Bundesgerichtshof Beschluss, 04. Dez. 2012 - 4 StR 409/12

bei uns veröffentlicht am04.12.2012

Gericht

Bundesgerichtshof


Der Bundesgerichtshof (BGH) ist das höchste Gericht der ordentlichen Gerichtsbarkeit in Deutschland.  Der BGH besteht aus 16 Senaten, die jeweils von einem Vorsitzenden und mehreren anderen Richtern geleitet werden. Die Zusammensetzung der Senate

Richter

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
4 StR 409/12
vom
4. Dezember 2012
in der Strafsache
gegen
wegen schweren Raubes u. a.
Der 4. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat nach Anhörung des Generalbundesanwalts
und des Beschwerdeführers am 4. Dezember 2012 gemäß § 349
Abs. 2 und Abs. 4 StPO beschlossen:
1. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Magdeburg vom 11. Mai 2012 im Ausspruch über den Vorwegvollzug aufgehoben. 2. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels , an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen. 3. Die weiter gehende Revision des Angeklagten wird verworfen.

Gründe:


1
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen schweren Raubes, wegen Raubes in Tateinheit mit vorsätzlicher Körperverletzung und wegen Computerbetruges in zwei Fällen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von sechs Jahren verurteilt , die Unterbringung in einer Entziehungsanstalt angeordnet und bestimmt, dass ein Jahr und sechs Monate der Freiheitsstrafe vor der Unterbringung zu vollziehen sind. Gegen die Verurteilung richtet sich die auf Verfahrensrügen und die Sachrüge gestützte Revision des Angeklagten. Sie hat lediglich in dem aus dem Tenor ersichtlichen Umfang Erfolg.
2
Das Rechtsmittel des Angeklagten ist unbegründet im Sinne des § 349 Abs. 2 StPO, soweit es sich gegen den Schuld- und den Strafausspruch richtet; auch die Anordnung zur Unterbringung in der Entziehungsanstalt weist keinen Rechtsfehler auf.
3
Die vom Landgericht vorgenommene Bestimmung der Dauer des Vorwegvollzugs der Maßregel ist jedoch nicht nachvollziehbar und daher rechtsfehlerhaft. Denn die Strafkammer hat es unterlassen, in dem Urteil mitzuteilen, wie lange die Unterbringung des Angeklagten voraussichtlich erforderlich sein wird (vgl. dazu etwa BGH, Beschluss vom 5. Oktober 2010 - 4 StR 448/10; Fischer, StGB, 59. Aufl., § 67 Rn. 11b mwN). Die Dauer des Vorwegvollzugs ist so zu bemessen, dass nach seiner Vollziehung und einer anschließenden Unterbringung eine Entscheidung nach § 67 Abs. 5 Satz 1 StGB, also eine Entlassung zum Halbstrafenzeitpunkt, möglich ist. Der nunmehr zur Entscheidung berufene Tatrichter wird - unter erneuter Hinzuziehung eines Sachverständigen (§ 246a Satz 2 StPO) - bei der Berechnung des vorweg zu vollstreckenden Teils der Freiheitsstrafe die voraussichtlich notwendige Therapiedauer feststellen und diese von den drei Jahren - der Hälfte der (nunmehr rechtskräftig) erkannten Freiheitsstrafe - abziehen müssen.
4
Einer Aufhebung der Feststellungen bedarf es nicht. Bei der voraussichtlichen Therapiedauer handelt es sich um eine ergänzende Feststellung; die weiteren für § 67 Abs. 2, 5 StGB relevanten Feststellungen wurden rechtsfehlerfrei getroffen.
Mutzbauer Roggenbuck Cierniak
Bender Reiter

Urteilsbesprechung zu Bundesgerichtshof Beschluss, 04. Dez. 2012 - 4 StR 409/12

Urteilsbesprechungen zu Bundesgerichtshof Beschluss, 04. Dez. 2012 - 4 StR 409/12

