Bundesgerichtshof Beschluss, 04. Dez. 2012 - 4 StR 372/12

bei uns veröffentlicht am04.12.2012

Gericht

Bundesgerichtshof


Der Bundesgerichtshof (BGH) ist das höchste Gericht der ordentlichen Gerichtsbarkeit in Deutschland.  Der BGH besteht aus 16 Senaten, die jeweils von einem Vorsitzenden und mehreren anderen Richtern geleitet werden. Die Zusammensetzung der Senate

Richter

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
4 StR 372/12
vom
4. Dezember 2012
in der Strafsache
gegen
wegen versuchten Mordes u.a.
Der 4. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat nach Anhörung des Generalbundesanwalts
und des Beschwerdeführers am 4. Dezember 2012 gemäß § 349
Abs. 4 StPO beschlossen:
Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Magdeburg vom 16. Mai 2012 mit den Feststellungen aufgehoben. Die Sache wird zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Schwurgerichtskammer des Landgerichts zurückverwiesen.

Gründe:


1
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen versuchten Mordes in Tateinheit mit besonders schwerem Raub und in weiterer Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung zu der Freiheitsstrafe von zehn Jahren verurteilt. Hiergegen richtet sich die auf mehrere Verfahrensbeanstandungen und die Sachbeschwerde gestützte Revision des Angeklagten. Das Rechtsmittel hat mit einer Verfahrensrüge Erfolg.

I.


2
Nach den Feststellungen ließ sich der Angeklagte am frühen Abend des 2. Januar 2012 von dem Geschädigten R. in dessen Pkw VW Golf auf einem unbeleuchteten Feldweg bis in unmittelbare Nähe des Saaleufers fahren. Spätestens nachdem beide Männer aus dem Fahrzeug ausgestiegen waren, fasste der Angeklagte den Entschluss, den Geschädigten gewaltsam zu Boden zu bringen und ihm unter Einwirkung von Gewalt das Fahrzeug abzunehmen. Der Angeklagte versetzte dem Tatopfer zahlreiche kräftige Faustschläge insbesondere gegen den Kopf, schlug ihm mit solcher Wucht eine fast leere, 0,7 Liter fassende, gläserne Mineralwasserflasche von oben nach unten auf den Kopf, dass diese zerbrach, und nahm dem Geschädigten den Fahrzeugschlüssel und die Funkfernbedienung sowie im weiteren Verlauf auch den ebenfalls von R. mitgeführten Ersatzschlüssel nebst zweiter Fernbedienung ab, um sich in den Besitz des Fahrzeugs zu bringen. Des Weiteren würgte der Angeklagte den Geschädigten zweimal, indem er jeweils hinter R. stehend einen Arm um dessen Hals legte und kräftig zudrückte, band die Hände des Geschädigten hinter dessen Rücken mit einem Gürtel fest zusammen, fesselte später auch die Füße des Geschädigten mit einem weiteren Gürtel und sperrte den Geschädigten wiederholt kurzzeitig in den Kofferraum des Fahrzeugs.
3
Schließlich führte der Angeklagte, der nunmehr entschlossen war, den Tod des R. herbeizuführen, umendgültig dessen Pkw zu erlangen, das aufgrund der Fesselung nur mit kleinen Schritten gehende und teilweise hüpfende Tatopfer zum Saaleufer. Etwa auf halbem Weg löste sich – vom Angeklagten und dem Geschädigten unbemerkt – der Gürtel an den Füßen des Geschädigten und fiel zu Boden. Am Ufer der Saale angekommen stieß der Angeklagte dem mit den Füßen schon im Wasser stehenden R. von hinten kräftig gegen den Oberkörper, sodass dieser in den ca. 6°C kalten Fluss fiel, der an dieser Stelle jedenfalls nicht in der gesamten Breite von etwa 60 bis 70 Metern für Menschen begehbar ist. Der Geschädigte, der nicht mit dem ganzen Körper ins Wasser fiel und anfangs noch stehen konnte, ging aus Angst vor dem Angeklagten, um sich in Sicherheit zu bringen, weiter in den Fluss hinein und versuchte zu schwimmen, wobei sich der Gürtel löste, mit dem seine Hände gefesselt waren. Während der Angeklagte dem Geschädigten folgend an der Saale in Fließrichtung des Flusses entlangging, gelang es dem Geschädigten unter Mühen, durch den Fluss zu schwimmen und das gegenüberliegende Ufer zu erreichen. Nachdem er sich ca. zehn Minuten ausgeruht hatte, um seine Kräfte zu sammeln, raffte er sich auf und schleppte sich an dem Fluss entlang zu einem ihm bekannten Seniorenpflegeheim, das er schließlich blutüberströmt, völlig durchnässt, stark zitternd und nur mit T-Shirt und Unterhose bekleidet erreichte.

II.


4
Die Revision dringt mit einer Verfahrensbeanstandung durch, mit der die fehlerhafte Ablehnung eines Beweisantrages geltend gemacht wird.
5
1. Der Rüge liegt das folgende Verfahrensgeschehen zugrunde:
6
Zu der Beweisbehauptung, der Geschädigte habe bei seinem Eintreffen am Pflegeheim gegenüber einer Pflegekraft u.a. mitgeteilt, er sei von sich aus in die Saale gesprungen, um vor dem Angeklagten zu flüchten, und der Angeklagte habe den Autoschlüssel weggeworfen, vernahm die Strafkammer – einem Beweisantrag des Verteidigers folgend – einen Bewohner des Pflegeheims sowie die dort tätige Altenpflegerin D. als Zeugen.Nach dem Vorbringen der Revision ergab sich aus den Bekundungen der Zeugin D. , dass am Tatabend als Pflegepersonal auch die Pflegekräfte W. und O. vor Ort waren. Im Rahmen der sich an die Vernehmung anschließenden Erörterung über den weiteren Verfahrensablauf erklärte der Verteidiger, dass er die Ver- nehmung der Frau W. für erforderlich halte, und kündigte einen entsprechenden Antrag an. Ohne dass zuvor ein diesbezüglicher Beweisantrag angebracht worden war, wurde daraufhin Frau W. als Zeugin vernommen.
7
Im Anschluss daran beantragte der Verteidiger zum Beweis der Tatsache , dass der Geschädigte beim Eintreffen am Pflegeheim gegenüber der Zeugin O. angegeben gehabt habe, dass er von sich aus in die Saale gesprungen sei, um vor dem Angeklagten zu flüchten, und der Angeklagte den Autoschlüssel weggeworfen habe, die Vernehmung der Zeugin O. . Diesen Antrag hat das Landgericht abgelehnt.
8
In der Begründung des Ablehnungsbeschlusses hat es ausgeführt, dass es sich bei dem Beweisbegehren um einen Beweisermittlungsantrag gehandelt habe, dem die Strafkammer nach pflichtgemäßem Ermessen nicht habe nachgehen müssen. Zu der behaupteten Beweistatsache habe der Angeklagte keine eigenen Wahrnehmungen angegeben. Die Strafkammer habe zu dem Beweisthema neben weiteren Zeugen insbesondere die Zeugin W. vernommen, welche lediglich bekundet habe, ihre Arbeitskollegin O. sei ebenfalls vor Ort gewesen. Die Zeugin W. habe aber nicht ausgesagt, dass Frau O. weiter gehende Wahrnehmungen als sie selbst oder die Zeugin D. getroffen habe. Nach partieller Mitteilung des Inhalts der Aussage des Geschädigten in der Hauptverhandlung zum Tatablauf hat die Strafkammer weiter ausgeführt, dass es weder in dem Antrag des Verteidigers dargelegt noch sonst ersichtlich sei, dass der Geschädigte bei seiner Ankunft beim Pflegeheim etwas anderes gesagt habe. Der Verteidiger habe auf Nachfrage des Gerichts keinen Grund angeben können, warum die Zeugin O. Wahrnehmungen zu etwaigen Angaben des Geschädigten im Pflegeheim bekunden können sollte, die über dessen Zeugenaussage im Hauptverhandlungstermin hinaus- gehe, bzw. dazu, dass der Geschädigte sogar gegenteilige Angaben gemacht haben könnte. Es handele sich im Ergebnis in Wahrheit um einen nicht ernst gemeinten, zum Schein gestellten "Beweisantrag" aufs Geratewohl. Die hier erforderliche Konnexität zwischen Beweismittel und Beweisbehauptung liege daher nicht vor.
9
2. Die Antragsablehnung begegnet durchgreifenden rechtlichen Bedenken. Mit der gegebenen Begründung durfte das Landgericht das Beweisbegehren des Verteidigers nicht als bloßen nach Maßgabe der Amtsaufklärungspflicht des § 244 Abs. 2 StPO zu berücksichtigenden Beweisermittlungsantrag behandeln. Die Qualität des Beweisbegehrens als Beweisantrag wird weder durch fehlende Ausführungen zur Konnexität zwischen Beweismittel und Beweisbehauptung in Frage gestellt, noch hat die Strafkammer tragfähig dargetan, dass dem Antrag lediglich eine "ins Blaue hinein" aufgestellte Beweisbehauptung zugrunde gelegen hat.
10
a) Ein Beweisantrag im Sinne des § 244 Abs. 3 bis 6 StPO setzt die konkrete und bestimmte Behauptung einer Tatsache und die Benennung eines bestimmten Beweismittels voraus, mit dem der Nachweis der Tatsache geführt werden soll. Bei einem Antrag auf Vernehmung eines Zeugen kommen als Beweisbehauptung nur solche Tatsachen in Betracht, die der benannte Zeuge aus eigener Wahrnehmung bekunden kann (vgl. BGH, Urteil vom 6. Juli 1993 – 5 StR 279/93, BGHSt 39, 251, 253 f.). Ist aus dem Inhalt des Beweisbegehrens ein verbindender Zusammenhang zwischen der Beweisbehauptung und dem benannten Zeugen nicht ohne weiteres erkennbar, ist für das Vorliegen eines Beweisantrages weiterhin erforderlich, dass der Antragsteller näher darlegt , weshalb der Zeuge überhaupt etwas zu dem Beweisthema bekunden können soll (vgl. BGH, Beschlüsse vom 3. November 2010 – 1 StR 497/10, NStZ 2011, 169 Tz. 11 ff.; vom 17. November 2009 – 4 StR 375/09, BGHR StPO § 244 Abs. 6 Beweisantrag 47; vom 22. Juni 1999 – 1 StR 205/99, NStZ 1999, 522; Urteil vom 28. November 1997 – 3 StR 114/97, BGHSt 43, 321, 329 f.; zweifelnd Urteil vom 14. August 2008 – 3 StR 181/08, NStZ 2009, 171 Tz. 13). Die Ausführungen zur Konnexität im weiteren Sinne (zur Terminologie vgl. Schneider, Festschrift Eisenberg 2009, S. 609, 618 ff.) sollen dem Gericht eine sachgerechte Prüfung und Anwendung der Ablehnungsgründe des § 244 Abs. 3 StPO ermöglichen (vgl. BGH, Urteil vom 15. Dezember 2005 – 3 StR 201/05, NStZ 2006, 585, 586; Beschluss vom 22. Juni 1999 – 1 StR 205/99 aaO), wobei hier – anders als bei der Bestimmtheit der von dem benannten Zeugen wahrgenommenen Beweistatsache – der Ablehnungsgrund der völligen Ungeeignetheit des Beweismittels nach § 244 Abs. 3 Satz 2 3. Alt. StPO im Vordergrund steht (vgl. BGH, Urteil vom 23. Oktober 1997 – 5 StR 317/97, NStZ 1998, 97; Schneider aaO). Durch den Bezug auf die völli- ge Ungeeignetheit, die nur aus dem Beweismittel selbst in Beziehung zu der Beweisbehauptung ohne Rückgriff auf das bisherige Beweisergebnis abgeleitet werden darf (vgl. Becker in Löwe/Rosenberg, StPO, 26. Aufl., § 244 Rn. 232 mwN), werden die unter dem Gesichtspunkt der Konnexität im weiteren Sinne erforderlichen Angaben zugleich auf solche beschränkt, die die Wahrnehmungssituation des benannten Zeugen betreffen. Ausführungen zur inhaltlichen Plausibilität der Beweisbehauptung können dagegen vom Antragsteller in diesem Zusammenhang nicht verlangt werden (vgl. BGH, Beschluss vom 17. November 2009 – 4 StR 375/09 aaO).
11
Der Antrag auf Vernehmung der Zeugin O. trägt entgegen der Ansicht des Landgerichts dem Konnexitätserfordernis hinreichend Rechnung. Aus dem Inhalt des Antrags ergibt sich ohne weiteres, dass die benannte Zeugin zu Äußerungen vernommen werden sollte, die der Geschädigte ausweislich der aufgestellten Beweisbehauptung im Anschluss an sein Eintreffen beim Pflegeheim der Zeugin als Gesprächspartnerin gegenüber gemacht haben soll. Auch die Strafkammer geht in ihrem Ablehnungsbeschluss aufgrund der Bekundungen der Zeugin W. davon aus, dass die Zeugin O. ebenso wie die Zeugin W. zum fraglichen Zeitpunkt vor Ort gewesen war. Da das weitere vom Landgericht mitgeteilte Ergebnis der vorangegangenen Beweisaufnahme die Wahrnehmungsmöglichkeit der benannten Zeugin nicht in Frage gestellt, sondern lediglich nicht bestätigt hat, waren zusätzliche ergänzende Ausführungen zur Konnexität im weiteren Sinne nicht erforderlich.
12
b) Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs fehlt einem Antrag, mit dem zum Nachweis einer bestimmten Beweistatsache ein bestimmtes Beweismittel bezeichnet wird, die Eigenschaft eines nach § 244 Abs. 3 bis 6 StPO zu bescheidenden Beweisantrages, wenn die Beweisbehauptung ohne jeden tatsächlichen Anhaltspunkt und ohne begründete Vermutung für ihre Richtigkeit aufs Geratewohl ins Blaue hinein aufgestellt wurde (vgl. BGH, Beschluss vom 3. November 2010 – 1 StR 497/10, NStZ 2011, 169 Tz. 7 f.; Urteil vom 4. Dezember 2008 – 1 StR 327/08, NStZ 2009, 226, 227; Beschluss vom 12. März 2008 – 2 StR 549/07, NStZ 2008, 474; Urteil vom 13. Juni 2007 – 4 StR 100/07, NStZ 2008, 52, 53; Beschlüsse vom 4. April 2006 – 4 StR 30/06, NStZ 2006, 405; vom 5. März 2003 – 2 StR 405/02, BGHR StPO § 244 Abs. 6 Beweisantrag 39; vom 5. Februar 2002 – 3 StR 482/01, NStZ 2002, 383; Urteil vom 12. Juni 1997 – 5 StR 58/97, NJW 1997, 2762, 2764; Beschlüsse vom 10. November 1992 – 5 StR 474/92, NStZ 1993, 143, 144; vom 31. März 1989 – 3 StR 486/88, BGHR StPO § 244 Abs. 6 Beweisantrag 8 mwN zur früheren Rspr.; offen gelassen in BGH, Beschlüsse vom 19. September 2007 – 3 StR 354/07, StV 2008, 9; vom 20. Juli 2010 – 3 StR 218/10, StraFo 2010, 466). Ob eine solche nicht ernstlich gemeinte Beweisbehauptung gege- ben ist, beurteilt sich aus der Sicht eines verständigen Antragstellers auf der Grundlage der von ihm selbst nicht in Frage gestellten Tatsachen (vgl. BGH, Beschluss vom 3. November 2010 – 1 StR 497/10 aaO), wobei zu beachten ist, dass es dem Antragsteller grundsätzlich nicht verwehrt sein kann, auch solche Tatsachen unter Beweis zu stellen, die er lediglich für möglich hält oder nur vermutet (vgl. BGH, Beschlüsse vom 4. April 2006 – 4 StR 30/06 aaO, vom 31. März 1989 – 3 StR 486/88 aaO). Nicht ausreichend ist, dass die bisherige Beweisaufnahme keine Anhaltspunkte für die Richtigkeit der Beweisbehauptung ergeben hat (BGH, Beschluss vom 5. Februar 2002 – 3 StR 482/01 aaO) oder dass die unter Beweis gestellte Tatsache objektiv ungewöhnlich oder unwahrscheinlich erscheint oder eine andere Möglichkeit näher gelegen hätte (BGH, Beschluss vom 12. März 2008 – 2 StR 549/07 aaO). Vielmehr wird für erforderlich gehalten, dass die Bestätigung der Beweisbehauptung aufgrund gesicherter bisheriger Beweisaufnahme offensichtlich unwahrscheinlich sein muss, was etwa anzunehmen sein soll, wenn eine Mehrzahl neutraler Zeugen eine Tatsache übereinstimmend bekundet hat und, ohne Beleg für entsprechende tatsächliche Anhaltspunkte, das Gegenteil in das Wissen eines völlig neu benannten Zeugen oder eines Zeugen gestellt wird, dessen Zuverlässigkeit naheliegenden Zweifeln begegnet (BGH, Beschlüsse vom 12. Juni 1997 – 5 StR 58/97 aaO; vom 5. Februar 2002 – 3 StR 482/01 aaO).
13
Von diesen Maßstäben ausgehend erweist sich die Begründung der Strafkammer, mit welcher sie das Vorliegen eines förmlichen Beweisantrages verneint hat, als nicht tragfähig. Der Umstand, dass die Zeugin W. nicht ausgesagt hat, dass die in dem Antrag benannte Zeugin O. weiter gehende Wahrnehmungen als die beiden zum selben Beweisthema bereits vernommenen Zeuginnen gemacht habe, belegt lediglich, dass die vorangegangene Beweisaufnahme keine Anhaltspunkte für die Richtigkeit der in das Wissen der Zeugin gestellten Beweisbehauptung erbracht hat. Darüber hinausgehende Beweisergebnisse, die geeignet sind, die Beweisbehauptung als offensichtlich haltlose Vermutung erscheinen zu lassen, hat das Landgericht nicht mitgeteilt. Dass der Geschädigte das Tatgeschehen im Rahmen seiner Vernehmung in der Hauptverhandlung abweichend von der unter Beweis gestellten Äußerung gegenüber der Zeugin O. geschildert hat, reicht für die Verneinung eines Beweisantrags ebenfalls nicht aus, weil die Beweisbehauptung gerade darauf abzielt, die Glaubhaftigkeit der Bekundungen des Geschädigten zu erschüttern (vgl. BGH, Beschluss vom 3. Juli 2007 – 5 StR 272/07, StraFo 2007, 378).
14
c) Der Beweisantrag des Verteidigers hätte somit vom Landgericht nach Maßgabe des § 244 Abs. 3 und 6 StPO beschieden werden müssen, was unterblieben ist. Da die Verurteilung des Angeklagten maßgeblich auf die als glaubhaft bewerteten Angaben des Geschädigten in der Hauptverhandlung gestützt ist, vermag der Senat nicht auszuschließen, dass das Urteil auf der fehlerhaften Behandlung des Antrages beruht.
Mutzbauer Cierniak Franke
Bender Quentin

Urteilsbesprechung zu Bundesgerichtshof Beschluss, 04. Dez. 2012 - 4 StR 372/12

Urteilsbesprechungen zu Bundesgerichtshof Beschluss, 04. Dez. 2012 - 4 StR 372/12

Referenzen - Gesetze

Strafprozeßordnung - StPO | § 244 Beweisaufnahme; Untersuchungsgrundsatz; Ablehnung von Beweisanträgen


(1) Nach der Vernehmung des Angeklagten folgt die Beweisaufnahme. (2) Das Gericht hat zur Erforschung der Wahrheit die Beweisaufnahme von Amts wegen auf alle Tatsachen und Beweismittel zu erstrecken, die für die Entscheidung von Bedeutung sind.
Bundesgerichtshof Beschluss, 04. Dez. 2012 - 4 StR 372/12 zitiert 3 §§.

Strafprozeßordnung - StPO | § 244 Beweisaufnahme; Untersuchungsgrundsatz; Ablehnung von Beweisanträgen


(1) Nach der Vernehmung des Angeklagten folgt die Beweisaufnahme. (2) Das Gericht hat zur Erforschung der Wahrheit die Beweisaufnahme von Amts wegen auf alle Tatsachen und Beweismittel zu erstrecken, die für die Entscheidung von Bedeutung sind.

Referenzen - Urteile

Bundesgerichtshof Beschluss, 04. Dez. 2012 - 4 StR 372/12 zitiert oder wird zitiert von 15 Urteil(en).

Bundesgerichtshof Beschluss, 04. Dez. 2012 - 4 StR 372/12 zitiert 10 Urteil(e) aus unserer Datenbank.

Bundesgerichtshof Beschluss, 17. Nov. 2009 - 4 StR 375/09

bei uns veröffentlicht am 17.11.2009

BUNDESGERICHTSHOF BESCHLUSS 4 StR 375/09 vom 17. November 2009 in der Strafsache gegen wegen bandenmäßigen unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge u.a. Der 4. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat auf Antrag, im Üb

Bundesgerichtshof Beschluss, 03. Nov. 2010 - 1 StR 497/10

bei uns veröffentlicht am 03.11.2010

BUNDESGERICHTSHOF BESCHLUSS 1 StR 497/10 vom 3. November 2010 in der Strafsache gegen BGHSt: nein BGHR: ja Nachschlagewerk: ja Veröffentlichung: ja StPO § 244 Abs. 3 Bedarf es der Darlegung der Konnexität, so hat der Antragsteller die Tatsa

Bundesgerichtshof Urteil, 13. Juni 2007 - 4 StR 100/07

bei uns veröffentlicht am 13.06.2007

BUNDESGERICHTSHOF IM NAMEN DES VOLKES Urteil 4 StR 100/07 vom 13. Juni 2007 in der Strafsache gegen wegen Vergewaltigung Der 4. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat in der Sitzung vom 13. Juni 2007, an der teilgenommen haben: Vorsitzende Richter

Bundesgerichtshof Beschluss, 03. Juli 2007 - 5 StR 272/07

bei uns veröffentlicht am 03.07.2007

5 StR 272/07 BUNDESGERICHTSHOF BESCHLUSS vom 3. Juli 2007 in der Strafsache gegen wegen gefährlicher Körperverletzung Der 5. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat am 3. Juli 2007 beschlossen: Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des

Bundesgerichtshof Beschluss, 19. Sept. 2007 - 3 StR 354/07

bei uns veröffentlicht am 19.09.2007

BUNDESGERICHTSHOF BESCHLUSS 3 StR 354/07 vom 19. September 2007 in der Strafsache gegen wegen Einfuhr von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge u. a. Der 3. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat auf Antrag des Generalbundesanwalts und nach Anh

Bundesgerichtshof Beschluss, 04. Apr. 2006 - 4 StR 30/06

bei uns veröffentlicht am 04.04.2006

BUNDESGERICHTSHOF BESCHLUSS 4 StR 30/06 vom 4. April 2006 in der Strafsache gegen wegen schweren sexuellen Missbrauchs eines Kindes u.a. Der 4. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat nach Anhörung des Generalbundesanwalts und des Beschwerdeführers

Bundesgerichtshof Beschluss, 12. März 2008 - 2 StR 549/07

bei uns veröffentlicht am 12.03.2008

BUNDESGERICHTSHOF BESCHLUSS 2 StR 549/07 vom 12. März 2008 in der Strafsache gegen 1. 2. 3. 4. wegen unerlaubter Einfuhr von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge u.a. Der 2. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat auf Antrag des Generalbundesa

Bundesgerichtshof Urteil, 04. Dez. 2008 - 1 StR 327/08

bei uns veröffentlicht am 04.12.2008

BUNDESGERICHTSHOF IM NAMEN DES VOLKES URTEIL 1 StR 327/08 vom 4. Dezember 2008 in der Strafsache gegen wegen Totschlags Der 1. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat in der Sitzung vom 4. Dezember 2008, an der teilgenommen haben: Vorsitzender Ric

Bundesgerichtshof Urteil, 14. Aug. 2008 - 3 StR 181/08

bei uns veröffentlicht am 14.08.2008

BUNDESGERICHTSHOF IM NAMEN DES VOLKES URTEIL 3 StR 181/08 vom 14. August 2008 in der Strafsache gegen wegen Betruges Der 3. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat aufgrund der Verhandlung vom 10. Juli 2008 in der Sitzung am 14. August 2008, an den

Bundesgerichtshof Beschluss, 20. Juli 2010 - 3 StR 218/10

bei uns veröffentlicht am 20.07.2010

BUNDESGERICHTSHOF BESCHLUSS 3 StR 218/10 vom 20. Juli 2010 in der Strafsache gegen wegen Körperverletzung mit Todesfolge Der 3. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat nach Anhörung des Beschwerdeführers und des Generalbundesanwalts - zu 2. auf dess
5 Urteil(e) in unserer Datenbank zitieren Bundesgerichtshof Beschluss, 04. Dez. 2012 - 4 StR 372/12.

