so daß eine Ermessensüberschreitung ausgeschlossen wäre. Es läge jedoch ein Ermessensmißbrauch durch Überschreitung der inneren Schranken des Ermessens vor.
Soweit das Landgericht bereits in dem objektiven Ablauf des Beschwerdeverfahrens unter weitgehender Ausschöpfung der Dreitagesfrist einen schwerwiegenden Verstoß gegen das Beschleunigungsgebot sieht,
der den Schluß auf eine böswillige Vorgehensweise des Angeklagten nahelege , geht es, wie oben dargestellt, von einem zu engen Verständnis der dem Richter für die Bearbeitung von Rechtssachen in zeitlicher Hinsicht eingeräumten Spielräume aus. Wenn das Landgericht im einzelnen darlegt, daß der Angeklagte unter Zurückstellung anderer dienstlicher, insbesondere aber privater Belange die Beschwerden schneller als geschehen hätte bearbeiten und weiterleiten können, so mag dies belegen, daß der Angeklagte den hohen Anforderungen, die an das Pflicht- und Verantwortungsbewußtsein eines Richters gerade angesichts der mit der richterlichen Unabhängigkeit verbundenen Freiräume zu stellen sind (vgl. dazu Kissel aaO § 1 Rdn. 3), nicht in ausreichendem Maße gerecht geworden ist. Der Nachweis einer gezielten Verfahrensverzögerung kann damit aber nicht geführt werden.
Auch ist der Inhalt des Telefonats des Angeklagten mit dem Journalisten vom Landgericht nicht erschöpfend gewürdigt worden. Da die Überheblichkeit , die aus der Ä ußerung des Angeklagten spricht, ”er müsse ja nicht gleich springen, wenn Anwälte etwas von ihm wollten”, im Umgang zwischen Richter- und Anwaltschaft unangebracht ist, hatte der Angeklagte allen Anlaß , eine Veröffentlichung dieser von ihm mit Recht als ”nicht zitierfähig” eingeschätzten Bemerkung zu verhindern. Dagegen erscheint es fernliegend , daß der Angeklagte, wie das Landgericht meint, der Auffassung gewesen sein sollte, dem Journalisten mit seiner Ä ußerung einen gezielten Rechtsbruch offenbart zu haben und ihn wegen der Brisanz, die ein solches ”Geständnis” zweifellos hätte, um Verschwiegenheit gebeten hat.
Ä hnliche Erwägungen gelten für das ”Kantinengespräch”. Auch insoweit läßt das Landgericht unberücksichtigt, daß der Angeklagte angesichts der berechtigten Vorhaltungen seiner Kollegen Veranlassung hatte, die schleppende Bearbeitung der Beschwerdevorgänge durch eine falsche Darstellung der wahren Ursachen zu rechtfertigen.
Da das Landgericht das Motiv für eine rechtsbeugerische Verfahrensverzögerung darin sieht, daß der Angeklagte das Risiko einer Aufhebung der Ordnungshaftbeschlüsse durch das Beschwerdegericht und eine Entlassung der Störer aus der Haft vor deren vollständigem Vollzug nicht habe eingehen wollen, hätte es zudem der Darlegung bedurft, weshalb der Angeklagte ein solches Risiko als naheliegend erachtet haben sollte. Ausführungen hierzu waren umso mehr geboten, als das Landgericht zu Gunsten des Angeklagten unterstellt hat, daß dieser die formellen Mängel der Ordnungshaftanordnungen nicht erkannt hat und daß die von ihm getroffenen Entscheidungen vor dem Hintergrund der vorangegangenen massiven Störungen sachlich vertretbar erschienen.
Die aufgezeigten Fehler führen zur Aufhebung des Urteils. Ein vom Generalbundesanwalt beantragter Freispruch durch den Senat kam dagegen nicht in Betracht, weil nicht mit letzter Sicherheit auszuschließen ist, daß ein neuer Tatrichter zu den s ubjektiven Vorstellungen des Angeklagten rechtsfehlerfrei Feststellungen treffen kann, die zu einer Verurteilung nach § 339 StGB führen.

III.


Revision der Staatsanwaltschaft
Soweit die Staatsanwaltschaft mit ihrer zu Ungunsten des Angeklagten eingelegten Revision beanstandet, das Landgericht habe eine Verurteilung des Angeklagten wegen tateinheitlicher Freiheitsberaubung mit rechtsfehlerhafter Begründung abgelehnt, ist ihr – im übrigen nach § 301 StPO auch zu Gunsten des Angeklagten wirkendes – Rechtsmittel begründet.
Auf der Grundlage der vom Landgericht zu den subjektiven Vorstellungen des Angeklagten getroffenen Feststellungen kommt es entgegen der
Rechtsauffassung des Tatrichters nicht darauf an, daß der Angeklagte die Ordnungshaftbeschlüsse für formal und sachlich rechtsfehlerfrei erachtete. Ebensowenig wie der Vorsatz der Rechtsbeugung durch die Vorstellung des Täters, er handele im Ergebnis gerecht, in Frage gestellt wird, wenn sich sein Handeln in schwerwiegender Weise vom Gesetz entfernt und an eigenen Maßstäben anstelle der vom Gesetzgeber statuierten ausrichtet (vgl. BGHSt 32, 357, 360), kann den Richter eine solche Vorstellung bei idealkonkurrierenden Delikten entlasten. Die Anordnung freiheitsberaubender Maßnahmen zu Lasten des Bürgers ist ebenso wie ihre Aufrechterhaltung nur im Rahmen eines ordnungsgemäßen justizförmigen Verfahrens zulässig, zu dem auch die Gewährung eines effektiven Rechtsschutzes unter Beachtung des Beschleunigungsgebots gehört. Sollte der neue Tatrichter daher auf der Grundlage rechtsfehlerfrei getroffener Feststellungen erneut zu dem Ergebnis gelangen, daß der Angeklagte durch eine verzögerte Weiterleitung der Beschwerden an das Oberlandesgericht die Freilassung der inhaftierten Zuhörer zu einem früheren Zeitpunkt gezielt verhindert hat, wird der Angeklagte auch wegen tateinheitlich begangener Freiheitsberaubung zu verurteilen sein.
Harms Häger Tepperwien Raum Brause
44
Der Angeklagte entschloss sich spätestens Ende Februar 2004, das Ermittlungsverfahren gegen P. S. - dauerhaft - nicht mehr weiter zu bearbeiten und so P. S. , der einer schweren Straftat - eines Verbrechens - verdächtig war, auf Dauer, zumindest auf ganz unbestimmte Zeit weiterer Strafverfolgung zu entziehen, und er setzte dies dann durch schwerpunktmäßig aktives Handeln in die Tat um. Die Staatsanwaltschaft Dessau hatte das Verfahren nicht übernommen. Die Einstellung des Verfahrens nach § 154 Abs. 2 StPO war ihm verboten worden. Er war zudem von seinem Abteilungsleiter - ohne dass es dessen bedurft hätte - sogar noch ausdrücklich angewiesen worden, Anklage zu erheben. Er war nach allem nicht nur dienstrechtlich, sondern im Hinblick auf das Legalitätsprinzip strafprozessual (§ 152 Abs. 2 StPO) gehalten, die Ermittlungen zum Abschluss zu bringen und - bei hinreichendem Tatverdacht, was schon im Hinblick auf das angekündigte Teilgeständnis zu erwarten war - P. S. anzuklagen. Dass er dies als der für dieses Verfahren zuständige Staatsanwalt bewusst nicht umsetzte, sondern gezielt durch aktive Manipulationen verhinderte, stellt einen bewussten Rechtsbruch, eine objektive, wie auch - unter Berücksichtigung der besonderen Umstände in der Person des Angeklagten - subjektiv schwere Rechtsverletzung dar und damit eine Rechtsbeugung im Sinne von § 339 StGB, hier in Tateinheit mit Strafvereitelung im Amt gemäß §§ 258a Abs. 1, 258 Abs. 1 StGB.
5 StR 261/12
(alt: 5 StR 555/09)

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
vom 11. April 2013
in der Strafsache
gegen
1.
2.
wegen Rechtsbeugung u.a.
Der 5. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat in der Sitzung vom
11. April 2013, an der teilgenommen haben:
Vorsitzender Richter Basdorf,
Richter Dr. Raum,
Richterin Dr. Schneider,
Richter Dölp,
Richter Bellay
als beisitzende Richter,
Bundesanwalt
als Vertreter der Bundesanwaltschaft,
Rechtsanwalt I.
als Verteidiger für den Angeklagten M. ,
Rechtsanwalt Z.
als Verteidiger für den Angeklagten P. ,
Rechtsanwalt H. S.
als Vertreter für den Nebenkläger A. ,
Rechtsanwalt M. S.
als Vertreter für den Nebenkläger R. ,
Justizhauptsekretärin
als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle,

für Recht erkannt:
1. Auf die Revisionen der Staatsanwaltschaft und der Nebenkläger wird das Urteil des Landgerichts Potsdam vom 8. Dezember 2011, soweit es den Angeklagten M. betrifft, mit den Feststellungen aufgehoben.
Insoweit wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung , auch über die Kosten der den Angeklagten M. betreffenden Rechtsmittel, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.
2. Die den Angeklagten P. betreffenden Revisionen der Staatsanwaltschaft und der Nebenkläger werden verworfen.
Die Kosten der den Angeklagten P. betreffenden Revision der Staatsanwaltschaft sowie die ihm im Revisionsverfahren entstandenen notwendigen Auslagen werden der Staatskasse auferlegt. Die Nebenkläger tragen die Kosten ihrer Rechtsmittel.
– Von Rechts wegen – G r ü n d e
1
Das Landgericht hatte die Angeklagten jeweils wegen Rechtsbeugung in Tateinheit mit schwerer Freiheitsberaubung zu Freiheitsstrafen, die zur Bewährung ausgesetzt wurden, verurteilt und wegen rechtsstaatswidriger Verfahrensverzögerung einen Teil der Strafen als vollstreckt erklärt. Der Se- nat hat diese Erkenntnis durch Beschluss vom 7. Juli 2010 (5 StR 555/09, StV 2011, 463) aufgehoben.
2
Das Landgericht hat die Angeklagten nunmehr freigesprochen. Die hiergegen gerichteten Revisionen der Staatsanwaltschaft und der Nebenkläger führen hinsichtlich des Angeklagten M. mit der Sachrüge zum Erfolg. Soweit die Revisionen den Angeklagten P. betreffen, sind sie hingegen unbegründet.

I.


3
Das Landgericht hat folgende Feststellungen und Wertungen getroffen :
4
1. Der Angeklagte M. führte als Richter am Amtsgericht Eisenhüttenstadt den Vorsitz in einer Schöffensache gegen den damals angeklagten Nebenkläger A. . Diesem wurde zur Last gelegt, als Nachlasspfleger in sechs Nachlassverfahren Vermögen von über 430.000 € veruntreut zu haben. Eine detaillierte Darstellung der veruntreuten Beträge, insbesondere zu Kontoauswertungen oder sonstigen Beweismitteln zu Entnahme und Verbleib der Nachlassgelder, enthielt die Anklageschrift nicht. Ungeachtet dieser Mängel hatte die Wirtschaftsstrafkammer des Landgerichts Frankfurt (Oder) das Verfahren vor dem Schöffengericht eröffnet; eine höhere Straferwartung als vier Jahre Freiheitsstrafe bestehe gegenüber dem – während mehrerer Monate vollzogener Untersuchungshaft – weitgehendgeständigen A. nicht.
5
Als sich der Nebenkläger Rechtsanwalt R. als (zusätzlicher) Verteidiger des A. anzeigte, erregte dies den Argwohn des Angeklagten M. . Er wusste, dass A. seine Tätigkeit als Nachlasspfleger in den Kanzleiräumen des Nebenklägers R. ausgeübt hatte ; zudem war ihm aufgrund einer Mitteilung der Staatsanwaltschaft bekannt, dass gegen R. ein Ermittlungsverfahren wegen Geldwäsche eingeleitet worden war, weil er von A. Nachlassgelder in Kenntnis von deren rechtswidriger Herkunft erhalten habe. M. war bewusst, dass der Strafvorwurf gegen R. wegen Geldwäsche rechtlich davon abhing, ob A. die Untreuehandlungen gewerbsmäßig begangen hatte.
6
M. beschloss, eine Sachverständige mit der Untersuchung zu beauftragen, in welchem Ausmaß A. durch seine Aktienspekulationen die einzelnen Nachlässe geschädigt habe. Den Auftrag erweiterte er dahin , auch zu prüfen, ob R. nach Lage der Akten an den Taten des A. beteiligt gewesen sei. Eine Anregung des Dezernatsvertreters des Angeklagten M. an die Staatsanwaltschaft, einen Antrag auf Ausschluss von Rechtsanwalt R. als Verteidiger nach §§ 138a, 138c StPO zu prüfen, blieb ohne Ergebnis. Die Staatsanwaltschaft stellte zwar ohne nähere Begründung einen entsprechenden Antrag, den sie jedoch nach Hinweis der Generalstaatsanwaltschaft zurücknahm, dass der Antrag nicht den Begründungserfordernissen entspreche.
7
Die Hauptverhandlung gegen A. begann am 16. Dezember 2004 und war vom Angeklagten M. mit Blick auf ein erwartetes Geständnis A. s auf zwei Sitzungstage terminiert. Sitzungsvertreter der Staatsanwaltschaft war zunächst Staatsanwalt B. . Dieser beantragte die Einvernahme des weiterhin als Verteidiger auftretenden R. als Zeuge und legte M. hierzu einen Fragenkatalog vor, um Erkenntnisse bezüglich der Geldflüsse zwischen R. und A. zu erhalten. B. hatte zuvor auch ein Ermittlungsverfahren gegen die Ehefrau des Nebenklägers A. , Ad. , wegen Geldwäsche eingeleitet, weil es Anhaltspunkte dafür gab, dass auch sie veruntreute Nachlassgelder erhalten hatte.
8
Die Hauptverhandlung war – bei noch ausstehendem Gutachten der Sachverständigen – geprägt durch Nachermittlungshandlungen gegen A. und Ermittlungshandlungen gegenüber R. , bei dem insbesondere mehrere Durchsuchungsmaßnahmen, auch in Anwesenheit M. s, vollzogen wurden. Im Mittelpunkt stand dabei der Erwerb eines hochwertigen Pkw BMW, der von A. seit 2001 benutzt wurde; Halter des Fahrzeugs war aber R. , der die Anschaffungskosten steuerlich über seine Kanzlei geltend gemacht hatte. Das Fahrzeug kam als Sicherungsmittel für etwaige Geschädigte in Betracht, was aber voraussetzte, dass es mit inkriminierten Geldern erworben worden war.
9
Über die Verteidigung wurden – so auch am ersten Hauptverhandlungstag – mehrere Ablehnungsgesuche gegen M. gestellt, die zu- mindest zum Teil der Verfahrensverschleppung dienten „und bisweilen laienhaft wirkende Begründungen enthielten“; zudem vertrat Rechtsanwalt R. „bizarre“ Rechtsansichten mit Blick auf den Strafvorwurf. Nach Verlesung des Anklagesatzes machte A. von seinem Schweigerecht Gebrauch.
10
Für das Prozessverhalten A. s machte M. in erster Linie Rechtsanwalt R. verantwortlich, der nach seiner Meinung damit verhindern wollte, wegen eigener Beteiligung an dessen Taten belangt zu werden. M. fasste daher nach dem ersten Verhandlungstag den Ent- schluss, „dass Rechtsanwalt R. der Teilnahme an den Taten des A. überführt und sein Ausschluss aus dem Strafverfahren erreicht werden müsse“ (UA S. 21).
11
Auf Antrag der Staatsanwaltschaft ordnete M. am 5. Januar 2005 unter anderem die Durchsuchung der Kanzleiräume von R. nach Buchhaltungs- und Steuerunterlagen an. Er zog bei der Einsatzbesprechung auch Beamte der Steuerfahndung hinzu und nahm selbst an den Durchsuchungen teil, wobei er die Beweismittelrelevanz von Unterlagen prüfte. M. fand hierbei einen Darlehensvertrag aus Februar 2001, wonach Ad. Rechtsanwalt R. ein Darlehen über 85.000 DM ge- währen werde, und eine weitere handschriftliche Vereinbarung zwischen R. und Ad. aus Februar 2001 über die Rückabwicklung des Darlehens bei Rückgabe des Pkw BMW. Auf telefonischen Antrag des angeklagten Oberstaatsanwalts P. , der ab 6. Januar 2005 als Sitzungsvertreter bei den weiteren Hauptverhandlungsterminen vorgesehen war, ordnete M. die Beschlagnahme des Pkw BMW an, unter anderem weil das Fahrzeug voraussichtlich der Einziehung oder dem Verfall unterliege.
12
Zu einem nicht bekannten Zeitpunkt vor dem 7. April 2005 erfuhrM. , dass A. am 11. Januar 2005 im Rahmen eines Zivilverfahrens eine eidesstattliche Versicherung über seine Einkommens- und Vermögensverhältnisse abgegeben hatte, wonach er von seiner Ehefrau Ad. getrennt lebe, was nach Auffassung M. s nicht zutraf.
13
Am 14. Februar 2005 wurde M. mit 90 % seiner Arbeitskraft an das Landgericht Frankfurt (Oder) abgeordnet; mit seiner verbleibenden Arbeitskraft sollte er das Verfahren gegen A. beim Amtsgericht Eisenhüttenstadt zum Abschluss bringen. Das Präsidium des Amtsgerichts änderte dementsprechend den Geschäftsverteilungsplan unter anderem dahin, dass Richter am Amtsgericht T. – neben Richterin am Amtsgericht Pe. in wöchentlichem Wechsel – als Ermittlungsrichter zuständig wurde. Das Landgericht konnte nicht feststellen, dass der Angeklagte P. von dieser Änderung der Geschäftsverteilung Kenntnis erlangt hat.
14
Im Hauptverhandlungstermin am 10. März 2005 wurde R. als Zeuge vernommen; er gab an, den Pkw BMW vollständig bar bezahlt zu haben. Die Frage, ob ein Pkw Opel Calibra der Ad. in Zahlung gegeben worden sei, verneinte er wahrheitswidrig. Nach Belehrung gemäß § 55 StPO gab er Erklärungen zum Hintergrund des Darlehensvertrages und der Rückabwicklungsvereinbarung aus Februar 2001 ab.
15
Abweichende Angaben hierzu hatte Ad. in einer Beschuldigtenvernehmung bei der Polizei gemacht, wie ein Polizeibeamter als Zeuge in der Hauptverhandlung vom 24. März 2005 bekundete. Im weiteren Verlauf der Hauptverhandlung beschwerte sich der neuerlich als Zeuge einvernommene Nebenkläger R. über die Art und Weise der bei ihm durchgeführten Durchsuchungen; diese seien nicht nach den Vorschriften der StPO erfolgt. M. entgegnete ihm darauf „mit der als Scherz gemeinten Be- kundung, die Durchsuchung sei auf Grundlage der ‚HPO‘(der [Eisen-] Hüttenstädter Prozessordnung) erfolgt, die mit der Vollstreckung beginne“ (UA S. 30). R. bekundete als Zeuge im Anschluss daran, dass er den inzwischen beschlagnahmten Pkw BMW am 30. Dezember 2004 an Ad. veräußert habe; er würde den Vertrag im nächsten Hauptverhandlungstermin vorlegen.
16
Die Angeklagten M. und P. waren aufgrund der für sie erstaunlichen Bekundungen von R. davon überzeugt, dass es sich bei dem behaupteten Kaufvertrag, sollte er vorgelegt werden, um einen „Scheinvertrag“ handeln würde. P. fertigte daher bis zum nächsten Hauptverhandlungstermin am 7. April 2005 jeweils einen Antrag auf Erlass eines Haftbefehls gegen R. , Ad. und A. . Er beabsichtigte diese Anträge für den Fall der Vorlage des behaupteten Kaufvertrages durch R. zu stellen, sofern dieser den Verdacht, dass es sich um einen Scheinvertrag handele, nicht ausräumen könne.
17
Im Hauptverhandlungstermin vom 7. April 2005 wurde R. erneut als Zeuge einvernommen. Er überreichte eine Kopie eines auf den 30. Dezember 2004 datierten Kaufvertrages zwischen ihm und Ad. bezüglich des Pkw BMW über 20.000 € und eine auf den 3. Januar 2005 datierte Aufrechnungserklärung, die eine Teilaufrechnung der Kaufpreisforderung mit dem Darlehensrückzahlungsanspruch der Käuferin Ad. enthielt. Auf Frage gab er an, dass sich der Kaufvertrag bei der Durchsuchung am 5. Januar 2005 in der Buchhaltung seiner Kanzlei befunden habe.
18
Sowohl der Angeklagte P. als auch der Angeklagte M. glaubten der Schilderung des Zeugen R. nicht. Beide waren der Auffassung , dass der Kaufvertrag rückdatiert und erst nach der Durchsuchung gefertigt worden sei. Sie meinten zudem, der Kaufvertrag diene der Verschleierung der Eigentumsverhältnisse an dem sichergestellten Fahrzeug und der Umstände seines Erwerbs aus veruntreuten Nachlassgeldern im Jahre 2001.
19
M. , der wusste, dass P. im Falle der Vorlage des Kaufvertrages durch R. Haftbefehlsanträge stellen würde, sofern R. die Vorgänge nicht schlüssig erklären konnte, erhob sich, wies auf R. und rief: „Sie sind festgenommen!“, woraufhin im Zuschauersaal Applaus auf- brandete. Er ordnete ebenfalls die Festnahme A. s und dessen nicht im Sitzungssaal befindlicher Ehefrau Ad. an. Als ein Justizwachtmeister Rechtsanwalt R. Handfesseln anlegen wollte und dieser erklärte , das sei wirklich nicht nötig, er werde nicht fliehen, rief M. dem Wachtmeister zu: „Das volle Programm!“. R. und A. wurden in Handfesseln abgeführt; die Hauptverhandlung wurde unterbrochen.
20
Danach übergab P. die drei von ihm vorbereiteten, auf den 7. April 2005 datierten, sämtlich an das Schöffengericht des Amtsgerichts Eisenhüttenstadt adressierten Anträge auf Erlass von Haftbefehlen gegen den damaligen Angeklagten A. sowie gegen die damaligen Beschuldigten R. und Ad. ; die Ermittlungsakten gegen R. und Ad. legte er nicht vor. Hinsichtlich des damaligen Angeklagten A. stützte P. den Haftbefehlsantrag auf den dringenden Tatverdacht der Untreue in sechs Fällen und nahm mit Blick auf die Straferwartung und den Verlauf der Hauptverhandlung Flucht- sowie Verdunkelungsgefahr als Haftgründe an. Dem damaligen Beschuldigten R. legte P. Geldwäsche und uneidliche Falschaussage zur Last und führte als Haftgründe ebenfalls Verdunkelungs- sowie Fluchtgefahr an. Gegen die damalige Beschuldig- te Ad. begründete P. den Haftbefehlsantrag damit, dass sie der Geldwäsche dringend verdächtig sei und Verdunkelungsgefahr bestehe.
21
M. nahm die Haftbefehlsanträge zu den Verfahrensakten A. s und vergab – obwohl er keine Zuständigkeit als Ermittlungsrichter hatte – bezüglich der Haftbefehlsanträge gegen R. und Ad. jeweils gesonderte Gs-Aktenzeichen. Sodann fertigte er handschriftlich einen Beschluss, in welchem er die beiden Ermittlungsverfahren gegen R. und Ad. zu dem bei ihm anhängigen Strafverfahren gegen A. zur „gemeinsamen Entscheidung gemäß §§ 2, 4 StPO“ verband. Anschließend erließ M. unter Anführung aller Aktenzeichen einen (einheitlichen ) Haftbefehl gegen A. , R. und Ad. , jedoch jeweils mit gesonderter Begründung. Im Haftbefehl gegen A. begründete er die Verdunkelungsgefahr wegen gewerbsmäßiger Untreue unter anderem mit dessen Beitrag zur Vorlage des rückdatierten Kaufvertrages und seiner wahrheitswidrigen Angabe, dauernd von seiner Ehefrau getrennt zu leben. Im Haftbefehl gegen R. nahm M. dringenden Tatverdacht wegen Geldwäsche in Tateinheit mit Begünstigung sowie wegen uneidlicher Falschaussage an. Als Haftgrund wurde Verdunkelungsgefahr durch seine unwahre Zeugenaussage und die Präsentation des rückdatierten Kaufvertrages in Zusammenwirken mit Ad. angenommen. Im Haftbefehl gegen Ad. – die wenige Minuten nach der Festnahme ihres Ehemannes und seines Verteidigers auf ihrer Arbeitsstelle festgenommen worden war – begründete M. den dringenden Tatverdacht wegen Geldwäsche in Tateinheit mit Begünstigung unter anderem damit, dass sie den bei ihr festgestellten Vermögenszuwachs zwischen 1999 und 2005 in Höhe von etwa 100.000 € nicht selbst erwirtschaftet haben könne, so dass als einzige Erklärung hierfür eine Vermögensverschiebung seitens A. in Betracht komme. Für die angenommene Verdunkelungsgefahr führte M. im Wesentlichen die gleiche Begründung wie bei A. und R. an. Im Hinblick auf die hohen Schadenssummen sei die Anordnung der Untersuchungshaft bei allen Beteiligten auch verhältnismäßig.
22
Am Nachmittag des 7. April 2005 ließ M. nacheinander A. , Ad. und R. vorführen und verkündete – in Anwesenheit P. s – die Haftbefehle. Am 8. April 2005 (Freitag) verhandelte M. Zivilverfahren am Landgericht Frankfurt (Oder). Darüber hinaus ordnete er telefonisch die Durchsuchung der Rechtsanwaltskanzlei von R. an, um den Originalkaufvertrag vom 30. Dezember 2004 aufzufinden. Auch veranlasste er die Übersendung der Haftbefehle und verfügte die Mitteilung der Inhaftierung von R. an die Rechtsanwaltskammer. An diesem Tag legten die Verteidiger von A. , Ad. und R. beim Amtsgericht Eisenhüttenstadt Haftbeschwerden ein, über die Richter am Amtsgericht T. sofort M. fernmündlich unterrichtete; dieser erklärte, er werde erst wieder am 11. April 2005 in Eisenhüttenstadt anwesend sein und die Haftbeschwerden bearbeiten. An diesem Tag verfügte M. , dass den Haftbeschwerden nicht abgeholfen werde; er veranlasste die Fertigung von Aktendoppeln und – ohne besondere Maßnahmen zur Beschleunigung – deren Vorlage über die Staatsanwaltschaft an das Beschwerdegericht, bei dem die Akten am 12. April 2005 eingingen.
23
Der Angeklagte P. hatte den Leitenden Oberstaatsanwalt noch am Abend des 7. April 2005 fernmündlich über die Verhaftung von Rechtsanwalt R. in Kenntnis gesetzt. Der Leitende Oberstaatsanwalt veranlasste aufgrund seiner nach Besprechungen und Überprüfungen gewonnenen Überzeugung von der Nichtigkeit des Verbindungsbeschlusses und der Unzuständigkeit des Angeklagten M. als Ermittlungsrichter den Dezernenten Staatsanwalt B. dazu, R. am 14. April 2005 aus der Haft zu entlassen.
24
M. war hierüber und über B. s korrespondierenden Antrag vom 15. April 2005 auf Aufhebung des Haftbefehls gegen R. empört und beschwerte sich am selben Tag telefonisch beim Leitenden Oberstaatsanwalt. Dieser wies M. s Ansicht, der Verbindungsbeschluss sei zulässig gewesen, ungehalten als geradezu absurd zurück. M.
beschloss noch am 15. April 2005 „in dem Straf- und Ermittlungsverfahren gegen A. , R. und Ad. “ die Aufhebung der Haftbefehle gegen und Ad. , weil sich nach der Haftentlassung von R. der Vollzug der Untersuchungshaft gegenüber den Eheleuten A. als unverhältnismäßig darstelle, und veranlasste deren Haftentlassung. Am 20. April 2005 hob er auch den Haftbefehl gegen R. auf.
25
Am 20. April 2005 fertigte M. zudem einen Vermerk, wonach unmittelbar vor dem Hauptverhandlungstermin am 7. April 2005 zwischen ihm und der Ermittlungsrichterin Pe. eine Zuständigkeitserörterung stattgefunden habe. In diesem Vermerk führte er aus, dass beide die Geschäftsverteilung des Amtsgerichts Eisenhüttenstadt dahin auslegten, dass er auch für Maßnahmen gegen Dritte, wie z. B. die Ehefrau Ad. und den Verteidiger Rechtsanwalt R. zuständig sei, wenn sich „die Sache“ aus dem Verfahren gegen A. ergebe. Hierüber habe Einigkeit bestanden, und aus diesem Grund hätte Pe. , „deren Zuständigkeit sinngemäß behauptet worden sei“, ein Tätigwerden gegen Ad. undRechtsanwalt R. im Hinblick auf die „unbestrittene“ Zuständigkeit M. s abgelehnt. Die Ermittlungsrichterin Pe. bestätigte in einem gesonderten Vermerk vom 21. April 2005, dass der Inhalt des Vermerks des Angeklagten M. „in vollem Umfang zutreffe“.
26
Nach weiteren, insgesamt 14 Hauptverhandlungstagen verurteilte das Schöffengericht unter dem Vorsitz von M. den damaligen Angeklagten A. wegen gewerbsmäßiger Untreue in sechs Fällen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von vier Jahren; zugleich ordnete es an, dass der Pkw BMW dem Verfall unterliege. Im Berufungsverfahren wurde die Gesamtfreiheitsstrafe auf drei Jahre und drei Monate herabgesetzt; die Verfallsentscheidung kam in Wegfall; zudem wurden wegen „überlanger“ Verfahrensdauer ein Jahr und drei Monate der Strafe als vollstreckt erkannt. Das Berufungsgericht vermochte eine gewerbsmäßige Handlungsweise A. s nicht nachzuweisen. Über die von A. gegen das Berufungsurteil eingelegte Revision ist noch nicht entschieden worden.
27
2. Das Landgericht hat die Angeklagten aus rechtlichen Gründen freigesprochen. Die von ihnen begangenen Verfahrensfehler erfüllten nicht den Tatbestand der Rechtsbeugung (§ 339 StGB); wegen der Sperrwirkung dieses Tatbestandes scheide auch eine Verurteilung wegen schwerer Freiheitsberaubung (§ 239 Abs. 3 Nr. 1 StGB) aus.
28
a) Die Strafkammer hat bei der Prüfung des Rechtsbeugungstatbestandes beim Angeklagten M. eine Vielzahl möglicher, von ihm begangener Verfahrensfehler erörtert.
29
Die ihm vorzuwerfenden Verfahrensfehler wögen jedoch im Rahmen einer Gesamtwürdigung nicht so schwer, dass es gerechtfertigt wäre, sein Verhalten als bewusste und gewollte schwerwiegende Entfernung von Recht und Gesetz mit der konkreten Gefahr eines unrechtmäßigen Nachteils für die betroffenen Parteien zu werten.
30
aa) Sowohl M. – als auch der Richterin am Amtsgericht Pe. – sei bei der Zuständigkeitserörterung vor dem Hauptverhandlungstermin am 7. April 2005 klar gewesen, dass M. beim Amtsgericht Eisenhüttenstadt nur noch für das Verfahren gegen A. zuständig gewesen sei und er keine über dieses Verfahren hinausgehende Zuständigkeit als Ermittlungsrichter besessen habe (UA S. 47). Die durch die Verfahrensver- bindung bewirkte „künstliche“ und willkürliche Zuständigkeitsbegründung für die Ermittlungsverfahren gegen R. und Ad. sei der am schwersten wiegende Anhaltspunkt für eine sachwidrige Motivation M. s; der Verstoß stelle eine bewusste Missachtung der grundgesetzlich geschützten Garantie des gesetzlichen Richters dar (UA S. 76). Hinzu komme , dass M. über keine Ermittlungsakten und damit keine gesicherte Tatsachengrundlagen verfügt habe, wodurch sich eine konkrete Gefahr einer falschen Entscheidung zum Nachteil der Beteiligten eröffnet habe. Dies werde aber dadurch relativiert, dass das bei M. anhängige Strafverfahren sehr eng mit den Ermittlungsverfahren verknüpft war und ihm eine umfassende Kenntnis der Umstände ermöglichte, die für die Prüfung eines Tatverdachts gegen die Beschuldigten R. und Ad. notwendig waren.
31
bb) Als weitere Indizien für eine sachwidrige Motivation sprächen die Begründung, mit der M. den Haftbefehl gegen A. aufgehoben habe, und seine sich nicht lediglich auf eine richterliche, neutral hoheitliche Tätigkeit beschränkende, sondern insbesondere an der Vorbereitung und Durchführung von Durchsuchungsmaßnahmen orientierende Beteiligung an Ermittlungsmaßnahmen.
32
cc) Gegen eine sachwidrige Motivation M. s spreche aber, dass die materiellen Voraussetzungen für den Erlass der Haftbefehle erfüllt gewesen seien. Zwar hätte die zuständige Ermittlungsrichterin die Haftbefehle gegen R. und Ad. wegen fehlender Aktenvorlage nicht erlassen können. Die Strafkammer habe sich durch Vernehmung der Zeugin Pe. aber davon überzeugt, „dass diese aufgrund der überlegenen Kenntnis des Angeklagten M. geneigt war, dessen Vorschläge und Anordnungen ohne eigene inhaltliche Überprüfung zu akzeptieren, wie der von ihr unterzeichnete Vermerk betreffend die Zuständigkeiten vom 20. April 2005“ zeige (UA S. 79).
33
dd) Gegen eine sachwidrige Motivation spreche ferner der Fortgang der Verfahren gegen die Beteiligten, die Art und Weise der Verhandlungsführung im Strafverfahren gegen A. im Übrigen und die fernmündliche Beschwerde des Angeklagten M. über die Freilassung von R. gegenüber dem Leitenden Oberstaatsanwalt. In letzterem Umstand sei ein Indiz gegen sachwidrige Motive zu sehen, weil es nach der Lebenserfahrung unwahrscheinlich sei, dass sich jemand, der sich zu seinem Handeln nicht berechtigt fühle, selbst an die Staatsanwaltschaft wende, um auf ein eigenes Fehlverhalten aufmerksam zu machen und so Ermittlungen gegen sich selbst herbeizuführen.
34
ee) Angesichts der Verhandlungsführung des Angeklagten M. sei es durchaus möglich, dass die von ihm begangenen Fehler teilweise auf Ungeschicklichkeit und mangelnde Beherrschung der Situation zurückzuführen seien. Es sei ihm zugute zu halten, dass er als alleiniger Berufsrichter mit mangelhaften Ermittlungen, einer äußerst schwierigen Prozesssituation mit kompliziertem Prozessstoff und wenig kooperativen Verteidigern konfrontiert war, die ihn fortlaufend attackierten (UA S. 80). Ausreichende Anhaltspunkte für eine sachwidrige Motivation M. s lägen im Ergebnis nicht vor.
35
b) Hinsichtlich des Angeklagten P. hat die Strafkammerebenfalls mögliche, von ihm begangene Verfahrensfehler geprüft. Im Rahmen der Gesamtwürdigung seines Verhaltens wertet das Landgericht die fehlende interne Zuständigkeit bezüglich der Ermittlungsverfahren gegen R. und Ad. und die Stellung der gegen sie gerichteten Haftbefehlsanträge als „massive Einwirkung“ auf die Ermittlungsverfahren, die ein „bedeutungsschweres“ Indiz für eine sachwidrige Motivation darstelle. Gleichwohl sei da- rin kein derart schwerwiegender Verstoß zu sehen, weil es kein Grundrecht auf einen gesetzlichen Staatsanwalt gebe. Dass M. nicht mehr Ermittlungsrichter war, habe er nicht gewusst. Weil die Beantragung der Haftbefehle und deren Erlass vertretbar, wenn auch nicht zweckmäßig erschienen , sei ein Handeln des Angeklagten P. aus sachfremden Erwägungen nicht gegeben.

