Bundesgerichtshof Beschluss, 10. Jan. 2017 - 4 StR 521/16

ECLI:ECLI:DE:BGH:2017:100117B4STR521.16.0
bei uns veröffentlicht am10.01.2017

Gericht

Bundesgerichtshof


Der Bundesgerichtshof (BGH) ist das höchste Gericht der ordentlichen Gerichtsbarkeit in Deutschland.  Der BGH besteht aus 16 Senaten, die jeweils von einem Vorsitzenden und mehreren anderen Richtern geleitet werden. Die Zusammensetzung der Senate

Richter

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
4 StR 521/16
vom
10. Januar 2017
in der Strafsache
gegen
wegen Computerbetruges
ECLI:DE:BGH:2017:100117B4STR521.16.0

Der 4. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat nach Anhörung der Beschwerdeführerin und des Generalbundesanwalts – zu 3. auf dessen Antrag – am 10. Januar 2017 gemäß § 349 Abs. 2 und 4 StPO beschlossen:
1. Auf die Revision der Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Frankenthal (Pfalz) vom 26. Juli 2016, soweit es sie betrifft, im Strafausspruch mit den zugrundeliegenden Feststellungen aufgehoben. 2. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels , an das Amtsgericht Frankenthal (Pfalz) – Strafrichter – zurückverwiesen. 3. Die weiter gehende Revision der Angeklagten wird verworfen.

Gründe:


1
Das Landgericht hat die Angeklagte unter Freisprechung im Übrigen wegen Computerbetruges zu einer Geldstrafe von 80 Tagessätzen verurteilt. Die mit der allgemeinen Sachrüge begründete Revision der Angeklagten hat den aus der Beschlussformel ersichtlichen Teilerfolg (§ 349 Abs. 4 StPO); im Übrigen erweist sie sich als unbegründet im Sinne des § 349 Abs. 2 StPO.
2
Der Strafausspruch hält revisionsgerichtlicher Überprüfung nicht stand. Die strafschärfende Erwägung des Landgerichts, die Angeklagte habe „keiner- lei Reue und Einsicht in ihr Fehlverhalten“ gezeigt, sondern sei „auch in der Hauptverhandlung trotzig und unbelehrbar“ erschienen (UA 14), begegnet durchgreifenden Bedenken. Dass die die Tat bestreitende Angeklagte keine Reue und Unrechtseinsicht zeigte, durfte nicht zu ihrem Nachteil gewertet werden (vgl. BGH, Beschlüsse vom 19. Januar 2016 – 4 StR 521/15; vom 8. Januar 2015 – 3 StR 543/14; vom 29. Januar 2014 – 1 StR 589/13, NStZ 2014, 396, 397). Eine andere Bewertung wäre nur in Betracht gekommen, wenn die Angeklagte bei ihrer Verteidigung ein Verhalten an den Tag gelegt hätte, das im Hinblick auf ihre Persönlichkeit und die Art der Tat auf eine besondere Rechtsfeindlichkeit und Gefährlichkeit schließen ließe (vgl. BGH, Beschlüsse vom 4. November 1993 – 1 StR 655/93, StV 1994, 125; vom 7. November 1986 – 2 StR 563/86, BGHR StGB § 46 Abs. 2 Nachtatverhalten 4; vom 9. Juni 1983 – 4 StR 257/83, NStZ 1983, 453); ein derartiges Verteidigungsverhalten ist hier indes weder festgestellt noch sonst ersichtlich.
3
Der Senat vermag nicht auszuschließen, dass das Landgericht auf eine (noch) niedrigere Strafe erkannt hätte, wenn es die fehlende Reue und Unrechtseinsicht außer Acht gelassen hätte. Über die Strafe muss deshalb neu entschieden werden. Der Senat hat von der Möglichkeit des § 354 Abs. 3 StPO Gebrauch gemacht.
Sost-Scheible Roggenbuck Franke
Quentin Feilcke