Bundesgerichtshof Beschluss, 15. Jan. 2014 - 1 StR 379/13

bei uns veröffentlicht am 15.01.2014

BUNDESGERICHTSHOF BESCHLUSS 1 StR 379/13 vom 15. Januar 2014 in der Strafsache gegen wegen Steuerhinterziehung u.a. Der 1. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat am 15. Januar 2014 gemäß § 349 Abs. 4 StPO beschlossen: 1. Auf die Revision des Ange

Oberlandesgericht Bamberg Beschluss, 04. Okt. 2017 - 3 Ss OWi 1232/17

bei uns veröffentlicht am 04.10.2017

Tenor Tatbestand Das AG hat den Betr. am 02.05.2017 wegen fahrlässiger Nichteinhaltung des Mindestabstandes zu einem vorausfahrenden Fahrzeug (§ 4 I 1 StVO) zu einer Geldbuße von 200 Euro verurteilt und gegen ihn we

Verwaltungsgericht Aachen Urteil, 31. Aug. 2016 - 7 K 893/15.A

bei uns veröffentlicht am 31.08.2016

Tenor Die Klage wird abgewiesen. Die Kläger tragen gesamtschuldnerisch die Kosten des gerichtskostenfreien Verfahrens. 1T a t b e s t a n d 2Der am 00. Mai 1974 geborene Kläger zu 1), die am 00. Mai 1985 geborene Klägerin zu 2) und die am 01. Dezem

Bundesgerichtshof Beschluss, 08. Juli 2014 - 3 StR 240/14

bei uns veröffentlicht am 08.07.2014

BUNDESGERICHTSHOF BESCHLUSS 3 S t R 2 4 0 / 1 4 vom 8. Juli 2014 in der Strafsache gegen wegen gefährlicher Körperverletzung u.a. Der 3. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat nach Anhörung des Beschwerdeführers und des Generalbundesanwalts - zu 2.

Referenzen

(1) Nach der Vernehmung des Angeklagten folgt die Beweisaufnahme.

(2) Das Gericht hat zur Erforschung der Wahrheit die Beweisaufnahme von Amts wegen auf alle Tatsachen und Beweismittel zu erstrecken, die für die Entscheidung von Bedeutung sind.

(3) Ein Beweisantrag liegt vor, wenn der Antragsteller ernsthaft verlangt, Beweis über eine bestimmt behauptete konkrete Tatsache, die die Schuld- oder Rechtsfolgenfrage betrifft, durch ein bestimmt bezeichnetes Beweismittel zu erheben und dem Antrag zu entnehmen ist, weshalb das bezeichnete Beweismittel die behauptete Tatsache belegen können soll. Ein Beweisantrag ist abzulehnen, wenn die Erhebung des Beweises unzulässig ist. Im Übrigen darf ein Beweisantrag nur abgelehnt werden, wenn

1.
eine Beweiserhebung wegen Offenkundigkeit überflüssig ist,
2.
die Tatsache, die bewiesen werden soll, für die Entscheidung ohne Bedeutung ist,
3.
die Tatsache, die bewiesen werden soll, schon erwiesen ist,
4.
das Beweismittel völlig ungeeignet ist,
5.
das Beweismittel unerreichbar ist oder
6.
eine erhebliche Behauptung, die zur Entlastung des Angeklagten bewiesen werden soll, so behandelt werden kann, als wäre die behauptete Tatsache wahr.

(4) Ein Beweisantrag auf Vernehmung eines Sachverständigen kann, soweit nichts anderes bestimmt ist, auch abgelehnt werden, wenn das Gericht selbst die erforderliche Sachkunde besitzt. Die Anhörung eines weiteren Sachverständigen kann auch dann abgelehnt werden, wenn durch das frühere Gutachten das Gegenteil der behaupteten Tatsache bereits erwiesen ist; dies gilt nicht, wenn die Sachkunde des früheren Gutachters zweifelhaft ist, wenn sein Gutachten von unzutreffenden tatsächlichen Voraussetzungen ausgeht, wenn das Gutachten Widersprüche enthält oder wenn der neue Sachverständige über Forschungsmittel verfügt, die denen eines früheren Gutachters überlegen erscheinen.

(5) Ein Beweisantrag auf Einnahme eines Augenscheins kann abgelehnt werden, wenn der Augenschein nach dem pflichtgemäßen Ermessen des Gerichts zur Erforschung der Wahrheit nicht erforderlich ist. Unter derselben Voraussetzung kann auch ein Beweisantrag auf Vernehmung eines Zeugen abgelehnt werden, dessen Ladung im Ausland zu bewirken wäre. Ein Beweisantrag auf Verlesung eines Ausgangsdokuments kann abgelehnt werden, wenn nach pflichtgemäßem Ermessen des Gerichts kein Anlass besteht, an der inhaltlichen Übereinstimmung mit dem übertragenen Dokument zu zweifeln.

(6) Die Ablehnung eines Beweisantrages bedarf eines Gerichtsbeschlusses. Einer Ablehnung nach Satz 1 bedarf es nicht, wenn die beantragte Beweiserhebung nichts Sachdienliches zu Gunsten des Antragstellers erbringen kann, der Antragsteller sich dessen bewusst ist und er die Verschleppung des Verfahrens bezweckt; die Verfolgung anderer verfahrensfremder Ziele steht der Verschleppungsabsicht nicht entgegen. Nach Abschluss der von Amts wegen vorgesehenen Beweisaufnahme kann der Vorsitzende eine angemessene Frist zum Stellen von Beweisanträgen bestimmen. Beweisanträge, die nach Fristablauf gestellt werden, können im Urteil beschieden werden; dies gilt nicht, wenn die Stellung des Beweisantrags vor Fristablauf nicht möglich war. Wird ein Beweisantrag nach Fristablauf gestellt, sind die Tatsachen, die die Einhaltung der Frist unmöglich gemacht haben, mit dem Antrag glaubhaft zu machen.

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
1 StR 497/10
vom
3. November 2010
in der Strafsache
gegen
BGHSt: nein
BGHR: ja
Nachschlagewerk: ja
Veröffentlichung: ja
Bedarf es der Darlegung der Konnexität, so hat der Antragsteller
die Tatsachen, die diese begründen sollen, bestimmt
zu behaupten.
BGH, Beschluss vom 3. November 2010 - 1 StR 497/10 - LG
Mosbach
wegen schwerer räuberischer Erpressung u.a.
Der 1. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat am 3. November 2010 beschlossen
:
Die Revision des Angeklagten gegen das Urteil des Landgerichts
Mosbach vom 27. Mai 2010 wird als unbegründet verworfen.
Der Beschwerdeführer hat die Kosten des Rechtsmittels zu
tragen.

Gründe:


1
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen schwerer räuberischer Erpressung in Tateinheit mit Körperverletzung zu einer fünfjährigen Freiheitsstrafe verurteilt. Die hiergegen gerichtete Revision des Angeklagten hat aus den vom Generalbundesanwalt in seiner Antragsschrift vom 2. September 2010 dargelegten Gründen keinen Erfolg (§ 349 Abs. 2 StPO). Der ergänzenden Erörterung bedarf allein die neben der ausgeführten Sachrüge erhobene Verfahrensrüge , das Landgericht habe § 244 Abs. 3 StPO verletzt.
2
1. Dieses hat aufgrund der eintägigen Hauptverhandlung festgestellt, der inhaftierte Angeklagte habe den Mitinsassen S. durch mehrere Schläge gegen die Brust und durch die Drohung, ihm anderenfalls mit einer Billardkugel auf den Kopf zu schlagen, dazu gebracht, ihm einen Teil der von diesem gekauften Lebensmittel auszuhändigen, ohne dass der Angeklagte hierauf einen Anspruch gehabt hätte. Seine diesbezügliche Überzeugung hat es insbesondere auf die Angaben des als Zeugen gehörten S. sowie auf den Inhalt eines von diesem an seine Eltern gerichteten, im Rahmen der Postkontrolle sichergestellten Briefes gestützt, in dem er die Tat schildert.
3
2. Der Verfahrensrüge liegt folgendes Geschehen zugrunde: Im Rahmen seines Plädoyers stellte der Verteidiger „für den Fall, dass das Gericht den Angeklagten wegen … schwerer räuberischer Erpressung verurteilen möchte“, den Antrag, S. s Mutter als Zeugin zu hören zum Beweis der Tatsache, dass dieser ihr gegenüber „nach Abfassen des Briefes geschildert hat, dass er dem Angeklagten die Sachen freiwillig gegeben hat als Gegenleistung für Tabak und von anderen ´abgezockt` wurde“. In der Antragsbegründung heißt es, es sei „davon auszugehen, dass der Zeuge“ S. „von seiner Mutter bei dem nächsten Besuch nach dem Brief auf die Vorgänge angesprochen wurde und diese wie“ - nach den Feststellungen des Landgerichts zunächst durch den Angeklagten eingeschüchtert - „in der Hauptverhandlung geschildert“, d.h. sinngemäß angegeben hat, er hätte dem Angeklagten die Lebensmittel auch ohne Auseinandersetzung, also freiwillig gegeben. Die dem Verteidiger seitens der Strafkammer daraufhin gestellte Frage, ob ihm „nähere Informationen vorliegen, dass ein derartiges Gespräch zwischen dem Geschädigten und seiner Mutter stattgefunden hat“, wurde von diesem verneint. Diesbezüglich wurde - von der Revision nicht vorgetragen - im Hauptverhandlungsprotokoll folgendes protokolliert : „Auf Frage erklärte der Verteidiger, er wisse nicht, ob und was der Zeuge S. mit seiner Mutter gesprochen habe. Sein Hilfsbeweisantrag beruhe insoweit allein auf einer Vermutung“. Das Landgericht hat in seinem Urteil ausgeführt , „die Beweistatsache“ sei „demnach aufs Geratewohl behauptet, so dass nur ein Beweisermittlungsantrag vorliegt, dem nachzukommen die Aufklärungspflicht nicht geboten hat“.
4
3. Der Verfahrensrüge bleibt der Erfolg versagt.
5
a) Der Senat hat bereits erhebliche Bedenken, ob die Rüge den Anforderungen des § 344 Abs. 2 Satz 2 StPO genügt. Denn nach dieser Bestimmung sind die Verfahrenstatsachen so vollständig und aus sich heraus verständlich anzugeben, dass das Revisionsgericht allein anhand der Revisionsbegründung in die Lage versetzt wird, darüber - unter der Voraussetzung der Erweisbarkeit - endgültig zu entscheiden (BGH, Urteil vom 30. April 1999 - 3 StR 215/98, NStZ 1999, 396, 399 mwN). Hierzu hätte vorliegend die - wie dargelegt unterbliebene - Mitteilung gehört, dass das zwischen der Strafkammer und dem Verteidiger geführte Gespräch über dessen mögliche Erkenntnisse hinsichtlich der behaupteten Angaben des Zeugen S. seiner Mutter gegenüber einen - wie sich dem Hauptverhandlungsprotokoll entnehmen lässt - weitergehenden Inhalt gehabt hat, als ihn die Revision vorgetragen hat. Dieser lässt sich auch den ergänzend heranzuziehenden Urteilsgründen nicht vollständig entnehmen. Die Frage der Zulässigkeit kann jedoch offen bleiben, da die Verfahrensrüge jedenfalls unbegründet ist.
6
b) Denn die Verfahrensweise des Landgerichts hält rechtlicher Überprüfung stand, weil es den Antrag im Ergebnis zutreffend nicht als Beweisantrag angesehen hat. Der Senat lässt allerdings offen, ob das Landgericht den Antrag zu Recht als „aufs Geratewohl“ gestellt bewertet hat (aa). Denn jedenfalls handelte es sich deshalb lediglich um einen Beweisermittlungsantrag, weil die für einen Beweisantrag notwendige Konnexität zwischen Beweistatsache und Beweismittel nicht hinreichend bestimmt behauptet worden ist (bb).
7
aa) Allerdings muss einem Beweisbegehren nach bisheriger Rechtsprechung nicht (oder nur nach Maßgabe der Aufklärungspflicht) nachgegangen werden, wenn die Beweisbehauptung ohne jeden tatsächlichen Anhaltspunkt und ohne begründete Vermutung für ihre Richtigkeit aufs Geratewohl, d.h. „ins Blaue hinein“ aufgestellt wird, so dass es sich in Wahrheit nur um einen nicht ernst gemeinten, zum Schein gestellten Beweisantrag handelt. Ob es sich um einen solchen handelt, ist aus der Sicht eines "verständigen" Antragstellers auf der Grundlage der von ihm selbst nicht in Frage gestellten Tatsachen zu beurteilen (zusammenfassend BGH, Beschluss vom 12. März 2008 - 2 StR 549/07, NStZ 2008, 474 mwN; s. auch BGH, Urteil vom 12. Juni 1997 - 5 StR 58/97, NJW 1997, 2762, 2764; BGH, Beschluss vom 5. März 2003 - 2 StR 405/02, NStZ 2003, 497).
8
Was den insofern geltenden Maßstab angeht, soll einerseits von einer "ins Blaue hinein" aufgestellten Beweisbehauptung nicht schon dann gesprochen werden können, wenn die unter Beweis gestellte Tatsache objektiv ungewöhnlich oder unwahrscheinlich erscheint oder andere Möglichkeiten näher gelegen hätten (BGH, Beschluss vom 12. März 2008 - 2 StR 549/07, NStZ 2008, 474). Andererseits soll bei Sachverhalten, in denen keine sachlichen Anhaltspunkte dafür bestehen, eine sich aufdrängende Tatsache in Frage zu stellen, auf eine strenge Einhaltung der Anforderungen an einen Beweisantrag zum Zweck der Abgrenzung von sog. Pseudobehauptungen oder von „ins Blaue hinein“ bzw. aufs Geratewohl angestellten Vermutungen nicht verzichtet werden können (BGH, Urteil vom 14. April 1999 - 3 StR 22/99, NJW 1999, 2683, 2684).
9
Hieran gemessen hat der Senat Zweifel, ob den von der Revision (erstmals mit ihrer Begründungsschrift) vorgebrachten, nach ihrer Auffassung für die aufgestellte Vermutung „ausreichenden Anhaltspunkte“ ein hinreichendes Gewicht zukommt, nämlich der Mitinhaftierte S. sei zum Zeitpunkt des Verfassens des Briefes 19 Jahre alt gewesen, aus diesem ergebe sich ein gutes Verhältnis zu der als Zeugin benannten Mutter, diese wohne ca. 180 Straßenkilometer von der Justizvollzugsanstalt entfernt und es sei schließlich die Regel, dass Gefangene von ihren Eltern besucht würden. Er braucht dies aber - wie ausgeführt - nicht zu entscheiden.
10
Ebenso braucht er sich nicht zu der vom 3. Strafsenat aufgeworfenen Frage zu äußern, ob überhaupt an der Rechtsprechung festzuhalten sei, dass einem Antrag, mit dem zum Nachweis einer bestimmten Beweistatsache ein konkretes Beweismittel bezeichnet wird, dennoch die Eigenschaft eines Beweisantrags fehlt, wenn es sich bei der Beweistatsache um eine ohne jede tatsächliche und argumentative Grundlage aufs Geratewohl aufgestellte Behauptung handelt (BGH, Beschluss vom 19. September 2007 - 3 StR 354/07, StV 2008, 9; BGH, Beschluss vom 20. Juli 2010 - 3 StR 218/10).
11
bb) Ein Beweisantrag i.S.d. § 244 StPO setzt als erstes Erfordernis die konkrete und bestimmte Behauptung einer Tatsache voraus. Zweitens ist ein bestimmtes Beweismittel zu benennen, mit dem der Nachweis der Tatsache geführt werden soll. Sind diese beiden Voraussetzungen erfüllt, kann je nach der Fallgestaltung eine dritte hinzutreten, die sog. Konnexität zwischen Beweismittel und Beweisbehauptung. Darunter ist im Falle des Zeugenbeweises zu verstehen, dass der Antrag erkennen lassen muss, weshalb der Zeuge überhaupt etwas zu dem Beweisthema bekunden können soll (BGH, Beschluss vom 17. November 2009 - 4 StR 375/09), etwa weil er am Tatort war, in der Nachbarschaft wohnt, eine Akte gelesen hat usw. (BGH, Urteil vom 28. November 1997 - 3 StR 114/97, BGHSt 43, 321, 329 f. mwN).
12
Dieser Zusammenhang zwischen Beweistatsache und Beweismittel wird sich in vielen Fällen von selbst verstehen. Es sind aber auch Konstellationen denkbar, in denen - vergleichbar gerade den in der Rechtsprechung unter den Begriffen der aufs Geratewohl aufgestellten, aus der Luft gegriffenen Behauptung abgehandelten Fällen - zwar konkrete und bestimmte Behauptungen aufgestellt werden, denen eigene Wahrnehmungen eines Zeugen zugrundeliegen sollen, der Antrag jedoch nicht erkennen lässt, weshalb der Zeuge seine Wahr- nehmung hat machen können. Verhält es sich so, bedarf es der näheren Darlegung des erforderlichen Zusammenhangs, der Konnexität zwischen Beweistatsache und Beweismittel (BGH, Urteil vom 28. November 1997 - 3 StR 114/97, BGHSt 43, 321, 330).
13
Ebenso wie die Beweistatsache - auch wenn sie ggf. vom Antragsteller lediglich als möglicherweise geschehen erachtet werden darf (BGH, Beschluss vom 10. November 1992 - 5 StR 474/92, NStZ 1993, 143; BGH, Beschluss vom 5. Februar 2002 - 3 StR 482/01, NStZ 2002, 383; BGH, Urteil vom 15. Dezember 2005 - 3 StR 201/05, NStZ 2006, 585, 586; BGH, Beschluss vom 4. April 2006 - 4 StR 30/06, NStZ 2006, 405) - und das Beweismittel bestimmt bezeichnet werden müssen, hat der Antragsteller auch die Tatsachen bestimmt zu behaupten , aus denen sich die Konnexität ergibt. Denn es muss dem Tatgericht plausibel gemacht werden, dass der benannte Zeuge in der Lage gewesen ist, die Beweistatsache wahrzunehmen (BGH, Urteil vom 10. Juni 2008 - 5 StR 38/08, BGHSt 52, 284, 287). In der Antragsbegründung ist daher insoweit ein nachvollziehbarer Grund anzugeben (BGH, Urteil vom 15. Dezember 2005 - 3 StR 201/05, NStZ 2006, 585, 586), zumal dann, wenn - wie hier - keine Anhaltspunkte dafür erkennbar sind, weshalb der Zeuge S. gegenüber seiner Mutter das Gegenteil dessen gesagt haben soll, was er zuvor in seinem ebenfalls an diese gerichteten Brief bekundet hatte (zur vergleichbaren Konstellation bei einer Aufklärungsrüge BGH, Beschluss vom 3. Juli 2007 - 1 StR 168/06, NStZ 2007, 165).
14
Diesem Erfordernis wird der vorliegend gestellte Antrag nicht gerecht. Denn er bezeichnet - worauf schon der Generalbundesanwalt in seiner Antragsschrift zutreffend hingewiesen hat - die Wahrnehmungssituation nicht bestimmt genug. Vielmehr lässt bereits der Antrag in seiner Gesamtheit erkennen, dass ihm lediglich die Vermutung zugrunde liegt, es habe ein - im Übrigen vor allem zeitlich nicht näher spezifiziertes - Gespräch mit dem behaupteten Inhalt gegeben. Der infolge dessen seitens des Gerichts mit dem Antragsteller aus Gründen der Fairness (vgl. BGH, Urteil vom 10. Juni 2008 - 5 StR 38/08, BGHSt 52, 284, 288) und verfassungsrechtlich unbedenklich (vgl. BVerfG, Beschluss vom 6. Oktober 2009 - 2 BvR 2580/08, NStZ 2010, 155) gesuchte Dialog hat dann dementsprechend eindeutig bestätigt, der „Hilfsbeweisantrag beruhe … allein auf einer Vermutung“.
15
c) Angesichts der gesamten Sach- und Beweislage brauchte sich das Landgericht auch nicht zu der in Rede stehenden weiteren Aufklärung gemäß § 244 Abs. 2 StPO gedrängt zu sehen.
VRiBGH Nack ist wegen Wahl Graf Urlaubsabwesenheit an der Unterschrift gehindert. Wahl Jäger Sander

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
4 StR 375/09
vom
17. November 2009
in der Strafsache
gegen
wegen bandenmäßigen unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in
nicht geringer Menge u.a.
Der 4. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat auf Antrag, im Übrigen nach Anhörung
des Generalbundesanwalts und nach Anhörung des Beschwerdeführers
am 17. November 2009 gemäß § 349 Abs. 2 und 4 StPO beschlossen:
1. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Bielefeld vom 21. Januar 2009, soweit es den Angeklagten L. betrifft, mit den Feststellungen aufgehoben, soweit eine Anordnung der Unterbringung des Angeklagten in einer Entziehungsanstalt unterblieben ist. 2. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels , an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen. 3. Die weiter gehende Revision wird verworfen.

Gründe:

1
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen bandenmäßigen Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in zwei Fällen und wegen unerlaubter Einfuhr von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in Tateinheit mit unerlaubtem Handeltreiben mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von acht Jahren und neun Monaten verurteilt. Hiergegen wendet sich der Angeklagte mit seiner Revision, mit der er die Verletzung sachlichen Rechts rügt. Das Rechtsmittel hat Erfolg, soweit das Landgericht eine Anordnung nach § 64 StGB nicht getroffen hat; im Übrigen ist es unbegründet im Sinne des § 349 Abs. 2 StPO.
2
1. Die Überprüfung des Urteils aufgrund der Revisionsrechtfertigung hat zum Schuld- und zum Rechtsfolgenausspruch keinen Rechtsfehler zum Nachteil des Angeklagten ergeben. Der Senat nimmt insoweit Bezug auf die zutreffenden Ausführungen in der Antragsschrift des Generalbundesanwalts vom 9. Oktober 2009.
3
2. Dagegen hält das angefochtene Urteil der rechtlichen Prüfung nicht stand, soweit das Landgericht davon abgesehen hat, die Unterbringung des Angeklagten in einer Entziehungsanstalt (§ 64 StGB) anzuordnen.
4
Nach den Feststellungen konsumierte der Angeklagte seit 1997 Heroin bis zu 3 g täglich. Im Dezember 2001 absolvierte er in einem russischen Krankenhaus eine dreiwöchige Entziehungsbehandlung. Danach wurde er wieder rückfällig. Im Rahmen der Vollstreckung einer längeren Freiheitsstrafe aus einer einschlägigen Verurteilung wurde die Vollstreckung des Strafrestes gemäß § 35 BtMG zurückgestellt. Der Angeklagte absolvierte von November 2003 bis Mai 2004 eine stationäre Entwöhnungsbehandlung. Im Jahr 2007 wurde der Angeklagte jedoch erneut rückfällig und konsumiert seither wiederum täglich 2 g Heroin. Die abgeurteilten Betäubungsmittelstraftaten beging der Angeklagte auch zur Finanzierung seines Heroinkonsums.
5
Das Landgericht hat eine Unterbringung des Angeklagten nach § 64 StGB als "nicht mehr angebracht" erachtet. Zur Begründung hat es lediglich darauf verwiesen, die stationäre Entwöhnungsbehandlung 2003/2004 sei ordnungsgemäß verlaufen, bis zum Straferlass im Jahr 2007 sei ein Konsum von illegalen Drogen nicht bekannt geworden, jedoch sei der Angeklagte seitdem erneut rückfällig geworden. Diese Begründung trägt - wie die Revision zu Recht beanstandet - die Ablehnung einer Anordnung nach § 64 StGB nicht.
6
Dass der Angeklagte einen Hang im Sinne dieser Vorschrift zum übermäßigen Drogenkonsum hat, versteht sich nach den Feststellungen des angefochtenen Urteils von selbst. Ebenso steht danach der für eine Anordnung nach § 64 StGB vorausgesetzte symptomatische Zusammenhang zwischen dem Hang und den abgeurteilten Betäubungsmittelstraftaten außer Frage. Schließlich liegt - schon angesichts der einschlägigen Vorverurteilung - hier auch eine negative Legalprognose nahe. Unter diesen Umständen lagen die Voraussetzungen vor, unter denen unbeschadet der Neufassung des § 64 Satz 1 StGB als "Soll"-Vorschrift (vgl. dazu Fischer StGB 56. Aufl. § 64 Rdn. 22, 23) nur im Ausnahmefall von der Anordnung der Unterbringung in einer Entziehungsanstalt abgesehen werden durfte, sofern - was der neue Tatrichter unter Hinzuziehung eines Sachverständigen zu klären haben wird (§ 246 a StPO) - bei dem Angeklagten eine hinreichende Erfolgsaussicht im Sinne des § 64 Satz 2 StGB zu bejahen ist.
7
Für den Fall, dass der neue Tatrichter eine Anordnung nach § 64 StGB trifft, wird er auch die voraussichtliche Dauer der Therapie festzustellen und dies bei der Entscheidung über den Vorwegvollzug eines Teils der erkannten Gesamtfreiheitsstrafe nach § 67 Abs. 2 Satz 2 und 3 StGB n.F. zu berücksichtigen haben.
8
3. Dass nur der Angeklagte Revision eingelegt hat, hindert die Aufhebung des Urteils wegen der unterbliebenen Anordnung nach § 64 StGB und die Zurückverweisung der Sache insoweit an das Landgericht nicht (BGHSt 37, 5).
9
Die Aufhebung wegen der unterbliebenen Anordnung nach § 64 StGB lässt den Strafausspruch unberührt. Denn der Senat schließt hier einen Zusammenhang zwischen der Straffestsetzung und einer Maßregelanordnung nach § 64 StGB aus. Tepperwien Maatz Athing Solin-Stojanović Franke

(1) Nach der Vernehmung des Angeklagten folgt die Beweisaufnahme.

(2) Das Gericht hat zur Erforschung der Wahrheit die Beweisaufnahme von Amts wegen auf alle Tatsachen und Beweismittel zu erstrecken, die für die Entscheidung von Bedeutung sind.