II.


36
Während das freisprechende Urteil hinsichtlich des Angeklagten P. keinen Rechtsfehler erkennen lässt, hält es, soweit es den Angeklagten M. betrifft, sachlich-rechtlicher Überprüfung nicht stand.
37
1. Zum Angeklagten M.
38
Die Strafkammer hat ihrer Bewertung des Verhaltens des angeklagten Richters im Ausgangspunkt den zutreffenden rechtlichen Maßstab zugrunde gelegt. Jedoch begegnet ihre Beweiswürdigung in einem für die Subsumtion wesentlichen Punkt durchgreifenden rechtlichen Bedenken.
39
a) Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs soll der Straftatbestand der Rechtsbeugung den Rechtsbruch als elementaren Verstoß gegen die Rechtspflege unter Strafe stellen. Nicht jede unrichtige Rechtsanwendung stellt eine Beugung des Rechts im Sinne des § 339 StGB dar; vielmehr enthält dieses Tatbestandsmerkmal ein normatives Element. Erfasst werden nur solche Rechtsverstöße, bei denen sich der Täter bewusst und in schwerer Weise von Recht und Gesetz entfernt (st. Rspr., vgl. nur BGH, Urteile vom 23. Mai 1984 – 3 StR 102/84, BGHSt 32, 357, vom 29. Oktober 1992 – 4 StR 353/92, BGHSt 38, 381, vom 5. Dezember 1996 – 1StR 376/96, BGHSt 42, 343, und vom 29. Oktober 2010 – 4 StR 97/09, NStZ-RR 2010, 310). Rechtsbeugung kann auch durch die Verletzung von Verfahrens- und Zuständigkeitsvorschriften begangen werden. Erforderlich ist jedoch insoweit, dass durch die Verfahrensverletzung die konkrete Gefahr einer falschen Entscheidung zum Vor- oder Nachteil einer Partei begründet wurde, ohne dass allerdings ein Vor- oder Nachteil tatsächlich eingetreten sein muss (BGH, Urteile vom 5. Dezember 1996 – 1 StR 376/96, BGHSt 42, 343, und vom 20. September 2000 – 2 StR 276/00, BGHR StGB § 339 Rechtsbeugung 6; Beschluss vom 7. Juli 2010 – 5 StR 555/09 – in dieser Sache –, StV 2011, 463).
40
b) Nach diesen Grundsätzen ist es zunächst nicht zu beanstanden, dass das Landgericht den Inhalt der erlassenen Haftbefehle als Anknüpfungspunkt für den Rechtsbeugungsvorwurf ausgeschlossen hat. Zutreffend geht das Urteil davon aus, dass der Erlass der Haftbefehle gegen den damaligen Angeklagten A. sowie die Beschuldigten R. und Ad. gemessen am Maßstab der §§ 112, 114 StPO inhaltlich vertretbar war. Näherer Erörterung bedürfen insoweit nur die Annahme des Haftgrundes der Verdunkelungsgefahr (§ 112 Abs. 2 Nr. 3 StPO) sowie die Frage der Verhältnismäßigkeitsprüfung nach § 112 Abs. 1 Satz 2 StPO.
41
aa) Rechtsfehlerfrei stellt die Strafkammer hinsichtlich A. zunächst darauf ab, dass die Höhe der fehlenden Gelder sowie deren Verteilung auf die einzelnen Nachlässe wegen der unzureichenden staatsanwaltschaftlichen Ermittlungen noch unklar waren und erst mit Hilfe von Sachverständigen aufgeklärt werden mussten, „die Wege der veruntreuten Gelder noch offen“ waren und darüber hinaus zu klären war, ob der einstweilen be- schlagnahmte hochpreisige Pkw BMW dem Verfall unterliege.
42
Wie das Landgericht zutreffend dargelegt hat, ist auch die Annahme des Angeklagten nicht zu beanstanden, dass es sich bei den zwischen Ad. und dem mit ihrem Ehemann A. eng befreundeten Rechtsanwalt R. geschlossenen Verträgen vom 15. Februar 2001 über ein durch Ad. gewährtes Darlehen von 85.000 DM und den Teilerlass des Rückzahlungsanspruchs für jeden Monat der Nutzung des Pkw BMW durch Ad. sowie bei dem dieses Fahrzeug betreffenden Kaufvertrag vom 30. Dezember 2004 um Scheinverträge handele, die nur dem Zweck der Verschleierung der Herkunft des für die Anschaffung des Pkw aufgewendeten Geldes dienten. Die weitere Annahme, dass der mit R. eng befreundete A. an der Planung und Durchführung dieser Verschleierungsmaßnahmen beteiligt war, ist angesichts des gegen ihn bestehenden Verdachts der Veruntreuung von Nachlassgeldern, durch die unter anderem der fragliche Pkw finanziert worden sein könnte, bei der im Rahmen des § 112 Abs. 2 Nr. 3 StPO zu treffenden Prognoseentscheidung ebenfalls vertretbar. Vor dem aufgezeigten Hintergrund war es trotz der zwischenzeitlich aufgrund der Durchsuchung der Kanzleiräume von R. erfolgten Beweissicherung auch vertretbar anzunehmen, dass A. , der nach den Feststellungen bereits unwahre Angaben im Rahmen eines Prozesskosten- hilfegesuchs über ein angebliches Getrenntleben von seiner Ehefrau gemacht hatte, mit hoher Wahrscheinlichkeit (weitere) Verdunkelungshandlungen durchführen werde, um das Beweisergebnis zu seinen Gunsten zu verändern. Angesichts der A. zur Last liegenden Untreuehandlungen mit einer Gesamtschadenssumme von mehreren Hunderttausend Euro ist auch gegen die Verhältnismäßigkeit des Haftbefehls nichts Durchgreifendes zu erinnern.
43
bb) Auch die Annahme eines gegen den damaligen Beschuldigten R. bestehenden dringenden Tatverdachts der Geldwäsche in Tateinheit mit Begünstigung ist nicht zu beanstanden. Zutreffend weist das Landgericht darauf hin, dass aufgrund der in der Hauptverhandlung festgestellten Einkommensverhältnisse der Eheleute A. eine sehr hohe Verdachtslage dahingehend bestand, dass Zuwendungen an R. (bzw. über ihn umgeleitete Aufwendungen für die Anschaffung des Pkw BMW) in Höhe von zumindest 70.000 DM aus veruntreutem Nachlassvermögen herrührten. Die Annahme von Verdunkelungsgefahr ist aus den bereits dargelegten Gründen auch hinsichtlich des Rechtsanwalts R. vertretbar; der Angeklagte M. ging, wie das Landgericht ohne Rechtsfehler festgestellt hat, aufgrund einer verständigen Würdigung der Beweislage davon aus, dass R. zur Verschleierung der die seinerzeit verfahrensgegenständlichen Nachlassgelder betreffenden Geldflüsse einen rückdatierten Kaufvertrag erstellt und im Rahmen seiner Zeugenvernehmung vorgelegt habe. Aufgrund dieser Umstände ist es fern von Willkür, wenn der Angeklagte M. vom Vorliegen dringender Gründe für die Gefahr von Verdunkelungshandlungen ausgegangen ist. Angesichts des oben näher dargelegten Aufklärungsbedarfs gilt dies auch in Ansehung der Tatsache, dass R. der auch gegen ihn bestehende Verdacht seit längerem bekannt war und eine weitgehende Beweissicherung bereits stattgefunden hatte. Insbesondere lag die Gefahr einer Anfertigung weiterer falscher Beweismittel zur Verschleierung der noch nicht aufgeklärten Geldflüsse nicht ganz fern. Dass der Angeklagte M. vom Erlass des Haftbefehls nicht wegen Unverhältnismä- ßigkeit gemäß § 112 Abs. 1 Satz 2 StPO abgesehen hat, führt – wenngleich insoweit auch eine andere Bewertung nahe gelegen hätte – angesichts des Gewichts der in Rede stehenden Geldwäschehandlung jedenfalls nicht zur Unvertretbarkeit der getroffenen Entscheidung.
44
cc) Ohne Rechtsverstoß konnte der Angeklagte M. schließlich einen dringenden Tatverdacht der Geldwäsche gegen Ad. annehmen. Dieser ließ sich in Anbetracht des geringen Einkommens der damaligen Beschuldigten Ad. ohne weiteres aus dem vorläufigen Ergebnis der Vermögenszuwachsberechnung und aus der angeblichen Darlehensgewährung an R. herleiten. Wie bei Rechtsanwalt R. konnte aus der Mitwirkung an der Erstellung eines falschen Beweismittels in vertretbarer Weise auf Verdunkelungsgefahr geschlossen werden; angesichts der aufzuklärenden Geldflüsse und der noch in Frage stehenden Eignung des Pkw BMW als Verfallsgegenstand war es keinesfalls abwegig, vom Fortbestehen der Verdunkelungsgefahr auszugehen. Zwar sprach in Bezug auf Ad. viel gegen die Verhältnismäßigkeit der Untersuchungshaft, namentlich der Umstand , dass sie ein Kleinkind zu versorgen hatte und sowohl im Rahmen der Tatausführung als auch bei der Planung der Verdunkelungsmaßnahmen eine eher untergeordnete Rolle gespielt haben dürfte. Dies lässt den Erlass des Haftbefehls angesichts der Erheblichkeit des Tatvorwurfs und in Anbetracht des im Rahmen der Verhältnismäßigkeitsprüfung anzulegenden Maßstabs (vgl. hierzu Meyer-Goßner, StPO, 55. Aufl., § 112 Rn. 8) jedoch noch nicht als gänzlich unvertretbar erscheinen.
45
dd) Ein für den Rechtsbeugungsvorwurf erforderlicher elementarer Verstoß gegen die Rechtspflege kommt somit allein aufgrund des Inhalts der Haftbefehle nicht in Betracht.
46
c) Indessen war der Erlass der Haftbefehle gegenR. und Ad. evident verfahrensfehlerhaft, weil der Angeklagte M. für die Entscheidung über die in dem gegen diese Beschuldigten geführten Ermitt- lungsverfahren gestellten Haftanträge unzuständig war. Nach der Geschäftsverteilung des Amtsgerichts Eisenhüttenstadt war der Angeklagte M. ab dem 14. Februar 2005 nur noch für das vor dem Schöffengericht anhängige Verfahren gegen A. zuständig. Die Aufgaben des – mangels anderweitiger Bestimmung im Geschäftsverteilungsplan auch für Haftentscheidungen gemäß § 125 StPO zuständigen – Ermittlungsrichters waren, unterteilt nach Kalenderwochen, zwei anderen Richtern übertragen. Ein Vertretungsfall – in dem der Angeklagte M. zudem nicht der als nächster zuständige Richter gewesen wäre – lag zum Zeitpunkt des Erlasses der Haftbefehle nicht vor, da die in dieser Woche zuständige Richterin am Amtsgericht Pe. zugegen war. Für eine Verfahrensverbindung der im alleinigen Zuständigkeitsbereich der Staatsanwaltschaft stehenden Ermittlungsverfahren mit dem beim Schöffengericht anhängigen Verfahren bot § 4 StPO keine Grundlage. Vor diesem Hintergrund ließ sich eine Zuständigkeit des Angeklagten M. für die R. und Ad. betreffenden Haftentscheidungen unter keinem denkbaren rechtlichen Gesichtspunkt begründen (vgl. hierzu die in dieser Sache ergangene Senatsentscheidung vom 7. Juli 2010 – 5 StR 555/09, StV 2011, 463). Wenngleich das Landgericht diesen Verfahrensverstoß im Grundsatz richtig erkannt hat, hat es ihn jedoch aufgrund einer unzulänglichen Beweiswürdigung im Rahmen der Prüfung des Rechtsbeugungstatbestandes nicht zutreffend bewertet.
47
aa) Die bei einem Verstoß gegen Verfahrensrecht für den Rechtsbeugungstatbestand notwendige konkrete Gefahr einer „falschen“ Entscheidung zum Vor- oder Nachteil einer Partei ist jedenfalls dann anzunehmen, wenn der Richter aus sachfremden Erwägungen die Zuständigkeit an sich zieht, um zu Gunsten oder zu Lasten einer Prozesspartei eine von ihm gewünschte Entscheidung herbeizuführen, die bei Einhaltung der gesetzlichen Vorschriften voraussichtlich nicht zu erreichen gewesen wäre (BGH, Urteile vom 5. Dezember 1996 – 1 StR 376/96, BGHSt 42, 343, vom 20. September 2000 – 2StR 276/00, BGHR StGB § 339 Rechtsbeugung 6, und vom 29. Oktober 2009 – 4 StR 97/09, NStZ-RR 2010, 310). Diese Voraussetzungen sind bereits dann als erfüllt anzusehen, wenn eine in mit sachwidriger Motivation angemaßter Zuständigkeit getroffene Entscheidung vom zuständigen Richter aufgrund abweichender Sachverhaltseinschätzung, anderer Bewertung eines Beurteilungsspielraums oder abweichender Ermessensausübung anders hätte getroffen werden können, wie der unzuständige Richter weiß.
48
bb) Die beweiswürdigenden Erwägungen des Landgerichts zu der danach maßgeblichen Frage nach dem Vorliegen sachfremder Motive für die fehlerhafte Zuständigkeitsbegründung durch den Angeklagten M. enthalten einen durchgreifenden Rechtsfehler zum Vorteil des Angeklagten.
49
Kann das Tatgericht die erforderliche Gewissheit von einem bestimmten Sachverhalt nicht gewinnen und spricht es daher den Angeklagten frei, so hat das Revisionsgericht dies regelmäßig hinzunehmen. Die Beweiswürdigung ist Sache des Tatgerichts (§ 261 StPO). Es kommt nicht darauf an, ob das Revisionsgericht angefallene Erkenntnisse anders gewürdigt oder Zweifel überwunden hätte. Eine Beweiswürdigung ist aber etwa dann rechtsfehlerhaft , wenn sie von einem rechtlich unzutreffenden Ansatz ausgeht, wenn sie lückenhaft ist, namentlich wesentliche Feststellungen nicht erörtert oder nur eine von mehreren gleich nahe liegenden Möglichkeiten erörtert, wenn sie widersprüchlich oder unklar ist, gegen Gesetze der Logik oder gesicherte Erfahrungssätze verstößt oder wenn an die zur Verurteilung erforderliche Gewissheit überspannte Anforderungen gestellt sind. Dies ist auch dann der Fall, wenn eine nach den Feststellungen naheliegende Schlussfolgerung nicht gezogen ist, ohne dass konkrete Gründe angeführt sind, die dieses Ergebnis stützen könnten. Dabei ist es weder im Hinblick auf den Zweifelssatz noch sonst geboten, zu Gunsten des Angeklagten Tatvarianten zu unterstellen , für deren Vorliegen keine konkreten Anhaltspunkte erbracht sind (st. Rspr., vgl. etwa BGH, Urteile vom 11. Januar 2005 – 1 StR 478/04, NStZ-RR 2005, 147, vom 7. November 2012 – 5 StR 322/12 und vom 13. Dezember 2012 – 4 StR 33/12, jeweils mwN).
50
An diesen Anforderungen scheitern die Erwägungen des Landgerichts. Die Strafkammer wertet das Vorgehen des Angeklagten M. vor dem Hintergrund der Verbindung einer Haftentscheidung in dem bei ihm anhängigen Strafverfahren mit Haftentscheidungen in Ermittlungsverfahren gegen R. und Ad. als willkürliche Zuständigkeitsbegründung; hierin sieht sie konsequenterweise einen schwerwiegenden Anhaltspunkt für eine sachwidrige Motivation des Angeklagten. Zur Entlastung des Angeklagten M. führt die Strafkammer jedoch aus, sie habe sich bei der Vernehmung der Zeugin Pe. davon überzeugt, „dass diese aufgrund der überlegenen Kenntnis des Angeklagten M. geneigt war, dessen Vorschläge und Anordnungen ohne eigene inhaltliche Prüfung zu akzeptieren, wie der von ihr unterzeichnete Vermerk betreffend die Zuständigkeit vom 20. April 2005 zeigt“. Angesichts dessen habe sie nicht feststellen können, „dass der AngeklagteM. beim Erlass der Haftbefehle gegen R. und Ad. gerade deshalb selbst gehandelt hat, um die zuständige Ermittlungsrichterin Pe. , die möglicherweise anders entschieden hätte, von der Entscheidung auszuschließen“ (UA S. 79).
51
Indem sich das Landgericht mit diesen Erwägungen an der Feststellung des Vorliegens sachfremder Motive des Angeklagten M. gehindert gesehen hat, hat es in unzulässiger Weise einen Sachverhalt zu Gunsten des Angeklagten unterstellt. Wenngleich bei mehreren nach den gesamten Umständen in Betracht kommenden Möglichkeiten grundsätzlich von der für den Angeklagten günstigeren auszugehen ist, sind andererseits nicht alle nur denkbaren Gesichtspunkte, zu denen keine Feststellungen getroffen werden können, zu Gunsten des Angeklagten zu berücksichtigen. Vielmehr berechtigen nur vernünftige Zweifel, die reale Anknüpfungspunkte haben, den Tatrichter zu Unterstellungen zu Gunsten des Angeklagten. Die Urteilsgründe müssen daher erkennen lassen, dass die Beweiswürdigung auf einer tragfähigen Grundlage beruht und die vom Gericht gezogene Schlussfolgerung nicht etwa nur eine Annahme ist oder sich als bloße Vermutung erweist (BGH, Urteil vom 11. April 2002 – 4 StR 585/01, NStZ-RR 2002, 243 mwN; vgl. ferner BGH, Urteil vom 13. Dezember 2012 – 4 StR 177/12, NStZ-RR 2013, 117).
52
Hieran fehlt es in Bezug auf die für die Schlussfolgerung des Landgerichts grundlegende Annahme, die Richterin am Amtsgericht Pe. sei geneigt gewesen, ohne eigene inhaltliche Prüfung die Vorschläge und Anordnungen des Angeklagten M. zu akzeptieren. Konkrete Anhaltspunkte, die geeignet wären, die Richtigkeit dieser Vermutung zu belegen, sind dem Urteil nicht zu entnehmen. Insbesondere kann eine derart weitreichende Unterstellung – eine Richterin werde ohne Aktenkenntnis und ohne eigene Prüfung allein aufgrund der Anweisungen eines Kollegen Haftbefehle erlassen – nicht allein aus dem insoweit seitens der Strafkammer zur Begründung herangezogenen Umstand hergeleitet werden, dass die Ermittlungsrichterin Pe. in Kenntnis der Rechtslage (vgl. UA S. 47) den eine falsche Rechtsauffassung über die Zuständigkeit des Angeklagten M. für die Haftentscheidungen betreffenden Vermerk vom 20. April 2005 bestätigt hat. Hierdurch hat sie zwar nach den Urteilsfeststellungen den Angeklagten bei dessen Zuständigkeitsanmaßung unterstützt. Dies hat indessen bei weitem nicht die gleiche Qualität wie der Erlass von Haftbefehlen durch eine Richterin, die deren Voraussetzungen selbst gar nicht geprüft hat. Während es der Richterin aus verschiedenen denkbaren Gründen gelegen gekommen sein mag, die in Rede stehenden Haftentscheidungen nicht selbst zu treffen, sondern dem Angeklagten M. zu überlassen, bleibt nach den Urteilsfeststellungen unerfindlich, weshalb sie, wenn sie selbst hätte entscheiden müssen, hierbei ohne eigene Sachprüfung ausschließlich nach Vorgaben des Angeklagten M. hätte handeln sollen.
53
Im Übrigen hätte die Strafkammer in diesem Zusammenhang kritisch erwägen müssen, dass der Angeklagte M. nach den Urteilsfeststellungen (UA S. 47) wider besseres Wissen einen seine Zuständigkeit mit rechtlichen Erwägungen herleitenden Vermerk angefertigt und durch die von ihm beschlossene Verfahrensverbindung die „künstliche Begründung einer Zuständigkeit“ (UA S. 76) geschaffen hat, was für sich gegen eine Verneinung sachfremder Motive spricht.
54
cc) Hinzu tritt hier, dass sich aufgrund im Urteil festgestellter konkreter Hinweise die Möglichkeit aufdrängte, dem Angeklagten könnte es – auch neben einer Ausschließung der tatsächlich zuständigen Richterin – darum gegangen sein, durch die Verhaftung des Rechtsanwalts R. in öffentlicher Verhandlung einen wirkungsvollen Effekt zu erzielen und die Verfahrensbeteiligten zudem durch sein Vorgehen in besonderer Weise einzuschüchtern. Für diese Möglichkeit sprechen jedenfalls die Umstände der Verhaftung des Nebenklägers R. während seiner Zeugeneinvernahme, die vor Beantragung und Erlass des Haftbefehls und ohne eine Bezugnahme auf eine anderweitige Rechtsgrundlage (etwa – den in der Sache freilich fernliegenden – § 183 Satz 2 GVG) erfolgte und sich auch in ihren Begleitumständen des Bestehens auf einer Fesselung und in der sofortigen Veranlassung der Festnahme von Ad. als effektheischende öffentliche Machtdemonstration darstellte. Dieser Gesichtspunkt ist indessen in der Beweiswürdigung des Landgerichts zur Frage sachfremder Motive nicht aufgegriffen worden, so dass die Beweiswürdigung auch wegen der fehlenden Erörterung dieser nahe liegenden Möglichkeit lückenhaft ist.
55
Auch dieser Beweiswürdigungsmangel wirkt sich entscheidend auf die rechtliche Bewertung des Verhaltens des Angeklagten M. aus. Die von der Strafkammer rechtsfehlerhaft nicht in Betracht gezogene – auf Öffentlichkeitswirksamkeit und Einschüchterung abzielende – Motivlage würde einen sachfremden Beweggrund für die festgestellte Zuständigkeitsanmaßung darstellen, der befürchten ließe, dass die jeweils im Rahmen eines Beurteilungsspielraums zu treffenden Haftentscheidungen ihrerseits von sachfremden Entscheidungen beeinflusst waren. Bereits hierin würde ein Nachteil für die von den Haftentscheidungen Betroffenen liegen, ohne dass es noch darauf ankäme, ob die schließlich getroffene Entscheidung in der Sache rechtlich vertretbar war (BGH, Urteil vom 5. Dezember 1996 – 1 StR 376/96, BGHSt 42, 343).
56
d) Die aufgezeigten Rechtsfehler führen zur Aufhebung des Freispruchs des Angeklagten M. mit den zugehörigen Feststellungen und zur Zurückverweisung der Sache an eine andere Strafkammer des Landgerichts. Eine – von der Generalstaatsanwaltschaft in Brandenburg angeregte – Entscheidung des Revisionsgerichts über den Schuldspruch scheidet schon deshalb aus, weil die Frage des Vorliegens sachfremder Motive für die durch den Angeklagten begangene Zuständigkeitsanmaßung der erneuten tatgerichtlichen Prüfung bedarf. Auch eine Aufrechterhaltung von Feststellungen kommt von vornherein nicht in Betracht, weil es dem Angeklagten verwehrt war, die ihn belastenden Feststellungen revisionsrechtlich anzugreifen (vgl. BGH, Urteil vom 20. Juni 2012 – 5 StR 536/11, NJW 2012, 2453).
57
Dies gilt namentlich für die die Grundlage der weiteren Prüfung bildende Feststellung, der Angeklagte habe seine Unzuständigkeit für den Erlass der Haftbefehle erkannt und sich nicht etwa tatsächlich entsprechend der in dem Vermerk vom 20. April 2005 niedergelegten Rechtsauffassung für zuständig gehalten. Diese Frage wird Schwerpunkt der neuen Hauptverhandlung sein.
58
e) Für diese weist der Senat auf Folgendes hin:
59
aa) Die Argumentation des Landgerichts, gegen eine sachwidrige Motivation spreche, dass der Angeklagte sich fernmündlich beim Leitenden Oberstaatsanwalt über die Freilassung von R. beschwert habe (UA S. 80), ist zweifelhaft. Die Erwägung, dies deute darauf hin, dass M. sich zu seinem Handeln berechtigt fühlte, steht in einem Spannungsverhältnis zu der Feststellung, er habe um seine Unzuständigkeit für die Haftentscheidungen gewusst. Zudem zieht das Landgericht nicht in Betracht, dass die „Beschwerde“ über die Freilassung auch darin begründet gewesen sein kann, dass der Angeklagte M. , der sich womöglich durch die von der Staatsanwaltschaft verfügte Haftentlassung bereits dem Vorwurf rechtswidrigen Handelns ausgesetzt sah, nur den Eindruck erwecken wollte, von der Rechtmäßigkeit seines Vorgehens überzeugt zu sein.
60
bb) Hingegen sind weitere vom Landgericht festgestellte (vermeintliche ) Verfahrensverstöße von vornherein nicht geeignet, den Rechtsbeugungsvorwurf zu begründen, da sie jedenfalls nicht das hierfür erforderliche Gewicht aufweisen.
61
(1) Hinsichtlich des Haftbefehls gegen A. liegt eine – zumal gravierende – Verletzung des § 29 Abs. 1 StPO nicht vor (vgl. auch BGH, Beschluss vom 3. April 2003 – 4 StR 506/02, BGHSt 48, 264). Der Unaufschiebbarkeit einer Handlung im Sinne des § 29 Abs. 1 StPO steht die Erreichbarkeit eines Vertreters nicht entgegen; ist die Handlung unaufschiebbar , stellt dies vielmehr eine Ausnahme vom Ausschlussgrund des § 29 Abs. 1 StPO dar, so dass ein Vertretungsfall gerade nicht gegeben ist.
62
(2) Der beschlossenen Verbindung kommt jenseits der Indizwirkung im Rahmen der Zuständigkeitsanmaßung für den Rechtsbeugungsvorwurf keine eigenständige Bedeutung zu. Hierdurch drohte den Betroffenen für sich kein konkreter Nachteil. Der Angeklagte hat sowohl Ad. als auch R. in dem nach der Verbindung stattfindenden Hauptverhandlungstermin vom 14. April 2005 als Zeugen vernommen und nicht etwa als Beschuldigte oder gar als Angeklagte des laufenden Verfahrens vor dem Schöffengericht behandelt. Den Verbindungsbeschluss hat er schließlich am 29. April 2005 mit der Begründung aufgehoben, die Verbindung sei nach Aufhebung des Haftbefehls gegenstandslos.
63
(3) Auch die richterlichen Handlungen des Angeklagten M. im Zusammenhang mit den Durchsuchungen der Kanzleiräume des Rechtsanwalts R. scheiden als Anknüpfungspunkt für den Vorwurf der Rechts- beugung jedenfalls mangels der hierfür erforderlichen Schwere des Verstoßes aus. Eine Zuständigkeitsanmaßung liegt auch hinsichtlich der zweiten Durchsuchungsanordnung nicht vor, da die zu suchenden Beweismittel gerade auch in dem von M. geführten Verfahren gegen A. Bedeutung erlangen konnten, so dass der Angeklagte als Vorsitzender des Schöffengerichts in diesem Verfahren Durchsuchungen gemäß §§ 102, 103 StPO anordnen konnte.
64
(4) Das – auch vom Landgericht nicht als Verfahrensverstoß gewertete – Unterlassen einer Bearbeitung der Haftbeschwerden schon am 8. April 2005, an dem sich der Angeklagte M. zur Verhandlung von Zivilverfahren in Frankfurt (Oder) befand, kann jedenfalls nicht als elementarer Verstoß gegen die Rechtspflege gewertet werden. Der Angeklagte hat die Beschwerden innerhalb der Dreitagesfrist des § 306 Abs. 2 Halbsatz 2 StPO weitergeleitet. Insoweit liegt jedenfalls die Annahme eines schwerwiegenden Rechtsverstoßes – ohne das Hinzutreten weiterer Umstände – fern (vgl. auch BGH, Urteil vom 4. September 2001 – 5 StR 92/01, BGHSt 47, 105).
65
2. Zum Angeklagten P.
66
Zu Recht hat das Landgericht auf Grundlage der insoweit rechtsfehlerfrei getroffenen Feststellungen eine Strafbarkeit des Angeklagten P. nach § 339 StGB, gegebenenfalls i.V.m. § 25 Abs. 2, §§ 26 oder 27 StGB verneint.
67
a) Die Stellung der Haftbefehlsanträge war materiell-rechtlich vertretbar und kann somit im Hinblick auf ihren Inhalt nicht als Beugung des Rechts gewertet werden. Hierbei kommt es nicht darauf an, ob die Begründung der Anträge in jeder Hinsicht tragfähig war. Weder eine unzulängliche noch eine in Teilen fernliegende Antragsbegründung – wie etwa die Annahme von Fluchtgefahr bei Rechtsanwalt R. – vermögen für sich genommen einen elementaren Rechtsverstoß im Sinne des § 339 StGB zu begründen, wenn die beantragten gerichtlichen Maßnahmen – wie hier – im Ergebnis vertretbar waren und auch die Antragstellung als solche nicht gegen Verfahrensvorschriften verstieß; denn die Antragsbegründung selbst entfaltet keinerlei Außenwirkung und vermag somit allein keinen mit dem Recht unvereinbaren Zustand zu schaffen.
68
b) Zwar käme grundsätzlich eine Beteiligung des AngeklagtenP. an der willkürlichen Zuständigkeitsbegründung des Angeklagten M. im Hinblick darauf in Betracht, dass P. die Ad. und R. betreffenden schriftlichen Haftbefehlsanträge durch persönliche Übergabe beim Angeklagten M. gestellt hat, obwohl dieser zur Entscheidung über diese Anträge unzuständig war. Das Landgericht hat sich jedoch nicht davon zu überzeugen vermocht, dass der Angeklagte P. die erst mit Wirkung zum 14. Februar 2005 beschlossene Änderung des Geschäftsverteilungsplans kannte und daher wusste, dass M. nicht mehr als Ermittlungsrichter des Amtsgerichts Eisenhüttenstadt für Haftentscheidungen zuständig war. Die dem zugrunde liegende Beweiswürdigung ist jedenfalls vor dem Hintergrund, dass M. im laufenden Geschäftsjahr noch als Ermittlungsrichter des Amtsgerichts Eisenhüttenstadt zuständig gewesen war, vertretbar und vom Revisionsgericht hinzunehmen. Wenn aber P. von einer Zuständigkeit des Angeklagten M. für die Haftentscheidungen ausging , scheidet eine strafbare Beteiligung an dem von M. begangenen Verfahrensverstoß aus.
69
Die Adressierung auch der R. und Ad. betreffenden An- träge an das „Schöffengericht des Amtsgerichts Eisenhüttenstadt“ führt – unabhängig von der vom Landgericht nicht näher gewürdigten Einlassung P. s, er habe bei der Erstellung der Anträge am PC versehentlich die vorher für den A. betreffenden Antrag verwendete Maske benutzt – jedenfalls vor dem Hintergrund, dass diese außerhalb der Hauptverhandlung gestellt wurden, zu keiner anderen Bewertung. Der für außerhalb der Hauptverhandlung zu treffende Entscheidungen des Schöffengerichts allein zu- ständige Angeklagte M. war nach Vorstellung des Angeklagten P. , wie zu dessen Gunsten zu unterstellen ist, mit dem zuständigen Ermittlungsrichter personenidentisch, so dass die Falschadressierung – hiervon ausgehend – nicht zu einer Verletzung von Zuständigkeitsvorschriften führen konnte.
70
c) Ein in der Stellung der Haftbefehlsanträge liegender Verstoß gegen die interne staatsanwaltschaftliche Zuständigkeitsverteilung kann ohne das Hinzutreten weiterer sich hieraus ergebender Rechtsverstöße keine Beugung des Rechts darstellen. Die Ermittlungsverfahren gegen R. und Ad. wurden aufgrund einer bestehenden örtlichen Zuständigkeit bei der Staatsanwaltschaft Frankfurt (Oder) geführt. Als dieser Behörde angehörender Oberstaatsanwalt war der Angeklagte P. nach außen hin befugt, die Haftbefehlsanträge zu stellen. Die Zuwiderhandlung gegen die innerhalb seiner Behörde geltenden Zuständigkeitsabgrenzungen bewirkt – unabhängig von der Frage nach dem Vorliegen einer beamtenrechtlich relevanten Dienstpflichtverletzung – keine Verletzung materiellen oder prozessualen Rechts.
71
d) Selbst wenn nachzuweisen sein sollte, dass der Mitangeklagte M. sich maßgeblich aus dem Motiv einer öffentlichkeitswirksamen Aktion zu den Verhaftungen entschlossen und P. dies durchschaut und mit seinen Anträgen unterstützt hätte, bietet dies auf der gleichwohl rechtsfehlerfrei angenommenen Grundlage materieller Vertretbarkeit der Haftentscheidungen und Unkenntnis P. s von M. s Zuständigkeitsanmaßung keinen hinreichenden Anhalt für eine strafbare Handlung P. s.
Basdorf Raum Schneider
Dölp Bellay
Nachschlagewerk: ja
BGHSt : ja
Veröffentlichung: ja
Zögerliche Bearbeitung einer Rechtssache innerhalb eines
objektiv vertretbaren Zeitraums ist Rechtsbeugung, wenn
der Richter mit seiner Verfahrensweise aus sachfremden
Erwägungen gezielt zum Vorteil oder Nachteil einer Partei handelt.
BGH, Urt. v. 4. September 2001 - 5 StR 92/01
LG Hamburg

