Bundesgerichtshof Beschluss, 17. März 2011 - 4 StR 49/11
Bundesgerichtshof
Richter
BUNDESGERICHTSHOF
Gründe:
- 1
- Das Landgericht hat den Angeklagten wegen schwerer räuberischer Erpressung in Tateinheit mit Körperverletzung und wegen versuchter Nötigung unter Einbeziehung des Urteils des Amtsgerichts Schwerin vom 20. Juli 2007 zu einer Jugendstrafe von einem Jahr und zehn Monaten verurteilt und die Unterbringung des Angeklagten in einer Entziehungsanstalt aufrechterhalten. Hiergegen richtet sich die auf die Sachrüge gestützte Revision des Angeklagten. Sie hat zum Rechtsfolgenausspruch Erfolg; zum Schuldspruch ist sie dagegen unbegründet im Sinne des § 349 Abs. 2 StPO.
- 2
- 1. Wird ein früheres Urteil gemäß § 31 Abs. 2 Satz 1 JGG in die nunmehrige Entscheidung einbezogen, so entfallen die in dem einbezogenen Urteil ver- hängten Rechtsfolgen, als wäre diese Entscheidung nicht ergangen. Dies gilt auch, wenn in dem früheren Urteil Maßregeln verhängt worden waren (BGH, Urteil vom 27. Oktober 1993 - 3 StR 432/93; Beschluss vom 12. Juni 1996 - 2 ARs 130/96, NStZ 1997, 100, 101; zur Zulässigkeit der Einbeziehung, wenn - wie vorliegend - in dem einbezogenen Urteil im Hinblick auf eine angeordnete Unterbringung gemäß § 5 Abs. 3 JGG von der Verhängung einer Jugendstrafe abgesehen wurde: BGH, Urteil vom 9. Dezember 1992 - 3 StR 434/92, BGHSt 39, 92, 93).
- 3
- Der die Entscheidung einbeziehende Tatrichter hat deshalb die Voraussetzungen für die Anordnung der Maßregel neu zu prüfen und sie gegebenenfalls neu festzusetzen (BGH, Beschluss vom 1. Dezember 1987 - 4 StR 577/87, BGHR JGG § 31 Abs. 2 Einbeziehung 1).
- 4
- 2. Dem hat das Landgericht nicht entsprochen.
- 5
- Es hat vielmehr - wie in den Fällen des § 55 Abs. 2 StGB - ausgesprochen , dass die Maßregel aufrechtzuerhalten sei. Auch die Entscheidungsgründe lassen nicht erkennen, dass die Jugendkammer die Voraussetzungen des § 64 StGB erneut vollständig geprüft hat, wozu jedoch schon deshalb Anlass bestand, weil der Angeklagte weder die nunmehr abgeurteilte, noch einen Großteil der mehr als 30 in der einbezogenen Entscheidung abgeurteilten Taten unter dem Einfluss berauschender Mittel begangen hat. Soweit das Urteil dies wiedergibt, stand der Angeklagte lediglich bei den mehr als vier Jahre zurückliegenden Taten vom 14. August und vom 25. November 2006 unter Alkoholeinfluss (Tatzeit-BAK von ca. 0,7 bzw. 1,3 Promille).
- 6
- Hinzu kommt, dass die Jugendkammer - weshalb auch die von ihr verhängte Jugendstrafe aufzuheben ist - §§ 5 Abs. 3, 105 Abs. 1 JGG unerörtert gelassen hat.
- 7
- 3. Für die neue Hauptverhandlung weist der Senat darauf hin, dass die zur neuen Entscheidung berufene Jugendkammer auch zu prüfen haben wird, ob die Verurteilung zu einer Geldstrafe in dem Urteil des Amtsgerichts Stralsund vom 27. Mai 2009 erledigt ist (vgl. BGH, Beschluss vom 1. Juni 2010 - 4 StR 208/10). Ernemann Roggenbuck Cierniak Mutzbauer Bender
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(1) Erachtet das Revisionsgericht die Vorschriften über die Einlegung der Revision oder die über die Anbringung der Revisionsanträge nicht für beobachtet, so kann es das Rechtsmittel durch Beschluß als unzulässig verwerfen.
(2) Das Revisionsgericht kann auf einen Antrag der Staatsanwaltschaft, der zu begründen ist, auch dann durch Beschluß entscheiden, wenn es die Revision einstimmig für offensichtlich unbegründet erachtet.
(3) Die Staatsanwaltschaft teilt den Antrag nach Absatz 2 mit den Gründen dem Beschwerdeführer mit. Der Beschwerdeführer kann binnen zwei Wochen eine schriftliche Gegenerklärung beim Revisionsgericht einreichen.
(4) Erachtet das Revisionsgericht die zugunsten des Angeklagten eingelegte Revision einstimmig für begründet, so kann es das angefochtene Urteil durch Beschluß aufheben.