(3) Ein Beweisantrag liegt vor, wenn der Antragsteller ernsthaft verlangt, Beweis über eine bestimmt behauptete konkrete Tatsache, die die Schuld- oder Rechtsfolgenfrage betrifft, durch ein bestimmt bezeichnetes Beweismittel zu erheben und dem Antrag zu entnehmen ist, weshalb das bezeichnete Beweismittel die behauptete Tatsache belegen können soll. Ein Beweisantrag ist abzulehnen, wenn die Erhebung des Beweises unzulässig ist. Im Übrigen darf ein Beweisantrag nur abgelehnt werden, wenn

1.
eine Beweiserhebung wegen Offenkundigkeit überflüssig ist,
2.
die Tatsache, die bewiesen werden soll, für die Entscheidung ohne Bedeutung ist,
3.
die Tatsache, die bewiesen werden soll, schon erwiesen ist,
4.
das Beweismittel völlig ungeeignet ist,
5.
das Beweismittel unerreichbar ist oder
6.
eine erhebliche Behauptung, die zur Entlastung des Angeklagten bewiesen werden soll, so behandelt werden kann, als wäre die behauptete Tatsache wahr.

(4) Ein Beweisantrag auf Vernehmung eines Sachverständigen kann, soweit nichts anderes bestimmt ist, auch abgelehnt werden, wenn das Gericht selbst die erforderliche Sachkunde besitzt. Die Anhörung eines weiteren Sachverständigen kann auch dann abgelehnt werden, wenn durch das frühere Gutachten das Gegenteil der behaupteten Tatsache bereits erwiesen ist; dies gilt nicht, wenn die Sachkunde des früheren Gutachters zweifelhaft ist, wenn sein Gutachten von unzutreffenden tatsächlichen Voraussetzungen ausgeht, wenn das Gutachten Widersprüche enthält oder wenn der neue Sachverständige über Forschungsmittel verfügt, die denen eines früheren Gutachters überlegen erscheinen.

(5) Ein Beweisantrag auf Einnahme eines Augenscheins kann abgelehnt werden, wenn der Augenschein nach dem pflichtgemäßen Ermessen des Gerichts zur Erforschung der Wahrheit nicht erforderlich ist. Unter derselben Voraussetzung kann auch ein Beweisantrag auf Vernehmung eines Zeugen abgelehnt werden, dessen Ladung im Ausland zu bewirken wäre. Ein Beweisantrag auf Verlesung eines Ausgangsdokuments kann abgelehnt werden, wenn nach pflichtgemäßem Ermessen des Gerichts kein Anlass besteht, an der inhaltlichen Übereinstimmung mit dem übertragenen Dokument zu zweifeln.

(6) Die Ablehnung eines Beweisantrages bedarf eines Gerichtsbeschlusses. Einer Ablehnung nach Satz 1 bedarf es nicht, wenn die beantragte Beweiserhebung nichts Sachdienliches zu Gunsten des Antragstellers erbringen kann, der Antragsteller sich dessen bewusst ist und er die Verschleppung des Verfahrens bezweckt; die Verfolgung anderer verfahrensfremder Ziele steht der Verschleppungsabsicht nicht entgegen. Nach Abschluss der von Amts wegen vorgesehenen Beweisaufnahme kann der Vorsitzende eine angemessene Frist zum Stellen von Beweisanträgen bestimmen. Beweisanträge, die nach Fristablauf gestellt werden, können im Urteil beschieden werden; dies gilt nicht, wenn die Stellung des Beweisantrags vor Fristablauf nicht möglich war. Wird ein Beweisantrag nach Fristablauf gestellt, sind die Tatsachen, die die Einhaltung der Frist unmöglich gemacht haben, mit dem Antrag glaubhaft zu machen.

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
3 StR 181/08
vom
14. August 2008
in der Strafsache
gegen
wegen Betruges
Der 3. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat aufgrund der Verhandlung vom
10. Juli 2008 in der Sitzung am 14. August 2008, an denen teilgenommen haben
:
Vorsitzender Richter am Bundesgerichtshof
Becker,
die Richter am Bundesgerichtshof
Dr. Miebach,
Pfister,
von Lienen,
die Richterin am Bundesgerichtshof
Sost-Scheible,
Oberstaatsanwalt beim Bundesgerichtshof
- in der Verhandlung vom 10. Juli 2008 -,
Staatsanwalt
- bei der Verkündung am 14. August 2008 -
als Vertreter der Bundesanwaltschaft,
Rechtsanwalt
als Verteidiger,
Justizangestellte
- in der Verhandlung vom 10. Juli 2008 -,
Justizamtsinspektor
- bei der Verkündung am 14. August 2008 -
als Urkundsbeamte der Geschäftsstelle,

für Recht erkannt:
Die Revisionen der Angeklagten und der Staatsanwaltschaft gegen das Urteil des Landgerichts Osnabrück vom 1. November 2007 werden verworfen. Die Angeklagte trägt die Kosten ihres Rechtsmittels. Die Staatskasse hat die Kosten der Revision der Staatsanwaltschaft und die der Angeklagten dadurch entstandenen notwendigen Auslagen zu tragen.
Von Rechts wegen

Gründe:

1
Das Landgericht hat die Angeklagte wegen Betruges in zwölf Fällen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von zwei Jahren verurteilt und die Vollstreckung der Strafe zur Bewährung ausgesetzt. Gegen dieses Urteil wendet sich die Staatsanwaltschaft mit ihrer zu Ungunsten der Angeklagten eingelegten und auf den Rechtsfolgenausspruch beschränkten Revision, die vom Generalbundesanwalt vertreten wird. Sie beanstandet in sachlich-rechtlicher Hinsicht die Ablehnung gewerbsmäßigen Handelns der Angeklagten und wendet sich gegen die Aussetzung der Freiheitsstrafe zur Bewährung. Die Angeklagte macht mit ihrer Revision die Verletzung formellen und materiellen Rechts geltend.
2
Die Rechtsmittel haben keinen Erfolg.
3
I. Nach den Feststellungen befindet sich die Angeklagte seit dem Jahr 1991 in erheblichen finanziellen Schwierigkeiten. Im Jahr 1999 gab sie die ei- desstattliche Versicherung ab. Der Erwerb eines Anwesens, auf dem sie ein Gestüt betrieb, scheiterte, weil sie den Kaufpreis in Höhe von 1,7 Millionen DM nicht finanzieren konnte. Das Grundstück musste sie im März 2000 räumen.
4
Daraufhin pachtete die Angeklagte im September 2000 von der Zeugin M. das "Rittergut O. ", das sich in einem baulich desolaten Zustand befand. Es war von vorneherein geplant, dass die Angeklagte das Gut zu einem Preis erwerben sollte, der die Grundstücksbelastungen in Höhe von 6,8 Millionen € abdeckte. Da die Angeklagte über keine nennenswerten Barmittel, Einkünfte oder sonstiges Vermögen verfügte, wurde ihr der Pachtzins gestundet, der später mit dem Kaufpreis verrechnet werden sollte. Im August 2002 schloss die Angeklagte mit der Eigentümerin einen notariellen Kaufvertrag über den Erwerb des Ritterguts für 6,8 Millionen €.
5
Bereits im Jahr 2001 hatte ein Kreditvermittler der Angeklagten angeboten , mittels eines "selbsttilgenden Kredits" den Erwerb des Anwesens zu finanzieren. Das Konzept sah vor, auf "den internationalen Geldmärkten" einen Kredit in Höhe des doppelten Kaufpreises zu niedrigen Zinsen aufzunehmen. Mit einem Teil des Kreditbetrags sollte der Kaufpreis für das Rittergut finanziert, der andere Teil sollte hoch verzinst so angelegt werden, dass mit der erzielten Rendite der gesamte Kredit bedient werden konnte. Im August 2001 erteilte die U. -Bank der Angeklagten eine Zusage für eine Zwischenfinanzierung über 25 Millionen US-Dollar, verlangte jedoch für die Auszahlung des Kredits die Vorlage einer Bankgarantie. Diese konnte die Angeklagte trotz intensiver Bemühungen nicht erlangen. Die von ihr bei Dritten geborgten 500.000 US-Dollar oder Euro (das Urteil ist insoweit nicht eindeutig), die sie an zwei eingeschaltete Rechtsanwälte zur Beschaffung der Bankgarantie weiterleitete, wurden von diesen veruntreut. Der Kreditvermittler hielt die Angeklagte, auch unter Vorlage gefälschter Bestätigungsschreiben über die bevorstehende Gewährung des Kredits, über längere Zeit hin. Zu einer Auszahlung des Kredits kam es nicht.
6
Vor diesem Hintergrund schloss die Angeklagte in der Zeit zwischen Dezember 2000 und März 2004 im wesentlichen zum Zwecke des Umbaus und der Renovierung des Gutes 11 Werk- bzw. Dienstverträge und in einem Fall einen Kaufvertrag mit verschiedenen Vertragspartnern ab, wobei sie jeweils den Anschein erweckte, die zu erbringenden Leistungen bezahlen zu können. Dabei nahm sie zumindest billigend in Kauf, ihren Zahlungsverpflichtungen nicht nachkommen zu können. Bei Nachfragen zu ihrer Zahlungsfähigkeit, gab sie ihren Vertragspartnern gegenüber u. a. etwa wahrheitswidrig an, Geldbeträge in Millionenhöhe aus einer Erbschaft oder aus frei werdenden Festgeldern zu erwarten. Die für die Leistungen in Rechnung gestellten Beträge zwischen 350 und 19.000 € bezahlte sie nicht oder nicht vollständig, so dass ihren Vertragspartnern ein Schaden in Höhe von insgesamt etwa 100.000 € entstand.
7
II. Revision der Angeklagten.
8
1. Die Verfahrensrüge, mit der die Angeklagte beanstandet, das Landgericht habe durch die Zurückweisung eines Beweisbegehrens gegen § 244 Abs. 3 Satz 2, Abs. 6 StPO verstoßen, dringt im Ergebnis nicht durch.
9
a) Der Verteidiger hat in der Hauptverhandlung beantragt, den "Sachbearbeiter" des Finanzamts zum Beweis dafür zu vernehmen, dass die Angeklagte "im angeklagten Zeitraum insgesamt 939.475 € aus eigenen Mitteln für den Unterhalt und den Betrieb des Ritterguts ausgegeben", namentlich Krankenkassenbeiträge und Lohnsteuern beglichen und Handwerkerrechnungen in bar bezahlt habe. Die entsprechenden Summen seien durch Steuer- und Umsatzsteuerprüfungen rechtskräftig festgestellt worden. Von einer vollständigen Zahlungsunfähigkeit der Angeklagten könne deshalb nicht ausgegangen werden.
10
Die beantragte Beweiserhebung hat das Landgericht mit der Begründung abgelehnt, es fehle an der erforderlichen Konnexität zwischen Beweistatsache und Beweismittel. Der Sachbearbeiter des Finanzamts prüfe lediglich die steuerrechtliche Relevanz der ihm vorgelegten Unterlagen und befasse sich nicht mit den Hintergründen von Geldflüssen. Auch der "von ihm" gefertigte Steuerbescheid sage nichts über die Bewegungen auf den Konten der Angeklagten aus.
11
b) Hiergegen wendet sich die Revision letztlich ohne Erfolg.
12
Ein Verstoß gegen § 244 Abs. 6 StPO liegt - unabhängig davon, ob es sich bei dem Beweisbegehren um einen Beweisantrag handelte oder nicht - schon deswegen nicht vor, weil das Landgericht über das Begehren im Beschlusswege entschieden hat.
13
Jedenfalls auf der Grundlage der Auslegung des Antrags, wie sie das Landgericht vorgenommen hat (Vernehmung des "Steuerfestsetzungsbeamten" ), ist es nicht zu beanstanden, dass es dem Begehren den Charakter eines Beweisantrags abgesprochen hat. Dabei kann dahinstehen, ob mit dem Begriff der "Konnexität" ein eigenständiges konstitutives Element eines Beweisantrags benannt oder lediglich die notwendige Konkretisierung der Beweistatsache umschrieben wird. In der ersten Entscheidung des Bundesgerichtshofs, die den Begriff der Konnexität gebraucht, wird dieser allein in dem letztgenannten Sinne verwendet (BGHSt 40, 3, 6). Danach genügt es namentlich beim Antrag auf Zeugenbeweis nicht, nur das Beweisziel zu benennen; vielmehr sind in der Beweisbehauptung exakt die Tatsachen zu bezeichnen, die Gegenstand der eigenen Wahrnehmung des Zeugen gewesen sein sollen, da ansonsten die Ablehnungsgründe des § 244 Abs. 3 Satz 2 StPO auf das Beweisbegehren nicht sinnvoll und exakt angewendet werden können (vgl. BGHSt 39, 251, 253 f.).
Erst in späteren Judikaten ist ihm allmählich ein darüber hinausgehendes Verständnis beigelegt und daraus das Erfordernis abgeleitet worden, der Antrag müsse im Einzelfall noch zusätzliche Umstände darlegen, aus denen sich ergebe , "warum" der Zeuge die in sein Wissen gestellte Beobachtung gemacht haben könne; andernfalls ermangele dem Begehren die Qualität eines Beweisantrags (BGHSt 43, 321, 329 ff.; BGH NStZ 1998, 97; 1999, 522; 2000, 437, 438; 2001, 604, 605; NStZ-RR 2001, 43, 44; sehr weitgehend zuletzt BGH, Urt. vom 10. Juni 2008 - 5 StR 38/08; vgl. Fezer in FS für Meyer-Goßner S. 636: "Konnexität im weiteren Sinn"; offengelassen von BGH NStZ 2006, 585, 586).
14
Auf diese Fragen kommt es hier indessen nicht an; denn das Landgericht hat dem Begriff der Konnexität kein weitergehendes Verständnis als das in BGHSt 40, 3, 6 umschriebene beigelegt. Aus seinem Ablehnungsbeschluss wird deutlich, dass ihm im Kern nicht ersichtlich war, was zu den im Antrag behaupteten Tatsachen letztlich der eigenen Wahrnehmung des Veranlagungsbeamten unterlegen haben soll, und es sich daher an einer sinnvollen Prüfung des Antrags am Maßstab des § 244 Abs. 3 Satz 2 StPO gehindert sah.
15
Dies hat die Revision - zumindest in der schriftlichen Rechtsmittelbegründung - auch nicht näher beanstandet. Sie hat vielmehr gerügt, der Antrag sei tatsächlich nicht auf die Vernehmung des zuständigen Veranlagungsbeamten , sondern auf diejenige des für die Außenprüfung zuständigen Finanzbeamten gerichtet gewesen. Dieser verfüge kraft Gesetzes - was das Landgericht verkannt habe - über weitergehende Prüfungsbefugnisse und Erkenntnismöglichkeiten als der Veranlagungsbeamte, sei insbesondere nicht auf die Prüfung der ihm vorgelegten Unterlagen beschränkt und deshalb in der Lage, zu den unter Beweis gestellten Tatsachen Angaben zu machen. Hiermit kann die Angeklagte in der Revision indessen nicht mehr gehört werden.

16
Es mag zwar zutreffen, dass dem im Rahmen einer Außenprüfung tätigen Finanzbeamten grundsätzlich weitergehende Erkenntnismöglichkeiten zur Ermittlung der steuerlich relevanten Umstände zur Verfügung stehen als dem für die steuerliche Veranlagung zuständigen Beamten (vgl. Dreßler in Pump/Leibner, AO § 194 Rdn. 2 a, § 199 Rdn. 23). Ob vor diesem Hintergrund allein durch die eindeutige Benennung des zuständigen Außenprüfers als Zeugen bei sinngerechter Auslegung des weiteren Inhalts des Antrags die Beweistatsache im notwendigen Umfang (genauer Inhalt der Wahrnehmung des Außenprüfers ) konkretisiert und dem Begehren daher der Charakter eines Beweisantrags verliehen worden wäre, bedarf jedoch keiner Entscheidung. Denn der Antrag ist insoweit jedenfalls nicht derart klar, dass die Auslegung des Landgerichts, es solle der Veranlagungsbeamte vernommen werden, als von vornherein unverständlich und damit offensichtlich rechtsfehlerhaft zu qualifizieren wäre. Die eigentliche Beweisbehauptung, die Angeklagte habe "aus eigenen Mitteln" insgesamt 939.475,00 € ausgegeben, benennt ersichtlich nur ein Beweisziel; denn diese Umstände waren offenkundig nicht Gegenstand unmittelbarer Wahrnehmung eines Finanzbeamten. Auch war der zu vernehmende Zeuge nicht über Namen oder Funktionsbezeichnung individualisiert ("Zeugnis des Sachbearbeiters des Finanzamts Os. "). Die notwendige Konkretisierung von Beweisbehauptung und Beweismittel war daher nur durch eine Auslegung des Begehrens unter Heranziehung der Antragsbegründung zu gewinnen. Aber auch aus dieser ergibt sich zumindest nicht eindeutig, dass der zuständige Außenprüfer vernommen werden sollte. Eine entsprechende Zuständigkeitsbezeichnung befindet sich im Antrag an keiner Stelle. Zwar ist dort von "Steuerprüfungen inklusive Umsatzsteuersonderprüfungen" die Rede, was auf die Benennung des Außenprüfers hindeuten könnte. Andererseits wird aber auch auf die rechtskräftige Feststellung entsprechender Summen bzw. Zahlun- gen hingewiesen; derartige, der Bestandskraft fähige Feststellungen trifft aber gerade nicht der Außenprüfer, sondern der den Prüfungsbericht auswertende Veranlagungsbeamte (vgl. Dreßler aaO § 202 Rdn. 2, 14). Vor diesem Hintergrund ist es daher jedenfalls nicht unverständlich, dass das Landgericht den Antrag dahin verstanden hat, es solle der Veranlagungsbeamte vernommen werden, wobei nicht hinreichend präzisiert sei, was dessen eigene unmittelbare Wahrnehmung zu den behaupteten Zahlungen der Angeklagten und der Herkunft der dafür eingesetzten Gelder sein soll.
17
Bei dieser Sachlage hätte es dem Antragsteller, dem durch den Inhalt des Ablehnungsbeschlusses die Auslegung des Antrags durch das Landgericht offenbar geworden ist, oblegen, noch in der Hauptverhandlung das - vermeintliche - Missverständnis aufzuklären und durch einen entsprechenden Hinweis oder einen neuen Beweisantrag den von ihm benannten Zeugen sowie dessen genaue Wahrnehmung zu den aus seiner Sicht beweisrelevanten Umständen zu konkretisieren; denn jedenfalls dann, wenn die unzutreffende Auslegung eines Beweisantrags auch auf dessen missverständlicher Formulierung durch den Antragsteller beruht (vgl. BGH StV 2008, 227, 228), ist dieser gehalten, das Missverständnis des Gerichts noch in der Hauptverhandlung auszuräumen (vgl. BGH NStZ 2003, 381, 382; wistra 2007, 259, 260; BGHR StPO § 244 Abs. 3 Rügerecht 2; § 244 Abs. 6 Beweisantrag 3, 30, 42). Unterlässt er dies, so ist es ihm verwehrt, die unzutreffende Auslegung des Beweisantrags und dessen darauf beruhende rechtsfehlerhafte Ablehnung mit der Revision zu beanstanden. So liegt es hier.
18
c) Der Senat kann darüber hinaus auch ausschließen, dass das Urteil auf der unterbliebenen Beweiserhebung beruht.
19
Die Angeklagte hat eingeräumt, nicht über ausreichende Geldmittel verfügt zu haben, um einen für den Kauf und die Renovierung des Rittergutes erforderlichen Kredit bedienen zu können. Deshalb sei ihr das Konzept des "selbsttilgenden Kredits" als die einzige Möglichkeit erschienen, das Vorhaben zu finanzieren. Selbst wenn die Beweiserhebung das im Antrag benannte Beweisziel bestätigt hätte, kann in Anbetracht dieser Einlassung der Angeklagten ausgeschlossen werden, dass das Landgericht vor dem Hintergrund des Ergebnisses der weiteren Beweisaufnahme (insbesondere Täuschung ihrer Vertragspartner und Gläubiger über die ihr zu Gebote stehenden Finanzquellen) zu der Überzeugung gelangt wäre, die Angeklagte habe ernsthaft darauf vertraut, auch ohne Auskehrung des "selbsttilgenden Kredits" alle von ihr in Bezug auf das Rittergut eingegangenen Verbindlichkeiten in vollem Umfang begleichen zu können.
20
2. Auch in sachlich-rechtlicher Hinsicht weist das Urteil keinen Rechtsfehler zum Nachteil der Angeklagten auf.
21
III. Revision der Staatsanwaltschaft.
22
Der Revision der Staatsanwaltschaft bleibt der Erfolg ebenfalls versagt.
23
1. Die Begründung, mit welcher die Strafkammer das Vorliegen besonders schwerer Fälle des Betrugs nach § 263 Abs. 3 Satz 2 Nr. 1 StGB abgelehnt hat, hält im Ergebnis rechtlicher Prüfung stand. Das Landgericht hat die Anwendung des Regelbeispiels der Gewerbsmäßigkeit "nicht für angezeigt" gehalten, da nicht mit der erforderlichen Sicherheit habe festgestellt werden können, dass die Angeklagte beabsichtigt habe, ihren Lebensunterhalt alleine oder überwiegend aus der Begehung von Straftaten zu bestreiten, sondern die Taten nur begangen habe, um für sich, ihre Mutter und die Pferde eine "bewohnbare Unterkunft" zu erlangen.
24
Der Revision ist zuzugeben, dass diese Begründung Anlass gibt zu besorgen , das Landgericht könnte die an das Vorliegen von Gewerbsmäßigkeit zu stellenden Anforderungen überspannt und verkannt haben, dass das Gewinnstreben des gewerbsmäßig handelnden Täters nicht darauf gerichtet sein muss, seinen Lebensunterhalt "allein" oder "überwiegend" durch die Begehung von Straftaten zu bestreiten (vgl. BGH NStZ 2004, 265, 266).
25
Indes lassen die Ausführungen des Urteils noch hinreichend deutlich erkennen , dass die Strafkammer die Verwirklichung des Regelbeispiels nicht etwa - wie die Revision meint - aufgrund der Anwendung eines rechtlich unzutreffenden Maßstabs von vorneherein abgelehnt hat, sondern im Grundsatz von gewerbsmäßigem Handeln der Angeklagten ausgegangen ist, jedoch im Rahmen des ihr zustehenden Ermessens von der Annahme einer Regelwirkung im Sinne des § 263 Abs. 3 StGB abgesehen hat. Der einschränkenden, auf die Ausübung von Ermessen hinweisenden Formulierung, die Strafkammer halte die Anwendung des § 263 Abs. 3 Satz 2 Nr. 1 StGB "nicht für angezeigt", hätte es nicht bedurft, wenn das Landgericht bereits die Voraussetzungen der Gewerbsmäßigkeit für nicht gegeben erachtet hätte.
26
Die Ermessensentscheidung des Landgerichts ist tragfähig begründet. Die Indizwirkung eines Regelbeispiels kann durch besondere strafmildernde Umstände entkräftet werden, die für sich allein oder in ihrer Gesamtheit so schwer wiegen, dass die Anwendung des Strafrahmens für besonders schwere Fälle unangemessen erscheint (BGH NStZ 2004, 265, 266 m. w. N.). Als einen solchen besonders strafmildernden Umstand hat das Landgericht gewertet, dass die Angeklagte die Dienst- und Werkleistungen nur deshalb in Auftrag gab, um für sich, ihre Mutter und ihre Tiere eine "bewohnbare Unterkunft" zu schaffen, mit anderen Worten also nur deshalb betrügerisch handelte, um dringende und lebensnotwendige Bedürfnisse zu befriedigen.
27
Hiergegen ist rechtlich nichts zu erinnern. Die Erwägung widerspricht insbesondere nicht den getroffenen Feststellungen zu Art und Umfang der erbrachten Leistungen. Soweit die Beschwerdeführerin die Begründung des Landgerichts in tatsächlicher Hinsicht als unzutreffend erachtet, beruft sie sich auf urteilsfremdes und deshalb im Revisionsverfahren unbeachtliches Vorbringen. Dass die Strafkammer im Rahmen der von ihr vorzunehmenden Gesamtwürdigung frühere Verurteilungen der Angeklagten zu Geldstrafen außer Acht gelassen hat, kann der Senat ausschließen.
28
2. Auch die Entscheidung über die Strafaussetzung zur Bewährung weist keinen durchgreifenden Rechtsfehler auf.
29
Nach dem eingeschränkten revisionsrechtlichen Prüfungsmaßstab hat die Annahme besonderer Umstände im Sinne des § 56 Abs. 2 StGB Bestand. Soweit die Strafkammer dabei maßgeblich darauf abgestellt hat, der Schuldgehalt der Taten wiege durch die zumindest vage bestehende Hoffnung der Angeklagten auf Auszahlung des "selbsttilgenden Kredits" weniger schwer, ist dies vor dem Hintergrund der festgestellten Bemühungen der Angeklagten um den Kredit und der Tatsache, dass sie in diesem Zusammenhang letztlich selbst Opfer eines Betrugs geworden ist, aus Rechtsgründen nicht zu beanstanden. Dass die Strafkammer bei ihrer Entscheidung die vom Generalbundesanwalt aufgeführten Umstände außer Acht gelassen hat, kann der Senat ausschließen.
30
Die Voraussetzungen des § 56 Abs. 3 StGB hat das Landgericht ebenfalls mit rechtsfehlerfreien Erwägungen verneint. Becker Miebach Pfister von Lienen Sost-Scheible

(1) Nach der Vernehmung des Angeklagten folgt die Beweisaufnahme.