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
vom 4. September 2001
in der Strafsache
gegen
wegen Rechtsbeugung
Der 5. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat in der Sitzung vom 4. September
2001, an der teilgenommen haben:
Vorsitzende Richterin Harms,
Richter Häger,
Richterin Dr. Tepperwien,
Richter Dr. Raum,
Richter Dr. Brause
als beisitzende Richter,
Bundesanwalt
als Vertreter der Bundesanwaltschaft,
Rechtsanwalt S ,
Rechtsanwalt W
als Verteidiger,
Justizangestellte
als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle,

für Recht erkannt:
Auf die Revisionen des Angeklagten und der Staatsanwaltschaft wird das Urteil des Landgerichts Hamburg vom 13. Oktober 2000 mit den Feststellungen aufgehoben.
Die Sache wird zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.
– Von Rechts wegen – G r ü n d e Das Landgericht hat den Angeklagten wegen Rechtsbeugung (durch Unterlassen) zu einer Geldstrafe von 120 Tagessätzen zu je 100 DM verurteilt. Die hiergegen gerichtete Revision des Angeklagten, mit der er seinen Freispruch erstrebt, führt ebenso wie die Revision der Staatsanwaltschaft, die unter anderem auf eine Verurteilung des Angeklagten wegen tateinheitlich mit Rechtsbeugung begangener Freiheitsberaubung gerichtet ist, mit der jeweils erhobenen Sachrüge zur Aufhebung des angefochtenen Urteils; eines Eingehens auf die vom Angeklagten zusätzlich erhobenen Verfahrensrügen bedarf es daher nicht.

I.


Nach den Feststellungen des Landgerichts kam es während einer von dem Angeklagten als Einzelrichter geleiteten Hauptverhandlung vor dem Amtsgericht Hamburg am 19. Mai 1999 zu erheblichen Störungen durch Zuhörer. Diese äußerten lautstark ihren Unmut über den Angeklagten und blieben , als er das Urteil verkünden wollte, demonstrativ sitzen. Ein Zuhörer stellte sich auch nach Abmahnung durch den Angeklagten nicht aufrecht hin, worauf der Angeklagte ihm die Verhängung von Ordnungshaft zunächst androhte und, als der Zuhörer seine provozierende Haltung beibehielt, drei Tage Ordnungshaft verhängte. Im Rahmen des anschließenden Tumults versuchte ein anderer Zuhörer über die Barriere zwischen Verhandlungssaal und Zuhörerraum zu steigen und trat um sich, als er von der Saalwachtmeisterin daran gehindert werden sollte. Auch gegen diesen Störer verhängte der Angeklagte nach vorheriger Androhung, auf die der Zuhörer nicht reagierte , drei Tage Ordnungshaft. Beide Störer wurden sofort in Haft genommen.
Ein Prozeßbevollmächtigter der inhaftierten Zuhörer legte bereits etwa eine Stunde danach Beschwerde gegen die Ordnungshaftbeschlüsse ein. Der Angeklagte erfuhr hiervon noch am Nachmittag desselben Tages während einer bis kurz nach 16 Uhr dauernden weiteren Hauptverhandlung, in der ihm die Beschwerdeschrift durch Justizpersonal vorgelegt wurde. Er bearbeitete die Beschwerden an diesem Tag nicht mehr. Am Vormittag des folgenden Tages begab sich der Angeklagte zunächst nicht ins Gericht, sondern er erkundigte sich in einem Fachgeschäft nach Sicherheitsvorrichtungen für seine Wohnung, zu denen ihm von der Staatsschutzabteilung des Landeskriminalamtes geraten worden war. Gegen Mittag erklärte er ausweislich der tatrichterlichen Feststellungen einem Journalisten, der ihn unter seiner privaten Telefonnummer nach dem Stand des Beschwerdeverfahrens gefragt hatte, ”er müsse ja nicht gleich springen, wenn Anwälte etwas von ihm wollten. So etwas müsse sorgfältig und in Ruhe geprüft werden”. Der Journalist möge diese Ä ußerung aber nicht veröffentlichen, sie sei nicht zi-
tierfähig. Als der Angeklagte gegen 14.30 Uhr im Gericht eintraf, diktierte er der Protokollführerin die Ordnungshaftbeschlüsse, die sie in das Hauptverhandlungsprotokoll einfügte. Von der Möglichkeit, die Strafakten anschließend selbst wieder in Empfang zu nehmen, machte er keinen Gebrauch. Er ordnete vielmehr an, daß die Akten nach der erfolgten Ergänzung des Protokolls in sein Fach zu legen seien, und bereitete dann bis 22 oder 23 Uhr die Hauptverhandlungen des folgenden Tages vor. Die Beschwerden bearbeitete er auch an diesem Tag nicht mehr. Am 21. Mai 1999 wurden dem Angeklagten, der ab 9.45 Uhr Hauptverhandlungen geleitet hatte, beim Mittagessen in der Gerichtskantine von Kollegen Vorhaltungen gemacht, er verschleppe das Verfahren hinsichtlich der eingelegten Beschwerden. Diese Vorwürfe wies er mit der – inhaltlich unzutreffenden – Behauptung zurück, das Protokoll sei noch nicht fertiggestellt, weil er die Protokollführerin nicht habe erreichen können. Kurz nach 16 Uhr brachte er dann die Akte mit dem Hauptverhandlungsprotokoll, den Beschwerdebegründungen und einem von ihm zuvor noch gefertigten Vermerk über die Gründe einer unterbliebenen Rechtsmittelbelehrung persönlich zum Hanseatischen Oberlandesgericht als Beschwerdegericht.
Eine Stunde nach Eingang der Beschwerden beim Oberlandesgericht hob der zuständige Senat die Ordnungshaftbeschlüsse aus formellen Gründen auf, weil die Vorgänge in der Hauptverhandlung, die zur Anordnung der Ordnungshaft geführt hatten, entgegen § 182 GVG im Protokoll nicht dargestellt waren. Zur materiellen Rechtslage enthält der Beschluß den Hinweis, daß die Verhängung mehrtägiger Ordnungshaft angesichts der den Beschlußgründen zu entnehmenden massiven Störungen nahegelegen habe.
Der Angeklagte hat bestritten, das Beschwerdeverfahren gezielt verzögert zu haben, um die beiden Störer ”schmoren” zu lassen. Er sei der Auffassung gewesen, die in § 306 Abs. 2 StPO dem Richter eingeräumte Frist von drei Tagen für die Vorlage einer Beschwerde an das Rechtsmittel-
gericht gelte auch für Beschwerden gegen Ordnungshaftbeschlüsse und habe von ihm voll ausgeschöpft werden dürfen. Wegen anderweitiger dienstlicher und privater Obliegenheiten und wegen einer von ihm für erforderlich erachteten Überprüfung der Ordnungshaftbeschlüsse insbesondere in formeller Hinsicht habe er eine Bearbeitungszeit von zwei Tagen benötigt. Das Landgericht ist demgegenüber davon überzeugt, daß der Angeklagte in Kenntnis der Eilbedürftigkeit die Bearbeitung der Beschwerden gezielt verzögert hat, um die Durchsetzung der Haftanordnungen nicht zu gefährden. Dabei stützt es sich maßgeblich auf eine ins einzelne gehende Rekonstruktion des jeweiligen Tagesablaufs des Angeklagten am 19., 20. und 21. Mai 1999 und kommt zu dem Ergebnis, daß es dem Angeklagten – jedenfalls unter zumutbarer Zurückstellung privater Belange – möglich gewesen wäre, die Beschwerden dem Oberlandesgericht schneller zuzuleiten. Auch die Ä ußerungen des Angeklagten gegenüber dem Journalisten und das Kantinengespräch, in dem der Angeklagte nachweislich gelogen habe, ließen auf eine Verschleppungsabsicht und damit auf eine bewußt unrichtige Anwendung des Verfahrensrechts zum Nachteil der Inhaftierten schließen.
Eine Rechtsbeugung sieht das Landgericht in der zeitlichen Behandlung der gegen die Ordnungsmittelbeschlüsse gerichteten Beschwerden. Insoweit stelle sich das Verhalten des Angeklagten als ”bewußte Verzögerung des offensichtlich gewünschten Rechtsschutzes” und damit als elementarer Verstoß gegen die Rechtsweggarantie dar, die sowohl in Art. 19 Abs. 4 GG als auch in Art. 5 Abs. 4 MRK ihren Niederschlag gefunden habe.

II.


Revision des Angeklagten
Die Revision des Angeklagten hat Erfolg. Namentlich die Beweiswürdigung hält rechtlicher Nachprüfung nicht stand.

Nach ständiger Rechtsprechung stellt nicht jede unrichtige Rechtsanwendung eine Beugung des Rechts im Sinne von § 339 StGB dar. Nur der Rechtsbruch als elementarer Verstoß gegen die Rechtspflege soll unter Strafe gestellt sein. Rechtsbeugung begeht daher nur der Amtsträger, der sich bewußt und in schwerwiegender Weise von Recht und Gesetz entfernt. Selbst die (bloße) Unvertretbarkeit einer Entscheidung begründet eine Rechtsbeugung nicht (st. Rspr.; vgl. nur BGH NJW 1997, 1455 m.w.N.). Einen elementaren Rechtsverstoß zeigt das Landgericht auf der Grundlage der bisher erhobenen Beweise nicht auf, zumal da es bei der Beweiswürdigung ein zu enges Verständnis des dem Richter bei der Erledigung seiner Dienstgeschäfte einzuräumenden zeitlichen Spielraums zugrundelegt.
1. Im Ansatz zutreffend geht das Landgericht – das die verhängte Ordnungshaft vor dem Hintergrund wiederholter massiver Störungen der Hauptverhandlung mit Recht für inhaltlich vertretbar hält (vgl. dazu Diemer in KK StPO 4. Aufl. § 178 GVG Rdn. 3 mit Beispielen aus der Rechtsprechung ) – davon aus, daß Rechtsbeugung nicht nur in Form von Sachentscheidungen , sondern auch durch einen Verstoß gegen Verfahrensrecht begangen werden kann (st. Rspr.; vgl. nur BGHSt 32, 357; 38, 381, 383; 42, 343; jeweils m.w.N.). Zu den wesentlichen Grundprinzipien des Strafverfahrensrechts zählt das unmittelbar aus dem Rechtsstaatsprinzip des Art. 20 GG und der allgemeinen prozessualen Fürsorgepflicht abzuleitende, schlagwortartig als Beschleunigungsgebot bezeichnete Verbot rechtsstaatswidriger Verfahrensverzögerung (BGHSt 24, 239 f.; 26, 1, 4). Allgemein normiert in Art. 6 Abs. 1 MRK, wird die Bedeutung des Verbots rechtsstaatswidriger Verfahrensverzögerung für Haftsachen in Art. 2 Abs. 2 Satz 2, Art. 104 GG sowie in Art. 5 Abs. 3, 4 MRK besonders hervorgehoben. Auch wenn die Einzelregelungen dieser Normen auf die – verglichen mit vorläufiger Festnahme und Untersuchungshaft eher seltene und in ihren zeitlich begrenzten Auswirkungen auf den Betroffenen weniger schwerwiegende –
Anordnung von Ordnungshaft nicht unmittelbar zugeschnitten sind, gilt das in den genannten Vorschriften zum Ausdruck kommende Prinzip, daß Haftsachen besonders zügig zu bearbeiten sind, für Maßnahmen nach § 178 Abs. 1 Satz 1, 2. Alternative GVG in gleicher Weise. Rechtsbeugung durch Verstoß gegen das Beschleunigungsgebot ist daher auch im Bereich der Ordnungshaft nicht grundsätzlich ausgeschlossen.
2. Trotz der nachteiligen Auswirkungen, die eine zögerliche Sachbearbeitung insbesondere in Haftsachen für den Betroffenen mit sich bringen mag, darf jedoch der Tatbestand der Rechtsbeugung, soweit dessen Verwirklichung durch einen Verstoß gegen das Beschleunigungsgebot in Betracht gezogen wird, auch in diesem Bereich richterlicher Tätigkeit nicht in unangemessener Weise ausgedehnt werden. Insbesondere ist bei der Auslegung der Norm darauf Bedacht zu nehmen, daß die richterliche Unabhängigkeit gewahrt bleibt.

a) Die Bearbeitung einer Rechtssache, wie sie der Angeklagte hier in Form der Fertigstellung und Korrektur des Protokolls, der nachgeholten schriftlichen Begründung der Ordnungshaftbeschlüsse sowie eines für das Beschwerdegericht gefertigten erläuternden Vermerks vorgenommen hat, fällt grundsätzlich in den Schutzbereich, der dem Richter in Art. 97 GG und den einfachgesetzlichen Vorschriften der § 25 Abs. 1 DRiG, § 1 GVG eingeräumt ist. Zwar handelt es sich bei den genannten Tätigkeiten nicht um den Kernbereich richterlichen Wirkens, die Spruchtätigkeit, jedoch gebietet es das Interesse an einer wirksamen Gewährleistung der richterlichen Unabhängigkeit , auch die der Rechtsfindung nur mittelbar dienenden, sie vorbereitenden und ihr nachfolgenden Sach- und Verfahrensentscheidungen in den Schutzbereich einzubeziehen (BGHZ 90, 41, 45). Dem entspricht es, daß nach ständiger Rechtsprechung des Richterdienstgerichts des Bundes verzögerte Terminierungen oder als unangemessen lang gewertete Urteilsabsetzungszeiträume nur dann im Rahmen der Dienstaufsicht nach § 26
Abs. 2 DRiG beanstandet werden dürfen, wenn dies losgelöst von einzelnen Rechtssachen oder Fallgruppen geschieht und wenn die Aufsichtsmaßnahme die Entscheidungsfreiheit des Richters im Einzelfall unberührt läßt (BGHZ 51, 280, 287; 90, 41, 46; 93, 238, 243 f.). Da eine Strafandrohung, zumal in Form eines Verbrechenstatbestandes, noch weit mehr als eine Maßnahme der Dienstaufsicht geeignet sein wird, den Richter in seinem Verhalten zu beeinflussen, darf auch unter strafrechtlichen Gesichtspunkten eine Überprüfung richterlicher Tätigkeit am wenig konkreten Maßstab des Beschleunigungsgebots nicht zu einer grundlegenden Beeinträchtigung der sachlichen Unabhängigkeit des Richters führen (vgl. BGH NStZ 1988, 218 f.).

b) Bei der Entscheidung der Frage, ob in der verzögerten Bearbeitung einer Rechtssache ein Rechtsbruch im Sinne des § 339 StGB liegen kann, ist daher davon auszugehen, daß es grundsätzlich dem Richter überlassen bleibt, welchem der von ihm zu erledigenden vielfältigen Dienstgeschäfte er den Vorrang vor anderen einräumt, welche Mittel er im Einzelfall für die Förderung einer Rechtssache geeignet hält und welche Gründlichkeit er der Sachbearbeitung widmet. An bestimmte Dienstzeiten ist er dabei nicht gebunden (BVerwGE 78, 211, 213).
Da die richterliche Unabhängigkeit weder Standesprivileg (BVerfGE 27, 211, 217; BGHZ 67, 184, 187; Benda DRiZ 1975, 166, 170) noch absoluter Selbstwert ist, vor dem alle anderen Bedingungen einer rechtsstaatlichen Justizgewährung zurückzutreten hätten (Rudolph DRiZ 1978, 146; Kissel, GVG 3. Aufl. § 1 Rdn. 43), schließt ein dem Richter im Grundsatz zuzubilligender großzügiger Ermessensspielraum bei der Einteilung seiner Dienstgeschäfte strafrechtlich relevante Verstöße gegen das Beschleunigungsgebot nicht in jedem Fall aus. Sie werden insbesondere dann in Betracht kommen, wenn der Richter gegen zwingende Vorschriften verstößt, in denen der Gesetzgeber – wie beispielsweise in § 115 StPO – das allgemei-
ne Beschleunigungsgebot konkretisiert hat oder wenn der Richter untätig bleibt, obwohl besondere Umstände sofortiges Handeln – etwa die Veranlassung der Freilassung eines Inhaftierten nach Aufhebung des Haftbefehls – zwingend gebieten. Beides trifft auf den vorliegend zu beurteilenden Fall jedoch nicht zu.
Nachdem der Angeklagte, einer zumindest vertretbaren Mindermeinung folgend (vgl. dazu die Nachweise bei Katholnigg, Strafgerichtsverfassungsrecht 3. Aufl. § 181 GVG Rdn. 1; Kissel aaO § 181 Rdn. 2), die gemäß § 181 Abs. 2 GVG eingelegten fristgebundenen Beschwerden gegen die Ordnungshaftbeschlüsse als einfache Beschwerden gewertet hat, richtete sich aus seiner Sicht die Weiterleitung der Rechtsmittel nach § 306 Abs. 2 StPO. Diese Vorschrift sieht für den Fall der Nichtabhilfe die Vorlage an das Beschwerdegericht ”sofort, spätestens vor Ablauf von drei Tagen” vor. Gegen die Dreitagesfrist, die zudem nur eine Sollvorschrift darstellt (Kleinknecht /Meyer-Goßner, StPO 45. Aufl. § 306 Rdn. 11), hat der Angeklagte nicht verstoßen, weil er die Beschwerden am zweiten Tag nach ihrem Eingang an das Beschwerdegericht weitergeleitet hat. Auch wenn der Angeklagte damit nicht ”sofort” gehandelt hat, stellt die Einhaltung der Dreitagesfrist ein gewichtiges Indiz dafür dar, daß eine vom Gesetz noch als angemessen erachtete Bearbeitungszeit nicht überschritten worden ist.
Da richterliche Entscheidungen, gegen die eine Beschwerde möglich ist, Sachverhalte unterschiedlicher Art betreffen und mehr oder minder schwere Eingriffe in die Rechtssphäre der Beschwerdeführer zum Gegenstand haben, können besondere Umstände eine Weiterleitung der Beschwerden vor Ablauf der Frist im Ausnahmefall allerdings gleichwohl erfordern. Solche Besonderheiten hat das Landgericht hier darin gesehen, daß die angeordnete Ordnungshaft entsprechend der gesetzlichen Vorgabe des § 179 GVG sofort vollstreckt worden ist, den Beschwerdeführern daher bei einer Weiterleitung der Rechtsmittelschriften unter voller Ausschöpfung der
Dreitagesfrist ein effektiver Rechtsschutz nicht mehr hätte gewährt werden können.
Die drohende vollständige Vollstreckung einer angeordneten Freiheitsentziehung kann aber für sich allein keine Pflicht zum sofortigen Tätigwerden begründen. Grundsätzlich bleibt auch in diesen Fällen dem Richter ein Spielraum für die Einteilung seiner dienstlichen und – weil er an feste Dienstzeiten nicht gebunden ist (vgl. BVerwGE 78, 211, 213) – auch seiner privaten Angelegenheiten. Zwar hat der Erfolg der Beschwerde für einen Beschwerdeführer, der die Ordnungshaft bereits verbüßt hat, über die Feststellung der Rechtswidrigkeit hinaus kaum praktische Bedeutung, zumal da nach herrschender Meinung eine Entschädigung aus der Staatskasse nach dem Gesetz über die Entschädigung für Strafverfolgungsmaßnahmen nicht in Betracht kommt (OLG Frankfurt NJW 1976, 303; Kissel aaO Rdn. 18). Ein bestimmender Einfluß auf die dem Richter zuzubilligende Bearbeitungszeit in der Weise, daß sich diese umso mehr verkürzt, je weiter die angeordnete Dauer der Ordnungshaft unter der zulässigen Höchstdauer von einer Woche liegt, kommt dem Gesichtspunkt abnehmender Effizienz aber nicht zu. Der Richter, der lediglich einen Tag Ordnungshaft verhängt und die dagegen gerichtete Beschwerde am folgenden Tag an das Beschwerdegericht weiterleitet , gerät nicht allein dadurch in den Bereich der Rechtsbeugung, daß die Haft zu diesem Zeitpunkt bereits vollzogen ist. Vielmehr wird sich in derartigen Fällen effektiver Rechtsschutz durch eine Anordnung des Beschwerdegerichts nach § 307 Abs. 2 StPO anbieten, mit der eine aufschiebende Wirkung der Beschwerde hergestellt wird (vgl. Katholnigg aaO § 181 GVG Rdn. 4; Kissel aaO Rdn. 11; Kleinknecht/Meyer-Goßner aaO § 181 GVG Rdn. 1; Schäfer/Wickern in Löwe/Rosenberg, StPO 24. Aufl. § 181 GVG Rdn. 13).
Zwar wäre im vorliegenden Fall schon aufgrund des für Haftsachen allgemein geltenden Beschleunigungsgrundsatzes eine zügigere Bearbei-
tung der mit der Anordnung von Ordnungshaft in Zusammenhang stehenden Vorgänge wünschenswert und unter Berücksichtigung der sonstigen dienstlichen Verpflichtungen und privaten Interessen des Angeklagten auch zumutbar gewesen. Gleichwohl hat der Angeklagte nach den oben angeführten Grundsätzen mit der von ihm gewählten Verfahrensweise die äußeren Grenzen des ihm für die Weiterleitung der Beschwerden einzuräumenden Ermessens nicht in schwerwiegender Weise mißachtet. Dies gilt umso mehr, als sich sein Verhalten nicht auf bloße Untätigkeit beschränkte, sondern nach seiner insoweit unwiderlegten Einlassung rechtliche Nachforschungen sowie die Umsetzung der dadurch gewonnenen Erkenntnisse im Protokoll und in einem Vermerk einschloß.