Urteilsbesprechung zu Bundesgerichtshof Beschluss, 10. Jan. 2017 - 4 StR 521/16

Urteilsbesprechungen zu Bundesgerichtshof Beschluss, 10. Jan. 2017 - 4 StR 521/16

Referenzen - Gesetze

Strafprozeßordnung - StPO | § 349 Entscheidung ohne Hauptverhandlung durch Beschluss


(1) Erachtet das Revisionsgericht die Vorschriften über die Einlegung der Revision oder die über die Anbringung der Revisionsanträge nicht für beobachtet, so kann es das Rechtsmittel durch Beschluß als unzulässig verwerfen. (2) Das Revisionsgeric

Strafprozeßordnung - StPO | § 354 Eigene Entscheidung in der Sache; Zurückverweisung


(1) Erfolgt die Aufhebung des Urteils nur wegen Gesetzesverletzung bei Anwendung des Gesetzes auf die dem Urteil zugrunde liegenden Feststellungen, so hat das Revisionsgericht in der Sache selbst zu entscheiden, sofern ohne weitere tatsächliche Erört

Strafgesetzbuch - StGB | § 46 Grundsätze der Strafzumessung


(1) Die Schuld des Täters ist Grundlage für die Zumessung der Strafe. Die Wirkungen, die von der Strafe für das künftige Leben des Täters in der Gesellschaft zu erwarten sind, sind zu berücksichtigen. (2) Bei der Zumessung wägt das Gericht die Um
Bundesgerichtshof Beschluss, 10. Jan. 2017 - 4 StR 521/16 zitiert 4 §§.

Strafprozeßordnung - StPO | § 349 Entscheidung ohne Hauptverhandlung durch Beschluss


(1) Erachtet das Revisionsgericht die Vorschriften über die Einlegung der Revision oder die über die Anbringung der Revisionsanträge nicht für beobachtet, so kann es das Rechtsmittel durch Beschluß als unzulässig verwerfen. (2) Das Revisionsgeric

Strafprozeßordnung - StPO | § 354 Eigene Entscheidung in der Sache; Zurückverweisung


(1) Erfolgt die Aufhebung des Urteils nur wegen Gesetzesverletzung bei Anwendung des Gesetzes auf die dem Urteil zugrunde liegenden Feststellungen, so hat das Revisionsgericht in der Sache selbst zu entscheiden, sofern ohne weitere tatsächliche Erört

Strafgesetzbuch - StGB | § 46 Grundsätze der Strafzumessung


(1) Die Schuld des Täters ist Grundlage für die Zumessung der Strafe. Die Wirkungen, die von der Strafe für das künftige Leben des Täters in der Gesellschaft zu erwarten sind, sind zu berücksichtigen. (2) Bei der Zumessung wägt das Gericht die Um

Referenzen - Urteile

Bundesgerichtshof Beschluss, 10. Jan. 2017 - 4 StR 521/16 zitiert oder wird zitiert von 3 Urteil(en).

Bundesgerichtshof Beschluss, 10. Jan. 2017 - 4 StR 521/16 zitiert 3 Urteil(e) aus unserer Datenbank.

Bundesgerichtshof Beschluss, 19. Jan. 2016 - 4 StR 521/15

bei uns veröffentlicht am 19.01.2016

BUNDESGERICHTSHOF BESCHLUSS 4 StR 521/15 vom 19. Januar 2016 in der Strafsache gegen wegen Körperverletzung ECLI:DE:BGH:2016:190116B4STR521.15.0 Der 4. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat nach Anhörung des Generalbundesanwalts und des Beschwe

Bundesgerichtshof Beschluss, 08. Jan. 2015 - 3 StR 543/14

bei uns veröffentlicht am 08.01.2015

BUNDESGERICHTSHOF BESCHLUSS 3 S t R 5 4 3 / 1 4 vom 8. Januar 2015 in der Strafsache gegen wegen versuchten Raubes u.a. Der 3. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat nach Anhörung der Beschwerdeführerin und des Generalbundesanwalts - zu 2. auf