(2) Das Gericht hat zur Erforschung der Wahrheit die Beweisaufnahme von Amts wegen auf alle Tatsachen und Beweismittel zu erstrecken, die für die Entscheidung von Bedeutung sind.

(3) Ein Beweisantrag liegt vor, wenn der Antragsteller ernsthaft verlangt, Beweis über eine bestimmt behauptete konkrete Tatsache, die die Schuld- oder Rechtsfolgenfrage betrifft, durch ein bestimmt bezeichnetes Beweismittel zu erheben und dem Antrag zu entnehmen ist, weshalb das bezeichnete Beweismittel die behauptete Tatsache belegen können soll. Ein Beweisantrag ist abzulehnen, wenn die Erhebung des Beweises unzulässig ist. Im Übrigen darf ein Beweisantrag nur abgelehnt werden, wenn

1.
eine Beweiserhebung wegen Offenkundigkeit überflüssig ist,
2.
die Tatsache, die bewiesen werden soll, für die Entscheidung ohne Bedeutung ist,
3.
die Tatsache, die bewiesen werden soll, schon erwiesen ist,
4.
das Beweismittel völlig ungeeignet ist,
5.
das Beweismittel unerreichbar ist oder
6.
eine erhebliche Behauptung, die zur Entlastung des Angeklagten bewiesen werden soll, so behandelt werden kann, als wäre die behauptete Tatsache wahr.

(4) Ein Beweisantrag auf Vernehmung eines Sachverständigen kann, soweit nichts anderes bestimmt ist, auch abgelehnt werden, wenn das Gericht selbst die erforderliche Sachkunde besitzt. Die Anhörung eines weiteren Sachverständigen kann auch dann abgelehnt werden, wenn durch das frühere Gutachten das Gegenteil der behaupteten Tatsache bereits erwiesen ist; dies gilt nicht, wenn die Sachkunde des früheren Gutachters zweifelhaft ist, wenn sein Gutachten von unzutreffenden tatsächlichen Voraussetzungen ausgeht, wenn das Gutachten Widersprüche enthält oder wenn der neue Sachverständige über Forschungsmittel verfügt, die denen eines früheren Gutachters überlegen erscheinen.

(5) Ein Beweisantrag auf Einnahme eines Augenscheins kann abgelehnt werden, wenn der Augenschein nach dem pflichtgemäßen Ermessen des Gerichts zur Erforschung der Wahrheit nicht erforderlich ist. Unter derselben Voraussetzung kann auch ein Beweisantrag auf Vernehmung eines Zeugen abgelehnt werden, dessen Ladung im Ausland zu bewirken wäre. Ein Beweisantrag auf Verlesung eines Ausgangsdokuments kann abgelehnt werden, wenn nach pflichtgemäßem Ermessen des Gerichts kein Anlass besteht, an der inhaltlichen Übereinstimmung mit dem übertragenen Dokument zu zweifeln.

(6) Die Ablehnung eines Beweisantrages bedarf eines Gerichtsbeschlusses. Einer Ablehnung nach Satz 1 bedarf es nicht, wenn die beantragte Beweiserhebung nichts Sachdienliches zu Gunsten des Antragstellers erbringen kann, der Antragsteller sich dessen bewusst ist und er die Verschleppung des Verfahrens bezweckt; die Verfolgung anderer verfahrensfremder Ziele steht der Verschleppungsabsicht nicht entgegen. Nach Abschluss der von Amts wegen vorgesehenen Beweisaufnahme kann der Vorsitzende eine angemessene Frist zum Stellen von Beweisanträgen bestimmen. Beweisanträge, die nach Fristablauf gestellt werden, können im Urteil beschieden werden; dies gilt nicht, wenn die Stellung des Beweisantrags vor Fristablauf nicht möglich war. Wird ein Beweisantrag nach Fristablauf gestellt, sind die Tatsachen, die die Einhaltung der Frist unmöglich gemacht haben, mit dem Antrag glaubhaft zu machen.

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
4 StR 375/09
vom
17. November 2009
in der Strafsache
gegen
wegen bandenmäßigen unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in
nicht geringer Menge u.a.
Der 4. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat auf Antrag, im Übrigen nach Anhörung
des Generalbundesanwalts und nach Anhörung des Beschwerdeführers
am 17. November 2009 gemäß § 349 Abs. 2 und 4 StPO beschlossen:
1. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Bielefeld vom 21. Januar 2009, soweit es den Angeklagten L. betrifft, mit den Feststellungen aufgehoben, soweit eine Anordnung der Unterbringung des Angeklagten in einer Entziehungsanstalt unterblieben ist. 2. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels , an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen. 3. Die weiter gehende Revision wird verworfen.

Gründe:

1
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen bandenmäßigen Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in zwei Fällen und wegen unerlaubter Einfuhr von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in Tateinheit mit unerlaubtem Handeltreiben mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von acht Jahren und neun Monaten verurteilt. Hiergegen wendet sich der Angeklagte mit seiner Revision, mit der er die Verletzung sachlichen Rechts rügt. Das Rechtsmittel hat Erfolg, soweit das Landgericht eine Anordnung nach § 64 StGB nicht getroffen hat; im Übrigen ist es unbegründet im Sinne des § 349 Abs. 2 StPO.
2
1. Die Überprüfung des Urteils aufgrund der Revisionsrechtfertigung hat zum Schuld- und zum Rechtsfolgenausspruch keinen Rechtsfehler zum Nachteil des Angeklagten ergeben. Der Senat nimmt insoweit Bezug auf die zutreffenden Ausführungen in der Antragsschrift des Generalbundesanwalts vom 9. Oktober 2009.
3
2. Dagegen hält das angefochtene Urteil der rechtlichen Prüfung nicht stand, soweit das Landgericht davon abgesehen hat, die Unterbringung des Angeklagten in einer Entziehungsanstalt (§ 64 StGB) anzuordnen.
4
Nach den Feststellungen konsumierte der Angeklagte seit 1997 Heroin bis zu 3 g täglich. Im Dezember 2001 absolvierte er in einem russischen Krankenhaus eine dreiwöchige Entziehungsbehandlung. Danach wurde er wieder rückfällig. Im Rahmen der Vollstreckung einer längeren Freiheitsstrafe aus einer einschlägigen Verurteilung wurde die Vollstreckung des Strafrestes gemäß § 35 BtMG zurückgestellt. Der Angeklagte absolvierte von November 2003 bis Mai 2004 eine stationäre Entwöhnungsbehandlung. Im Jahr 2007 wurde der Angeklagte jedoch erneut rückfällig und konsumiert seither wiederum täglich 2 g Heroin. Die abgeurteilten Betäubungsmittelstraftaten beging der Angeklagte auch zur Finanzierung seines Heroinkonsums.
5
Das Landgericht hat eine Unterbringung des Angeklagten nach § 64 StGB als "nicht mehr angebracht" erachtet. Zur Begründung hat es lediglich darauf verwiesen, die stationäre Entwöhnungsbehandlung 2003/2004 sei ordnungsgemäß verlaufen, bis zum Straferlass im Jahr 2007 sei ein Konsum von illegalen Drogen nicht bekannt geworden, jedoch sei der Angeklagte seitdem erneut rückfällig geworden. Diese Begründung trägt - wie die Revision zu Recht beanstandet - die Ablehnung einer Anordnung nach § 64 StGB nicht.
6
Dass der Angeklagte einen Hang im Sinne dieser Vorschrift zum übermäßigen Drogenkonsum hat, versteht sich nach den Feststellungen des angefochtenen Urteils von selbst. Ebenso steht danach der für eine Anordnung nach § 64 StGB vorausgesetzte symptomatische Zusammenhang zwischen dem Hang und den abgeurteilten Betäubungsmittelstraftaten außer Frage. Schließlich liegt - schon angesichts der einschlägigen Vorverurteilung - hier auch eine negative Legalprognose nahe. Unter diesen Umständen lagen die Voraussetzungen vor, unter denen unbeschadet der Neufassung des § 64 Satz 1 StGB als "Soll"-Vorschrift (vgl. dazu Fischer StGB 56. Aufl. § 64 Rdn. 22, 23) nur im Ausnahmefall von der Anordnung der Unterbringung in einer Entziehungsanstalt abgesehen werden durfte, sofern - was der neue Tatrichter unter Hinzuziehung eines Sachverständigen zu klären haben wird (§ 246 a StPO) - bei dem Angeklagten eine hinreichende Erfolgsaussicht im Sinne des § 64 Satz 2 StGB zu bejahen ist.
7
Für den Fall, dass der neue Tatrichter eine Anordnung nach § 64 StGB trifft, wird er auch die voraussichtliche Dauer der Therapie festzustellen und dies bei der Entscheidung über den Vorwegvollzug eines Teils der erkannten Gesamtfreiheitsstrafe nach § 67 Abs. 2 Satz 2 und 3 StGB n.F. zu berücksichtigen haben.
8
3. Dass nur der Angeklagte Revision eingelegt hat, hindert die Aufhebung des Urteils wegen der unterbliebenen Anordnung nach § 64 StGB und die Zurückverweisung der Sache insoweit an das Landgericht nicht (BGHSt 37, 5).
9
Die Aufhebung wegen der unterbliebenen Anordnung nach § 64 StGB lässt den Strafausspruch unberührt. Denn der Senat schließt hier einen Zusammenhang zwischen der Straffestsetzung und einer Maßregelanordnung nach § 64 StGB aus. Tepperwien Maatz Athing Solin-Stojanović Franke

(1) Nach der Vernehmung des Angeklagten folgt die Beweisaufnahme.

(2) Das Gericht hat zur Erforschung der Wahrheit die Beweisaufnahme von Amts wegen auf alle Tatsachen und Beweismittel zu erstrecken, die für die Entscheidung von Bedeutung sind.

(3) Ein Beweisantrag liegt vor, wenn der Antragsteller ernsthaft verlangt, Beweis über eine bestimmt behauptete konkrete Tatsache, die die Schuld- oder Rechtsfolgenfrage betrifft, durch ein bestimmt bezeichnetes Beweismittel zu erheben und dem Antrag zu entnehmen ist, weshalb das bezeichnete Beweismittel die behauptete Tatsache belegen können soll. Ein Beweisantrag ist abzulehnen, wenn die Erhebung des Beweises unzulässig ist. Im Übrigen darf ein Beweisantrag nur abgelehnt werden, wenn

1.
eine Beweiserhebung wegen Offenkundigkeit überflüssig ist,
2.
die Tatsache, die bewiesen werden soll, für die Entscheidung ohne Bedeutung ist,
3.
die Tatsache, die bewiesen werden soll, schon erwiesen ist,
4.
das Beweismittel völlig ungeeignet ist,
5.
das Beweismittel unerreichbar ist oder
6.
eine erhebliche Behauptung, die zur Entlastung des Angeklagten bewiesen werden soll, so behandelt werden kann, als wäre die behauptete Tatsache wahr.

(4) Ein Beweisantrag auf Vernehmung eines Sachverständigen kann, soweit nichts anderes bestimmt ist, auch abgelehnt werden, wenn das Gericht selbst die erforderliche Sachkunde besitzt. Die Anhörung eines weiteren Sachverständigen kann auch dann abgelehnt werden, wenn durch das frühere Gutachten das Gegenteil der behaupteten Tatsache bereits erwiesen ist; dies gilt nicht, wenn die Sachkunde des früheren Gutachters zweifelhaft ist, wenn sein Gutachten von unzutreffenden tatsächlichen Voraussetzungen ausgeht, wenn das Gutachten Widersprüche enthält oder wenn der neue Sachverständige über Forschungsmittel verfügt, die denen eines früheren Gutachters überlegen erscheinen.

(5) Ein Beweisantrag auf Einnahme eines Augenscheins kann abgelehnt werden, wenn der Augenschein nach dem pflichtgemäßen Ermessen des Gerichts zur Erforschung der Wahrheit nicht erforderlich ist. Unter derselben Voraussetzung kann auch ein Beweisantrag auf Vernehmung eines Zeugen abgelehnt werden, dessen Ladung im Ausland zu bewirken wäre. Ein Beweisantrag auf Verlesung eines Ausgangsdokuments kann abgelehnt werden, wenn nach pflichtgemäßem Ermessen des Gerichts kein Anlass besteht, an der inhaltlichen Übereinstimmung mit dem übertragenen Dokument zu zweifeln.

(6) Die Ablehnung eines Beweisantrages bedarf eines Gerichtsbeschlusses. Einer Ablehnung nach Satz 1 bedarf es nicht, wenn die beantragte Beweiserhebung nichts Sachdienliches zu Gunsten des Antragstellers erbringen kann, der Antragsteller sich dessen bewusst ist und er die Verschleppung des Verfahrens bezweckt; die Verfolgung anderer verfahrensfremder Ziele steht der Verschleppungsabsicht nicht entgegen. Nach Abschluss der von Amts wegen vorgesehenen Beweisaufnahme kann der Vorsitzende eine angemessene Frist zum Stellen von Beweisanträgen bestimmen. Beweisanträge, die nach Fristablauf gestellt werden, können im Urteil beschieden werden; dies gilt nicht, wenn die Stellung des Beweisantrags vor Fristablauf nicht möglich war. Wird ein Beweisantrag nach Fristablauf gestellt, sind die Tatsachen, die die Einhaltung der Frist unmöglich gemacht haben, mit dem Antrag glaubhaft zu machen.

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
1 StR 497/10
vom
3. November 2010
in der Strafsache
gegen
BGHSt: nein
BGHR: ja
Nachschlagewerk: ja
Veröffentlichung: ja
Bedarf es der Darlegung der Konnexität, so hat der Antragsteller
die Tatsachen, die diese begründen sollen, bestimmt
zu behaupten.
BGH, Beschluss vom 3. November 2010 - 1 StR 497/10 - LG
Mosbach
wegen schwerer räuberischer Erpressung u.a.
Der 1. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat am 3. November 2010 beschlossen
:
Die Revision des Angeklagten gegen das Urteil des Landgerichts
Mosbach vom 27. Mai 2010 wird als unbegründet verworfen.
Der Beschwerdeführer hat die Kosten des Rechtsmittels zu
tragen.

Gründe:


1
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen schwerer räuberischer Erpressung in Tateinheit mit Körperverletzung zu einer fünfjährigen Freiheitsstrafe verurteilt. Die hiergegen gerichtete Revision des Angeklagten hat aus den vom Generalbundesanwalt in seiner Antragsschrift vom 2. September 2010 dargelegten Gründen keinen Erfolg (§ 349 Abs. 2 StPO). Der ergänzenden Erörterung bedarf allein die neben der ausgeführten Sachrüge erhobene Verfahrensrüge , das Landgericht habe § 244 Abs. 3 StPO verletzt.
2
1. Dieses hat aufgrund der eintägigen Hauptverhandlung festgestellt, der inhaftierte Angeklagte habe den Mitinsassen S. durch mehrere Schläge gegen die Brust und durch die Drohung, ihm anderenfalls mit einer Billardkugel auf den Kopf zu schlagen, dazu gebracht, ihm einen Teil der von diesem gekauften Lebensmittel auszuhändigen, ohne dass der Angeklagte hierauf einen Anspruch gehabt hätte. Seine diesbezügliche Überzeugung hat es insbesondere auf die Angaben des als Zeugen gehörten S. sowie auf den Inhalt eines von diesem an seine Eltern gerichteten, im Rahmen der Postkontrolle sichergestellten Briefes gestützt, in dem er die Tat schildert.
3
2. Der Verfahrensrüge liegt folgendes Geschehen zugrunde: Im Rahmen seines Plädoyers stellte der Verteidiger „für den Fall, dass das Gericht den Angeklagten wegen … schwerer räuberischer Erpressung verurteilen möchte“, den Antrag, S. s Mutter als Zeugin zu hören zum Beweis der Tatsache, dass dieser ihr gegenüber „nach Abfassen des Briefes geschildert hat, dass er dem Angeklagten die Sachen freiwillig gegeben hat als Gegenleistung für Tabak und von anderen ´abgezockt` wurde“. In der Antragsbegründung heißt es, es sei „davon auszugehen, dass der Zeuge“ S. „von seiner Mutter bei dem nächsten Besuch nach dem Brief auf die Vorgänge angesprochen wurde und diese wie“ - nach den Feststellungen des Landgerichts zunächst durch den Angeklagten eingeschüchtert - „in der Hauptverhandlung geschildert“, d.h. sinngemäß angegeben hat, er hätte dem Angeklagten die Lebensmittel auch ohne Auseinandersetzung, also freiwillig gegeben. Die dem Verteidiger seitens der Strafkammer daraufhin gestellte Frage, ob ihm „nähere Informationen vorliegen, dass ein derartiges Gespräch zwischen dem Geschädigten und seiner Mutter stattgefunden hat“, wurde von diesem verneint. Diesbezüglich wurde - von der Revision nicht vorgetragen - im Hauptverhandlungsprotokoll folgendes protokolliert : „Auf Frage erklärte der Verteidiger, er wisse nicht, ob und was der Zeuge S. mit seiner Mutter gesprochen habe. Sein Hilfsbeweisantrag beruhe insoweit allein auf einer Vermutung“. Das Landgericht hat in seinem Urteil ausgeführt , „die Beweistatsache“ sei „demnach aufs Geratewohl behauptet, so dass nur ein Beweisermittlungsantrag vorliegt, dem nachzukommen die Aufklärungspflicht nicht geboten hat“.
4
3. Der Verfahrensrüge bleibt der Erfolg versagt.
5
a) Der Senat hat bereits erhebliche Bedenken, ob die Rüge den Anforderungen des § 344 Abs. 2 Satz 2 StPO genügt. Denn nach dieser Bestimmung sind die Verfahrenstatsachen so vollständig und aus sich heraus verständlich anzugeben, dass das Revisionsgericht allein anhand der Revisionsbegründung in die Lage versetzt wird, darüber - unter der Voraussetzung der Erweisbarkeit - endgültig zu entscheiden (BGH, Urteil vom 30. April 1999 - 3 StR 215/98, NStZ 1999, 396, 399 mwN). Hierzu hätte vorliegend die - wie dargelegt unterbliebene - Mitteilung gehört, dass das zwischen der Strafkammer und dem Verteidiger geführte Gespräch über dessen mögliche Erkenntnisse hinsichtlich der behaupteten Angaben des Zeugen S. seiner Mutter gegenüber einen - wie sich dem Hauptverhandlungsprotokoll entnehmen lässt - weitergehenden Inhalt gehabt hat, als ihn die Revision vorgetragen hat. Dieser lässt sich auch den ergänzend heranzuziehenden Urteilsgründen nicht vollständig entnehmen. Die Frage der Zulässigkeit kann jedoch offen bleiben, da die Verfahrensrüge jedenfalls unbegründet ist.
6
b) Denn die Verfahrensweise des Landgerichts hält rechtlicher Überprüfung stand, weil es den Antrag im Ergebnis zutreffend nicht als Beweisantrag angesehen hat. Der Senat lässt allerdings offen, ob das Landgericht den Antrag zu Recht als „aufs Geratewohl“ gestellt bewertet hat (aa). Denn jedenfalls handelte es sich deshalb lediglich um einen Beweisermittlungsantrag, weil die für einen Beweisantrag notwendige Konnexität zwischen Beweistatsache und Beweismittel nicht hinreichend bestimmt behauptet worden ist (bb).
7
aa) Allerdings muss einem Beweisbegehren nach bisheriger Rechtsprechung nicht (oder nur nach Maßgabe der Aufklärungspflicht) nachgegangen werden, wenn die Beweisbehauptung ohne jeden tatsächlichen Anhaltspunkt und ohne begründete Vermutung für ihre Richtigkeit aufs Geratewohl, d.h. „ins Blaue hinein“ aufgestellt wird, so dass es sich in Wahrheit nur um einen nicht ernst gemeinten, zum Schein gestellten Beweisantrag handelt. Ob es sich um einen solchen handelt, ist aus der Sicht eines "verständigen" Antragstellers auf der Grundlage der von ihm selbst nicht in Frage gestellten Tatsachen zu beurteilen (zusammenfassend BGH, Beschluss vom 12. März 2008 - 2 StR 549/07, NStZ 2008, 474 mwN; s. auch BGH, Urteil vom 12. Juni 1997 - 5 StR 58/97, NJW 1997, 2762, 2764; BGH, Beschluss vom 5. März 2003 - 2 StR 405/02, NStZ 2003, 497).
8
Was den insofern geltenden Maßstab angeht, soll einerseits von einer "ins Blaue hinein" aufgestellten Beweisbehauptung nicht schon dann gesprochen werden können, wenn die unter Beweis gestellte Tatsache objektiv ungewöhnlich oder unwahrscheinlich erscheint oder andere Möglichkeiten näher gelegen hätten (BGH, Beschluss vom 12. März 2008 - 2 StR 549/07, NStZ 2008, 474). Andererseits soll bei Sachverhalten, in denen keine sachlichen Anhaltspunkte dafür bestehen, eine sich aufdrängende Tatsache in Frage zu stellen, auf eine strenge Einhaltung der Anforderungen an einen Beweisantrag zum Zweck der Abgrenzung von sog. Pseudobehauptungen oder von „ins Blaue hinein“ bzw. aufs Geratewohl angestellten Vermutungen nicht verzichtet werden können (BGH, Urteil vom 14. April 1999 - 3 StR 22/99, NJW 1999, 2683, 2684).
9
Hieran gemessen hat der Senat Zweifel, ob den von der Revision (erstmals mit ihrer Begründungsschrift) vorgebrachten, nach ihrer Auffassung für die aufgestellte Vermutung „ausreichenden Anhaltspunkte“ ein hinreichendes Gewicht zukommt, nämlich der Mitinhaftierte S. sei zum Zeitpunkt des Verfassens des Briefes 19 Jahre alt gewesen, aus diesem ergebe sich ein gutes Verhältnis zu der als Zeugin benannten Mutter, diese wohne ca. 180 Straßenkilometer von der Justizvollzugsanstalt entfernt und es sei schließlich die Regel, dass Gefangene von ihren Eltern besucht würden. Er braucht dies aber - wie ausgeführt - nicht zu entscheiden.
10
Ebenso braucht er sich nicht zu der vom 3. Strafsenat aufgeworfenen Frage zu äußern, ob überhaupt an der Rechtsprechung festzuhalten sei, dass einem Antrag, mit dem zum Nachweis einer bestimmten Beweistatsache ein konkretes Beweismittel bezeichnet wird, dennoch die Eigenschaft eines Beweisantrags fehlt, wenn es sich bei der Beweistatsache um eine ohne jede tatsächliche und argumentative Grundlage aufs Geratewohl aufgestellte Behauptung handelt (BGH, Beschluss vom 19. September 2007 - 3 StR 354/07, StV 2008, 9; BGH, Beschluss vom 20. Juli 2010 - 3 StR 218/10).
11
bb) Ein Beweisantrag i.S.d. § 244 StPO setzt als erstes Erfordernis die konkrete und bestimmte Behauptung einer Tatsache voraus. Zweitens ist ein bestimmtes Beweismittel zu benennen, mit dem der Nachweis der Tatsache geführt werden soll. Sind diese beiden Voraussetzungen erfüllt, kann je nach der Fallgestaltung eine dritte hinzutreten, die sog. Konnexität zwischen Beweismittel und Beweisbehauptung. Darunter ist im Falle des Zeugenbeweises zu verstehen, dass der Antrag erkennen lassen muss, weshalb der Zeuge überhaupt etwas zu dem Beweisthema bekunden können soll (BGH, Beschluss vom 17. November 2009 - 4 StR 375/09), etwa weil er am Tatort war, in der Nachbarschaft wohnt, eine Akte gelesen hat usw. (BGH, Urteil vom 28. November 1997 - 3 StR 114/97, BGHSt 43, 321, 329 f. mwN).
12
Dieser Zusammenhang zwischen Beweistatsache und Beweismittel wird sich in vielen Fällen von selbst verstehen. Es sind aber auch Konstellationen denkbar, in denen - vergleichbar gerade den in der Rechtsprechung unter den Begriffen der aufs Geratewohl aufgestellten, aus der Luft gegriffenen Behauptung abgehandelten Fällen - zwar konkrete und bestimmte Behauptungen aufgestellt werden, denen eigene Wahrnehmungen eines Zeugen zugrundeliegen sollen, der Antrag jedoch nicht erkennen lässt, weshalb der Zeuge seine Wahr- nehmung hat machen können. Verhält es sich so, bedarf es der näheren Darlegung des erforderlichen Zusammenhangs, der Konnexität zwischen Beweistatsache und Beweismittel (BGH, Urteil vom 28. November 1997 - 3 StR 114/97, BGHSt 43, 321, 330).
13
Ebenso wie die Beweistatsache - auch wenn sie ggf. vom Antragsteller lediglich als möglicherweise geschehen erachtet werden darf (BGH, Beschluss vom 10. November 1992 - 5 StR 474/92, NStZ 1993, 143; BGH, Beschluss vom 5. Februar 2002 - 3 StR 482/01, NStZ 2002, 383; BGH, Urteil vom 15. Dezember 2005 - 3 StR 201/05, NStZ 2006, 585, 586; BGH, Beschluss vom 4. April 2006 - 4 StR 30/06, NStZ 2006, 405) - und das Beweismittel bestimmt bezeichnet werden müssen, hat der Antragsteller auch die Tatsachen bestimmt zu behaupten , aus denen sich die Konnexität ergibt. Denn es muss dem Tatgericht plausibel gemacht werden, dass der benannte Zeuge in der Lage gewesen ist, die Beweistatsache wahrzunehmen (BGH, Urteil vom 10. Juni 2008 - 5 StR 38/08, BGHSt 52, 284, 287). In der Antragsbegründung ist daher insoweit ein nachvollziehbarer Grund anzugeben (BGH, Urteil vom 15. Dezember 2005 - 3 StR 201/05, NStZ 2006, 585, 586), zumal dann, wenn - wie hier - keine Anhaltspunkte dafür erkennbar sind, weshalb der Zeuge S. gegenüber seiner Mutter das Gegenteil dessen gesagt haben soll, was er zuvor in seinem ebenfalls an diese gerichteten Brief bekundet hatte (zur vergleichbaren Konstellation bei einer Aufklärungsrüge BGH, Beschluss vom 3. Juli 2007 - 1 StR 168/06, NStZ 2007, 165).
14
Diesem Erfordernis wird der vorliegend gestellte Antrag nicht gerecht. Denn er bezeichnet - worauf schon der Generalbundesanwalt in seiner Antragsschrift zutreffend hingewiesen hat - die Wahrnehmungssituation nicht bestimmt genug. Vielmehr lässt bereits der Antrag in seiner Gesamtheit erkennen, dass ihm lediglich die Vermutung zugrunde liegt, es habe ein - im Übrigen vor allem zeitlich nicht näher spezifiziertes - Gespräch mit dem behaupteten Inhalt gegeben. Der infolge dessen seitens des Gerichts mit dem Antragsteller aus Gründen der Fairness (vgl. BGH, Urteil vom 10. Juni 2008 - 5 StR 38/08, BGHSt 52, 284, 288) und verfassungsrechtlich unbedenklich (vgl. BVerfG, Beschluss vom 6. Oktober 2009 - 2 BvR 2580/08, NStZ 2010, 155) gesuchte Dialog hat dann dementsprechend eindeutig bestätigt, der „Hilfsbeweisantrag beruhe … allein auf einer Vermutung“.
15
c) Angesichts der gesamten Sach- und Beweislage brauchte sich das Landgericht auch nicht zu der in Rede stehenden weiteren Aufklärung gemäß § 244 Abs. 2 StPO gedrängt zu sehen.
VRiBGH Nack ist wegen Wahl Graf Urlaubsabwesenheit an der Unterschrift gehindert. Wahl Jäger Sander