c) Bei zögerlicher Bearbeitung einer Rechtssache innerhalb eines objektiv vertretbaren Zeitraumes kommt ein schwerwiegender Rechtsverstoß allerdings dann in Betracht, wenn der Richter mit seiner Verfahrensweise aus sachfremden Erwägungen gezielt zum Vorteil oder Nachteil einer Partei handelt (vgl. BGHSt 42, 343, 345). Dies wäre hier gegeben, wenn der Angeklagte , wie vom Landgericht für erwiesen erachtet, sich bereits zu Beginn des auf die Verkündung der Ordnungshaftbeschlüsse folgenden Tages entschlossen hätte, unter mutwilliger Verzögerung die Beschwerden solange zurückzuhalten, bis der vollständige Vollzug der Ordnungshaft durch einen Erfolg der Beschwerden beim Oberlandesgericht nicht mehr gefährdet werden konnte. In einem solchen Fall wären zwar die äußeren Schranken des dem Richter für die Bearbeitung von Rechtssachen in zeitlicher Hinsicht eingeräumten Ermessens eingehalten, so daß eine Ermessensüberschreitung ausgeschlossen wäre. Es läge jedoch ein Ermessensmißbrauch durch Überschreitung der inneren Schranken des Ermessens vor.
Soweit das Landgericht bereits in dem objektiven Ablauf des Beschwerdeverfahrens unter weitgehender Ausschöpfung der Dreitagesfrist einen schwerwiegenden Verstoß gegen das Beschleunigungsgebot sieht,
der den Schluß auf eine böswillige Vorgehensweise des Angeklagten nahelege , geht es, wie oben dargestellt, von einem zu engen Verständnis der dem Richter für die Bearbeitung von Rechtssachen in zeitlicher Hinsicht eingeräumten Spielräume aus. Wenn das Landgericht im einzelnen darlegt, daß der Angeklagte unter Zurückstellung anderer dienstlicher, insbesondere aber privater Belange die Beschwerden schneller als geschehen hätte bearbeiten und weiterleiten können, so mag dies belegen, daß der Angeklagte den hohen Anforderungen, die an das Pflicht- und Verantwortungsbewußtsein eines Richters gerade angesichts der mit der richterlichen Unabhängigkeit verbundenen Freiräume zu stellen sind (vgl. dazu Kissel aaO § 1 Rdn. 3), nicht in ausreichendem Maße gerecht geworden ist. Der Nachweis einer gezielten Verfahrensverzögerung kann damit aber nicht geführt werden.
Auch ist der Inhalt des Telefonats des Angeklagten mit dem Journalisten vom Landgericht nicht erschöpfend gewürdigt worden. Da die Überheblichkeit , die aus der Ä ußerung des Angeklagten spricht, ”er müsse ja nicht gleich springen, wenn Anwälte etwas von ihm wollten”, im Umgang zwischen Richter- und Anwaltschaft unangebracht ist, hatte der Angeklagte allen Anlaß , eine Veröffentlichung dieser von ihm mit Recht als ”nicht zitierfähig” eingeschätzten Bemerkung zu verhindern. Dagegen erscheint es fernliegend , daß der Angeklagte, wie das Landgericht meint, der Auffassung gewesen sein sollte, dem Journalisten mit seiner Ä ußerung einen gezielten Rechtsbruch offenbart zu haben und ihn wegen der Brisanz, die ein solches ”Geständnis” zweifellos hätte, um Verschwiegenheit gebeten hat.
Ä hnliche Erwägungen gelten für das ”Kantinengespräch”. Auch insoweit läßt das Landgericht unberücksichtigt, daß der Angeklagte angesichts der berechtigten Vorhaltungen seiner Kollegen Veranlassung hatte, die schleppende Bearbeitung der Beschwerdevorgänge durch eine falsche Darstellung der wahren Ursachen zu rechtfertigen.
Da das Landgericht das Motiv für eine rechtsbeugerische Verfahrensverzögerung darin sieht, daß der Angeklagte das Risiko einer Aufhebung der Ordnungshaftbeschlüsse durch das Beschwerdegericht und eine Entlassung der Störer aus der Haft vor deren vollständigem Vollzug nicht habe eingehen wollen, hätte es zudem der Darlegung bedurft, weshalb der Angeklagte ein solches Risiko als naheliegend erachtet haben sollte. Ausführungen hierzu waren umso mehr geboten, als das Landgericht zu Gunsten des Angeklagten unterstellt hat, daß dieser die formellen Mängel der Ordnungshaftanordnungen nicht erkannt hat und daß die von ihm getroffenen Entscheidungen vor dem Hintergrund der vorangegangenen massiven Störungen sachlich vertretbar erschienen.
Die aufgezeigten Fehler führen zur Aufhebung des Urteils. Ein vom Generalbundesanwalt beantragter Freispruch durch den Senat kam dagegen nicht in Betracht, weil nicht mit letzter Sicherheit auszuschließen ist, daß ein neuer Tatrichter zu den s ubjektiven Vorstellungen des Angeklagten rechtsfehlerfrei Feststellungen treffen kann, die zu einer Verurteilung nach § 339 StGB führen.

III.


Revision der Staatsanwaltschaft
Soweit die Staatsanwaltschaft mit ihrer zu Ungunsten des Angeklagten eingelegten Revision beanstandet, das Landgericht habe eine Verurteilung des Angeklagten wegen tateinheitlicher Freiheitsberaubung mit rechtsfehlerhafter Begründung abgelehnt, ist ihr – im übrigen nach § 301 StPO auch zu Gunsten des Angeklagten wirkendes – Rechtsmittel begründet.
Auf der Grundlage der vom Landgericht zu den subjektiven Vorstellungen des Angeklagten getroffenen Feststellungen kommt es entgegen der
Rechtsauffassung des Tatrichters nicht darauf an, daß der Angeklagte die Ordnungshaftbeschlüsse für formal und sachlich rechtsfehlerfrei erachtete. Ebensowenig wie der Vorsatz der Rechtsbeugung durch die Vorstellung des Täters, er handele im Ergebnis gerecht, in Frage gestellt wird, wenn sich sein Handeln in schwerwiegender Weise vom Gesetz entfernt und an eigenen Maßstäben anstelle der vom Gesetzgeber statuierten ausrichtet (vgl. BGHSt 32, 357, 360), kann den Richter eine solche Vorstellung bei idealkonkurrierenden Delikten entlasten. Die Anordnung freiheitsberaubender Maßnahmen zu Lasten des Bürgers ist ebenso wie ihre Aufrechterhaltung nur im Rahmen eines ordnungsgemäßen justizförmigen Verfahrens zulässig, zu dem auch die Gewährung eines effektiven Rechtsschutzes unter Beachtung des Beschleunigungsgebots gehört. Sollte der neue Tatrichter daher auf der Grundlage rechtsfehlerfrei getroffener Feststellungen erneut zu dem Ergebnis gelangen, daß der Angeklagte durch eine verzögerte Weiterleitung der Beschwerden an das Oberlandesgericht die Freilassung der inhaftierten Zuhörer zu einem früheren Zeitpunkt gezielt verhindert hat, wird der Angeklagte auch wegen tateinheitlich begangener Freiheitsberaubung zu verurteilen sein.
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(1) Bieten die Ermittlungen genügenden Anlaß zur Erhebung der öffentlichen Klage, so erhebt die Staatsanwaltschaft sie durch Einreichung einer Anklageschrift bei dem zuständigen Gericht.

(2) Andernfalls stellt die Staatsanwaltschaft das Verfahren ein. Hiervon setzt sie den Beschuldigten in Kenntnis, wenn er als solcher vernommen worden ist oder ein Haftbefehl gegen ihn erlassen war; dasselbe gilt, wenn er um einen Bescheid gebeten hat oder wenn ein besonderes Interesse an der Bekanntgabe ersichtlich ist.

(1) Zur Erhebung der öffentlichen Klage ist die Staatsanwaltschaft berufen.

(2) Sie ist, soweit nicht gesetzlich ein anderes bestimmt ist, verpflichtet, wegen aller verfolgbaren Straftaten einzuschreiten, sofern zureichende tatsächliche Anhaltspunkte vorliegen.

(1) Sobald die Staatsanwaltschaft durch eine Anzeige oder auf anderem Wege von dem Verdacht einer Straftat Kenntnis erhält, hat sie zu ihrer Entschließung darüber, ob die öffentliche Klage zu erheben ist, den Sachverhalt zu erforschen.

(2) Die Staatsanwaltschaft hat nicht nur die zur Belastung, sondern auch die zur Entlastung dienenden Umstände zu ermitteln und für die Erhebung der Beweise Sorge zu tragen, deren Verlust zu besorgen ist.

(3) Die Ermittlungen der Staatsanwaltschaft sollen sich auch auf die Umstände erstrecken, die für die Bestimmung der Rechtsfolgen der Tat von Bedeutung sind. Dazu kann sie sich der Gerichtshilfe bedienen.

(4) Eine Maßnahme ist unzulässig, soweit besondere bundesgesetzliche oder entsprechende landesgesetzliche Verwendungsregelungen entgegenstehen.

(1) Zur Erhebung der öffentlichen Klage ist die Staatsanwaltschaft berufen.

(2) Sie ist, soweit nicht gesetzlich ein anderes bestimmt ist, verpflichtet, wegen aller verfolgbaren Straftaten einzuschreiten, sofern zureichende tatsächliche Anhaltspunkte vorliegen.

(1) Bieten die Ermittlungen genügenden Anlaß zur Erhebung der öffentlichen Klage, so erhebt die Staatsanwaltschaft sie durch Einreichung einer Anklageschrift bei dem zuständigen Gericht.

(2) Andernfalls stellt die Staatsanwaltschaft das Verfahren ein. Hiervon setzt sie den Beschuldigten in Kenntnis, wenn er als solcher vernommen worden ist oder ein Haftbefehl gegen ihn erlassen war; dasselbe gilt, wenn er um einen Bescheid gebeten hat oder wenn ein besonderes Interesse an der Bekanntgabe ersichtlich ist.

(1) Alle Menschen sind vor dem Gesetz gleich.

(2) Männer und Frauen sind gleichberechtigt. Der Staat fördert die tatsächliche Durchsetzung der Gleichberechtigung von Frauen und Männern und wirkt auf die Beseitigung bestehender Nachteile hin.

(3) Niemand darf wegen seines Geschlechtes, seiner Abstammung, seiner Rasse, seiner Sprache, seiner Heimat und Herkunft, seines Glaubens, seiner religiösen oder politischen Anschauungen benachteiligt oder bevorzugt werden. Niemand darf wegen seiner Behinderung benachteiligt werden.

(1) Bieten die Ermittlungen genügenden Anlaß zur Erhebung der öffentlichen Klage, so erhebt die Staatsanwaltschaft sie durch Einreichung einer Anklageschrift bei dem zuständigen Gericht.

(2) Andernfalls stellt die Staatsanwaltschaft das Verfahren ein. Hiervon setzt sie den Beschuldigten in Kenntnis, wenn er als solcher vernommen worden ist oder ein Haftbefehl gegen ihn erlassen war; dasselbe gilt, wenn er um einen Bescheid gebeten hat oder wenn ein besonderes Interesse an der Bekanntgabe ersichtlich ist.

Ein Richter, ein anderer Amtsträger oder ein Schiedsrichter, welcher sich bei der Leitung oder Entscheidung einer Rechtssache zugunsten oder zum Nachteil einer Partei einer Beugung des Rechts schuldig macht, wird mit Freiheitsstrafe von einem Jahr bis zu fünf Jahren bestraft.

(1) Ist in den Fällen des § 258 Abs. 1 der Täter als Amtsträger zur Mitwirkung bei dem Strafverfahren oder dem Verfahren zur Anordnung der Maßnahme (§ 11 Abs. 1 Nr. 8) oder ist er in den Fällen des § 258 Abs. 2 als Amtsträger zur Mitwirkung bei der Vollstreckung der Strafe oder Maßnahme berufen, so ist die Strafe Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu fünf Jahren, in minder schweren Fällen Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder Geldstrafe.

(2) Der Versuch ist strafbar.

(3) § 258 Abs. 3 und 6 ist nicht anzuwenden.

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
3 S t R 4 9 8 / 1 4
vom
13. Mai 2015
in der Strafsache
gegen
wegen Urkundenfälschung
Der 3. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat aufgrund der Verhandlung vom
5. März 2015 in der Sitzung am 13. Mai 2015, an denen teilgenommen haben:
Vorsitzender Richter am Bundesgerichtshof
Becker,
die Richter am Bundesgerichtshof
Hubert,
Dr. Schäfer,
Mayer,
Richterin am Bundesgerichtshof
Dr. Spaniol
als beisitzende Richter,
Staatsanwältin beim Bundesgerichtshof
als Vertreterin der Bundesanwaltschaft,
Rechtsanwalt - in der Verhandlung -
als Verteidiger,
Justizobersekretärin - in der Verhandlung - ,
Justizangestellte - bei der Verkündung -
als Urkundsbeamtinnen der Geschäftsstelle,

für Recht erkannt:
Auf die Revision der Staatsanwaltschaft wird das Urteil des Landgerichts Koblenz vom 24. Juni 2014 mit den Feststellungen aufgehoben. Die Sache wird zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine Strafkammer des Landgerichts Mainz zurückverwiesen.

Von Rechts wegen

Gründe:

1
Das Landgericht hat den Angeklagten vom Vorwurf der Urkundenfälschung aus Rechtsgründen freigesprochen. Hiergegen wendet sich die auf die Sachrüge gestützte Revision der Staatsanwaltschaft. Das Rechtsmittel hat Erfolg.
2
1. Das Landgericht hat folgende Feststellungen und Wertungen getroffen :
3
a) Der Angeklagte war als Strafrichter für die Verhandlung und Entscheidung der Strafsache gegen Thomas W. wegen Fahrens ohne Versicherungsschutz zuständig. In der Hauptverhandlung beantragte die Staatsanwaltschaft eine Geldstrafe von 60 Tagessätzen zu je 25 €. Der Angeklagte verurteilte Thomas W. abweichend hiervon zu einer Geldstrafe von 75 Tagessätzen zu je 15 € und bewilligte ihm deren Zahlung in monatlichen Raten zu je 15 €. Die Formel dieser Entscheidung hatte er vor der Verkündung auf dem rückwärtigen Einband der Sachakte schriftlich niedergelegt. Auf die Berufung der Staatsanwaltschaft , deren Grund er zutreffend in der danach notwendigen Dauer der Vollstreckung vermutete, entschloss er sich, die Höhe der bewilligten Raten "informell" zu erhöhen und so eine Zurücknahme des Rechtsmittels zu erreichen. Hierzu änderte der Angeklagte zunächst im Entwurf des Hauptverhandlungsprotokolls vor dessen Fertigstellung die gemäß Banddiktat dort ausgewiesene Urteilsformel durch Überschreiben der Zahl "1" dahin ab, dass eine Zahlung der Geldstrafe in monatlichen Raten zu je 25 € bewilligt wird. Mit entsprechendem Inhalt setzte er die schriftliche Urteilurkunde ab. Zur Vermeidung von Widersprüchen änderte er schließlich auch in der auf dem Akteneinband niedergelegten Urteilsformel zur Höhe der bewilligten Raten die Zahl "1" durch Überschreiben in "2". Das Berufungsgericht beließ es bei der ausgesprochenen Geldstrafe und der Bewilligung von Ratenzahlungen, setzte aber die Höhe der Raten auf 32 € monatlich fest.
4
b) Das Landgericht ist der Ansicht, der Angeklagte habe zwar mit der festgestellten Veränderung der auf dem Akteneinband fixierten Urteilsformel eine Urkundenfälschung unter Missbrauch seiner Stellung als Amtsträger begangen. Seiner Verurteilung deswegen stehe jedoch entgegen, dass er insoweit bei der Leitung einer Rechtssache tätig geworden sei, ohne dabei aber einen elementaren Verstoß gegen die Rechtspflege begangen zu haben. Er könne daher nicht wegen Rechtsbeugung (§ 339 StGB) verurteilt werden. Damit scheide aber auch ein Schuldspruch wegen Urkundenfälschung aus, denn die Nichterfüllung des Tatbestands der Rechtsbeugung entfalte eine Sperrwir- kung dahin, dass der Angeklagte wegen desselben Sachverhalts auch nicht nach einer anderen Strafvorschrift verurteilt werden könne.
5
2. Der Freispruch hält rechtlicher Überprüfung nicht stand.
6
a) Zutreffend sieht das Landgericht in der nachträglichen Abänderung der auf dem Akteneinband niedergelegten Urteilsformel tatbestandsmäßig eine Urkundenfälschung unter Missbrauch einer Stellung als Amtsträger (§ 267 Abs. 1, Abs. 3 Satz 2 Nr. 4, § 11 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. a StGB). Nicht nur das Protokoll, sondern auch die von § 268 Abs. 2 Satz 1 StPO geforderte Niederschrift der Urteilsformel ist dazu geeignet und bestimmt, die inhaltliche Übereinstimmung der durch Verlesen verkündeten mit der im schriftlichen Urteil ausgewiesenen Entscheidung zu sichern (KK-Kuckein, StPO, 7. Aufl., § 268 Rn. 3). Bereits mit der Urteilsverkündung und jedenfalls bis zur Fertigstellung eines mangelfreien Protokolls (vgl. BGH, Beschluss vom 9. Mai 2001 - 2 StR 42/01 bei Becker, NStZ-RR 2002, 97, 100) erlangt die Niederschrift Beweiskraft für den Inhalt der verlesenen Formel. Mit dem Zeitpunkt der Urteilsverkündung ist sie deshalb auch der Abänderung durch den erkennenden Richter entzogen (LR/Stuckenberg, StPO, 26. Aufl., § 268 Rn. 22; Meyer-Goßner/Schmitt, StPO, 58. Aufl., § 268 Rn. 4).
7
b) Rechtsfehlerfrei geht das Landgericht auch davon aus, dass das Handeln des Angeklagten nicht den Tatbestand der Rechtsbeugung (§ 339 StGB) erfüllt.
8
aa) Zwar wurde der Angeklagte, als er die niedergeschriebene und so verlesene Urteilsformel nachträglich abänderte, bei der Leitung einer Rechtssache tätig.

9
Unter "Rechtssache" im Sinne des § 339 StGB ist das gesamte streitige Verhältnis zu verstehen, über das der Richter zu "entscheiden" hat; die "Leitung" der Rechtssache ist der Inbegriff aller Maßnahmen, die auf die Erledigung der Sache abzielen (BGH, Urteil vom 18. Juli 2013 - 4 StR 84/13, NStZ 2013, 655, 656 mwN). Im Hauptverfahren in Strafsachen übt der Richter danach auch über die mündliche Urteilsverkündung hinaus Tätigkeiten aus, welche die Leitung und Entscheidung einer Rechtssache zum Gegenstand haben. Die Urteilsverkündung beendet das Verfahren nicht, denn es bleibt die Abfassung der schriftlichen Urteilsgründe, die zu den originären Aufgaben des erkennenden Richters zählt und die die künftige Entscheidung des Rechtsmittelgerichts zu Gunsten oder zum Nachteil des Angeklagten beeinflussen kann (BGH aaO). Nichts anderes kann für die Fertigstellung des Hauptverhandlungsprotokolls durch den Vorsitzenden gelten. Nicht (mehr) bei der Leitung oder Entscheidung einer Rechtssache im Sinne des § 339 StGB handelt der Richter erst dann, wenn ein innerer funktionaler Zusammenhang der den strafrechtlichen Vorwurf begründenden Verhaltensweise mit der Förderung der Sache fehlt und diese deshalb objektiv nicht mehr als ein auf seiner Leitungs- oder Entscheidungskompetenz beruhendes Handeln erscheint (vgl. BGH, Urteil vom 23. Mai1984 - 3 StR 102/84, BGHSt 32, 357, 364 f.; OLG Naumburg, Beschluss vom 23. April 2012 - 1 Ws 48/12, NStZ 2013, 533, 535; OLG Karlsruhe, Beschluss vom 9. Dezember 2003 - 3 Ws 174/03, NJW 2004, 1469, 1470; S/SHeine /Hecker, StGB, 29. Aufl., § 339 Rn. 17; MüKoStGB/Uebele, 2. Aufl., § 339 Rn. 73; Lackner/Kühl, StGB, 28. Aufl., § 339 Rn. 11).
10
Nach diesen Maßstäben handelte der Angeklagte, als er die auf dem Akteneinband niedergelegte Urteilsformel nachträglich abänderte, noch bei der Leitung der Strafsache gegen Thomas W. Zwar verfolgte er damit unmittelbar nur das Ziel, im Nachhinein über den wahren Inhalt einer von ihm bereits getroffenen und verkündeten Entscheidung zu täuschen. Jedoch wollte er durch sein Vorgehen zugleich auch nach außen hin eine vorgebliche Tatsachengrundlage für die weitere prozessordnungswidrige Behandlung und Erledigung der Sache schaffen. Die Fälschung stand nach der ihr vom Angeklagten zugedachten Zweckrichtung in engem und untrennbarem Zusammenhang sowohl mit der Herstellung der schriftlichen Urteilsurkunde als auch mit der Fertigstellung des Hauptverhandlungsprotokolls. Sie sollte deren inhaltliche Unrichtigkeit verschleiern und so die Entscheidung der Staatsanwaltschaft und gegebenenfalls des Rechtsmittelgerichts beeinflussen.
11
bb) Nichts zu erinnern ist aber auch gegen die Bewertung des Landgerichts , dass sich der Angeklagte dadurch keiner Beugung des Rechts schuldig gemacht hat.
12
Rechtsbeugung kann zwar auch durch Verletzung von Verfahrensrecht begangen werden (BGH, Urteile vom 29. Oktober 1992 - 4 StR 353/92, BGHSt 38, 381, 383; vom 5. Dezember 1996 - 1 StR 376/96, BGHSt 42, 343). Nicht jede unrichtige Rechtsanwendung oder jeder Ermessensfehler ist jedoch bereits eine Beugung des Rechts. Vielmehr indizieren die Einordnung der Rechtsbeugung als Verbrechenstatbestand und die gemäß § 24 Nr. 1 DRiG, § 24 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 BeamtStG im Falle einer Verurteilung kraft Gesetzes eintretende Beendigung des Richter- oder Beamtenverhältnisses die Schwere des Unwerturteils (BGH, Urteile vom 29. Oktober 1992 - 4 StR 353/92, BGHSt 38, 381, 383; vom 29. Oktober 2009 - 4 StR 97/09, NStZ-RR 2010, 310; vom 18. Juli 2013 - 4 StR 84/13, NStZ 2013, 655, 656). Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs erfasst § 339 StGB deshalb nur den Rechtsbruch als elementaren Verstoß gegen die Rechtspflege, bei dem sich der Amts- träger bewusst in schwerwiegender Weise zugunsten oder zum Nachteil einer Partei vom Gesetz entfernt und sein Handeln als Organ des Staates statt an Recht und Gesetz an seinen eigenen Maßstäben ausrichtet (vgl. nur BGH, Urteile vom 9. Mai 1994 - 5 StR 354/93, BGHSt 40, 169, 178; vom 6. Oktober 1994 - 4 StR 23/94, BGHSt 40, 272, 283; vom 20. September 2000 - 2 StR 276/00, NStZ-RR 2001, 243, 244; Beschluss vom 7. Juli 2010 - 5 StR 555/09, wistra 2011, 32, 35). Insoweit enthält das Tatbestandsmerkmal "Beugung des Rechts" ein normatives Element, dem die Funktion eines wesentlichen Regulativs zukommt (grundlegend hierzu BGH, Urteil vom 23. Mai 1984 - 3 StR 102/84, BGHSt 32, 357, 364, mit Hinweis auf die Gesetzesmaterialien). Ob ein elementarer Rechtsverstoß vorliegt, ist auf der Grundlage einer wertenden Gesamtbetrachtung aller Umstände zu entscheiden. Bei einem Verstoß gegen Verfahrensrecht kann neben dessen Ausmaß und Schwere insbesondere auch Bedeutung erlangen, welche Folgen dieser für die Partei hatte, inwieweit die Entscheidung materiell rechtskonform blieb und von welchen Motiven sich der Richter leiten ließ (vgl. BGH, Urteile vom 5. Dezember 1996 - 1 StR 376/96, BGHSt 42, 343; vom 20. September 2000 - 2 StR 276/00, NStZ-RR 2001, 243, 244; vom 18. Juli 2013 - 4 StR 84/13, NStZ 2013, 655, 656; Beschluss vom 24. Juni 2009 - 1 StR 201/09, NStZ 2010, 92).
13
Nach diesen Maßstäben ist das Landgericht ohne Rechtsfehler zu dem Ergebnis gelangt, dass dem Angeklagten kein elementarer Verstoß gegen die Rechtspflege zur Last fällt. Zwar erschöpfte sich das Handeln des Angeklagten nicht allein in einer Zuwiderhandlung gegen Vorschriften des gerichtlichen Verfahrens ; vielmehr beging er durch die Fälschung der Urteilsformel zugleich eine Straftat. Der so indizierten Schwere des Rechtsverstoßes steht jedoch gegenüber , dass sich das Vorgehen des Angeklagten schon objektiv nicht auf den Kern der Verurteilung des W. bezog, sondern lediglich auf die Höhe der ihm für die Bezahlung der verhängten Geldstrafe bewilligten Raten. In subjektiver Hinsicht kommt hinzu, dass der Angeklagte ausschließlich handelte, um einen von ihm erkannten offensichtlichen Fehlgriff zugunsten des W. bei der Bemessung der Höhe der Raten rückgängig zu machen. In der Gesamtschau rechtfertigt dies nicht eine Bewertung des Tatgeschehens dahin, dass sich der Angeklagte bewusst in schwerwiegender Weise zum Nachteil des W. vom Gesetz entfernt habe. Soweit der Bundesgerichtshof im Urteil vom 18. Juli 2013 (4 StR 84/13, NStZ 2013, 655) in einer Urkundenfälschung des Richters bei der Leitung und Entscheidung der Rechtssache zugleich einen elementaren Verstoß gegen die Rechtspflege gesehen hat, kam den dort zu beurteilenden Sachverhalten ungleich schwereres Gewicht zu. Der Entscheidung lag zu Grunde, dass der Angeklagte wiederholt Urteile in Strafsachen, die keine auch nur entfernt ausreichenden Feststellungen zur Sache und keine Beweiswürdigung enthielten und auf denen bereits der Eingangsvermerk der Geschäftsstelle angebracht war, nach Ablauf der Urteilsabsetzungsfrist heimlich ergänzte. Sein Vorgehen diente damit der wirksamen Vereitelung von Angriffen auf die Verurteilung insgesamt, denen nach § 338 Nr. 7 StPO ohne Weiteres Erfolg beschieden gewesen wäre.
14
c) Auf durchgreifende Bedenken stößt indes die Auffassung des Landgerichts , einer Bestrafung des Angeklagten wegen der festgestellten Urkundenfälschung unter Missbrauch einer Stellung als Amtsträger (§ 267 Abs. 1, Abs. 3 Nr. 4 StGB) stehe infolgedessen die sog. Sperrwirkung des Rechtsbeugungstatbestands entgegen.
15
Die dem Tatbestand der Rechtsbeugung nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs zukommende Sperrwirkung gegen eine Verurteilung nach anderen Strafvorschriften dient in erster Linie der persönlichen Unabhängigkeit des Richters (BGH, Urteil vom 7. Dezember 1956 - 1 StR 56/56, BGHSt 10, 294, 298; vgl. auch BGH, Urteil vom 29. Mai 1952 - 2 StR 45/50, MDR 1952, 693, 695). Sie soll seine Entscheidungsfreiheit sichern und ihn von dem Risiko freistellen, dass Entscheidungen, Anordnungen oder Maßnahmen der Verhandlungsleitung, zu denen er aufgrund seiner Rechtsgewährungspflicht von Gesetzes wegen gehalten ist, die aber nach ihrem Inhalt oder nach ihren Auswirkungen den Tatbestand eines allgemeinen Strafgesetzes erfüllen können, so etwa den der Strafvereitelung, der Verfolgung Unschuldiger, der Freiheitsberaubung oder der Nötigung, nachträglich und außerhalb des Instanzenzugs nochmals zur Überprüfung gestellt werden mit dem Ziel, ihn strafrechtlich oder zivilrechtlich (vgl. § 839 Abs. 2 BGB) hierfür zur Verantwortung zu ziehen.
16
Diese Rechtsprechung hat ihren Ausgangspunkt insbesondere darin, dass nach herrschender Meinung zur früheren Gesetzeslage (§ 336 StGB vor der Neufassung durch Art. 19 Nr. 188 EGStGB vom 2. März 1974, BGBl. I 469, 497) einem Richter der Vorwurf der Rechtsbeugung nur bei einem direkt vorsätzlichen Rechtsverstoß gemacht werden konnte. Vor diesem Hintergrund sollte durch die Sperrwirkung zuvörderst verhindert werden, dass ein Richter, dem keine direkt vorsätzliche Rechtsverletzung angelastet werden kann, wegen einer durch seine Entscheidung bedingt vorsätzlich oder auch nur fahrlässig begangenen Verwirklichung eines anderen Straftatbestandes zur Verantwortung gezogen wird.
17
All dies ist auf den vorliegend zu beurteilenden Sachverhalt nicht übertragbar. lndem der Gesetzgeber mit der Neufassung des Rechtsbeugungstatbestandes durch das EGStGB vom 2. März 1974 klargestellt hat, dass für die subjektive Tatseite der Rechtsbeugung auch bedingter Vorsatz ausreicht (vgl. LK/Hilgendorf, StGB, 12. Aufl., § 339 Entstehungsgeschichte Rn. 86 mwN), ist ein Begründungsansatz für die Sperrwirkung des Rechtsbeugungstatbestandes bereits weitgehend obsolet geworden; denn damit bleiben die Anforderungen an die subjektive Tatseite der denkbaren Strafvorschriften, die nach heutiger Gesetzeslage durch eine richterliche Entscheidung neben § 339 StGB verletzt werden können, nicht mehr hinter denjenigen des Rechtsbeugungstatbestandes zurück. Vor allem aber fordert es die verfassungsrechtlich gewährleistete richterliche Unabhängigkeit nicht, das Haftungsprivileg auch auf ein Handeln des Richters zu erstrecken, das nicht erst im Zusammenhang mit einer nach außen hin zu treffenden Entscheidung, Anordnung oder Maßnahme der Verhandlungsleitung zur Erfüllung eines Straftatbestands führt, sondern - wie hier - bereits für sich alleine gegen Strafgesetze verstößt (dem zuneigend bereits BGH, Urteil vom 18. Juli 2013 - 4 StR 84/13, NStZ 2013, 655, 657).
18
3. Die danach veranlasste Aufhebung des freisprechenden Urteils ist auch auf die für sich gesehen rechtsfehlerfrei getroffenen Feststellungen zu erstrecken, denn der freigesprochene Angeklagte konnte gegen diese kein Rechtsmittel einlegen (vgl. BGH, Urteil vom 18. Juli 2013 - 4 StR 84/13, NStZ 2013, 655, 657 mwN). Die Sache bedarf deshalb insgesamt neuer Verhandlung und Entscheidung. Der Senat macht von der Möglichkeit der Zurückverweisung an ein anderes Gericht Gebrauch (§ 354 Abs. 2 Satz 1 StPO).
19
4. Für die neue Hauptverhandlung weist der Senat auf Folgendes hin:
20
Ohne Rechtsfehler ist das Landgericht davon ausgegangen, dass das Handeln des Angeklagten nicht auch den Tatbestand der Falschbeurkundung im Amt (§ 348 Abs. 1 StGB) erfüllt. Insbesondere stellt das Hauptverhandlungsprotokoll keine öffentliche Urkunde dar (vgl. Stuckenberg, ZIS 2013, 212, 215; Knauer NStZ 2013, 433, 435).
Becker Hubert Schäfer Mayer Ri'inBGH Dr. Spaniol befindet sich im Urlaub und ist daher gehindert zu unterschreiben. Becker