Bundesgerichtshof Beschluss, 29. Jan. 2014 - 1 StR 589/13

bei uns veröffentlicht am 29.01.2014

BUNDESGERICHTSHOF BESCHLUSS 1 S t R 5 8 9 / 1 3 vom 29. Januar 2014 in der Strafsache gegen wegen schweren Raubes u.a. Der 1. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat am 29. Januar 2014 beschlossen : 1. Auf die Revision der Angeklagten wird das Urte

Referenzen

(1) Erachtet das Revisionsgericht die Vorschriften über die Einlegung der Revision oder die über die Anbringung der Revisionsanträge nicht für beobachtet, so kann es das Rechtsmittel durch Beschluß als unzulässig verwerfen.

(2) Das Revisionsgericht kann auf einen Antrag der Staatsanwaltschaft, der zu begründen ist, auch dann durch Beschluß entscheiden, wenn es die Revision einstimmig für offensichtlich unbegründet erachtet.

(3) Die Staatsanwaltschaft teilt den Antrag nach Absatz 2 mit den Gründen dem Beschwerdeführer mit. Der Beschwerdeführer kann binnen zwei Wochen eine schriftliche Gegenerklärung beim Revisionsgericht einreichen.

(4) Erachtet das Revisionsgericht die zugunsten des Angeklagten eingelegte Revision einstimmig für begründet, so kann es das angefochtene Urteil durch Beschluß aufheben.

(5) Wendet das Revisionsgericht Absatz 1, 2 oder 4 nicht an, so entscheidet es über das Rechtsmittel durch Urteil.

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
4 StR 521/15
vom
19. Januar 2016
in der Strafsache
gegen
wegen Körperverletzung
ECLI:DE:BGH:2016:190116B4STR521.15.0

Der 4. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat nach Anhörung des Generalbundesanwalts und des Beschwerdeführers am 19. Januar 2016 gemäß § 349 Abs. 2 und 4 StPO beschlossen:
1. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Halle vom 20. August 2015 mit den Feststellungen aufgehoben,
a) soweit die Vollstreckung der gegen den Angeklagten verhängten Freiheitsstrafe nicht zur Bewährung ausgesetzt worden ist,
b) soweit eine Entscheidung über die Unterbringung des Angeklagten in einer Entziehungsanstalt unterblieben ist. 2. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels , an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen. 3. Die weiter gehende Revision wird verworfen.

Gründe:


1
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen vorsätzlicher Körperverletzung zu einer Freiheitsstrafe von acht Monaten verurteilt. Dagegen wendet sich der Angeklagte mit seiner auf die Sachrüge gestützten Revision.
2
Das Rechtsmittel ist nur in dem aus der Entscheidungsformel ersichtlichen Umfang erfolgreich. Im Übrigen erweist es sich als unbegründet im Sinne von § 349 Abs. 2 StPO.
3
1. Das Landgericht hat die nach seiner Auffassung ungünstige Sozialprognose des Angeklagten im Sinne von § 56 Abs. 1 StGB wie folgt begründet: „Der Angeklagte ist mehrfach vorbestraft und hat dieTat unter laufender Be- währung, etwa ein Jahr nach der letzten Verurteilung begangen, bei der die Bewährungszeit noch bis zum 19. März 2016 läuft. Er hat das Unrecht seiner Tat nicht eingesehen und bereut die Tat nicht. Die Kammer geht deshalb nicht davon aus, dass er sich diese Verurteilung zur Warnung dienen lassen wird und keine weiteren Straftaten mehr begeht. Die Kammer sieht es vielmehr als erforderlich an, dass die Freiheitsstrafe vollstreckt wird, u.a. damit dem Angeklagten das Unrecht seiner Tat bewusst wird."
4
Diese Erwägungen begegnen durchgreifenden Bedenken. Dass der Angeklagte , der die Tat bestritten hatte, keine Reue und Unrechtseinsicht zeigte, durfte nicht zu seinem Nachteil gewertet werden. Auch im Rahmen des § 56 StGB ist dem Angeklagten ein die Grenzen des Zulässigen nicht überschreitendes Verteidigungsverhalten nicht anzulasten (st. Rspr., vgl. BGH, Beschlüsse vom 20. April 1999 – 4 StR 111/99, StV 1999, 602; vom 20. Februar 1998 – 2 StR 14/98, StV 1998, 482; vom 20. Dezember 1988 – 1 StR 664/88, BGHR StGB § 56 Abs. 2 Gesamtwürdigung, unzureichende 6).
5
Der Senat vermag trotz der Begehung der Tat während einer Bewährungszeit letztlich nicht auszuschließen, dass das Landgericht zu einer günstigeren Prognose gelangt wäre, wenn es die fehlende Unrechtseinsicht und Reue außer Acht gelassen hätte. Über die Strafaussetzung zur Bewährung muss deshalb neu entschieden werden.
6
2. Das Urteil kann auch keinen Bestand haben, soweit eine Entscheidung über die Unterbringung des Angeklagten in einer Entziehungsanstalt unterblieben ist. Der Generalbundesanwalt hat hierzu in seiner Antragsschrift u.a. dargelegt: „Das Landgericht hat rechtsfehlerhaft übersehen, die Maßregel einer Unterbringung des Angeklagten in einer Entziehungsanstalt (§ 64 StGB) zu prüfen. Es hat festgestellt, dass der Angeklagte in den letzten Jahren regelmäßig Drogen, zumeist in Form von Marihuana, sowie täglich Bier und Schnaps konsumierte … Ferner hat das Landgericht festgestellt, dass der Angeklagte bei der verfahrensgegenständlichen Tat – einem Aggressionsdelikt – unter dem Einfluss von Alkohol stand, wenngleich weder seine Steuerungs- noch seine Einsichtsfähigkeit hierdurch erheblich beeinträchtigt waren … Nach diesen Feststellungen liegt es nahe, dass die abgeurteilte Tat auf einen Hang des Angeklagten zurückgeht, berauschende Mittel im Übermaß zu sich zu nehmen …“.
7
Dem kann sich der Senat nicht verschließen.
Sost-Scheible Roggenbuck Franke
Mutzbauer Quentin

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
3 S t R 5 4 3 / 1 4
vom
8. Januar 2015
in der Strafsache
gegen
wegen versuchten Raubes u.a.
Der 3. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat nach Anhörung der Beschwerdeführerin
und des Generalbundesanwalts - zu 2. auf dessen Antrag - am
8. Januar 2015 gemäß § 349 Abs. 2 und 4 StPO einstimmig beschlossen:
1. Auf die Revision der Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Mainz vom 7. August 2014 aufgehoben; die objektiven Feststellungen zu den Anlasstaten bleiben jedoch aufrechterhalten.
Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels , an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.
2. Die weitergehende Revision wird verworfen.

Gründe:

1
Das Landgericht hat die Angeklagte wegen versuchten Raubes in Tateinheit mit Körperverletzung, versuchter räuberischer Erpressung in Tateinheit mit Beleidigung, versuchter räuberischer Erpressung sowie wegen Körperverletzung in Tateinheit mit Beleidigung zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von einem Jahr und neun Monaten verurteilt und ihre Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus angeordnet. Hiergegen richtet sich die Revision der Angeklagten mit der allgemeinen Sachbeschwerde. Das Rechtsmittel hat den aus der Entscheidungsformel ersichtlichen Teilerfolg. Im Übrigen ist es unbegründet.