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
1 StR 327/08
vom
4. Dezember 2008
in der Strafsache
gegen
wegen Totschlags
Der 1. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat in der Sitzung vom 4. Dezember
2008, an der teilgenommen haben:
Vorsitzender Richter am Bundesgerichtshof
Nack
und die Richter am Bundesgerichtshof
Dr. Wahl,
Dr. Kolz,
Dr. Graf,
Prof. Dr. Sander,
Bundesanwalt
als Vertreter der Bundesanwaltschaft,
Rechtsanwalt und
Rechtsanwalt
als Verteidiger,
Rechtsanwalt
als Vertreter des Nebenklägers T. R. ,
Rechtsanwalt
als Vertreter des Nebenklägers S. R. ,
Justizangestellte
als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle,

für Recht erkannt:
Auf die Revisionen der Staatsanwaltschaft und des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Freiburg vom 14. Februar 2008 mit den Feststellungen aufgehoben. Die Sache wird zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Rechtsmittel, an eine andere Schwurgerichtskammer des Landgerichts zurückverwiesen.
Von Rechts wegen

Gründe:


1
Das Landgericht Waldshut-Tiengen hatte den Angeklagten wegen Totschlags seiner Ehefrau G. H. zu elf Jahren Freiheitsstrafe und wegen Totschlags seiner Tochter J. H. , bewertet als besonders schwerer Fall (§ 212 Abs. 2 StGB), zu lebenslanger Freiheitsstrafe verurteilt. Hieraus wurde eine lebenslange Gesamtfreiheitsstrafe gebildet. Eine besondere Schuldschwere war nicht festgestellt worden.
2
Auf die Revision des Angeklagten hat der Senat dieses Urteil wegen eines Verfahrensfehlers, der im polizeilichen Ermittlungsverfahren seinen Ursprung gehabt hatte, in vollem Umfang aufgehoben (Urt. vom 3. Juli 2007 - 1 StR 3/07). Zugleich hat er dieses Urteil auf die Revision der Staatsanwalt- schaft aufgehoben, soweit der Angeklagte wegen Totschlags an J. H. verurteilt worden war und dementsprechend auch im Ausspruch über die Gesamtstrafe. Diese Aufhebung erfolgte, weil die Möglichkeit eines Verdeckungsmordes (§ 211 StGB) nicht rechtsfehlerfrei ausgeschlossen worden war.
3
Nunmehr hat das Landgericht Freiburg, an das die Sache zurückverwiesen worden war, den Angeklagten wegen eines tateinheitlich in zwei Fällen im Wohnhaus der Familie begangenen Totschlags zu zehn Jahren Freiheitsstrafe verurteilt.
4
Die hiergegen zum Nachteil des Angeklagten eingelegte, auch vom Generalbundesanwalt vertretene Revision der Staatsanwaltschaft hat mit der Sachrüge Erfolg, die Revision des Angeklagten mit einer Verfahrensrüge.

I.

5
Zur Revision der Staatsanwaltschaft:
6
1. Die Strafkammer schließt aus, dass der Angeklagte als erstes der beiden Opfer seine Tochter aus einer von ihr gesetzten Ursache angegriffen hat und hält dementsprechend für „gut möglich“, dass der Angeklagte seine Tochter getötet hat, um seine vorangegangene Tat an seiner Ehefrau zu verdecken. Jedoch sei auch „vorstellbar“ - an anderer Stelle der Urteilsgründe heißt es „denkbar“ -, daher nicht ausschließbar und nach dem Zweifelssatz den Feststellungen zu Grunde gelegt, dass die Ehefrau im Rahmen eines Streits wahrheitswidrig behauptet habe, J. stamme nicht vom Angeklagten ab. Der Angeklagte habe dies geglaubt und deshalb aus Hass und Zorn seine Frau und - nach seiner Vorstellung - deren Tochter „im Sinne einer natürlichen Handlungseinheit“ getötet.
7
2. Die Staatsanwaltschaft beanstandet diese Feststellungen zutreffend als rechtsfehlerhaft.
8
Der Senat hatte bereits in seinem früheren Urteil in dieser Sache (dort Rdn. 47) ausgeführt und belegt, dass es auf überspannte Anforderungen an die richterliche Überzeugungsbildung zurückgeht und daher rechtsfehlerhaft ist, wenn nach dem Zweifelssatz zu Gunsten des Angeklagten Tatvarianten unterstellt werden, für deren Vorliegen das Beweisergebnis keine konkreten Anhaltspunkte erbracht hat. Richterliche Überzeugung erfordert keine jede andere denktheoretische Möglichkeit ausschließende, letztlich mathematische und daher von niemandem anzweifelbare Gewissheit. Auf diese Ausführungen nimmt der Senat Bezug.
9
Hieran gemessen halten die dargelegten Erwägungen der Strafkammer rechtlicher Überprüfung nicht Stand.
10
a) Die Strafkammer geht mit eingehenden Erwägungen davon aus, dass der Tat ein Ehestreit vorausging. Einzelheiten konnte sie hierzu nicht feststellen. Ursprüngliche Grundlage der ehelichen Spannungen war gewesen, dass der Angeklagte sich von seiner Frau vernachlässigt fühlte, weil diese eine mit im Hause wohnende - zur Tatzeit bereits verstorbene - Tante des Angeklagten nach dessen Auffassung zu zeitaufwändig gepflegt hatte. Deshalb wandte sich der Angeklagte schließlich einer anderen Frau zu, was zu Auseinandersetzungen führte. Die Ehefrau hatte „Angst, ihren Mann zu verlieren, und versuchte ihn wieder an sich zu binden“, etwa indem sie sich besonders pflegte und ihm den eigentlich von ihr nicht geschätzten Analverkehr gestattete. Auch wenn die ehelichen Verhältnisse nicht grundlegend gebessert werden konnten, war es immerhin kurz vor der Tat noch zu einem im Wesentlichen harmonisch verlau- fenen Familienausflug gekommen, bei dem es lediglich eine „kleine“ Missstimmigkeit zwischen den Eheleuten über den Aufenthaltsort des Hundes während des bevorstehenden gemeinsamen Auslandsurlaubs gegeben hatte.
11
b) Offenbar sieht die Strafkammer als realen Anknüpfungspunkt für die Möglichkeit einer Lüge der Ehefrau über die Vaterschaft die nur „eingeschränkte“ Zeugungsfähigkeit des Angeklagten an. Tatsächlich stand diese - wie eine DNA-Analyse ergeben hat - der Vaterschaft des Angeklagten nicht im Wege, ebenso wenig der von der Strafkammer festgestellten jahrelangen Hoffnung der Ehefrau, vom Angeklagten ein zweites Kind zu empfangen. Dass es hierzu letztlich nicht kam, lag nach den Feststellungen der Strafkammer - nicht etwa an unzulänglicher Zeugungsfähigkeit des Angeklagten, sondern - daran, dass dieser in seinem Alter kein Kind mehr wollte.
12
c) Reale Anhaltspunkte dafür, dass die Ehefrau die „eingeschränkte“ Zeugungsfähigkeit des Angeklagten je zu dessen Nachteil thematisiert hätte oder dass sie sonst versucht hätte, den Angeklagten mit Hilfe einer Lüge in irgendeiner Weise zu bedrohen bzw. zu kränken, ergeben sich aus alledem nicht. Im Gegenteil, sie hatte Angst ihn zu verlieren und bemühte sich, ihn an sich zu binden, wobei sie ihm, sogar unter Zurückstellung eigener Wünsche, gerade auch in sexueller Hinsicht entgegenkam.
13
Unter diesen Umständen ist nicht erkennbar, woran, über die „Denkbarkeit“ solchen Verhaltens hinaus, die Annahme anknüpfen könnte, die Ehefrau habe durch Lügen über die Vaterschaft letztlich ihre eigene Tötung und die ihrer Tochter ausgelöst (vgl. speziell zur Möglichkeit, eine von ihrem Mann getötete Frau habe diesen unmittelbar zuvor in krassem Gegensatz zu ihrem sonstigen Verhalten massiv beleidigt, BGH NStZ-RR 1997, 99).

14
Erweist sich aber eine Annahme ausschließlich als spekulativ, kann sie, wie bereits im ersten Senatsurteil in dieser Sache dargelegt, auch nicht als Folge des Zweifelssatzes zu Gunsten des Angeklagten den Urteilsfeststellungen zu Grunde gelegt werden.
15
3. Zu Recht weist die Staatsanwaltschaft im Übrigen auch darauf hin, dass selbst auf der (tatsächlich nicht tragfähigen) Grundlage des angenommenen Motivs die Annahme, zwischen beiden Tötungen liege im Sinne einer natürlichen Handlungseinheit Tateinheit (§ 52 StGB) vor, nicht rechtsfehlerfrei begründet ist.
16
Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs sind höchstpersönliche Rechtsgüter verschiedener Menschen, wie etwa deren Leben, einer additiven Betrachtungsweise, wie sie der natürlichen Handlungseinheit zu Grunde liegt, nur ausnahmsweise zugänglich. Greift daher der Täter einzelne Menschen nacheinander an, um jeden von ihnen in seiner Individualität zu beeinträchtigen, so besteht sowohl bei natürlicher als auch bei rechtsethisch wertender Betrachtungsweise selbst bei einheitlichem Tatentschluss und engem räumlichem und zeitlichem Zusammenhang regelmäßig kein Anlass, diese Vorgänge rechtlich als eine Tat zusammenzufassen. Etwas anderes kann nur dann gelten, wenn eine Aufspaltung in Einzeltaten wegen eines außergewöhnlichen engen zeitlichen und situativen Zusammenhangs willkürlich und gekünstelt erschiene, wie etwa bei zeitgleich und wechselweise erfolgenden Angriffen auf mehrere Opfer (vgl. zuletzt BGH, Beschl. vom 6. Juni 2008 - 2 StR 189/08 m.w.N.). Hier beschränkt sich die Strafkammer auf die Erwägung, es sei „denkbar“, dass der Angeklagte Frau und Tochter in einem einheitlichen Geschehen getötet habe. Näher stellt sie in diesem Zusammenhang nur fest, der Angeklagte habe ent- weder Frau und Tochter mit unterschiedlichen Werkzeugen angegriffen oder jedenfalls, wenn er nur ein Werkzeug verwendet habe, dieses gegenüber den beiden Opfern jeweils unterschiedlich eingesetzt. Beides ist im Rahmen eines einheitlichen, nur gekünstelt aufspaltbaren Geschehens nicht leicht vorstellbar, ohne dass die Strafkammer auf diesen gegen ihre Bewertung sprechenden Gesichtspunkt einginge. Dem gegenüber ist nichts mitgeteilt, was für den „Sonderfall“ (BGH aaO) der natürlichen Handlungseinheit bei der Tötung von zwei Menschen sprechen könnte. Offenbar hält die Strafkammer auch insoweit für ausreichend , dass der von ihr angenommene Geschehensablauf „denkbar“ ist. Dies ist jedoch keine tragfähige Grundlage für eine Urteilsfeststellung. Es gilt insoweit nichts anderes als für das Motiv der Tat.
17
4. In rechtlicher Hinsicht beschränkt sich die Strafkammer bei der Prüfung von Mord hinsichtlich der Tochter auf die Feststellung, dieser sei nicht zweifelsfrei feststellbar. Dies bezieht sich ersichtlich nur auf die von der Strafkammer geprüfte und verneinte Verdeckungsabsicht. Selbst wenn dies rechtsfehlerfrei wäre - was, wie dargelegt, nicht der Fall ist -, könnte das Urteil keinen Bestand haben, weil hinsichtlich der Tochter das Mordmerkmal der niedrigen Beweggründe nicht geprüft ist. Zwar hat der Tatrichter bei der Prüfung dieses Mordmerkmals einen Beurteilungsspielraum, den das Revisionsgericht nicht durch eigene Erwägungen ausfüllen kann (st. Rspr., vgl. Maatz/Wahl FS 50 Jahre BGH, 531, 552; Fischer StGB 55. Aufl. § 211 Rdn. 15 m. zahlr. Nachw.). Rechtsfehlerhaft ist es jedoch, wenn die Prüfung dieses Mordmerkmals unterblieben ist, obwohl es nach den Umständen nahe lag. Der Angeklagte handelte , so die Feststellungen, aus Hass auch auf die Tochter. Ausgelöst wurde dieser Hass durch den von der Täuschung der Ehefrau ausgelösten Irrtum, er sei entgegen seiner bisherigen Annahme nicht der Erzeuger der Tochter seiner Ehefrau. Bei Motiven wie Hass, denen eine Bewertung als niedrig - also als nach allgemeiner Anschauung verachtenswert und auf tiefster Stufe stehend (st. Rspr., vgl. d. Nachw. b. Fischer aaO Rdn. 14) - für sich allein nicht zukommt , kommt es darauf an, ob sie ihrerseits auf niedriger Gesinnung beruhen (st. Rspr., vgl. d. Nachw. b. Fischer aaO Rdn. 19). Bei der hiernach gebotenen Würdigung (vgl. hierzu Fischer aaO Rdn. 15 m.w.N.) kann nicht außer Acht bleiben, dass die Tochter offenbar nicht dafür verantwortlich ist, wer ihr Erzeuger ist, und sie den Angeklagten hierüber auch nicht getäuscht hat, mag sie auch allein durch ihre Existenz in der gegebenen Situation Auslöser des Hasses des Angeklagten gewesen sein. Unter diesen Umständen erweist sich - auch auf der Grundlage der sonstigen Feststellungen der Strafkammer - die unterbliebene Erörterung niedriger Beweggründe als rechtsfehlerhaft, zumal die Strafkammer keine Gesichtspunkte festgestellt hat, die dagegen sprechen würden , dass der Angeklagte seine Affekte gedanklich beherrscht und willensmäßig gesteuert hätte.
18
5. Die von der Strafkammer angenommene Tateinheit zwischen beiden Tötungsdelikten führt ohne Weiteres zur Aufhebung des Urteils insgesamt (vgl. BGH NJW 1993, 2252; Kuckein in KK 6. Aufl. § 353 Rdn. 12 m. w. N.).
19
Der Senat weist vorsorglich darauf hin, dass dann, wenn die neu zur Entscheidung berufene Strafkammer zwei rechtlich selbstständige Taten annehmen würde, wegen der Tötung von G. H. die Strafe, die deshalb bereits das Landgericht Waldshut-Tiengen verhängt hatte, die gemäß § 358 Abs. 2 Satz 1 StPO zu beachtende Grenze bilden würde.

II.


20
Auch die Revision des Angeklagten hat Erfolg. Sie rügt zu Recht, dass die Strafkammer einen Hilfsbeweisantrag nicht rechtsfehlerfrei abgelehnt hat.
21
Dieser war auf die Feststellung gerichtet, dass in einem auf einem polizeilichen Video sichtbaren Haus - das in keinem erkennbaren Zusammenhang mit dem Angeklagten steht - am Ufer des Rheins („Strandhaus“) von den Tatopfern stammende Spuren (Antragungen von Blut) vorhanden seien. Die Strafkammer geht davon aus, die Behauptung, es könnten sich derartige Spuren in dem Strandhaus befinden, „ersichtlich ins Blaue hinein aufgestellt sei“, so dass in Wahrheit kein Beweisantrag vorliege. Auch die Aufklärungspflicht gebiete nicht, wie die Strafkammer darlegt, der genannten Behauptung näher nachzugehen.
22
Dies hält unter den gegebenen Umständen rechtlicher Überprüfung nicht Stand.
23
1. Einem Beweisbegehren muss nicht oder nur nach Maßgabe der Aufklärungspflicht nachgegangen werden, wenn die Beweisbehauptung ohne jeden tatsächlichen Anhaltspunkt und ohne begründete Vermutung für ihre Richtigkeit aufs Geratewohl ins Blaue hinein aufgestellt wurde, so dass es sich in Wahrheit nur um einen nicht ernst gemeinten, zum Schein gestellten Beweisantrag handelt. Ob ein Beweisantrag nur zum Schein gestellt ist, ist aus der Sicht eines „verständigen“ Antragstellers auf der Grundlage der von ihm selbst nicht in Frage gestellten Tatsachen zu beurteilen (st. Rspr., vgl. zuletzt zusammenfassend BGH StraFo 2008, 246 m.w.N.).
24
2. Hier war in engem zeitlichem Zusammenhang zur Tat der Pkw der getöteten Ehefrau in der Nähe dieses "Strandhauses" abgestellt gewesen. Außerdem hatte ein bei den polizeilichen Ermittlungen eingesetzter Spurensuchhund („Bluthund“) jedenfalls den Eindruck erweckt, als stelle er Geruchsspuren der beiden damals noch als vermisst geltenden Geschädigten in dem gesamten Bereich, auch dem des "Strandhauses", fest.
25
3. Die Strafkammer konnte Erkenntnisse dazu, wer den Pkw dort abgestellt hatte, weder durch Zeugen noch durch kriminaltechnische Untersuchungen gewinnen. Sie geht letztlich davon aus, dass der Pkw dort abgestellt wurde, um die Möglichkeit eines Selbstmordes im Rhein oder auch eine Abfahrt vom nahe gelegenen Bahnhof aus vorzutäuschen, also dass jedenfalls kein Zusammenhang mit dem "Strandhaus" besteht. Dem Verhalten des Hundes misst sie aus im Einzelnen dargelegten, hier nicht im Detail nachzuzeichnenden Erwägungen , die mit dem Alter des Hundes, der Erfahrung der Hundeführerin und der Möglichkeit der Kontamination von Geruchsproben zusammenhängen, keine wesentliche Bedeutung bei.
26
4. Ohne dass es hier auf in diesem Zusammenhang erhobene (sonstige) Verfahrensrügen ankäme, sind diese Erwägungen für sich genommen sachlichrechtlich nicht zu beanstanden.
27
Dies ändert jedoch nichts daran, dass die festgestellten, für sich genommen unzweifelhaften Indizien (Standort Pkw und Verhalten des „Bluthundes“, vor allem im Bereich des „Strandhauses“) auch den Schluss auf den Aufenthalt der Geschädigten im „Strandhaus“ zumindest nicht ausgeschlossen erscheinen lassen.
28
5. Ein Beruhen des Urteils auf der Ablehnung des genannten Hilfsbeweisantrags ist nicht völlig auszuschließen. Daher ist es auch auf die Revision des Angeklagten in vollem Umfang aufzuheben, ohne dass es auf dessen weiteres Revisionsvorbringen noch ankäme.
Nack Wahl Kolz
Graf Sander

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
2 StR 549/07
vom
12. März 2008
in der Strafsache
gegen
1.
2.
3.
4.
wegen unerlaubter Einfuhr von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge u.a.
Der 2. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat auf Antrag des Generalbundesanwalts
und nach Anhörung der Beschwerdeführer am 12. März 2008 gemäß
§ 349 Abs. 2 und 4 StPO beschlossen:
1. Auf die Revisionen der Angeklagten Ö. und K. wird das Urteil des Landgerichts Frankfurt am Main vom 26. März

2007



a) hinsichtlich des Angeklagten K. im Schuldspruch dahin geändert, dass er der unerlaubten Einfuhr von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in Tateinheit mit Beihilfe zum unerlaubten Handeltreiben mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in zwei Fällen sowie des unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in acht Fällen schuldig ist,

b) hinsichtlich des Angeklagten Ö. im Ausspruch über den Verfall mit den zugehörigen Feststellungen sowie hinsichtlich aller Angeklagten im Ausspruch über die Einziehung jeweils mit den zugehörigen Feststellungen aufgehoben und insoweit zur erneuten Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Rechtsmittel, an eine andere Kammer des Landgerichts zurückverwiesen.
2. Die weitergehenden Revisionen der Angeklagten Ö. und K. werden verworfen.