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
4 StR 84/13
vom
18. Juli 2013
in der Strafsache
gegen
wegen Verdachts der Rechtsbeugung u.a.
Der 4. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat in der Sitzung vom 18. Juli 2013,
an der teilgenommen haben:
Richter am Bundesgerichtshof
Dr. Mutzbauer
als Vorsitzender,
Richterin am Bundesgerichtshof
Roggenbuck,
Richter am Bundesgerichtshof
Dr. Franke,
Bender,
Dr. Quentin
als beisitzende Richter,
Staatsanwalt
als Vertreter des Generalbundesanwalts,
Rechtsanwalt
als Verteidiger,
Justizangestellte
als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle,

für Recht erkannt:
Auf die Revision der Staatsanwaltschaft wird das Urteil des Landgerichts Halle vom 10. Oktober 2012 mit den Feststellungen aufgehoben.
Die Sache wird zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Strafkammer des Landgerichts Halle zurückverwiesen.
Von Rechts wegen

Gründe:


1
Das Landgericht hat den Angeklagten, einen Vorsitzenden Richter , vom Vorwurf der Rechtsbeugung in Tateinheit mit Urkundenfälschung und Strafvereitelung im Amt freigesprochen. Die vom Generalbundesanwalt vertretene Revision der Staatsanwaltschaft hat mit der Sachrüge Erfolg.

I.


2
Die Anklage legt dem Angeklagten Rechtsbeugung in Tateinheit mit Urkundenfälschung in fünf Fällen, davon in einem Fall in weiterer Tateinheit mit Strafvereitelung im Amt, zur Last, weil er entgegen dem in § 275 Abs. 1 Satz 3 der Strafprozessordnung normierten Verbot nach Ablauf der gesetzlich vorgesehenen Frist von fünf Wochen die Urteilsgründe geändert oder ergänzt und dabei zumindest billigend in Kauf genommen habe, zum Nachteil des jeweiligen Revisionsführers zu handeln. Das Landgericht lehnte die Eröff- nung des Hauptverfahrens ab, weil ein „schwerer Rechtsbruch“ nicht ange- nommen werden könne. Die Tatbestände der Urkundenfälschung und der Vollstreckungsvereitelung unterfielen der Sperrwirkung des § 339 StGB. Das Oberlandesgericht ließ die Anklage mit Beschluss vom 23. April 2012 (OLGSt StGB § 339 Nr. 3) zu und eröffnete das Verfahren vor dem Landgericht , weil der Angeklagte der Urkundenfälschung in fünf Fällen, davon in einem Fall in Tateinheit mit Strafvereitelung im Amt, hinreichend verdächtig sei.
3
1. Nach den Feststellungen des angefochtenen Urteils wurde der Angeklagte am 1. Oktober 1996 zum Vorsitzenden Richter befördert, wo er zunächst eine große Strafkammer leitete und später den Vorsitz in einer kleinen Strafkammer innehatte. Wegen verspäteter Zustellung von Urteilen kam es zu mehreren Disziplinarverfahren: Am 12. August 1999 erteilte ihm der Präsident des Landgerichts einen Vorhalt, mit Schreiben vom 1. Juli 2002 erteilte er dem Angeklagten einen Verweis, weil er in sieben Fällen ohne erkennbaren Grund die Zustellung von Urteilen erst dreieinhalb bis neun Monate nach ihrem Eingang auf der Geschäftsstelle verfügt hatte. Das Dienstgericht für Richter bei dem Landgericht verhängte gegen den Angeklagten mit rechtskräftigem Disziplinarbescheid vom 27. Juli 2006 eine Geldbuße von 1.500 €, weil er in elf Fällen wiederum die Zustellung von Urteilen erst viereinhalb bis zwölfeinhalb Monate nach ihrem Eingang auf der Geschäftsstelle verfügt hatte. Im August 2007 leitete die Staatsanwaltschaft gegen den Angeklagten ein Ermittlungsverfahren wegen Urkundenfälschung und Strafvereitelung ein. Mit Beschluss vom 8. Januar 2008 wurde der Angeklagte wegen der hier festgestellten fünf Sachverhalte und siebzehn weiterer Fälle, in denen unvollständig abgefasste Urteile zur Geschäftsstelle gelangt waren , durch das Dienstgericht für Richter bei dem Landgericht vorläufig des Dienstes enthoben.
4
2. Das Landgericht hat zu den fünf angeklagten Fällen im Einzelnen folgende Feststellungen getroffen:
5
a) In der Strafsache verwarf die vom Angeklagten geleitete Strafkammer die Berufung des A. M. nach eintägiger Hauptverhandlung am 28. Februar 2005 mit der Maßgabe der Herabsetzung der Freiheitsstrafe. Der Berufungsführer legte Revision ein. Am 1. April 2005, drei Tage vor Ablauf der fünfwöchigen Urteilsabsetzungsfrist des § 275 Abs. 1 Satz 2 StPO, leitete der Angeklagte der zuständigen Geschäftsstellenmitarbeiterin ein Urteil zu, das lediglich das Rubrum, den Tenor, die Prozessgeschichte, die Feststellungen zur Person und die Kostenentscheidung, jedoch keine Feststellungen zur Sache und keine Beweiswürdigung, keine rechtliche Würdigung und keine Ausführungen zur Strafzumessung enthielt, und ließ den Eingangsvermerk nach § 275 Abs. 1 Satz 5 StPO anbringen. Nach Ablauf der Urteilsabsetzungsfrist ergänzte er das Urteil um die fehlenden Bestandteile. Die Zustellung des vervollständigten Urteils verfügte er am 28. Juli 2006. Das Oberlandesgericht verwarf die Revision unter Berichtigung im Schuldspruch am 10. November 2006.
6
b) In der Strafsache wurde die Berufung des H. S. nach eintägiger Hauptverhandlung am 29. März 2006 mit der Maßgabe der Herabsetzung der Geldstrafe verworfen. Der Berufungsführer legte Revision ein. Am 3. Mai 2006, dem Tag des Ablaufs der Urteilsabsetzungsfrist, brachte die zuständige Geschäftsstellenmitarbeiterin auf Anweisung des Angeklagten den Eingangsvermerk auf dem schriftlichen Urteil an, das zu diesem Zeitpunkt das Rubrum, den Tenor, die Prozessgeschichte, die Feststellungen zur Person und die Kostenentscheidung enthielt, während die übrigen Urteilsbestandteile nur rudimentär oder gar nicht enthalten waren. Die Schilderung der Tathand- lung fehlte vollständig. Nach Änderungen und Ergänzungen, die er nach Ablauf der Urteilsabsetzungsfrist vorgenommen hatte, verfügte der Angeklagte am 13. Dezember 2006 die Zustellung des vervollständigten Urteils. Das Oberlandesgericht hob das Urteil mit den Feststellungen auf und verwies die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung an eine andere kleine Strafkammer des Landgerichts zurück.
7
c) In der Strafsache wurde die Berufung des S. B. nach dreitägiger Hauptverhandlung am 21. August 2006 mit der Maßgabe der Herabsetzung der Freiheitsstrafe verworfen. Der Berufungsführer legte Revision ein. Am 22. September 2006, drei Tage vor Ablauf der fünfwöchigen Urteilsabsetzungsfrist, leitete der Angeklagte der zuständigen Geschäftsstellenmitarbeiterin ein Urteil zu, das lediglich das Rubrum, den Tenor, die Prozessgeschichte , die Feststellungen zur Person und die Kostenentscheidung vollständig enthielt, und ließ den Eingangsvermerk anbringen. Die Sachverhaltsschilderung bestand zu diesem Zeitpunkt aus einem unvollständigen Halbsatz mit unzutreffender Tatzeitangabe, die Beweiswürdigung aus drei floskelhaften Sätzen. Der Angeklagte ergänzte das Urteil nach Ablauf der Urteilsabsetzungsfrist um die fehlenden Bestandteile. Die Zustellung des vervollständigten Urteils verfügte er am 3. August 2007. Das Oberlandesgericht verwarf die Revision am 1. April 2008.
8
d) In der Strafsache wurde die Berufung des M. W. nach zweitägiger Hauptverhandlung am 10. Oktober 2006 verworfen. Der Berufungsführer legte Revision ein. Am 14. November 2006, dem Tag des Ablaufs der fünfwöchigen Urteilsabsetzungsfrist, wies der Angeklagte die zuständige Geschäftsstellenmitarbeiterin an, den Eingang des Urteils zu vermerken und ihm die Akten wieder vorzulegen. Das Urteil enthielt zu diesem Zeitpunkt das Rubrum, den Tenor, die Prozessgeschichte und unvollständige Feststellungen zur Person. Die ebenfalls enthaltenen Feststellungen zur Sache, die Beweiswürdigung und die Strafzumessung standen in keinem Zusammenhang mit der abgeurteilten Straftat des Fahrens ohne Fahrerlaubnis am 19. Februar 2005, sondern bezogen sich auf zwei im Jahr 2001 begangene Betrugshandlungen. Nach Ersetzung der unzutreffenden Ausführungen nach Ablauf der Urteilsabsetzungsfrist verfügte der Angeklagte am 3. August 2007 die Urteilszustellung. Das Oberlandesgericht änderte das Urteil im Schuld- und Strafausspruch , hob die Entscheidung über die Strafaussetzung zur Bewährung mit den zugehörigen Feststellungen auf und wies in diesem Umfang die Sache unter Verwerfung der weitergehenden Revision am 21. November 2007 an eine andere kleine Strafkammer des Landgerichts zurück.
9
e) In der Strafsache wurde die Berufung des St. D. nach zweitägiger Hauptverhandlung am 19. September 2006 verworfen. Der Berufungsführer legte Revision ein. Der Angeklagte ließ am 23. Oktober 2006, einen Tag vor Ablauf der fünfwöchigen Urteilsabsetzungsfrist, von der zuständigen Geschäftsstellenmitarbeiterin den Eingangsvermerk auf dem Urteil anbringen, das zu diesem Zeitpunkt lediglich das Rubrum, den Tenor, die Prozessgeschichte und unvollständige Feststellungen zur Person enthielt. Die Feststellungen zur Sache, die Beweiswürdigung und die Strafzumessung betrafen nicht die ausgeurteilten Straftaten vom 10. September 2004, sondern eine Sachbeschädigung aus dem Jahr 2002. Nach Ablauf der Urteilsabsetzungsfrist ersetzte der Angeklagte die unzutreffenden Textpassagen durch passende Ausführungen. Die Zustellung des vervollständigten Urteils verfügte er am 3. August 2007. Bereits zuvor, am 6. November 2006, hatte Herr D. die Revision zurückgenommen. Wann der Angeklagte von der Revisionsrücknahme erfuhr, konnte nicht geklärt werden.
10
Der Angeklagte machte die nach Ablauf der Urteilsabsetzungsfrist erfolgten Änderungen nicht aktenkundig und ließ sie nicht von der Geschäftsstelle vermerken. Er beließ jeweils die erste Urteilsseite mit dem Eingangsvermerk und tauschte die geänderten Seiten heimlich aus.
11
3. Nach Auffassung des Landgerichts erfüllen die festgestellten Tathandlungen nicht den Straftatbestand der Rechtsbeugung nach § 339 StGB. Der Angeklagte habe zwar in erheblicher Weise gegen zwingendes Verfahrensrecht verstoßen. Die heimliche Nachbearbeitung der Urteilsgründe nach Ablauf der Frist des § 275 Abs. 1 Satz 2 StPO habe auch in jedem der festgestellten Fälle den Tatbestand der Urkundenfälschung gemäß § 267 Abs. 1 StGB erfüllt. Er habe jedoch nicht gehandelt, um die Revisionsführer zu benachteiligen, sondern um den Anschein eigener Leistungsfähigkeit aufrechtzuerhalten und weiteren Disziplinarmaßnahmen wegen zögerlicher Aktenbearbeitung zu entgehen. Ein „elementarer Rechtsverstoß“ oder ein „offensichtlicher Willkürakt“ im Sinne der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs sei darin nicht zu erkennen. Da der Angeklagte die Urkundenfälschung „bei der Leitung einer Rechtssache“ im Sinne des § 339 StGB begangen habe, ohne sich zugleich der Rechtsbeugung strafbar gemacht zu haben, greife zu seinen Gunsten die Sperrwirkung des § 339 StGB.

II.


12
Der Freispruch hält sachlich-rechtlicher Nachprüfung nicht stand. Die rechtliche Würdigung des festgestellten Sachverhalts unterliegt durchgreifenden rechtlichen Bedenken.
13
1. Der Tatbestand der Rechtsbeugung erfordert, dass sich der Richter bei der Leitung oder Entscheidung einer Rechtssache bewusst und in schwerwiegender Weise von Recht und Gesetz entfernt und sein Handeln als Organ des Staates statt an Recht und Gesetz an eigenen Maßstäben ausrichtet (st. Rspr., u.a. BGH, Urteil vom 29. Oktober 1992 – 4 StR 353/92, BGHSt 38, 381, 383; Urteil vom 6. Oktober 1994 – 4 StR 23/94, BGHSt 40, 272, 283 f.; Urteil vom 15. September 1995 – 5 StR 713/94, BGHSt 41, 247, 251; Urteil vom 4. September 2001 – 5 StR 92/01, BGHSt 47, 105, 108 f.; Urteil vom 29. Oktober 2009 – 4 StR 97/09 jeweils mwN).
14
a) Das Landgericht ist zutreffend davon ausgegangen, dass der Angeklagte bei der Leitung oder Entscheidung einer Rechtssache gehandelt hat. Un- ter „Rechtssache“ ist das gesamte streitige Verhältnis zu verstehen, über das der Richter zu „entscheiden“ hat; die „Leitung“ der Rechtssache ist der Inbegriff aller Maßnahmen, die auf die Erledigung der Sache abzielen. Ob die Leitung der Rechtssache mit dem Erlass einer Entscheidung, also der Anordnung einer Rechtsfolge (NK-StGB-Kuhlen, 4. Aufl., § 339 Rn. 26), beendet ist, hängt von der Art des Verfahrens und dem Gegenstand der Entscheidung ab. Die Absetzung des schriftlichen Urteils in Strafsachen dient nicht allein der verwaltungsmäßigen Abwicklung des Strafverfahrens (vgl. BGH, Urteil vom 29. Oktober 1992 – 4 StR 353/92, BGHSt 38, 381, 385), dieses ist mit der mündlichen Urteilsverkündung nicht beendet. Die Abfassung der schriftlichen Urteilsgründe ist vielmehr originäre Aufgabe des erkennenden Richters und gehört zur Leitung und Entscheidung der Rechtssache. Dies gilt erst recht, wenn – wie hier – gegen die Entscheidung ein Rechtsmittel eingelegt ist. Die Tätigkeit des Richters kann in diesem Fall die künftige Entscheidung des Rechtsmittelgerichts zugunsten oder zum Nachteil des Angeklagten beeinflussen, das Verfahren hat mithin auch nach Erlass des mündlichen Urteils weiterhin die Leitung und Entscheidung einer Rechtssache zum Gegenstand.
15
b) Der Angeklagte hat auch in elementarer Weise gegen Recht und Gesetz verstoßen. Nicht jede unrichtige Rechtsanwendung stellt eine Beugung des Rechts dar. Der Bundesgerichtshof hat wiederholt darauf hingewiesen, dass der Tatbestand nicht in unangemessener Weise ausgedehnt werden darf. Zweck der Vorschrift ist es, den Rechtsbruch als elementaren Verstoß gegen die Rechtspflege unter Strafe zu stellen. Die Einordnung der Rechtsbeugung als Verbrechenstatbestand indiziert die Schwere des Unwerturteils und führt in der Regel im Falle der rechtskräftigen Verurteilung kraft Gesetzes zur Beendigung des Richterverhältnisses (§ 24 Nr. 1 DRiG). Mit dieser gesetzlichen Zweckbestimmung wäre es nicht zu vereinbaren, jede unrichtige Rechtsanwendung und jeden Ermessensfehler in den Schutzbereich der Norm einzubeziehen.
16
Dies gilt auch bei der Rechtsbeugung durch Beugung des Verfahrensrechts (st. Rspr., u.a. BGH, Urteil vom 27. Mai 1987 – 3 StR 112/87, NStZ 1988, 218; Urteil vom 29. Oktober 1992 – 4 StR 353/92, BGHSt 38, 381, 383 mwN; Urteil vom 5. Dezember 1996 – 1 StR 376/96, BGHSt 42, 343, 346, 351; Urteil vom 4. September 2001 – 5 StR 92/01, BGHSt 47, 105, 109 mwN; Beschluss vom 24. Juni 2009 – 1 StR 201/09, NStZ 2010, 92; Beschluss vom 7. Juli 2010 – 5 StR 555/09 Rn. 29, StV 2011, 463, 466). Eine Verletzung von Verfahrensvorschriften stellt nur dann einen Rechtsbruch im Sinne des § 339 StGB dar, wenn darin allein oder unter Berücksichtigung des Motivs des Täters ein elementarer Rechtsverstoß gesehen werden kann.
17
Der Angeklagte hat in den verfahrensgegenständlichen Fällen gegen die Vorschrift des § 275 Abs. 1 Satz 3 StPO verstoßen. Nach Fertigstellung ist eine sachliche Änderung oder Ergänzung der Urteilsgründe nur dann zulässig, wenn die Frist nach § 275 Abs. 1 Satz 2 StPO noch nicht abgelaufen ist. War der Eingangsvermerk der Geschäftsstelle nach § 275 Abs. 1 Satz 5 StPO bereits angebracht , so hat die Geschäftsstelle auch den Zeitpunkt der Änderung zu vermerken. Der Angeklagte hat die Urteile nach Fristablauf geändert und ergänzt, ohne dies in den Akten erkennbar zu machen oder der Geschäftsstelle mitzuteilen. Die Verletzung des § 275 StPO war hier gravierend und ist als elementarer Rechtsverstoß anzusehen. Zum einen hat der Angeklagte in erheblichem Umfang wesentliche Urteilsbestandteile ergänzt. Die vor Fristablauf zur Geschäftsstelle gelangten Urteile enthielten keine auch nur entfernt ausreichenden Feststellungen zur Sache und keine Beweiswürdigung, vermochten also einem selbst nur mit der allgemeinen Sachrüge ausgeführten Revisionsangriff nicht standzuhalten. Zum anderen hat der Angeklagte durch sein heimliches Vorgehen den Verfahrensbeteiligten und dem Revisionsgericht eine Aufdeckung der Manipulation unmöglich gemacht. Die Schwere des Verstoßes zeigt sich insoweit darin, dass sein Verhalten als solches den Tatbestand der Urkundenfälschung sogar in der Alternative des § 267 Abs. 3 Satz 2 Nr. 4 StGB erfüllt hat.
18
c) Die Tat muss zugunsten oder zum Nachteil einer Partei erfolgen. Zugunsten oder zum Nachteil einer Partei wirkt sich eine Beugung des Rechts aus, wenn sie die Partei besser oder schlechter stellt, als sie bei richtiger Rechtsanwendung stünde. Rechtsbeugung kann auch durch die Verletzung von Verfahrens- und Zuständigkeitsvorschriften begangen werden. Erforderlich ist insoweit, dass durch die Verfahrensverletzung die konkrete Gefahr einer falschen Entscheidung zum Vor- oder Nachteil einer Partei begründet wurde, ohne dass allerdings ein Vor- oder Nachteil tatsächlich eingetreten sein muss (BGH, Urteil vom 11. April 2013 – 5 StR 261/12 Rn. 39 mwN).
19
Das Verhalten des Angeklagten war in allen Fällen ohne weiteres geeignet , sich zum Nachteil des jeweiligen Revisionsführers auszuwirken. Die innerhalb der Frist des § 275 Abs. 1 Satz 2 StPO zu den Akten gelangten Urteile waren unvollständig, enthielten insbesondere keine Sachverhaltsdarstellung des abgeurteilten Falls und keine Beweiswürdigung, so dass sie bereits auf die allgemeine Sachrüge hin vom Revisionsgericht aufzuheben gewesen wären. Diesen Umstand verschleierte der Angeklagte. Der dem Angeklagten objektiv anzulastende Rechtsbeugungsverstoß lag in der heimlichen, aus den Akten nicht erkennbaren Beseitigung eines durchgreifenden Revisionsgrundes, welche zu einer Verschlechterung der Rechtsmittelposition der jeweiligen Revisionsführer führte und ohne weiteres eine Benachteiligung bedeutete (vgl. BGH, Beschluss vom 24. Juni 2009 – 1 StR 201/09 Rn. 7, NStZ 2010, 92; Urteil vom 31. Mai 2012 – 2 StR 610/11 Rn. 19, NStZ 2013, 106, 107). Ob das in der Sache ergangene Urteil der Berufungskammer materiell richtig war, ist hingegen für diese Beurteilung ebenso wenig von Belang wie die Frage, ob die Entscheidung des Revisionsgerichts ohne die Manipulation konkret anders ausgefallen wäre. Durch die Manipulationen wurde die Rechtsstellung der Revisionsführer unmittelbar verletzt, denn die unvollständigen Urteilsgründe wurden nicht zur Entscheidungsgrundlage des Revisionsgerichts.
20
d) Der Angeklagte hat nach den von der Strafkammer getroffenen Feststellungen auch den subjektiven Tatbestand des § 339 StGB erfüllt. Insofern genügt bedingter Vorsatz (BGH, Urteil vom 6. Oktober 1994 – 4 StR 23/94, BGHSt 40, 272, 276); der Täter muss für möglich halten, dass seine fehlerhafte Entscheidung zur Bevorzugung oder Benachteiligung einer Partei führen wird und sich damit abfinden (NK-StGB-Kuhlen, aaO, Rn. 78). Das Landgericht hat festgestellt, dass der Angeklagte sogar in der Absicht handelte, die Prozessbeteiligten und das Revisionsgericht darüber zu täuschen, dass die ihnen vorlie- gende Urteilsniederschrift inhaltlich nicht derjenigen entsprach, welche zu dem auf dem Eingangsvermerk bezeichneten Zeitpunkt zur Geschäftsstelle gelangt war (UA S. 20). Ohne Bedeutung für den bewussten, objektiven Verstoß gegen das Recht ist es entgegen der Ansicht des Landgerichts, dass das Motiv des Angeklagten war, den Anschein seiner Leistungsfähigkeit aufrechtzuerhalten und einer weiteren Disziplinarmaßnahme zu entgehen, nicht aber, die Revisionsführer gezielt zu benachteiligen. Für den objektiven Tatbestand reicht der bewusste Rechtsverstoß (der sich bei formell ordnungsgemäßen Handlungen aus dem Motiv des Täters ergeben kann), eine darüber hinausgehende absichtliche Begünstigung oder Benachteiligung der Prozessparteien ist nicht erforderlich (LK-StGB/Hilgendorf, 12. Aufl., § 339 Rn. 82, 85). War sich der Angeklagte über die Rechtswidrigkeit seines Handelns zum Nachteil der Revisionsführer im Klaren, dann hat er auch, und zwar mit direktem Vorsatz, das Recht gebeugt.
21
Die Strafkammer verkennt bei ihrer Bewertung zudem, dass es bei der Benachteiligung bei einem Verstoß gegen Verfahrensrecht nicht entscheidend auf die materielle Richtigkeit der „Endentscheidung“ oder des in der Berufungs- hauptverhandlung verkündeten Urteils ankommt, sondern auch in der Verschlechterung der prozessualen Situation der Prozessbeteiligten eine Benachteiligung liegt. Dass sich der Angeklagte als erfahrener Strafrichter der Verschlechterung der prozessualen Situation der Revisionsführer bewusst war, hat das Landgericht ebenfalls festgestellt (UA S. 23). Auf seine Vorstellung, das von der Berufungskammer gefundene Urteil sei im Ergebnis richtig, kommt es hingegen nicht an (vgl. BGH, Urteil vom 4. September 2001 – 5 StR 92/01, BGHSt 47, 105, 115).
22
2. Der Rechtsfehler führt zur Aufhebung des angefochtenen Urteils insgesamt. Im Fall II. 5. der Urteilsgründe liegt nach den bisherigen Feststellungen ein untauglicher Versuch nahe. Der Senat neigt im Übrigen zu der Auffassung, dass der Tatbestand der Urkundenfälschung bei der vorliegenden Sachverhaltskonstellation nicht von der Sperrwirkung des § 339 StGB erfasst wäre.
23
Auch wenn die Beweiswürdigung keinen durchgreifenden Rechtsfehler aufweist, gebietet es der Umstand, dass der freigesprochene Angeklagte gegen die getroffenen Feststellungen kein Rechtsmittel einlegen konnte, auch diese aufzuheben (BGH, Urteil vom 11. April 2013 – 5 StR 261/12 Rn. 56; vgl. MeyerGoßner , StPO, 56. Aufl., § 353 Rn. 15a; LR-StPO/Franke, 26. Aufl., § 354 Rn. 43 mwN).
Mutzbauer Roggenbuck RiBGH Dr. Franke ist infolge Urlaubs ortsabwesend und daher an der Unterschriftsleistung gehindert. Mutzbauer
Bender Quentin

(1) Wer zur Täuschung im Rechtsverkehr eine unechte Urkunde herstellt, eine echte Urkunde verfälscht oder eine unechte oder verfälschte Urkunde gebraucht, wird mit Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder mit Geldstrafe bestraft.