2
1. Nach den Feststellungen des Landgerichts leidet die Angeklagte spätestens seit 2002 an einer Schizophrenie, die bei ihr zu massiven Wahnvorstellungen geführt hat. Die Angeklagte ist der Überzeugung, ihre Mutter und deren Lebensgefährte würden sie um ihr väterliches Erbe betrügen. Sie habe eine Erbschaft in Höhe von 400.000 € erlangt. Hierzu gehöre auch das Weingut der Familie. Tatsächlich ist ihr dieses Weingut bereits 1996 übertragen worden. Sie war indes krankheitsbedingt zur ordnungsgemäßen Verwaltung nicht in der Lage. Wegen finanzieller Schwierigkeiten musste der Betrieb Ende des Jahres 2002 verlustbringend veräußert werden. Obwohl seit 2002 arbeitslos, behauptet die Angeklagte, sie sei erfolgreich beruflich tätig. Aufgrund dieser Fehlvorstellungen wurde die Angeklagte in der Vergangenheit gegenüber Familienangehörigen aggressiv. Sie forderte von ihnen fortdauernd "finanzielle Zuwendungen aus der ihr nach ihrer Vorstellung zustehenden Erbschaft ein und versuchte, diese Forderungen auch regelmäßig durch verbale Drohungen sowie körperliche Gewalt durchzusetzen" (UA S. 7).
3
Gegenstand der Verurteilung sind vier Übergriffe im ersten Halbjahr 2013. Die Angeklagte trat den Lebensgefährten ihrer Mutter mit den Füßen in den Unterleib und beleidigte ihn (Fall II. 1); sie forderte - teilweise unter Beschimpfungen - von ihrer Mutter zweimal vergeblich Geld und drohte ihr dabei, sie werde sie ansonsten töten (Fälle II. 2 und 3). Zuletzt überfiel sie ihre Mutter, würgte diese am Hals und drückte sie schmerzhaft mittels eines Torflügels gegen die Hauswand. Sie versuchte, der Mutter einen wertvollen Brillantring vom Finger zu reißen, was ihr wegen der Gegenwehr und des Hinzutretens des Lebensgefährten nicht gelang (Fall II. 4).
4
Das Landgericht hat sachverständig beraten festgestellt, dass bei der Angeklagten zu den Tatzeitpunkten jeweils krankheitsbedingt eine allgemeine aggressive Verstimmung, eine erhebliche Antriebssteigerung mit einer deutlich erhöhten Reaktionsbereitschaft im Rahmen sozialer Interaktionen und wahnhafte Gedankeninhalte vorlagen. Insbesondere in den Fällen II. 2 bis 4 sei "die wahnhafte Vorstellung der Angeklagten, sie solle um ihr Erbe betrogen werden und ihr stünden erhebliche Geldansprüche gegen die Zeugin A. [die Mutter] zu, bestimmendes Motiv ihres Handelns" gewesen (UA S. 15). Es ist deshalb von einer erheblichen Verminderung der Steuerungsfähigkeit im Sinne von § 21 StGB ausgegangen.
5
2. Die Feststellungen des Landgerichts zum objektiven Geschehen beruhen auf einer fehlerfreien Beweiswürdigung. Auch die Beurteilung der Taten als solche der mittleren Kriminalität und deshalb bei Wiederholungsgefahr ausreichend für die Anordnung einer Unterbringung nach § 63 StGB ist von Rechts wegen nicht zu beanstanden.