Gründe:


1
1. Das Landgericht hat den Angeklagten Ö. wegen unerlaubten Einführens von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in Tateinheit mit unerlaubtem Handeltreiben mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in zwei Fällen sowie wegen unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in drei Fällen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von sechs Jahren und drei Monaten verurteilt. Den Angeklagten K. hat es wegen unerlaubten Einführens von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in Tateinheit mit unerlaubtem Handeltreiben mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in zwei Fällen sowie wegen unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in acht Fällen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von drei Jahren und sechs Monaten verurteilt. Im Übrigen hat es ihn freigesprochen.
2
Die nicht revidierenden Angeklagten Öz. und T. hat das Landgericht jeweils wegen unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in zwei Fällen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von vier Jahren bzw. zwei Jahren verurteilt.
3
Darüber hinaus hat das Landgericht "das sichergestellte Rauschgift jeweils mit Verpackungsmaterial" eingezogen sowie gegen den Angeklagten Ö. den Verfall von sichergestelltem Bargeld in Höhe von 50.000 € und einer Herrenarmbanduhr angeordnet.
4
Die Revisionen der Angeklagten Ö. und K. haben in dem aus dem Tenor ersichtlichen Umfang Erfolg; im Übrigen sind sie aus den vom Ge- neralbundesanwalt in seiner Stellungnahme vom 27. November 2007 ausgeführten Gründen unbegründet im Sinne von § 349 Abs. 2 StPO.
5
2. Hinsichtlich des Angeklagten K. hält die Annahme täterschaftlichen Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in den Urteilsfällen 5 und 6 (= Anklagepunkte 39, 40) rechtlicher Überprüfung nicht stand. Die Tätigkeit eines Kuriers, die sich – wie hier - in dem Transport des Rauschgifts erschöpft, ist als Beihilfe zum unerlaubten Handeltreiben mit Betäubungsmitteln zu werten (vgl. BGHSt 51, 219). Das Landgericht hat keine Feststellungen getroffen, die eine über die Beförderung der Drogen hinausgehende Tätigkeit oder einen weitergehenden Einfluss des Angeklagten auf das Gesamtgeschäft erkennen ließen. Der Senat hat, da weitergehende Feststellungen nicht zu erwarten sind, den Schuldspruch insoweit geändert.
6
3. Die Revision des Angeklagten Ö. hat hinsichtlich der Anordnung des erweiterten Verfalls mit einer Verfahrensrüge Erfolg.
7
Im Rahmen des Schlussvortrags stellte der Verteidiger des Angeklagten zwei Hilfsbeweisanträge auf Vernehmung der Ehefrau des Angeklagten sowie ihrer Cousine jeweils zum Beweis der Tatsache, dass das in einem Schließfach der F. Sparkasse sichergestellte und für verfallen erklärte Bargeld in Höhe von 58.500 € sowie die ebenfalls sichergestellte und für verfallen erklärte Herrenarmbanduhr nicht dem Angeklagten, sondern seiner Ehefrau gehörten. Anlässlich ihrer Hochzeit mit dem Angeklagten seien der Zeugin insgesamt 22.500 € Bargeld sowie Schmuckstücke geschenkt worden, die sie später für 12.000 € verkauft habe. Dieses Geld habe sie im Schließfach ihrer Cousine aufbewahrt, um einen Zugriff des Angeklagten zu verhindern. Dieser sei nicht berechtigt gewesen, das Schließfach zu öffnen, und habe dies auch nicht ge- tan. Die Herrenarmbanduhr habe die Ehefrau des Angeklagten ebenfalls von ihrer Familie zur Hochzeit geschenkt bekommen.
8
Das Landgericht hat die Hilfsbeweisanträge im Urteil mit der Begründung abgelehnt, es habe sich um ins Blaue hinein gemachte, nicht nachvollziehbare Behauptungen gehandelt. Es gebe keinen Grund, einen so hohen Bargeldbetrag in einem Schließfach aufzubewahren, wenn er, auch unter Berücksichtigung eines hohen Zinsniveaus in der Türkei, habe verzinslich angelegt werden können. Die Umstände legten es vielmehr nahe, dass das Geld aus Drogengeschäften des Angeklagten stamme und allein aus Tarnungsgründen in einem Schließfach der Ehefrau für weitere Geschäfte bereitgehalten werde. Weiterhin sei nicht nachvollziehbar, weshalb die Herrenarmbanduhr ein Geschenk an die Ehefrau des Angeklagten gewesen sein solle.
9
Die Ablehnung der Hilfsbeweisanträge hält rechtlicher Nachprüfung nicht stand. Zwar muss einem Beweisbegehren nicht oder nur nach Maßgabe der Aufklärungspflicht nachgegangen werden, wenn die Beweisbehauptung ohne jeden tatsächlichen Anhaltspunkt und ohne begründete Vermutung für ihre Richtigkeit aufs Geratewohl ins Blaue hinein aufgestellt wurde, so dass es sich in Wahrheit nur um einen nicht ernstlich gemeinten, zum Schein gestellten Beweisantrag handelt (vgl. BGH NStZ 2003, 497; StV 2002, 233 m.w.N.). Die Frage , ob ein Beweisantrag nur zum Schein gestellt ist, ist aus der Sicht eines verständigen Antragstellers auf der Grundlage der von ihm selbst nicht infrage gestellten Tatsachen zu beurteilen (vgl. BGH NStZ 1989, 334; 2003, 497). Von einer "ins Blaue hinein" aufgestellten Beweisbehauptung kann aber nicht schon dann gesprochen werden, wenn die unter Beweis gestellte Tatsache objektiv ungewöhnlich oder unwahrscheinlich erscheint oder andere Möglichkeiten näher gelegen hätten. Hier lagen die Voraussetzungen aufs Geratewohl oder nur zum Schein gestellter Beweisanträge offensichtlich nicht vor. Weder ist die Schenkung hoher Bargeldbeträge oder einer Herrenarmbanduhr an die Braut im Rahmen einer türkischen Hochzeitsfeier außergewöhnlich, noch erscheint es fern liegend, dass ein hoher Bargeldbetrag in einem Bankschließfach verwahrt und nicht verzinslich angelegt wird.
10
Da auch ein anderer Grund für eine Ablehnung der Hilfsbeweisanträge nicht in Betracht kommt, musste das Landgericht die angebotenen Beweise erheben. Der Senat kann nicht ausschließen, dass das Urteil, soweit der erweiterte Verfall angeordnet worden ist, auf der rechtsfehlerhaft unterlassenen Beweiserhebung beruht.
11
4. Die Einziehungsanordnung kann keinen Bestand haben, da sie inhaltlich zu unbestimmt ist und auch mit Hilfe der Urteilsgründe nicht näher konkretisiert werden kann. Die einzuziehenden Gegenstände sind in der Urteilsformel so konkret zu bezeichnen, dass für die Beteiligten und die Vollstreckungsbehörde Klarheit über den Umfang der Einziehung besteht (vgl. BGHR StGB § 74 Abs. 1 Urteilsformel 1; Fischer, StGB, 55. Aufl., § 74 Rdn. 4 m.w.N.). Das ist hier nicht geschehen.
12
Gemäß § 357 Satz 1 StPO war die Aufhebung der Einziehungsanordnung auf die nicht revidierenden Mitangeklagten Öz. und T. zu erstrecken. RiBGH Rothfuß ist wegen Urlaubs an der Unterschriftsleistung gehindert Fischer Fischer Roggenbuck Appl Schmitt

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
Urteil
4 StR 100/07
vom
13. Juni 2007
in der Strafsache
gegen
wegen Vergewaltigung
Der 4. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat in der Sitzung vom 13. Juni 2007,
an der teilgenommen haben:
Vorsitzende Richterin am Bundesgerichtshof
Dr. Tepperwien,
Richter am Bundesgerichtshof
Prof. Dr. Kuckein,
Athing,
Richterin am Bundesgerichtshof
Solin-Stojanović,
Richter am Bundesgerichtshof
Dr. Ernemann
als beisitzende Richter,
Oberstaatsanwältin beim BGH
als Vertreterin der Bundesanwaltschaft,
Rechtsanwalt
als Verteidiger,
Rechtsanwalt
als Vertreter der Nebenklägerin Ingrid M. ,
Justizangestellte
als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle,

für Recht erkannt:
1. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Dessau vom 17. November 2006 mit den Feststellungen aufgehoben.
2. Die Sache wird zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.
Von Rechts wegen

Gründe:


1
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen Vergewaltigung in drei Fällen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von acht Jahren verurteilt und seine Unterbringung in einer Entziehungsanstalt angeordnet. Mit seiner Revision rügt der Angeklagte die Verletzung formellen und materiellen Rechts. Das Rechtsmittel hat mit einer Verfahrensrüge Erfolg.

I.


2
1. Nach den der Verurteilung zu Grunde liegenden Feststellungen heirateten der Angeklagte und die Nebenklägerin im Jahre 1997. Im Leben der Eheleute spielte der Konsum von alkoholischen Getränken eine wichtige Rolle. Sie tranken in regelmäßigen Abständen bereits nach dem Aufstehen Alkohol, der Angeklagte überwiegend Bier, die Nebenklägerin eher Schnaps. In der Zeit bis zur Inhaftierung des Angeklagten zur Verbüßung mehrerer Freiheitsstrafen im Jahre 2002 kam es nach dem Konsum von Alkohol mehrfach zu wechselseitigen , lautstarken Beleidigungen und Beschimpfungen. Der Angeklagte, der die Nebenklägerin in solchen Situationen wiederholt schlug, führte in dieser Zeit mehrfach mit der Nebenklägerin gegen deren Willen den Geschlechtsverkehr durch. Wegen dieser Vorfälle erstattete die Nebenklägerin aus Furcht, erneut vom Angeklagten geschlagen zu werden und ihre Gesamtsituation zu verschlechtern , keine Strafanzeige, und verzieh dem Angeklagten, weil sie dessen Beteuerungen, sich zu ändern, Glauben schenkte.
3
Nach seiner Entlassung aus der Strafhaft am 4. November 2005 wurde der Angeklagte auf seinen Wunsch von der Nebenklägerin, die Mitleid mit ihm empfand und hoffte, dass er sich nunmehr geändert habe, wieder in deren Wohnung aufgenommen. Zwischen dem 4. und dem 11. November sowie Ende November/Anfang Dezember 2005 erzwang der Angeklagte, nachdem er und die Nebenklägerin zuvor Bier in nicht mehr feststellbaren Mengen getrunken hatten, unter Anwendung körperlicher Kraft den Geschlechtsverkehr mit der Nebenklägerin. Am 5. Januar 2006 zwang der Angeklagte die Nebenklägerin mit Faustschlägen ins Gesicht und der Drohung, er haue der Nebenklägerin sonst "den Schädel weg", mit ihm oral und danach vaginal zu verkehren.
4
2. Der Angeklagte hat die ihm zur Last gelegten Taten bestritten. Die Strafkammer hat der Nebenklägerin geglaubt, die das Geschehen wie festgestellt geschildert hat, und hierzu, soweit es die Aussagetüchtigkeit der Nebenklägerin betrifft, ausgeführt, dass diese "auf Grund ihrer kognitiven Fähigkeiten und Persönlichkeitsvoraussetzungen grundsätzlich in der Lage ist, verlässliche Angaben über Erlebnisse der Art, wie sie sich in ihren Bekundungen finden, zu machen". Sie sei "hinreichend" fähig, gerichtsverwertbare Bekundungen, die auf eigener Wahrnehmung und Erinnerung beruhen, auszudrücken.

II.


5
Das Rechtsmittel hat mit einer auf die Verletzung des § 244 Abs. 3 StPO gestützten Rüge Erfolg, sodass es eines Eingehens auf weitere Verfahrensrügen und auf die Sachrüge - auch bezüglich der Strafzumessung - nicht bedarf.
6
1. Am letzten Hauptverhandlungstag beantragte der Verteidiger des Angeklagten die Einholung eines Sachverständigengutachtens unter anderem zum Beweis der Tatsache, dass die Nebenklägerin "unter einer krankheitswertigen Alkoholabhängigkeit mit bereits eingetretener Persönlichkeitsdeformation leidet, sodass diese sowohl in ihrer Wahrnehmungs- als auch Erinnerungsfähigkeit erheblich beeinträchtigt ist". Diesen Antrag lehnte das Landgericht mit folgender Begründung ab: "Bezüglich des Antrages auf Einholung eines Sachverständigengutachtens fehlen bereits von dem Angeklagten benannte Anknüpfungstatsachen, die auf alkoholbedingte neurologische Ausfälle der Zeugin und Nebenklägerin schließen lassen.
Allein der Umstand, dass nach Ansicht des Angeklagten die Zeugin und Nebenklägerin Alkoholikerin ist, rechtfertigt nicht die Annahme, dass sie aus diesem Grunde nicht in der Lage wäre und dies generell, erlebte Sachverhalte zutreffend zu schildern. Einen entsprechenden Erfahrungswert gibt es bei Alkoholabhängigen nicht, entsprechendes ist auch seitens des Angeklagten in seinem Beweisantrag nicht behauptet worden.
Soweit sich aus den Zeugenaussagen insgesamt Widersprüche ergeben, unterliegt dies der Wertung und lässt für sich genommen keine Rückschlüsse darauf zu, dass bei der Zeugin bereits Schädigungen der Persönlichkeit mit daraus folgenden unzutreffenden Wahrnehmungen resultieren".
7
2. Die Revision beanstandet diese Sachbehandlung zu Recht.
8
a) Bei dem Antrag handelt es sich nicht lediglich um einen nach § 244 Abs. 2 StPO zu behandelnden Beweisermittlungsantrag, sodass dahinstehen kann, ob sich das Landgericht unter dem Gesichtspunkt der Aufklärungspflicht zu der beantragten Beweiserhebung hätte gedrängt sehen müssen, sondern um einen Antrag, der dem Beweisantragsrecht unterliegt, das im Rahmen des § 244 Abs. 3 StPO über das von der Aufklärungspflicht Verlangte hinausgeht (vgl. BGH StV 1997, 567, 568 m. N.).
9
aa) Der Antrag bezeichnet hinreichend bestimmte Beweistatsachen, die dem Sachverständigenbeweis, hier: durch eine psychiatrische Begutachtung (vgl. BGH NStZ 1995, 558; NStZ - RR 1997, 106), zugänglich sind, und genügt damit den nach der Rechtsprechung (vgl. BGHSt 37, 162, 164; 39, 251, 253 jew. m.w.N.) an einen Beweisantrag zu stellenden Anforderungen. Die Behauptung , die Nebenklägerin leide „unter einer krankheitswertigen Alkoholabhängigkeit mit bereits eingetretener Persönlichkeitsdeformation“, die zu einer erheblichen Beeinträchtigung sowohl ihrer Wahrnehmungs- als auch Erinnerungsfähigkeit geführt habe, erfüllt unter den hier gegebenen Umständen trotz ihrer „schlagwortartige(n) Verkürzung“ (vgl. BGHSt 39, 141, 144) noch die Anforderungen an eine bestimmte Beweisbehauptung.
10
bb) Es liegt auch nicht der Fall vor, dass die Verteidigung ohne konkrete Grundlage, gewissermaßen „ins Blaue hinein“, die Beweiserhebung beantragt hat. Einem Beweisbegehren, das - wie hier - in die Form eines Beweisantrags gekleidet ist, muss allerdings nicht oder allenfalls nach Maßgabe der Aufklärungspflicht nachgegangen werden, wenn die Beweisbehauptung ohne jeden tatsächlichen Anhaltspunkt und ohne jede begründete Vermutung aufs Gerate- wohl aufgestellt wurde, sodass es sich in Wahrheit nur um einen nicht ernstlich gemeinten, zum Schein gestellten Beweisantrag handelt (vgl. BGH NStZ 2003, 497; StV 2002, 233 m.w.N.). Ob es sich bei einem Beweisbegehren um einen Beweisermittlungsantrag handelt, ist aus der Sicht eines verständigen Antragstellers auf der Grundlage der von ihm selbst nicht infrage gestellten Tatsachen zu beurteilen (vgl. BGH NStZ 1989, 334; 2003, 497; NStZ 2006, 405). Gemessen daran liegt ein Beweisantrag vor.
11
Nach den Feststellungen lag nicht nur bei dem Angeklagten, sondern auch bei der Nebenklägerin ein langjähriger, in dem Zeitraum November 2005 bis Januar 2006 noch andauernder massiver Alkoholmissbrauch nahe. Im Hinblick darauf und auf das in den Urteilsgründen dargestellte Aussageverhalten der Nebenklägerin ist die Beweisbehauptung aus der Sicht eines verständigen Antragstellers keine lediglich aufs Geratewohl ins Blaue hinein aufgestellte Behauptung , zumal das Landgericht selbst die Aussagetüchtigkeit der Nebenklägerin nur als „grundsätzlich“ gegeben erachtet und diese lediglich als „hinreichend“ fähig angesehen hat, gerichtsverwertbare Bekundungen zu machen, die auf eigener Wahrnehmung beruhen.
12
b) Der Antrag hätte daher nur aus einem der in § 244 Abs. 3 und 4 StPO abschließend aufgezählten Gründe (vgl. BGHSt 29, 149, 151) abgelehnt werden dürfen. Das Landgericht hat jedoch in der Beschlussbegründung keinen dieser Ablehnungsgründe angeführt. Soweit die Ausführungen zum Fehlen eines Erfahrungswertes hinsichtlich einer Beeinträchtigung der Aussagetüchtigkeit von Alkoholikern dahin ausgelegt werden könnten, dass sich das Landgericht auf seine eigene Sachkunde berufen wollte, würde dies die Ablehnung nicht tragen, weil das Gericht selbst - wie bereits ausgeführt- Unsicherheiten in der Beurteilung der Aussagetüchtigkeit hat erkennen lassen.

III.


13
Für die neue Hauptverhandlung weist der Senat vorsorglich darauf hin, dass es für eine Anordnung der Maßregel gemäß § 64 StGB entgegen dem Gesetzeswortlaut nicht ausreicht, dass diese nicht lediglich "von vornherein aussichtslos" erscheint. Vielmehr ist erforderlich, dass die hinreichend konkrete Aussicht auf einen Behandlungserfolg besteht (vgl. BVerfGE 91, 1).
Tepperwien Kuckein Athing
Solin-Stojanović Ernemann

(1) Nach der Vernehmung des Angeklagten folgt die Beweisaufnahme.

(2) Das Gericht hat zur Erforschung der Wahrheit die Beweisaufnahme von Amts wegen auf alle Tatsachen und Beweismittel zu erstrecken, die für die Entscheidung von Bedeutung sind.

(3) Ein Beweisantrag liegt vor, wenn der Antragsteller ernsthaft verlangt, Beweis über eine bestimmt behauptete konkrete Tatsache, die die Schuld- oder Rechtsfolgenfrage betrifft, durch ein bestimmt bezeichnetes Beweismittel zu erheben und dem Antrag zu entnehmen ist, weshalb das bezeichnete Beweismittel die behauptete Tatsache belegen können soll. Ein Beweisantrag ist abzulehnen, wenn die Erhebung des Beweises unzulässig ist. Im Übrigen darf ein Beweisantrag nur abgelehnt werden, wenn

1.
eine Beweiserhebung wegen Offenkundigkeit überflüssig ist,
2.
die Tatsache, die bewiesen werden soll, für die Entscheidung ohne Bedeutung ist,
3.
die Tatsache, die bewiesen werden soll, schon erwiesen ist,
4.
das Beweismittel völlig ungeeignet ist,
5.
das Beweismittel unerreichbar ist oder
6.
eine erhebliche Behauptung, die zur Entlastung des Angeklagten bewiesen werden soll, so behandelt werden kann, als wäre die behauptete Tatsache wahr.

(4) Ein Beweisantrag auf Vernehmung eines Sachverständigen kann, soweit nichts anderes bestimmt ist, auch abgelehnt werden, wenn das Gericht selbst die erforderliche Sachkunde besitzt. Die Anhörung eines weiteren Sachverständigen kann auch dann abgelehnt werden, wenn durch das frühere Gutachten das Gegenteil der behaupteten Tatsache bereits erwiesen ist; dies gilt nicht, wenn die Sachkunde des früheren Gutachters zweifelhaft ist, wenn sein Gutachten von unzutreffenden tatsächlichen Voraussetzungen ausgeht, wenn das Gutachten Widersprüche enthält oder wenn der neue Sachverständige über Forschungsmittel verfügt, die denen eines früheren Gutachters überlegen erscheinen.

(5) Ein Beweisantrag auf Einnahme eines Augenscheins kann abgelehnt werden, wenn der Augenschein nach dem pflichtgemäßen Ermessen des Gerichts zur Erforschung der Wahrheit nicht erforderlich ist. Unter derselben Voraussetzung kann auch ein Beweisantrag auf Vernehmung eines Zeugen abgelehnt werden, dessen Ladung im Ausland zu bewirken wäre. Ein Beweisantrag auf Verlesung eines Ausgangsdokuments kann abgelehnt werden, wenn nach pflichtgemäßem Ermessen des Gerichts kein Anlass besteht, an der inhaltlichen Übereinstimmung mit dem übertragenen Dokument zu zweifeln.

(6) Die Ablehnung eines Beweisantrages bedarf eines Gerichtsbeschlusses. Einer Ablehnung nach Satz 1 bedarf es nicht, wenn die beantragte Beweiserhebung nichts Sachdienliches zu Gunsten des Antragstellers erbringen kann, der Antragsteller sich dessen bewusst ist und er die Verschleppung des Verfahrens bezweckt; die Verfolgung anderer verfahrensfremder Ziele steht der Verschleppungsabsicht nicht entgegen. Nach Abschluss der von Amts wegen vorgesehenen Beweisaufnahme kann der Vorsitzende eine angemessene Frist zum Stellen von Beweisanträgen bestimmen. Beweisanträge, die nach Fristablauf gestellt werden, können im Urteil beschieden werden; dies gilt nicht, wenn die Stellung des Beweisantrags vor Fristablauf nicht möglich war. Wird ein Beweisantrag nach Fristablauf gestellt, sind die Tatsachen, die die Einhaltung der Frist unmöglich gemacht haben, mit dem Antrag glaubhaft zu machen.

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
3 StR 354/07
vom
19. September 2007
in der Strafsache
gegen
wegen Einfuhr von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge u. a.
Der 3. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat auf Antrag des Generalbundesanwalts
und nach Anhörung des Beschwerdeführers am 19. September 2007
einstimmig beschlossen:
Die Revision des Angeklagten gegen das Urteil des Landgerichts Osnabrück vom 24. Mai 2007 wird als unbegründet verworfen, da die Nachprüfung des Urteils auf Grund der Revisionsrechtfertigung keinen Rechtsfehler zum Nachteil des Angeklagten ergeben hat (§ 349 Abs. 2 StPO). Der Beschwerdeführer hat die Kosten des Rechtsmittels zu tragen.
Ergänzend bemerkt der Senat: Die Verteidigung hatte den Antrag gestellt , über die vom sachverständigen Zeugen Dr. B. als Stichproben zum Wirkstoffgehalt analysierten 10 % der sichergestellten HeroinPäckchen hinaus alle weiteren Päckchen sachverständig untersuchen zu lassen ; dies werde ergeben, dass in diesen überhaupt kein Heroin enthalten sei. Das Landgericht hat den Antrag als Beweisermittlungsantrag angesehen, weil ihm eine bloße Vermutung zu Grunde liege, die aufs Geratewohl geäußert worden sei; die Aufklärungspflicht gebiete nicht, diesem Antrag nachzugehen. Die hiergegen gerichtete Verfahrensrüge bleibt ohne Erfolg. Dabei kann der Senat offen lassen, ob an der Rechtsprechung festzuhalten ist, dass einem Antrag, mit dem zum Nachweis einer bestimmten Beweistatsache ein konkretes Beweismittel bezeichnet wird, dennoch die Eigenschaft eines Beweisantrags fehlt, wenn es sich bei der Beweistatsache um eine ohne jede tatsächliche und argumentative Grundlage aufs Geratewohl, ins Blaue hin- ein aufgestellte Behauptung handelt (vgl. BGH NStZ 1992, 397; StV 1993, 3; 1997, 567). Hiergegen könnte sprechen, dass der einen Beweisantrag voraussetzende Ablehnungsgrund der Verschleppungsabsicht (§ 244 Abs. 3 Satz 2, § 245 Abs. 2 Satz 3 StPO) nur Anwendung findet, wenn der Antragsteller um die Unrichtigkeit seiner Beweisbehauptung weiß (vgl. BGHSt 21, 118; 29, 149, 151; BGH NStZ 1984, 230; 1986, 519; 1998, 207), und es daher nicht stimmig erscheint, dass einem Beweisbegehren schon dann der Charakter eines Beweisantrags ermangeln soll, wenn zwar nach der sonstigen Beweislage und auch einer etwaigen Begründung des Antragstellers für sein Begehren nichts für die Richtigkeit seiner Behauptung spricht, ihm jedoch nach den Umständen nicht argumentativ belegt werden kann, dass er die Unrichtigkeit seiner Beweisbehauptung kennt. Entschieden werden muss auch nicht, ob das Landgericht nach den Maßstäben der bisherigen Rechtsprechung die Beweisbehauptung der Verteidigung zu Recht als aufs Geratewohl aufgestellt angesehen oder nicht vielmehr verfahrensfehlerhaft deren Befugnis eingeschränkt hat, auch solche Tatsachen zum Gegenstand eines Beweisantrags zu machen, deren Richtigkeit sie lediglich für möglich hält (vgl. BGHSt 21, 118, 125; BGHR StPO § 244 Abs. 6 Beweisantrag 2, 15, 25). Denn die Rüge ist jedenfalls deswegen unbegründet , weil das Urteil nicht auf der etwaigen fehlerhaften Behandlung des Antrags beruht (s. § 337 StPO). Das Landgericht hat in seinem Ablehnungsbeschluss die Vorgehensweise des sachverständigen Zeugen bei der Wirkstoffuntersuchung im Einzelnen dargestellt und es auf deren Grundlage - dem sachverständigen Zeugen folgend - für tragfähig erachtet, von dem Wirkstoffgehalt der analysierten Teilmenge auf denjenigen der Gesamtmenge des eingeführten Heroins hochzurechnen. Es hat damit der Sache nach den Antrag auch gestützt auf die ihm zum Analyseverfahren vermittelte eigene Sachkunde zurückgewiesen (§ 244 Abs. 4 Satz 1 StPO). Hiergegen ist nichts zu erinnern. Nachdem sich das Landgericht aufgrund der Darlegungen des sachverständigen Zeugen davon überzeugt hatte , dass es sich bei den von diesem gezogenen und analysierten Stichproben um einen repräsentativen Anteil der insgesamt sichergestellten ca. 17,5 kg Heroin handelte, durfte es von diesem im Wege der Schätzung auf die Gesamtwirkstoffmenge hochrechnen. Derartige Schätzungen bilden in aller Regel eine im Rahmen der freien richterlichen Beweiswürdigung (§ 261 StPO) hinreichende Grundlage für die Feststellung des Wirkstoffs sichergestellter Betäubungsmittel. Die Zulässigkeit von Schätzungen zur Ermittlung von Wirkstoffgehalten aufgrund vorliegender Indizien ist selbst für die Fälle anerkannt, in denen das Rauschgift, mit dem der Täter in strafbarer Weise umgegangen ist, nicht sichergestellt werden konnte (vgl. BGHSt 32, 162, 164; 33, 8, 15; BGHR BtMG § 30 Abs. 1 Nr. 4 nicht geringe Menge 7; BGHR BtMG § 29 a Abs. 1 Nr. 2 Menge 7; BGH, Beschl. vom 10. Mai 1985 - 2 StR 191/85 bei Schoreit NStZ 1986, 56). Ist es in die Hände der Ermittlungsbehörden gelangt und sogar in repräsentativen Stichproben analysiert worden, so kann in der Regel nichts anderes gelten; insbesondere bei der Sicherstellung größerer Betäubungsmittelmengen müsste ansonsten ein unverhältnismäßiger Untersuchungsaufwand getrieben werden, der weder für den Schuldspruch (Ermittlung der nicht geringen Menge; s. etwa § 29 a Abs. 1 Nr. 2, § 30 Abs. 1 Nr. 4 BtMG) noch für die Zumessung der angemessenen Strafe geboten ist. So lag es auch hier. Die deutliche Überschreitung des Grenzwerts der nicht geringen Menge war schon wegen des gleichzeitig eingeführten Kokains sowie des analysierten Teils des sichergestellten Heroins nicht zweifelhaft. Die Verteidigung und der Angeklagte konnten ihre weitere Verfahrensführung auf die - insoweit rechtlich nicht zu beanstandenden - Darlegungen im Zurückweisungsbeschluss ausrichten; es ist auszuschließen, dass sie andere Verteidigungsmöglichkeiten gehabt hätten, wenn das Landgericht den Antrag auch formal nicht nach den Maßstäben der Aufklärungspflicht (§ 244 Abs. 2 StPO), sondern nach denen des Beweisantragsrechts (§ 244 Abs. 4 Satz 1 StPO) abgelehnt hätte. Das Urteil beruht daher nicht auf der möglicherweise rechtlich unzutreffenden Einordnung des Antrags. Abschließend weist der Senat noch auf Folgendes hin: Wäre das Landgericht aufgrund etwaig vorhandener Indizien zu der Überzeugung gelangt, dass die Beweisbehauptung unrichtig war und der Antragsteller dies auch wusste , so hätte es - auch - in Betracht ziehen können, den Antrag wegen Verschleppungsabsicht zurückzuweisen. Der Senat neigt mit dem 1. Strafsenat der Auffassung zu, dass an der bisherigen Rechtsprechung nicht mehr festzuhalten ist, wonach dieser Ablehnungsgrund nur Anwendung finden kann, wenn die Erhebung des beantragten Beweises das Verfahren erheblich verzögern würde (vgl. BGH NJW 2007, 2501). Becker RiBGH Miebach befindet sich Pfister in Urlaub und ist daher gehindert zu unterschreiben. Becker von Lienen Schäfer

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
3 StR 218/10
vom
20. Juli 2010
in der Strafsache
gegen
wegen Körperverletzung mit Todesfolge
Der 3. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat nach Anhörung des Beschwerdeführers
und des Generalbundesanwalts - zu 2. auf dessen Antrag - am
20. Juli 2010 gemäß § 349 Abs. 2 und 4 StPO einstimmig beschlossen:
1. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Hildesheim vom 23. Februar 2010, soweit es ihn betrifft, im Strafausspruch mit den zugehörigen Feststellungen aufgehoben. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels und die den Nebenklägern dadurch entstandenen notwendigen Auslagen, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen. 2. Die weitergehende Revision wird verworfen.