(5) Wendet das Revisionsgericht Absatz 1, 2 oder 4 nicht an, so entscheidet es über das Rechtsmittel durch Urteil.
(1) Auch wenn ein Jugendlicher mehrere Straftaten begangen hat, setzt das Gericht nur einheitlich Erziehungsmaßregeln, Zuchtmittel oder eine Jugendstrafe fest. Soweit es dieses Gesetz zuläßt (§ 8), können ungleichartige Erziehungsmaßregeln und Zuchtmittel nebeneinander angeordnet oder Maßnahmen mit der Strafe verbunden werden. Die gesetzlichen Höchstgrenzen des Jugendarrestes und der Jugendstrafe dürfen nicht überschritten werden.
(2) Ist gegen den Jugendlichen wegen eines Teils der Straftaten bereits rechtskräftig die Schuld festgestellt oder eine Erziehungsmaßregel, ein Zuchtmittel oder eine Jugendstrafe festgesetzt worden, aber noch nicht vollständig ausgeführt, verbüßt oder sonst erledigt, so wird unter Einbeziehung des Urteils in gleicher Weise nur einheitlich auf Maßnahmen oder Jugendstrafe erkannt. Die Anrechnung bereits verbüßten Jugendarrestes steht im Ermessen des Gerichts, wenn es auf Jugendstrafe erkennt. § 26 Absatz 3 Satz 3 und § 30 Absatz 1 Satz 2 bleiben unberührt.
(3) Ist es aus erzieherischen Gründen zweckmäßig, so kann das Gericht davon absehen, schon abgeurteilte Straftaten in die neue Entscheidung einzubeziehen. Dabei kann es Erziehungsmaßregeln und Zuchtmittel für erledigt erklären, wenn es auf Jugendstrafe erkennt.
(1) Aus Anlaß der Straftat eines Jugendlichen können Erziehungsmaßregeln angeordnet werden.
(2) Die Straftat eines Jugendlichen wird mit Zuchtmitteln oder mit Jugendstrafe geahndet, wenn Erziehungsmaßregeln nicht ausreichen.
(3) Von Zuchtmitteln und Jugendstrafe wird abgesehen, wenn die Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus oder einer Entziehungsanstalt die Ahndung durch den Richter entbehrlich macht.
(1) Auch wenn ein Jugendlicher mehrere Straftaten begangen hat, setzt das Gericht nur einheitlich Erziehungsmaßregeln, Zuchtmittel oder eine Jugendstrafe fest. Soweit es dieses Gesetz zuläßt (§ 8), können ungleichartige Erziehungsmaßregeln und Zuchtmittel nebeneinander angeordnet oder Maßnahmen mit der Strafe verbunden werden. Die gesetzlichen Höchstgrenzen des Jugendarrestes und der Jugendstrafe dürfen nicht überschritten werden.
(2) Ist gegen den Jugendlichen wegen eines Teils der Straftaten bereits rechtskräftig die Schuld festgestellt oder eine Erziehungsmaßregel, ein Zuchtmittel oder eine Jugendstrafe festgesetzt worden, aber noch nicht vollständig ausgeführt, verbüßt oder sonst erledigt, so wird unter Einbeziehung des Urteils in gleicher Weise nur einheitlich auf Maßnahmen oder Jugendstrafe erkannt. Die Anrechnung bereits verbüßten Jugendarrestes steht im Ermessen des Gerichts, wenn es auf Jugendstrafe erkennt. § 26 Absatz 3 Satz 3 und § 30 Absatz 1 Satz 2 bleiben unberührt.
(3) Ist es aus erzieherischen Gründen zweckmäßig, so kann das Gericht davon absehen, schon abgeurteilte Straftaten in die neue Entscheidung einzubeziehen. Dabei kann es Erziehungsmaßregeln und Zuchtmittel für erledigt erklären, wenn es auf Jugendstrafe erkennt.
(1) Die §§ 53 und 54 sind auch anzuwenden, wenn ein rechtskräftig Verurteilter, bevor die gegen ihn erkannte Strafe vollstreckt, verjährt oder erlassen ist, wegen einer anderen Straftat verurteilt wird, die er vor der früheren Verurteilung begangen hat. Als frühere Verurteilung gilt das Urteil in dem früheren Verfahren, in dem die zugrundeliegenden tatsächlichen Feststellungen letztmals geprüft werden konnten.
(2) Nebenstrafen, Nebenfolgen und Maßnahmen (§ 11 Abs. 1 Nr. 8), auf die in der früheren Entscheidung erkannt war, sind aufrechtzuerhalten, soweit sie nicht durch die neue Entscheidung gegenstandslos werden.