6
3. Schuld- und Rechtsfolgenausspruch können indes nicht bestehen bleiben, weil die Annahme von - wenn auch eingeschränkt - erhalten gebliebener Schuldfähigkeit angesichts des festgestellten psychischen Zustands und der Tatmotivation der Angeklagten nicht belegt ist.
7
Schizophrenie ist eine Bezeichnung für eine Gruppe psychischer Erkrankungen , die durch charakteristische Störungen des Denkens, des Antriebs, der Wahrnehmung, der Affektivität, des Ich-Erlebens und des Verhaltens gekennzeichnet sind (vgl. hierzu und zum Folgenden Kröber/Lau in Kröber/Dölling/Leygraf/Saß, Handbuch der Forensischen Psychiatrie, Band 2, S. 312 f., 327 ff.). In ihrer häufigsten Erscheinungsart, der paranoid- halluzinatorischen Form, ist die Schizophrenie mit wahnhaften Vorstellungen und - zumeist akustischen - Halluzinationen verbunden. Eine akute psychotische Symptomatik im Sinne einer exazerbierten schizophrenen Psychose geht mit einer Aufhebung der Fähigkeit zur Realitätswahrnehmung und zur Realitätsprüfung und einer massiven Veränderung grundlegender Denkfunktionen einher. Die Realitätswahrnehmung kann dabei so tiefgreifend verändert sein, dass die Einsichtsfähigkeit in das Rechtswidrige des Handelns nicht mehr gegeben ist.
8
Das Landgericht hat die Wahnvorstellungen der Angeklagten für drei der Taten als handlungsleitend eingeschätzt. Gleiches liegt auch für die vierte Tat nicht fern, da der Lebensgefährte der Mutter in das Wahnsystem der Angeklagten einbezogen war. Es ist deshalb möglich, dass die Erkrankung der Angeklagten bereits deren Einsichtsfähigkeit in das Unrecht der Taten erheblich vermindert oder gar ausgeschlossen hat. Hiermit hätte sich die Strafkammer auseinandersetzen müssen. Da Schuldunfähigkeit der Angeklagten bei den Taten nicht auszuschließen ist, muss über den Schuldspruch und die gesamten Rechtsfolgen der Taten erneut entschieden werden.
9
Die objektiven Feststellungen zu den einzelnen Taten können bestehen bleiben.
10
4. Der neue Tatrichter wird zu erwägen haben, ob er mit der Begutachtung einen anderen Sachverständigen beauftragt. Für den Fall, dass er erneut zur Annahme von (eingeschränkter) Schuldfähigkeit gelangt, macht der Senat darauf aufmerksam, dass die Strafrahmenbestimmung bei § 223 StGB im angegriffenen Urteil (UA S. 16 und 17) ebenso rechtsfehlerhaft ist wie die strafschärfende Würdigung fehlender Reue (UA S. 18) bei einer die Taten bestrei- tenden Angeklagten (vgl. BGH, Beschluss vom 29. Januar 2014 - 1 StR 589/13, NStZ 2014, 396, 397).
Becker Pfister Hubert
Mayer Gericke