Referenzen - Gesetze

Strafprozeßordnung - StPO | § 349 Entscheidung ohne Hauptverhandlung durch Beschluss


(1) Erachtet das Revisionsgericht die Vorschriften über die Einlegung der Revision oder die über die Anbringung der Revisionsanträge nicht für beobachtet, so kann es das Rechtsmittel durch Beschluß als unzulässig verwerfen. (2) Das Revisionsgeric

Strafgesetzbuch - StGB | § 67 Reihenfolge der Vollstreckung


(1) Wird die Unterbringung in einer Anstalt nach den §§ 63 und 64 neben einer Freiheitsstrafe angeordnet, so wird die Maßregel vor der Strafe vollzogen. (2) Das Gericht bestimmt jedoch, daß die Strafe oder ein Teil der Strafe vor der Maßregel zu vol

Strafprozeßordnung - StPO | § 246a Vernehmung eines Sachverständigen vor Entscheidung über eine Unterbringung


(1) Kommt in Betracht, dass die Unterbringung des Angeklagten in einem psychiatrischen Krankenhaus oder in der Sicherungsverwahrung angeordnet oder vorbehalten werden wird, so ist in der Hauptverhandlung ein Sachverständiger über den Zustand des Ange
Bundesgerichtshof Beschluss, 04. Dez. 2012 - 4 StR 409/12 zitiert 5 §§.

Strafprozeßordnung - StPO | § 349 Entscheidung ohne Hauptverhandlung durch Beschluss


(1) Erachtet das Revisionsgericht die Vorschriften über die Einlegung der Revision oder die über die Anbringung der Revisionsanträge nicht für beobachtet, so kann es das Rechtsmittel durch Beschluß als unzulässig verwerfen. (2) Das Revisionsgeric

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Bundesgerichtshof Beschluss, 04. Dez. 2012 - 4 StR 409/12 zitiert oder wird zitiert von 4 Urteil(en).

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(1) Erachtet das Revisionsgericht die Vorschriften über die Einlegung der Revision oder die über die Anbringung der Revisionsanträge nicht für beobachtet, so kann es das Rechtsmittel durch Beschluß als unzulässig verwerfen.

(2) Das Revisionsgericht kann auf einen Antrag der Staatsanwaltschaft, der zu begründen ist, auch dann durch Beschluß entscheiden, wenn es die Revision einstimmig für offensichtlich unbegründet erachtet.

(3) Die Staatsanwaltschaft teilt den Antrag nach Absatz 2 mit den Gründen dem Beschwerdeführer mit. Der Beschwerdeführer kann binnen zwei Wochen eine schriftliche Gegenerklärung beim Revisionsgericht einreichen.

(4) Erachtet das Revisionsgericht die zugunsten des Angeklagten eingelegte Revision einstimmig für begründet, so kann es das angefochtene Urteil durch Beschluß aufheben.

(5) Wendet das Revisionsgericht Absatz 1, 2 oder 4 nicht an, so entscheidet es über das Rechtsmittel durch Urteil.

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
4 StR 448/10
vom
5. Oktober 2010
in der Strafsache
gegen
wegen versuchten Mordes u.a.
Der 4. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat auf Antrag des Generalbundesanwalts
und nach Anhörung des Beschwerdeführers am 5. Oktober 2010 gemäß
§ 349 Abs. 2 und 4 StPO beschlossen:
1. Auf die Revisionen der Staatsanwaltschaft und des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Neubrandenburg vom 8. März 2010 im Ausspruch über die Dauer des Vorwegvollzugs mit den Feststellungen aufgehoben. 2. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere als Schwurgericht zuständige Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen. 3. Die weiter gehende Revision des Angeklagten wird verworfen.