Gründe:

1
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen Körperverletzung mit Todesfolge zu der Freiheitsstrafe von drei Jahren verurteilt. Seine hiergegen gerichtete Revision rügt die Verletzung materiellen Rechts und beanstandet das Verfahren. Das Rechtsmittel hat mit der Sachrüge den aus der Beschlussformel ersichtlichen Teilerfolg.
2
1. Der Strafausspruch hat keinen Bestand.
3
a) Nach den Feststellungen waren der Angeklagte und der Mitangeklagte K. , beide Mitarbeiter eines privaten Sicherheitsdienstes, damit befasst, das spätere Tatopfer F. vom Gelände eines Campingplatzes zu entfernen. Unter dem Arm eingehakt führte der Angeklagte F. zum Ausgang. Nach kurzer Wegstrecke entschloss er sich aus Gründen der Eigensicherung , F. nach einem in der Hosentasche vermuteten Messer zu durchsuchen. Hierzu brachte er ihn in Bauchlage zu Fall und drückte ihn nieder, indem er sich mit dem Oberkörper quer über seinen Rücken legte. Der Mitangeklagte K. hielt währenddessen F. s Beine fest. Sobald der Angeklagte sich etwas erhob, um F. durchsuchen zu können, begann dieser, sich heftig gegen den Zugriff zu wehren, worauf er ihn erneut zu Boden presste. Dies wiederholte sich mehrere Male, auch als F. bereits über Atemnot geklagt hatte. Die Thoraxkompressionen führten schließlich zum Atem- und Kreislaufstillstand. F. konnte zwar reanimiert werden, erlitt aber - im Zusammenwirken mit einer durch die Kompressionen oder die Reanimation ausgelösten Aspirationspneumonie - eine hypoxiebedingte Gehirnschädigung, an deren Folgen er wenige Tage darauf verstarb.
4
b) Bei der Strafbemessung hat das Landgericht zu Lasten des Angeklagten berücksichtigt, dass er "eine sehr erfahrene und ausgesprochen gut ausgebildete Sicherheitskraft war" und dass er "in der konkreten Situation durchaus Handlungsalternativen hatte"; so hätte er F. "ohne weiteres loslassen können" und, wenn dieser dann auf dem Gelände geblieben wäre, "professionelle Hilfe durch die Polizei herbeiholen können". Damit hat das Landgericht gegen das Verbot der Doppelverwertung (§ 46 Abs. 3 StGB) verstoßen, denn es hat Erwägungen angestellt, die es als strafschärfend werten, dass der Angeklagte die Tat überhaupt begangen hat, anstatt von deren Begehung Abstand zu nehmen (BGH, Beschluss vom 1. März 2001 - 4 StR 36/01, NStZ-RR 2001, 295).
5
2. Das weitergehende Rechtsmittel ist unbegründet im Sinne von § 349 Abs. 2 StPO. Ergänzend zur Antragsschrift des Generalbundesanwalts bemerkt der Senat:
6
Im Ergebnis zu Recht hat das Landgericht den Antrag auf Vernehmung der Zeugin Kr. auch insoweit abgelehnt, als diese bekunden sollte, sie habe die ihr zugetragenen Erkenntnisse über Bedrohungen einzelner Gäste mit einem Messer dem Zeugen M. mitgeteilt, der seinerseits "den Angeklagten R. entsprechend informierte". Hierbei handelte es sich schon deswegen um keinen Beweisantrag, weil sich dem Beweisbegehren nicht entnehmen ließ, was genau Gegenstand der Wahrnehmung der Zeugin gewesen sein soll; damit fehlte es an der Bezeichnung einer bestimmten Beweistatsache (s. BGH, Urteil vom 6. Juli 1993 - 5 StR 279/93, BGHSt 39, 251, 253 f.). Im Hinblick auf das sonstige Beweisergebnis war das Landgericht durch die Aufklärungspflicht nicht gehalten, diesem Begehren durch Vernehmung der Zeugin nachzukommen.
7
Der Senat kann deshalb erneut offen lassen, ob an der Rechtsprechung festzuhalten ist, dass einem Antrag, mit dem zum Nachweis einer bestimmten Beweistatsache ein konkretes Beweismittel bezeichnet wird, dennoch die Eigenschaft eines Beweisantrags fehlt, wenn es sich bei der Beweistatsache um eine ohne jede tatsächliche und argumentative Grundlage aufs Geratewohl, ins Blaue hinein aufgestellte Behauptung handelt (hierzu BGH, Beschluss vom 19. September 2007 - 3 StR 354/07, StV 2008, 9; Urteil, vom 10. Juni 2008 - 5 StR 38/08, NJW 2008, 3446). Ebenso kann der Senat offen lassen, ob der Verweis des Landgerichts auf das bisherige Beweisergebnis den sich aus dieser Rechtssprechung ergebenden Begründungserfordernissen überhaupt genügt hätte (vgl. BGH, Beschluss vom 10. November 1992 - 5 StR 474/92, Rn. 24, StV 1993, 3, 4; BGH, Beschluss vom 5. Februar 2002 - 3 StR 482/01, NStZ 2002, 383).
8
Der Schriftsatz des Verteidigers vom 19. Juli 2010 hat dem Senat bei seiner Entscheidung vorgelegen.

Becker Pfister Sost-Scheible Hubert Mayer

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
1 StR 497/10
vom
3. November 2010
in der Strafsache
gegen
BGHSt: nein
BGHR: ja
Nachschlagewerk: ja
Veröffentlichung: ja
Bedarf es der Darlegung der Konnexität, so hat der Antragsteller
die Tatsachen, die diese begründen sollen, bestimmt
zu behaupten.
BGH, Beschluss vom 3. November 2010 - 1 StR 497/10 - LG
Mosbach
wegen schwerer räuberischer Erpressung u.a.
Der 1. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat am 3. November 2010 beschlossen
:
Die Revision des Angeklagten gegen das Urteil des Landgerichts
Mosbach vom 27. Mai 2010 wird als unbegründet verworfen.
Der Beschwerdeführer hat die Kosten des Rechtsmittels zu
tragen.

Gründe:


1
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen schwerer räuberischer Erpressung in Tateinheit mit Körperverletzung zu einer fünfjährigen Freiheitsstrafe verurteilt. Die hiergegen gerichtete Revision des Angeklagten hat aus den vom Generalbundesanwalt in seiner Antragsschrift vom 2. September 2010 dargelegten Gründen keinen Erfolg (§ 349 Abs. 2 StPO). Der ergänzenden Erörterung bedarf allein die neben der ausgeführten Sachrüge erhobene Verfahrensrüge , das Landgericht habe § 244 Abs. 3 StPO verletzt.
2
1. Dieses hat aufgrund der eintägigen Hauptverhandlung festgestellt, der inhaftierte Angeklagte habe den Mitinsassen S. durch mehrere Schläge gegen die Brust und durch die Drohung, ihm anderenfalls mit einer Billardkugel auf den Kopf zu schlagen, dazu gebracht, ihm einen Teil der von diesem gekauften Lebensmittel auszuhändigen, ohne dass der Angeklagte hierauf einen Anspruch gehabt hätte. Seine diesbezügliche Überzeugung hat es insbesondere auf die Angaben des als Zeugen gehörten S. sowie auf den Inhalt eines von diesem an seine Eltern gerichteten, im Rahmen der Postkontrolle sichergestellten Briefes gestützt, in dem er die Tat schildert.
3
2. Der Verfahrensrüge liegt folgendes Geschehen zugrunde: Im Rahmen seines Plädoyers stellte der Verteidiger „für den Fall, dass das Gericht den Angeklagten wegen … schwerer räuberischer Erpressung verurteilen möchte“, den Antrag, S. s Mutter als Zeugin zu hören zum Beweis der Tatsache, dass dieser ihr gegenüber „nach Abfassen des Briefes geschildert hat, dass er dem Angeklagten die Sachen freiwillig gegeben hat als Gegenleistung für Tabak und von anderen ´abgezockt` wurde“. In der Antragsbegründung heißt es, es sei „davon auszugehen, dass der Zeuge“ S. „von seiner Mutter bei dem nächsten Besuch nach dem Brief auf die Vorgänge angesprochen wurde und diese wie“ - nach den Feststellungen des Landgerichts zunächst durch den Angeklagten eingeschüchtert - „in der Hauptverhandlung geschildert“, d.h. sinngemäß angegeben hat, er hätte dem Angeklagten die Lebensmittel auch ohne Auseinandersetzung, also freiwillig gegeben. Die dem Verteidiger seitens der Strafkammer daraufhin gestellte Frage, ob ihm „nähere Informationen vorliegen, dass ein derartiges Gespräch zwischen dem Geschädigten und seiner Mutter stattgefunden hat“, wurde von diesem verneint. Diesbezüglich wurde - von der Revision nicht vorgetragen - im Hauptverhandlungsprotokoll folgendes protokolliert : „Auf Frage erklärte der Verteidiger, er wisse nicht, ob und was der Zeuge S. mit seiner Mutter gesprochen habe. Sein Hilfsbeweisantrag beruhe insoweit allein auf einer Vermutung“. Das Landgericht hat in seinem Urteil ausgeführt , „die Beweistatsache“ sei „demnach aufs Geratewohl behauptet, so dass nur ein Beweisermittlungsantrag vorliegt, dem nachzukommen die Aufklärungspflicht nicht geboten hat“.
4
3. Der Verfahrensrüge bleibt der Erfolg versagt.
5
a) Der Senat hat bereits erhebliche Bedenken, ob die Rüge den Anforderungen des § 344 Abs. 2 Satz 2 StPO genügt. Denn nach dieser Bestimmung sind die Verfahrenstatsachen so vollständig und aus sich heraus verständlich anzugeben, dass das Revisionsgericht allein anhand der Revisionsbegründung in die Lage versetzt wird, darüber - unter der Voraussetzung der Erweisbarkeit - endgültig zu entscheiden (BGH, Urteil vom 30. April 1999 - 3 StR 215/98, NStZ 1999, 396, 399 mwN). Hierzu hätte vorliegend die - wie dargelegt unterbliebene - Mitteilung gehört, dass das zwischen der Strafkammer und dem Verteidiger geführte Gespräch über dessen mögliche Erkenntnisse hinsichtlich der behaupteten Angaben des Zeugen S. seiner Mutter gegenüber einen - wie sich dem Hauptverhandlungsprotokoll entnehmen lässt - weitergehenden Inhalt gehabt hat, als ihn die Revision vorgetragen hat. Dieser lässt sich auch den ergänzend heranzuziehenden Urteilsgründen nicht vollständig entnehmen. Die Frage der Zulässigkeit kann jedoch offen bleiben, da die Verfahrensrüge jedenfalls unbegründet ist.
6
b) Denn die Verfahrensweise des Landgerichts hält rechtlicher Überprüfung stand, weil es den Antrag im Ergebnis zutreffend nicht als Beweisantrag angesehen hat. Der Senat lässt allerdings offen, ob das Landgericht den Antrag zu Recht als „aufs Geratewohl“ gestellt bewertet hat (aa). Denn jedenfalls handelte es sich deshalb lediglich um einen Beweisermittlungsantrag, weil die für einen Beweisantrag notwendige Konnexität zwischen Beweistatsache und Beweismittel nicht hinreichend bestimmt behauptet worden ist (bb).
7
aa) Allerdings muss einem Beweisbegehren nach bisheriger Rechtsprechung nicht (oder nur nach Maßgabe der Aufklärungspflicht) nachgegangen werden, wenn die Beweisbehauptung ohne jeden tatsächlichen Anhaltspunkt und ohne begründete Vermutung für ihre Richtigkeit aufs Geratewohl, d.h. „ins Blaue hinein“ aufgestellt wird, so dass es sich in Wahrheit nur um einen nicht ernst gemeinten, zum Schein gestellten Beweisantrag handelt. Ob es sich um einen solchen handelt, ist aus der Sicht eines "verständigen" Antragstellers auf der Grundlage der von ihm selbst nicht in Frage gestellten Tatsachen zu beurteilen (zusammenfassend BGH, Beschluss vom 12. März 2008 - 2 StR 549/07, NStZ 2008, 474 mwN; s. auch BGH, Urteil vom 12. Juni 1997 - 5 StR 58/97, NJW 1997, 2762, 2764; BGH, Beschluss vom 5. März 2003 - 2 StR 405/02, NStZ 2003, 497).
8
Was den insofern geltenden Maßstab angeht, soll einerseits von einer "ins Blaue hinein" aufgestellten Beweisbehauptung nicht schon dann gesprochen werden können, wenn die unter Beweis gestellte Tatsache objektiv ungewöhnlich oder unwahrscheinlich erscheint oder andere Möglichkeiten näher gelegen hätten (BGH, Beschluss vom 12. März 2008 - 2 StR 549/07, NStZ 2008, 474). Andererseits soll bei Sachverhalten, in denen keine sachlichen Anhaltspunkte dafür bestehen, eine sich aufdrängende Tatsache in Frage zu stellen, auf eine strenge Einhaltung der Anforderungen an einen Beweisantrag zum Zweck der Abgrenzung von sog. Pseudobehauptungen oder von „ins Blaue hinein“ bzw. aufs Geratewohl angestellten Vermutungen nicht verzichtet werden können (BGH, Urteil vom 14. April 1999 - 3 StR 22/99, NJW 1999, 2683, 2684).
9
Hieran gemessen hat der Senat Zweifel, ob den von der Revision (erstmals mit ihrer Begründungsschrift) vorgebrachten, nach ihrer Auffassung für die aufgestellte Vermutung „ausreichenden Anhaltspunkte“ ein hinreichendes Gewicht zukommt, nämlich der Mitinhaftierte S. sei zum Zeitpunkt des Verfassens des Briefes 19 Jahre alt gewesen, aus diesem ergebe sich ein gutes Verhältnis zu der als Zeugin benannten Mutter, diese wohne ca. 180 Straßenkilometer von der Justizvollzugsanstalt entfernt und es sei schließlich die Regel, dass Gefangene von ihren Eltern besucht würden. Er braucht dies aber - wie ausgeführt - nicht zu entscheiden.
10
Ebenso braucht er sich nicht zu der vom 3. Strafsenat aufgeworfenen Frage zu äußern, ob überhaupt an der Rechtsprechung festzuhalten sei, dass einem Antrag, mit dem zum Nachweis einer bestimmten Beweistatsache ein konkretes Beweismittel bezeichnet wird, dennoch die Eigenschaft eines Beweisantrags fehlt, wenn es sich bei der Beweistatsache um eine ohne jede tatsächliche und argumentative Grundlage aufs Geratewohl aufgestellte Behauptung handelt (BGH, Beschluss vom 19. September 2007 - 3 StR 354/07, StV 2008, 9; BGH, Beschluss vom 20. Juli 2010 - 3 StR 218/10).
11
bb) Ein Beweisantrag i.S.d. § 244 StPO setzt als erstes Erfordernis die konkrete und bestimmte Behauptung einer Tatsache voraus. Zweitens ist ein bestimmtes Beweismittel zu benennen, mit dem der Nachweis der Tatsache geführt werden soll. Sind diese beiden Voraussetzungen erfüllt, kann je nach der Fallgestaltung eine dritte hinzutreten, die sog. Konnexität zwischen Beweismittel und Beweisbehauptung. Darunter ist im Falle des Zeugenbeweises zu verstehen, dass der Antrag erkennen lassen muss, weshalb der Zeuge überhaupt etwas zu dem Beweisthema bekunden können soll (BGH, Beschluss vom 17. November 2009 - 4 StR 375/09), etwa weil er am Tatort war, in der Nachbarschaft wohnt, eine Akte gelesen hat usw. (BGH, Urteil vom 28. November 1997 - 3 StR 114/97, BGHSt 43, 321, 329 f. mwN).
12
Dieser Zusammenhang zwischen Beweistatsache und Beweismittel wird sich in vielen Fällen von selbst verstehen. Es sind aber auch Konstellationen denkbar, in denen - vergleichbar gerade den in der Rechtsprechung unter den Begriffen der aufs Geratewohl aufgestellten, aus der Luft gegriffenen Behauptung abgehandelten Fällen - zwar konkrete und bestimmte Behauptungen aufgestellt werden, denen eigene Wahrnehmungen eines Zeugen zugrundeliegen sollen, der Antrag jedoch nicht erkennen lässt, weshalb der Zeuge seine Wahr- nehmung hat machen können. Verhält es sich so, bedarf es der näheren Darlegung des erforderlichen Zusammenhangs, der Konnexität zwischen Beweistatsache und Beweismittel (BGH, Urteil vom 28. November 1997 - 3 StR 114/97, BGHSt 43, 321, 330).
13
Ebenso wie die Beweistatsache - auch wenn sie ggf. vom Antragsteller lediglich als möglicherweise geschehen erachtet werden darf (BGH, Beschluss vom 10. November 1992 - 5 StR 474/92, NStZ 1993, 143; BGH, Beschluss vom 5. Februar 2002 - 3 StR 482/01, NStZ 2002, 383; BGH, Urteil vom 15. Dezember 2005 - 3 StR 201/05, NStZ 2006, 585, 586; BGH, Beschluss vom 4. April 2006 - 4 StR 30/06, NStZ 2006, 405) - und das Beweismittel bestimmt bezeichnet werden müssen, hat der Antragsteller auch die Tatsachen bestimmt zu behaupten , aus denen sich die Konnexität ergibt. Denn es muss dem Tatgericht plausibel gemacht werden, dass der benannte Zeuge in der Lage gewesen ist, die Beweistatsache wahrzunehmen (BGH, Urteil vom 10. Juni 2008 - 5 StR 38/08, BGHSt 52, 284, 287). In der Antragsbegründung ist daher insoweit ein nachvollziehbarer Grund anzugeben (BGH, Urteil vom 15. Dezember 2005 - 3 StR 201/05, NStZ 2006, 585, 586), zumal dann, wenn - wie hier - keine Anhaltspunkte dafür erkennbar sind, weshalb der Zeuge S. gegenüber seiner Mutter das Gegenteil dessen gesagt haben soll, was er zuvor in seinem ebenfalls an diese gerichteten Brief bekundet hatte (zur vergleichbaren Konstellation bei einer Aufklärungsrüge BGH, Beschluss vom 3. Juli 2007 - 1 StR 168/06, NStZ 2007, 165).
14
Diesem Erfordernis wird der vorliegend gestellte Antrag nicht gerecht. Denn er bezeichnet - worauf schon der Generalbundesanwalt in seiner Antragsschrift zutreffend hingewiesen hat - die Wahrnehmungssituation nicht bestimmt genug. Vielmehr lässt bereits der Antrag in seiner Gesamtheit erkennen, dass ihm lediglich die Vermutung zugrunde liegt, es habe ein - im Übrigen vor allem zeitlich nicht näher spezifiziertes - Gespräch mit dem behaupteten Inhalt gegeben. Der infolge dessen seitens des Gerichts mit dem Antragsteller aus Gründen der Fairness (vgl. BGH, Urteil vom 10. Juni 2008 - 5 StR 38/08, BGHSt 52, 284, 288) und verfassungsrechtlich unbedenklich (vgl. BVerfG, Beschluss vom 6. Oktober 2009 - 2 BvR 2580/08, NStZ 2010, 155) gesuchte Dialog hat dann dementsprechend eindeutig bestätigt, der „Hilfsbeweisantrag beruhe … allein auf einer Vermutung“.
15
c) Angesichts der gesamten Sach- und Beweislage brauchte sich das Landgericht auch nicht zu der in Rede stehenden weiteren Aufklärung gemäß § 244 Abs. 2 StPO gedrängt zu sehen.
VRiBGH Nack ist wegen Wahl Graf Urlaubsabwesenheit an der Unterschrift gehindert. Wahl Jäger Sander

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
4 StR 30/06
vom
4. April 2006
in der Strafsache
gegen
wegen schweren sexuellen Missbrauchs eines Kindes u.a.
Der 4. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat nach Anhörung des Generalbundesanwalts
und des Beschwerdeführers am 4. April 2006 gemäß § 349 Abs. 2
und 4 StPO beschlossen:
1. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Hagen vom 28. Juni 2005 aufgehoben,
a) soweit der Angeklagte wegen sexuellen Missbrauchs eines Kindes in drei Fällen und wegen schweren sexuellen Missbrauchs eines Kindes in vier Fällen verurteilt worden ist, jedoch bleiben die insoweit zum äußeren Tatgeschehen getroffenen Feststellungen mit Ausnahme derjenigen zum Alter des Tatopfers aufrechterhalten;
b) in den Aussprüchen über die im Fall II 8 der Urteilsgründe verhängten Einzelstrafe und über die Gesamtstrafe. 2. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels , an eine andere als Jugendschutzkammer zuständige Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen. 3. Die weiter gehende Revision wird verworfen.