(2) Der Versuch ist strafbar.

(3) In besonders schweren Fällen ist die Strafe Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu zehn Jahren. Ein besonders schwerer Fall liegt in der Regel vor, wenn der Täter

1.
gewerbsmäßig oder als Mitglied einer Bande handelt, die sich zur fortgesetzten Begehung von Betrug oder Urkundenfälschung verbunden hat,
2.
einen Vermögensverlust großen Ausmaßes herbeiführt,
3.
durch eine große Zahl von unechten oder verfälschten Urkunden die Sicherheit des Rechtsverkehrs erheblich gefährdet oder
4.
seine Befugnisse oder seine Stellung als Amtsträger oder Europäischer Amtsträger mißbraucht.

(4) Mit Freiheitsstrafe von einem Jahr bis zu zehn Jahren, in minder schweren Fällen mit Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu fünf Jahren wird bestraft, wer die Urkundenfälschung als Mitglied einer Bande, die sich zur fortgesetzten Begehung von Straftaten nach den §§ 263 bis 264 oder 267 bis 269 verbunden hat, gewerbsmäßig begeht.

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
3 S t R 4 9 8 / 1 4
vom
13. Mai 2015
in der Strafsache
gegen
wegen Urkundenfälschung
Der 3. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat aufgrund der Verhandlung vom
5. März 2015 in der Sitzung am 13. Mai 2015, an denen teilgenommen haben:
Vorsitzender Richter am Bundesgerichtshof
Becker,
die Richter am Bundesgerichtshof
Hubert,
Dr. Schäfer,
Mayer,
Richterin am Bundesgerichtshof
Dr. Spaniol
als beisitzende Richter,
Staatsanwältin beim Bundesgerichtshof
als Vertreterin der Bundesanwaltschaft,
Rechtsanwalt - in der Verhandlung -
als Verteidiger,
Justizobersekretärin - in der Verhandlung - ,
Justizangestellte - bei der Verkündung -
als Urkundsbeamtinnen der Geschäftsstelle,

für Recht erkannt:
Auf die Revision der Staatsanwaltschaft wird das Urteil des Landgerichts Koblenz vom 24. Juni 2014 mit den Feststellungen aufgehoben. Die Sache wird zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine Strafkammer des Landgerichts Mainz zurückverwiesen.

Von Rechts wegen

Gründe:

1
Das Landgericht hat den Angeklagten vom Vorwurf der Urkundenfälschung aus Rechtsgründen freigesprochen. Hiergegen wendet sich die auf die Sachrüge gestützte Revision der Staatsanwaltschaft. Das Rechtsmittel hat Erfolg.
2
1. Das Landgericht hat folgende Feststellungen und Wertungen getroffen :
3
a) Der Angeklagte war als Strafrichter für die Verhandlung und Entscheidung der Strafsache gegen Thomas W. wegen Fahrens ohne Versicherungsschutz zuständig. In der Hauptverhandlung beantragte die Staatsanwaltschaft eine Geldstrafe von 60 Tagessätzen zu je 25 €. Der Angeklagte verurteilte Thomas W. abweichend hiervon zu einer Geldstrafe von 75 Tagessätzen zu je 15 € und bewilligte ihm deren Zahlung in monatlichen Raten zu je 15 €. Die Formel dieser Entscheidung hatte er vor der Verkündung auf dem rückwärtigen Einband der Sachakte schriftlich niedergelegt. Auf die Berufung der Staatsanwaltschaft , deren Grund er zutreffend in der danach notwendigen Dauer der Vollstreckung vermutete, entschloss er sich, die Höhe der bewilligten Raten "informell" zu erhöhen und so eine Zurücknahme des Rechtsmittels zu erreichen. Hierzu änderte der Angeklagte zunächst im Entwurf des Hauptverhandlungsprotokolls vor dessen Fertigstellung die gemäß Banddiktat dort ausgewiesene Urteilsformel durch Überschreiben der Zahl "1" dahin ab, dass eine Zahlung der Geldstrafe in monatlichen Raten zu je 25 € bewilligt wird. Mit entsprechendem Inhalt setzte er die schriftliche Urteilurkunde ab. Zur Vermeidung von Widersprüchen änderte er schließlich auch in der auf dem Akteneinband niedergelegten Urteilsformel zur Höhe der bewilligten Raten die Zahl "1" durch Überschreiben in "2". Das Berufungsgericht beließ es bei der ausgesprochenen Geldstrafe und der Bewilligung von Ratenzahlungen, setzte aber die Höhe der Raten auf 32 € monatlich fest.
4
b) Das Landgericht ist der Ansicht, der Angeklagte habe zwar mit der festgestellten Veränderung der auf dem Akteneinband fixierten Urteilsformel eine Urkundenfälschung unter Missbrauch seiner Stellung als Amtsträger begangen. Seiner Verurteilung deswegen stehe jedoch entgegen, dass er insoweit bei der Leitung einer Rechtssache tätig geworden sei, ohne dabei aber einen elementaren Verstoß gegen die Rechtspflege begangen zu haben. Er könne daher nicht wegen Rechtsbeugung (§ 339 StGB) verurteilt werden. Damit scheide aber auch ein Schuldspruch wegen Urkundenfälschung aus, denn die Nichterfüllung des Tatbestands der Rechtsbeugung entfalte eine Sperrwir- kung dahin, dass der Angeklagte wegen desselben Sachverhalts auch nicht nach einer anderen Strafvorschrift verurteilt werden könne.
5
2. Der Freispruch hält rechtlicher Überprüfung nicht stand.
6
a) Zutreffend sieht das Landgericht in der nachträglichen Abänderung der auf dem Akteneinband niedergelegten Urteilsformel tatbestandsmäßig eine Urkundenfälschung unter Missbrauch einer Stellung als Amtsträger (§ 267 Abs. 1, Abs. 3 Satz 2 Nr. 4, § 11 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. a StGB). Nicht nur das Protokoll, sondern auch die von § 268 Abs. 2 Satz 1 StPO geforderte Niederschrift der Urteilsformel ist dazu geeignet und bestimmt, die inhaltliche Übereinstimmung der durch Verlesen verkündeten mit der im schriftlichen Urteil ausgewiesenen Entscheidung zu sichern (KK-Kuckein, StPO, 7. Aufl., § 268 Rn. 3). Bereits mit der Urteilsverkündung und jedenfalls bis zur Fertigstellung eines mangelfreien Protokolls (vgl. BGH, Beschluss vom 9. Mai 2001 - 2 StR 42/01 bei Becker, NStZ-RR 2002, 97, 100) erlangt die Niederschrift Beweiskraft für den Inhalt der verlesenen Formel. Mit dem Zeitpunkt der Urteilsverkündung ist sie deshalb auch der Abänderung durch den erkennenden Richter entzogen (LR/Stuckenberg, StPO, 26. Aufl., § 268 Rn. 22; Meyer-Goßner/Schmitt, StPO, 58. Aufl., § 268 Rn. 4).
7
b) Rechtsfehlerfrei geht das Landgericht auch davon aus, dass das Handeln des Angeklagten nicht den Tatbestand der Rechtsbeugung (§ 339 StGB) erfüllt.
8
aa) Zwar wurde der Angeklagte, als er die niedergeschriebene und so verlesene Urteilsformel nachträglich abänderte, bei der Leitung einer Rechtssache tätig.

9
Unter "Rechtssache" im Sinne des § 339 StGB ist das gesamte streitige Verhältnis zu verstehen, über das der Richter zu "entscheiden" hat; die "Leitung" der Rechtssache ist der Inbegriff aller Maßnahmen, die auf die Erledigung der Sache abzielen (BGH, Urteil vom 18. Juli 2013 - 4 StR 84/13, NStZ 2013, 655, 656 mwN). Im Hauptverfahren in Strafsachen übt der Richter danach auch über die mündliche Urteilsverkündung hinaus Tätigkeiten aus, welche die Leitung und Entscheidung einer Rechtssache zum Gegenstand haben. Die Urteilsverkündung beendet das Verfahren nicht, denn es bleibt die Abfassung der schriftlichen Urteilsgründe, die zu den originären Aufgaben des erkennenden Richters zählt und die die künftige Entscheidung des Rechtsmittelgerichts zu Gunsten oder zum Nachteil des Angeklagten beeinflussen kann (BGH aaO). Nichts anderes kann für die Fertigstellung des Hauptverhandlungsprotokolls durch den Vorsitzenden gelten. Nicht (mehr) bei der Leitung oder Entscheidung einer Rechtssache im Sinne des § 339 StGB handelt der Richter erst dann, wenn ein innerer funktionaler Zusammenhang der den strafrechtlichen Vorwurf begründenden Verhaltensweise mit der Förderung der Sache fehlt und diese deshalb objektiv nicht mehr als ein auf seiner Leitungs- oder Entscheidungskompetenz beruhendes Handeln erscheint (vgl. BGH, Urteil vom 23. Mai1984 - 3 StR 102/84, BGHSt 32, 357, 364 f.; OLG Naumburg, Beschluss vom 23. April 2012 - 1 Ws 48/12, NStZ 2013, 533, 535; OLG Karlsruhe, Beschluss vom 9. Dezember 2003 - 3 Ws 174/03, NJW 2004, 1469, 1470; S/SHeine /Hecker, StGB, 29. Aufl., § 339 Rn. 17; MüKoStGB/Uebele, 2. Aufl., § 339 Rn. 73; Lackner/Kühl, StGB, 28. Aufl., § 339 Rn. 11).
10
Nach diesen Maßstäben handelte der Angeklagte, als er die auf dem Akteneinband niedergelegte Urteilsformel nachträglich abänderte, noch bei der Leitung der Strafsache gegen Thomas W. Zwar verfolgte er damit unmittelbar nur das Ziel, im Nachhinein über den wahren Inhalt einer von ihm bereits getroffenen und verkündeten Entscheidung zu täuschen. Jedoch wollte er durch sein Vorgehen zugleich auch nach außen hin eine vorgebliche Tatsachengrundlage für die weitere prozessordnungswidrige Behandlung und Erledigung der Sache schaffen. Die Fälschung stand nach der ihr vom Angeklagten zugedachten Zweckrichtung in engem und untrennbarem Zusammenhang sowohl mit der Herstellung der schriftlichen Urteilsurkunde als auch mit der Fertigstellung des Hauptverhandlungsprotokolls. Sie sollte deren inhaltliche Unrichtigkeit verschleiern und so die Entscheidung der Staatsanwaltschaft und gegebenenfalls des Rechtsmittelgerichts beeinflussen.
11
bb) Nichts zu erinnern ist aber auch gegen die Bewertung des Landgerichts , dass sich der Angeklagte dadurch keiner Beugung des Rechts schuldig gemacht hat.
12
Rechtsbeugung kann zwar auch durch Verletzung von Verfahrensrecht begangen werden (BGH, Urteile vom 29. Oktober 1992 - 4 StR 353/92, BGHSt 38, 381, 383; vom 5. Dezember 1996 - 1 StR 376/96, BGHSt 42, 343). Nicht jede unrichtige Rechtsanwendung oder jeder Ermessensfehler ist jedoch bereits eine Beugung des Rechts. Vielmehr indizieren die Einordnung der Rechtsbeugung als Verbrechenstatbestand und die gemäß § 24 Nr. 1 DRiG, § 24 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 BeamtStG im Falle einer Verurteilung kraft Gesetzes eintretende Beendigung des Richter- oder Beamtenverhältnisses die Schwere des Unwerturteils (BGH, Urteile vom 29. Oktober 1992 - 4 StR 353/92, BGHSt 38, 381, 383; vom 29. Oktober 2009 - 4 StR 97/09, NStZ-RR 2010, 310; vom 18. Juli 2013 - 4 StR 84/13, NStZ 2013, 655, 656). Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs erfasst § 339 StGB deshalb nur den Rechtsbruch als elementaren Verstoß gegen die Rechtspflege, bei dem sich der Amts- träger bewusst in schwerwiegender Weise zugunsten oder zum Nachteil einer Partei vom Gesetz entfernt und sein Handeln als Organ des Staates statt an Recht und Gesetz an seinen eigenen Maßstäben ausrichtet (vgl. nur BGH, Urteile vom 9. Mai 1994 - 5 StR 354/93, BGHSt 40, 169, 178; vom 6. Oktober 1994 - 4 StR 23/94, BGHSt 40, 272, 283; vom 20. September 2000 - 2 StR 276/00, NStZ-RR 2001, 243, 244; Beschluss vom 7. Juli 2010 - 5 StR 555/09, wistra 2011, 32, 35). Insoweit enthält das Tatbestandsmerkmal "Beugung des Rechts" ein normatives Element, dem die Funktion eines wesentlichen Regulativs zukommt (grundlegend hierzu BGH, Urteil vom 23. Mai 1984 - 3 StR 102/84, BGHSt 32, 357, 364, mit Hinweis auf die Gesetzesmaterialien). Ob ein elementarer Rechtsverstoß vorliegt, ist auf der Grundlage einer wertenden Gesamtbetrachtung aller Umstände zu entscheiden. Bei einem Verstoß gegen Verfahrensrecht kann neben dessen Ausmaß und Schwere insbesondere auch Bedeutung erlangen, welche Folgen dieser für die Partei hatte, inwieweit die Entscheidung materiell rechtskonform blieb und von welchen Motiven sich der Richter leiten ließ (vgl. BGH, Urteile vom 5. Dezember 1996 - 1 StR 376/96, BGHSt 42, 343; vom 20. September 2000 - 2 StR 276/00, NStZ-RR 2001, 243, 244; vom 18. Juli 2013 - 4 StR 84/13, NStZ 2013, 655, 656; Beschluss vom 24. Juni 2009 - 1 StR 201/09, NStZ 2010, 92).
13
Nach diesen Maßstäben ist das Landgericht ohne Rechtsfehler zu dem Ergebnis gelangt, dass dem Angeklagten kein elementarer Verstoß gegen die Rechtspflege zur Last fällt. Zwar erschöpfte sich das Handeln des Angeklagten nicht allein in einer Zuwiderhandlung gegen Vorschriften des gerichtlichen Verfahrens ; vielmehr beging er durch die Fälschung der Urteilsformel zugleich eine Straftat. Der so indizierten Schwere des Rechtsverstoßes steht jedoch gegenüber , dass sich das Vorgehen des Angeklagten schon objektiv nicht auf den Kern der Verurteilung des W. bezog, sondern lediglich auf die Höhe der ihm für die Bezahlung der verhängten Geldstrafe bewilligten Raten. In subjektiver Hinsicht kommt hinzu, dass der Angeklagte ausschließlich handelte, um einen von ihm erkannten offensichtlichen Fehlgriff zugunsten des W. bei der Bemessung der Höhe der Raten rückgängig zu machen. In der Gesamtschau rechtfertigt dies nicht eine Bewertung des Tatgeschehens dahin, dass sich der Angeklagte bewusst in schwerwiegender Weise zum Nachteil des W. vom Gesetz entfernt habe. Soweit der Bundesgerichtshof im Urteil vom 18. Juli 2013 (4 StR 84/13, NStZ 2013, 655) in einer Urkundenfälschung des Richters bei der Leitung und Entscheidung der Rechtssache zugleich einen elementaren Verstoß gegen die Rechtspflege gesehen hat, kam den dort zu beurteilenden Sachverhalten ungleich schwereres Gewicht zu. Der Entscheidung lag zu Grunde, dass der Angeklagte wiederholt Urteile in Strafsachen, die keine auch nur entfernt ausreichenden Feststellungen zur Sache und keine Beweiswürdigung enthielten und auf denen bereits der Eingangsvermerk der Geschäftsstelle angebracht war, nach Ablauf der Urteilsabsetzungsfrist heimlich ergänzte. Sein Vorgehen diente damit der wirksamen Vereitelung von Angriffen auf die Verurteilung insgesamt, denen nach § 338 Nr. 7 StPO ohne Weiteres Erfolg beschieden gewesen wäre.
14
c) Auf durchgreifende Bedenken stößt indes die Auffassung des Landgerichts , einer Bestrafung des Angeklagten wegen der festgestellten Urkundenfälschung unter Missbrauch einer Stellung als Amtsträger (§ 267 Abs. 1, Abs. 3 Nr. 4 StGB) stehe infolgedessen die sog. Sperrwirkung des Rechtsbeugungstatbestands entgegen.
15
Die dem Tatbestand der Rechtsbeugung nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs zukommende Sperrwirkung gegen eine Verurteilung nach anderen Strafvorschriften dient in erster Linie der persönlichen Unabhängigkeit des Richters (BGH, Urteil vom 7. Dezember 1956 - 1 StR 56/56, BGHSt 10, 294, 298; vgl. auch BGH, Urteil vom 29. Mai 1952 - 2 StR 45/50, MDR 1952, 693, 695). Sie soll seine Entscheidungsfreiheit sichern und ihn von dem Risiko freistellen, dass Entscheidungen, Anordnungen oder Maßnahmen der Verhandlungsleitung, zu denen er aufgrund seiner Rechtsgewährungspflicht von Gesetzes wegen gehalten ist, die aber nach ihrem Inhalt oder nach ihren Auswirkungen den Tatbestand eines allgemeinen Strafgesetzes erfüllen können, so etwa den der Strafvereitelung, der Verfolgung Unschuldiger, der Freiheitsberaubung oder der Nötigung, nachträglich und außerhalb des Instanzenzugs nochmals zur Überprüfung gestellt werden mit dem Ziel, ihn strafrechtlich oder zivilrechtlich (vgl. § 839 Abs. 2 BGB) hierfür zur Verantwortung zu ziehen.
16
Diese Rechtsprechung hat ihren Ausgangspunkt insbesondere darin, dass nach herrschender Meinung zur früheren Gesetzeslage (§ 336 StGB vor der Neufassung durch Art. 19 Nr. 188 EGStGB vom 2. März 1974, BGBl. I 469, 497) einem Richter der Vorwurf der Rechtsbeugung nur bei einem direkt vorsätzlichen Rechtsverstoß gemacht werden konnte. Vor diesem Hintergrund sollte durch die Sperrwirkung zuvörderst verhindert werden, dass ein Richter, dem keine direkt vorsätzliche Rechtsverletzung angelastet werden kann, wegen einer durch seine Entscheidung bedingt vorsätzlich oder auch nur fahrlässig begangenen Verwirklichung eines anderen Straftatbestandes zur Verantwortung gezogen wird.
17
All dies ist auf den vorliegend zu beurteilenden Sachverhalt nicht übertragbar. lndem der Gesetzgeber mit der Neufassung des Rechtsbeugungstatbestandes durch das EGStGB vom 2. März 1974 klargestellt hat, dass für die subjektive Tatseite der Rechtsbeugung auch bedingter Vorsatz ausreicht (vgl. LK/Hilgendorf, StGB, 12. Aufl., § 339 Entstehungsgeschichte Rn. 86 mwN), ist ein Begründungsansatz für die Sperrwirkung des Rechtsbeugungstatbestandes bereits weitgehend obsolet geworden; denn damit bleiben die Anforderungen an die subjektive Tatseite der denkbaren Strafvorschriften, die nach heutiger Gesetzeslage durch eine richterliche Entscheidung neben § 339 StGB verletzt werden können, nicht mehr hinter denjenigen des Rechtsbeugungstatbestandes zurück. Vor allem aber fordert es die verfassungsrechtlich gewährleistete richterliche Unabhängigkeit nicht, das Haftungsprivileg auch auf ein Handeln des Richters zu erstrecken, das nicht erst im Zusammenhang mit einer nach außen hin zu treffenden Entscheidung, Anordnung oder Maßnahme der Verhandlungsleitung zur Erfüllung eines Straftatbestands führt, sondern - wie hier - bereits für sich alleine gegen Strafgesetze verstößt (dem zuneigend bereits BGH, Urteil vom 18. Juli 2013 - 4 StR 84/13, NStZ 2013, 655, 657).
18
3. Die danach veranlasste Aufhebung des freisprechenden Urteils ist auch auf die für sich gesehen rechtsfehlerfrei getroffenen Feststellungen zu erstrecken, denn der freigesprochene Angeklagte konnte gegen diese kein Rechtsmittel einlegen (vgl. BGH, Urteil vom 18. Juli 2013 - 4 StR 84/13, NStZ 2013, 655, 657 mwN). Die Sache bedarf deshalb insgesamt neuer Verhandlung und Entscheidung. Der Senat macht von der Möglichkeit der Zurückverweisung an ein anderes Gericht Gebrauch (§ 354 Abs. 2 Satz 1 StPO).
19
4. Für die neue Hauptverhandlung weist der Senat auf Folgendes hin:
20
Ohne Rechtsfehler ist das Landgericht davon ausgegangen, dass das Handeln des Angeklagten nicht auch den Tatbestand der Falschbeurkundung im Amt (§ 348 Abs. 1 StGB) erfüllt. Insbesondere stellt das Hauptverhandlungsprotokoll keine öffentliche Urkunde dar (vgl. Stuckenberg, ZIS 2013, 212, 215; Knauer NStZ 2013, 433, 435).
Becker Hubert Schäfer Mayer Ri'inBGH Dr. Spaniol befindet sich im Urlaub und ist daher gehindert zu unterschreiben. Becker

Ein Richter, ein anderer Amtsträger oder ein Schiedsrichter, welcher sich bei der Leitung oder Entscheidung einer Rechtssache zugunsten oder zum Nachteil einer Partei einer Beugung des Rechts schuldig macht, wird mit Freiheitsstrafe von einem Jahr bis zu fünf Jahren bestraft.

Nachschlagewerk: ja
BGHSt : ja
Veröffentlichung: ja
Zögerliche Bearbeitung einer Rechtssache innerhalb eines
objektiv vertretbaren Zeitraums ist Rechtsbeugung, wenn
der Richter mit seiner Verfahrensweise aus sachfremden
Erwägungen gezielt zum Vorteil oder Nachteil einer Partei handelt.
BGH, Urt. v. 4. September 2001 - 5 StR 92/01
LG Hamburg

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
vom 4. September 2001
in der Strafsache
gegen
wegen Rechtsbeugung
Der 5. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat in der Sitzung vom 4. September
2001, an der teilgenommen haben:
Vorsitzende Richterin Harms,
Richter Häger,
Richterin Dr. Tepperwien,
Richter Dr. Raum,
Richter Dr. Brause
als beisitzende Richter,
Bundesanwalt
als Vertreter der Bundesanwaltschaft,
Rechtsanwalt S ,
Rechtsanwalt W
als Verteidiger,
Justizangestellte
als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle,

für Recht erkannt:
Auf die Revisionen des Angeklagten und der Staatsanwaltschaft wird das Urteil des Landgerichts Hamburg vom 13. Oktober 2000 mit den Feststellungen aufgehoben.
Die Sache wird zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.
– Von Rechts wegen – G r ü n d e Das Landgericht hat den Angeklagten wegen Rechtsbeugung (durch Unterlassen) zu einer Geldstrafe von 120 Tagessätzen zu je 100 DM verurteilt. Die hiergegen gerichtete Revision des Angeklagten, mit der er seinen Freispruch erstrebt, führt ebenso wie die Revision der Staatsanwaltschaft, die unter anderem auf eine Verurteilung des Angeklagten wegen tateinheitlich mit Rechtsbeugung begangener Freiheitsberaubung gerichtet ist, mit der jeweils erhobenen Sachrüge zur Aufhebung des angefochtenen Urteils; eines Eingehens auf die vom Angeklagten zusätzlich erhobenen Verfahrensrügen bedarf es daher nicht.

I.


Nach den Feststellungen des Landgerichts kam es während einer von dem Angeklagten als Einzelrichter geleiteten Hauptverhandlung vor dem Amtsgericht Hamburg am 19. Mai 1999 zu erheblichen Störungen durch Zuhörer. Diese äußerten lautstark ihren Unmut über den Angeklagten und blieben , als er das Urteil verkünden wollte, demonstrativ sitzen. Ein Zuhörer stellte sich auch nach Abmahnung durch den Angeklagten nicht aufrecht hin, worauf der Angeklagte ihm die Verhängung von Ordnungshaft zunächst androhte und, als der Zuhörer seine provozierende Haltung beibehielt, drei Tage Ordnungshaft verhängte. Im Rahmen des anschließenden Tumults versuchte ein anderer Zuhörer über die Barriere zwischen Verhandlungssaal und Zuhörerraum zu steigen und trat um sich, als er von der Saalwachtmeisterin daran gehindert werden sollte. Auch gegen diesen Störer verhängte der Angeklagte nach vorheriger Androhung, auf die der Zuhörer nicht reagierte , drei Tage Ordnungshaft. Beide Störer wurden sofort in Haft genommen.
Ein Prozeßbevollmächtigter der inhaftierten Zuhörer legte bereits etwa eine Stunde danach Beschwerde gegen die Ordnungshaftbeschlüsse ein. Der Angeklagte erfuhr hiervon noch am Nachmittag desselben Tages während einer bis kurz nach 16 Uhr dauernden weiteren Hauptverhandlung, in der ihm die Beschwerdeschrift durch Justizpersonal vorgelegt wurde. Er bearbeitete die Beschwerden an diesem Tag nicht mehr. Am Vormittag des folgenden Tages begab sich der Angeklagte zunächst nicht ins Gericht, sondern er erkundigte sich in einem Fachgeschäft nach Sicherheitsvorrichtungen für seine Wohnung, zu denen ihm von der Staatsschutzabteilung des Landeskriminalamtes geraten worden war. Gegen Mittag erklärte er ausweislich der tatrichterlichen Feststellungen einem Journalisten, der ihn unter seiner privaten Telefonnummer nach dem Stand des Beschwerdeverfahrens gefragt hatte, ”er müsse ja nicht gleich springen, wenn Anwälte etwas von ihm wollten. So etwas müsse sorgfältig und in Ruhe geprüft werden”. Der Journalist möge diese Ä ußerung aber nicht veröffentlichen, sie sei nicht zi-
tierfähig. Als der Angeklagte gegen 14.30 Uhr im Gericht eintraf, diktierte er der Protokollführerin die Ordnungshaftbeschlüsse, die sie in das Hauptverhandlungsprotokoll einfügte. Von der Möglichkeit, die Strafakten anschließend selbst wieder in Empfang zu nehmen, machte er keinen Gebrauch. Er ordnete vielmehr an, daß die Akten nach der erfolgten Ergänzung des Protokolls in sein Fach zu legen seien, und bereitete dann bis 22 oder 23 Uhr die Hauptverhandlungen des folgenden Tages vor. Die Beschwerden bearbeitete er auch an diesem Tag nicht mehr. Am 21. Mai 1999 wurden dem Angeklagten, der ab 9.45 Uhr Hauptverhandlungen geleitet hatte, beim Mittagessen in der Gerichtskantine von Kollegen Vorhaltungen gemacht, er verschleppe das Verfahren hinsichtlich der eingelegten Beschwerden. Diese Vorwürfe wies er mit der – inhaltlich unzutreffenden – Behauptung zurück, das Protokoll sei noch nicht fertiggestellt, weil er die Protokollführerin nicht habe erreichen können. Kurz nach 16 Uhr brachte er dann die Akte mit dem Hauptverhandlungsprotokoll, den Beschwerdebegründungen und einem von ihm zuvor noch gefertigten Vermerk über die Gründe einer unterbliebenen Rechtsmittelbelehrung persönlich zum Hanseatischen Oberlandesgericht als Beschwerdegericht.
Eine Stunde nach Eingang der Beschwerden beim Oberlandesgericht hob der zuständige Senat die Ordnungshaftbeschlüsse aus formellen Gründen auf, weil die Vorgänge in der Hauptverhandlung, die zur Anordnung der Ordnungshaft geführt hatten, entgegen § 182 GVG im Protokoll nicht dargestellt waren. Zur materiellen Rechtslage enthält der Beschluß den Hinweis, daß die Verhängung mehrtägiger Ordnungshaft angesichts der den Beschlußgründen zu entnehmenden massiven Störungen nahegelegen habe.
Der Angeklagte hat bestritten, das Beschwerdeverfahren gezielt verzögert zu haben, um die beiden Störer ”schmoren” zu lassen. Er sei der Auffassung gewesen, die in § 306 Abs. 2 StPO dem Richter eingeräumte Frist von drei Tagen für die Vorlage einer Beschwerde an das Rechtsmittel-
gericht gelte auch für Beschwerden gegen Ordnungshaftbeschlüsse und habe von ihm voll ausgeschöpft werden dürfen. Wegen anderweitiger dienstlicher und privater Obliegenheiten und wegen einer von ihm für erforderlich erachteten Überprüfung der Ordnungshaftbeschlüsse insbesondere in formeller Hinsicht habe er eine Bearbeitungszeit von zwei Tagen benötigt. Das Landgericht ist demgegenüber davon überzeugt, daß der Angeklagte in Kenntnis der Eilbedürftigkeit die Bearbeitung der Beschwerden gezielt verzögert hat, um die Durchsetzung der Haftanordnungen nicht zu gefährden. Dabei stützt es sich maßgeblich auf eine ins einzelne gehende Rekonstruktion des jeweiligen Tagesablaufs des Angeklagten am 19., 20. und 21. Mai 1999 und kommt zu dem Ergebnis, daß es dem Angeklagten – jedenfalls unter zumutbarer Zurückstellung privater Belange – möglich gewesen wäre, die Beschwerden dem Oberlandesgericht schneller zuzuleiten. Auch die Ä ußerungen des Angeklagten gegenüber dem Journalisten und das Kantinengespräch, in dem der Angeklagte nachweislich gelogen habe, ließen auf eine Verschleppungsabsicht und damit auf eine bewußt unrichtige Anwendung des Verfahrensrechts zum Nachteil der Inhaftierten schließen.
Eine Rechtsbeugung sieht das Landgericht in der zeitlichen Behandlung der gegen die Ordnungsmittelbeschlüsse gerichteten Beschwerden. Insoweit stelle sich das Verhalten des Angeklagten als ”bewußte Verzögerung des offensichtlich gewünschten Rechtsschutzes” und damit als elementarer Verstoß gegen die Rechtsweggarantie dar, die sowohl in Art. 19 Abs. 4 GG als auch in Art. 5 Abs. 4 MRK ihren Niederschlag gefunden habe.