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
1 S t R 5 8 9 / 1 3
vom
29. Januar 2014
in der Strafsache
gegen
wegen schweren Raubes u.a.
Der 1. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat am 29. Januar 2014 beschlossen
:
1. Auf die Revision der Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts
Augsburg vom 3. Mai 2013 im Strafausspruch aufgehoben.
Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung
und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels
, an eine andere Jugendkammer des Landgerichts zurückverwiesen.
2. Die weitergehende Revision wird verworfen.

Gründe:

1
Das Landgericht hat die Angeklagte wegen schweren Raubes mit gefährlicher Körperverletzung zu einer Jugendstrafe von zwei Jahren und sechs Monaten verurteilt. Ihr Rechtsmittel führt mit der Sachrüge zur Aufhebung des Strafausspruchs; im Übrigen ist es unbegründet im Sinne von § 349 Abs. 2 StPO.
2
1. Das Landgericht hat festgestellt, dass die Angeklagte zusammen mit den ebenfalls verurteilten Mitangeklagten Kö. , G. , K. und A. den Plan gefasst hatte, den Geschädigten B. , einen Dealer, bei dem die Angeklagte kurz zuvor vorgeblich 6 Gramm Marihuana erworben hatte, tatsächlich waren es aber nur 4 Gramm, in seiner Wohnung aufzusuchen und ihm die nach Aussage der Angeklagten dort noch befindlichen weiteren 20 Gramm Cannabis – notfalls auch mit Gewalt – abzunehmen.Unter Mitnahme einer ungeladenen Pistole gelangten sie in die Wohnung. Sie bedrohten B. mit der Pistole und durchsuchten den Raum, fanden jedoch nur eine geringe Menge von etwa 1 Gramm Marihuana. Als B. den einen der Täter ansprang, wurde von anderen auf ihn eingeschlagen. Als seine in der Wohnung anwesende Mutter hinzukam , flohen die Täter, nahmen aber Betäubungsmittel und seine Geldbörse mit 200 € Bargeld sowie seine EC-Karte mit.
3
2. Der Strafausspruch hält materiell-rechtlicher Nachprüfung nicht stand.
4
a) Die Jugendkammer hat der Angeklagten straferschwerend angelastet, dass sie die Einsicht vermissen lässt, den entscheidenden Tipp für den Überfall gegeben zu haben. Dies begegnet durchgreifenden Bedenken.
5
aa) Einer Angeklagten darf es nicht zum Nachteil gereichen, dass sie bestimmte Tatbeteiligungen oder auch Tatveranlassungen bestreitet und infolgedessen bspw. keine Einsicht darin zeigt, dass möglicherweise nur auf ihre Hinweise hin die Angeklagten sich zur Tat entschlossen. Zum Nachteil eines bestreitenden Angeklagten darf bspw. nicht verwertet werden, dass er kein Mitgefühl und keine Schuldeinsicht gezeigt hat (BGH, Beschluss vom 16. September 1988 – 2 StR 124/88, StV 1989, 199) oder nach Rechtskraft eines Schuldspruchs auch noch weiterhin die Tat leugnet (BGH, Beschluss vom 15. Mai 2012 – 3 StR 121/12). Eine andere Bewertung ist nur zulässig, wenn ein Angeklagter bei seiner Verteidigung ein Verhalten an den Tag legt, das im Hinblick auf die Art der Tat und die Persönlichkeit des Täters auf besondere Rechtsfeindlichkeit und Gefährlichkeit schließen lässt (st. Rspr.; vgl. etwa BGH, Beschlüsse vom 7. November 1986 – 2 StR 563/86, BGHR StGB § 46 Abs. 2 Nachtatverhalten 4; vom 4. November 1993 – 1 StR 655/93, StV 1994, 125).
6
bb) Ein solcher Fall ist hier nicht gegeben. Die Angeklagte war von Rechts wegen nicht gehindert, zu leugnen, dass sie den entscheidenden Tipp für den Überfall gegeben hatte. Jedenfalls war die Jugendkammer bei diesem Prozessverhalten der Angeklagten gehindert, straferschwerend zu berücksichtigen , dass sie insoweit die Einsicht darin vermissen lasse, den entscheidenden Tipp gegeben zu haben.
7
b) Es ist nicht auszuschließen, dass die Jugendkammer unter Berücksichtigung dieser Grundsätze und ohne die rechtsfehlerhafte Erwägung auf eine niedrigere Sanktion erkannt hätte.
8
2. Die Feststellungen werden von dem Rechtsfehler nicht berührt; sie können deshalb bestehen bleiben. Die neu zur Entscheidung berufene Jugendkammer kann ergänzende Feststellungen treffen, die den bisherigen nicht widersprechen.
9
3. Außerdem wird die Jugendkammer Feststellungen dazu zu treffen haben , ob die Zahlung von 150 € an den Geschädigten in der Hauptverhandlung und die Entschuldigung der Angeklagten dafür, „wie es gelaufen ist“, als Aus- druck der Übernahme von Verantwortung im Sinne von § 10 Abs. 1 Satz 3 Nr. 7 JGG, § 46a Nr. 1 StGB anzusehen ist. Ob ein solcher „Täter-Opfer-Ausgleich“ vorliegt, ist nicht von der verwendeten Benennung durch den Verteidiger abhängig , sondern vom Tatgericht eigenverantwortlich zu prüfen. Selbst wenn die Qualifizierung durch den Verteidiger insoweit unzutreffend sein sollte, ist deshalb die Annahme eines standeswidrigen oder gar strafrechtlich relevanten Verhaltens – wie der Vermerk des Berichterstatters der Jugendkammer vom 14. August 2013 nahelegt – abwegig.
Raum Graf Jäger
Cirener Mosbacher