Gründe:

1
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen sexuellen Missbrauchs eines Kindes in drei Fällen, schweren sexuellen Missbrauchs eines Kindes in vier Fällen und wegen Freiheitsberaubung zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von vier Jahren und sechs Monaten verurteilt. Mit seiner Revision rügt der Angeklagte die Verletzung formellen und materiellen Rechts. Das Rechtsmittel hat mit einer Verfahrensrüge in dem aus der Beschlussformel ersichtlichen Umfang Erfolg; im Übrigen ist es unbegründet im Sinne des § 349 Abs. 2 StPO.
2
1. Die Verurteilung des Angeklagten wegen sexuellen Missbrauchs eines Kindes in drei Fällen (Fälle II 1 bis 3 der Urteilsgründe) und wegen schweren sexuellen Missbrauchs eines Kindes in vier Fällen (Fälle II 4 bis 7 der Urteilsgründe ) muss auf die zulässig erhobene Rüge aufgehoben werden, der Beweisantrag des Angeklagten auf Einholung eines Sachverständigengutachtens zum Alter des Tatopfers sei rechtsfehlerhaft behandelt worden.
3
a) Nach den Feststellungen nahm der Angeklagte an sieben, jeweils nicht näher bestimmbaren Tagen im Sommer des Jahres 2003 an der im Mai 1991 im Baku/Aserbaidschan geborenen Zeugin Ülvie M. sexuelle Handlungen vor.
4
Im Hauptverhandlungstermin am 28. Juni 2005 hatte der Angeklagte die Einholung eines anthropologischen Sachverständigengutachtens bezüglich des Alters der Zeugin Ülvie M. zum Beweis für die Tatsache beantragt, dass die Zeugin zu den in der Anklage genannten Zeitpunkten über 14 Jahre alt gewesen ist. Das Landgericht lehnte diesen Antrag ab und führte zur Begründung u.a. aus: "Ungeachtet des Umstands, dass der Antrag noch eine bestimmte Beweisbehauptung formuliert und ein bestimmtes Beweismittel bezeichnet, handelt es sich in der Sache um einen Beweisermittlungsantrag. Denn zureichende Anhaltspunkte für die als solche zunächst ausreichende Vermutung des Angeklagten bestehen nach dem Ergebnis der hierzu stattgefundenen Beweisaufnahme gerade nicht, so dass die Beweistatsache letztlich auf's Geratewohl behauptet wird."...
5
b) Die Behandlung des Antrages des Angeklagten als Beweisermittlungsantrag hält rechtlicher Nachprüfung nicht stand.
6
Dem Antragsteller kann es grundsätzlich nicht verwehrt sein, auch solche Tatsachen unter Beweis zu stellen, die er lediglich für möglich hält (vgl. BGHSt 21, 118, 125; BGH NStZ 1993, 143, 144 jeweils m.w.N.) oder nur vermutet (BGHR StPO § 244 Abs. 6 Beweisantrag 2; Meyer-Goßner StPO 48. Aufl. § 244 Rdn. 20 jeweils m.w.N.). Einem Beweisbegehren, das - wie hier - in die Form eines Beweisantrags gekleidet ist, muss allerdings nicht oder allenfalls nach Maßgabe der Aufklärungspflicht nachgegangen werden, wenn die Beweisbehauptung ohne jeden tatsächlichen Anhaltspunkt und ohne jede begründete Vermutung aufs Geratewohl ins Blaue hinein aufgestellt wurde, sodass es sich in Wahrheit nur um einen nicht ernstlich gemeinten, zum Schein gestellten Beweisantrag handelt (vgl. BGH NStZ 2003, 497; StV 2002, 233 m.w.N.). Dies ist jedoch nicht schon dann der Fall, wenn die bisherige Beweisaufnahme keine Anhaltspunkte für die Richtigkeit der Beweisaufnahme ergeben hat (vgl. BGH NJW 1983, 126, 127; StV 2002, 233). Ob es sich nach den vorgenannten Grundsätzen bei einem Beweisbegehren um einen Beweisermittlungsantrag handelt, ist vielmehr aus der Sicht eines verständigen Antragstellers auf der Grundlage der von ihm selbst nicht infrage gestellten Tatsachen zu beurteilen (vgl. BGH NStZ 1989, 334; 2003, 497). Gemessen an diesen Grundsätzen liegt entgegen der Auffassung des Landgerichts kein Beweisermittlungsantrag sondern ein Beweisantrag vor, der - was nicht geschehen ist - nur aus einem der in § 244 Abs. 3 und 4 StPO genannten Ablehnungsgründe hätte zurückgewiesen werden dürfen.
7
Zwar ist der Angeklagte nach den bisherigen Feststellungen im Jahre 2003 und auch noch zu Beginn des Jahres 2004 bei seinen Bemühungen, den Amtsvormund des Tatopfers zu veranlassen, dieses aus dem Umfeld der Pflegefamilie herauszuholen (UA 9), ersichtlich davon ausgegangen, dass das Tatopfer zu den jeweiligen Zeitpunkten das 14. Lebensjahr noch nicht vollendet hatte. Aus der Sicht des Angeklagten haben sich aber in den gegen ihn geführten Ermittlungsverfahren und im Verlauf der Hauptverhandlung tatsächliche Anhaltspunkte ergeben, die dafür sprechen können, dass das Tatopfer zu den jeweiligen Tatzeiten bereits das 14. Lebensjahr vollendet hatte:
8
Nach den Feststellungen ist die Familie des Tatopfers im Herbst 2001 aus Aserbaidschan nach Deutschland eingereist und hat Asyl beantragt, wobei allein der Vater des Tatopfers eine amtliche in kyrillischer Schrift ausgestellte Geburtsurkunde vorlegen konnte. Die von den deutschen Behörden nach der Einreise der Familie ausgestellten Personalpapiere und Personenstandsurkunden beruhen demgegenüber auf den Angaben der Familienmitglieder. Zwar besteht , wie das Landgericht zutreffend ausgeführt hat, kein allgemeiner Erfahrungssatz , dass Asylbewerber häufig falsche Angaben im Hinblick auf ihr Alter machen; es besteht aber auch kein Erfahrungssatz, dass solche Angaben stets zutreffen. Vielmehr kann, worauf die Revision zu Recht hinweist, u.a. im Hinblick auf das weiter gehende Aufenthaltsrecht von Kindern (vgl. § 34 AufenthG) oder die Regelungen über den Bezug von Kindergeld durchaus ein Interesse bestehen, das wahre Alter gegenüber den für die Ausstellung der Personalpapiere und Personenstandsurkunden zuständigen Behörden zu verschleiern. Zu- dem hat die Pflegemutter des Tatopfers bekundet, ein Zahnarzt habe den "frühen vollständigen Zahnwechsel" bei dem Tatopfer hervorgehoben und ein weiterer Arzt habe erklärt, die Hände des Tatopfers seien abgearbeitet oder abgenutzt "wie die Hände einer 50-Jährigen". Auf der Grundlage dieser Tatsachen, auf die der Angeklagte zur Begründung seines Beweisantrages in Stichworten hingewiesen hat, ist die Beweisbehauptung, das Tatopfer sei zu den jeweiligen Tatzeitpunkten bereits 14 Jahre alt gewesen, aus der Sicht eines verständigen Antragstellers keine lediglich aufs Geratewohl ins Blaue hinein aufgestellte Behauptung. Darauf, dass das Landgericht nach Würdigung des gesamten Beweisergebnisses keine Zweifel daran hat, dass das Tatopfer im Sommer 2003 erst 12 Jahre alt gewesen ist, kommt es in diesem Zusammenhang nicht an (vgl. BGH StV 2002, 233).
9
2. Auf der danach rechtsfehlerhaften Ablehnung des Beweisantrages kann die Verurteilung des Angeklagten in den Fällen II 1 bis 7 der Urteilsgründe beruhen. Es ist nicht auszuschließen, dass das Landgericht, hätte es das beantragte Gutachten eines anthropologischen Sachverständigen eingeholt, zu dem Ergebnis gelangt wäre, dass das Tatopfer zu den jeweiligen Tatzeiten möglicherweise bereits 14 Jahre alt gewesen ist, und den Angeklagten in Anwendung des Zweifelsgrundsatzes jeweils nur wegen eines - auch soweit es die Fälle des sexuellen Missbrauchs eines Kindes betrifft gemäß § 176 Abs. 6 StGB strafbaren - (untauglichen) Versuchs verurteilt hätte.
10
Die Aufhebung der Verurteilung in den vorgenannten Fällen nötigt zur Aufhebung des Ausspruchs über die Gesamtstrafe. Der Senat hebt ferner auch die im Fall II 8 verhängte Geldstrafe von 90 Tagessätzen auf, weil nicht auszuschließen ist, dass sich die Bemessung dieser Strafe an der Höhe der anderen Einzelstrafen orientiert hat.
11
3. Da sich der aufgezeigte Verfahrensfehler nur auf die Feststellungen zum Alter des Tatopfers ausgewirkt haben kann und die Feststellungen zum äußeren Tatgeschehen in den Fällen II 1 bis 7 der Urteilsgründe im Übrigen sachlich-rechtlicher Nachprüfung standhalten, können diese Feststellungen bestehen bleiben. Soweit sie dazu nicht in Widerspruch stehen, sind ergänzende Feststellungen möglich. Tepperwien Maatz Athing Ernemann Sost-Scheible

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
2 StR 549/07
vom
12. März 2008
in der Strafsache
gegen
1.
2.
3.
4.
wegen unerlaubter Einfuhr von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge u.a.
Der 2. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat auf Antrag des Generalbundesanwalts
und nach Anhörung der Beschwerdeführer am 12. März 2008 gemäß
§ 349 Abs. 2 und 4 StPO beschlossen:
1. Auf die Revisionen der Angeklagten Ö. und K. wird das Urteil des Landgerichts Frankfurt am Main vom 26. März

2007



a) hinsichtlich des Angeklagten K. im Schuldspruch dahin geändert, dass er der unerlaubten Einfuhr von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in Tateinheit mit Beihilfe zum unerlaubten Handeltreiben mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in zwei Fällen sowie des unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in acht Fällen schuldig ist,

b) hinsichtlich des Angeklagten Ö. im Ausspruch über den Verfall mit den zugehörigen Feststellungen sowie hinsichtlich aller Angeklagten im Ausspruch über die Einziehung jeweils mit den zugehörigen Feststellungen aufgehoben und insoweit zur erneuten Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Rechtsmittel, an eine andere Kammer des Landgerichts zurückverwiesen.
2. Die weitergehenden Revisionen der Angeklagten Ö. und K. werden verworfen.

Gründe:


1
1. Das Landgericht hat den Angeklagten Ö. wegen unerlaubten Einführens von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in Tateinheit mit unerlaubtem Handeltreiben mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in zwei Fällen sowie wegen unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in drei Fällen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von sechs Jahren und drei Monaten verurteilt. Den Angeklagten K. hat es wegen unerlaubten Einführens von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in Tateinheit mit unerlaubtem Handeltreiben mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in zwei Fällen sowie wegen unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in acht Fällen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von drei Jahren und sechs Monaten verurteilt. Im Übrigen hat es ihn freigesprochen.
2
Die nicht revidierenden Angeklagten Öz. und T. hat das Landgericht jeweils wegen unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in zwei Fällen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von vier Jahren bzw. zwei Jahren verurteilt.
3
Darüber hinaus hat das Landgericht "das sichergestellte Rauschgift jeweils mit Verpackungsmaterial" eingezogen sowie gegen den Angeklagten Ö. den Verfall von sichergestelltem Bargeld in Höhe von 50.000 € und einer Herrenarmbanduhr angeordnet.
4
Die Revisionen der Angeklagten Ö. und K. haben in dem aus dem Tenor ersichtlichen Umfang Erfolg; im Übrigen sind sie aus den vom Ge- neralbundesanwalt in seiner Stellungnahme vom 27. November 2007 ausgeführten Gründen unbegründet im Sinne von § 349 Abs. 2 StPO.
5
2. Hinsichtlich des Angeklagten K. hält die Annahme täterschaftlichen Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in den Urteilsfällen 5 und 6 (= Anklagepunkte 39, 40) rechtlicher Überprüfung nicht stand. Die Tätigkeit eines Kuriers, die sich – wie hier - in dem Transport des Rauschgifts erschöpft, ist als Beihilfe zum unerlaubten Handeltreiben mit Betäubungsmitteln zu werten (vgl. BGHSt 51, 219). Das Landgericht hat keine Feststellungen getroffen, die eine über die Beförderung der Drogen hinausgehende Tätigkeit oder einen weitergehenden Einfluss des Angeklagten auf das Gesamtgeschäft erkennen ließen. Der Senat hat, da weitergehende Feststellungen nicht zu erwarten sind, den Schuldspruch insoweit geändert.
6
3. Die Revision des Angeklagten Ö. hat hinsichtlich der Anordnung des erweiterten Verfalls mit einer Verfahrensrüge Erfolg.
7
Im Rahmen des Schlussvortrags stellte der Verteidiger des Angeklagten zwei Hilfsbeweisanträge auf Vernehmung der Ehefrau des Angeklagten sowie ihrer Cousine jeweils zum Beweis der Tatsache, dass das in einem Schließfach der F. Sparkasse sichergestellte und für verfallen erklärte Bargeld in Höhe von 58.500 € sowie die ebenfalls sichergestellte und für verfallen erklärte Herrenarmbanduhr nicht dem Angeklagten, sondern seiner Ehefrau gehörten. Anlässlich ihrer Hochzeit mit dem Angeklagten seien der Zeugin insgesamt 22.500 € Bargeld sowie Schmuckstücke geschenkt worden, die sie später für 12.000 € verkauft habe. Dieses Geld habe sie im Schließfach ihrer Cousine aufbewahrt, um einen Zugriff des Angeklagten zu verhindern. Dieser sei nicht berechtigt gewesen, das Schließfach zu öffnen, und habe dies auch nicht ge- tan. Die Herrenarmbanduhr habe die Ehefrau des Angeklagten ebenfalls von ihrer Familie zur Hochzeit geschenkt bekommen.
8
Das Landgericht hat die Hilfsbeweisanträge im Urteil mit der Begründung abgelehnt, es habe sich um ins Blaue hinein gemachte, nicht nachvollziehbare Behauptungen gehandelt. Es gebe keinen Grund, einen so hohen Bargeldbetrag in einem Schließfach aufzubewahren, wenn er, auch unter Berücksichtigung eines hohen Zinsniveaus in der Türkei, habe verzinslich angelegt werden können. Die Umstände legten es vielmehr nahe, dass das Geld aus Drogengeschäften des Angeklagten stamme und allein aus Tarnungsgründen in einem Schließfach der Ehefrau für weitere Geschäfte bereitgehalten werde. Weiterhin sei nicht nachvollziehbar, weshalb die Herrenarmbanduhr ein Geschenk an die Ehefrau des Angeklagten gewesen sein solle.
9
Die Ablehnung der Hilfsbeweisanträge hält rechtlicher Nachprüfung nicht stand. Zwar muss einem Beweisbegehren nicht oder nur nach Maßgabe der Aufklärungspflicht nachgegangen werden, wenn die Beweisbehauptung ohne jeden tatsächlichen Anhaltspunkt und ohne begründete Vermutung für ihre Richtigkeit aufs Geratewohl ins Blaue hinein aufgestellt wurde, so dass es sich in Wahrheit nur um einen nicht ernstlich gemeinten, zum Schein gestellten Beweisantrag handelt (vgl. BGH NStZ 2003, 497; StV 2002, 233 m.w.N.). Die Frage , ob ein Beweisantrag nur zum Schein gestellt ist, ist aus der Sicht eines verständigen Antragstellers auf der Grundlage der von ihm selbst nicht infrage gestellten Tatsachen zu beurteilen (vgl. BGH NStZ 1989, 334; 2003, 497). Von einer "ins Blaue hinein" aufgestellten Beweisbehauptung kann aber nicht schon dann gesprochen werden, wenn die unter Beweis gestellte Tatsache objektiv ungewöhnlich oder unwahrscheinlich erscheint oder andere Möglichkeiten näher gelegen hätten. Hier lagen die Voraussetzungen aufs Geratewohl oder nur zum Schein gestellter Beweisanträge offensichtlich nicht vor. Weder ist die Schenkung hoher Bargeldbeträge oder einer Herrenarmbanduhr an die Braut im Rahmen einer türkischen Hochzeitsfeier außergewöhnlich, noch erscheint es fern liegend, dass ein hoher Bargeldbetrag in einem Bankschließfach verwahrt und nicht verzinslich angelegt wird.
10
Da auch ein anderer Grund für eine Ablehnung der Hilfsbeweisanträge nicht in Betracht kommt, musste das Landgericht die angebotenen Beweise erheben. Der Senat kann nicht ausschließen, dass das Urteil, soweit der erweiterte Verfall angeordnet worden ist, auf der rechtsfehlerhaft unterlassenen Beweiserhebung beruht.
11
4. Die Einziehungsanordnung kann keinen Bestand haben, da sie inhaltlich zu unbestimmt ist und auch mit Hilfe der Urteilsgründe nicht näher konkretisiert werden kann. Die einzuziehenden Gegenstände sind in der Urteilsformel so konkret zu bezeichnen, dass für die Beteiligten und die Vollstreckungsbehörde Klarheit über den Umfang der Einziehung besteht (vgl. BGHR StGB § 74 Abs. 1 Urteilsformel 1; Fischer, StGB, 55. Aufl., § 74 Rdn. 4 m.w.N.). Das ist hier nicht geschehen.
12
Gemäß § 357 Satz 1 StPO war die Aufhebung der Einziehungsanordnung auf die nicht revidierenden Mitangeklagten Öz. und T. zu erstrecken. RiBGH Rothfuß ist wegen Urlaubs an der Unterschriftsleistung gehindert Fischer Fischer Roggenbuck Appl Schmitt
5 StR 272/07

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
vom 3. Juli 2007
in der Strafsache
gegen
wegen gefährlicher Körperverletzung
Der 5. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat am 3. Juli 2007

beschlossen:
Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Hamburg vom 28. Februar 2007 gemäß § 349 Abs. 4 StPO mit den Feststellungen aufgehoben.
Die Sache wird zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine allgemeine Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.
G r ü n d e
1
Das Landgericht – Schwurgerichtskammer – hat den Angeklagten wegen gefährlicher Körperverletzung zu einer Freiheitsstrafe von einem Jahr und sechs Monaten verurteilt und die Vollstreckung dieser Strafe zur Bewährung ausgesetzt, ferner das sichergestellte Messer eingezogen. Die dagegen gerichtete Revision des Angeklagten hat mit einer Beweisantragsrüge Erfolg.
2
1. Das Landgericht hat sich aufgrund der – insgesamt nicht für vollständig glaubhaft gehaltenen – Aussage des Tatopfers, die im Kern weitgehend von dem Zeugen S. und im Randgeschehen von weiteren Zeugen bestätigt worden ist, davon überzeugt, dass der Angeklagte dem Zeugen D. während zweier Streitigkeiten zunächst eine leere Bierflasche auf den Kopf geschlagen und danach mit seinem Taschenmesser dem Zeugen eine 2 cm lange Schnittwunde seitlich am Hals zugefügt hat.
3
2. Das Landgericht hat einen Antrag des Verteidigers, die Blutanhaftungen an der Klinge des zusammengeklappt in der Hosentasche des Angeklagten aufgefundenen Messers dahingehend zu untersuchen, ob es sich um Blut des Zeugen D. handelt, als Beweisermittlungsantrag mit der Erwägung zurückgewiesen, nach dem bisherigen Ergebnis der Beweisaufnahme und der Einlassung des Angeklagten gäbe es keine Hinweise, dass die Anhaftungen von einer anderen Person als von dem Zeugen D. stammen könnten. Den daraufhin gestellten Antrag, dass eine DNA-Untersuchung von an der Hand des Angeklagten sichergestellten Blutanhaftungen ergebe, dass diese nicht vom Zeugen D. stammen würden, hat das Landgericht mit folgender Begründung zurückgewiesen: „Die unter Beweis gestellte Tatsache (ist) für die Entscheidung aus tatsächlichen Gründen ohne Bedeutung. Selbst wenn es sich bei den Blutanhaftungen nicht um das Blut des Zeugen D. handeln sollte, ließe dies keine Rückschlüsse darauf zu, ob der Angeklagte den ihm zur Last gelegten Messerstich geführt hat.“
4
3. Dies beanstandet die Revision zu Recht.
5
a) Das Begehren, die sichergestellten Blutanhaftungen einer DNAAnalyse zu unterziehen, die keine Urheberschaft des Opfers ergebe, stellt – weil es sich um die Widerlegung von Zeugenaussagen und die Zuordnung von am Tatort tatsächlich aufgefundenen Spuren handelt – einen Beweisantrag dar und nicht eine aufs Geratewohl aufgestellte, aus der Luft gegriffene Behauptung (vgl. BGHR StPO § 244 Abs. 3 Satz 2 Bedeutungslosigkeit 25).
6
b) Die Zurückweisung dieses Antrags erfüllt die für den Zurückweisungsgrund der Bedeutungslosigkeit im Sinne des § 244 Abs. 3 Satz 2 StPO geltenden Anforderungen nicht. Der Beschluss, mit dem ein Beweisantrag wegen Bedeutungslosigkeit der behaupteten Tatsachen abgelehnt wird, muss die Erwägungen anführen, aus denen der Tatrichter ihnen keine Bedeutung beimisst. Wird die Bedeutungslosigkeit aus tatsächlichen Umständen gefolgert, so müssen die Tatsachen angegeben werden, aus denen sich ergibt, warum die unter Beweis gestellte Tatsache, selbst wenn sie erwiesen wäre, die Entscheidung des Gerichts nicht beeinflussen könnte (BGHR StPO § 244 Abs. 3 Satz 2 Bedeutungslosigkeit 26 m.w.N.). Die erforderliche Be- gründung hat grundsätzlich den Begründungserfordernissen bei der Würdigung von durch eine Beweisaufnahme gewonnenen Indiztatsachen in den Urteilsgründen zu entsprechen (vgl. BGH aaO). Die Ablehnung des Beweisantrags darf nicht dazu führen, dass aufklärbare, zugunsten eines Angeklagten sprechende Umstände der gebotenen Gesamtabwägung im Rahmen der Beweiswürdigung entzogen werden (BGH aaO).
7
Zwar ist vorliegend die Erwägung des Landgerichts, die Urheberschaft des Blutes an der Hand des Täters lasse keinen Rückschluss auf die Täterschaft des Angeklagten zu, bei lediglich abstrakter Betrachtung richtig. Die Darlegung tatsächlicher Bedeutungslosigkeit erfordert aber darüber hinaus eine Einfügung und Würdigung der Beweistatsache in das bisher gewonnene Beweisergebnis (vgl. BGH aaO). Daran fehlt es hier; die tatsächliche Bedeutungslosigkeit versteht sich auch nicht etwa von selbst.
8
Dies ergibt sich insbesondere auch daraus, dass die Ablehnung des Beweisantrags nicht im Einklang mit der sachlich und zeitlich eng zusammenhängenden Zurückweisung des Beweisermittlungsantrags bezüglich der Urheberschaft des Blutes am Messer des Angeklagten steht. Hieraus konnte die Verteidigung mithin nicht etwa eine Ergänzung der Ablehnungsbegründung des Beweisantrags entnehmen, die dem Angeklagten die gebotene Information über die Beweiserwägungen des Tatrichters transparent gemacht haben könnte (vgl. BGH, Beschluss vom 11. April 2007 – 3 StR 114/07 Rdn. 8), im Gegenteil: Das Landgericht hat dort pauschal auf das bisherige Beweisergebnis abgestellt und auf dieser Grundlage die Urheberschaft des Blutes am Messer des Angeklagten vom Opfer als zweifelsfrei gegeben und nicht weiter aufklärungsbedürftig angesehen. Solches steht aber in Widerspruch zur postulierten Bedeutungslosigkeit der Urheberschaft des Blutes an der Hand des Angeklagten, mit der dieser ersichtlich die Tat verübt haben soll. Es ist nicht nachvollziehbar, weshalb sich an dem Messer Blut des Geschädigten , an der Hand des Angeklagten, mit der er das Messer geführt haben soll, hingegen Blut eines anderen befunden haben könnte.
9
4. Die Sache bedarf demnach neuer Aufklärung und Bewertung. Bei der gegebenen Sachlage drängte die Aufklärungspflicht ohnehin bei Bestreiten des Angeklagten, den vorhandenen Sachbeweis auszuschöpfen. Da eine Verurteilung wegen eines versuchten Tötungsverbrechens nach dem angefochtenen Urteil fern liegt, verweist der Senat die Sache entsprechend § 354 Abs. 3 StPO an eine allgemeine Strafkammer des Landgerichts zurück.
Basdorf Raum Brause Schaal Jäger

(1) Nach der Vernehmung des Angeklagten folgt die Beweisaufnahme.

(2) Das Gericht hat zur Erforschung der Wahrheit die Beweisaufnahme von Amts wegen auf alle Tatsachen und Beweismittel zu erstrecken, die für die Entscheidung von Bedeutung sind.

(3) Ein Beweisantrag liegt vor, wenn der Antragsteller ernsthaft verlangt, Beweis über eine bestimmt behauptete konkrete Tatsache, die die Schuld- oder Rechtsfolgenfrage betrifft, durch ein bestimmt bezeichnetes Beweismittel zu erheben und dem Antrag zu entnehmen ist, weshalb das bezeichnete Beweismittel die behauptete Tatsache belegen können soll. Ein Beweisantrag ist abzulehnen, wenn die Erhebung des Beweises unzulässig ist. Im Übrigen darf ein Beweisantrag nur abgelehnt werden, wenn

1.
eine Beweiserhebung wegen Offenkundigkeit überflüssig ist,
2.
die Tatsache, die bewiesen werden soll, für die Entscheidung ohne Bedeutung ist,
3.
die Tatsache, die bewiesen werden soll, schon erwiesen ist,
4.
das Beweismittel völlig ungeeignet ist,
5.
das Beweismittel unerreichbar ist oder
6.
eine erhebliche Behauptung, die zur Entlastung des Angeklagten bewiesen werden soll, so behandelt werden kann, als wäre die behauptete Tatsache wahr.

(4) Ein Beweisantrag auf Vernehmung eines Sachverständigen kann, soweit nichts anderes bestimmt ist, auch abgelehnt werden, wenn das Gericht selbst die erforderliche Sachkunde besitzt. Die Anhörung eines weiteren Sachverständigen kann auch dann abgelehnt werden, wenn durch das frühere Gutachten das Gegenteil der behaupteten Tatsache bereits erwiesen ist; dies gilt nicht, wenn die Sachkunde des früheren Gutachters zweifelhaft ist, wenn sein Gutachten von unzutreffenden tatsächlichen Voraussetzungen ausgeht, wenn das Gutachten Widersprüche enthält oder wenn der neue Sachverständige über Forschungsmittel verfügt, die denen eines früheren Gutachters überlegen erscheinen.

(5) Ein Beweisantrag auf Einnahme eines Augenscheins kann abgelehnt werden, wenn der Augenschein nach dem pflichtgemäßen Ermessen des Gerichts zur Erforschung der Wahrheit nicht erforderlich ist. Unter derselben Voraussetzung kann auch ein Beweisantrag auf Vernehmung eines Zeugen abgelehnt werden, dessen Ladung im Ausland zu bewirken wäre. Ein Beweisantrag auf Verlesung eines Ausgangsdokuments kann abgelehnt werden, wenn nach pflichtgemäßem Ermessen des Gerichts kein Anlass besteht, an der inhaltlichen Übereinstimmung mit dem übertragenen Dokument zu zweifeln.

(6) Die Ablehnung eines Beweisantrages bedarf eines Gerichtsbeschlusses. Einer Ablehnung nach Satz 1 bedarf es nicht, wenn die beantragte Beweiserhebung nichts Sachdienliches zu Gunsten des Antragstellers erbringen kann, der Antragsteller sich dessen bewusst ist und er die Verschleppung des Verfahrens bezweckt; die Verfolgung anderer verfahrensfremder Ziele steht der Verschleppungsabsicht nicht entgegen. Nach Abschluss der von Amts wegen vorgesehenen Beweisaufnahme kann der Vorsitzende eine angemessene Frist zum Stellen von Beweisanträgen bestimmen. Beweisanträge, die nach Fristablauf gestellt werden, können im Urteil beschieden werden; dies gilt nicht, wenn die Stellung des Beweisantrags vor Fristablauf nicht möglich war. Wird ein Beweisantrag nach Fristablauf gestellt, sind die Tatsachen, die die Einhaltung der Frist unmöglich gemacht haben, mit dem Antrag glaubhaft zu machen.