II.


Revision des Angeklagten
Die Revision des Angeklagten hat Erfolg. Namentlich die Beweiswürdigung hält rechtlicher Nachprüfung nicht stand.

Nach ständiger Rechtsprechung stellt nicht jede unrichtige Rechtsanwendung eine Beugung des Rechts im Sinne von § 339 StGB dar. Nur der Rechtsbruch als elementarer Verstoß gegen die Rechtspflege soll unter Strafe gestellt sein. Rechtsbeugung begeht daher nur der Amtsträger, der sich bewußt und in schwerwiegender Weise von Recht und Gesetz entfernt. Selbst die (bloße) Unvertretbarkeit einer Entscheidung begründet eine Rechtsbeugung nicht (st. Rspr.; vgl. nur BGH NJW 1997, 1455 m.w.N.). Einen elementaren Rechtsverstoß zeigt das Landgericht auf der Grundlage der bisher erhobenen Beweise nicht auf, zumal da es bei der Beweiswürdigung ein zu enges Verständnis des dem Richter bei der Erledigung seiner Dienstgeschäfte einzuräumenden zeitlichen Spielraums zugrundelegt.
1. Im Ansatz zutreffend geht das Landgericht – das die verhängte Ordnungshaft vor dem Hintergrund wiederholter massiver Störungen der Hauptverhandlung mit Recht für inhaltlich vertretbar hält (vgl. dazu Diemer in KK StPO 4. Aufl. § 178 GVG Rdn. 3 mit Beispielen aus der Rechtsprechung ) – davon aus, daß Rechtsbeugung nicht nur in Form von Sachentscheidungen , sondern auch durch einen Verstoß gegen Verfahrensrecht begangen werden kann (st. Rspr.; vgl. nur BGHSt 32, 357; 38, 381, 383; 42, 343; jeweils m.w.N.). Zu den wesentlichen Grundprinzipien des Strafverfahrensrechts zählt das unmittelbar aus dem Rechtsstaatsprinzip des Art. 20 GG und der allgemeinen prozessualen Fürsorgepflicht abzuleitende, schlagwortartig als Beschleunigungsgebot bezeichnete Verbot rechtsstaatswidriger Verfahrensverzögerung (BGHSt 24, 239 f.; 26, 1, 4). Allgemein normiert in Art. 6 Abs. 1 MRK, wird die Bedeutung des Verbots rechtsstaatswidriger Verfahrensverzögerung für Haftsachen in Art. 2 Abs. 2 Satz 2, Art. 104 GG sowie in Art. 5 Abs. 3, 4 MRK besonders hervorgehoben. Auch wenn die Einzelregelungen dieser Normen auf die – verglichen mit vorläufiger Festnahme und Untersuchungshaft eher seltene und in ihren zeitlich begrenzten Auswirkungen auf den Betroffenen weniger schwerwiegende –
Anordnung von Ordnungshaft nicht unmittelbar zugeschnitten sind, gilt das in den genannten Vorschriften zum Ausdruck kommende Prinzip, daß Haftsachen besonders zügig zu bearbeiten sind, für Maßnahmen nach § 178 Abs. 1 Satz 1, 2. Alternative GVG in gleicher Weise. Rechtsbeugung durch Verstoß gegen das Beschleunigungsgebot ist daher auch im Bereich der Ordnungshaft nicht grundsätzlich ausgeschlossen.
2. Trotz der nachteiligen Auswirkungen, die eine zögerliche Sachbearbeitung insbesondere in Haftsachen für den Betroffenen mit sich bringen mag, darf jedoch der Tatbestand der Rechtsbeugung, soweit dessen Verwirklichung durch einen Verstoß gegen das Beschleunigungsgebot in Betracht gezogen wird, auch in diesem Bereich richterlicher Tätigkeit nicht in unangemessener Weise ausgedehnt werden. Insbesondere ist bei der Auslegung der Norm darauf Bedacht zu nehmen, daß die richterliche Unabhängigkeit gewahrt bleibt.

a) Die Bearbeitung einer Rechtssache, wie sie der Angeklagte hier in Form der Fertigstellung und Korrektur des Protokolls, der nachgeholten schriftlichen Begründung der Ordnungshaftbeschlüsse sowie eines für das Beschwerdegericht gefertigten erläuternden Vermerks vorgenommen hat, fällt grundsätzlich in den Schutzbereich, der dem Richter in Art. 97 GG und den einfachgesetzlichen Vorschriften der § 25 Abs. 1 DRiG, § 1 GVG eingeräumt ist. Zwar handelt es sich bei den genannten Tätigkeiten nicht um den Kernbereich richterlichen Wirkens, die Spruchtätigkeit, jedoch gebietet es das Interesse an einer wirksamen Gewährleistung der richterlichen Unabhängigkeit , auch die der Rechtsfindung nur mittelbar dienenden, sie vorbereitenden und ihr nachfolgenden Sach- und Verfahrensentscheidungen in den Schutzbereich einzubeziehen (BGHZ 90, 41, 45). Dem entspricht es, daß nach ständiger Rechtsprechung des Richterdienstgerichts des Bundes verzögerte Terminierungen oder als unangemessen lang gewertete Urteilsabsetzungszeiträume nur dann im Rahmen der Dienstaufsicht nach § 26
Abs. 2 DRiG beanstandet werden dürfen, wenn dies losgelöst von einzelnen Rechtssachen oder Fallgruppen geschieht und wenn die Aufsichtsmaßnahme die Entscheidungsfreiheit des Richters im Einzelfall unberührt läßt (BGHZ 51, 280, 287; 90, 41, 46; 93, 238, 243 f.). Da eine Strafandrohung, zumal in Form eines Verbrechenstatbestandes, noch weit mehr als eine Maßnahme der Dienstaufsicht geeignet sein wird, den Richter in seinem Verhalten zu beeinflussen, darf auch unter strafrechtlichen Gesichtspunkten eine Überprüfung richterlicher Tätigkeit am wenig konkreten Maßstab des Beschleunigungsgebots nicht zu einer grundlegenden Beeinträchtigung der sachlichen Unabhängigkeit des Richters führen (vgl. BGH NStZ 1988, 218 f.).

b) Bei der Entscheidung der Frage, ob in der verzögerten Bearbeitung einer Rechtssache ein Rechtsbruch im Sinne des § 339 StGB liegen kann, ist daher davon auszugehen, daß es grundsätzlich dem Richter überlassen bleibt, welchem der von ihm zu erledigenden vielfältigen Dienstgeschäfte er den Vorrang vor anderen einräumt, welche Mittel er im Einzelfall für die Förderung einer Rechtssache geeignet hält und welche Gründlichkeit er der Sachbearbeitung widmet. An bestimmte Dienstzeiten ist er dabei nicht gebunden (BVerwGE 78, 211, 213).
Da die richterliche Unabhängigkeit weder Standesprivileg (BVerfGE 27, 211, 217; BGHZ 67, 184, 187; Benda DRiZ 1975, 166, 170) noch absoluter Selbstwert ist, vor dem alle anderen Bedingungen einer rechtsstaatlichen Justizgewährung zurückzutreten hätten (Rudolph DRiZ 1978, 146; Kissel, GVG 3. Aufl. § 1 Rdn. 43), schließt ein dem Richter im Grundsatz zuzubilligender großzügiger Ermessensspielraum bei der Einteilung seiner Dienstgeschäfte strafrechtlich relevante Verstöße gegen das Beschleunigungsgebot nicht in jedem Fall aus. Sie werden insbesondere dann in Betracht kommen, wenn der Richter gegen zwingende Vorschriften verstößt, in denen der Gesetzgeber – wie beispielsweise in § 115 StPO – das allgemei-
ne Beschleunigungsgebot konkretisiert hat oder wenn der Richter untätig bleibt, obwohl besondere Umstände sofortiges Handeln – etwa die Veranlassung der Freilassung eines Inhaftierten nach Aufhebung des Haftbefehls – zwingend gebieten. Beides trifft auf den vorliegend zu beurteilenden Fall jedoch nicht zu.
Nachdem der Angeklagte, einer zumindest vertretbaren Mindermeinung folgend (vgl. dazu die Nachweise bei Katholnigg, Strafgerichtsverfassungsrecht 3. Aufl. § 181 GVG Rdn. 1; Kissel aaO § 181 Rdn. 2), die gemäß § 181 Abs. 2 GVG eingelegten fristgebundenen Beschwerden gegen die Ordnungshaftbeschlüsse als einfache Beschwerden gewertet hat, richtete sich aus seiner Sicht die Weiterleitung der Rechtsmittel nach § 306 Abs. 2 StPO. Diese Vorschrift sieht für den Fall der Nichtabhilfe die Vorlage an das Beschwerdegericht ”sofort, spätestens vor Ablauf von drei Tagen” vor. Gegen die Dreitagesfrist, die zudem nur eine Sollvorschrift darstellt (Kleinknecht /Meyer-Goßner, StPO 45. Aufl. § 306 Rdn. 11), hat der Angeklagte nicht verstoßen, weil er die Beschwerden am zweiten Tag nach ihrem Eingang an das Beschwerdegericht weitergeleitet hat. Auch wenn der Angeklagte damit nicht ”sofort” gehandelt hat, stellt die Einhaltung der Dreitagesfrist ein gewichtiges Indiz dafür dar, daß eine vom Gesetz noch als angemessen erachtete Bearbeitungszeit nicht überschritten worden ist.
Da richterliche Entscheidungen, gegen die eine Beschwerde möglich ist, Sachverhalte unterschiedlicher Art betreffen und mehr oder minder schwere Eingriffe in die Rechtssphäre der Beschwerdeführer zum Gegenstand haben, können besondere Umstände eine Weiterleitung der Beschwerden vor Ablauf der Frist im Ausnahmefall allerdings gleichwohl erfordern. Solche Besonderheiten hat das Landgericht hier darin gesehen, daß die angeordnete Ordnungshaft entsprechend der gesetzlichen Vorgabe des § 179 GVG sofort vollstreckt worden ist, den Beschwerdeführern daher bei einer Weiterleitung der Rechtsmittelschriften unter voller Ausschöpfung der
Dreitagesfrist ein effektiver Rechtsschutz nicht mehr hätte gewährt werden können.
Die drohende vollständige Vollstreckung einer angeordneten Freiheitsentziehung kann aber für sich allein keine Pflicht zum sofortigen Tätigwerden begründen. Grundsätzlich bleibt auch in diesen Fällen dem Richter ein Spielraum für die Einteilung seiner dienstlichen und – weil er an feste Dienstzeiten nicht gebunden ist (vgl. BVerwGE 78, 211, 213) – auch seiner privaten Angelegenheiten. Zwar hat der Erfolg der Beschwerde für einen Beschwerdeführer, der die Ordnungshaft bereits verbüßt hat, über die Feststellung der Rechtswidrigkeit hinaus kaum praktische Bedeutung, zumal da nach herrschender Meinung eine Entschädigung aus der Staatskasse nach dem Gesetz über die Entschädigung für Strafverfolgungsmaßnahmen nicht in Betracht kommt (OLG Frankfurt NJW 1976, 303; Kissel aaO Rdn. 18). Ein bestimmender Einfluß auf die dem Richter zuzubilligende Bearbeitungszeit in der Weise, daß sich diese umso mehr verkürzt, je weiter die angeordnete Dauer der Ordnungshaft unter der zulässigen Höchstdauer von einer Woche liegt, kommt dem Gesichtspunkt abnehmender Effizienz aber nicht zu. Der Richter, der lediglich einen Tag Ordnungshaft verhängt und die dagegen gerichtete Beschwerde am folgenden Tag an das Beschwerdegericht weiterleitet , gerät nicht allein dadurch in den Bereich der Rechtsbeugung, daß die Haft zu diesem Zeitpunkt bereits vollzogen ist. Vielmehr wird sich in derartigen Fällen effektiver Rechtsschutz durch eine Anordnung des Beschwerdegerichts nach § 307 Abs. 2 StPO anbieten, mit der eine aufschiebende Wirkung der Beschwerde hergestellt wird (vgl. Katholnigg aaO § 181 GVG Rdn. 4; Kissel aaO Rdn. 11; Kleinknecht/Meyer-Goßner aaO § 181 GVG Rdn. 1; Schäfer/Wickern in Löwe/Rosenberg, StPO 24. Aufl. § 181 GVG Rdn. 13).
Zwar wäre im vorliegenden Fall schon aufgrund des für Haftsachen allgemein geltenden Beschleunigungsgrundsatzes eine zügigere Bearbei-
tung der mit der Anordnung von Ordnungshaft in Zusammenhang stehenden Vorgänge wünschenswert und unter Berücksichtigung der sonstigen dienstlichen Verpflichtungen und privaten Interessen des Angeklagten auch zumutbar gewesen. Gleichwohl hat der Angeklagte nach den oben angeführten Grundsätzen mit der von ihm gewählten Verfahrensweise die äußeren Grenzen des ihm für die Weiterleitung der Beschwerden einzuräumenden Ermessens nicht in schwerwiegender Weise mißachtet. Dies gilt umso mehr, als sich sein Verhalten nicht auf bloße Untätigkeit beschränkte, sondern nach seiner insoweit unwiderlegten Einlassung rechtliche Nachforschungen sowie die Umsetzung der dadurch gewonnenen Erkenntnisse im Protokoll und in einem Vermerk einschloß.

c) Bei zögerlicher Bearbeitung einer Rechtssache innerhalb eines objektiv vertretbaren Zeitraumes kommt ein schwerwiegender Rechtsverstoß allerdings dann in Betracht, wenn der Richter mit seiner Verfahrensweise aus sachfremden Erwägungen gezielt zum Vorteil oder Nachteil einer Partei handelt (vgl. BGHSt 42, 343, 345). Dies wäre hier gegeben, wenn der Angeklagte , wie vom Landgericht für erwiesen erachtet, sich bereits zu Beginn des auf die Verkündung der Ordnungshaftbeschlüsse folgenden Tages entschlossen hätte, unter mutwilliger Verzögerung die Beschwerden solange zurückzuhalten, bis der vollständige Vollzug der Ordnungshaft durch einen Erfolg der Beschwerden beim Oberlandesgericht nicht mehr gefährdet werden konnte. In einem solchen Fall wären zwar die äußeren Schranken des dem Richter für die Bearbeitung von Rechtssachen in zeitlicher Hinsicht eingeräumten Ermessens eingehalten, so daß eine Ermessensüberschreitung ausgeschlossen wäre. Es läge jedoch ein Ermessensmißbrauch durch Überschreitung der inneren Schranken des Ermessens vor.
Soweit das Landgericht bereits in dem objektiven Ablauf des Beschwerdeverfahrens unter weitgehender Ausschöpfung der Dreitagesfrist einen schwerwiegenden Verstoß gegen das Beschleunigungsgebot sieht,
der den Schluß auf eine böswillige Vorgehensweise des Angeklagten nahelege , geht es, wie oben dargestellt, von einem zu engen Verständnis der dem Richter für die Bearbeitung von Rechtssachen in zeitlicher Hinsicht eingeräumten Spielräume aus. Wenn das Landgericht im einzelnen darlegt, daß der Angeklagte unter Zurückstellung anderer dienstlicher, insbesondere aber privater Belange die Beschwerden schneller als geschehen hätte bearbeiten und weiterleiten können, so mag dies belegen, daß der Angeklagte den hohen Anforderungen, die an das Pflicht- und Verantwortungsbewußtsein eines Richters gerade angesichts der mit der richterlichen Unabhängigkeit verbundenen Freiräume zu stellen sind (vgl. dazu Kissel aaO § 1 Rdn. 3), nicht in ausreichendem Maße gerecht geworden ist. Der Nachweis einer gezielten Verfahrensverzögerung kann damit aber nicht geführt werden.
Auch ist der Inhalt des Telefonats des Angeklagten mit dem Journalisten vom Landgericht nicht erschöpfend gewürdigt worden. Da die Überheblichkeit , die aus der Ä ußerung des Angeklagten spricht, ”er müsse ja nicht gleich springen, wenn Anwälte etwas von ihm wollten”, im Umgang zwischen Richter- und Anwaltschaft unangebracht ist, hatte der Angeklagte allen Anlaß , eine Veröffentlichung dieser von ihm mit Recht als ”nicht zitierfähig” eingeschätzten Bemerkung zu verhindern. Dagegen erscheint es fernliegend , daß der Angeklagte, wie das Landgericht meint, der Auffassung gewesen sein sollte, dem Journalisten mit seiner Ä ußerung einen gezielten Rechtsbruch offenbart zu haben und ihn wegen der Brisanz, die ein solches ”Geständnis” zweifellos hätte, um Verschwiegenheit gebeten hat.
Ä hnliche Erwägungen gelten für das ”Kantinengespräch”. Auch insoweit läßt das Landgericht unberücksichtigt, daß der Angeklagte angesichts der berechtigten Vorhaltungen seiner Kollegen Veranlassung hatte, die schleppende Bearbeitung der Beschwerdevorgänge durch eine falsche Darstellung der wahren Ursachen zu rechtfertigen.
Da das Landgericht das Motiv für eine rechtsbeugerische Verfahrensverzögerung darin sieht, daß der Angeklagte das Risiko einer Aufhebung der Ordnungshaftbeschlüsse durch das Beschwerdegericht und eine Entlassung der Störer aus der Haft vor deren vollständigem Vollzug nicht habe eingehen wollen, hätte es zudem der Darlegung bedurft, weshalb der Angeklagte ein solches Risiko als naheliegend erachtet haben sollte. Ausführungen hierzu waren umso mehr geboten, als das Landgericht zu Gunsten des Angeklagten unterstellt hat, daß dieser die formellen Mängel der Ordnungshaftanordnungen nicht erkannt hat und daß die von ihm getroffenen Entscheidungen vor dem Hintergrund der vorangegangenen massiven Störungen sachlich vertretbar erschienen.
Die aufgezeigten Fehler führen zur Aufhebung des Urteils. Ein vom Generalbundesanwalt beantragter Freispruch durch den Senat kam dagegen nicht in Betracht, weil nicht mit letzter Sicherheit auszuschließen ist, daß ein neuer Tatrichter zu den s ubjektiven Vorstellungen des Angeklagten rechtsfehlerfrei Feststellungen treffen kann, die zu einer Verurteilung nach § 339 StGB führen.

III.


Revision der Staatsanwaltschaft
Soweit die Staatsanwaltschaft mit ihrer zu Ungunsten des Angeklagten eingelegten Revision beanstandet, das Landgericht habe eine Verurteilung des Angeklagten wegen tateinheitlicher Freiheitsberaubung mit rechtsfehlerhafter Begründung abgelehnt, ist ihr – im übrigen nach § 301 StPO auch zu Gunsten des Angeklagten wirkendes – Rechtsmittel begründet.
Auf der Grundlage der vom Landgericht zu den subjektiven Vorstellungen des Angeklagten getroffenen Feststellungen kommt es entgegen der
Rechtsauffassung des Tatrichters nicht darauf an, daß der Angeklagte die Ordnungshaftbeschlüsse für formal und sachlich rechtsfehlerfrei erachtete. Ebensowenig wie der Vorsatz der Rechtsbeugung durch die Vorstellung des Täters, er handele im Ergebnis gerecht, in Frage gestellt wird, wenn sich sein Handeln in schwerwiegender Weise vom Gesetz entfernt und an eigenen Maßstäben anstelle der vom Gesetzgeber statuierten ausrichtet (vgl. BGHSt 32, 357, 360), kann den Richter eine solche Vorstellung bei idealkonkurrierenden Delikten entlasten. Die Anordnung freiheitsberaubender Maßnahmen zu Lasten des Bürgers ist ebenso wie ihre Aufrechterhaltung nur im Rahmen eines ordnungsgemäßen justizförmigen Verfahrens zulässig, zu dem auch die Gewährung eines effektiven Rechtsschutzes unter Beachtung des Beschleunigungsgebots gehört. Sollte der neue Tatrichter daher auf der Grundlage rechtsfehlerfrei getroffener Feststellungen erneut zu dem Ergebnis gelangen, daß der Angeklagte durch eine verzögerte Weiterleitung der Beschwerden an das Oberlandesgericht die Freilassung der inhaftierten Zuhörer zu einem früheren Zeitpunkt gezielt verhindert hat, wird der Angeklagte auch wegen tateinheitlich begangener Freiheitsberaubung zu verurteilen sein.
Harms Häger Tepperwien Raum Brause

Ein Richter, ein anderer Amtsträger oder ein Schiedsrichter, welcher sich bei der Leitung oder Entscheidung einer Rechtssache zugunsten oder zum Nachteil einer Partei einer Beugung des Rechts schuldig macht, wird mit Freiheitsstrafe von einem Jahr bis zu fünf Jahren bestraft.

(1) Wird der Beschuldigte auf Grund des Haftbefehls ergriffen, so ist er unverzüglich dem zuständigen Gericht vorzuführen.

(2) Das Gericht hat den Beschuldigten unverzüglich nach der Vorführung, spätestens am nächsten Tage, über den Gegenstand der Beschuldigung zu vernehmen.

(3) Bei der Vernehmung ist der Beschuldigte auf die ihn belastenden Umstände und sein Recht hinzuweisen, sich zur Beschuldigung zu äußern oder nicht zur Sache auszusagen. Ihm ist Gelegenheit zu geben, die Verdachts- und Haftgründe zu entkräften und die Tatsachen geltend zu machen, die zu seinen Gunsten sprechen.

(4) Wird die Haft aufrechterhalten, so ist der Beschuldigte über das Recht der Beschwerde und die anderen Rechtsbehelfe (§ 117 Abs. 1, 2, § 118 Abs. 1, 2, § 119 Abs. 5, § 119a Abs. 1) zu belehren. § 304 Abs. 4 und 5 bleibt unberührt.

Ein Richter, ein anderer Amtsträger oder ein Schiedsrichter, welcher sich bei der Leitung oder Entscheidung einer Rechtssache zugunsten oder zum Nachteil einer Partei einer Beugung des Rechts schuldig macht, wird mit Freiheitsstrafe von einem Jahr bis zu fünf Jahren bestraft.

(1) Bieten die Ermittlungen genügenden Anlaß zur Erhebung der öffentlichen Klage, so erhebt die Staatsanwaltschaft sie durch Einreichung einer Anklageschrift bei dem zuständigen Gericht.

(2) Andernfalls stellt die Staatsanwaltschaft das Verfahren ein. Hiervon setzt sie den Beschuldigten in Kenntnis, wenn er als solcher vernommen worden ist oder ein Haftbefehl gegen ihn erlassen war; dasselbe gilt, wenn er um einen Bescheid gebeten hat oder wenn ein besonderes Interesse an der Bekanntgabe ersichtlich ist.

Nachschlagewerk: ja
BGHSt : ja
Veröffentlichung: ja
Zögerliche Bearbeitung einer Rechtssache innerhalb eines
objektiv vertretbaren Zeitraums ist Rechtsbeugung, wenn
der Richter mit seiner Verfahrensweise aus sachfremden
Erwägungen gezielt zum Vorteil oder Nachteil einer Partei handelt.
BGH, Urt. v. 4. September 2001 - 5 StR 92/01
LG Hamburg

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
vom 4. September 2001
in der Strafsache
gegen
wegen Rechtsbeugung
Der 5. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat in der Sitzung vom 4. September
2001, an der teilgenommen haben:
Vorsitzende Richterin Harms,
Richter Häger,
Richterin Dr. Tepperwien,
Richter Dr. Raum,
Richter Dr. Brause
als beisitzende Richter,
Bundesanwalt
als Vertreter der Bundesanwaltschaft,
Rechtsanwalt S ,
Rechtsanwalt W
als Verteidiger,
Justizangestellte
als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle,

für Recht erkannt:
Auf die Revisionen des Angeklagten und der Staatsanwaltschaft wird das Urteil des Landgerichts Hamburg vom 13. Oktober 2000 mit den Feststellungen aufgehoben.
Die Sache wird zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.
– Von Rechts wegen – G r ü n d e Das Landgericht hat den Angeklagten wegen Rechtsbeugung (durch Unterlassen) zu einer Geldstrafe von 120 Tagessätzen zu je 100 DM verurteilt. Die hiergegen gerichtete Revision des Angeklagten, mit der er seinen Freispruch erstrebt, führt ebenso wie die Revision der Staatsanwaltschaft, die unter anderem auf eine Verurteilung des Angeklagten wegen tateinheitlich mit Rechtsbeugung begangener Freiheitsberaubung gerichtet ist, mit der jeweils erhobenen Sachrüge zur Aufhebung des angefochtenen Urteils; eines Eingehens auf die vom Angeklagten zusätzlich erhobenen Verfahrensrügen bedarf es daher nicht.

I.