Gründe:


1
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen versuchten Mordes in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung und mit schwerer Körperverletzung zu einer Freiheitsstrafe von zehn Jahren verurteilt, die Unterbringung in einer Entziehungsanstalt angeordnet und bestimmt, dass sechs Jahre und zwei Monate der Freiheitsstrafe vor der Unterbringung zu vollziehen sind. Hiergegen richtet sich die auf die Verletzung formellen und sachlichen Rechts gestützte Revision des Angeklagten. Die zu seinen Gunsten eingelegte Revision der Staatsanwaltschaft ist wirksam "auf den Ausspruch über die Bestimmung der Dauer des Vorwegvollzugs eines Teils der ausgeurteilten Freiheitsstrafe vor Beginn der Unterbringung in einer Entziehungsanstalt" beschränkt; insoweit rügt sie die Verletzung materiellen Rechts. Die Rechtsmittel haben mit der Sachrüge in dem aus der Entscheidungsformel ersichtlichen Umfang Erfolg. Im Übrigen ist die Revision des Angeklagten unbegründet im Sinne des § 349 Abs. 2 StPO.
2
1. Die vom Landgericht vorgenommene Bestimmung der Dauer des Vorwegvollzugs eines Teils der Strafe vor der Maßregel ist rechtsfehlerhaft. Sie verstößt gegen § 67 Abs. 2 Satz 3 StGB. Danach ist, sofern bei einer Freiheitsstrafe von über drei Jahren nicht ausnahmsweise von einer Vikariierung abgesehen wird, der vorweg zu vollstreckende Teil der Freiheitsstrafe so zu bemessen , dass nach seiner Vollziehung und einer anschließenden Unterbringung eine Entscheidung nach § 67 Abs. 5 Satz 1 StGB, also eine Entlassung zum Halbstrafenzeitpunkt, möglich ist. Ein Beurteilungsspielraum für den Tatrichter besteht nach dem klaren Wortlaut des Gesetzes insoweit nicht (st. Rspr.; vgl. nur BGH, Beschlüsse vom 8. Januar 2008 – 1 StR 644/07, StV 2008, 248 und vom 8. April 2008 – 4 StR 21/08).
3
Da der Halbstrafenzeitpunkt hier bei fünf Jahren Freiheitsstrafe liegt, kann der Ausspruch über die Dauer des Vorwegvollzugs nicht bestehen bleiben.
4
2. Der Senat kann die Dauer des Vorwegvollzugs nicht analog § 354 Abs. 1 StPO selbst festlegen (vgl. Senat aaO). Das Schwurgericht hat es nämlich – ebenfalls rechtsfehlerhaft (vgl. Fischer StGB 57. Aufl. § 67 Rdn. 11 a m.w.N.) – unterlassen, eine Prognose darüber zu treffen, wie lange die Unterbringung in der Maßregel voraussichtlich erforderlich sein wird (vgl. BGH, Beschluss vom 24. September 2008 - 1 StR 478/08, NStZ 2009, 87, 88).
5
3. Der nunmehr zur Entscheidung berufene Tatrichter wird - unter Hinzuziehung eines Sachverständigen (§ 246a Satz 2 StPO) - bei der Berechnung des vorweg zu vollstreckenden Teils der Freiheitsstrafe die voraussichtlich notwendige Therapiedauer feststellen und diese von den fünf Jahren - der Hälfte der (nunmehr rechtskräftig) erkannten Freiheitsstrafe - abziehen müssen.
Ernemann Solin-Stojanović Cierniak
Franke Mutzbauer

(1) Wird die Unterbringung in einer Anstalt nach den §§ 63 und 64 neben einer Freiheitsstrafe angeordnet, so wird die Maßregel vor der Strafe vollzogen.