(1) Die Schuld des Täters ist Grundlage für die Zumessung der Strafe. Die Wirkungen, die von der Strafe für das künftige Leben des Täters in der Gesellschaft zu erwarten sind, sind zu berücksichtigen.

(2) Bei der Zumessung wägt das Gericht die Umstände, die für und gegen den Täter sprechen, gegeneinander ab. Dabei kommen namentlich in Betracht:

die Beweggründe und die Ziele des Täters, besonders auch rassistische, fremdenfeindliche, antisemitische oder sonstige menschenverachtende,die Gesinnung, die aus der Tat spricht, und der bei der Tat aufgewendete Wille,das Maß der Pflichtwidrigkeit,die Art der Ausführung und die verschuldeten Auswirkungen der Tat,das Vorleben des Täters, seine persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse sowiesein Verhalten nach der Tat, besonders sein Bemühen, den Schaden wiedergutzumachen, sowie das Bemühen des Täters, einen Ausgleich mit dem Verletzten zu erreichen.

(3) Umstände, die schon Merkmale des gesetzlichen Tatbestandes sind, dürfen nicht berücksichtigt werden.

(1) Erfolgt die Aufhebung des Urteils nur wegen Gesetzesverletzung bei Anwendung des Gesetzes auf die dem Urteil zugrunde liegenden Feststellungen, so hat das Revisionsgericht in der Sache selbst zu entscheiden, sofern ohne weitere tatsächliche Erörterungen nur auf Freisprechung oder auf Einstellung oder auf eine absolut bestimmte Strafe zu erkennen ist oder das Revisionsgericht in Übereinstimmung mit dem Antrag der Staatsanwaltschaft die gesetzlich niedrigste Strafe oder das Absehen von Strafe für angemessen erachtet.

(1a) Wegen einer Gesetzesverletzung nur bei Zumessung der Rechtsfolgen kann das Revisionsgericht von der Aufhebung des angefochtenen Urteils absehen, sofern die verhängte Rechtsfolge angemessen ist. Auf Antrag der Staatsanwaltschaft kann es die Rechtsfolgen angemessen herabsetzen.

(1b) Hebt das Revisionsgericht das Urteil nur wegen Gesetzesverletzung bei Bildung einer Gesamtstrafe (§§ 53, 54, 55 des Strafgesetzbuches) auf, kann dies mit der Maßgabe geschehen, dass eine nachträgliche gerichtliche Entscheidung über die Gesamtstrafe nach den §§ 460, 462 zu treffen ist. Entscheidet das Revisionsgericht nach Absatz 1 oder Absatz 1a hinsichtlich einer Einzelstrafe selbst, gilt Satz 1 entsprechend. Die Absätze 1 und 1a bleiben im Übrigen unberührt.

(2) In anderen Fällen ist die Sache an eine andere Abteilung oder Kammer des Gerichtes, dessen Urteil aufgehoben wird, oder an ein zu demselben Land gehörendes anderes Gericht gleicher Ordnung zurückzuverweisen. In Verfahren, in denen ein Oberlandesgericht im ersten Rechtszug entschieden hat, ist die Sache an einen anderen Senat dieses Gerichts zurückzuverweisen.

(3) Die Zurückverweisung kann an ein Gericht niederer Ordnung erfolgen, wenn die noch in Frage kommende strafbare Handlung zu dessen Zuständigkeit gehört.