Nach den Feststellungen des Landgerichts kam es während einer von dem Angeklagten als Einzelrichter geleiteten Hauptverhandlung vor dem Amtsgericht Hamburg am 19. Mai 1999 zu erheblichen Störungen durch Zuhörer. Diese äußerten lautstark ihren Unmut über den Angeklagten und blieben , als er das Urteil verkünden wollte, demonstrativ sitzen. Ein Zuhörer stellte sich auch nach Abmahnung durch den Angeklagten nicht aufrecht hin, worauf der Angeklagte ihm die Verhängung von Ordnungshaft zunächst androhte und, als der Zuhörer seine provozierende Haltung beibehielt, drei Tage Ordnungshaft verhängte. Im Rahmen des anschließenden Tumults versuchte ein anderer Zuhörer über die Barriere zwischen Verhandlungssaal und Zuhörerraum zu steigen und trat um sich, als er von der Saalwachtmeisterin daran gehindert werden sollte. Auch gegen diesen Störer verhängte der Angeklagte nach vorheriger Androhung, auf die der Zuhörer nicht reagierte , drei Tage Ordnungshaft. Beide Störer wurden sofort in Haft genommen.
Ein Prozeßbevollmächtigter der inhaftierten Zuhörer legte bereits etwa eine Stunde danach Beschwerde gegen die Ordnungshaftbeschlüsse ein. Der Angeklagte erfuhr hiervon noch am Nachmittag desselben Tages während einer bis kurz nach 16 Uhr dauernden weiteren Hauptverhandlung, in der ihm die Beschwerdeschrift durch Justizpersonal vorgelegt wurde. Er bearbeitete die Beschwerden an diesem Tag nicht mehr. Am Vormittag des folgenden Tages begab sich der Angeklagte zunächst nicht ins Gericht, sondern er erkundigte sich in einem Fachgeschäft nach Sicherheitsvorrichtungen für seine Wohnung, zu denen ihm von der Staatsschutzabteilung des Landeskriminalamtes geraten worden war. Gegen Mittag erklärte er ausweislich der tatrichterlichen Feststellungen einem Journalisten, der ihn unter seiner privaten Telefonnummer nach dem Stand des Beschwerdeverfahrens gefragt hatte, ”er müsse ja nicht gleich springen, wenn Anwälte etwas von ihm wollten. So etwas müsse sorgfältig und in Ruhe geprüft werden”. Der Journalist möge diese Ä ußerung aber nicht veröffentlichen, sie sei nicht zi-
tierfähig. Als der Angeklagte gegen 14.30 Uhr im Gericht eintraf, diktierte er der Protokollführerin die Ordnungshaftbeschlüsse, die sie in das Hauptverhandlungsprotokoll einfügte. Von der Möglichkeit, die Strafakten anschließend selbst wieder in Empfang zu nehmen, machte er keinen Gebrauch. Er ordnete vielmehr an, daß die Akten nach der erfolgten Ergänzung des Protokolls in sein Fach zu legen seien, und bereitete dann bis 22 oder 23 Uhr die Hauptverhandlungen des folgenden Tages vor. Die Beschwerden bearbeitete er auch an diesem Tag nicht mehr. Am 21. Mai 1999 wurden dem Angeklagten, der ab 9.45 Uhr Hauptverhandlungen geleitet hatte, beim Mittagessen in der Gerichtskantine von Kollegen Vorhaltungen gemacht, er verschleppe das Verfahren hinsichtlich der eingelegten Beschwerden. Diese Vorwürfe wies er mit der – inhaltlich unzutreffenden – Behauptung zurück, das Protokoll sei noch nicht fertiggestellt, weil er die Protokollführerin nicht habe erreichen können. Kurz nach 16 Uhr brachte er dann die Akte mit dem Hauptverhandlungsprotokoll, den Beschwerdebegründungen und einem von ihm zuvor noch gefertigten Vermerk über die Gründe einer unterbliebenen Rechtsmittelbelehrung persönlich zum Hanseatischen Oberlandesgericht als Beschwerdegericht.
Eine Stunde nach Eingang der Beschwerden beim Oberlandesgericht hob der zuständige Senat die Ordnungshaftbeschlüsse aus formellen Gründen auf, weil die Vorgänge in der Hauptverhandlung, die zur Anordnung der Ordnungshaft geführt hatten, entgegen § 182 GVG im Protokoll nicht dargestellt waren. Zur materiellen Rechtslage enthält der Beschluß den Hinweis, daß die Verhängung mehrtägiger Ordnungshaft angesichts der den Beschlußgründen zu entnehmenden massiven Störungen nahegelegen habe.
Der Angeklagte hat bestritten, das Beschwerdeverfahren gezielt verzögert zu haben, um die beiden Störer ”schmoren” zu lassen. Er sei der Auffassung gewesen, die in § 306 Abs. 2 StPO dem Richter eingeräumte Frist von drei Tagen für die Vorlage einer Beschwerde an das Rechtsmittel-
gericht gelte auch für Beschwerden gegen Ordnungshaftbeschlüsse und habe von ihm voll ausgeschöpft werden dürfen. Wegen anderweitiger dienstlicher und privater Obliegenheiten und wegen einer von ihm für erforderlich erachteten Überprüfung der Ordnungshaftbeschlüsse insbesondere in formeller Hinsicht habe er eine Bearbeitungszeit von zwei Tagen benötigt. Das Landgericht ist demgegenüber davon überzeugt, daß der Angeklagte in Kenntnis der Eilbedürftigkeit die Bearbeitung der Beschwerden gezielt verzögert hat, um die Durchsetzung der Haftanordnungen nicht zu gefährden. Dabei stützt es sich maßgeblich auf eine ins einzelne gehende Rekonstruktion des jeweiligen Tagesablaufs des Angeklagten am 19., 20. und 21. Mai 1999 und kommt zu dem Ergebnis, daß es dem Angeklagten – jedenfalls unter zumutbarer Zurückstellung privater Belange – möglich gewesen wäre, die Beschwerden dem Oberlandesgericht schneller zuzuleiten. Auch die Ä ußerungen des Angeklagten gegenüber dem Journalisten und das Kantinengespräch, in dem der Angeklagte nachweislich gelogen habe, ließen auf eine Verschleppungsabsicht und damit auf eine bewußt unrichtige Anwendung des Verfahrensrechts zum Nachteil der Inhaftierten schließen.
Eine Rechtsbeugung sieht das Landgericht in der zeitlichen Behandlung der gegen die Ordnungsmittelbeschlüsse gerichteten Beschwerden. Insoweit stelle sich das Verhalten des Angeklagten als ”bewußte Verzögerung des offensichtlich gewünschten Rechtsschutzes” und damit als elementarer Verstoß gegen die Rechtsweggarantie dar, die sowohl in Art. 19 Abs. 4 GG als auch in Art. 5 Abs. 4 MRK ihren Niederschlag gefunden habe.

II.


Revision des Angeklagten
Die Revision des Angeklagten hat Erfolg. Namentlich die Beweiswürdigung hält rechtlicher Nachprüfung nicht stand.

Nach ständiger Rechtsprechung stellt nicht jede unrichtige Rechtsanwendung eine Beugung des Rechts im Sinne von § 339 StGB dar. Nur der Rechtsbruch als elementarer Verstoß gegen die Rechtspflege soll unter Strafe gestellt sein. Rechtsbeugung begeht daher nur der Amtsträger, der sich bewußt und in schwerwiegender Weise von Recht und Gesetz entfernt. Selbst die (bloße) Unvertretbarkeit einer Entscheidung begründet eine Rechtsbeugung nicht (st. Rspr.; vgl. nur BGH NJW 1997, 1455 m.w.N.). Einen elementaren Rechtsverstoß zeigt das Landgericht auf der Grundlage der bisher erhobenen Beweise nicht auf, zumal da es bei der Beweiswürdigung ein zu enges Verständnis des dem Richter bei der Erledigung seiner Dienstgeschäfte einzuräumenden zeitlichen Spielraums zugrundelegt.
1. Im Ansatz zutreffend geht das Landgericht – das die verhängte Ordnungshaft vor dem Hintergrund wiederholter massiver Störungen der Hauptverhandlung mit Recht für inhaltlich vertretbar hält (vgl. dazu Diemer in KK StPO 4. Aufl. § 178 GVG Rdn. 3 mit Beispielen aus der Rechtsprechung ) – davon aus, daß Rechtsbeugung nicht nur in Form von Sachentscheidungen , sondern auch durch einen Verstoß gegen Verfahrensrecht begangen werden kann (st. Rspr.; vgl. nur BGHSt 32, 357; 38, 381, 383; 42, 343; jeweils m.w.N.). Zu den wesentlichen Grundprinzipien des Strafverfahrensrechts zählt das unmittelbar aus dem Rechtsstaatsprinzip des Art. 20 GG und der allgemeinen prozessualen Fürsorgepflicht abzuleitende, schlagwortartig als Beschleunigungsgebot bezeichnete Verbot rechtsstaatswidriger Verfahrensverzögerung (BGHSt 24, 239 f.; 26, 1, 4). Allgemein normiert in Art. 6 Abs. 1 MRK, wird die Bedeutung des Verbots rechtsstaatswidriger Verfahrensverzögerung für Haftsachen in Art. 2 Abs. 2 Satz 2, Art. 104 GG sowie in Art. 5 Abs. 3, 4 MRK besonders hervorgehoben. Auch wenn die Einzelregelungen dieser Normen auf die – verglichen mit vorläufiger Festnahme und Untersuchungshaft eher seltene und in ihren zeitlich begrenzten Auswirkungen auf den Betroffenen weniger schwerwiegende –
Anordnung von Ordnungshaft nicht unmittelbar zugeschnitten sind, gilt das in den genannten Vorschriften zum Ausdruck kommende Prinzip, daß Haftsachen besonders zügig zu bearbeiten sind, für Maßnahmen nach § 178 Abs. 1 Satz 1, 2. Alternative GVG in gleicher Weise. Rechtsbeugung durch Verstoß gegen das Beschleunigungsgebot ist daher auch im Bereich der Ordnungshaft nicht grundsätzlich ausgeschlossen.
2. Trotz der nachteiligen Auswirkungen, die eine zögerliche Sachbearbeitung insbesondere in Haftsachen für den Betroffenen mit sich bringen mag, darf jedoch der Tatbestand der Rechtsbeugung, soweit dessen Verwirklichung durch einen Verstoß gegen das Beschleunigungsgebot in Betracht gezogen wird, auch in diesem Bereich richterlicher Tätigkeit nicht in unangemessener Weise ausgedehnt werden. Insbesondere ist bei der Auslegung der Norm darauf Bedacht zu nehmen, daß die richterliche Unabhängigkeit gewahrt bleibt.

a) Die Bearbeitung einer Rechtssache, wie sie der Angeklagte hier in Form der Fertigstellung und Korrektur des Protokolls, der nachgeholten schriftlichen Begründung der Ordnungshaftbeschlüsse sowie eines für das Beschwerdegericht gefertigten erläuternden Vermerks vorgenommen hat, fällt grundsätzlich in den Schutzbereich, der dem Richter in Art. 97 GG und den einfachgesetzlichen Vorschriften der § 25 Abs. 1 DRiG, § 1 GVG eingeräumt ist. Zwar handelt es sich bei den genannten Tätigkeiten nicht um den Kernbereich richterlichen Wirkens, die Spruchtätigkeit, jedoch gebietet es das Interesse an einer wirksamen Gewährleistung der richterlichen Unabhängigkeit , auch die der Rechtsfindung nur mittelbar dienenden, sie vorbereitenden und ihr nachfolgenden Sach- und Verfahrensentscheidungen in den Schutzbereich einzubeziehen (BGHZ 90, 41, 45). Dem entspricht es, daß nach ständiger Rechtsprechung des Richterdienstgerichts des Bundes verzögerte Terminierungen oder als unangemessen lang gewertete Urteilsabsetzungszeiträume nur dann im Rahmen der Dienstaufsicht nach § 26
Abs. 2 DRiG beanstandet werden dürfen, wenn dies losgelöst von einzelnen Rechtssachen oder Fallgruppen geschieht und wenn die Aufsichtsmaßnahme die Entscheidungsfreiheit des Richters im Einzelfall unberührt läßt (BGHZ 51, 280, 287; 90, 41, 46; 93, 238, 243 f.). Da eine Strafandrohung, zumal in Form eines Verbrechenstatbestandes, noch weit mehr als eine Maßnahme der Dienstaufsicht geeignet sein wird, den Richter in seinem Verhalten zu beeinflussen, darf auch unter strafrechtlichen Gesichtspunkten eine Überprüfung richterlicher Tätigkeit am wenig konkreten Maßstab des Beschleunigungsgebots nicht zu einer grundlegenden Beeinträchtigung der sachlichen Unabhängigkeit des Richters führen (vgl. BGH NStZ 1988, 218 f.).

b) Bei der Entscheidung der Frage, ob in der verzögerten Bearbeitung einer Rechtssache ein Rechtsbruch im Sinne des § 339 StGB liegen kann, ist daher davon auszugehen, daß es grundsätzlich dem Richter überlassen bleibt, welchem der von ihm zu erledigenden vielfältigen Dienstgeschäfte er den Vorrang vor anderen einräumt, welche Mittel er im Einzelfall für die Förderung einer Rechtssache geeignet hält und welche Gründlichkeit er der Sachbearbeitung widmet. An bestimmte Dienstzeiten ist er dabei nicht gebunden (BVerwGE 78, 211, 213).
Da die richterliche Unabhängigkeit weder Standesprivileg (BVerfGE 27, 211, 217; BGHZ 67, 184, 187; Benda DRiZ 1975, 166, 170) noch absoluter Selbstwert ist, vor dem alle anderen Bedingungen einer rechtsstaatlichen Justizgewährung zurückzutreten hätten (Rudolph DRiZ 1978, 146; Kissel, GVG 3. Aufl. § 1 Rdn. 43), schließt ein dem Richter im Grundsatz zuzubilligender großzügiger Ermessensspielraum bei der Einteilung seiner Dienstgeschäfte strafrechtlich relevante Verstöße gegen das Beschleunigungsgebot nicht in jedem Fall aus. Sie werden insbesondere dann in Betracht kommen, wenn der Richter gegen zwingende Vorschriften verstößt, in denen der Gesetzgeber – wie beispielsweise in § 115 StPO – das allgemei-
ne Beschleunigungsgebot konkretisiert hat oder wenn der Richter untätig bleibt, obwohl besondere Umstände sofortiges Handeln – etwa die Veranlassung der Freilassung eines Inhaftierten nach Aufhebung des Haftbefehls – zwingend gebieten. Beides trifft auf den vorliegend zu beurteilenden Fall jedoch nicht zu.
Nachdem der Angeklagte, einer zumindest vertretbaren Mindermeinung folgend (vgl. dazu die Nachweise bei Katholnigg, Strafgerichtsverfassungsrecht 3. Aufl. § 181 GVG Rdn. 1; Kissel aaO § 181 Rdn. 2), die gemäß § 181 Abs. 2 GVG eingelegten fristgebundenen Beschwerden gegen die Ordnungshaftbeschlüsse als einfache Beschwerden gewertet hat, richtete sich aus seiner Sicht die Weiterleitung der Rechtsmittel nach § 306 Abs. 2 StPO. Diese Vorschrift sieht für den Fall der Nichtabhilfe die Vorlage an das Beschwerdegericht ”sofort, spätestens vor Ablauf von drei Tagen” vor. Gegen die Dreitagesfrist, die zudem nur eine Sollvorschrift darstellt (Kleinknecht /Meyer-Goßner, StPO 45. Aufl. § 306 Rdn. 11), hat der Angeklagte nicht verstoßen, weil er die Beschwerden am zweiten Tag nach ihrem Eingang an das Beschwerdegericht weitergeleitet hat. Auch wenn der Angeklagte damit nicht ”sofort” gehandelt hat, stellt die Einhaltung der Dreitagesfrist ein gewichtiges Indiz dafür dar, daß eine vom Gesetz noch als angemessen erachtete Bearbeitungszeit nicht überschritten worden ist.
Da richterliche Entscheidungen, gegen die eine Beschwerde möglich ist, Sachverhalte unterschiedlicher Art betreffen und mehr oder minder schwere Eingriffe in die Rechtssphäre der Beschwerdeführer zum Gegenstand haben, können besondere Umstände eine Weiterleitung der Beschwerden vor Ablauf der Frist im Ausnahmefall allerdings gleichwohl erfordern. Solche Besonderheiten hat das Landgericht hier darin gesehen, daß die angeordnete Ordnungshaft entsprechend der gesetzlichen Vorgabe des § 179 GVG sofort vollstreckt worden ist, den Beschwerdeführern daher bei einer Weiterleitung der Rechtsmittelschriften unter voller Ausschöpfung der
Dreitagesfrist ein effektiver Rechtsschutz nicht mehr hätte gewährt werden können.
Die drohende vollständige Vollstreckung einer angeordneten Freiheitsentziehung kann aber für sich allein keine Pflicht zum sofortigen Tätigwerden begründen. Grundsätzlich bleibt auch in diesen Fällen dem Richter ein Spielraum für die Einteilung seiner dienstlichen und – weil er an feste Dienstzeiten nicht gebunden ist (vgl. BVerwGE 78, 211, 213) – auch seiner privaten Angelegenheiten. Zwar hat der Erfolg der Beschwerde für einen Beschwerdeführer, der die Ordnungshaft bereits verbüßt hat, über die Feststellung der Rechtswidrigkeit hinaus kaum praktische Bedeutung, zumal da nach herrschender Meinung eine Entschädigung aus der Staatskasse nach dem Gesetz über die Entschädigung für Strafverfolgungsmaßnahmen nicht in Betracht kommt (OLG Frankfurt NJW 1976, 303; Kissel aaO Rdn. 18). Ein bestimmender Einfluß auf die dem Richter zuzubilligende Bearbeitungszeit in der Weise, daß sich diese umso mehr verkürzt, je weiter die angeordnete Dauer der Ordnungshaft unter der zulässigen Höchstdauer von einer Woche liegt, kommt dem Gesichtspunkt abnehmender Effizienz aber nicht zu. Der Richter, der lediglich einen Tag Ordnungshaft verhängt und die dagegen gerichtete Beschwerde am folgenden Tag an das Beschwerdegericht weiterleitet , gerät nicht allein dadurch in den Bereich der Rechtsbeugung, daß die Haft zu diesem Zeitpunkt bereits vollzogen ist. Vielmehr wird sich in derartigen Fällen effektiver Rechtsschutz durch eine Anordnung des Beschwerdegerichts nach § 307 Abs. 2 StPO anbieten, mit der eine aufschiebende Wirkung der Beschwerde hergestellt wird (vgl. Katholnigg aaO § 181 GVG Rdn. 4; Kissel aaO Rdn. 11; Kleinknecht/Meyer-Goßner aaO § 181 GVG Rdn. 1; Schäfer/Wickern in Löwe/Rosenberg, StPO 24. Aufl. § 181 GVG Rdn. 13).
Zwar wäre im vorliegenden Fall schon aufgrund des für Haftsachen allgemein geltenden Beschleunigungsgrundsatzes eine zügigere Bearbei-
tung der mit der Anordnung von Ordnungshaft in Zusammenhang stehenden Vorgänge wünschenswert und unter Berücksichtigung der sonstigen dienstlichen Verpflichtungen und privaten Interessen des Angeklagten auch zumutbar gewesen. Gleichwohl hat der Angeklagte nach den oben angeführten Grundsätzen mit der von ihm gewählten Verfahrensweise die äußeren Grenzen des ihm für die Weiterleitung der Beschwerden einzuräumenden Ermessens nicht in schwerwiegender Weise mißachtet. Dies gilt umso mehr, als sich sein Verhalten nicht auf bloße Untätigkeit beschränkte, sondern nach seiner insoweit unwiderlegten Einlassung rechtliche Nachforschungen sowie die Umsetzung der dadurch gewonnenen Erkenntnisse im Protokoll und in einem Vermerk einschloß.

c) Bei zögerlicher Bearbeitung einer Rechtssache innerhalb eines objektiv vertretbaren Zeitraumes kommt ein schwerwiegender Rechtsverstoß allerdings dann in Betracht, wenn der Richter mit seiner Verfahrensweise aus sachfremden Erwägungen gezielt zum Vorteil oder Nachteil einer Partei handelt (vgl. BGHSt 42, 343, 345). Dies wäre hier gegeben, wenn der Angeklagte , wie vom Landgericht für erwiesen erachtet, sich bereits zu Beginn des auf die Verkündung der Ordnungshaftbeschlüsse folgenden Tages entschlossen hätte, unter mutwilliger Verzögerung die Beschwerden solange zurückzuhalten, bis der vollständige Vollzug der Ordnungshaft durch einen Erfolg der Beschwerden beim Oberlandesgericht nicht mehr gefährdet werden konnte. In einem solchen Fall wären zwar die äußeren Schranken des dem Richter für die Bearbeitung von Rechtssachen in zeitlicher Hinsicht eingeräumten Ermessens eingehalten, so daß eine Ermessensüberschreitung ausgeschlossen wäre. Es läge jedoch ein Ermessensmißbrauch durch Überschreitung der inneren Schranken des Ermessens vor.
Soweit das Landgericht bereits in dem objektiven Ablauf des Beschwerdeverfahrens unter weitgehender Ausschöpfung der Dreitagesfrist einen schwerwiegenden Verstoß gegen das Beschleunigungsgebot sieht,
der den Schluß auf eine böswillige Vorgehensweise des Angeklagten nahelege , geht es, wie oben dargestellt, von einem zu engen Verständnis der dem Richter für die Bearbeitung von Rechtssachen in zeitlicher Hinsicht eingeräumten Spielräume aus. Wenn das Landgericht im einzelnen darlegt, daß der Angeklagte unter Zurückstellung anderer dienstlicher, insbesondere aber privater Belange die Beschwerden schneller als geschehen hätte bearbeiten und weiterleiten können, so mag dies belegen, daß der Angeklagte den hohen Anforderungen, die an das Pflicht- und Verantwortungsbewußtsein eines Richters gerade angesichts der mit der richterlichen Unabhängigkeit verbundenen Freiräume zu stellen sind (vgl. dazu Kissel aaO § 1 Rdn. 3), nicht in ausreichendem Maße gerecht geworden ist. Der Nachweis einer gezielten Verfahrensverzögerung kann damit aber nicht geführt werden.
Auch ist der Inhalt des Telefonats des Angeklagten mit dem Journalisten vom Landgericht nicht erschöpfend gewürdigt worden. Da die Überheblichkeit , die aus der Ä ußerung des Angeklagten spricht, ”er müsse ja nicht gleich springen, wenn Anwälte etwas von ihm wollten”, im Umgang zwischen Richter- und Anwaltschaft unangebracht ist, hatte der Angeklagte allen Anlaß , eine Veröffentlichung dieser von ihm mit Recht als ”nicht zitierfähig” eingeschätzten Bemerkung zu verhindern. Dagegen erscheint es fernliegend , daß der Angeklagte, wie das Landgericht meint, der Auffassung gewesen sein sollte, dem Journalisten mit seiner Ä ußerung einen gezielten Rechtsbruch offenbart zu haben und ihn wegen der Brisanz, die ein solches ”Geständnis” zweifellos hätte, um Verschwiegenheit gebeten hat.
Ä hnliche Erwägungen gelten für das ”Kantinengespräch”. Auch insoweit läßt das Landgericht unberücksichtigt, daß der Angeklagte angesichts der berechtigten Vorhaltungen seiner Kollegen Veranlassung hatte, die schleppende Bearbeitung der Beschwerdevorgänge durch eine falsche Darstellung der wahren Ursachen zu rechtfertigen.
Da das Landgericht das Motiv für eine rechtsbeugerische Verfahrensverzögerung darin sieht, daß der Angeklagte das Risiko einer Aufhebung der Ordnungshaftbeschlüsse durch das Beschwerdegericht und eine Entlassung der Störer aus der Haft vor deren vollständigem Vollzug nicht habe eingehen wollen, hätte es zudem der Darlegung bedurft, weshalb der Angeklagte ein solches Risiko als naheliegend erachtet haben sollte. Ausführungen hierzu waren umso mehr geboten, als das Landgericht zu Gunsten des Angeklagten unterstellt hat, daß dieser die formellen Mängel der Ordnungshaftanordnungen nicht erkannt hat und daß die von ihm getroffenen Entscheidungen vor dem Hintergrund der vorangegangenen massiven Störungen sachlich vertretbar erschienen.
Die aufgezeigten Fehler führen zur Aufhebung des Urteils. Ein vom Generalbundesanwalt beantragter Freispruch durch den Senat kam dagegen nicht in Betracht, weil nicht mit letzter Sicherheit auszuschließen ist, daß ein neuer Tatrichter zu den s ubjektiven Vorstellungen des Angeklagten rechtsfehlerfrei Feststellungen treffen kann, die zu einer Verurteilung nach § 339 StGB führen.

III.


Revision der Staatsanwaltschaft
Soweit die Staatsanwaltschaft mit ihrer zu Ungunsten des Angeklagten eingelegten Revision beanstandet, das Landgericht habe eine Verurteilung des Angeklagten wegen tateinheitlicher Freiheitsberaubung mit rechtsfehlerhafter Begründung abgelehnt, ist ihr – im übrigen nach § 301 StPO auch zu Gunsten des Angeklagten wirkendes – Rechtsmittel begründet.
Auf der Grundlage der vom Landgericht zu den subjektiven Vorstellungen des Angeklagten getroffenen Feststellungen kommt es entgegen der
Rechtsauffassung des Tatrichters nicht darauf an, daß der Angeklagte die Ordnungshaftbeschlüsse für formal und sachlich rechtsfehlerfrei erachtete. Ebensowenig wie der Vorsatz der Rechtsbeugung durch die Vorstellung des Täters, er handele im Ergebnis gerecht, in Frage gestellt wird, wenn sich sein Handeln in schwerwiegender Weise vom Gesetz entfernt und an eigenen Maßstäben anstelle der vom Gesetzgeber statuierten ausrichtet (vgl. BGHSt 32, 357, 360), kann den Richter eine solche Vorstellung bei idealkonkurrierenden Delikten entlasten. Die Anordnung freiheitsberaubender Maßnahmen zu Lasten des Bürgers ist ebenso wie ihre Aufrechterhaltung nur im Rahmen eines ordnungsgemäßen justizförmigen Verfahrens zulässig, zu dem auch die Gewährung eines effektiven Rechtsschutzes unter Beachtung des Beschleunigungsgebots gehört. Sollte der neue Tatrichter daher auf der Grundlage rechtsfehlerfrei getroffener Feststellungen erneut zu dem Ergebnis gelangen, daß der Angeklagte durch eine verzögerte Weiterleitung der Beschwerden an das Oberlandesgericht die Freilassung der inhaftierten Zuhörer zu einem früheren Zeitpunkt gezielt verhindert hat, wird der Angeklagte auch wegen tateinheitlich begangener Freiheitsberaubung zu verurteilen sein.
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(1) Wer es unterläßt, einen Erfolg abzuwenden, der zum Tatbestand eines Strafgesetzes gehört, ist nach diesem Gesetz nur dann strafbar, wenn er rechtlich dafür einzustehen hat, daß der Erfolg nicht eintritt, und wenn das Unterlassen der Verwirklichung des gesetzlichen Tatbestandes durch ein Tun entspricht.

(2) Die Strafe kann nach § 49 Abs. 1 gemildert werden.

(1) Die Schuld des Täters ist Grundlage für die Zumessung der Strafe. Die Wirkungen, die von der Strafe für das künftige Leben des Täters in der Gesellschaft zu erwarten sind, sind zu berücksichtigen.

(2) Bei der Zumessung wägt das Gericht die Umstände, die für und gegen den Täter sprechen, gegeneinander ab. Dabei kommen namentlich in Betracht:

die Beweggründe und die Ziele des Täters, besonders auch rassistische, fremdenfeindliche, antisemitische oder sonstige menschenverachtende,die Gesinnung, die aus der Tat spricht, und der bei der Tat aufgewendete Wille,das Maß der Pflichtwidrigkeit,die Art der Ausführung und die verschuldeten Auswirkungen der Tat,das Vorleben des Täters, seine persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse sowiesein Verhalten nach der Tat, besonders sein Bemühen, den Schaden wiedergutzumachen, sowie das Bemühen des Täters, einen Ausgleich mit dem Verletzten zu erreichen.

(3) Umstände, die schon Merkmale des gesetzlichen Tatbestandes sind, dürfen nicht berücksichtigt werden.

(1) Erfolgt die Aufhebung des Urteils nur wegen Gesetzesverletzung bei Anwendung des Gesetzes auf die dem Urteil zugrunde liegenden Feststellungen, so hat das Revisionsgericht in der Sache selbst zu entscheiden, sofern ohne weitere tatsächliche Erörterungen nur auf Freisprechung oder auf Einstellung oder auf eine absolut bestimmte Strafe zu erkennen ist oder das Revisionsgericht in Übereinstimmung mit dem Antrag der Staatsanwaltschaft die gesetzlich niedrigste Strafe oder das Absehen von Strafe für angemessen erachtet.

(1a) Wegen einer Gesetzesverletzung nur bei Zumessung der Rechtsfolgen kann das Revisionsgericht von der Aufhebung des angefochtenen Urteils absehen, sofern die verhängte Rechtsfolge angemessen ist. Auf Antrag der Staatsanwaltschaft kann es die Rechtsfolgen angemessen herabsetzen.

(1b) Hebt das Revisionsgericht das Urteil nur wegen Gesetzesverletzung bei Bildung einer Gesamtstrafe (§§ 53, 54, 55 des Strafgesetzbuches) auf, kann dies mit der Maßgabe geschehen, dass eine nachträgliche gerichtliche Entscheidung über die Gesamtstrafe nach den §§ 460, 462 zu treffen ist. Entscheidet das Revisionsgericht nach Absatz 1 oder Absatz 1a hinsichtlich einer Einzelstrafe selbst, gilt Satz 1 entsprechend. Die Absätze 1 und 1a bleiben im Übrigen unberührt.

(2) In anderen Fällen ist die Sache an eine andere Abteilung oder Kammer des Gerichtes, dessen Urteil aufgehoben wird, oder an ein zu demselben Land gehörendes anderes Gericht gleicher Ordnung zurückzuverweisen. In Verfahren, in denen ein Oberlandesgericht im ersten Rechtszug entschieden hat, ist die Sache an einen anderen Senat dieses Gerichts zurückzuverweisen.

(3) Die Zurückverweisung kann an ein Gericht niederer Ordnung erfolgen, wenn die noch in Frage kommende strafbare Handlung zu dessen Zuständigkeit gehört.