(2) Das Gericht bestimmt jedoch, daß die Strafe oder ein Teil der Strafe vor der Maßregel zu vollziehen ist, wenn der Zweck der Maßregel dadurch leichter erreicht wird. Bei Anordnung der Unterbringung in einer Entziehungsanstalt neben einer zeitigen Freiheitsstrafe von über drei Jahren soll das Gericht bestimmen, dass ein Teil der Strafe vor der Maßregel zu vollziehen ist. Dieser Teil der Strafe ist so zu bemessen, dass nach seiner Vollziehung und einer anschließenden Unterbringung eine Entscheidung nach Absatz 5 Satz 1 möglich ist. Das Gericht soll ferner bestimmen, dass die Strafe vor der Maßregel zu vollziehen ist, wenn die verurteilte Person vollziehbar zur Ausreise verpflichtet und zu erwarten ist, dass ihr Aufenthalt im räumlichen Geltungsbereich dieses Gesetzes während oder unmittelbar nach Verbüßung der Strafe beendet wird.

(3) Das Gericht kann eine Anordnung nach Absatz 2 Satz 1 oder Satz 2 nachträglich treffen, ändern oder aufheben, wenn Umstände in der Person des Verurteilten es angezeigt erscheinen lassen. Eine Anordnung nach Absatz 2 Satz 4 kann das Gericht auch nachträglich treffen. Hat es eine Anordnung nach Absatz 2 Satz 4 getroffen, so hebt es diese auf, wenn eine Beendigung des Aufenthalts der verurteilten Person im räumlichen Geltungsbereich dieses Gesetzes während oder unmittelbar nach Verbüßung der Strafe nicht mehr zu erwarten ist.

(4) Wird die Maßregel ganz oder zum Teil vor der Strafe vollzogen, so wird die Zeit des Vollzugs der Maßregel auf die Strafe angerechnet, bis zwei Drittel der Strafe erledigt sind.

(5) Wird die Maßregel vor der Strafe oder vor einem Rest der Strafe vollzogen, so kann das Gericht die Vollstreckung des Strafrestes unter den Voraussetzungen des § 57 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 und 3 zur Bewährung aussetzen, wenn die Hälfte der Strafe erledigt ist. Wird der Strafrest nicht ausgesetzt, so wird der Vollzug der Maßregel fortgesetzt; das Gericht kann jedoch den Vollzug der Strafe anordnen, wenn Umstände in der Person des Verurteilten es angezeigt erscheinen lassen.

(6) Das Gericht bestimmt, dass eine Anrechnung nach Absatz 4 auch auf eine verfahrensfremde Strafe erfolgt, wenn deren Vollzug für die verurteilte Person eine unbillige Härte wäre. Bei dieser Entscheidung sind insbesondere das Verhältnis der Dauer des bisherigen Freiheitsentzugs zur Dauer der verhängten Strafen, der erzielte Therapieerfolg und seine konkrete Gefährdung sowie das Verhalten der verurteilten Person im Vollstreckungsverfahren zu berücksichtigen. Die Anrechnung ist in der Regel ausgeschlossen, wenn die der verfahrensfremden Strafe zugrunde liegende Tat nach der Anordnung der Maßregel begangen worden ist. Absatz 5 Satz 2 gilt entsprechend.

(1) Kommt in Betracht, dass die Unterbringung des Angeklagten in einem psychiatrischen Krankenhaus oder in der Sicherungsverwahrung angeordnet oder vorbehalten werden wird, so ist in der Hauptverhandlung ein Sachverständiger über den Zustand des Angeklagten und die Behandlungsaussichten zu vernehmen. Gleiches gilt, wenn das Gericht erwägt, die Unterbringung des Angeklagten in einer Entziehungsanstalt anzuordnen.

(2) Ist Anklage erhoben worden wegen einer in § 181b des Strafgesetzbuchs genannten Straftat zum Nachteil eines Minderjährigen und kommt die Erteilung einer Weisung nach § 153a dieses Gesetzes oder nach den §§ 56c, 59a Absatz 2 Satz 1 Nummer 4 oder § 68b Absatz 2 Satz 2 des Strafgesetzbuchs in Betracht, wonach sich der Angeklagte psychiatrisch, psycho- oder sozialtherapeutisch betreuen und behandeln zu lassen hat (Therapieweisung), soll ein Sachverständiger über den Zustand des Angeklagten und die Behandlungsaussichten vernommen werden, soweit dies erforderlich ist, um festzustellen, ob der Angeklagte einer solchen Betreuung und Behandlung bedarf.