Hat eine Person den Hang, alkoholische Getränke oder andere berauschende Mittel im Übermaß zu sich zu nehmen, und wird sie wegen einer rechtswidrigen Tat, die sie im Rausch begangen hat oder die auf ihren Hang zurückgeht, verurteilt oder nur deshalb nicht verurteilt, weil ihre Schuldunfähigkeit erwiesen oder nicht auszuschließen ist, so soll das Gericht die Unterbringung in einer Entziehungsanstalt anordnen, wenn die Gefahr besteht, dass sie infolge ihres Hanges erhebliche rechtswidrige Taten begehen wird. Die Anordnung ergeht nur, wenn eine hinreichend konkrete Aussicht besteht, die Person durch die Behandlung in einer Entziehungsanstalt innerhalb der Frist nach § 67d Absatz 1 Satz 1 oder 3 zu heilen oder über eine erhebliche Zeit vor dem Rückfall in den Hang zu bewahren und von der Begehung erheblicher rechtswidriger Taten abzuhalten, die auf ihren Hang zurückgehen.
(1) Aus Anlaß der Straftat eines Jugendlichen können Erziehungsmaßregeln angeordnet werden.
(2) Die Straftat eines Jugendlichen wird mit Zuchtmitteln oder mit Jugendstrafe geahndet, wenn Erziehungsmaßregeln nicht ausreichen.
(3) Von Zuchtmitteln und Jugendstrafe wird abgesehen, wenn die Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus oder einer Entziehungsanstalt die Ahndung durch den Richter entbehrlich macht.
BUNDESGERICHTSHOF
Gründe:
I.
- 1
- Das Landgericht hat den Angeklagten wegen sexuellen Missbrauchs einer widerstandsunfähigen Person zu einer Jugendstrafe von zwei Jahren und vier Monaten verurteilt. Gegen dieses Urteil wendet sich der Angeklagte mit der Rüge der Verletzung sachlichen Rechts. Das Rechtsmittel hat in dem aus der Beschlussformel ersichtlichen Umfang Erfolg; im Übrigen ist es unbegründet im Sinne des § 349 Abs. 2 StPO.
II.
- 2
- 1. Die gegen den Angeklagten verhängte Einheitsjugendstrafe hat keinen Bestand, weil das Landgericht § 31 Abs. 2 und 3 JGG nicht beachtet hat.
- 3
- a) Gemäß § 31 Abs. 2 Satz 1 JGG ist bei der Ahndung von Straftaten nach Jugendstrafrecht, wenn eine anderweitig bereits rechtskräftig verhängte Jugendstrafe noch nicht erledigt ist, grundsätzlich auf eine einheitliche Rechtsfolge zu erkennen. Von der Einbeziehung der früheren Verurteilung darf nur ausnahmsweise abgesehen werden, wenn dies aus erzieherischen Gründen zweckmäßig ist (§ 31 Abs. 3 Satz 1 JGG). Ein Absehen von der Einbeziehung erfordert Gründe, die unter dem Gesichtspunkt der Erziehung von ganz besonderem Gewicht sind und zur Verfolgung dieses Zwecks über die üblichen Strafzumessungsgesichtspunkte hinaus das Nebeneinander zweier Jugendstrafen notwendig erscheinen lassen (vgl. BGHSt 36, 37, 42 ff.; BGH, Beschluss vom 9. Juli 2004 - 2 StR 150/04, StraFo 2004, 394 m.w.N.).
- 4
- b) Der Angeklagte wurde durch Urteil des Landgerichts Rostock vom 16. September 2009 rechtskräftig der gefährlichen Körperverletzung in Tateinheit mit Sachbeschädigung für schuldig befunden (§ 27 JGG). Dieses Urteil ist noch nicht erledigt im Sinne des § 31 Abs. 2 JGG, so dass das Landgericht hätte prüfen müssen, ob es in die neue Verurteilung einzubeziehen oder ob - ausnahmsweise - aus erzieherischen Gründen nach § 31 Abs. 3 JGG von einer Einbeziehung abzusehen war. Da diese Prüfung rechtsfehlerhaft unterblieben ist, muss über die Frage der Einbeziehung und die Bildung einer Einheitsjugendstrafe neu entschieden werden.
- 5
- 2. Der Generalbundesanwalt weist zutreffend darauf hin, dass die zur neuen Entscheidung berufene Jugendkammer des Landgerichts auch zu prüfen haben wird, ob die Geldstrafe aus dem Urteil des Amtsgerichts Hof vom 1. September 2008 bereits erledigt ist. Anderenfalls wäre insoweit eine Entscheidung gemäß § 105 Abs. 2 i.V.m. § 31 Abs. 2 Satz 1, Abs. 3 JGG zu treffen. Sollte die Verurteilung inzwischen erledigt sein, wäre zu prüfen, ob die Zahlung einer Geldstrafe nach der hier zu ahndenden Tat bei der nach erzieherischen Gründen zu bemessenden Jugendstrafe zu berücksichtigen ist.
Franke Mutzbauer