(3) Hat der Sachverständige den Angeklagten nicht schon früher untersucht, so soll ihm dazu vor der Hauptverhandlung Gelegenheit gegeben werden.

(1) Wird die Unterbringung in einer Anstalt nach den §§ 63 und 64 neben einer Freiheitsstrafe angeordnet, so wird die Maßregel vor der Strafe vollzogen.

(2) Das Gericht bestimmt jedoch, daß die Strafe oder ein Teil der Strafe vor der Maßregel zu vollziehen ist, wenn der Zweck der Maßregel dadurch leichter erreicht wird. Bei Anordnung der Unterbringung in einer Entziehungsanstalt neben einer zeitigen Freiheitsstrafe von über drei Jahren soll das Gericht bestimmen, dass ein Teil der Strafe vor der Maßregel zu vollziehen ist. Dieser Teil der Strafe ist so zu bemessen, dass nach seiner Vollziehung und einer anschließenden Unterbringung eine Entscheidung nach Absatz 5 Satz 1 möglich ist. Das Gericht soll ferner bestimmen, dass die Strafe vor der Maßregel zu vollziehen ist, wenn die verurteilte Person vollziehbar zur Ausreise verpflichtet und zu erwarten ist, dass ihr Aufenthalt im räumlichen Geltungsbereich dieses Gesetzes während oder unmittelbar nach Verbüßung der Strafe beendet wird.

(3) Das Gericht kann eine Anordnung nach Absatz 2 Satz 1 oder Satz 2 nachträglich treffen, ändern oder aufheben, wenn Umstände in der Person des Verurteilten es angezeigt erscheinen lassen. Eine Anordnung nach Absatz 2 Satz 4 kann das Gericht auch nachträglich treffen. Hat es eine Anordnung nach Absatz 2 Satz 4 getroffen, so hebt es diese auf, wenn eine Beendigung des Aufenthalts der verurteilten Person im räumlichen Geltungsbereich dieses Gesetzes während oder unmittelbar nach Verbüßung der Strafe nicht mehr zu erwarten ist.

(4) Wird die Maßregel ganz oder zum Teil vor der Strafe vollzogen, so wird die Zeit des Vollzugs der Maßregel auf die Strafe angerechnet, bis zwei Drittel der Strafe erledigt sind.

(5) Wird die Maßregel vor der Strafe oder vor einem Rest der Strafe vollzogen, so kann das Gericht die Vollstreckung des Strafrestes unter den Voraussetzungen des § 57 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 und 3 zur Bewährung aussetzen, wenn die Hälfte der Strafe erledigt ist. Wird der Strafrest nicht ausgesetzt, so wird der Vollzug der Maßregel fortgesetzt; das Gericht kann jedoch den Vollzug der Strafe anordnen, wenn Umstände in der Person des Verurteilten es angezeigt erscheinen lassen.

(6) Das Gericht bestimmt, dass eine Anrechnung nach Absatz 4 auch auf eine verfahrensfremde Strafe erfolgt, wenn deren Vollzug für die verurteilte Person eine unbillige Härte wäre. Bei dieser Entscheidung sind insbesondere das Verhältnis der Dauer des bisherigen Freiheitsentzugs zur Dauer der verhängten Strafen, der erzielte Therapieerfolg und seine konkrete Gefährdung sowie das Verhalten der verurteilten Person im Vollstreckungsverfahren zu berücksichtigen. Die Anrechnung ist in der Regel ausgeschlossen, wenn die der verfahrensfremden Strafe zugrunde liegende Tat nach der Anordnung der Maßregel begangen worden ist. Absatz 5 Satz 2 gilt entsprechend.